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OWL Magazin 24 _ 2018

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42 REGION<br />

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Meisterfeier „Catalan Salto“ 1997 „Spiel mir das Lied vom Tor“ (ca. 1988)<br />

Übrigens: Auch die Würde des<br />

Balles ist unantastbar.<br />

Entstanden im Umfeld der Jugendzentrumsbewegung<br />

verband ihre Gründer<br />

neben der Liebe zum Spiel vor allem das<br />

Ziel, Kontakte für die politische Arbeit<br />

zu vertiefen und sich von hierarchischen<br />

Strukturen loszusagen. Die Geburtsstunde<br />

der Wilden Liga war – wie im Bielefelder<br />

„StadtBlatt“ von 1978 zu lesen – ein Votum<br />

für „Fußballspielen ohne Vereinsklüngel<br />

und Geschäftemacherei“.<br />

„Das Schöne ist doch: Wir alle dürfen<br />

kicken“, umschreibt Max Meis vom Team<br />

„H.A.B. Mitleid“ die Attraktivität der<br />

Wilden Liga. „Es ist egal, dass ein anderer<br />

besser ist, egal, dass ich keine Zeit<br />

für Training habe – mich setzt trotzdem<br />

keiner auf die Bank. Ich spiele und das<br />

nicht mal auf irgendeiner Wiese, sondern<br />

auf einem ordentlichen Fußballplatz.“<br />

Gewechselt werden kann jederzeit und<br />

beliebig oft – nach Belieben auch teamübergreifend.<br />

„Wir waren auch schon<br />

mal 15 Leute und die anderen nur neun.<br />

Dann wechseln eben mal zwei von uns<br />

das Trikot“, berichtet der „Huscher Löwe“<br />

Norbert Ullrich. § 13 der wilden Statuten<br />

heißt nicht umsonst: „Grundsätzlich ist<br />

(…) alles verhandelbar.“<br />

Norbert Ullrich geht „stark auf die 60<br />

zu“ und will so lange spielen, wie die<br />

Knochen halten: „Von Jungs Mitte 20 bis<br />

Ü50-Spielern ist bei uns alles dabei. Ein<br />

paar sind in Ausbildung, wir haben Handwerker<br />

und einen Rechtsanwalt. Einer lebt<br />

von Stütze, einer ist Arzt. Auf dem Platz<br />

sind alle gleich. Hier habe ich viele meiner<br />

engsten Freunde gefunden.“ Dass bei aller<br />

Lockerheit eine nette Verbindlichkeit vorherrsche,<br />

gefällt dem Sonderschullehrer:<br />

„Es gibt einen Spielplan, der allem dem<br />

Rahmen gibt, und feste interne Absprachen.<br />

Zum Beispiel: Einer kümmert sich<br />

um die Kontakte zum Gegner, einer hat<br />

die Trikots gewaschen, einer bringt die<br />

Netze mit und einer den Grill.“<br />

Im Frühjahr 2017 widmete das Historische<br />

Museum Bielefeld den ungezähmten<br />

Fußballerinnen und Fußballern eine Ausstellung.<br />

Nach einem öffentlichen Aufruf<br />

wurden die Verantwortlichen von Fotos<br />

und liebevoll gepflegten Aufzeichnungen<br />

förmlich überrollt. „Das war unglaublich“,<br />

berichtet Beate Wolff. „Über dieses<br />

Netzwerk aus gemeinsamen Erlebnissen<br />

sind Tausende von Ostwestfalen miteinander<br />

verbunden.“ Schließlich wurde in<br />

den Neunzigern sogar mal in drei Staffeln<br />

gekickt: nicht nur „Um die Wurst“ und<br />

im „Souterrain“ wie heute, sondern auch<br />

noch dazwischen im „Fahrstuhl“.<br />

„Sich selbst und die Gepflogenheiten im<br />

Fußball auf die Schippe zu nehmen, das<br />

hat neben allem politischen Ernst immer<br />

zu unserer DNA gehört“, freut sich Max<br />

Meis, früher in der „Matthäus Passion“<br />

(frei nach Lothar) am Ball und heute ein<br />

„H.A.B. Mitleid“ – ein Held am Ball. 26<br />

Jahre hat sein Team auf dem Buckel, mehr<br />

als alle anderen, die noch aktiv sind und<br />

keine Fusion hinter sich haben.<br />

Großes Kino<br />

Downsideup Film aus Bielefeld hat<br />

dem alternativen Fußball eine Dokumentation<br />

gewidmet. Für „Die Würde<br />

des Balles oder Fußball gegen die<br />

Ordnung“ heftete sich Filmemacher<br />

Max Meis ein Jahr lang an die Fersen<br />

der wilden Kicker, recherchierte<br />

Archivmaterial und sammelte per<br />

Crowdfunding Geld für Dreh und<br />

Schnitt. Die Premiere am 13. März<br />

2017 war selbstredend ein Bielefelder<br />

Heimspiel. Danach lief der 90-Minüter<br />

in ausgewählten deutschen<br />

Kinos sowie im März <strong>2018</strong> auf dem<br />

Internationalen Fußballfilmfestival<br />

„11 mm“ in Berlin. Weitere Gastspiele<br />

in Kinos in Hamburg, Köln, Münster<br />

und Aachen sind geplant. Termine<br />

und Trailer: https://downsideup.de/<br />

diewuerdedesballes/<br />

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Fotos: © Michi, Beate Steffens, Beate Wolff

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