Exkursion in den Frankenwald und das Thüringer ... - NWV-Darmstadt
Exkursion in den Frankenwald
und das Thüringer Schiefergebirge
05. bis 08. Juli 2012
Übersicht
Für den Naturwissenschaftlichen Verein war es die erste Exkursion in diese Gegend Deutschlands.
1990 waren das Fichtelgebirge (siehe Höllwarth/Feustel/Kammerer in Berichtsband NF 14, 1992; S.
23) und 1999 Süd-Thüringen (siehe Feustel in NF 23, 2000; S. 50) die nächstgelegenen Ziele gewesen.
Bei der jetzigen Exkursion in den Frankenwald und das Thüringer Schiefergebirge lagen die einzelnen
Exkursionsziele nordöstlich der sog. „Fränkischen Linie“. Hierbei handelt es sich um eine Bruchzone,
die möglicherweise schon bei der variskischen Gebirgsbildung angelegt worden ist, dann aber
vor etwa 55 Mio. Jahren mit dem Beginn der Alpenauffaltung nachhaltig aktiv wurde. Die Fränkische
Linie zieht etwa von Schmalkalden in Thüringen nach Südosten, an Sonneberg, Kronach, Bad
Berneck und Weiden vorbei, und trennt die „alten Gebirge“ (Thüringer Wald, Frankenwald, Münchberger
Masse, Fichtelgebirge und Oberpfälzer Wald) vom mesozoischen Bruchschollen-Vorland. In
der Gegend, in der wir uns zur Exkursion aufhielten, ist das Gebiet jenseits der Fränkischen Linie
gegenüber dem mesozoischen Vorland um ca. 1000 m angehoben worden. Weiter südöstlich noch
mehr. Bei dieser Hebung wurden die auf dem Urgestein aufliegenden Schichtenfolgen aus dem
Erdmittelalter, wie sie südwestlich dieser Fränkischen Linie anstehen, praktisch vollständig abgetragen.
So finden sich heute im Frankenwald und im Thüringer Schiefergebirge, das an den Frankenwald
nach Norden anschließt, nur noch Gesteine aus dem Erdaltertum.
Unter ihnen hatte bis vor wenigen Jahrzehnten vor allem der hier verbreitet auftretende Schiefer
eine große wirtschaftliche Bedeutung gehabt. Je nach seinen speziellen Eigenschaften wurden daraus
nicht nur Abdeckungen und Verkleidungen von Gebäuden, Bodenplatten, Fensterbänke und
andere Bauteile geschaffen, wie sie heute noch das Aussehen der Orte in dieser Gegend nachhaltig
prägen. Auch für die einstigen „ABC-Schützen“ auf der ganzen Welt war dieser Schiefer unentbehrlich.
Die Tafeln, auf denen die einstigen Schulanfänger ihre ersten Schreibübungen machten, kamen
weltweit in großem Umfang, die Griffel, mit denen diese Schreibübungen ausgeführt wurden, praktisch
ausnahmslos von hier. 30 Milliarden sollen es gewesen sein. Diesen Spuren intensiv nachzugehen
durch Aufsuchen aufgelassener Schiefersteinbrüche und durch Führungen und Vorführungen
im Schieferpark Lehesten (thüringisch) und im Schiefermuseum in Ludwigsstadt (bayerisch) waren
demnach auch die zentralen, wenn auch lange nicht die einzigen Themen unserer Exkursion.
So machte uns eine Wanderung durch das „Höllental“ bei „Bad Steben“ auch mit einem anderen
paläozoischen Gestein bekannt. In dieser weit ausgeräumten Schlucht, die der kleine Bach Selbitz
geschaffen hat, ist der „Diabas“ aufgeschlossen, ein devonisches Ergussgestein, das als „Kissenlava“
im devonischen Meer entstanden ist. Hochinteressant erwies sich auch die durchwanderte kurze
Klamm der fränkischen Steinach, die sich hier durch einen bei der Hebung als „Gleitscholle“ abgerutschten,
isolieren Felsklotz von „Quarzkeratophyr“ durchfressen musste.
Auch „Grauwacke“, ein paläozoisches Sedimentgestein, ließ sich bei unseren Wanderungen beobachten,
so z.B. in der „Schlucht der Schwarza“, schon etwas außerhalb des Thüringer Schiefergebirges
gelegen. Ein kurzer Aufenthalt in „Bad Steben“, dem höchstgelegenen Bayerischen Staatsbad,
war leider durch Starkregen beeinflusst. Die hier erschlossene Radonquelle deutet auf uranhaltige
Erzlagerstätten hin. Heilsamen Quellen hier wurden schon 1444 beschrieben. Doch geht der
Bergbau in dieser Gegend noch weiter zurück, angeblich bis ins 8. Jh., und der Ort war bis zur Ernennung
zum Bayerischen Staatsbad 1832 weitaus bekannter als Bergwerksort. Der Friedrich-
Wilhelm-Stollen, das bedeutendste ehemalige Bergwerk hier, in dem vor allem silberhaltige Kupfer-
Zinkerze gewonnen wurden, war auch verknüpft mit der äußerst erfolgreichen Tätigkeit Alexander
von Humboldts in den Jahren 1792-1795, als dieser für einige Jahren in preußischen Diensten stehend,
das Bergwerk hier saniert und auf den neuesten Stand gebracht hat. Das Thema Bergwerkstätigkeit
wurde dann allerdings im Verlauf unserer Exkursion nicht weiter vertieft. Dem Regen fiel
dann leider ein Besuch des erst vor kurzem aufgelassenen Steinbruchs im Ortsteil Horwagen zum
Opfer, wo ein buntgefärbter paläozoischer Flaserkalk gebrochen wurde, der zu sog. „Deutschrot-
Marmor“ poliert werden konnte und zur Ausschmückung bedeutender Gebäude, wie z.B. des
Schlosses Weißenstein in Pommersfelden, des Hauses der Deutschen Kunst in München und der
Walhalla bei Regensburg verwendet worden ist.
Da unsere einzelne Ziele diesseits und jenseits der ehemaligen deutsch-deutschen Grenze lagen,
und wir diese ehemalige Grenze bei unseren Anfahrten vor Ort immer wieder überschreiten mussten,
bot es sich an, eine Stelle aufzusuchen, wo die Zustände während der Trennung bis zur Wiedervereinigung
mit zahlreichen Bildern und kurzen Berichten museal dokumentiert sind. Das ist in
der „Thüringer Warte“ der Fall. Sie ist ein 1963 errichteter Aussichtsturm auf dem 678 m hohen
Ratzenberg bei Lauenstein, unmittelbar an der bayerisch-thüringischen Grenze gelegen. Von ihm
lässt sich weit in das damals nicht mehr zugängliche Thüringen hineinschauen. Man konnte vor allem
die damaligen Grenzanlagen der DDR mit dem Todesstreifen einsehen und ein stückweit verfolgen.
Heute hebt sich dieser ehemalige Grenzstreifen hellgrün als geschütztes „Grünes –Band“ aus
der Landschaft hervor.
Erwähnenswert ist schließlich noch ein Besuch in der Farbglashütte in Lauscha, wo einst die farbigen
Christbaumkugeln erfunden wurden. Dieser farbige Christbaumschmuck ist zwar heute vielfach
durch billiger herzustellende Massenwaren verdrängt. Doch hat die Glashütte, die die Rohstoffe
nicht nur für die eigene Weiterverarbeitung, sondern für zahlreiche kleine Glasbläser aufbereitet,
offenbar nicht nur genügenden Eigenbedarf, sondern auch noch genügend Interessenten und Abnehmer
ihrer farbigen Glasstäbe, bzw. -rohre, so dass sie weiter existieren kann. Aus diesen farbigen
Glasstäben werden dann die Tiere, Figuren, kunstvollen Vasen, Schalen, Gläser, Murmeln u. ä.
hergestellt, wie wir sie in den Ausstellungsräumen dieser Glashütte bewundern konnten.
40 Teilnehmer schlossen sich dieser Exkursion in den Frankenwald und das Thüringer Schiefergebirge
an. Die Exkursion war von Dr. Höllwarth zusammengestellt worden. Er hatte auch den schriftlichen
Exkursionsführer erstellt und in bewährter Weise die Leitung bei der Exkursion in der Hand.
Untergebracht waren wir in einem größeren Hotel im ehemaligen Flößerort Steinwiesen, ca. 15 km
nordöstlich von Kronach gelegen. Das recht gefällig in die Talaue des Flüsschens Rodach eingebette-
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te Hotel erwies sich als sehr gut geeignet für die Unterbringung und Verpflegung von Busgesellschaften.
Exkursionsverlauf
05.07.12
Unser Bus startet leicht verspätet um etwa 8.15 Uhr am Hauptbahnhof in Darmstadt. Es ist sehr
schwül und feucht. Kaum sind wir auf der A 5 Richtung Norden, wird ein längerer Stau gemeldet.
Sofort verlassen wir wieder die A 5, um über die B 3 und die A 661 auf die A 3 zu gelangen. Das
bringt eine weitere, nicht eingeplante, wenn auch nicht gravierende Verzögerung im Zeitplan. Die
Begrüßungen sind inzwischen erfolgt und die schriftlichen Exkursionsführer ausgeteilt. Nach kurzen
Erläuterungen des Exkursionsplanes gibt es auch gleich die ersten Hinweise zu Aufschlüssen an der
A 3. Wir werden diese Gesteine aus dem Erdmittelalter, die wir hier während der Fahrt an einigen
Aufschlüssen zu sehen bekommen, später im Exkursionsgebiet nicht mehr antreffen. Das ist zuerst
der Buntsandstein bald hinter Aschaffenburg. In der Würzburger Gegend dann die nächste Schichtstufe,
der Muschelkalk. Am Bibelrieder Kreuz wechseln wir auf die A 7 nordwärts, um bei Arnstein
auf die A 70 einzubiegen.
Es grüßen die beiden Kühltürme des Kernkraftwerks Grafenrheinfeld, ca. 7,5 km südlich von
Schweinfurt. Noch zeigt eine Dampfwolke an, dass das Werk nicht abgeschaltet ist. Nach dem Gesetz
vom 06.06.2011 zur Energiewende soll es bis zum Ende des Jahres 2015 endgültig stillgelegt
sein. Beim Reaktor handelt es sich um einen Druckwasserreaktor der 3. Generation. Das Gelände
gilt als erdbebensicher. Ein Hochwasserdamm soll das Gelände vor extremen Hochwässern des
Mains schützen, der in etwa 500 m Entfernung vorbeifließt. Die Leistung des Reaktors beträgt laut
Literaturangaben nach Abzug des Eigenbedarfs 1345 MW (Megawatt). Bald sind die Kühltürme unseren
Blicken entschwunden. Stattdessen kann man entlang der A 70 immer wieder Photovoltaik-
Anlagen beobachten. Offenbar ist das für viele Landwirte die bequemere Art geworden, aus ihren
Äckern ihren Lebensunterhalt zu erwirtschaften. Aber werden diese flächenfressenden Anlagen hier
je das KKW Grafrheinfeld ersetzen können? Es reizt mich zu einer Überschlagsrechnung: In NF 34,
2011, S. 69 gibt Dr. E. Müller in seinem Erfahrungsbericht über den zehnjährigen Betrieb seiner Photovoltaik-Anlage
für 1 m² Modulfläche eine effektive durchschnittliche Leistung von 83,45 kWh an.
Die maximale Leistung des KKW Grafenrheinfeld ist dagegen 1345 x 8760 MWh = 117,8 x 10 8 kWh.
Nimmt man im Schnitt eine etwa 70%ige Auslastung an, dann ergäbe das 82,5 x 10 8 kWh. Das entspräche
etwa einer Modulfläche von 100 km², oder mit Blick auf die Autobahn, 2000 km lange Photovoltaik-Anlagen
von 50 m Breite. Die jetzt an der Autobahn entlang vorhandenen schätze ich auf
insgesamt vielleicht 20 km x 50 m (= 1 km²). Woher die anderen 99 km² nehmen? Das wird kaum
realisierbar sein, auch wenn man noch sämtliche Hausdächer der anliegenden Orte dazu nimmt.
Aber da gebe ich dann doch mein Überschlagsrechnen lieber auf. An die bis 2015 nur noch vorhandene
kurze Zeit zur Realisierung, an den Rohstoff- und den Energiebedarf zur Herstellung der Module,
an die riesigen Finanzierungskosten und an die Veränderungen am Landschaftsbild und Auswirkungen
auf die Natur wage ich dabei gar nicht erst zu denken. Ich hoffe nur, unsere lieb-undteuren
Abgeordneten haben dies alles wohl bedacht, bevor sie die entsprechenden Gesetze verabschiedet
haben.
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Jetzt wird es auf der Weiterfahrt wieder mit der Geologie interessant: Die Hassberge und der Steigerwald
zeigen die nächste Schichtstufe der Trias an, den Keuper. Es dauert dann bis nach Bamberg,
bis wir an einem Straßenaufschluss die nächste Schichtstufe, den Jura, beobachten können. Dann
sind wir aber auch schon auf der A 9 Richtung Norden, die wir an der Abfahrt Naila verlassen, um
über Marxgrün an den Eingang zum „Höllental“, unserem ersten Exkursionsziel bei Bad Steben, zu
gelangen.
Es ist 12.50 Uhr als wir dort in „Höll“ ankommen Wir brauchen sofort unsere Regenschirme, denn
es regnet jetzt. Auch wählen wir in Anbetracht des Wetters den praktisch ebenen Fahrweg links
entlang der Selbitz, an dem die hier aufgeschlossenen, aus Kissenlaven gebildeten Diabas-Felsen
auch besser zu sehen sind, als auf dem höher liegenden Steig auf der anderen Bachseite (Abb. 1 und
2).
Zunächst aber geht es zu einem Brunnenhaus am Schluchteingang,
in dem das „Höllenwasser“ auch für Besucher zugänglich ist. Das stark mineralische Wasser
ist als eine Art Arznei durchaus trinkbar. Es aber kanisterweise als Trinkwasser abzufüllen, wie zu
beobachten, erfordert doch einen starken Glauben an die Heilkräfte dieses Wassers. Wir gehen
weiter, an einer ehemaligen Mühle vorbei, und kommen bald an ein Wehr, an dem ein deutlicher
Anteil des Bachwassers abgenommen und in einer Rohrleitung knapp 2 km weitergeführt wird. Dabei
werden gegenüber dem Bachniveau 38 m Höhenunterschied gewonnen. Dieser Höhenunterschied
wird genutzt, um in zwei Turbinen in einem Kraftwerk, das wir dann später passieren, bis zu
900 kW Strom zu erzeugen. Ganz schön! Und schon wieder überschlage ich: Mit ca. 1500 solcher
Anlagen könnte man, zumindest bei einem überdurchschnittlichen Wasserstand der Bäche, das
KKW Grafenrheinfeld ersetzen, wenn man einmal den Eigenbedarf an Energie dieser Anlagen außer
Acht lässt.
Doch wer kennt die Bäche, nennt die Namen, wo diese 1500 Kraftwerke noch errichtet werden
könnten, und wer glaubt, dass man die zumindest partielle Trockenlegung der Bäche durch diese
Anlagen gegen die sich erhebenden Proteste politisch durchsetzen könnte?
Bei der Wanderung tritt die Nesselblättrige Glockenblume (Campanula trachelium) am Wege auf.
Noch häufiger das eingeschleppte Klebrige Springkraut (Impatiens glandulifera). Wiesenblatterbse
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(Lathyrus pratensis), Mädesüß (Filipendula ulmaria), Geißbart (Aruncus silvestris), einige weißblühende
Pfirsichblättrige Glockenblumen (Campanula persicifolia), Baldrian (Valeriana officinalis),
verblühte Ährige Teufelskrallen (Phyteuma spicatum), Waldziest (Stachys silvatica), Waldwicke (Vicia
silvatica), ein relativ kleinblütiges Weideröschen (wohl Epilobium parviflorum), an trockeneren
Stellen auch das Schmalblättrige Weideröschen (Epilobium angustifolium) und die Schwarze Heckenkirche
(Lonicera nigra) sind weitere Pflanzen, die wir am Wege beobachten können. Dr. K.H.
Müller gibt dankenswerter Weise ab und zu Hinweise auf die Pflanzen für die Exkursionsmitglieder,
die nicht mit der Exkursionsführung in der Spitzengruppe vornweg wandern, sondern etwas hinten
nach hängen. Eine aus Diabas erbaute Brücke über den Bach für die inzwischen stillgelegte Bahnlinie
durch diese Schlucht und zwei etwas ungewöhnliche Holzstege werden passiert. Dann grüßt von
der anderen Talseite der sogenannte „Hirschsprung“, ein einzelner, übergroßer Fels, bei dem man
sich unwillkürlich fragt, wie da ein Hirsch hinauf gekommen sein soll und wohin er denn von da
oben gesprungen sein könnte. Jetzt kommt man am Ende der Schlucht nochmals an einer aufgelassenen
Mühle vorbei und findet sich schließlich nach insgesamt ca. 4 km an einem von Alexander
von Humboldt angelegten Entwässerungsstollen zum Friedrich-Wilhelm-Stollen, der als Besucherstollen
zugänglich gemacht worden ist, momentan aber nicht offen hat.
Hier erwartet uns wieder unser Bus, der uns zunächst nach Bad Steben zu einer verspäteten Mittagspause
bringt. Als wir dort aussteigen, fängt es an, wie aus Kübeln zu schütten. Alle stürzen in
das nächstbeste Lokal im Kurbereich, um noch eine Kleinigkeit zu essen oder wenigstens etwas zu
trinken, zumindest aber, um im Trockenen zu sein. Auch wenn der Regen später nachlässt, aus einem
ausgedehnteren Kurparkbummel oder gar Ortsbummel wird nichts. Es wird auch beschlossen,
den als nächstes Ziel eingeplanten ehemaligen Steinbruch bei Horwagen wegen seiner schlechten
Zugänglichkeit aufzugeben. Hier wäre man ohnehin nicht an den schleiffähigen, geaderten und
gelbbraun bis rot gefärbten Flaserkalk nahe herangekommen, der bis vor einigen Jahren zu
Deutsch-Rot Marmor verarbeitet wurde. Mit diesem „Deutsch-Rot“ wurden manche bedeutende
Gebäude in Bayern verziert. Das oberhalb des Steinbruchs ausgelegte, geschliffene Referenzstück
aber wurde als ein allzu blasses Musterstück angesehen, für das sich die etwas komplizierte Anfahrt
mit einem großen Bus unter diesen Wetterbedingungen nicht lohnen würde.
Also fahren wir gleich weiter nach „Steinwiesen“, wo wir um 16.30 Uhr an unserem Hotel ankommen.
Das Einchecken geht schnell und problemlos. Das Hotel hat außer dem Rezeptionsgebäude, in
dem auch die Essensräume untergebracht sind, fünf weitere Gebäude mit den Schlafräumen. Die
Gebäude sind, -z.T. im rechtem Winkel,- aneinandergereiht, so dass alle Räume trocken zu erreichen
sind. Jedes Gebäude hat insgesamt 20 bis 24 Zimmer in zwei Stockwerken. So weit zu beurteilen,
scheinen nicht nur die Gebäude, sondern auch deren Zimmer alle in gleicher Form angelegt zu
sein, und auch die Ausstattung variiert offenbar nur wenig. An das Hotel schließt sich eine Badelandschaft
an, die von Hotelgästen unentgeltlich genutzt werden kann. Das Buffetessen, -wir haben
Halbpension gebucht,- ist abwechslungsreich, vielseitig und gut. Die zu den Essen gewählten Getränke
(auch Bier und Wein) sind kostenfrei und können in beliebiger Menge, allerdings nur in der
streng begrenzten Essenszeit, selbst gezapft werden.
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Nach des Tages Regengüsse können wir heute Abend
nach dem Abendessen sogar noch etwas auf der Freiterrasse
zusammensitzen. Doch die Versorgung mit Sitzkissen
auf die noch nassen Korbgeflechte der Stühle stößt
auf ein gewisses Unverständnis bei der Bedienung.
Der große Brunnen auf dieser Freiterrasse ist übrigens an
seinem Fuße mit größeren Felsbrocken eingefasst. Einer
davon ist ein rötlicher, geaderter Flaserkalk, wie er im
Horwagener Steinbruch gebrochen und zu „Deutsch-Rot“
Marmor verarbeitet wurde (Abb. 3). Also doch noch ein
brauchbares Referenzstück dieses Gesteins, auch wenn
wir heute nicht zu dem vorgesehenen Steinbruch gekommen
sind.
06.07.12
Wir wollen heute in das Griffelschiefergebiet um den
Fellberg (842 m) beim thüringischen Steinach. Die Durchquerung des Frankenwaldes und auch des
Thüringer Schiefergebirges über die Höhen ist recht zeitaufwändig und kurvenreich. Das Hochland
ist durch zahlreiche Täler kleiner Bachläufe zerschnitten und die 45 Jahre währende Trennung der
beiden deutschen Staaten hat bis heute bewirkt, dass nicht in jedem Fall eine Straßenverbindung
zwischen zwei benachbarten Orten besteht, die diesseits und jenseits der ehemaligen deutschdeutschen
Grenze lagen. Da ist es oft besser, längere Wege über die gut ausgebauten Bundesstraßen
zu wählen, die das Gebiet z.T. umfahren.
Das machen wir heute auch. Auf der B 173 fahren wir zunächst in südwestlicher Richtung dem
Bachlauf der Rodach folgend um die oberfränkische Kreisstadt Kronach herum, um dann auf der B
85 nach Norden zunächst das weite Tal der Haßlach zu nutzen und dann über die B 89 nach der
thüringischen Kreisstadt Sonneberg ins Tal der thüringischen Steinach überzuwechseln.
Dieses Tal liegt nun schon ab Sonneberg nördlich der Fränkischen Linie im Schiefergebirge. Es hat
weiter ausgeräumte Talpartien, in denen dann auch die Dörfer liegen, und auch schluchtartige Engstellen.
Eine meist gute Landstraße führt durch das Tal und auch eine Bahnlinie bis Lauscha, die
nach Art einer Stadtbahn zwischen Sonneberg und Lauscha betrieben wird. Wir folgen der Straße
bis zum Orte Steinach mit seinen schön verzierten schiefergedeckten und –verkleideten Gebäuden.
Kurz hinter Steinach führt ein kleines Sträßchen hoch in ein Skigebiet am Fellberg. Wir können diesem
Sträßchen mit dem Bus bis zu einem großen Sporthotel folgen, das aber geschlossen hat. Eine
kleine Baude daneben, die Postbaude, ist aber mit beschränkten Öffnungszeiten noch in Betrieb.
Überall findet man Warnhinweise wegen der Gefahr durch Mountainbiker, die sommers die mit
zusätzlichen „Schikanen“ versehenen Skipisten bevölkern.
Wir steigen von der Postbaude in einer Direttissima steil einen Waldweg hoch bis zu zwei ehemaligen
Griffelschieferbrüchen, den Barthelbrüchen. Am Weg findet man Wachtelweizen, interessanterweise
den Wiesen-Wachtelweizen (Melampyrum pratense) mitten im Wald, wie Herr Dressler
kennerisch bemerkt. Auch Fingerhut (Digitalis purpurea) steht vereinzelt hier. Man hat aus dem
umfangreichen Schieferschutt der beiden Steinbrüche in etwa 800 m Höhe eine große Aussichtsplattform
geschaffen. Leider ist heute die Sicht enttäuschend. Dass man nach Osten den Ochsen-
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kopf und den Fichtelberg im Fichtelgebirge heute nicht würde sehen können, hatten wir ja bei dieser
Wetterlage angenommen. Dass man aber von der Höhe noch nicht einmal ins Tal hinab oder die
Höhe an der anderen Talseite erkennen kann, hatten wir nicht erwartet. Und da beginnt es auch
wieder zu regnen. Das Bewundern der dichten, schönen Moosbestände vor allem an den Flanken
dieses Griffelschieferbruchs und des flächendeckenden Vorkommens des Harzer Labkrautes (Galium
hercynicum) auf der Halde hält sich deshalb in engen zeitlichen Grenzen. Wir ziehen jetzt auf
markiertem Waldweg weniger steil weiter in Richtung des eigentlichen Fellberges. Nach vielleicht
10 Minuten kommen wird an einem weiteren Aussichtpunkt vorbei, der „Milonsruh“ (820 m). Eine
kleine Hütte steht hier. Nicht einer macht sich die Mühe, vom Waldweg aus um die Hütte herum
zum Aussichtspunkt zu gehen. Man sieht ja schließlich, dass man nichts sieht!
Dann führt der Weg an der Bergstation des Fellberg-Sesselliftes vorbei. Er steht heute still, so dass
man in Ruhe die Sessel näher betrachten kann. Sie haben nicht nur Vorrichtungen, um seitlich bei
einer Bergfahrt die Skier einzustecken, sondern auch Halterungen für den Transport von Mountainbikes.
In den Sommerferien und an Wochenenden dient die hier befindliche Skiabfahrtsstrecke über
den Schieferschutt den Mountainbiker als Abfahrtsstrecke. Heute aber ist Freitag, mieses Wetter
und noch keine Ferien, so dass kein Mountainbiker auf den Skipisten zu sehen ist. Dann ist die
höchste Stelle der Fellbergkuppe erreicht, hervorgehoben durch eine Steinsäule mit der Höhenangabe:
842 m. Von nun an geht’s bergab, und zwar relativ steil durch aufgelassene Griffelschieferbrüche
auf regennassem Verwitterungsschutt. Der fällt bei diesem weichen Schiefer aus dem Ordovizium
nicht plattenförmig an, sondern mehr oder minder säulenförmig. Daher eignete sich dieser
weiche Schiefer auch besonders gut zur Griffelherstellung. Der Regen hat inzwischen aufgehört.
Man kann sich jetzt mehr Zeit lassen, die
wunderschönen, vielfältigen Flechten mit
ihren roten, gelben oder weißen Fruchtkörpern
(Apothecien) zu bewundern (Abb. 4).
Vereinzelt wagen sich Schmetterlinge hervor.
Ein Wachtelweizen-Scheckenfalter
(Melitaea athalia) und ein Dukatenfalter
(Lycaena virgaurea) werden von Frau Weischedel
identifiziert. Andere suchen sich
schöne Erinnerungsstücke aus den Schieferbruchstücken,
die nicht nur eine graue
bis schwarze Färbung aufweisen, sondern
auch durch Eisenoxide dunkelrot gefärbt sein können. Gut beraten durch den Exkursionsleiter wird
auch nach den in diesem Schiefer nicht gerade häufigen Fossilien gesucht, etwa den damals die
Fauna bestimmenden Trilobiten (Trilobita). Die Funde halten sich erwartungsgemäß in bescheidenen
Grenzen (Abb. 5). Schon vor der vereinbarten Zeit sind alle an der Fellberg-Baude angekommen,
wo eine Mittagspause vereinbart ist. Man ist gut auf die Busgruppe vorbereitet und bietet
mehrere unterschiedliche Gerichte an, alle mit Thüringer Knödel als Beilage, damit jeder die Gelegenheit
hat, diese Thüringer Spezialität einmal zu verkosten. Wer sie noch nicht kennt, ist ob ihres
schwabbligen Äußeren etwas irritiert. Ein Exkursionmitglied an unserem Tisch beschreibt den Kloß
mit dem Ausruf: „Der lebt ja noch!“. Doch insgesamt finden die verschieden Gerichte guten Anklang.
Sie werden durchweg als geschmacklich gut beurteilt und es geht überraschend schnell. Nur
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mit dem komplizierten Kassieren macht
man sich das Leben auf der Baude unnötigerweise
etwas schwer. Aber es wird
schließlich doch gemeistert und wir können
von der Fellberg-Baude, vorbei an der
Talstation des ruhenden Sesselliftes, zur
Postbaude und unserem Bus zurückwandern.
Hier hat der Busfahrer schon Kaffee
vorbereitet, so dass noch an Ort und Stelle
eine kleine Kaffeepause eingeschoben
werden kann.
Wir sind noch relativ früh dran, als wir
schließlich um 14.45 Uhr zu unserem
nächsten Exkursionsziel weiterfahren,
dem letzten heute, der Farbglashütte in Lauscha. Nach kurzer Wartezeit werden wir in zwei Gruppen
durch die Werksanlagen geführt und hören dabei nicht nur eine Menge über die Herstellung
und Verwendung des hier hergestellten farbigen Glases, sondern können auch sehen, wie die ca. 90
m langen Glasröhren als Ausgangsmaterialien für Glasbläser in dieser Fabrik noch in reiner Handarbeit
hergestellt werden (Abb. 6). Was an Zeit darüber hinaus noch zur Verfügung steht, kann gut
zum Bewundern, Fotografieren
und auch
zum Auswählen und
Kaufen vieler farbiger
Glasprodukte in den
Ausstellungsräumen
verwendet werden.
Ob farbige Tiere,
menschliche Figuren
oder Fabelgestalten,
ob kunstvolle Schalen,
Vasen, Gläser, Krüge
oder Teller, ob
Schmuckstücke, Kerzenhalter,
Lampen,
Glasmurmeln, Weihnachtskugeln,Osterschmuck
oder besondere
Tischdekorationen für andere festliche Anlässe, ob farbige Zierkugeln oder Stecker für den
Garten oder nur für einen Blumentopf,– auch wenn kaum eines der ausgestellten Dinge wirklich
zum Leben nötig ist, man könnte sein Herz an viele dieser Schmuckstücke verlieren, und die Auswahl
eines kleines Souvenirs für sich selbst oder für die Lieben daheim fällt nicht jedem leicht.
Die Wolken haben sich inzwischen deutlich ausgelichtet, und zwischendurch lacht auf der Rückfahrt
zum Hotel sogar die Sonne. Auch wenn wir heute Mittag noch recht früh in unserem Zeitplan war-
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en, inzwischen ist dieser Zeitvorrat aufgebraucht, und wir können keineswegs auf der Rückfahrt
zum Hotel noch in Kronach eine kurze Zwischenrast einschieben, wie lose „angedacht“ war. Nichts
mit der sehenswerten Altstadt und Burg, keine Referenz dem größten Sohn der Stadt, Lukas Cranach.
Es wird ohnehin 18.00 Uhr, bis wir in Steinwiesen ankommen, und das ist der Zeitpunkt, an
dem das zeitlich limitierte Abendessen beginnt. Anschließend kann man heute recht angenehm an
trockenen Tischen und auf trockenen Stühlen (und auch mit Kissen) im Freien auf der Terrasse sitzen.
Von hier aus wird auch die Tanzmusik, die heute im Hotel aufspielt, angenehmer empfunden
als drinnen. Musik für „ältere Herrschaften“! Doch wo bleibt der „Langsame Walzer“?
07.06.12
Nach den Erfahrungen gestern mit der zeitaufwändigen Anfahrt in das Thüringer Schiefergebirge,
fahren wir heute etwas früher, um 8.30 Uhr, vom Hotel ab. Es ist wieder trüb und regnet leicht. Wir
fahren diesmal das Rodachtal aufwärts, um über Nordhalben und Tschirn nach Lehesten und Ludwigsstadt
zu kommen. Es soll heute einen weiteren „Schiefertag“ geben. Zunächst lässt sich alles
gut an. In den Talauen der Rodach stellenweise Geißbart (Aruncus), dann wieder Rohrkolben (Typha).
Schließlich ein Aufschrei durch den Bus: „Ein Schwarzstorch“! In der Tat steht in den Wiesen
nahe der Straße ein Schwarzstorch (Ciconia nigra). Wer einst bei der Polenexkursion die Suche eines
Schwarzstorchs unter Führung eines einheimischen Försters mit einem großem Fernrohr mitgemacht
hat, lächelt noch heute über die damalige Schau um den seltenen Vogel. Und hier steht er
in der Wiese. Wir kommen nach Nordhalben. Totale Straßensperre! Kein Umleitungsschild! Was
tun? Wir biegen in die einzige, vor der Straßensperre abbiegende Abzweigung ein. „Heinersberg“
sagt der Wegweiser. Es geht steil aus dem Tal und dann über die Höhen ostwärts. Inzwischen sind
die Straßenkarten durchgesehen. Weder in Heinersberg noch in den folgenden Orten gibt es die
Möglichkeit, nach Norden oder gar Nordwesten, wo wir hinwollen, abzubiegen. Das Sträßchen verläuft
etwa parallel zur ehemaligen Zonengrenze nach Osten weiter. Also müssen wir umdrehen und
erst einmal genauer sehen, was es mit der Absperrung auf sich hat. Offenbar haben Orkanböen in
der Nacht am Hang oberhalb der Straße nach Nordhalben zahlreiche Bäume abgeknickt und über
die Straße geworfen. Man ist dabei, diese Straße wieder frei zu machen. Aber das kann noch lange
dauern. Also fahren wir wieder talabwärts bis vor Steinwiesen, um dann auf einer Straße über die
Höhen oberhalb des Ködelstausees, die sich dann als ausgesprochen gut befahrbar erweist, in das
Oberdorf von Nordhalben oberhalb der Windbruchzone zu gelangen, in der Hoffnung, von dort weiter
zu unseren Tageszielen zu kommen. Das gelingt dann auch problemlos.
Doch trotz unserer frühen Abfahrt sind wir jetzt schon zu spät dran. Ein telefonischer Kontakt mit
dem wartenden Führer im Schieferpark von Lehesten kommt nicht zustande. Aber als wir dort ankommen,
werden wir ohne Vorwürfe noch freundlich erwartet. Es regnet übrigens wieder und der
Regen beginnt sich zu verstärken. Das veranlasst den redegewandten und witzigen Führer, auf einen
Freilandgang durch das aufgelassene und unter Schutz gestellte Schieferabbaugebiet (Abb. 8)
zu verzichten und seine Informationen nur in den Werkshallen zu geben, die zum Besichtigungsprogramm
gehören. Zunächst halten wir uns im runden Schachthaus auf. Der Schiefer wurde zuletzt
nur noch untertage gebrochen. Deshalb waren Förderanlagen erforderlich. Sie sind noch alle vorhanden,
werden erläutert und z.T. mit höllischem Lärm in Gang gesetzt. Auch eine originale Pferdegöpelanlage
ist noch erhalten. Die ganzen Anlagen, wie auch die später in den Fertigungs- und Verarbeitungshallen
gezeigten, wurden 1999 stillgelegt und das Ganze als technisches Denkmal einge-
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ichtet. In den Fertigungshallen zeigt und erläutert unser lokaler Führer, der vor der Stilllegung
selbst aktiver Mitarbeiter im Werk war, die Werkzeuge und Maschinen, die zur Aufarbeitung der
großen Schieferbrocken zu den gewünschten Platten für Dachabdeckungen und Hausverkleidungen
oder anderen Bauelementen benutzt worden sind (Abb. 7). Er kann diese Arbeiten mit den einfachen
Werkzeugen auch einwandfrei vorführen. Dabei wird er nicht müde, immer wieder auf die
früheren Arbeitsbedingungen in den Steinbrüchen
und Verarbeitungshallen, vor allem die
fehlenden Arbeits- und Gesundheitsschutzmaßnahmen
und
auch die geringen Verdienstmöglichleiten hinzuweisen.
Ganze 1 ½ Stunden dauert diese Führung,
und keinem wird dabei langweilig. Inzwischen
hat der Regen aufgehört, und wir können
hier an einem Picknickplatz mit überdachten
und deshalb trockenen Bänken und Tischen unser
für den heutigen Tag vorgesehenes und vom
Busfahrer beschafftes Picknick abhalten.
12.30 Uhr ist dann Abfahrt zu unserem nächsten
Ziel, der Thüringer Warte bei Lauenstein,
heute OT von Ludwigsstadt. Ein schmales Einbahnsträßchen,
das auch für Busse geeignet ist,
lässt uns zu diesem 1963 an der damaligen Zonengrenze
erbauten Aussichtturm kommen.
Vom Turm kann man weit nach Thüringen hinein
schauen. Dies auch heute, wo die Sicht
deutlich besser als gestern ist. Schön zu sehen
ist vor allem der Verlauf der ehemaligen Grenze
mit dem Todesstreifen. Er steht heute unter
besonderem Schutz unter der Bezeichnung
„Grünes Band“, das sich tatsächlich als hellgrünes Band zwischen den dunklen Waldbäumen verfolgen
lässt. Damit soll die damalige rigorose Trennung der Menschen durch Grenzbefestigungen und
Todesstreifen heute zu etwas „Verbindendem“, einem Band, umfunktioniert werden. Dementsprechend
erweist sich der Turm auch als der geeignete Ort für die museale Sammlung von Bildern und
Statistiken zu der lokalen Situation der Menschen nach der Grenzziehung und der immer vollkommener
werdenden Abschottung, dann aber auch zur Grenzöffnung und der erwartungs- und hoffnungsvollen
Wiedervereinigung der Menschen in dieser Gegend. Eine sehr beeindruckende und
nachdenklich stimmende Dokumentation!
Auf dem kurzen Weg zum Busstandplatz zurück noch ein Blick auf eine Gruppe von Perlpilzen
(Amanita rubescens) am Wege. Frau Wache erläutert, wie sie sicher von den giftigen Pantherpilzen
(Amanita pantherina) zu unterscheiden sind. Wie zur Ergänzung steht gleich daneben ein von Dr.
Höllwarth als Porphyrbrauner Wulstling (Amanita prophyra) identifizierter, wenig empfehlenswerter
anderer Doppelgänger oder zumindest ähnlicher Pilz, mit dem der Perlpilz nicht verwechselt
werden darf.
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Wir haben die Zeitverzögerung durch die Windbruchsperrung heute Morgen noch nicht ganz aufholen
können und kommen noch leicht verspätet zu unserer nächsten Führung an das nach modernen
Vorstellungen neu eingerichtete Schiefermuseum in Ludwigsstadt. Im Hinblick auf unser heutiges
Restprogramm wird der Museumsführer gebeten, die Führung auf eine Stunde zu begrenzen. Das
hält er dann in etwa auch ein, und es macht ihm auch keine Schwierigkeiten, aus seinem reichen
Schatz an Ausstellungsstücken und den Geschichten dazu, die er wohl kennt, die auszuwählen, mit
denen er das in Lehesten Gesehene und Gehörte inhaltlich weiterführen und ergänzen kann. Er
konzentriert sich darauf, wie aus den in Lehesten und auch an anderen Orten sozusagen als „Halbfertigware“
hergestellten Schieferplatten Tafeln und Griffel für die ABC-Schützen hergestellt worden
sind, und welche Apparate und Maschinen zu diesem Zweck entwickelt und eingesetzt wurden.
Er tut das sehr anschaulich und alles andere als langweilig. Gar
mancher denkt beim Betrachten der ausgestellten Utensilien, die ein früherer ABC-Schütze mit sich
trug, selbst an seine erste Schulstunde zurück, als er mit einem Schulranzen, -streng unterschieden
für Jungen und Mädchen,- in dem sich eine Schiefertafel und ein Griffelkasten mit den Griffeln befand
und das Löschschwämmchen lustig an einer Schnur aus dem Ranzen baumelte, erwartungsvoll
in die Schule ging, um dort mit zittrigen Fingern mit „Auf-Ab-Auf und Tüpfelchen drauf“ das Schreiben
zu lernen. Auch bei dieser Museumsführung wird die ungeheure Arbeitslast und der geringe
Verdienst bei der Herstellung dieser Dinge betont. Da hört man, dass eine Frau aus vorgefertigten
quadratischen Schiefer-Stäbchen an einem Tag bis zu 5000 runde Griffel ausgefräst, diese auf einem
laufenden Schleifband zugespitzt, gewaschen und im hinteren Teil mit einem bedruckten Papier
umklebt hat, und dass sie dann am Abend ganze 1,25 Mark damit verdient habe. Da kann man ins
Grübeln kommen: Zu Wohlstand führte diese Arbeit sicher nicht, jedenfalls nicht für die, welche
diese Arbeiten ausführten. Vielleicht hatte man aber damals auch bzgl. „Wohlstand“ bescheidenere
Ansprüche als wir heute. Sind wir aber durch unseren Wohlstand zufriedener und glücklicher geworden?
Wohlstand erzeugt offenbar Gier nach immer mehr Wohlstand und fördert keineswegs die
Zufriedenheit und sicher auch nicht die soziale Gerechtigkeit. Zur Steigerung unseres Wohlstandes
nehmen wir ja schon den zukünftigen Verdienst unserer Enkel in Anspruch, indem wir ihnen von
Staats wegen einen Berg von Schulden hinterlassen.
Es ist dann schon 16.30 Uhr, bis wir wieder weit nach Süden um Kronach herum zur „fränkischen“
Steinach gekommen sind. Diesem kleinen Bach hat sich südlich von Presseck bei der Burgruine und
dem kleinen Weiler Wildenstein ein bei der Hebung an der Fränkischen Linie als sog. „Gleitscholle“
abgerutscher Felsklotz aus Quarzkeratophyr in den Weg gelegt, der an Bruchstellen vom Bach
durchbrochen werden musste. So wurde eine nur ca. 100 m lange Klamm gebildet (Abb. 9), die wir
uns auf einem bequemen Weg von etwa 2 km anschauen wollen. Dr. Höllwarth nutzt die Gelegenheit,
hierbei eine zusammenfassende Darstellung der Erdzeitalter und der dabei ablaufenden evolutionären
Schritte zu geben (Abb. 10). Das ist an dieser Stelle besonders angebracht, weil an diesem
kurzen Wegstück 12-15 mit Grafiken versehene Informationstafeln zu genau diesem Thema aufgestellt
sind. Die Aussagen ergänzen sich in den meisten Fällen und runden sich gegenseitig ab. In einigen
Details kann man auch etwas abweichende Darstellungen feststellen, ein Zeichen, dass auch
scheinbar unumstößliche Vorstellungen beim Auftreten neuer wissenschaftlicher Befunde gegebenenfalls
geändert werden müssen, oder auch, dass man, je nach dem Gewicht, das man einzelnen
Befunden zumisst, zu unterschiedlichen Vorstellungen kommen kann.
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Es ist mittlerweilen 17.30 Uhr geworden. Der Zeitverlust
durch die Straßensperrung heute Morgen hat sich nicht einholen lassen. Deshalb kann jetzt auch
nicht mehr in Presseck an der spätgotischen evangelischen Kirche angehalten werden, die mit volkstümlichen
Wandfresken aus den Jahren 1512-1520 und stilistisch anderen Deckenfresken von
1640-1648 ausgemalt ist. Die Ausmalungen stehen in Zusammenhang mit dem mehrfachen Konfessionswechsel
dieses Kirchleins: der Einführung der Reformation durch den Ortsherren und damit
Abbruch der ersten Ausmalungen, der späteren Rekatholisierung durch den obersten Landesherrn,
den Fürstbischof von Bamberg zu Beginn des dreißigjährigen Krieges und der Fortsetzung der Ausmalung,
und schließlich des erneuten Übergangs zum lutherischen Glauben nach dem Westfälischen
Frieden und der Übertünchung der Bilder bis zu ihrer Freilegung im 20. Jh.. Der unter anderen
Umständen realisierbare Besuch dieses Kirchlein war allerdings kein ausgemachter Programmpunkt,
sondern als kleine Dreingabe gedacht gewesen.
Auch auf schnellstem Weg sind wir heute wieder erst um 18.00 Uhr im Hotel. Eine größere Hochzeitsfeier
im Hotel schränkt heute unsere Raumfreiheit beim Essen ein. Doch da sich die Feierlichkeiten
im großen Speisesaal des Hotels abspielen, kann auch heute, an unserem letzten Abend,
nach dem Essen bei trockenem Wetter aber recht frischen Temperaturen noch auf der Hotelterrasse
zusammengesessen und über das Gesehene diskutiert werden.
08.07.12
Heute ist Rückfahrtstag. Der erste Tag, an dem uns am frühen Morgen die Sonne lacht. Wie lange
wohl? Die Fahrt soll, anders als die Anfahrt, über den Thüringer Wald gehen. Dort ist in der Schlucht
der Schwarza noch ein letzter Programmpunkt vorgesehen. Wir fahren auf mittlerweilen schon gut
bekanntem Weg um Kronach herum, über Sonneberg das Tal der Thüringischen Steinach bis Lauscha
hoch und weiter über Neuhaus, Oberweißbach, Sitzendorf und Schwarzburg nach dem etwas
abseits liegenden Bechstedt. Von dort soll über den Trippstein langsam in die Schwarzaschlucht
hinabgewandert werden, wo wir am Schweizerhaus die Schwarza erreichen wollen, um nach einer
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letzten Stärkung von hier aus die Rückfahrt ohne Unterbrechungen anzutreten. Die Wegstrecke für
die relativ bequeme Wanderstrecke wird mit 5,4 km angegeben.
Es hat inzwischen auf der Anfahrt wieder ein paar Spritzer geregnet. Doch ist das Wetter zum Zeitpunkt
unseres Wanderungbeginns um 10.45 Uhr wieder recht freundlich. Zunächst geht es an Wiesen
und Feldern vorbei leicht aufwärts. Am Wegrand Pfirsichblättrige Glockenblume (Campanula
persicifolia), Wirbeldost (Satureja vulgaris), Wiesenblatterbse (Lathyrus pratensis) und am Waldrand
auch das Schmalblättrige Weidenröschen (Epilobium angustifolium). Bald kommen wir in den
Wald, und es geht eben bis zum Trippstein, hoch über der Schwarza gelegen.
Die Aussicht ist nicht schlecht, wenn auch nicht unbedingt ideal (Abb. 11). Mehr beeindruckt noch
eine kleine Schutzhütte, die innen liebevoll mit Holzstäben in kleinen, kreuzweise versetzten Karos,
an der Decke auch mit kunstvoll gelegten Sternen, ausgeschmückt ist. Wer hat bloß diese kunstvolle
aber zeitaufwändige Ausschmückung einer einfachen Schutzhütte durchgeführt? Es geht nahe des
Schluchtabbruchs weiter bis zu einer Stelle, die als „Rolle“ ausgewiesen wird und etwas mit Erfurter
Studenten-Verbindungen zu tun hat. Ein Kolkrabe (Corvus corax) wird zunächst am Ruf identifiziert.
Dann überfliegt er uns auch. Neben dem Getüpfelten Johanniskraut (Hypericum perforatum) am
Wege kann man auch vereinzelt das Schöne Johanniskraut (Hypericum pulchrum) finden. Tollkirsche
(Atropa belladonna) und Tausendgüldenkraut (Centaurium minus) stehen auch am Wegrand.
Die Frage nach der Herkunft des Namens „Tausendgüldenkraut“, das hier stellenweise gehäuft auftritt
(Abb. 12), kann spontan nicht schlüssig beantwortet werden. Die nach der Tollkirche stellt dagegen
niemand. Sie wäre wohl einfacher zu beantworten.
Doch die „Tausend Gulden“ lassen mir keine Ruhe. Zuhause finde ich dann für das „Kraut des heilkundigen
Zentaur Chiron“, der damit schlechtheilende Wunden erfolgreich geheilt haben soll, mehrere
botanische Bezeichnungen. In allen kommt „Centaurium“ vor: Centaurium minus, Centaurium
umbellatum, Centaurium erythraea und Erythraea centaurium. Es lag schon im Mittelalter nahe, das
Wort centaurium nicht vom Zentaur Chiron, sondern von centum (=100) und aurum (das Gold, der
Gulden) abzuleiten, lese ich im „Wörterbuch der deutschen Pflanzennamen“ (Marzell, H.;
Verl.Hirzel, Leipzig 1972). Und z.B. ein gewisser Pinicianus (1521) und auch Fischart (1574) übersetzten
es auch mit „Hundertgüldenkraut“. Aus der 100 habe der „Volksmund“ dann aber eine 1000
gemacht. Dazu mag beigetragen haben, dass dieses Kraut nicht nur wegen seiner Heilkraft ge-
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schätzt war und noch ist, sondern dass man auch an die „Goldkraft“ des Krautes glaubte: Es heißt,
wer am Johannistag (24.Juni) Tausendgüldenkraut sammle und in seinen Geldbeutel stecke, der
werde das Jahr über keinen Mangel an Bargeld erleiden. Wenn aber schon durch unerklärliche
dunkle Mächte so einfach 100 Gulden zu erwerben sind, warum dann nicht gleich 1000 ! Doch wie
in den verschiedenen Märchen von den „Drei Wünschen“ berichtet wird: Die Maßlosigkeit und unbeherrschte
Gier des Wünschenden hat in allen mir bekannten diesbezüglichen Märchen dazu geführt,
dass der Wünschende am Ende mit leeren Händen dastand. So ist es jetzt wohl auch beim
Tausendgüldenkraut. Oder glauben Sie daran, dass Tausendgüldenkraut in Ihrem Geldbeutel Sie der
Geldsorgen entheben kann? Wären wir doch bloß bei den 100 Gulden geblieben! Ob man es vielleicht
einmal ganz bescheiden mit dem „Pfennigkraut“ versuchen sollte?
Dazu noch ein kleines Gedicht von Karl-Heinrich Waggerl:
Tausendgüldenkraut
Überdrüssig meiner Schulden
Will ich ein paar Tausend-Gulden-
Kräuter in den Garten pflanzen.
Jahr um Jahr will ich den ganzen
Guldenschatz zusammenlegen,
Kunst und Wissenschaften pflegen
Und zum Kummer meiner Erben
Einst als Kräuterkrösus sterben.
Um 12.45 Uhr sind wir dann am Schweizerhaus. Jetzt setzt wieder Regen ein und man sucht seine
Zuflucht im Innern. So groß ist die Gaststätte gar nicht, dass wir alle in einem Raum unterkommen
können. Und angemeldet sind wir auch nicht, nachdem trotz vielfacher Bemühungen kein vorheriger
telefonischer Kontakt zustande gekommen ist. Trotz alledem, die Dreimann(frau)besatzung des
Schweizerhauses meistert den unerwarteten Ansturm recht gut, und mit nur 25 Minuten Verspätung
können wir um 14.25 Uhr zur endgültigen Heimfahrt starten.
Die ist schnell beschrieben: Über Bad Blankenburg geht es auf der B 88 nach Ilmenau und dort auf
die A 71 und auf ihr über den Thüringer Wald nach Südwesten. Doch statt dann über die A 70, die A
7 und die A3 um Würzburg herum nach Darmstadt zu kommen, verlässt der Busfahrer bei Bad
Neustadt schon die A 71, um über die B 279 zur Kinzigtalautobahn A 66 zu gelangen.. Dann geht es
bei nun strahlender Sonne weiter. Frau Dr. Wagner kommentiert humorvoll die einzelnen Stationen
der rückliegenden Exkursion und dankt im Namen der Teilnehmer dem Organisator und Exkursionsleiter,
Herrn Dr. Höllwarth, aber auch denen, die, wenn auch nur in bescheidenem Umfang, sonst
zum Gelingen der Exkursion beigetragen haben. Über Gelnhausen, Hanau und Eppertshausen
kommen wir dann um etwa 18.30 Uhr in Messel an. Die Mitfahrer nach Darmstadt Hauptbahnhof
West müssen sich noch etwa ¾ Stunden gedulden, bis auch sie den Bus verlassen können.
Keine Frage: Die Exkursion „Schief – Schiefer – Griffelschiefer“ ist zu den großen kleinen Exkursionen
des NVD zu zählen.
Text: Klemens Schührer
Bilder: Michael Höllwarth und Klemens Schührer
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