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Ratgeber Auto

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FREITAG, 4. MAI 2018<br />

SEITE 5<br />

Die Ingenieurin Stefanie Angerer sitzt in einem Fahrzeug, das von einem Computer gesteuert wird. <br />

Foto: GRAEME Fordham/Audi AG<br />

<strong>Auto</strong>nomes Fahren<br />

Freie Fahrt in die Zukunft<br />

Bis <strong>Auto</strong>s so intelligent sind wie David Hasselhoffs K.I.T.T. in der Serie „Knight Rider“, wird es wohl<br />

noch viele Jahre dauern. Einige Formen des automatisierten Fahrens sind jedoch schon jetzt Alltag auf unseren Straßen.<br />

Gerade für Mecklenburg-Vorpommern bieten Entwicklungen auf diesem Gebiet eine große Chance.<br />

Susann Moll gibt einen Überblick über die wichtigsten Fragen und Perspektiven.<br />

Was bedeutet automatisiertes<br />

Fahren?<br />

Neue <strong>Auto</strong>s sind heute in<br />

der Regel mit einer Vielzahl<br />

von Assistenzsystemen ausgestattet.<br />

Fast jeder kennt<br />

die Einparkhilfe, die piept,<br />

wenn ein Hindernis zu nahe<br />

kommt. Das ist eher eine<br />

einfache Form. Es gibt aber<br />

zum Beispiel auch Stau-Assistenten,<br />

mit denen bereits<br />

sogenanntes teilautomatisiertes<br />

Fahren möglich ist.<br />

Die Systeme sind in der Lage,<br />

bei Geschwindigkeiten bis<br />

60 Kilometer pro Stunde, also<br />

etwa in stockendem Verkehr<br />

auf der <strong>Auto</strong>bahn, eigenständig<br />

zu fahren. „Das Fahrzeug<br />

bremst automatisch, wenn<br />

der Vordermann bremst.<br />

Es beschleunigt aber auch<br />

wieder und es bleibt stehen,<br />

wenn es zum Stau kommt“,<br />

sagt Gerd Müller, Kfz-Experte<br />

von der Technischen Universität<br />

Berlin. Ebenso gebe es<br />

Systeme, die in der Lage sind,<br />

das Fahrzeug in der Fahrspur<br />

zu halten. „Nun könnte<br />

man meinen, wenn diese<br />

beiden Systeme vorhanden<br />

sind, kann ich fahrerlos auf<br />

der <strong>Auto</strong>bahn fahren. Derzeit<br />

verlangen aber alle diese<br />

Hilfen, dass der Fahrer sie<br />

überwacht und jederzeit die<br />

Kontrolle über das Fahrzeug<br />

hat“, so Gerd Müller.<br />

Sind in Deutschland dennoch<br />

fahrerlose <strong>Auto</strong>s unterwegs?<br />

Auf definierten Teststrecken<br />

in Deutschland erproben<br />

<strong>Auto</strong>hersteller das<br />

sogenannte autonome<br />

Fahren, beispielsweise auf<br />

der A9 zwischen München<br />

und Nürnberg. Die Fahrzeuge<br />

beschleunigen, bremsen und<br />

lenken tatsächlich eigenständig,<br />

wechseln sogar die Spur.<br />

Es sitzt aber auch bei diesen<br />

Tests immer ein Fahrer hinter<br />

dem Steuer, der eingreifen<br />

kann. Um die anderen<br />

Verkehrsteilnehmer darauf<br />

hinzuweisen, seien außerdem<br />

spezielle Kennzeichen<br />

entwickelt worden, erklärt<br />

Andrea Leirich, Geschäftsführerin<br />

der Verkehrswacht MV.<br />

Auch im nicht-öffentlichen<br />

Straßenverkehr werden<br />

autonome Fahrzeuge getestet:<br />

Auf dem Campus der Berliner<br />

Charité beispielsweise<br />

bringen fahrerlose Elektro-<br />

Minibusse seit Ende März<br />

Mitarbeiter, Patienten und<br />

Besucher von A nach B.<br />

In den USA ist kürzlich eine<br />

Fußgängerin beim<br />

Überqueren der Straße von<br />

einem autonomen Fahrzeug<br />

erfasst und tödlich verletzt<br />

worden. Kann so etwas auch<br />

bei uns passieren?<br />

Nein, sagt Andrea Leirich.<br />

Auf einer Fachkonferenz<br />

Mitte April hat die Landesverkehrswacht<br />

das Thema und<br />

auch die Gefahren umfassend<br />

beleuchtet. Die eingeladenen<br />

Experten waren sich einig:<br />

„In den USA wurde ein System<br />

auf die Straße gebracht,<br />

das einer deutschen Norm so<br />

Gerd Müller<br />

Foto: PRIVAT<br />

Wissenschaftlicher<br />

Mitarbeiter TU Berlin<br />

„Aus technischer Sicht<br />

sind wir nicht mehr weit<br />

vom autonomen Fahren<br />

entfernt.“<br />

nicht standhalten würde“,<br />

berichtet Andrea Leirich.<br />

Auch aus dem Verkehrsministerium<br />

des Landes heißt<br />

es: „Im streng regulierten<br />

Deutschland wäre so ein Unfall<br />

nicht möglich.“ Es werde<br />

noch viele Tests erfordern, bis<br />

die Technik so weit ausgereift<br />

ist, dass fahrerlose <strong>Auto</strong>s in<br />

deutschen Städten unterwegs<br />

sind – wo sie neben anderen<br />

<strong>Auto</strong>s auch auf Fußgänger,<br />

Radfahrer, Ampeln und Ähnliches<br />

treffen.<br />

Andrea Leirich<br />

Foto: NK/ARCHIV<br />

Geschäftsführerin der<br />

MV-Landesverkehrswacht<br />

„Systeme wie Bremsassistenten<br />

können helfen,<br />

schwere Unfälle zu verhindern.“<br />

Wie ist die rechtliche Lage<br />

momentan?<br />

Im vergangenen Jahr hat die<br />

Bundesregierung eine Änderung<br />

des Straßenverkehrsgesetzes<br />

auf den Weg gebracht.<br />

Die sicherlich größte Unsicherheit<br />

ist die Haftung im<br />

Falle eines Unfalls. Um im<br />

Nachhinein klären zu können,<br />

ob der Fahrer oder die<br />

Technik und somit der Hersteller<br />

Schuld haben, soll eine<br />

Art „Blackbox“ wesentliche<br />

Daten der Fahrt aufzeichnen.<br />

Allerdings dürfte die Schuldfrage<br />

nicht immer so einfach<br />

zu beantworten sein. Denn<br />

laut Gesetz darf sich der Fahrer<br />

eines hoch- oder vollautomatisierten<br />

<strong>Auto</strong>s vom Verkehrsgeschehen<br />

abwenden<br />

und die Steuerung abgeben,<br />

muss aber derart wahrnehmungsbereit<br />

sein, um im<br />

Zweifelsfall einzugreifen.<br />

Nur was bedeutet wahrnehmungsbereit?<br />

Darf der Fahrer<br />

nicht die Augen schließen,<br />

aber ein Buch lesen? Fragen,<br />

die im Zweifel Gerichte klären<br />

müssen, wenn es zum<br />

Unfall gekommen ist.<br />

Wird es tendenziell zu mehr<br />

Unfällen auf den Straßen<br />

kommen?<br />

90 Prozent aller Unfälle sind<br />

menschlich verursacht, sagt<br />

die Geschäftsführerin der<br />

MV-Landesverkehrswacht.<br />

Technische Assistenten, die<br />

zum Beispiel den Abstand<br />

zum vorderen Fahrzeug<br />

überwachen, oder automatische<br />

Bremssysteme schätzt<br />

Andrea Leirich angesichts<br />

dessen als großen Gewinn ein.<br />

Gerade auf der <strong>Auto</strong>bahn lassen<br />

sich so viele schwere Unfälle<br />

vermeiden. Allerdings,<br />

schränkt Andrea Leirich im<br />

Hinblick auf mögliches völlig<br />

autonomes Fahren ein, werden<br />

auch viele Unfälle vermieden,<br />

weil Menschen die<br />

Fehler anderer vorwegnehmen<br />

und dementsprechend<br />

vorausschauend handeln. Im<br />

Großen und Ganzen rechnen<br />

Experten aber damit, dass die<br />

Zahl der Unfälle durch die<br />

Einführung von fahrerlosen<br />

<strong>Auto</strong>s eher sinken wird.<br />

Welche Chancen bietet<br />

automatisiertes Fahren noch?<br />

In einem Flächenland wie<br />

Mecklenburg-Vorpommern<br />

oder Brandenburg bringt die<br />

Entwicklung großes Potenzial<br />

für mehr Lebensqualität mit<br />

sich, weil sie insgesamt eine<br />

höhere Mobilität verspricht.<br />

„Assistiertes wie auch autonomes<br />

Fahren bieten zum<br />

Beispiel die Chance, dass<br />

ältere Menschen länger in<br />

ihrer gewohnten Umgebung<br />

leben können“, so Renate<br />

Gundlach, Sprecherin des<br />

MV-Landesverkehrsministeriums.<br />

Profitieren können<br />

auch junge Leute, die (noch)<br />

keinen Führerschein besitzen.<br />

<strong>Auto</strong>matisierte Kleinbusse<br />

wären eine Möglichkeit,<br />

den Nahverkehr in den ländlichen<br />

Regionen auszubauen.<br />

Die Landesregierung blickt<br />

deshalb weniger Tests auf<br />

<strong>Auto</strong>bahnen und in Städten<br />

entgegen und hofft auf Entwicklungen<br />

in den dünnbesiedelten<br />

Regionen. Ob und<br />

wo solche Ideen in Mecklenburg-Vorpommern<br />

umgesetzt<br />

werden, hänge davon ab, wo<br />

sich Initiativen bilden, die das<br />

autonome Fahren erproben.<br />

Gibt es bereits konkrete<br />

Projekte im Land?<br />

Das Kompetenzzentrum ländliche<br />

Mobilität (Komob), das<br />

an die Hochschule Wismar<br />

angegliedert ist, steht bereits<br />

mit einem Vorhaben für die<br />

Mecklenburgische Seenplatte<br />

in den Startlöchern. Anfang<br />

2019 sollen vollautomatische<br />

Fahrzeuge auf einer Teststrecke<br />

zwischen Röbel und Ludorf<br />

verkehren. Später sollen<br />

dann im ganzen Amt Röbel<br />

autonome Elektrofahrzeuge<br />

als Zubringer zu Bussen auf<br />

den Hauptlinien fungieren,<br />

berichtet der Institutsleiter<br />

Udo Onnen-Weber. Ziel<br />

ist, dass auch abgelegene<br />

Orte ans Netz des öffentlichen<br />

Personennahverkehrs<br />

angeschlossen werden.<br />

Onnen-Weber erwartet in<br />

der nächsten Zeit die Genehmigung<br />

für die Fahrzeuge,<br />

die mit bis zu 50 Kilometern<br />

pro Stunde unterwegs sein<br />

sollen.

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