Was es mit dem Rechtsschutz durch Marken und Unternehmenskennzeichen auf sich hat, beschreibt dieses E-Book (Neuauflage 1.1) durch die Beantwortung von einem Dutzend Fragen. Dabei werden nicht nur die rechtlichen Grundlagen dargestellt und für näher Interessierte in den Fußnoten verlinkt, sondern auch viele Anregungen für den praktischen Umgang mit diesen Schutzrechten gegeben, ebenfalls mit vielen Links zu hilfreichen Informationsquellen. Solche Fragen stellen sich nicht nur bei Unternehmensgründungen und Produktneuheiten, sondern auch bei namentlicher Änderung bestehender Unternehmen oder Produkte. - PDF gerne auf Anfrage an mail@wk-ip.eu.
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Guter Name oder Schall und Rauch? Rechtsschutz durch Marken und geschäftliche
Bezeichnungen
E-Book-Ausgabe 1.1 (vom 31.03.2018)
Verfasser und Herausgeber:
Frank Tyra
Rechtsanwalt
Fachanwalt für gewerblichen Rechtsschutz*
WürtenbergerKunze Rechtsanwälte
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Frank Tyra im „ORHIDEAL ® IMAGE“-Magazin (Januar 2017, „Experte des Monats“-
Titelstory):
http://www.orhideal-image.com/_orhideal/pdf/IMAGE-Magazin-Orhideal-2017-01-H.pdf
(Achtung: Die dort angegebenen Kontaktdaten haben sich geändert!)
Coverfoto und -gestaltung (herzlichen Dank dafür):
Orhidea Briegel
Inh. Orhideal IMAGE Int.
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W: orhideal-image.com
*Für die Berechtigung zur Führung dieser Bezeichnung sind eine anwaltsspezifische Fortbildung, schriftliche
Prüfungen und der Nachweis praktischer Erfahrungen erforderlich. Wer eine Fachanwaltsbezeichnung führt, muss
kalenderjährlich auf dem betreffenden Gebiet wissenschaftlich publizieren oder an fachspezifischen, der Aus- oder
Fortbildung dienenden Veranstaltungen hörend oder dozierend teilnehmen. Zu dem vom Verfasser insoweit
abgedeckten Fachgebiet „gewerblicher Rechtsschutz“ gehören über das in diesem Buch behandelte „Recht der
Marken und sonstigen Kennzeichen, einschließlich des Rechts der europäischen Marken“ hinaus u.a. auch seine
weiteren Tätigkeitsschwerpunkte, nämlich das Recht gegen den unlauteren Wettbewerb, Designrecht,
einschließlich des Rechts der europäischen Geschmacksmuster, und urheberrechtliche Bezüge des gewerblichen
Rechtsschutzes.
Inhaltsverzeichnis
Einleitung
1. Welche Kennzeichen gibt es?
a) Marke – Was ist das?
b) Geschäftliche Bezeichnung – Was ist das?
ba) Unternehmenskennzeichen
bb) Werktitel
c) Identifikationsfunktion als Unterscheidungskriterium
d) Wechselseitiges Verletzungsrisiko für Marken und Unternehmenskennzeichen
e) Abgrenzung: Logo als Kennzeichen oder als Design
2. Was schützen Rechte an diesen Kennzeichen?
a) Marke
aa) Wortmarke
ab) Wort-/Bildmarke
ac) Bildmarke
ad) dreidimensionale Marke
ae) Kennfadenmarke
af) Farbmarke
ag) Hörmarke
ah) sonstige Markenform
b) Unternehmenskennzeichen
ba) Name oder Firma
(1) Was wird als Name/Firma geschützt?
(2) Besonderheit: Firmenschlagwort
bb) Besondere Bezeichnung des Geschäftsbetriebs/Unternehmens
bc) Geschäftsabzeichen und sonstige Unterscheidungszeichen mit Verkehrsgeltung
c) Werktitel
3. Wie entstehen Rechte an diesen Kennzeichen?
a) Marke
aa) Nationale Entstehung des Markenschutzes
ab) IR-Marke mit Benennung von DE oder EM
ac) EU-weiter Erwerb einer Unionsmarke
b) Unternehmenskennzeichen
4. Was müssen Kennzeichen dafür haben?
a) Was muss eine Marke haben?
aa) Grafische Darstellbarkeit
ab) Ausschlussgründe
ac) Beispiele aus der BGH-Rechtsprechung
(1) Fehlen jeglicher Unterscheidungskraft
(a) Fehlen jeglicher Unterscheidungskraft bei Wortmarken
(b) Fehlen jeglicher Unterscheidungskraft bei Wort-/Bildmarken
(c) Fehlen jeglicher Unterscheidungskraft bei Bildmarken
(d) Fehlen jeglicher Unterscheidungskraft bei 3D-Marken
(e) Fehlen jeglicher Unterscheidungskraft bei abstrakten Farbmarken
(2) Bestehen eines Freihaltebedürfnisses
(3) Bestehen einer Täuschungseignung
(4) Verstoß gegen die guten Sitten
b) Was muss ein Unternehmenskennzeichen haben?
5. Wie komme ich zum ®?
a) Formale Erfordernisse der Markenanmeldung beim DPMA
aa) Wiedergabe der Marke ohne ®
ab) Verzeichnis der Waren und/oder Dienstleistungen
b) DPMA-Verfahren zur Eintragung in das Markenregister
c) Exkurs: UWG-Abmahngefahr
6. Kostet die Veröffentlichung einer Markeneintragung etwas?
7. Gibt eine Markeneintragung (endgültige) Rechtssicherheit?
8. Kann ich zur Rechtssicherheit beitragen?
a) Professionelle Verfügbarkeitsrecherche als Obliegenheit vor Zeichenbenutzung und/oder
Markenanmeldung
b) Umfang einer Verfügbarkeitsrecherche
9. Wovor schützen Marken und Unternehmenskennzeichen?
a) Identitätsschutz
aa) Identitätsschutz für Marken
ab) Identitätsschutz für Unternehmenskennzeichen
b) Verwechslungsschutz
ba) Arten der Verwechslungsgefahr
bb) Beurteilungsmaßstab
(1) Zeichenähnlichkeit
(2) Waren-/Dienstleistungsähnlichkeit
(3) Kennzeichnungskraft der älteren (Angriffs-)Marke
c) Bekanntheitsschutz
10. Wo schützen diese Kennzeichenrechte?
a) Wo schützen Marken?
b) Wo schützen Unternehmenskennzeichen?
11. Wie lange schützen diese Kennzeichenrechte?
a) Wie lange schützen Marken?
b) Wie lange schützen Unternehmenskennzeichen?
12. Wie kann ich mein Kennzeichenrecht verteidigen?
a) (Fremd-) Anmeldung als Marke
b) Drohende Benutzung (sog. Erstbegehungsgefahr)
c) Bereits begangene Rechtsverletzung (sog. Wiederholungsgefahr)
d) Archivierung von Benutzungsmaterial als Obliegenheit
da) Nachweis rechtserhaltender Benutzung für Registermarken
db) Nachweis gesteigerter Kennzeichnungskraft für Registermarken
dc) Nachweis der Entstehung von Unternehmenskennzeichenschutz
e) Kollisionsüberwachung als Obliegenheit
f) Unberechtigte Schutzrechtsverwarnung vermeiden
Guter Name oder Schall und Rauch? Rechtsschutz durch Marken und geschäftliche
Bezeichnungen
Frank Tyra 1
Einleitung
Der allgemeine Sprachgebrauch in Deutschland legt nahe, dass Kennzeichnungen, die einem
im geschäftlichen Verkehr begegnen, immer eins sind: Marke. Begünstigt wird dieser Eindruck
dadurch, dass im Marketing oft ein weiter Markenbegriff benutzt wird, der über das hinausgeht,
was aus rechtlicher Sicht eine Marke ist. Demgegenüber legt im Markenrecht schon die
Bezeichnung des nationalen Regelwerks als „Gesetz über den Schutz von Marken und sonstigen
Kennzeichen“ nahe, dass der Oberbegriff das „Kennzeichen“ ist und es im Kennzeichenrecht,
wie das Rechtsgebiet umfassender bezeichnet wird, nicht nur Marken gibt. 2 Die Grundzüge der
Entstehung und Durchsetzung der für die unternehmerische Tätigkeit in Deutschland
wichtigsten Kennzeichenrechte werden in diesem Buch anhand folgender Fragen dargestellt:
1. Welche Kennzeichen gibt es?
2. Was schützen Rechte an diesen Kennzeichen?
3. Wie entstehen Rechte an diesen Kennzeichen?
4. Was müssen Kennzeichen dafür haben?
5. Wie komme ich zum ®?
6. Kostet die Veröffentlichung einer Markeneintragung etwas?
7. Gibt eine Markeneintragung (endgültige) Rechtssicherheit?
8. Kann ich zur Rechtssicherheit beitragen?
9. Wovor schützen Marken und Unternehmenskennzeichen?
10. Wo schützen diese Kennzeichenrechte?
11. Wie lange schützen diese Kennzeichenrechte?
12. Wie kann ich mein Kennzeichenrecht verteidigen?
1
Der Autor ist Rechtsanwalt und zugleich Fachanwalt für gewerblichen Rechtsschutz bei WürtenbergerKunze
Rechtsanwälte, München. Das Buch vertieft seinen Impulsvortrag „Guter Name oder Schall und Rauch?
Rechtsschutz durch Marken und geschäftliche Bezeichnungen“, der im Mai 2014 beim Unternehmerstammtisch
München-Laim Premiere hatte. Die Links in den Fußnoten sind mit Stand vom 31.03.2018.
2
Neben dem nationalen Markengesetz (MarkenG) gilt in Deutschland als EU-Mitgliedstatt auch die
Unionsmarkenverordnung (UMV), die am 23.03.2016 die Gemeinschaftsmarkenverordnung (GMV) ablöste.
Obwohl beide Markensysteme autonom nebeneinander stehen, sind sie insoweit einander angeglichen, dass deren
Grundlage die Markenrechtsrichtlinie (MRRL) ist, die sie jeweils umsetzen, also aktuell die Richtlinie (EU)
2015/2436 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16.12.2015 zur Angleichung der Rechtsvorschriften
der Mitgliedstaaten über die Marken (Neufassung).
1. Welche Kennzeichen gibt es?
Das deutsche MarkenG schützt drei Arten von Kennzeichen: Marken, geschäftliche
Bezeichnungen (Unternehmenskennzeichen und Werktitel) und geografische
Herkunftsangaben. 3 Davon werden im Folgenden nur eingetragene (Individual-) Marken und
Unternehmenskennzeichen (erste Alternative der geschäftlichen Bezeichnungen) eingehender
behandelt. 4 Werktitel (zweite Alternative der geschäftlichen Bezeichnungen) werden ihrer Art
und Funktion nach zwar vorgestellt, ohne aber anschließend auch hierfür noch auf die
Entstehung und Durchsetzung von Kennzeichenrechten einzugehen. 5
Nicht behandelt werden geografische Herkunftsangaben. 6 Nach dem Willen des Gesetzgebers
sind sie keine individuellen Schutzrechte, sondern von allen Unternehmen für solche Waren
oder Dienstleistungen zu benutzen, die aus dem gekennzeichneten Ort oder Gebiet stammen. 7
Um den damit verkörperten „kollektiven Goodwill“ geht es hier nicht, sondern darum, dass
individuelle Kennzeichen zur Unverwechselbarkeit eines Unternehmens und seiner Produkte
beitragen können, wenn daran bestehende Ausschließlichkeitsrechte sachgerecht behandelt und
verteidigt werden.
a) Marke – Was ist das?
Eine umfassende gesetzliche Definition des Rechtsbegriffs „Marke“ existiert nicht. Die für
Deutschland maßgeblichen Regelungswerke bestimmen aber, welche Zeichen als Marken
schutzfähig sein können. So bestimmt § 3 Abs. 1 MarkenG: Als Marke können alle Zeichen,
insbesondere Wörter einschließlich Personennamen, Abbildungen, Buchstaben, Zahlen,
Hörzeichen, dreidimensionale Gestaltungen einschließlich der Form einer Ware oder ihrer
Verpackung sowie sonstige Aufmachungen einschließlich Farben und
Farbzusammenstellungen geschützt werden, die geeignet sind, Waren oder Dienstleistungen
3
Vgl. § 1 MarkenG.
4
Neben den sog. Individualmarken gibt es auch Kollektivmarken (vgl. §§ 97 ff. MarkenG und Art. 74 ff. UMV).
Die in der UMV (Art. 83 ff.) zusätzlich vorgesehenen (Unions-)Gewährleistungsmarken werden vermutlich bald
im MarkenG ebenfalls geregelt; vgl. §§ 106a ff. im Referentenentwurf für ein Markenrechtsmodernisierungsgesetz.
5
Zur Begründung vgl. unten: 2. c).
6
Nach § 126 Abs. 1 MarkenG sind das die Namen von Orten, Gegenden, Gebieten oder Ländern sowie sonstige
Angaben oder Zeichen, die im geschäftlichen Verkehr zur Kennzeichnung der geografischen Herkunft von Waren
oder Dienstleistungen benutzt werden.
7
Vgl. BT-Drs. 12/6581, S. 116. Dementsprechend geht auch der Bundesgerichtshof (BGH) davon aus, dass
geografische Herkunftsangaben mangels Zuordnung zu einem bestimmten (ausschließlichen) Rechtsträger
grundsätzlich nicht mit individuellen Schutz- oder subjektiven Kennzeichenrechten verknüpft seien; vgl. S. 23 im
BGH-Urteil „Stich den Buben“ (I ZR 126/98) vom 10.08.2000.
eines Unternehmens von denjenigen anderer Unternehmen zu unterscheiden. 8 Das zeigt, dass
die Unterscheidungseignung für Waren oder Dienstleistungen zentral ist, und viele (äußere)
Erscheinungsformen denkbar sind. Dabei sind allerdings solche Formen dem Markenschutz
nicht zugänglich, die ausschließlich durch die Art der Ware selbst bedingt oder zur Erreichung
einer technischen Wirkung erforderlich sind oder der Ware einen wesentlichen Wert verleihen. 9
b) Geschäftliche Bezeichnung – Was ist das?
Als geschäftliche Bezeichnungen werden in Deutschland Unternehmenskennzeichen und
Werktitel geschützt. 10
ba) Unternehmenskennzeichen
Die deutsche Regelung der Unternehmenskennzeichen unterscheidet zwei Formen: Zeichen mit
Namensfunktion und solche ohne Namensfunktion. Diejenigen mit Namensfunktion werden im
geschäftlichen Verkehr als Name, als Firma oder als besondere Bezeichnung eines
Geschäftsbetriebs oder eines Unternehmens benutzt. 11 Zeichen ohne Namensfunktion können
als Geschäftsabzeichen und sonstige zur Unterscheidung des Geschäftsbetriebs von anderen
Geschäftsbetrieben bestimmte Zeichen geschützt werden, wenn sie innerhalb beteiligter
Verkehrskreise als Kennzeichen des Geschäftsbetriebs gelten 12 .
bb) Werktitel
Werktitel sind die Namen oder besonderen Bezeichnungen von Druckschriften, Filmwerken,
Tonwerken, Bühnenwerken oder sonstigen vergleichbaren Werken. 13
8
Ähnlich heißt es in Art. 4 UMV: Unionsmarken können Zeichen aller Art sein, insbesondere Wörter,
einschließlich Personennamen, oder Abbildungen, Buchstaben, Zahlen, Farben, die Form oder Verpackung der
Ware oder Klänge, soweit solche Zeichen geeignet sind, Waren oder Dienstleistungen eines Unternehmens von
denjenigen anderer Unternehmen zu unterscheiden.
9
Vgl. § 3 Abs. 2 MarkenG. Diese Schutzhindernisse haben den BGH im Herbst 2017 in gleich vier Verfahren
beschäftigt, je zwei Mal wegen der Löschung von quadratischen Verpackungsmarken für Tafelschokolade und
von dreidimensionalen Formmarken für Traubenzucker. Dabei wurde zum einen geltend gemacht, die in den
Marken gezeigten Verpackungen gäben typische Gebrauchseigenschaften von darin verpackter Tafelschokolade
wieder und zum anderen sei die Form der Traubenzuckertäfelchen zur Erreichung einer technischen Wirkung
erforderlich; vgl. Mitteilungen Nr. 162/2017 und 163/2017 der BGH-Pressestelle.
10
Vgl. § 5 Abs. 1 MarkenG. Der Schutz geschäftlicher Bezeichnungen ist in der MRRL nicht geregelt und
dementsprechend auch nicht in der darauf basierenden UMV. Die EU-Mitgliedstaaten haben dazu ggf. jeweils
eigene Regelungen in ihren nationalen Rechtssystemen.
11
Vgl. § 5 Abs. 2 S. 1 MarkenG.
12
Vgl. § 5 Abs. 2 S. 2 MarkenG.
13
§ 5 Abs. 3 MarkenG.
c) Identifikationsfunktion als Unterscheidungskriterium
Nach Vorstehendem können die hier interessierenden Kennzeichen anhand ihrer
Identifikationsfunktion unterschieden werden. Nur wenn ein Zeichen zur Unterscheidung für
eine (körperliche) Ware oder für eine (unkörperliche) Dienstleistung benutzt wird, ist es aus
rechtlicher Sicht eine Marke. Wird es hingegen zur Unterscheidung eines Geschäftsbetriebs
oder Unternehmens benutzt, ist es ein Unternehmenskennzeichen. 14 Unscharf oder sogar
missglückt ist es deshalb, wenn innerhalb einer Firma das Symbol ® benutzt wird, das den
Hinweis auf den Schutz durch eine eingetragene Marke symbolisiert, z.B. XY ® GmbH. 15 Wird
ein Zeichen schließlich zur Identifikation eines Werks benutzt, z.B. als Buch-, Musik- oder
Filmtitel, ist es ein Werktitel. Geistig geprägte Produkte werden dadurch primär nach deren
Inhalt individualisiert, der von deren betrieblicher Herkunft grundsätzlich unabhängig ist.
d) Wechselseitiges Verletzungsrisiko für Marken und Unternehmenskennzeichen
Trotz ihrer unterschiedlichen Identifikationsfunktionen besteht für Marken und
Unternehmenskennzeichen ein wechselseitiges Verletzungsrisiko. Dem liegt die Erwägung zu
Grunde, dass eine Produktbezeichnung häufig auch das Unternehmen bezeichnet und
umgekehrt die Unternehmensbezeichnung zumindest mittelbar auch die Herkunft der aus dem
Betrieb stammenden Produkte kennzeichnet. Eine Unternehmensbezeichnung kann daher auch
dadurch verletzt werden, dass sie von einem Dritten als Marke verwendet wird, ebenso wie
umgekehrt eine Marke dadurch verletzt werden kann, dass ein Dritter, der ähnliche Waren oder
Dienstleistungen anbietet, sie als Bezeichnung seines Unternehmens verwendet. 16 Die
Benutzung eines Unternehmenskennzeichens ist zugleich eine markenmäßige Benutzung, wenn
die Herkunftsfunktion der Marke beeinträchtigt wird oder werden kann. Das ist der Fall, wenn
durch die Verwendung des Unternehmenskennzeichens – etwa durch die Anbringung auf den
Waren oder durch die Verwendung in der Werbung für die Waren oder Dienstleistungen
beispielsweise in Katalogen oder im Rahmen eines Internetauftritts – der Verkehr zu der
Annahme veranlasst wird, dass eine Verbindung zwischen dem angegriffenen
Unternehmenskennzeichen und den vom Unternehmen angebotenen Waren oder erbrachten
14
Unternehmenskennzeichen individualisieren einen Betrieb und stehen damit den Marken nahe, die ebenfalls auf
die Herkunft aus einem bestimmten Unternehmen hinweisen sollen, wenn man die rechtliche Hauptfunktion einer
Marke zu Grunde legt.
15
Auch wenn dem Symbol ® häufig der Hinweis auf eine eingetragene Marke entnommen wird, gilt das nicht,
wenn dieses Symbol innerhalb eines anderen Kennzeichens als einer Marke angebracht ist, z.B. innerhalb eines
Unternehmenskennzeichens. Trotz Verwendung des ® bei dem Wort „Voodoo“ innerhalb der Firma „Voodoo
Flyfishing Ltd.“ wurde deshalb die rechtserhaltende Benutzung der Wortmarke „VOODOO“ (EM 001911742)
verneint, vgl. Rn. 1 i.V.m. Rn. 47 im BGH-Urteil „VOODOO“ (I ZR 106/11) vom 06.02.2013.
16
Vgl. Leitsatz a) i.V.m. S. 8 f. im BGH-Urteil „Leysieffer“ (I ZR 65/00) vom 09.10.2003.
Dienstleistungen besteht. 17 Zudem sind bekannte Marken auch dann gegen die Benutzung als
Unternehmenskennzeichen eines Dritten geschützt, wenn eine markenmäßige Benutzung zwar
nicht gegeben ist, aber eine der Funktionen einer Marke beeinträchtigt wird oder werden kann. 18
e) Abgrenzung: Logo als Kennzeichen oder als Design
Das Designrecht schützt die zwei- oder dreidimensionale Erscheinungsform eines Erzeugnisses
oder eines Teils davon, die sich insbesondere aus den Merkmalen der Linien, Konturen, Farben,
der Gestalt, Oberflächenstruktur oder der Werkstoffe des Erzeugnisses selbst oder seiner
Verzierung ergibt. 19 Ein Logo kann als Marke (ebenso als Unternehmenskennzeichen) und
parallel als Design geschützt werden. Was davon in Frage kommt, hängt im Wesentlichen vom
beabsichtigten Einsatzzweck ab. Für ein Logo zur markenmäßigen Kennzeichnung von Waren
oder Dienstleistungen, die vom Unternehmen hergestellt oder angeboten werden, um die
Herkunft der Produkte aus genau diesem Unternehmen kenntlich zu machen, sollte der Erwerb
von Markenrechtsschutz erwogen werden. Demgegenüber sollte Designrechtsschutz erwogen
werden, wenn es in erster Linie darum geht, Erzeugnisse auf deren Oberfläche mit dem Logo
zu versehen, wie z.B. T-Shirts, Tassen oder Druckerzeugnisse, oder wenn es darum geht,
Verpackungen zu verzieren bzw. auszustatten. 20
2. Was schützen Rechte an diesen Kennzeichen?
Der Markenschutz erfasst (körperliche) Waren und/oder (unkörperliche) Dienstleistungen,
wohingegen geschäftliche Bezeichnungen (Unternehmenskennzeichen und Werktitel) jeweils
Unternehmen oder geistige Leistungen identifizieren und von anderen Unternehmen oder
geistigen Leistungen unterscheiden.
a) Marke
Beim Markenschutz für (körperliche) Waren und/oder (unkörperliche) Dienstleistungen besteht
aus rechtlicher Sicht die Hauptfunktion einer Marke darin, dem Verbraucher oder Endabnehmer
die betriebliche Ursprungsidentität der gekennzeichneten Ware oder Dienstleistung zu
garantieren, indem sie ihm ermöglicht, diese Ware oder Dienstleistung ohne
Verwechslungsgefahr von Waren oder Dienstleistungen anderer betrieblicher Herkunft zu
17
Vgl. Rn. 45 im BGH-Urteil „Medicon-Apotheke/MediCo Apotheke“ (I ZR 30/16) vom 02.03.2017.
18
Vgl. Leitsatz e) i.V.m. Rn. 80 im BGH-Urteil „Sparkassen-Rot/Santander-Rot“ (I ZR 78/14) vom 23.09.2015.
19
Erforderlich ist dafür, dass das Design neu ist und Eigenart hat.
20
Vgl. DPMA-Antwort auf die Frage „Ich habe ein ‚Logo‘ gestaltet. Wie kann ich es schützen? Kann ich ein
‚Logo‘ auch als Design anmelden?“.
unterscheiden. Demnach bietet eine Marke hauptsächlich Gewähr dafür, dass alle Waren oder
Dienstleistungen, die mit ihr versehen sind, unter der Kontrolle eines einzigen Unternehmens
hergestellt oder erbracht worden sind, das für die Qualität der Ware oder Dienstleistung
verantwortlich gemacht werden kann. 21 Dabei können die Unterscheidungszeichen viele
Erscheinungsformen haben und insbesondere geschützt werden als Wortmarke,
Wort-/Bildmarke, Bildmarke, dreidimensionale Marke, Kennfadenmarke, Farbmarke,
Hörmarke und sonstige Markenform (z.B. Positionsmarke). Diese Markenformen lassen sich
dahingehend charakterisieren 22 , dass eine:
aa) Wortmarke ohne grafische Ausgestaltung oder Farben allein aus Wörtern, Buchstaben,
Zahlen oder sonstigen Schriftzeichen besteht, die sich mit der vom Markenamt verwendeten
üblichen Druckschrift darstellen lassen;
ab) Wort-/Bildmarke aus einer Kombination von Wort- und Bildbestandteilen besteht, oder
aus Wörtern, die grafisch/bildlich gestaltet sind, z.B. farbig in einer besonderen Schriftart oder
in einer besonderen Anordnung der Buchstaben zueinander;
ac) Bildmarke aus Bildern, Bildelementen oder Abbildungen ohne Wortbestandteile besteht;
ad) dreidimensionale Marke aus einer dreidimensionalen Gestaltung besteht, z.B. der Form
der beanspruchten Ware oder deren Verpackung;
ae) Kennfadenmarke in der Regel aus farbigen Streifen oder Fäden besteht, die auf
bestimmten Produkten (meist Kabeln, Drähten oder Schläuchen) angebracht sind;
21
Vgl. Rn. 22 im BGH-Beschluss „FUSSBALL WM 2006“ (I ZB 96/05) vom 27.04.2006. Der dort mit seiner
Rechtsprechung in Bezug genommene Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) hat inzwischen die
Multifunktionalität einer Marke durch die Feststellung anerkannt, dass zu den rechtlich geschützten Funktionen
nicht nur die Herkunftsfunktion als Hauptfunktion gehöre, sondern dazu auch andere Funktionen der Marke
gehörten, wie u.a. die Gewährleistung der Qualität einer Ware oder Dienstleistung oder die Kommunikations-,
Investitions- oder Werbefunktionen. Vgl. dazu auch Schulte-Franzheim/Tyra, Das „L'Oréal“-Urteil des EuGH –
„Sternstunde“ oder „Sternschnuppe“ des Markenrechts?, FS Fezer, München, 2016, S. 509 ff.
22
Vgl. DPMA-Info über „Markenformen und deren Wiedergabe“ als „erforderliche Angaben für eine Anmeldung“
mit weiterführenden Links. Dort war bis Juli 2016 als Beispiel für eine „sonstige Markenform“ die „Farbmarke“
genannt, die inzwischen eigenständig behandelt ist. Am 24.06.2016 trat die Vierte Verordnung zur Änderung der
Markenverordnung (MarkenVO) in Kraft. Darin wird aufgrund ihrer wachsenden Bedeutung die Farbmarke als
eigene Markenform in einem eigenständigen Paragraphen behandelt (§ 10a MarkenVO); vgl. DPMA-„Hinweis
zum Inkrafttreten der Vierten Verordnung zur Änderung der Markenverordnung“.
af) Farbmarke aus einer konturlosen Farbe oder der Kombination mehrerer Farben besteht;
ag) Hörmarke aus Tönen, Tonfolgen, Melodien oder sonstigen Klängen und Geräuschen
besteht;
ah) sonstige Markenform vorliegt, wenn das Zeichen keiner der vorgenannten Markenformen
zugeordnet werden kann, z.B. als Positionsmarke, die eine besondere Art und Weise der
Anbringung oder Anordnung eines Zeichens auf einer Ware oder einem Warenteil schützt.
b) Unternehmenskennzeichen
Der Schutz von Unternehmenskennzeichen erfasst einen Geschäftsbetrieb oder ein
Unternehmen, entweder als Zeichen mit Namensfunktion (Name, Firma oder besondere
Bezeichnung eines Geschäftsbetriebs/Unternehmens) oder als Zeichen ohne Namensfunktion
(Geschäftsabzeichen und sonstige Unterscheidungszeichen mit Verkehrsgeltung).
ba) Name oder Firma
Der MarkenG-Namensschutz erfasst den Namen des Unternehmensträgers und gilt nur im
geschäftlichen Verkehr. 23 Dort ist die Firma der Name des Kaufmanns. 24 Eine Differenzierung
zwischen den beiden Zeichenarten „Name“ und „Firma“ ist deshalb allenfalls nötig, wenn der
Name (im Sinne des § 12 BGB) des Unternehmensträgers nicht im Handelsregister eingetragen
ist und es deshalb an einer firmenmäßigen Geltung für ein Handelsgewerbe fehlt. 25
(1) Was wird als Name/Firma geschützt?
Als Name/Firma schützbar sind zunächst einmal Bezeichnungen natürlicher oder juristischer
Personen. Herkömmlicherweise mussten sie aussprechbar sein. 26 Inzwischen können auch nicht
als Wort aussprechbare Buchstabenfolgen Namensfunktion haben. 27 Trotz fehlender
Aussprechbarkeit ist sogar Namensschutz für Bildzeichen möglich, wenn sie z.B. als (Stadt-)
23
Vgl. § 5 Abs. 2 S. 1 MarkenG.
24
Vgl. § 17 Abs. 1 Handelsgesetzbuch (HGB).
25
Vgl. § 5 HGB.
26
Die frühere BGH-Auffassung, dass nicht als Wort aussprechbaren Buchstabenkombinationen von vornherein
die kennzeichenrechtliche Unterscheidungskraft fehle, wird nicht mehr aufrechterhalten seit dem BGH-Urteil „DB
Immobilienfonds“ (I ZR 166/98) vom 05.10.2000; vgl. dort S. 6.
27
Z.B. „MHO“ als Abkürzung für „Marienhospital Osnabrück“; vgl. S. 2 i.V.m. S. 5 im BGH-Urteil „mho.de“
(I ZR 65/02) vom 09.09.2004.
Wappen oder als Siegel individualisierende Unterscheidungskraft haben und sich damit zur
namensmäßigen Kennzeichnung eignen. 28
Dementsprechend können z.B. bürgerliche Namen natürlicher Personen (Vor- und Nachname)
und Nachnamen in Alleinstellung (ggf. auch in Kombination mit dem geschlechtsspezifischen
Artikel 29 ) als Unternehmenskennzeichen geschützt sein, wenn sie im geschäftlichen Verkehr
benutzt werden. 30 Vornamen in Alleinstellung werden dagegen meist nicht als Hinweis auf eine
bestimmte Person verstanden. 31 Sie sind deshalb nur geschützt, wenn der Gebrauch die
Erinnerung an einen bestimmten Namensträger weckt. 32 Das setzt eine entsprechende
Bekanntheit voraus, die auch erforderlich ist für den Schutz z.B. von Pseudonymen,
Künstlernamen oder Spitznamen. 33 Fehlt eine solche Bekanntheit, kommt ein eigenständiger
Schutz des Vornamens ausnahmsweise dann in Betracht, wenn dieser eine erhebliche
Kennzeichnungskraft hat. 34 Offen ist, ob und ggf. inwieweit der BGH von diesen Grundsätzen,
die er zum BGB-(Vor-)Namensschutz entwickelt hat, abzuweichen bereit ist, wenn es um den
MarkenG-Namensschutz geht. Ein Anlass dazu könnte sein, dass Vornamen natürlicher
Personen weiter verbreitet sind als es die Benennung von Unternehmen mit dem Vornamen des
Inhabers ist, weshalb einem Vornamen für ein Unternehmen (ggf. in Verbindung mit einem
dem Unternehmensgegenstand beschreibenden Zusatz) eher eine Eignung zur
Individualisierung zukommen kann als für natürliche Personen. 35
Der Name einer juristischen Person des öffentlichen oder des privaten Rechts kann ebenfalls
als Unternehmenskennzeichen geschützt sein, wenn er im geschäftlichen Verkehr benutzt wird,
z.B. für einen Verein. 36 Gleiches gilt für die Bezeichnung von Personengesellschaften wie
28
Vgl. zu § 12 BGB S. 9 im BGH-Urteil „Düsseldorfer Stadtwappen“ (I ZR 235/99) vom 28.03.2002.
29
Vgl. Rn. 34 im OLG Düsseldorf-Urteil „Der Wendler“ (I-20 U 67/12) vom 21.05.2013.
30
Vgl. Leitsatz a) im BGH-Urteil „shell.de“ (I ZR 138/99) vom 22.11.2001: „Der kennzeichenrechtliche Schutz
aus §§ 5, 15 MarkenG geht in seinem Anwendungsbereich grundsätzlich dem Namensschutz aus § 12 BGB vor.“
31
Vgl. BGH-Urteil „Marlene Dietrich“ (I ZR 49/97) vom 01.12.1999 (GRUR 2000, 709, 715).
32
Vgl. zu § 12 BGB Rn. 12 im BGH-Urteil „Zerknitterte Zigarettenschachtel“ (I ZR 96/07) vom 05.06.2008.
33
Vgl. zu § 12 BGB Leitsatz b) im BGH-Urteil „maxem.de“ (I ZR 296/00) vom 26.06.2003: „Das Pseudonym ist
dem namensrechtlichen Schutz zugänglich, wenn der Verwender unter diesem Namen im Verkehr bekannt ist,
also mit diesem Namen Verkehrsgeltung besitzt.“ Das gilt gleichermaßen für Künstler- oder Spitznamen.
34
Im BGH-Urteil „raule.de“ (I ZR 11/06) vom 23.10.2008 wurde diese Voraussetzung für den weiblichen
Vornamen Raule bejaht (Rn. 12).
35
Vgl. Ziff. II.2.b) im OLG Frankfurt-Beschluss „Peter‘s Objektservice“ (6 U 27/16) vom 30.05.2016, bei dem
allerdings der Vorname von der Redaktion geändert wurde. Tatsächlich ging es offenbar um die Bezeichnung
„Holger‘s Objektservice“; vgl. BeckRS 2016, 11920.
36
Vgl. Leitsatz a) Satz 1 im BGH-Urteil „Haus & Grund I“ (I ZR 158/05) vom 31.07.2008: „Dem
unterscheidungskräftigen oder Verkehrsgeltung genießenden Namen eines Vereins kann als geschäftliche
Bezeichnung gemäß § 5 Abs. 2 Satz 1 MarkenG Schutz zukommen.“
Gesellschaften bürgerlichen Rechts 37 , Gebietskörperschaften 38 , Rundfunkanstalten 39 ,
Religionsgemeinschaften bzw. kirchliche Einrichtungen und Veranstaltungen 40 oder
Wählervereinigungen 41 um hier nur einige weitere Beispiele zu nennen.
(2) Besonderheit: Firmenschlagwort
Obwohl dem deutschen Kennzeichenrecht ein sog. Elementenschutz grundsätzlich fremd ist,
kann an einem Firmenschlagwort ein Unternehmenskennzeichenrecht entstehen. Das gilt
gleichermaßen für einen Bestandteil einer Gesamtbezeichnung, ggf. sogar unabhängig von
einer Benutzung in Alleinstellung (z.B.: „ConText“ aus „ConText Communication“ 42 , „BCC“
aus „BCC Unternehmensberatung GmbH“ 43 , „Haus & Grund“ aus „Haus & Grund Deutschland
– Zentralverband der Deutschen Haus-, Wohnungs- und Grundeigentümer e.V.“ 44 , „Seicom“
aus „Seicom Communication Systems GmbH“ 45 oder „defacto“ aus „defacto marketing
GmbH“ 46 ), und für eine von Bestandteilen der Gesamtbezeichnung abgeleitete Abkürzung (z.B.
„ahd“ für „ARGE hellweg data GmbH & Co. KG“ 47 ).
Für einen Teil einer Firma kann der vom Schutz des vollständigen Firmennamens abgeleitete
Schutz als Unternehmenskennzeichen beansprucht werden, sofern es sich um einen
unterscheidungsfähigen Firmenbestandteil handelt, der seiner Art nach im Vergleich zu den
übrigen Firmenbestandteilen geeignet erscheint, sich im Verkehr als schlagwortartiger Hinweis
auf das Unternehmen durchzusetzen. Ist dies zu bejahen, kommt es nicht mehr darauf an, ob
die fragliche Kurzbezeichnung tatsächlich als Firmenbestandteil in Alleinstellung verwendet
worden ist und ob sie sich im Verkehr durchgesetzt hat. 48
Bei schlagwortfähigen Firmenbestandteilen ist der Kennzeichenschutz, der lediglich die
Eignung voraussetzt, im Verkehr als Herkunftshinweis zu dienen, aus der Gesamtfirma
37
Vgl. S. 9 im BGH-Urteil „vossius.de“ (I ZR 317/99) vom 11.04.2002.
38
Vgl. zu § 12 BGB das BGH-Urteil „Düsseldorfer Stadtwappen“ (I ZR 235/99) vom 28.03.2002.
39
Vgl. zu § 12 BGB Rn. 11 im BGH-Urteil „sr.de“ (I ZR 153/12) vom 06.11.2013.
40
Vgl. zu § 12 BGB S. 7 im BGH-Urteil „Pro Fide Catholica“ (I ZR 92/02) vom 02.12.2004.
41
Vgl. zu § 12 BGB Rn. 12 im BGH-Urteil „Freie Wähler“ (I ZR 191/10) vom 28.09.2011.
42
Vgl. Rn. 21 im BGH-Urteil „ConText“ (I ZR 50/14) vom 05.11.2015.
43
Vgl. Rn. 1 i.V.m. Rn. 16 im BGH-Urteil „BCC“ (I ZR 10/09) vom 20.01.2011.
44
Vgl. Rn. 29 im BGH-Urteil „Haus & Grund III“ (I ZR 21/06) vom 31.07.2008.
45
Vgl. S. 3 i.V.m. S. 6 im BGH-Urteil „Seicom“ (I ZR 161/02) vom 24.02.2005.
46
Vgl. S. 5 f. im BGH-Urteil „defacto“ (I ZR 230/99) vom 21.02.2002.
47
Vgl. Rn. 1 im BGH-Urteil „ahd.de“ (I ZR 135/06) vom 19.02.2009 i.V.m. den Inhaberdaten der dortigen
Klagemarke „ahd“.
48
Vgl. S. 5 im BGH-Urteil „defacto“ (I ZR 230/99) vom 21.02.2002.
abgeleitet und entsteht daher bereits mit dem Schutz der vollständigen Bezeichnung. 49
bb) Besondere Bezeichnung des Geschäftsbetriebs/Unternehmens
Anders als der Name oder die Firma des Unternehmensträgers, die auf ihn als Rechtssubjekt
hinweisen, weist eine besondere Bezeichnung des Geschäftsbetriebs/Unternehmens auf ein
Rechtsobjekt hin. Das ist entweder die Gesamtheit der geschäftlichen Tätigkeit des
Unternehmensträgers (Objekt: Unternehmen) oder ein abgegrenzter Unternehmensteil mit
organisatorischer Selbstständigkeit (Objekt: Geschäftsbetrieb). Eine solche Bezeichnung
benennt mithin nicht die Person des Unternehmensinhabers, sondern das von ihm betriebene
Geschäft. Sie kann zusätzlich zur (davon verschiedenen) Firma des Unternehmers für ein
Unternehmen als Ganzes oder für einen bestimmten Geschäftsbetrieb geführt werden. Dabei
weist sie auf das Objekt als organisatorische Einheit hin, z.B. auf einen bestimmten
Geschäftszweig. Sie kann vom selben Unternehmen neben weiteren Geschäftsbezeichnungen
für voneinander getrennte Unternehmenseinheiten/Betriebe geführt werden z.B. als sog.
Etablissementbezeichnung für verschiedene Hotels einer gleichen Kette.
bc) Geschäftsabzeichen und sonstige Unterscheidungszeichen mit Verkehrsgeltung
Fehlt einem Zeichen von Haus aus die Namensfunktion, kann kennzeichenrechtlicher Schutz
dadurch entstehen, dass die beteiligten Verkehrskreise darin trotzdem einen Hinweis auf den
Zeichenverwender sehen und es deshalb dem Verkehr als Kennzeichen des Geschäftsbetriebs
gilt, wenn also Verkehrsgeltung besteht. Dafür kommen dann alle Zeichen in Betracht, nicht
nur Wortzeichen, sondern z.B. auch Bildzeichen (Logos), Gebäude- oder
Geschäftsraumgestaltungen, Bekleidungsaufmachung von Mitarbeitern, Telefonnummern,
Werbesprüche, sog. Hausfarben eines Unternehmens oder eines Sportvereins. 50
c) Werktitel
Werktitel dienen als Namen oder besondere Bezeichnungen von eigenständigen geistigen
Leistungen grundsätzlich nur der Unterscheidung eines Werks von anderen. Sie weisen (im
Unterschied zur Hauptfunktion einer Marke) in der Regel nicht auf den Hersteller oder den
Inhaber des Werks hin und vermitteln nur unter bestimmten Voraussetzungen zugleich eine
Vorstellung über eine bestimmte betriebliche Herkunft. 51 Das ist zugleich der Grund, warum
49
Vgl. Rn. 17 im BGH-Urteil „ahd.de“ (I ZR 135/06) vom 19.02.2009.
50
Vgl. BeckOK MarkenR/Weiler MarkenG § 5 Rn. 62; Ingerl/Rohnke MarkenG § 5 Rn. 31.
51
Vgl. S. 10 im BGH-Urteil „1, 2, 3 im Sauseschritt“ (I ZR 108/00) vom 06.06.2002.
im hier Folgenden nicht näher auf die Entstehung und etwaige Durchsetzung von Rechten an
solchen Kennzeichen eingegangen wird. Zuvor ist aber noch festzuhalten, dass abweichend
vom Normalfall z.B. der bekannte Titel einer regelmäßig im selben Verlag erscheinenden
periodischen Zeitschrift die Schlussfolgerung nahe legen kann, dass der Zeitschriftentitel auch
als Hinweis auf die betriebliche Herkunft verstanden wird. 52 Die dafür erforderliche
Bekanntheit des Titels wurde allerdings z.B. einer nur regional in Sachsen erscheinenden
Zeitschrift abgesprochen, die zunächst vierteljährlich und später lediglich halbjährlich über
Apotheken und Kinderärzte verteilt wurde. 53
Zu den Werkkategorien (Druckschriften, Filmwerke, Tonwerke, Bühnenwerke oder sonstige
vergleichbare Werke) ist zudem noch festzuhalten, dass das Gesetz sie nur beispielhaft nennt,
wie die „sonstige“-Formulierung zeigt. Dementsprechend kann z.B. in der Verwendung eines
Domainnamens eine Benutzung als Werktitel liegen, wenn der Verkehr in dem Domainnamen
ein Zeichen zur Unterscheidung eines Werks von einem anderen sieht. 54 Neben Domainnamen
von Internetangeboten können auch Apps für Mobilgeräte titelschutzfähige Werke sein. 55
Bezeichnungen, unter denen Computerprogramme in den Handel kommen, sind ebenfalls
grundsätzlich dem Werktitelschutz zugänglich. 56 Und, um hier ein letztes Beispiel zu nennen,
für die Bezeichnung einer Veranstaltung ist nicht generell ausgeschlossen, dass Werktitelschutz
bestehen kann. 57
3. Wie entstehen Rechte an diesen Kennzeichen?
Rechte an Marken und an Unternehmenskennzeichen entstehen auf unterschiedliche Weisen.
a) Marke
Bei der Entstehung von Markenschutz für Deutschland ist danach zu unterscheiden, ob es um
eine deutsche Marke geht oder um eine internationale Markenregistrierung (IR-Marke) mit
Benennung von Deutschland (DE) bzw. der Europäischen Gemeinschaft (EM) oder um eine
52
Vgl. Rn. 29 im BGH-Urteil „test“ (I ZB 65/12) vom 17.10.2013.
53
Vgl. Rn. 23 im BGH-Urteil „Kinderstube“ (I ZR 254/14) vom 28.04.2016.
54
Vgl. Leitsatz b) i.V.m. Rn. 20 im BGH-Urteil „EIFEL-ZEITUNG“ (I ZR 47/07) vom 18.06.2009.
55
Die Titelschutzfähigkeit von Apps wurde im BGH-Urteil „wetter.de“ (I ZR 202/14) vom 28.01.2016 zwar
grundsätzlich anerkannt, der konkret zu beurteilenden Bezeichnung „wetter.de“ für eine Wetter-App aber die
erforderliche Unterscheidungskraft abgesprochen.
56
Vgl. Rn. 16 im BGH-Urteil „SmartKey“ (I ZR 109/03) vom 27.04.2006.
57
Vgl. Rn. 33 im BGH-Urteil „WM-Marken“ (I ZR 183/07) vom 12.11.2009, wo aber offen bleibt, unter welchen
besonderen Voraussetzungen die Bezeichnung einer Veranstaltung als sonstiges vergleichbares Werk i.S.d. § 5
Abs. 3 MarkenG Werktitelschutz erlangen kann.
Unionsmarke, die ebenso wie die IR-Marke mit EM-Benennung in allen EU-Mitgliedstaaten
gilt, also auch in Deutschland. 58
aa) Nationale Entstehung des Markenschutzes
Schutz für nationale Marken kann in Deutschland in dreierlei Weise entstehen. 59 Davon ist die
erste, die Eintragung eines Zeichens als Marke in das vom Deutschen Patent- und Markenamt
(DPMA) geführte Register, die vermutlich bekannteste. 60 Daneben kann Markenschutz aber
auch entstehen, wenn ein Zeichen im geschäftlichen Verkehr benutzt wird und dadurch
innerhalb beteiligter Verkehrskreise als Marke Verkehrsgeltung erwirbt. 61 Der dritte
Entstehungstatbestand für nationalen Markenschutz ist die notorische Bekanntheit einer Marke,
die zwar in Deutschland bestehen, nicht aber das Ergebnis einer Markenbenutzung in
Deutschland sein muss.
ab) IR-Marke mit Benennung von DE oder EM
Im sog. Madrider System der internationalen Markenregistrierungen ist es dem Anmelder oder
Inhaber einer ausländischen (Basis-)Marke aus einem Teilnehmerland möglich, durch einen
Antrag bei der Weltorganisation für geistiges Eigentum (WIPO) den Markenschutz auf die
Bundesrepublik Deutschland zu erstrecken, entweder als eigenständige DE-Benennung oder im
Rahmen einer EM-Benennung. 62 Das hat dieselbe Wirkung, wie wenn am Tag der
internationalen Registrierung oder der Eintragung einer nachträglichen Schutzerstreckung
entweder eine nationale Marke oder eine Unionsmarke angemeldet worden wäre. 63
ac) EU-weiter Erwerb einer Unionsmarke
Die Unionsmarke wird durch Eintragung beim Amt der Europäischen Union für geistiges
Eigentum (EUIPO) erworben. 64 Den Erwerb durch Verkehrsgeltung oder notorische
58
Wird für eine IR-Marke die Europäische Gemeinschaft als Schutzregion angegeben, ist die Abkürzung nicht
EU, sondern EM; vgl. WIPO-„Standard ST.3: Two-letter codes for the representation of states, other entities and
intergovernmental organizations“.
59
Vgl. § 4 MarkenG.
60
Auf die sog. Registermarke sind deshalb auch die folgenden Ausführungen zur Entstehung und Durchsetzung
von Markenrechten fokussiert.
61
Vgl. zur sog. Benutzungsmarke auch Schulte-Franzheim/Tyra, Benutzungsmarke ohne Benutzungshandlung des
Inhabers?, FS Samwer, München, 2008, S. 183 ff.
62
Vgl. WIPO-Liste der Länder und Regionen, die am IR-Markensystem teilnehmen.
63
Vgl. § 112 MarkenG und Art. 189 Abs. 1 UMV.
64
Vgl. Art. 6 UMV.
Bekanntheit sieht die UMV nicht vor. Nationale Rechte auf dieser Grundlage werden aber im
Rahmen der relativen Eintragungshindernisse berücksichtigt. 65
b) Unternehmenskennzeichen
Rechte an Unternehmenskennzeichen entstehen nicht durch den Formalakt einer Anmeldung
und Eintragung in ein Register, sondern formlos durch tatsächliche Handlungen im
geschäftlichen Verkehr. Erforderlich sind nach außen wirkende Benutzungshandlungen, die auf
den Beginn einer dauerhaften wirtschaftlichen Betätigung schließen lassen. 66 Dafür können
Vorbereitungshandlungen mit Außenwirkung genügen, wie z.B. die Anmietung eines
Geschäftslokals oder die Eintragung im Handels- oder Vereinsregister. 67 Wie bei der
Eintragung der Firma im Handelsregister liegt auch in der Eintragung eines Vereins in das
Vereinsregister eine Benutzung des Namens, die prioritätsbegründend wirkt. 68
Ansonsten ist bei den Arten der Benutzungsaufnahme danach zu unterscheiden, ob es um ein
Zeichen mit oder ohne Namensfunktion geht. Bei Zeichen ohne Namensfunktion genügt jede
Art der Benutzungsaufnahme, weil ein Schutzrecht ohnehin erst entsteht, wenn das Zeichen
innerhalb beteiligter Verkehrskreise Geltung als Kennzeichen des Geschäftsbetriebs erlangt
hat. Demgegenüber müssen Zeichen mit Namensfunktion namens- bzw. kennzeichenmäßig
benutzt werden, dem gesetzlichen Wortlaut nach nämlich als Name, als Firma oder als
besondere Bezeichnung eines Geschäftsbetriebs oder eines Unternehmens. 69 Der
Unternehmenskennzeichenschutz entsteht bei von Haus aus unterscheidungskräftigen
Bezeichnungen mit der Aufnahme der Benutzung im Inland im geschäftlichen Verkehr zur
Kennzeichnung des Geschäftsbetriebs oder Unternehmens. 70
4. Was müssen Kennzeichen dafür haben?
Diese Frage nach den materiellen Schutzvoraussetzungen für Marken und
Unternehmenskennzeichen kann trotz struktureller Überschneidungen bei der
65
Vgl. Art. 8 Abs. 2 c) und Abs. 4 UMV.
66
Vgl. Rn. 34 im BGH-Urteil „Basler Haar-Kosmetik“ (I ZR 150/09) vom 09.11.2011.
67
Vgl. BeckOK MarkenR/Weiler MarkenG § 5 Rn. 111 f.; Ingerl/Rohnke MarkenG § 5 Rn. 58.
68
Vgl. Rn. 31 im BGH-Urteil „Haus & Grund II“ (I ZR 171/05) vom 31.07.2008. Anders wird das aber zu sehen
sein, wenn zwischen der Registereintragung und dem tatsächlichen Beginn der Geschäftstätigkeit so viel Zeit
vergeht, dass vom Beginn der wirtschaftlichen Betätigung durch die bloße Registereintragung nicht die Rede sein
kann.
69
So auch BeckOK MarkenR/Weiler MarkenG § 5 Rn. 104 f.
70
Vgl. Rn. 34 im BGH-Urteil „Baumann“ (I ZR 93/12) vom 27.03.2013.
Unterscheidungskraft nicht einheitlich beantwortet werden. 71
a) Was muss eine Marke haben?
Zur Beantwortung dieser Frage wird hier nur die Registermarke berücksichtigt und dazu
ergangene nationale Rechtsprechung. Die bei in Deutschland sitzenden Anmeldern ziemlich
beliebte Unionsmarke folgt insoweit aber den gleichen Regeln, weil das für deutsche Marken
geltende MarkenG und die für Unionsmarken geltende UMV entsprechende Vorgaben der
MRRL umsetzen. 72 Dies vorausgeschickt ist die Frage nach den materiellen
Schutzvoraussetzungen einer (Register-)Marke weniger damit zu beantworten, was sie haben
muss, sondern vielmehr quasi umgekehrt damit, dass es „absolute Schutzhindernisse“ gibt, von
denen keins gegeben sein darf. Das wird bei jeder Markenanmeldung von Amts wegen geprüft.
Zentrale Vorschrift ist dabei § 8 MarkenG. 73
aa) Grafische Darstellbarkeit
Im Eintragungsverfahren soll der Beurteilung einer Markenanmeldung eine festgelegte Form
zu Grunde gelegt werden können, um die Eintragung ins Markenregister zu ermöglichen und
im Interesse der Allgemeinheit zur Unterrichtung über die in Kraft stehenden Marken und deren
Schutzbereich zu veröffentlichen. 74 Dabei sind (derzeit noch) von der Eintragung als Marke
solche Zeichen ausgeschlossen, die sich nicht grafisch darstellen lassen. 75 Dem liegt die
herkömmliche Vorstellung zu Grunde, dass nach der weiten Definition der eintragbaren
Zeichenformen etwa auch Hörzeichen oder dreidimensionale Gestaltungsformen in das
Register eingetragen werden können. Diese müssten z.B. in Notenschrift, durch ein
Sonogramm, durch Zeichnungen usw. grafisch dargestellt werden können. 76
Im Zuge der Umsetzung der EU-Markenrechtsreform 2016 wird das Erfordernis der grafischen
Darstellbarkeit aber spätestens zum 14.01.2019 wegfallen. Bis dahin hat Deutschland als
71
Statt von „Unterscheidungskraft“ ist oft auch von „Kennzeichnungskraft“ die Rede, was inhaltlich keinen
Unterschied machen dürfte. Andernfalls würde die BGH-Rechtsprechung nicht den Eindruck vermitteln, dass
beide Begriffe synonym verwendet werden; vgl. Ingerl/Rohnke MarkenG § 5 Rn. 35.
72
Vgl. Fn. 2, wo die Regelungswerke auch verlinkt sind.
73
Die weiteren Voraussetzungen für den Schutz von Marken durch Eintragung gemäß §§ 7-13 MarkenG werden
hier nicht behandelt. Die sog. relativen Schutzhindernisse werden im Folgenden aber noch bei den
Widerspruchsgründen erwähnt. Bei Unionsmarken ist Art. 7 UMV „Absolute Eintragungshindernisse“ die zentrale
Vorschrift. Durch beide Normen werden die Vorgaben von Art. 4 MRRL für „Absolute Eintragungshindernisse“
umgesetzt.
74
Vgl. Rn. 13 im BGH-Beschluss „Tastmarke“ (I ZB 73/05) vom 05.10.2006.
75
Vgl. § 8 Abs. 1 MarkenG. Ähnlich hieß es früher in Art. 4 UMV: Unionsmarken können alle Zeichen sein, die
sich grafisch darstellen lassen, (...).
76
Vgl. BT-Drs. 12/6581, S. 70.
EU-Mitgliedstaat die Neufassung der MRRL umzusetzen, wonach als Marke angemeldete
Zeichen geeignet sein müssen, in dem Register in einer Weise dargestellt zu werden, dass die
zuständigen Behörden und das Publikum den Gegenstand des ihrem Inhaber gewährten
Schutzes klar und eindeutig bestimmen können. 77 Hierfür muss das Zeichen in eindeutiger,
präziser, in sich abgeschlossener, leicht zugänglicher, verständlicher, dauerhafter und
objektiver Weise darstellbar sein. Dazu wird es künftig dann in jeder geeigneten Form unter
Verwendung allgemein zugänglicher Technologie dargestellt werden dürfen und damit nicht
notwendigerweise mit grafischen Mitteln, solange die Darstellung mit Mitteln erfolgt, die
ausreichende Garantien bieten. 78 Das soll eine größere Flexibilität ermöglichen. 79
ab) Ausschlussgründe
Im deutschen Markensystem gibt es zehn Ausschlussgründe, die der Eintragung eines Zeichens
als Marke entgegenstehen können. 80 Diese sind jeweils für das konkret angemeldete Zeichen
bezogen auf die bei der Anmeldung konkret angegebenen Waren und/oder Dienstleistungen zu
prüfen, wobei der Prüfungsmaßstab bei allen Markenformen gleich ist.
Von der Eintragung als Marke sind solche Zeichen ausgeschlossen,
(1) denen für die Waren oder Dienstleistungen jegliche Unterscheidungskraft fehlt,
(2) die ausschließlich aus Zeichen oder Angaben bestehen, die im Verkehr zur Bezeichnung
der Art, der Beschaffenheit, der Menge, der Bestimmung, des Wertes, der geografischen
Herkunft, der Zeit der Herstellung der Waren oder der Erbringung der Dienstleistungen
oder zur Bezeichnung sonstiger Merkmale der Waren oder Dienstleistungen dienen
können,
(3) die ausschließlich aus Zeichen oder Angaben bestehen, die im allgemeinen
Sprachgebrauch oder in den redlichen und ständigen Verkehrsgepflogenheiten zur
Bezeichnung der Waren oder Dienstleistungen üblich geworden sind,
(4) die geeignet sind, das Publikum insbesondere über die Art, die Beschaffenheit oder die
geografische Herkunft der Waren oder Dienstleistungen zu täuschen,
(5) die gegen die öffentliche Ordnung oder gegen die guten Sitten verstoßen,
77
Vgl. Art. 3 i.V.m. Art. 54 Abs. 1 S. 1 MRRL. Für die Unionsmarke gilt die entsprechende Änderung von Art. 4
UMV seit dem 01.10.2017; vgl. Art. 1 Nr. 8 i.V.m. Art. 4 S. 2 Änderungsverordnung (EU) 2015/2424 des
Europäischen Parlaments und des Rates vom 16.12.2015.
78
Vgl. Erwägungsgrund (13) MRRL.
79
Vgl. Erwägungsgrund (9) ÄnderungsVO.
80
Vgl. § 8 Abs. 2 MarkenG.
(6) die Staatswappen, Staatsflaggen oder andere staatliche Hoheitszeichen oder Wappen eines
inländischen Ortes oder eines inländischen Gemeinde- oder weiteren Kommunalverbandes
enthalten,
(7) die amtliche Prüf- oder Gewährzeichen enthalten, die nach einer Bekanntmachung des
Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz (BMJV) im Bundesgesetzblatt
von der Eintragung als Marke ausgeschlossen sind,
(8) die Wappen, Flaggen oder andere Kennzeichen, Siegel oder Bezeichnungen internationaler
zwischenstaatlicher Organisationen enthalten, die nach einer Bekanntmachung des BMJV
im Bundesgesetzblatt von der Eintragung als Marke ausgeschlossen sind,
(9) deren Benutzung ersichtlich nach sonstigen Vorschriften im öffentlichen Interesse
untersagt werden kann, oder
(10) die bösgläubig angemeldet worden sind.
Die Ausschlussgründe Nr. (1)-(3) finden allerdings keine Anwendung, wenn die Marke sich
vor dem Zeitpunkt der Entscheidung über die Eintragung infolge ihrer Benutzung für die
angemeldeten Waren oder Dienstleistungen in den beteiligten Verkehrskreisen durchgesetzt
hat. 81
ac) Beispiele aus der BGH-Rechtsprechung
Zur Sensibilisierung für die in der Praxis am häufigsten vorkommenden absoluten
Schutzhindernisse hier einige Beispiele höchstrichterlicher Zurückweisungen von
Markenanmeldungen: 82
(1) Fehlen jeglicher Unterscheidungskraft 83
Unterscheidungskraft ist die einer Marke innewohnende konkrete Eignung, vom Verkehr als
Unterscheidungsmittel aufgefasst zu werden, das die in Rede stehenden Waren oder
Dienstleistungen als von einem bestimmten Unternehmen stammend kennzeichnet und diese
damit von den Waren oder Dienstleistungen anderer Unternehmen unterscheidet. Die
Hauptfunktion der Marke besteht darin, die Ursprungsidentität der gekennzeichneten Waren
oder Dienstleistungen zu gewährleisten. Dabei ist grundsätzlich von einem großzügigen
Maßstab auszugehen, sodass jede auch noch so geringe Unterscheidungskraft genügt, um das
81
Vgl. § 8 Abs. 3 MarkenG.
82
Soweit ersichtlich, waren noch nicht alle absoluten Schutzhindernisse Streitgegenstand in einem BGH-
Verfahren. Gleichwohl sind die hier ausgewählten Fallgruppen und Beispiele nicht abschließend.
83
Absolutes Schutzhindernis nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG.
Schutzhindernis zu überwinden. Dabei ist auf die mutmaßliche Wahrnehmung eines normal
informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers der
fraglichen Waren oder Dienstleistungen abzustellen. 84
„Originär“ oder „von Haus aus“ gegeben ist Unterscheidungskraft, wenn ein Zeichen geeignet
ist, sich unabhängig von der jeweiligen Benutzungslage als Unterscheidungsmittel für die
Waren oder Dienstleistungen eines Unternehmens und damit als Marke bei den beteiligten
Verkehrskreisen einzuprägen. 85 Zeichen, die diese Eignung nicht haben, können
Unterscheidungskraft dadurch erwerben, dass sie umfangreich im geschäftlichen Verkehr
benutzt werden. Führt das zu einer Verkehrsgeltung, steht der Markeneintragung das Fehlen
jeglicher Unterscheidungskraft nicht mehr entgegen. 86 Der Markenschutz, den die Eintragung
kraft Verkehrsdurchsetzung dem Markeninhaber vermittelt, ist nicht schwächer als der einer
Marke, die aufgrund originärer Unterscheidungskraft eingetragen worden ist. 87 Üblicherweise
besteht eine durchschnittliche Kennzeichnungskraft, wobei eine Kennzeichnungsschwäche nur
bei Vorlage besonderer tatsächlicher Umstände angenommen werden kann. 88
(a) Fehlen jeglicher Unterscheidungskraft bei Wortmarken
Enthalten die Wortbestandteile einer Bezeichnung einen beschreibenden Begriffsinhalt, der für
die in Frage stehenden Waren oder Dienstleistungen ohne Weiteres und ohne Unklarheiten als
solcher erfasst wird, ist der angemeldeten Bezeichnung die Eintragung als Marke wegen
Fehlens jeglicher Unterscheidungskraft zu versagen. Das gilt auch für Angaben, durch die ein
enger beschreibender Bezug zu den angemeldeten Waren oder Dienstleistungen hergestellt
wird. Die Eignung, Waren oder Dienstleistungen ihrer betrieblichen Herkunft nach zu
unterscheiden, fehlt zudem solchen Angaben, die aus gebräuchlichen Wörtern oder Wendungen
84
Vgl. Rn. 11 im BGH-Beschluss „Pippi-Langstrumpf-Marke“ (I ZB 97/16) vom 05.10.2017.
85
Vgl. Rn. 31 im BGH-Beschluss „BioGourmet“ (I ZB 56/14) vom 14.01.2016.
86
Vgl. § 8 Abs. 3 MarkenG.
87
Insbesondere droht der wegen Verkehrsdurchsetzung eingetragenen Marke nicht die Löschung, wenn
nachträglich die Voraussetzungen für eine Eintragung als durchgesetztes Zeichen entfallen sind, weil ein solcher
Löschungsgrund nicht besteht; vgl. Rn. 9 im BGH-Beschluss „Porsche 911“ (I ZB 34/04) vom 15.12.2005.
88
Solche Umstände können bei einer Unionsmarke darin liegen, dass ein von Haus aus nicht
unterscheidungskräftiges Zeichen infolge Benutzung in einem Teil der EU eine Unterscheidungskraft erlangt hat,
diese im Eintragungsverfahren aber nicht für Deutschland nachgewiesen wurde. So kann für Deutschland eine
wenigstens durchschnittliche Kennzeichnungskraft eines originär nicht unterscheidungskräftigen Zeichens nicht
durch eine intensive Zeichenbenutzung im Vereinigten Königreich nachgewiesen werden. Zwar muss einer
solchen Unionsmarke auch in Deutschland wegen jedenfalls geringer Kennzeichnungskraft ein Schutz zugebilligt
werden. Um über eine nur geringe Kennzeichnungskraft seiner Marke hinauszukommen, muss der Inhaber aber
besondere Umstände vortragen; vgl. Leitsätze a) und b) i.V.m. Rn. 20-28 im BGH-Beschluss „OXFORD/Oxford
Club“ (I ZB 45/16) vom 09.11.2017.
der deutschen Sprache bestehen, die stets nur als solche und nicht als Unterscheidungsmittel
verstanden werden. 89
Dementsprechend wurde z.B. diesen Wortmarkenanmeldungen jegliche Unterscheidungskraft
abgesprochen: „marktfrisch“ für Lebensmittel 90 ; „Gute Zeiten – Schlechte Zeiten“ für
Tonträger, Bücher, Magazine, Ausstrahlung von Fernsehprogrammen, Fernsehunterhaltung
und Filmproduktion 91 ; „FUSSBAL WM 2006“ für mit einer Fußballweltmeisterschaft
üblicherweise verbundene Dienstleistungen, Medienprodukte und auf die mediale Auswertung
und Vermarktung derartiger Veranstaltungen ausgerichtete Dienstleistungen sowie bei der
Veranstaltung eingesetzte Hilfsmittel und Hilfsdienstleistungen 92 ; „Neuschwanstein“ als Name
einer Sehenswürdigkeit (Schloss Neuschwanstein) für Reiseandenken/-bedarf 93 .
Jedoch kann einem in der maßgeblichen Sprache nicht vorhandenen Fantasie- und Kunstwort
mit eigenschöpferischem Gehalt auch bei Bestehen eines beschreibenden Anklangs
grundsätzlich nicht jegliche Unterscheidungskraft versagt werden, z.B. „Microcotton“ für
Handtücher. 94 Vielmehr verhält es sich bei Marken mit beschreibendem Anklang nicht anders
als in Fällen, in denen nicht beschreibende Zeichen als Werbemittel etwa in Form von
Werbeslogans, Qualitätshinweisen oder Aufforderungen zum Kauf verwendet werden. Wenn
das Zeichen (auch) als Herkunftshinweis für die fraglichen Waren oder Dienstleistungen
wahrgenommen wird, kann die Unterscheidungskraft nicht deshalb verneint werden, weil es
gleichzeitig oder sogar in erster Linie als Werbemittel aufgefasst wird. 95
(b) Fehlen jeglicher Unterscheidungskraft bei Wort-/Bildmarken
Besteht eine Marke aus mehreren Elementen, ist bei der Beurteilung der Unterscheidungskraft
von der Gesamtheit der Marke auszugehen. Dabei hat sich die Prüfung darauf zu erstrecken, ob
die Marke als solche, jedenfalls mit einem ihrer Elemente, den Anforderungen an die
89
Vgl. Rn. 19 im BGH-Beschluss „FUSSBALL WM 2006“ (I ZB 96/05) vom 27.04.2006.
90
Vgl. Leitsatz b) i.V.m. S. 6 ff. im BGH-Beschluss „marktfrisch“ (I ZB 42/98) vom 01.03.2001.
91
Vgl. Leitsatz i.V.m. S. 11 f. im BGH-Beschluss „Gute Zeiten – Schlechte Zeiten“ (I ZB 60/98) vom 17.05.2001.
92
Vgl. Leitsätze a) und b) i.V.m. Rn. 32 im BGH-Beschluss „FUSSBALL WM 2006“ (I ZB 96/05) vom
27.04.2006.
93
Vgl. Leitsatz a) i.V.m. Rn. 1 und 12 f. im BGH-Beschluss „Neuschwanstein“ (I ZB 13/11) vom 08.03.2012. Im
autonomen Unionsmarkensystem wurde das vom Gericht der Europäischen Union (EuG) anders beurteilt und
Unterscheidungskraft teilweise auch für solche Waren angenommen, die zuvor Gegenstand im BGH-
Löschungsverfahren waren; vgl. Rn. 3 i.V.m. Rn. 33-46 im EuG-Urteil „NEUSCHWANSTEIN“ (T-167/15) vom
05.07.2016, wo in Rn. 44 klargestellt ist, dass das EUIPO und ggf. der Unionsrichter nicht an eine
Eintragungsentscheidung gebunden sind, die in einem Mitgliedstaat oder in einem Drittland ergangen ist.
94
Vgl. Rn. 32 i.V.m. Rn. 2 im BGH-Teilurteil „MICRO COTTON“ (I ZR 101/15) vom 03.11.2016.
95
Vgl. Rn. 18 im BGH-Beschluss „Pippi-Langstrumpf-Marke“ (I ZB 97/16) vom 05.10.2017.
Unterscheidungskraft genügt. 96 Ist der Wortbestandteil einer Wort-/Bildmarke nicht
unterscheidungskräftig, so kann das Zeichen in seiner Gesamtheit trotzdem
Unterscheidungskraft haben, wenn die Bildelemente ihrerseits charakteristische Merkmale
haben, in denen der Verkehr einen Herkunftshinweis sieht. Einfache, werblich übliche grafische
Gestaltungen sind allerdings nicht hinreichend unterscheidungskräftig. 97
Dementsprechend wurde z.B. diesen Wort-/Bildmarkenanmeldungen jegliche
Unterscheidungskraft abgesprochen:
für Wasserenthärtungsmittel für Wasch- und Spülmaschinen 98 ;
Filmverleih 99 ;
für diverse Waren und Dienstleistungen, z.B. CDs, DVDs, Bekleidung,
Veranstalten, Durchführen von Messen 100 .
für einen Teil der angemeldeten Dienstleistungen, z.B. Planen,
Wer nur deshalb eine Wort-/Bildmarke im Auge hat, weil die Grafik dem schutzunfähigen
Wortbestandteil ins Register verhelfen soll, sieht daran beispielhaft, dass nicht alle Grafiken
geeignet sind, die Schutzschwäche von Wortbestandteilen zu überwinden. Vielmehr kann es
auch bei Wort-/Bildmarkenanmeldungen zur Beanstandung der absoluten Schutzunfähigkeit
kommen.
(c) Fehlen jeglicher Unterscheidungskraft bei Bildmarken
Einem Bildzeichen, das bloß die Ware abbildet, für die der Markenschutz beantragt ist, wird im
Allgemeinen die erforderliche Unterscheidungskraft fehlen. 101 Sie kann aber auch fehlen, wenn
96
Vgl. S. 5 im BGH-Beschluss „anti KALK“ (I ZB 58/98) vom 28.06.2001.
97
Vgl. Rn. 31 im BGH-Beschluss „BioGourmet“ (I ZB 56/14) vom 14.01.2016.
98
Vgl. S. 6 ff. im BGH-Beschluss „anti KALK“ (I ZB 58/98) vom 28.06.2001.
99
Vgl. Rn. 1 i.V.m. Rn. 13-17 im BGH-Beschluss „hey!“ (I ZB 32/09) vom 14.01.2010.
100
Vgl. Rn. 1 i.V.m. Rn. 7 im BGH-Beschluss „DüsseldorfCongress“ (I ZB 29/13) vom 15.05.2014.
101
Vgl. S. 6 f. im BGH-Beschluss „Zahnpastastrang“ (I ZB 3/98) vom 26.10.2000.
es nicht um die Abbildung der Ware selbst geht, sondern um einen Hinweis auf die Art oder
die Verwendungsweise der Ware, z.B. die Abbildung eines Hundekopfes im Zusammenhang
mit Hundefutter: 102
Auch für Bildzeichen, die als Marke die betriebliche Herkunft der angemeldeten
Dienstleistungen kennzeichnen sollen, ist zu fragen, ob das jeweilige Zeichen grafische
Gestaltungselemente enthält, in denen der Verkehr einen Hinweis auf die betriebliche Herkunft
sieht. Denkbar ist demgegenüber auch, dass ein Zeichen in der Bildsprache die Dienstleistung
selbst oder einzelne ihrer Merkmale beschreibt. So kann z.B. der fotografischen Abbildung
eines Bürogebäudes für die Dienstleistung „Immobilienwesen“ jegliche Unterscheidungskraft
fehlen, weil das ein Gegenstand ist, mit dem sich das Immobiliengeschäft typischerweise
befasst: 103
Zudem könnte ein solches Bildzeichen lediglich als Hinweis auf das Gebäude aufgefasst
werden, in dem das Unternehmen seinen Sitz hat, das die angemeldeten Dienstleistungen
erbringt. Wäre von einem derartigen Verkehrsverständnis auszugehen, könnte dem Bildzeichen
als Beschreibung des Ortes, an dem die angemeldeten Dienstleistungen erbracht werden,
jegliche Unterscheidungskraft auch für Dienstleistungen abseits vom „Immobilienwesen“
fehlen. 104
102
Vgl. S. 6 f. im BGH-Beschluss „Westie-Kopf“ (I ZB 21/01) vom 03.07.2003.
103
Vgl. S. 6 f. im BGH-Beschluss „Bürogebäude“ (I ZB 1/04) vom 12.08.2004.
104
Vgl. S. 9 im BGH-Beschluss „Bürogebäude“ (I ZB 1/04) vom 12.08.2004 zur Prüfung der Unterscheidungskraft
für die Dienstleistungen „Geschäftsführung; Unternehmensverwaltung; Büroarbeiten; Versicherungswesen;
Finanzwesen; Rechtsberatung und Vertretung“.
Zeigt darüber hinaus ein als Marke angemeldetes Bildzeichen eine dem Verkehr bekannte
Person, kann für solche Waren und Dienstleistungen jegliche Unterscheidungskraft fehlen, bei
denen der Verkehr einen thematischen oder sonstigen sachlichen Bezug zu der abgebildeten
Person herstellt. Bezogen auf einige der angemeldeten Waren und Dienstleistungen wurde
deshalb z.B. bei diesem Bildzeichen die Unterscheidungskraft verneint: 105
(d) Fehlen jeglicher Unterscheidungskraft bei 3D-Marken
Die oben genannten Grundsätze zur Beurteilung von markenrechtlicher Unterscheidungskraft
gelten auch für 3D-Marken, bei denen kein strengerer Maßstab anzulegen ist als bei
herkömmlichen Markenformen. Wie bei jeder anderen Markenform ist zu prüfen, ob der
Verkehr in dem angemeldeten Zeichen einen betrieblichen Herkunftshinweis für die
angemeldeten Waren oder Dienstleistungen sieht. Bei solchen 3D-Zeichen, die aus der Form
der Ware selbst oder ihrer Verpackung bestehen, wird das oft nicht der Fall sein. Sie werden
nicht in gleicher Weise wahrgenommen wie Wort-, Wort-/Bild- oder Bildmarken, die vom
Erscheinungsbild der gekennzeichneten Ware unabhängige gesonderte Zeichen sind. Bei
3D-Markenanmeldungen ist deshalb stets zu prüfen, ob die Form lediglich einen im
Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsinhalt verkörpert, z.B. Auto. Geht sie darüber
hinaus und zeichnet sie sich sogar durch besondere Gestaltungsmerkmale aus, ist zu prüfen, ob
der Verkehr darin nur bloße Gestaltungsmerkmale sieht oder aber einen betrieblichen
Herkunftshinweis. 106
Dabei müssen solche Gestaltungselemente außer Betracht bleiben, die durch die technische
Funktion bestimmt sind. Deshalb wurde z.B. bei diesem Uhrengehäuseträger die
Unterscheidungskraft verneint: 107
105
Vgl. zweiten Leitsatz i.V.m. Rn. 12-15 im BGH-Beschluss „Marlene-Dietrich-Bildnis“ (I ZB 21/06) vom
24.04.2008.
106
Vgl. Rn. 16 f. im BGH-Beschluss „Porsche Boxster“ (I ZB 33/04) vom 15.12.2005.
107
Vgl. Leitsatz a) i.V.m. S. 9 f. im BGH-Beschluss „SWATCH“ (I ZB 27/98) vom 14.12.2000.
Insoweit wird auch bei 3D-Zeichen, die ein technisches Gerät darstellen, die äußere Gestaltung
der technischen Merkmale in erster Linie an der Funktion orientiert sein. Einen Hinweis auf die
betriebliche Herkunft der Geräte wird der Verkehr darin regelmäßig nicht sehen. Anderes kann
aber gelten, wenn im betreffenden Warengebiet eine Übung besteht, aufgrund derer der Verkehr
in technischen Formgebungen und Ausgestaltungen einen Herkunftshinweis sieht. Das war z.B.
bei Zurückweisung dieses Transformatorengehäuses jedoch nicht dargelegt: 108
Ist auf dem als Marke angemeldeten 3D-Zeichen zudem ein Schriftzug zu sehen, ist der Prüfung
auf absolute Schutzhindernisse nicht allein die 3D-Form zu Grunde zu legen, sondern die
Kombination von Form und Wort. 109 Es kommt dann der oben bei Wort-/Bildmarken bereits
erwähnte Grundsatz wieder zum Tragen: Besteht eine Marke aus schutzfähigen und
schutzunfähigen Bestandteilen, reicht es aus, dass der Verkehr in dem Gesamtzeichen, und sei
es auch nur aufgrund eines Elements, noch einen Hinweis auf die betriebliche Herkunft sieht.
Die Frage, ob und inwieweit die Form oder das Wort den Gesamteindruck der
Kombinationsmarke prägt, stellt sich erst in einem Kollisionsfall. 110
(e) Fehlen jeglicher Unterscheidungskraft bei abstrakten Farbmarken
Auch bei abstrakten Farbmarken ist kein strengerer Maßstab anzulegen als bei anderen
Markenformen. Bei der Prüfung, ob der Verkehr in dem Anmeldezeichen einen betrieblichen
Herkunftshinweis für die angemeldeten Waren oder Dienstleistungen sieht, ist aber zu
108
Vgl. Leitsatz b) i.V.m. S. 12 f. im BGH-Beschluss „Transformatorengehäuse“ (I ZB 48/98) vom 20.11.2003.
109
Vgl. Leitsatz i.V.m. S. 8 im BGH-Beschluss „Stabtaschenlampe MAGLITE“ (I ZB 19/01) vom 12.08.2004.
110
Vgl. S. 10 im BGH-Beschluss „Stabtaschenlampe MAGLITE“ (I ZB 19/01) vom 12.08.2004.
erücksichtigen, dass das bei der Farbe eines Produkts oft nicht der Fall ist (ebenso wenig wie
bei der Form der Ware oder ihrer Verpackung). Zudem ist bei abstrakten Farbmarken auch im
Rahmen der Prüfung der Unterscheidungskraft das Allgemeininteresse an der freien
Verfügbarkeit der Farben für andere Wirtschaftsteilnehmer zu berücksichtigen.
Dementsprechend fehlt abstrakten Farbmarken im Allgemeinen die Unterscheidungskraft. Bei
ihnen ist deshalb stets zu prüfen, ob besondere Umstände vorliegen, die gleichwohl die
Annahme rechtfertigen, die angemeldete Marke sei unterscheidungskräftig. Solche Umstände
können sein, dass die Zahl der Waren oder Dienstleistungen, für die die Marke angemeldet ist,
sehr gering und der maßgebliche Markt sehr spezifisch ist. 111
Vor diesem Hintergrund wurde z.B. dieser für „Mittel zur Körper- und Schönheitspflege,
nämlich Haut- und Körperpflegeprodukte“ als verkehrsdurchgesetzt eingetragenen abstrakten
Farbmarke in einem Löschungsverfahren die originäre Unterscheidungskraft abgesprochen: 112
(2) Bestehen eines Freihaltebedürfnisses 113
Das absolute Schutzhindernis des Bestehens eines Freihaltebedürfnisses betrifft die Merkmale
der angemeldeten Waren oder Dienstleistungen, nämlich deren Art, Beschaffenheit, Menge,
Bestimmung, Wert, geografische Herkunft, Zeit der Herstellung der Waren oder der Erbringung
der Dienstleistungen oder sonstige Merkmale. Damit wird das im Allgemeininteresse liegende
Ziel verfolgt, dass zur Beschreibung solcher Merkmale geeignete Zeichen oder Angaben von
allen Unternehmen verwendet werden können, um dieselben Eigenschaften ihrer eigenen
Produkte zu beschreiben. Dabei ist nicht entscheidend, wie groß die Zahl der Konkurrenten ist,
die daran ein Interesse haben könnten. Jeder Wirtschaftsteilnehmer, der Waren oder
Dienstleistungen, die mit denen konkurrieren, für die die Eintragung beantragt wird,
gegenwärtig anbietet oder künftig anbieten könnte, muss solche Zeichen oder Angaben frei
nutzen dürfen. 114
111
Vgl. Rn. 10 f. im BGH-Beschluss „Nivea-Blau“ (I ZB 65/13) vom 09.07.2015.
112
Vgl. Rn. 13 und 16 im BGH-Beschluss „Nivea-Blau“ (I ZB 65/13) vom 09.07.2015. Zugleich wurde vom BGH
gebilligt, dass vom Bundespatentgericht (BPatG) als Vorinstanz ein Freihaltebedürfnis angenommen wurde (Rn.
17-21). Nicht gebilligt wurde hingegen die BPatG-Beurteilung, die beiden Schutzhindernisse seien nicht im Wege
der Verkehrsdurchsetzung überwunden. Die BPatG-Löschungsanordnung wurde deshalb aufgehoben und die
Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das BPatG zurückverwiesen (Rn. 22-37). Soweit ersichtlich,
steht die erneute Entscheidung noch aus.
113
Absolutes Schutzhindernis nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG.
114
Vgl. Rn. 35 im BGH-Beschluss „FUSSBALL WM 2006“ (I ZB 96/05) vom 27.04.2006.
Die gesetzliche Formulierung „dienen können“ zeigt, dass die bloße Eignung als
sachbeschreibende Angabe reicht. Die Markeneintragung ist deshalb auch dann zu versagen,
wenn die angemeldete Bezeichnung noch nicht als Sachangabe benutzt wird, eine solche
Verwendung aber jederzeit in Zukunft erfolgen kann. 115
Dabei setzt eine Charakterisierung als Sachangabe für die angemeldeten Waren oder
Dienstleistungen nicht voraus, dass die Bezeichnung bereits feste begriffliche Konturen erlangt
und sich eine einhellige Auffassung zum Sinngehalt herausgebildet hat. Sachbeschreibend kann
ein Markenwort auch sein, wenn es verschiedene Bedeutungen hat, sein Inhalt vage ist oder nur
eine der möglichen Bedeutungen die angemeldeten Waren oder Dienstleistungen beschreibt.
So wurde z.B. „SPA“ für geeignet gehalten, den Verwendungszweck der Waren „Parfümerien,
Mittel zur Körper- und Schönheitspflege“ und die Dienstleistungen „Betrieb von Bädern,
Schwimmbädern und Saunen“ ihrer Art nach zu beschreiben. 116
Dementsprechend steht es der Annahme einer beschreibenden Angabe auch nicht entgegen,
wenn es um eine Wortkombination geht, die lexikalisch nicht nachgewiesen ist. Werden solche
Bestandteile, die jeweils Merkmale der angemeldeten Waren oder Dienstleistungen
beschreiben, kombiniert, bleibt ohne Vornahme einer ungewöhnlichen Änderung (insbesondere
syntaktischer oder semantischer Art) die Kombination selbst für diese Merkmale beschreibend,
auch wenn sie eine sprachliche Neuschöpfung ist. Dementsprechend erschöpft sich z.B. die
Wortkombination „Rheinpark-Center Neuss“ in der beschreibenden Angabe der geografischen
Herkunft der angemeldeten Dienstleistungen, nämlich des Ortes, an dem diese angeboten oder
erbracht werden können. 117
Weil es bei der Prüfung dieses absoluten Schutzhindernisses im Eintragungsverfahren nicht auf
eine bereits tatsächlich stattfindende Verwendung des Zeichens ankommt, kann ein rein
beschreibender Inhalt auch nicht z.B. damit in Abrede gestellt werden, das als
„Rheinpark-Center Neuss“ bezeichnete Einkaufszentrum befinde sich weder in unmittelbarer
Nähe des Rheins noch in einem Park. 118
115
Vgl. Rn. 12 im BGH-Beschluss „SPA II“ (I ZB 53/05) vom 13.03.2008.
116
Vgl. Leitsatz b) i.V.m. Rn. 15 f. im BGH-Beschluss „SPA II“ (I ZB 53/05) vom 13.03.2008.
117
Vgl. Leitsatz a) i.V.m. Rn. 10-15 im BGH-Beschluss „Rheinpark-Center Neuss“ (I ZB 78/10) vom 22.06.2011.
118
Vgl. Rn. 16 f. im BGH-Beschluss „Rheinpark-Center Neuss“ (I ZB 78/10) vom 22.06.2011.
Zudem kann für Ortsnamen ein Freihaltebedürfnis auch bei abweichender Schreibweise
bestehen, wenn diese eine große Ähnlichkeit zum Ort der geografischen Herkunft der
beanspruchten Waren oder Dienstleistungen ergibt, wie z.B. „Lichtenstein“. 119
Sachbeschreibende Angaben können aber nicht allein durch Worte gemacht werden, sondern
auch dadurch, dass die äußere Form der Ware selbst abgebildet wird, wie z.B. beim „Porsche
Boxster“, dessen 3D-Markenanmeldung für „Kraftfahrzeuge“ als freihaltebedürftig beurteilt
wurde: 120
Für das Vorliegen dieses Schutzhindernisses kommt es übrigens nicht darauf an, ob der
Markenanmelder bereits über ein Namens- oder Kennzeichenrecht verfügt, mit dem er Dritte
von der Verwendung einer der Marke entsprechenden Angabe im Zusammenhang mit den
beanspruchten Waren oder Dienstleistungen ausschließen kann. Die Prüfung ist vielmehr
losgelöst von der Person des Anmelders, weil dieser mit der Eintragung des angemeldeten
Zeichens ein (weiteres) Recht erwirbt, das vom Fortbestehen seines Namens- oder
Kennzeichenrechts unabhängig ist und das er auf einen Dritten übertragen kann. 121
(3) Bestehen einer Täuschungseignung 122
Bei der Beurteilung, ob das Schutzhindernis der Täuschungseignung vorliegt, geht es um die
Täuschung durch den Zeicheninhalt selbst und nicht um die Prüfung, ob das Zeichen bei einer
besonderen Art der Verwendung im Geschäftsverkehr geeignet sein kann, irreführende
Vorstellungen zu wecken. Dabei wird der Zeicheninhalt im Wesentlichen geprägt durch die
119
Vgl. Leitsatz c) i.V.m. S. 7 im BGH-Beschluss „Lichtenstein“ (I ZB 10/01) vom 17.07.2003.
120
Vgl. Rn. 20 f. im BGH-Beschluss „Porsche Boxster“ (I ZB 33/04) vom 15.12.2005. Die Markeneintragung
erfolgte dann wegen der vom BGH angenommenen Verkehrsdurchsetzung (Rn. 22-24). Nach Zurückverweisung
(Rn. 27) sah die Vorinstanz sich daran gebunden; vgl. S. 3 f. im BPatG-Beschluss „Porsche Boxer“ (28 W [pat]
102/00) vom 19.07.2006.
121
Vgl. Leitsatz a) i.V.m. Rn. 17 im BGH-Beschluss „Institut der Norddeutschen Wirtschaft e.V.“ (I ZB 70/10)
vom 17.08.2011.
122
Absolutes Schutzhindernis nach § 8 Abs. 2 Nr. 4 MarkenG.
angemeldeten Waren oder Dienstleistungen. Ist hierfür eine Markenbenutzung möglich, bei der
keine Irreführung des Verkehrs erfolgt, liegt dieses absolute Schutzhindernis nicht vor. 123
In diesem Sinne kann eine Marke zur Täuschung geeignet sein, wenn sie das Symbol ® enthält
und dieses nur einem Bestandteil der Marke zugeordnet ist, für den kein gesonderter
markenrechtlicher Schutz besteht. So wurde z.B. diese Wort-/Bildmarkenanmeldung mit der
Begründung zurückgewiesen, dass das Symbol ® nur einem schutzunfähigen Teil der
angemeldeten Marke zugeordnet sei, nämlich dem Wortbestandteil „grill“ oder der
Wortkombination „grill meister“, und dadurch der Verkehr darüber getäuscht werde, dass für
diesen Zeichenbestandteil kein gesonderter markenrechtlicher Schutz bestehe: 124
Demgegenüber sind irreführende Angaben zu den beanspruchten Waren oder Dienstleistungen,
die nicht aus dem Inhalt oder der Aussage der Marke selbst folgen, sondern sich erst in
Verbindung mit der Person oder dem Unternehmen des Markenanmelders ergeben,
grundsätzlich nicht zur Täuschung geeignet. Deshalb stand der Eintragung der Wortmarke
„Stadtwerke Bremen“ für Waren und Dienstleistungen eines Versorgungsunternehmens eine
Täuschungseignung nicht entgegen, obwohl die Stadt Bremen lediglich eine mittelbare
Minderheitsbeteiligung an der Markenanmelderin innehatte. Entscheidend sei die Möglichkeit,
dass die Stadt Bremen zukünftig einen bestimmenden Einfluss auf die Geschäftstätigkeit der
Anmelderin gewinnt oder die Anmelderin die Marke an einen von der Stadt Bremen geführten
oder beherrschten Versorgungsbetrieb lizenziert oder überträgt. 125
123
Vgl. Rn. 21 f. im BGH-Beschluss „Stadtwerke Bremen“ (I ZB 43/15) vom 09.11.2016.
124
Vgl. Leitsatz b) i.V.m. Rn. 24 im BGH-Beschluss „grill meister“ (I ZB 11/13) vom 17.10.2013.
125
Vgl. Rn. 21 f. im BGH-Beschluss „Stadtwerke Bremen“ (I ZB 43/15) vom 09.11.2016.
(4) Verstoß gegen die guten Sitten 126
Das absolute Schutzhindernis eines Verstoßes gegen die guten Sitten liegt vor, wenn das
angemeldete Zeichen geeignet ist, das Empfinden der angesprochenen Verkehrskreise
erheblich zu verletzen, indem es etwa in sittlicher, politischer oder religiöser Hinsicht anstößig
oder herabwürdigend wirkt oder eine grobe Geschmacksverletzung darstellt. Dabei sind nicht
nur die Verkehrskreise zu berücksichtigen, an die sich die angemeldeten Waren oder
Dienstleistungen unmittelbar richten, sondern auch die Teile des Publikums, die dem Zeichen
im Alltag zufällig begegnen. Maßgeblich ist eine normal tolerante und durchschnittlich sensible
Sichtweise. Soweit eine Liberalisierung der Anschauungen des angesprochenen Verkehrs im
Hinblick auf die Verwendung vulgärer, obszöner oder beleidigender Worte stattgefunden hat,
muss ihr Rechnung getragen werden. Andererseits ist eine noch nicht eingetretene, sich nur in
Ansätzen abzeichnende Liberalisierung oder Banalisierung der Sichtweise grob anstößiger
Ausdrücke in der Eintragungspraxis nicht vorwegzunehmen.
Vor diesem Hintergrund werde das sittliche Empfinden breiter Bevölkerungskreise über
Gebühr dadurch verletzt, dass in dieser Wort-/Bildmarkenanmeldung die Wortfolge „READY
TO FUCK“ erkannt und mit „bereit zur Ausübung des Geschlechtsverkehrs“ übersetzt
werde: 127
b) Was muss ein Unternehmenskennzeichen haben?
Zur vorstehenden Frage nach der Entstehung von Unternehmenskennzeichenrechten war
bereits festzuhalten, dass bei von Haus aus unterscheidungskräftigen Bezeichnungen der Schutz
mit der Aufnahme der Benutzung im inländischen Geschäftsverkehr zur Kennzeichnung des
Geschäftsbetriebs entsteht. Fehlt demgegenüber dem benutzten Zeichen die originäre
Unterscheidungskraft, kann daran ein Unternehmenskennzeichenrecht erst mit Erlangung von
126
Absolutes Schutzhindernis nach § 8 Abs. 2 Nr. 5 MarkenG. Als erste Handlungsalternative ist dort ein Verstoß
gegen die öffentliche Ordnung geregelt, der – soweit ersichtlich – unter Geltung des MarkenG noch nicht
Gegenstand der BGH-Rechtsprechung war.
127
Vgl. Rn. 9-11 im BGH-Beschluss „READY TO FUCK“ (I ZB 89/11) vom 02.10.2012. Im autonomen
Unionsmarkensystem wurde mit ähnlicher Begründung vom EuG die Wortmarkenanmeldung „Fack Ju Göhte“
zurückgewiesen; vgl. Rn. 11 ff. im EuG-Urteil „Fack Ju Göhte“ (T-69/17) vom 24.01.2018.
Verkehrsgeltung entstehen. Deshalb ist die Feststellung von Unterscheidungskraft für ein
Unternehmenskennzeichen von existenzieller Bedeutung.
Die Frage hiernach stellt sich auch bei im Handelsregister eingetragenen Firmen. Zwar muss
nach dem Handelsrecht die Firma zur Kennzeichnung des Kaufmanns geeignet sein und
Unterscheidungskraft besitzen. 128 Diese Voraussetzung der handels(register)rechtlichen
Zulässigkeit muss aber nicht zwingend mit der kennzeichenrechtlichen Kennzeichnungskraft
übereinstimmen. Das gilt insbesondere für ältere Firmen aus der Zeit vor der Liberalisierung
des Firmenrechts durch das Inkrafttreten des Handelsrechtsreformgesetzes am 01.07.1998.
Seither erst sind auch Fantasiefirmen für alle Unternehmen zulässig. Bis dahin musste z.B. bei
Gesellschaften mit beschränkter Haftung die Firma entweder als „Sachfirma“ von dem
Unternehmensgegenstand entlehnt sein oder als „Personenfirma“ den Namen wenigstens eines
der Gesellschafter aufweisen. 129
Insoweit kommt einem als Firma oder Firmenbestandteil benutzten Zeichen von Haus aus
kennzeichnungsrechtliche Unterscheidungskraft zu, wenn das Zeichen oder der
Zeichenbestandteil ohne Weiteres geeignet ist, bei einer Verwendung im Verkehr als Name
eines bestimmten Unternehmens zu wirken. 130
Das wird bei Fantasiefirmen in der Regel der Fall sein. 131 Gleiches gilt für Personenfirmen, seit
einigen Jahren sogar auch dann, wenn diese aus Allerweltsnamen bestehen oder diese
beinhalten. Aus Familiennamen gebildete geschäftliche Bezeichnungen sind unabhängig von
der Häufigkeit des Namens als Unternehmenskennzeichen geschützt. Die Häufigkeit des
Familiennamens beeinflusst nur die Kennzeichnungskraft und damit den Schutzumfang der
Bezeichnung. Wird ein Familienname als – seiner Natur nach nicht beschreibender – Teil einer
Geschäftsbezeichnung verwendet, kann ihm trotz seiner Häufigkeit eine zur Begründung der
Schutzfähigkeit hinreichende, wenn auch – mangels einer besonderen Eigenart des Namens –
schwache Unterscheidungskraft nicht abgesprochen werden. 132
128
Vgl. § 18 Abs. 1 HGB.
129
Vgl. BT-Drs. 13/8444, 35.
130
Vgl. Rn. 21 im BGH-Urteil „XVIII PLUS“ (I ZR 37/10) vom 02.10.2012.
131
Vgl. Rn. 12 im BGH-Urteil „hufeland.de“ (I ZR 288/02) vom 23.06.2005, wo „Hufeland“ als
Fantasiebezeichnung beurteilt und deshalb der Bezeichnung „Hufelandklinik“ originäre Unterscheidungskraft
zugesprochen wurde.
132
Vgl. Leitsatz i.V.m. Rn. 12-17 im BGH-Urteil „Hansen-Bau“ (I ZR 134/05) vom 30.01.2008 mit der
Abgrenzung von früheren BGH-Entscheidungen in Rn. 14: „Soweit Erwägungen in älteren Entscheidungen des
Senats (…) etwas anderes zu entnehmen sein sollte, wird daran nicht festgehalten.“
Demgegenüber kann bei Sachfirmen eher einmal die originäre Unterscheidungskraft fehlen. So
konnte z.B. an dem Firmenschlagwort „Telekom“ erst mit Verkehrsgeltung ein
Unternehmenskennzeichenrecht entstehen, weil der geläufigen Abkürzung des Begriffs
„Telekommunikation“ als Unternehmenskennzeichen die originäre Unterscheidungskraft
fehlte. 133 Eine solche Kennzeichnungsschwäche kann sich beim Versuch der
Rechtsdurchsetzung dadurch negativ auswirken, dass sie nicht gelingt. 134 Das gilt auch für
Wortkombinationen, wie z.B. „Star Entertainment“ als Bezeichnung für ein Unternehmen, das
als Gegenstand die Produktion, Durchführung, Vermittlung und Vermarktung von
Veranstaltungen der Unterhaltungsbranche hat. 135
5. Wie komme ich zum ®?
Diese Frage kann damit beantwortet werden: Durch Markenanmeldung beim zuständigen Amt
und Eintragung ins dort geführte Register. Insoweit erfolgt hier die Konzentration auf die
Anmeldung einer nationalen Marke beim DPMA, obwohl als Alternative dazu bei in
Deutschland sitzenden Anmeldern die Unionsmarke ziemlich beliebt ist. Zum einen gibt es
viele Unternehmen, die für ihre Geschäftstätigkeit einen über Deutschland hinaus wirkenden
Markenschutz nicht benötigen. Zum anderen dürfte für viele Anmelder mit internationalem
Geschäft eine nationale Markenanmeldung beim DPMA mit anschließender internationaler
Registrierung bei der WIPO (ggf. unter Inanspruchnahme der deutschen Priorität) die
sachgerechtere Markenstrategie sein. Zwar locken bei der Unionsmarke die relativ geringen
Amtsgebühren, wodurch aber nicht der Blick auf etwaige Nachteile im Eintragungsverfahren
versperrt werden darf.
Das DPMA bezeichnet den Vorteil einer dort angemeldeten Marke als „geringere
Störungsanfälligkeit der nationalen Marke“. 136 Soweit dabei für das Widerspruchsverfahren
darauf hingewiesen ist, dass schon eine verwechselbar ähnliche ältere Marke in einem der 28
EU-Mitgliedstaaten ausreiche, um die gesamte Unionsmarke zu Fall zu bringen, ist das noch
zu kurz gesprungen. Widerspruch kann auch aus einem Unternehmenskennzeichen, z.B. aus
einer Firma erhoben werden. Umso mehr ist es deshalb möglich, dass aus einem
133
Vgl. Leitsatz a) i.V.m. S. 6-8 im BGH-Urteil „Telekom“ (I ZR 79/01) vom 27.11.2003.
134
Laut einem Privatgutachten hatten 60% der befragten Personen den Firmenbestandteil „Telekom“ dem
Unternehmen der Klägerin als Bezeichnung zugeordnet. Diese (für Zeichen mit Verkehrsgeltung) „normale“
Kennzeichnungskraft reichte trotz Branchenidentität nicht aus, um eine Verwechslungsgefahr durch „01051
Telecom“ anzunehmen; vgl. Leitsatz b) i.V.m. S. 9-11 im BGH-Urteil „Telekom“ (I ZR 79/01) vom 27.11.2003.
135
Vgl. Leitsatz i.V.m. S. 5 ff. im BGH-Urteil „Star Entertainment“ (I ZR 318/02) vom 21.07.2005.
136
Vgl. DPMA-Grund 4. im Infoblatt „Sechs gute Gründe für eine nationale Markenanmeldung“.
EU-Mitgliedstaat, an dem der Anmelder gar nicht interessiert ist, Widerspruch erhoben und
dadurch die Eintragung der Unionsmarke entweder dauerhaft verhindert oder erheblich
verzögert wird. Wer nicht, z.B. als „global player“, wirklich (weitgehend) flächendeckend im
EU-Wirtschaftsraum markenmäßig unterwegs sein wird, fährt deshalb mglw. besser damit, im
beschleunigten DPMA-Verfahren eine nationale Marke anzumelden und darauf basierend in
ausgesuchten Ländern international registrieren zu lassen, ggf. nicht nur in ausgesuchten
EU-Mitgliedstaaten, sondern auch andernorts, z.B. im Nachbarland Schweiz oder ggf. nach
dem Brexit in Großbritannien. 137
Über die etwaigen Nachteile im EUIPO-Eintragungsverfahren hinaus, sind seit Kurzem auch
Nachteile bei der gerichtlichen Rechtsverfolgung zu berücksichtigen, wenn der Verletzer einer
Unionsmarke ausschließlich vom Ausland aus handelt und nicht in Deutschland. Ende 2017 hat
der BGH nämlich klargestellt, dass die internationale Zuständigkeit eines deutschen Gerichts
nicht damit begründet werden könne, dass Deutschland ein Ort der Verwirklichung des
Schadenserfolgs einer Markenrechtsverletzung sei. Nach der insoweit maßgeblichen
UMV-Vorschrift sei Anknüpfungspunkt für die internationale Zuständigkeit der
EU-Mitgliedstaat, „in dem eine Verletzungshandlung begangen worden ist oder droht“. Das
stelle auf ein aktives Verhalten des Verletzers ab und ziele auf den EU-Mitgliedstaat, in dem
sich der Vorfall, der der behaupteten Verletzung zugrunde liegt, ereignet habe oder zu ereignen
drohe, und nicht auf den EU-Mitgliedstaat, in dem die Verletzung ihre Wirkungen entfalte.
Biete ein Wirtschaftsteilnehmer auf seiner Internetseite, die sich an Abnehmer in anderen
EU-Mitgliedstaaten richte, unter Verletzung der Rechte aus einer Unionsmarke Waren zum
Kauf an, die auf dem Bildschirm betrachtet und über die Internetseite bestellt werden können,
sei für die internationale Zuständigkeit der Ort maßgeblich, an dem die Internetveröffentlichung
in Gang gesetzt worden sei, und nicht der Ort, an dem die Internetseite abgerufen werden könne.
Komme der Kontakt zu Abnehmern in anderen Mitgliedstaaten dadurch zustande, dass der
Händler Produkt- und Preislisten per E-Mail versende, sei der Ort des schadensbegründenden
Ereignisses der Ort, an dem die Versendung der E-Mail veranlasst werde. 138
137
Im beschleunigten DPMA-Verfahren erfolgt die Eintragung einer schutzfähigen Marke in weniger als sechs
Monaten nach der Anmeldung; vgl. DPMA-Antwort auf die Frage „Wie lange dauert das Eintragungsverfahren?“
Bestzeit des Autors: Eine Woche.
138
Vgl. Leitsatz b) i.V.m. Rn. 27 im BGH-Urteil „Parfummarken“ (I ZR 164/16) vom 09.11.2017. Wird also ein
Unionsmarkenrecht dadurch verletzt, dass im EU-Mitgliedstaat „A“ eine Ware verkauft und von dort aus geliefert
wird, und wird diese Ware anschließend durch den Erwerber im EU-Mitgliedstaat „B“ weiterverkauft, führt das
nicht zu einer internationalen Zuständigkeit der Gerichte des Mitgliedstaats „B“ für Klagen gegen den
ursprünglichen Verkäufer aus dem Mitgliedstaat „A“, der in dem Mitgliedstaat „B“ selbst keine Handlung
vorgenommen hat.
Wer trotzdem die Anmeldung einer Unionsmarke beim EUIPO bevorzugt, kann hierfür seit
einiger Zeit ebenfalls ein beschleunigtes Verfahren nutzen, wenn bestimmte Voraussetzungen
erfüllt sind. 139 Für eine Unionsmarkenanmeldung sollte aber auch berücksichtigt werden, was
das DPMA zur geringeren Störungsanfälligkeit der nationalen Marke (dem Prüfungsablauf
entsprechend) als Erstes nennt: Besteht in nur einem der 28 Mitgliedstaaten der EU ein
absolutes Eintragungshindernis, kann die Unionsmarke nicht eingetragen werden. Besteht die
Marke z.B. aus der Bezeichnung der Ware in der Amtssprache eines EU-Mitgliedstaats, wird
die Unionsmarkenanmeldung zurückgewiesen. 140 Die Sprachen aller EU-Mitgliedstaaten sind
bei Zeichen, die aus Wörtern bestehen oder solche beinhalten, aber nicht nur zur Vermeidung
eines absoluten Eintragungshindernisses zu berücksichtigen, sondern auch zur Vermeidung
einer ungewollten Negativaussage. 141
a) Formale Erfordernisse der Markenanmeldung beim DPMA
Gesetzlich gefordert sind für eine Markenanmeldung Angaben zur Identität des Anmelders,
eine Wiedergabe der Marke und ein Verzeichnis der Waren und/oder Dienstleistungen, für die
die Markeneintragung beantragt wird. 142 Das DPMA informiert über diese formalen
Erfordernisse in seinem Internetauftritt. 143 Dazu zwei Anmerkungen, weil der
Schutzgegenstand einer Registermarke festgelegt wird durch die Wiedergabe der Marke und
das Waren- und/oder Dienstleistungsverzeichnis:
aa) Wiedergabe der Marke ohne ®
Das DPMA weist darauf hin, dass ein ® der Markendarstellung nicht schon bei der Anmeldung
hinzugefügt werden sollte, da unter Umständen eine Zurückweisung wegen Täuschungsgefahr
in Betracht komme. 144 Hierzulande ist die Benutzung des Symbols ® nicht erforderlich, weder
zur Begründung des Rechts an einer eingetragenen Marke noch zu dessen Aufrechterhaltung.
139
Vgl. EUIPO-Info „Voraussetzungen für die Nutzung des Fast-Track-Verfahrens (beschleunigtes Verfahren)“.
Während das DPMA für den Antrag auf beschleunigte Prüfung einer nationalen Markenanmeldung eine
zusätzliche Gebühr von 200 € erhebt, ist „Fast Track“ ein kostenloser Dienst des EUIPO, der dazu geführt hat,
dass Veröffentlichungen solcher Unionsmarkenanmeldungen durchschnittlich innerhalb von sieben Tagen
erfolgen; vgl. EUIPO-Nachricht „Durchschnittlich sieben Tage für die Veröffentlichung einer Fast-Track-
Anmeldung“.
140
Vgl. EUIPO-Antwort auf Frage 1.18. „Wenn sich ein Eintragungshindernis nur auf einen Mitgliedstaat der
Europäischen Union bezieht, verhindert dies dann die gesamte Anmeldung?“
141
Vgl. dazu z.B. für die Autobranche: Wittich, Wenn Auto-Namen in die Hose gehen, „auto-motor-und-sport.de“-
Beitrag vom 21.03.2013.
142
Vgl. § 32 Abs. 2 MarkenG.
143
Vgl. DPMA-Info über „Erforderliche Angaben für eine Anmeldung“.
144
Vgl. Ziff. 4. bei der DPMA-Info „Fünf Punkte, die Sie wissen müssen“ zu „Markenformen und deren
Wiedergabe“. Seit Juni bzw. Juli 2016 stehen entsprechende Hinweise auch in den DPMA-Formularen „Antrag
auf Eintragung einer Marke in das Register“ (W 7005/3.18) und „Markenwiedergabe“ (W 7005.1/2.18).
Trotzdem gibt es viele Registermarken, deren grafische Wiedergaben dieses Symbol enthalten.
Bei DPMA-Anmeldungen sollte jedenfalls dann davon abgesehen werden, wenn man es mit
der Eintragung eilig hat. Andernfalls könnte etwas Zeit dadurch unnötig ins Land gehen, dass
das DPMA dem Anmelder einen Beanstandungsbescheid schickt, auf den entsprechend zu
reagieren wäre. 145
ab) Verzeichnis der Waren und/oder Dienstleistungen
Bei DPMA-Markenanmeldungen sind (bislang noch) in der Anmeldegebühr drei
Waren- und/oder Dienstleistungsklassen enthalten. 146 Das kann Anmelder dazu verleiten,
Markenschutz auch für Waren und/oder Dienstleistungen zu beantragen, die nicht zum
Kernbereich der unter der Anmeldemarke geplanten Geschäftstätigkeit gehören. Von dieser
„Mitnahmemöglichkeit“ sollte aber nur nach markenstrategischer Abwägung Gebrauch
gemacht werden.
Einerseits ist es sinnvoll, über den Tellerrand hinaus nicht nur auf die im Zeitpunkt der
Markenanmeldung unmittelbar interessierenden Waren und/oder Dienstleistungen zu gucken,
sondern auch auf denkbare Erweiterungen in der Zukunft. Dabei kann ein mehrjähriges
Zeitfenster deshalb ins Auge gefasst werden, weil nach der Eintragung einer DE-Marke eine
sog. Benutzungsschonfrist von fünf Jahren gilt, in der es zu keinem Rechtsnachteil führt, wenn
die Marke nicht oder noch nicht für alle darunter eingetragenen Waren und/oder
Dienstleistungen benutzt wird. 147 Wer also aktuell z.B. Bonbons herstellt, in zwei oder fünf
Jahren vielleicht aber auch Speiseeis anbieten möchte, sollte das bereits bei der aktuellen
Markenanmeldung berücksichtigen. 148 Eine spätere Erweiterung des einmal angemeldeten
Klassenverzeichnisses ist nicht möglich, sodass für anfangs nicht berücksichtigte Waren
und/oder Dienstleistungen eine Neuanmeldung erforderlich wäre. Bis dahin hat vielleicht aber
145
Vgl. dazu auch Tyra, „grill meister“ lässt grüßen …, XING-Beitrag vom 18.02.2015 in der Gruppe
„Markenstärke & Markenimage – Emotionalität von Marken“.
146
Das war unter Geltung der GMV auch so bei der Grundgebühr für Gemeinschaftsmarkenanmeldungen. Mit
Inkrafttreten der UMV am 23.03.2016 wurde dieses Gebührensystem aber auf eine „Zahlung pro Klasse“ geändert;
vgl. EUIPO-Info zu den geänderten „Gebühren“.
147
Die Benutzungsschonfrist ist der Zeitraum, der dem Markeninhaber zur Vorbereitung und Aufnahme der
Benutzung zur Verfügung steht. Dafür werden vom Gesetz fünf Jahre als ausreichend angesehen; vgl. Rn. 36 im
BGH-Beschluss „COHIBA“ (I ZB 100/05) vom 28.09.2006. In dieser Zeit kann der Markeninhaber gegenüber
Dritten sein Ausschließlichkeitsrecht in vollem Umfang geltend machen, auch wenn die Marke noch nicht benutzt
wird. Berechnet wird der Zeitraum grundsätzlich ab dem Tag der Eintragung; vgl. § 25 Abs. 1 MarkenG (ebenso
bei Unionsmarken; vgl. Art. 18 Abs. 1 UMV). An die Stelle des Eintragungstags tritt ggf. aber der Zeitpunkt des
Abschlusses des Widerspruchsverfahrens; vgl. § 26 Abs. 5 MarkenG.
148
Bsp. übernommen aus EUIPO-Info „Die Angabe der Waren und Dienstleistungen ist ein Balanceakt.“
schon ein Dritter diese oder eine ähnliche Marke in dem anfangs nicht berücksichtigten Bereich
angemeldet.
Andererseits vergrößert ein umfangreiches Klassenverzeichnis von Beginn an das Risiko,
mit älteren Rechten Dritter zu kollidieren, und nach Ablauf der Benutzungsschonfrist die
Möglichkeit von Rechtsnachteilen, wenn die Marke nicht oder nicht für alle darunter
eingetragenen Waren und/oder Dienstleistungen benutzt wird.
b) DPMA-Verfahren zur Eintragung in das Markenregister
Damit das DPMA sich inhaltlich mit der Markenanmeldung befasst, hat innerhalb von drei
Monaten ab dem Anmeldetag die Gebührenzahlung an das DPMA zu erfolgen. 149 Andernfalls
gilt die Markenanmeldung ganz oder teilweise als zurückgenommen. 150
Im Verfahren zur Eintragung einer Marke klärt das DPMA zunächst, ob alle erforderlichen
Angaben vorliegen. Die Markenstelle prüft dann, ob die angemeldete Marke wegen absoluter
Schutzhindernisse von der Eintragung ausgeschlossen ist. Dabei besteht selbst dann kein
Anspruch auf Eintragung, wenn eine solche oder ähnliche Marke bereits eingetragen wurde.
Die Entscheidung erfolgt in jedem Einzelfall allein auf Grundlage des MarkenG. Entspricht die
Anmeldung den gesetzlichen Anforderungen und liegt kein absolutes Schutzhindernis vor, trägt
das DPMA die Marke ins Register ein. 151 Erst dann darf das Zeichen mit dem Zusatz ® benutzt
werden. 152
Der Anmelder bzw. nunmehr Inhaber erhält eine Urkunde über die Markeneintragung, die kurz
darauf im elektronischen Markenblatt veröffentlicht wird. Inhaber von älteren Marken oder
geschäftlichen Bezeichnungen haben dann drei Monate lang die Möglichkeit, Widerspruch
gegen die Neueintragung einzulegen. Das kann dazu führen, dass die neu eingetragene Marke
ganz oder teilweise wieder gelöscht wird. 153
149
Die DPMA-„Gebühren für Markenschutzrechte“.
150
Als teilweise Zurücknahme der Markenanmeldung gilt es, wenn die sog. Klassengebühren, die bei einer
Anmeldung von mehr als drei Klassen anfallen, nicht oder nicht vollständig gezahlt werden. Bei vollständiger
Zurücknahmefiktion steht im DPMAregister als Verfahrensstand des Anmeldeverfahrens: „Anmeldung gilt als
zurückgenommen“.
151
Vgl. DPMA-Info zum „Weg Ihrer Marke ins Register“.
152
International tätige Unternehmen sollten auch den EUIPO-Hinweis für „Marken nach der Eintragung“
beachten: „Verwenden Sie Symbol ® nicht mit Marken, die nicht eingetragen sind; dies ist in einigen Ländern
eine Straftat.“
153
Vgl. DPMA-Info zum „Weg Ihrer Marke ins Register“.
c) Exkurs: UWG-Abmahngefahr
Es kann nach dem Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) als irreführende Werbung
mit einer Schutzrechtsberühmung angreifbar sein, ein Zeichen mit dem Zusatz ® zu verwenden,
ohne Inhaber dieser Marke oder einer Lizenz an dieser Marke zu sein. Der Verkehr entnimmt
dem Zusatz ® zu einem Zeichen regelmäßig den Hinweis, dass es eine Marke genau dieses
Inhalts gibt. 154 Er erwartet, dass dieses oder ein nur geringfügig abweichendes Zeichen für den
Verwender als Marke eingetragen ist oder, dass ihm der Markeninhaber eine Lizenz erteilt hat.
Wird dieser Eindruck der Wahrheit zuwider erweckt, liegt es auf der Hand, dass sich das
irreführend werbende Unternehmen hiervon einen Wettbewerbsvorteil verspricht. 155
6. Kostet die Veröffentlichung einer Markeneintragung etwas?
Diese mit „Nein.“ zu beantwortende Frage ist veranlasst, weil das DPMA im Zusammenhang
mit Schutzrechtsanmeldungen und -verlängerungen seit langem vor teilweise irreführenden
Angeboten, Zahlungsaufforderungen und Rechnungen warnt, die nicht vom DPMA stammen,
sondern von privaten Unternehmen. 156 Dabei bieten die Unternehmen (teilweise unter
behördenähnlicher Bezeichnung) die kostenpflichtige Veröffentlichung oder Eintragung von
Schutzrechten in nichtamtliche Register oder eine Verlängerung des Schutzrechts beim DPMA
an. Die Angebote, Zahlungsaufforderungen bzw. Rechnungen und Überweisungsträger dieser
Unternehmen erwecken teilweise den Anschein amtlicher Formulare. Gleiches gilt für das
EUIPO 157 und die WIPO 158 bezüglich der dort jeweils verwalteten Schutzrechte sowie für das
Justizportal des Bundes und der Länder 159 im Zusammenhang mit Onlinediensten und
Bekanntmachungen, z.B. handelsregister.de.
7. Gibt eine Markeneintragung (endgültige) Rechtssicherheit?
Auch diese Frage ist mit „Nein.“ zu beantworten. Im Anmeldeverfahren wird nicht geprüft, ob
ältere Kennzeichenrechte Dritter der Markeneintragung entgegenstehen. 160 In dem nach
Veröffentlichung der Markeneintragung möglichen DPMA-Widerspruchsverfahren kann
vielmehr von Dritten geltend gemacht werden, dass die Marke gelöscht werden muss wegen
154
Vgl. Rn. 26 im BGH-Beschluss „Dorzo“ (I ZB 6/16) vom 11.05.2017.
155
Vgl. Rn. 16 und 21 im BGH-Urteil „Thermoroll“ (I ZR 219/06) vom 26.02.2009.
156
Vgl. DPMA-„Warnung vor – teilweise irreführenden – Angeboten, Zahlungsaufforderungen und Rechnungen
im Zusammenhang mit Schutzrechtsanmeldungen und -verlängerungen“.
157
Vgl. EUIPO-Hinweis auf „Irreführende Rechnungen“.
158
Vgl. WIPO-„Warning – Requests for Payment of Fees“.
159
Vgl. Justizportal des Bundes und der Länder-Warnung „vor – teilweise irreführenden – Angeboten,
Zahlungsaufforderungen und Rechnungen, die nicht von Justizbehörden stammen“.
160
Vgl. DPMA-Info zum „Weg Ihrer Marke ins Register“.
erstens einer angemeldeten oder eingetragenen Marke mit älterem Zeitrang, zweitens einer
notorisch bekannten Marke mit älterem Zeitrang, drittens ihrer Eintragung für einen Agenten
oder Vertreter des Markeninhabers und viertens einer nicht eingetragenen Benutzungsmarke
mit älterem Zeitrang oder einer geschäftlichen Bezeichnung mit älterem Zeitrang. 161
Hinzu kommt, dass nach Ablauf der dreimonatigen DPMA-Widerspruchsfrist die Nichtigkeit
wegen älterer Rechte noch vor den ordentlichen Gerichten geltend gemacht werden kann und
nach Ablauf der Benutzungsschonfrist auch die Löschung wegen Verfalls. 162 Dabei kann die
Verfallslöschung von jeder Person geltend gemacht werden. 163
Darüber hinaus kann von jeder Person die Nichtigkeit wegen absoluter Schutzhindernisse bei
einer „Fehleintragung“ mit einem Löschungsantrag beim DPMA (mit Möglichkeit der
Beschwerde zum BPatG und ggf. noch der Rechtsbeschwerde zum BGH) geltend gemacht
werden. 164 Dabei gilt die zeitliche Begrenzung durch das Erfordernis der Antragstellung
„innerhalb von zehn Jahren seit dem Tag der Eintragung“ nicht einmal für alle
Schutzhindernisse, sondern nur für diejenigen des Fehlens jeglicher Unterscheidungskraft, des
Bestehens eines Freihaltebedürfnisses und der üblich gewordenen Bezeichnungen. 165
8. Kann ich zur Rechtssicherheit beitragen?
Hierzu ein klares „Ja.“ und den ehemaligen Hinweis der IHK München und Oberbayern: Wer
mit einem eigenen Unternehmensnamen oder Produktnamen auf den Markt kommen will oder
eine Marke eintragen lassen will, muss nach bereits eingetragenen Marken und sonstigen
geschützten Geschäftsbezeichnungen recherchieren. 166
161
Vgl. § 42 Abs. 2 MarkenG.
162
Vgl. § 51 Abs. 1 i.V.m. § 55 MarkenG zur Nichtigkeitslöschungsklage wegen älterer Rechte und § 49 Abs. 1
und 2 i.V.m. § 53 oder § 55 MarkenG zur Verfallslöschung entweder im DPMA-Verfahren oder im zivilrechtlichen
Klageverfahren. Absolute Eintragungshindernisse und ältere Kennzeichenrechte können auch gegen die
Unionsmarke noch nach deren Eintragung geltend gemacht werden, entweder beim EUIPO oder auf Widerklage
im Verletzungsverfahren; vgl. Art. 59 und Art. 60 UMV.
163
Vgl. § 55 Abs. 2 Nr. 1 ggf. i.V.m. § 53 Abs. 1 MarkenG.
164
Vgl. § 50 Abs. 1 i.V.m. § 54 Abs. 1 S. 2 MarkenG.
165
Vgl. § 50 Abs. 2 MarkenG.
166
Der Hinweis war im Internetauftritt der IHK München und Oberbayern ursprünglich unter
„muenchen.ihk.de/de/recht/markenrecht/marken-namen-und-logos-schuetzen/Recherche-fuer-Marken-
Geschmacksmuster-Patente“ abrufbar. In der zweiten Junihälfte 2016 wurde der IHK-Internetauftritt aber geändert
und der Hinweis dabei entfernt. Mit Stand von Anfang 2013 ist er nur noch über die sog. Internetzeitmaschine
unter „archive.org“ abrufbar.
a) Professionelle Verfügbarkeitsrecherche als Obliegenheit vor Zeichenbenutzung
und/oder Markenanmeldung
Recherchiert werden sollte bereits bei Unternehmensgründung vor Eintritt in den
geschäftlichen Verkehr. Dort ist nämlich kein Unternehmen namenlos unterwegs, sondern jedes
heißt irgendwie. Der Name, unter dem man im kaufmännischen Verkehr seine Geschäfte
betreibt, kann als Unternehmenskennzeichen rechtlich geschützt sein. Das gilt auch bei
Allerweltsnamen und bringt bei Unternehmensgründung stets das Risiko mit sich, dass es ein
so oder ähnlich heißendes Unternehmen in derselben oder einer ähnlichen Branche bereits gibt,
dessen Rechte verletzt werden können.
Zudem kann ein auf die Löschung einer neu eingetragenen Marke gerichteter Widerspruch beim
DPMA auf ältere Kennzeichenrechte Dritter gestützt werden. Bei Begründetheit des
Widerspruchs wird die Neueintragung wieder gelöscht, was jedoch nicht so schwer wiegt, weil
es letztlich „nur“ die Registerlage betrifft. 167 Schwerer wiegt demgegenüber der zivilrechtliche
Aspekt, der beim administrativen Verfahren einer Markenanmeldung immer mit zu
berücksichtigen ist: Aufgrund der Anmeldung eines Zeichens als Marke ist zu vermuten, dass
eine Benutzung des Zeichens für die eingetragenen Waren oder Dienstleistungen in naher
Zukunft bevorsteht, wenn keine konkreten Umstände vorliegen, die gegen eine solche
Benutzungsabsicht sprechen. 168
Das betrifft das Hauptproblem von Kennzeichenrechtsverletzungen, nämlich ihre
zivilrechtlichen Folgen, insbesondere die Ansprüche auf Unterlassung (der Benutzung des
eigenen Zeichens), Auskunft und Schadens- sowie Abmahnkostenersatz, ggf. auch auf
Warenrückruf/-vernichtung. Das ist in der Regel teurer als eine Vorabrecherche mit rechtlicher
Bewertung, insbesondere wenn das jüngere Zeichen bereits umfangreich benutzt wird, z.B. auf
Waren (inklusive Aufmachung und Verpackung), in Geschäftspapieren oder in der Werbung. 169
Dabei ist wegen der Kosten auch zu berücksichtigen, dass der BGH in 2017 seine
Rechtsprechung gefestigt hat, dass ein Unterlassungsschuldner nicht nur zum Unterlassen
weiterer Vertriebshandlungen verpflichtet ist, sondern zugleich dazu, aktiv Maßnahmen zu
ergreifen, die den Weitervertrieb der rechtsverletzend aufgemachten Produkte verhindern. Sind
also rechtsverletzend gekennzeichnete oder aufgemachte Produkte bereits weiter vertrieben
167
Ein Zeichen kann im geschäftlichen Verkehr auch als Marke benutzt werden, ohne als solche eingetragen zu
sein.
168
Vgl. Rn. 30 im BGH-Urteil „REAL-Chips“ (I ZR 71/12) vom 22.01.2014.
169
Für Unternehmensgründer, die in der Regel keine entsprechenden Rücklagen haben, kann das sogar bald schon
wieder das wirtschaftliche Aus bedeuten.
worden, beinhaltet die Unterlassungspflicht neben der Einstellung des weiteren Vertriebs
regelmäßig auch den Rückruf der bereits gelieferten Produkte. 170 Es kann also nicht nach dem
Motto „Was raus ist, ist raus.“ damit – im wahrsten Sinne des Wortes – gerechnet werden, dass
bereits in den Handel gelangte Ware abverkauft und dadurch das Kostenrisiko einer
Markenrechtsverletzung verringert werden kann.
Für IHK-Mitglieder kann es deshalb zwar nicht abschließend, aber zumindest für einen ersten
Überblick interessant sein, einmal bei der örtlichen IHK nachzufragen, ob ein Service, wie ihn
z.B. die IHK München und Oberbayern für Mitgliedsunternehmen kostenlos anbietet, auch dort
geboten wird: Recherchen nach identischen und ähnlichen Markeneintragungen in
Deutschland, der Schweiz, Europa (Unionsmarken) und international (IR-Marken). 171
Allerdings ersetzt solch ein Recherche-Service ggf. nicht die kennzeichenrechtliche
Fachberatung.
Noch weniger kann diese durch eigene Online-Recherchen ersetzt werden, selbst wenn
heutzutage die Online-Markenregister von DPMA 172 , EUIPO 173 und WIPO 174 kostenlos zur
Verfügung stehen. Ergänzend ist festzuhalten, dass im Handels-/Vereins-/
Genossenschaftsregister eingetragene Bezeichnungen ebenfalls (weitgehend) kostenlos online
abrufbar sind. 175 Zudem stehen nicht im jeweiligen Register eingetragene Unternehmen in der
Regel in öffentlichen Telekommunikationsverzeichnissen und fallen dann bei einer
Internetsuche an. 176 Auch die für Deutschland relevantesten Domains können kostenlos
recherchiert werden, zumindest soweit es um deren Verfügbarkeit geht. 177 Dem
kennzeichenrechtlichen Laien helfen Online-Register zur eigenen Recherche aber allenfalls
zum Ausschluss oder zur Feststellung von „Volltreffern“, also bei (weitgehender) Identität im
170
Vgl. zuletzt Rn. 17-20 im BGH-Beschluss „Produkte zur Wundversorgung“ (I ZB 96/16) vom 11.10.2017.
171
Vgl. Antwort auf FAQ „Wie recherchiert man nach älteren Namens- und Markenrechten oder geschäftlichen
Bezeichnungen?“ bei der IHK-Info zu „Namen und Logos schützen“.
172
Im DPMAregister können alle Registermarken recherchiert werden, die in Deutschland wirken, inzwischen
auch IR-Marken mit EM-Benennung, die in allen EU-Mitgliedstaaten wirken und damit auch in Deutschland; vgl.
„Internationale Daten“ bei der DPMAregister-Hilfe zu Marken. Bei Fertigstellung der Erstauflage waren IR-
Marken nur mit DE-Benennung recherchierbar; vgl. dazu noch DPMAregister-Flyer mit „Stand Juli 2016“.
173
In der „eSearch plus“-Datenbank können Unionsmarken und IR-Marken mit EM-Benennung recherchiert
werden.
174
In der „Madrid Monitor“-Datenbank können alle IR-Marken recherchiert werden, also auch die mit DE-
und/oder EM-Benennung.
175
Im gemeinsamen Registerportal der Länder, wo die Handels-, Genossenschafts- und Partnerschaftsregister
sowie zum Teil die Vereinsregister aller Bundesländer und darüber hinaus die Registerbekanntmachungen
recherchierbar sind, sind die Recherche von Firmen und der Abruf von Registerbekanntmachungen kostenfrei.
176
Die Internetfassung solcher Verzeichnisse wird vermutlich von kaum einem Unternehmen abgewählt.
177
Z.B. über Portale von darauf spezialisierten Dienstleistern, wie etwa „Markonet“ der Schutz Marken Dienst
GmbH.
Zeichenvergleich und im Vergleich der Waren/Dienstleistungen bzw. Branchen. 178 Die
kennzeichenrechtliche Verwechslungsgefahr kann von Laien dagegen nicht beurteilt werden.
Soweit darüber hinaus bei Empfehlung einer sachgerechten Verfügbarkeitsrecherche
manchmal zu hören ist, man habe bereits im Internet geguckt und keine ältere Marke gefunden,
ist das allein unergiebig, weil Registermarken eine Benutzungsschonfrist von mehreren Jahren
genießen. In dieser Zeit kann der Markeninhaber all seine Ansprüche geltend machen, auch
ohne Benutzung – ohne die seine Marke aber auch nicht mit einer Internetsuchmaschine
gefunden wird. Die Nutzung einer Internetsuchmaschine kann deshalb zur Bestimmung des
Risikos einer Markenrechtsverletzung allenfalls der zweite Schritt sein, nämlich um kursorisch
zu prüfen, ob eine prioritätsältere Registermarke benutzt wird, soweit sie benutzungspflichtig
ist oder bald wird. Demgegenüber kann der erste Schritt zur Bestimmung des Risikos einer
kennzeichenrechtlichen Kollision nur sein, bei einem darauf spezialisierten Unternehmen eine
Verfügbarkeitsrecherche zu beauftragen oder beauftragen zu lassen und die
Rechercheergebnisse fachkundig beurteilen zu lassen, z.B. durch einen kennzeichenrechtlich
erfahrenen Rechtsanwalt. 179
b) Umfang einer Verfügbarkeitsrecherche
Die Verfügbarkeitsrecherche sollte nicht bei einem auf Markeneintragungen beschränkten
Umfang halt machen. 180 Für Unternehmensgründer steht in der Regel zunächst die Benutzung
ihres Unternehmenskennzeichens an (insbesondere als Firma), was bereits die Recherche nach
Firmen veranlasst und nach Domains. 181 Das ist zusätzlich auch veranlasst, wenn es um die
Anmeldung und Benutzung eines Zeichens als Marke geht. Wenn sich das oben zur ersten Frage
erwähnte wechselseitige Verletzungsrisiko für Marken und Unternehmenskennzeichen
realisiert, kann das zivilrechtlich verfolgt werden. Zudem können gegen Neueintragungen im
178
Für Laien eignen sich Online-Register zudem nur zur Recherche nach Wörtern oder Wortbestandteilen und
nicht auch für Bildbestandteile von Marken. Um solche und reine Bildmarken suchen zu können, muss man die
„Wiener Klassifikation“ kennen; vgl. DPMA-Info zur „Klassifikation der Abbildungen von Marken“.
179
Ein solcher wird schon aus Haftungsgründen ein entsprechendes Vorgehen auch stets empfehlen, wohinter
Beratene aber manchmal nur ein Gebühreninteresse vermuten.
180
Insoweit ist der Recherche-Service der IHK München und Oberbayern ausbaufähig (Fn. 171). Trotz
Empfehlung, dass eine Recherche nicht nur Registermarken umfassen sollte, sondern auch geschäftliche
Bezeichnungen, sind diese nicht vom IHK-Service erfasst. Hierfür wird der Interessent vielmehr auf eigene
Internetrecherchen verwiesen.
181
Durch die Benutzung eines Domainnamens kann ein entsprechendes Unternehmenskennzeichen entstehen; vgl.
Leitsatz a) i.V.m. S. 6 f. im BGH-Urteil „soco.de“ (I ZR 135/01) vom 22.07.2004.
markenamtlichen Widerspruchsverfahren auch ältere geschäftliche Bezeichnungen geltend
gemacht werden, um die jüngere Markeneintragung zu versagen. 182
Sollte es dann auch noch um ein Logo gehen, könnte (je nach Grafik) die Empfehlung einer
Bildmarken-Recherche hinzukommen und vorsorglich sogar die einer Design-Recherche. Als
Design werden mitunter Logos eingetragen, die eigentlich Wort-/Bildmarken und oft auch
parallel als solche eingetragen sind. Entsprechende Design-Schutzrechte können ebenfalls der
Eintragung von Marken entgegengehalten werden, hierzulande zwar nicht im
DPMA-Widerspruchsverfahren, wohl aber mit einer Nichtigkeitslöschungsklage vor den
ordentlichen Gerichten. 183
Berücksichtigt werden sollte darüber hinaus die Farbmarke, insbesondere wenn es um die Wahl
der „Hausfarbe“ eines Unternehmens geht.
9. Wovor schützen Marken und Unternehmenskennzeichen?
Der Erwerb von Markenschutz und von Unternehmenskennzeichenschutz gewähren dem
Inhaber jeweils ein ausschließliches Recht. 184 Dabei geht es jeweils um Identitäts-,
Verwechslungs- und Bekanntheitsschutz.
a) Identitätsschutz
Während für Marken der Identitätsschutz gesondert geregelt ist, ist er bei
Unternehmenskennzeichen von dem Tatbestand zum Verwechslungsschutz umfasst. 185
aa) Identitätsschutz für Marken
Nach der hierfür maßgeblichen gesetzlichen Regelung ist es Dritten untersagt, ohne
Zustimmung des Markeninhabers im geschäftlichen Verkehr ein mit der Marke identisches
Zeichen für Waren oder Dienstleistungen zu benutzen, die mit denjenigen identisch sind, für
182
Was seit jeher im Unionsmarkensystem gilt, ist seit Oktober 2009 auch beim DPMA möglich; vgl. DPMA-
„Informationen zu Widersprüchen aus nicht registrierten Kennzeichenrechten und zum Sonderschutz einer
bekannten Marke“.
183
Vgl. §§ 51 Abs. 1, 13 Abs. 2 Nr. 6 i.V.m. § 55 MarkenG.
184
Vgl. §§ 14 Abs. 1, 15 Abs. 1 MarkenG.
185
Vgl. für Marken § 14 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG bzw. § 9 Abs. 1 Nr. 1 MarkenG, wenn es um das relative
Schutzhindernis im Markeneintragungsverfahren geht, und für Unternehmenskennzeichen § 15 Abs. 2 MarkenG,
der die Zeichenidentität mit der Formulierung „die geschäftliche Bezeichnung“ in Bezug nimmt.
die die Marke Schutz genießt. 186 Es geht mithin um die sog. Doppelidentität, also die jeweilige
Identität zum einen der miteinander zu vergleichenden Zeichen und zum anderen der
miteinander zu vergleichenden Waren oder Dienstleistungen.
Dabei setzt die Zeichenidentität grundsätzlich eine vollständige Übereinstimmung der
Vergleichszeichen voraus. Unschädlich sind aber so geringfügige Unterschiede zwischen den
Zeichen, dass sie einem Durchschnittsverbraucher entgehen können. Heutzutage gilt das etwa
für unterschiedliche Groß- und Kleinschreibung, z.B. von „ROLEX“ und „Rolex“ 187 , nicht aber
für Unterschiede in der Zusammen- oder Getrenntschreibung und deutliche Unterschiede in der
graphischen Gestaltung, z.B. „Kinderstube“ und „Kinder STUBE“ 188 .
Bei schwarz-weißen Marken wird der Identitätsbereich durch die Marke in der eingetragenen
schwarz-weißen Form bestimmt. Deshalb ist eine schwarz-weiße Marke nicht mit demselben
Zeichen in Farbe identisch, sofern die Farbunterschiede nicht unbedeutend sind, wie z.B. beim
Vergleich dieser beiden Zeichen angenommen: 189
Beim ebenfalls anzustellenden Vergleich der jeweiligen Waren oder Dienstleistungen besteht
Identität auch dann, wenn ein (ggf. recht weiter) Oberbegriff eine bestimmte Ware oder
Dienstleistung erfasst, wie z.B. im Warenbereich bei „pharmazeutische Erzeugnisse“ und
„Humanarzneimittel, nämlich Magen-Darm-Präparate“ 190 sowie „alkoholische Getränke
(ausgenommen Biere)“ und „Spirituosen mexikanischer Herkunft, nämlich Tequila“ 191 oder im
Dienstleistungsbereich bei „Erziehung“ und „Vermittlung erzieherischen Wissens durch
186
Vgl. § 14 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG. Zudem kann unter den entsprechenden Voraussetzungen nach § 9 Abs. 1 Nr.
1 MarkenG die Eintragung einer Marke gelöscht werden.
187
Vgl. Leitsatz c) i.V.m. Rn. 21 f. im BGH-Urteil „Uhrenankauf im Internet“ (I ZR 188/13) vom 12.03.2015.
Unterschiedliche Groß- und Kleinschreibung führte früher aus der Zeichenidentität heraus und begründete „nur“
eine (ggf. hochgradige) Zeichenähnlichkeit, z.B. bei „POWER BALL“ und „power ball“ bzw. „Powerball“; vgl.
Rn. 19 i.V.m. Rn. 32 im BGH-Urteil „POWER BALL“ (I ZR 51/08) vom 04.02.2010.
188
Vgl. Leitsatz e) i.V.m. Rn. 61 im BGH-Urteil „Kinderstube“ (I ZR 254/14) vom 28.04.2016.
189
Vgl. Leitsatz a) i.V.m. Rn. 15-17 im BGH-Urteil „BMW-Emblem“ (I ZR 153/14) vom 12.03.2015.
190
Vgl. Rn. 14 im BGH-Beschluss „Pantogast“ (I ZB 55/05) vom 29.05.2008.
191
Vgl. Rn. 11 im BGH-Beschluss „SIERRA ANTIGUO“ (I ZB 61/07) vom 03.04.2008.
Beratung und Information über Erziehung“ 192 sowie „Telekommunikation“ und „Übermittlung
von Nachrichten“ 193 oder „Transportwesen“ und „Personentransport einschließlich des
öffentlichen Personennahverkehrs mit Bussen“ 194 .
Voraussetzung für eine doppelidentische Markenrechtsverletzung ist zudem, dass die
Benutzung des angegriffenen Zeichens eine der Funktionen der älteren Marke beeinträchtigt
oder beeinträchtigen kann. Zu den insoweit geschützten Funktionen der Marke gehören neben
der Gewährleistung der betrieblichen Herkunft als Hauptfunktion auch ihre anderen
Funktionen, wie u.a. die Gewährleistung der Qualität der mit ihr gekennzeichneten Ware oder
Dienstleistung oder die Kommunikations-, Investitions- oder Werbefunktion. Dieser Schutz ist
somit weiter als derjenige vor Verwechslungsgefahr, der die Möglichkeit einer
Beeinträchtigung der Hauptfunktion der Marke voraussetzt. Kann aber die Benutzung des mit
der Marke identischen Zeichens keine der Funktionen der Marke beeinträchtigen, kann ihr der
Markeninhaber auf der Grundlage von Identitätsschutz nicht entgegentreten. 195 Wann eine
solche Funktionsbeeinträchtigung vorliegen kann, wird hier mit Rücksicht darauf nicht vertieft,
dass dieses Buch lediglich in Grundzügen die Sensibilisierung für kennzeichenrechtliche
Kollisionen bezweckt. 196
ab) Identitätsschutz für Unternehmenskennzeichen
Nach der hierfür maßgeblichen gesetzlichen Regelung ist es Dritten untersagt, die geschäftliche
Bezeichnung oder ein ähnliches Zeichen im geschäftlichen Verkehr unbefugt in einer Weise zu
benutzen, die geeignet ist, Verwechslungen mit der geschützten Bezeichnung hervorzurufen. 197
Dabei sind Fälle der Zeichenidentität durch die Formulierung „die geschäftliche Bezeichnung“
erfasst. Der Identitätsschutz ist aber (anders als bei der Marke) nicht absolut. Verlangt wird
vielmehr auch insoweit (wie bei der Benutzung eines ähnlichen Zeichens), dass eine
Verwechslungsgefahr besteht.
Die Identität der Zeichen beurteilt sich hier zwar nicht grundsätzlich anders als bei Marken. So
führen auch bei Unternehmenskennzeichen heutzutage Unterschiede in der Groß- oder
192
Vgl. Leitsatz c) i.V.m. Rn. 48 im BGH-Urteil „Kinderstube“ (I ZR 254/14) vom 28.04.2016.
193
Vgl. Rn. 64 im BGH-Urteil „airdsl“ (I ZR 231/06) vom 14.05.2009.
194
Vgl. Rn. 45 im BGH-Urteil „METROBUS“ (I ZR 167/06) vom 05.02.2009.
195
Vgl. Rn. 11 im BGH-Urteil „GROSSE INSPEKTION FÜR ALLE“ (I ZR 33/10) vom 14.04.2011.
196
Zudem konnte der BGH noch nicht alle Fragen klären, die dadurch aufgeworfen sind, dass der EuGH in 2009
die Multifunktionalität einer Marke anerkannt hat (vgl. Fn. 21).
197
Vgl. § 15 Abs. 2 MarkenG.
Kleinschreibung noch nicht aus dem Identitätsbereich hinaus, wie z.B bei „ConText“ und
„Context“. 198 Bei der Prüfung der Zeichenidentität oder -ähnlichkeit als eine Voraussetzung
von Verwechslungsgefahr sind aber mehrteilige Marken jeweils als Ganzes miteinander zu
vergleichen 199 , wohingegen bei mehrteiligen Unternehmenskennzeichen ggf. auf den Teil des
gesamten Zeichens abzustellen ist, der gesonderten kennzeichenrechtlichen Schutz genießt. 200
Diesem unterschiedlichen Ansatz liegen die Annahmen zu Grunde, dass im Normalfall der
Durchschnittsverbraucher eine Marke als Ganzes wahrnehme, wohingegen der Verkehr dazu
neige, längere Firmenbezeichnungen auf den (ggf. allein) unterscheidungskräftigen Bestandteil
zu verkürzen. Damit korrespondierend war oben zur zweiten Frage schon auf die Besonderheit
hinzuweisen, dass an einem Firmenschlagwort ein Unternehmenskennzeichenrecht entstehen
kann. Die praktische Bedeutung soll nun das Beispiel veranschaulichen, dass auf dieser Basis
aus „ConText Communication“ vorgegangen werden konnte gegen die „Context Gesellschaft
für Sprachen- und Mediendienste mbH“. 201
Soweit darüber hinaus auch der Identitätsschutz für Unternehmenskennzeichen voraussetzt,
dass eine Verwechslungsgefahr besteht, entspricht das dem Tatbestand des
Verwechslungsschutzes für Marken. 202 Dazu sogleich.
b) Verwechslungsschutz
Nach der für den markenrechtlichen Verwechslungsschutz maßgeblichen gesetzlichen
Regelung ist es Dritten untersagt, ein Zeichen zu benutzen, wenn wegen der Identität oder
Ähnlichkeit des Zeichens mit der Marke und der Identität oder Ähnlichkeit der durch die Marke
und das Zeichen erfassten Waren oder Dienstleistungen für das Publikum die Gefahr von
Verwechslungen besteht, einschließlich der Gefahr, dass das Zeichen mit der Marke gedanklich
in Verbindung gebracht wird. 203
198
Vgl. Rn. 30 f. im BGH-Urteil „ConText“ (I ZR 50/14) vom 05.11.2015.
199
Vgl. Rn. 50 im BGH-Urteil „Culinaria/Villa Culinaria” (I ZR 85/11) vom 05.12.2012.
200
Vgl. Rn. 28 im BGH-Urteil „ConText“ (I ZR 50/14) vom 05.11.2015.
201
Vgl. Rn. 17 ff. im BGH-Urteil „ConText“ (I ZR 50/14) vom 05.11.2015.
202
Abzuwarten bleibt, ob die bei Marken erfolgte Ausweitung des Identitätsschutzes auch auf andere Funktionen
als der Herkunftsfunktion (vgl. Fn. 21) beim Unternehmenskennzeichenschutz noch nachvollzogen wird, obwohl
dieser auf autonomem nationalen Recht gründet und nicht auf der MRRL.
203
Vgl. § 14 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG. Zudem kann unter den entsprechenden Voraussetzungen nach § 9 Abs. 1 Nr.
2 MarkenG die Eintragung einer Marke gelöscht werden.
a) Arten der Verwechslungsgefahr
Soweit im Ergebnis für das Publikum die Gefahr von Verwechslungen bestehen muss, schließt
das die Gefahr des gedanklichen Inverbindungbringens ein. Das ist keine Alternative zur
Verwechslungsgefahr, sondern nur eine genauere Bestimmung ihres Umfangs. 204 Abhängig
vom Grad der Verwechslungsgefahr kann deshalb entweder eine unmittelbare
Verwechslungsgefahr vorliegen oder eine Gefahr des gedanklichen Inverbindungbringens.
Dabei besteht unmittelbare Verwechslungsgefahr, wenn der angesprochene Verkehr das
angegriffene Zeichen für das Angriffszeichen hält. 205
Ist eine unmittelbare Verwechslungsgefahr nicht festzustellen, kann eine Gefahr des
gedanklichen Inverbindungbringens unter verschiedenen Aspekten in Betracht kommen.
Mit Rücksicht darauf, dass dieses Buch lediglich in Grundzügen die Sensibilisierung für
kennzeichenrechtliche Kollisionen bezweckt, werden davon hier nur die beiden Fallgruppen
erwähnt, die – soweit ersichtlich – am häufigsten Gegenstand der jüngeren
BGH-Rechtsprechung waren, nämlich Serienzeichen und Kombinationszeichen mit
selbstständig kennzeichnendem Bestandteil.
Die Verwechslungsgefahr unter dem Aspekt des Serienzeichens hat unter dem Begriff des
gedanklichen Inverbindungbringens Eingang in die MRRL und das MarkenG gefunden. 206
Sie liegt vor, wenn miteinander nicht verwechselbare Zeichen in einem Bestandteil
übereinstimmen, den der Verkehr als Stamm mehrerer Zeichen eines Unternehmens ansieht
und deshalb die nachfolgenden Bezeichnungen mit wesensgleichem Stamm demselben Inhaber
zuordnet. Dabei setzt das Vorliegen einer Zeichenserie die Benutzung mehrerer Marken mit
einem gemeinsamen Stammbestandteil voraus, damit die angesprochenen Verkehrskreise das
gemeinsame Element kennen und mit der Zeichenserie in Verbindung bringen. 207
Eine Verwechslungsgefahr im weiteren Sinne kann zudem unter dem Gesichtspunkt einer
selbstständig kennzeichnenden Stellung eines übereinstimmenden Zeichenbestandteils
bestehen. Das setzt voraus, dass ein mit der älteren Marke übereinstimmender Bestandteil
identisch oder ähnlich in eine komplexe Marke aufgenommen wird, in der er neben einem
204
Vgl. BGH-Urteil „ECCO II“ (I ZB 36/95) vom 02.07.1998 (GRUR 1998, 1014, 1015).
205
Vgl. Rn. 43 im BGH-Urteil „Bounty“ (I ZR 23/14) vom 21.10.2015.
206
Vgl. Rn. 40 im BGH-Urteil „MIXI” (I ZR 142/07) vom 19.11.2009.
207
Vgl. Rn. 40 im BGH-Urteil „VOLKSWAGEN/Volks.Inspektion“ (I ZR 214/11) vom 11.04.2013 unter Aufgabe
der früheren Annahme, dass ausnahmsweise auch in einem erstmalig verwendeten Zeichen ein Stammzeichen
gesehen werden könne.
Unternehmenskennzeichen oder Serienzeichen eine selbstständig kennzeichnende Stellung
behält. Zudem muss wegen der Übereinstimmung dieses Bestandteils mit der älteren Marke bei
den angesprochenen Verkehrskreisen der Eindruck hervorgerufen werden, dass die fraglichen
Waren oder Dienstleistungen aus wirtschaftlich miteinander verbundenen Unternehmen
stammen. 208 Zugleich setzt das voraus, dass der Verkehr aufgrund besonderer Umstände
überhaupt Veranlassung hat, dass zusammengesetzte Zeichen zergliedernd und nicht als
einheitliche Bezeichnung aufzufassen. 209 Ist die Kennzeichnungskraft der älteren
(Angriffs-)Marke unterdurchschnittlich, sind strenge Anforderungen an das Vorliegen einer
Verwechslungsgefahr im weiteren Sinne zu stellen. 210
bb) Beurteilungsmaßstab
Ob eine Verwechslungsgefahr vorliegt, ist eine Rechtsfrage. 211 Deshalb ist nicht etwa die
Tatsachenfrage maßgeblich, ob die beteiligten Verkehrskreise wirklich einer Verwechslung
unterliegen. Vielmehr ist die rein rechtliche Beurteilung der Verwechslungsgefahr unter
Berücksichtigung aller relevanten Umstände des Einzelfalls vorzunehmen. Dabei besteht eine
Wechselwirkung zwischen den in Betracht zu ziehenden Faktoren, insbesondere der Identität
oder Ähnlichkeit der Zeichen und der Identität oder Ähnlichkeit der mit ihnen
gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen sowie der Kennzeichnungskraft der älteren
(Angriffs-)Marke. Deshalb kann ein geringerer Grad der Ähnlichkeit der Waren oder
Dienstleistungen durch einen höheren Grad der Ähnlichkeit der Zeichen oder durch eine
erhöhte Kennzeichnungskraft der älteren Marke ausgeglichen werden und umgekehrt. 212
(1) Zeichenähnlichkeit
Um die Verwechslungsgefahr beurteilen zu können, muss u.a. festgestellt werden, ob und
inwieweit Ähnlichkeit zwischen den einander gegenüberstehenden Zeichen besteht.
Abzustellen ist dabei auf die eingetragene Form der Angriffsmarke und die konkrete Fassung
des Kollisionszeichens. 213 Das Ergebnis dieser Prüfung kann von Zeichenunähnlichkeit über
208
Vgl. Rn. 43 im BGH-Beschluss „OXFORD/Oxford Club“ (I ZB 45/16) vom 09.11.2017.
209
Vgl. Rn. 26 im BGH-Beschluss „Maalox/Melox-GRY“ (I ZB 52/09) vom 01.06.2011.
210
Vgl. Rn. 43 im BGH-Beschluss „OXFORD/Oxford Club“ (I ZB 45/16) vom 09.11.2017.
211
Vgl. Rn. 40 im BGH-Urteil „Bounty“ (I ZR 23/14) vom 21.10.2015.
212
Vgl. Rn. 9 im BGH-Beschluss „OXFORD/Oxford Club“ (I ZB 45/16) vom 09.11.2017. Beim
Verwechslungsschutz für Unternehmenskennzeichen besteht eine entsprechende Wechselwirkung zwischen dem
Ähnlichkeitsgrad der einander gegenüberstehenden Bezeichnungen, der Kennzeichnungskraft des Kennzeichens
des Klägers und der Nähe der Unternehmensbereiche; vgl. Rn. 23 im BGH-Urteil „ConText“ (I ZR 50/14) vom
05.11.2015.
213
Vgl. Rn. 31 im BGH-Urteil „VOLKSWAGEN/Volks.Inspektion“ (I ZR 214/11) vom 11.04.2013.
Zeichenähnlichkeit bis zu Zeichenidentität reichen. 214 Fehlt es an Zeichenähnlichkeit scheidet
ein Verwechslungsschutz aus. 215 Liegt dagegen Zeichenähnlichkeit vor, ist deren Grad genauer
zu bestimmen. Dabei kann zwischen sehr hoher (weit überdurchschnittlicher), hoher
(überdurchschnittlicher), normaler (durchschnittlicher), geringer (unterdurchschnittlicher) und
sehr geringer (weit unterdurchschnittlicher) Zeichenähnlichkeit unterschieden werden. 216
Jedoch kann eine Zeichenähnlichkeit allein im Hinblick auf eine Übereinstimmung in
schutzunfähigen Bestandteilen nicht angenommen werden. 217 Dieser Grundsatz beruht auf der
Erwägung, dass einer Klage- oder Widerspruchsmarke allein aus schutzunfähigen
Bestandteilen kein Schutz erwachsen darf. 218 Dementsprechend kann z.B. eine
Übereinstimmung in einem beschreibenden Zeichenbestandteil eine Verwechslungsgefahr
nicht begründen. Vielmehr haben beschreibende Bestandteile beim Zeichenvergleich
grundsätzlich außer Betracht zu bleiben. 219
Dabei ist die Ähnlichkeit der Vergleichszeichen nach deren Ähnlichkeit im (Schrift-)Bild, im
Klang und im Bedeutungs- oder Sinngehalt zu beurteilen, weil Marken auf die mit ihnen
angesprochenen Verkehrskreise in bildlicher, klanglicher und begrifflicher Hinsicht wirken
können. Dabei genügt für die Bejahung der Zeichenähnlichkeit regelmäßig bereits die
Ähnlichkeit in einem der genannten Wahrnehmungsbereiche. 220 Es reicht daher, wenn die
Zeichen einander entweder im (Schrift-)Bild oder im Klang oder in der Bedeutung ähnlich sind.
Allerdings kann eine (schrift-)bildliche und/oder klangliche Ähnlichkeit ausnahmsweise zu
verneinen sein, wenn zumindest eines der Vergleichszeichen einen klar erkennbaren
eindeutigen Sinngehalt hat. Dies setzt jedoch einen die Zeichen unterscheidenden, ohne
Weiteres erkennbaren konkreten Begriffsinhalt voraus, wofür es nicht ausreicht, wenn ein
Sinngehalt sich erst nach analytischer Betrachtung ergibt. 221 Offen ist, ob eine nach dem Klang
zu bejahende Identität oder Ähnlichkeit der Wortbestandteile auch durch Abweichungen im
214
Vgl. Rn. 49 im BGH-Urteil „IPS/ISP“ (I ZR 161/13) vom 05.03.2015.
215
Vgl. Rn. 32 im BGH-Urteil „Goldbären“ (I ZR 105/14) vom 23.09.2015.
216
Vgl. Rn. 49 im BGH-Urteil „IPS/ISP“ (I ZR 161/13) vom 05.03.2015.
217
Vgl. Rn. 37 im BGH-Beschluss „BioGourmet“ (I ZB 56/14) vom 14.01.2016.
218
Vgl. Rn. 18 im BGH-Beschluss „BSA/DSA DEUTSCHE SPORTMANAGEMENTAKADEMIE“ (I ZB 16/14)
vom 09.07.2015, wo aber auch klargestellt ist, dass dieser Grundsatz nicht uneingeschränkt gilt.
219
Vgl. Rn. 27 f. im BGH-Urteil „Medicon-Apotheke/MediCo Apotheke“ (I ZR 30/16) vom 02.03.2017.
220
Vgl. Rn. 24 im BGH-Urteil „BMW-Emblem“ (I ZR 153/14) vom 12.03.2015.
221
Vgl. Rn. 27 im BGH-Urteil „Medicon-Apotheke/MediCo Apotheke“ (I ZR 30/16) vom 02.03.2017. Zuvor war
in solchen Fällen vom „Neutralisieren“ bestehender Ähnlichkeiten die Rede, vgl. Rn. 32 im BGH-Urteil „Kappa“
(I ZR 31/09) vom 20.01.2011.
Bild in einem Maße neutralisiert werden kann, dass eine Zeichenähnlichkeit und damit eine
Verwechslungsgefahr ausscheidet. 222
Bei der umfassenden Beurteilung der Verwechslungsgefahr ist auf den durch die Zeichen
hervorgerufenen Gesamteindruck abzustellen, wobei insbesondere ihre
unterscheidungskräftigen und dominierenden Elemente zu berücksichtigen sind. 223 Der
Gesamteindruck ist deshalb maßgeblich, weil der Durchschnittsverbraucher eine Marke
regelmäßig als Ganzes wahrnimmt und nicht auf die verschiedenen Einzelheiten achtet. 224
Zudem ist davon auszugehen, dass der Verkehr die jeweiligen Zeichen regelmäßig nicht
gleichzeitig wahrnimmt und miteinander vergleicht. In einem dementsprechend undeutlichen
Erinnerungseindruck fallen dann die übereinstimmenden Merkmale stärker ins Gewicht als die
Unterschiede. Auch kann der Gesamteindruck in Fachkreisen anders ausfallen als bei
Endverbrauchern, etwa weil die Fachkreise eine größere Aufmerksamkeit bei der Erfassung der
Zeichen aufwenden und kleinere Unterschiede besser in Erinnerung behalten als die
Endverbraucher. 225
(2) Waren-/Dienstleistungsähnlichkeit
Für die Frage der Waren- oder Dienstleistungsähnlichkeit ist bei einer eingetragenen
(Angriffs-)Marke auf die Waren oder Dienstleistungen abzustellen, für die sie eingetragen
ist. 226 Eine Verwechslungsgefahr ist ausgeschlossen, wenn diese und die Waren oder
Dienstleistungen des angegriffenen Zeichens einander nicht ähnlich sind. Eine absolute
Unähnlichkeit der Waren oder Dienstleistungen kann selbst bei Identität der Zeichen nicht
durch eine erhöhte Kennzeichnungskraft der prioritätsälteren (Angriffs-)Marke ausgeglichen
werden. 227 Von einer solchen Unähnlichkeit kann nur ausgegangen werden, wenn trotz
(unterstellter) Identität der Zeichen die Annahme einer Verwechslungsgefahr wegen des
Abstandes der Waren oder Dienstleistungen von vornherein ausgeschlossen ist. 228
Bei der Beurteilung der Ähnlichkeit der Waren oder Dienstleistungen sind alle erheblichen
Faktoren zu berücksichtigen, die das Verhältnis zwischen den zu vergleichenden Waren oder
222
Vgl. Rn. 26 im BGH-Urteil „Duff Beer“ (I ZR 135/11) vom 05.12.2012, wo betont wird, dass dies zuvor im
„Kappa“-Urteil offengelassen wurde.
223
Vgl. Rn. 30 im BGH-Urteil „Culinaria/Villa Culinaria” (I ZR 85/11) vom 05.12.2012.
224
Vgl. Rn. 12 im BGH-Beschluss „Malteserkreuz II“ (I ZB 19/08) vom 25.02.2010.
225
Vgl. Rn. 23 und 29 im BGH-Urteil „IPS/ISP“ (I ZR 161/13) vom 05.03.2015.
226
Vgl. Rn. 28 im BGH-Urteil „Goldbären“ (I ZR 105/14) vom 23.09.2015.
227
Vgl. Rn. 10 im BGH-Beschluss „ZOOM/ZOOM“ (I ZB 77/13) vom 03.07.2014.
228
Vgl. Rn. 11 im BGH-Beschluss „OXFORD/Oxford Club“ (I ZB 45/16) vom 09.11.2017.
Dienstleistungen kennzeichnen. Das sind insbesondere die Art der Waren oder
Dienstleistungen, ihr Verwendungszweck und ihre Nutzung sowie die Eigenart als miteinander
konkurrierende oder einander ergänzende Waren oder Dienstleistungen. In die Beurteilung
einzubeziehen ist, ob die Waren oder Dienstleistungen regelmäßig von denselben Unternehmen
oder unter ihrer Kontrolle hergestellt oder erbracht werden oder ob sie beim Vertrieb
Berührungspunkte aufweisen. 229
Bei körperlichen Waren kann ein solcher Berührungspunkt sein, dass sie in denselben
Verkaufsstätten angeboten werden. 230 Dem kommt unter Umständen aber nur ein geringeres
Gewicht zu. So wird z.B. daraus, dass in einer Verkaufsstätte wie etwa einem
Schreibwarengeschäft sowohl Zeitschriften, Zeitungen oder Bücher als auch Kopierpapier
erworben werden können, nicht auf eine mögliche Herkunft der unterschiedlichen Waren aus
demselben Betrieb oder von miteinander verbundenen Herstellern geschlossen werden
können. 231 Eine größere Rolle kann da schon der Verwendungszweck von Waren spielen,
insbesondere bei solchen, die einander ergänzen. Für den Verkehr liegt im Allgemeinen die
Annahme nahe, dass sich ein Markeninhaber auch mit der Herstellung, dem Vertrieb oder der
Lizenzierung funktionell nahestehender Produkte befasst, um seine vorhandenen Erfahrungen,
Marktkenntnisse und Kundenbeziehungen weitergehend nutzen zu können. 232
Bei Dienstleistungen sind wegen der fehlenden Körperlichkeit in erster Linie deren Art und
Zweck, also der Nutzen für den Empfänger der Dienstleistungen, sowie die Vorstellung des
Verkehrs maßgeblich, dass die Dienstleistungen unter der gleichen Verantwortlichkeit erbracht
werden. 233
(3) Kennzeichnungskraft der älteren (Angriffs-)Marke
Dieser Faktor zur Beurteilung der Verwechslungsgefahr ist gesetzlich nicht geregelt, aber nach
ständiger Rechtsprechung für die Wechselbeziehung mit den beiden gesetzlichen
Voraussetzungen zu berücksichtigen. 234 Bei der Bestimmung der Kennzeichnungskraft einer
(Angriffs-)Marke sind alle relevanten Umstände zu berücksichtigen, zu denen insbesondere die
229
Vgl. Rn. 21 im BGH-Beschluss „BioGourmet“ (I ZB 56/14) vom 14.01.2016.
230
Vgl. Rn. 40 im BGH-Urteil „Gelbe Wörterbücher“ (I ZR 228/12) vom 18.09.2014.
231
Vgl. Rn. 28 im BGH-Beschluss „ZOOM/ZOOM“ (I ZB 77/13) vom 03.07.2014.
232
Vgl. Rn. 20 im BGH-Beschluss „ZOOM/ZOOM“ (I ZB 77/13) vom 03.07.2014.
233
Vgl. Rn. 11 im BGH-Beschluss „OXFORD/Oxford Club“ (I ZB 45/16) vom 09.11.2017.
234
Wie oben wiedergegeben, setzt der gesetzliche Wortlaut voraus, dass wegen der „Identität oder Ähnlichkeit des
Zeichens mit der Marke“ und der „Identität oder Ähnlichkeit der durch die Marke und das Zeichen erfassten Waren
oder Dienstleistungen“ eine Verwechslungsgefahr besteht.
Eigenschaften, die die Marke von Haus aus besitzt, der von der Marke gehaltene Marktanteil,
die Intensität, die geografische Verbreitung und die Dauer der Benutzung der Marke, der
Werbeaufwand des Unternehmens für eine Marke und der Teil der beteiligten Verkehrskreise
gehören, die die Waren oder Dienstleistungen aufgrund der Marke als von einem bestimmten
Unternehmen stammend erkennen. 235
Insoweit wird die originäre Kennzeichnungskraft bestimmt durch die Eignung der Marke, sich
unabhängig von der jeweiligen Benutzungslage als Unterscheidungsmittel für die Waren oder
Dienstleistungen eines Unternehmens bei den beteiligten Verkehrskreisen einzuprägen und die
Waren oder Dienstleistungen damit von denjenigen anderer Unternehmen zu unterscheiden. 236
Liegen keine konkreten Anhaltspunkte vor, die für eine hohe oder geringe Kennzeichnungskraft
sprechen, ist von normaler oder – was dem entspricht – durchschnittlicher Kennzeichnungskraft
auszugehen. 237 Marken, die über einen für die jeweiligen Waren oder Dienstleistungen
erkennbar beschreibenden Anklang verfügen, haben regelmäßig nur geringe originäre
Kennzeichnungskraft. 238 Sie kann durch umfangreiche und langjährige Benutzung gesteigert
werden. 239 Allerdings kann im Einzelfall angenommen werden, es handele sich um
naheliegende Markenbildungen mit geringer Kennzeichnungskraft, wenn für gleiche und
benachbarte Warengebiete eine Reihe ähnlicher Zeichen eingetragen ist, ohne dass der
Markeninhaber dagegen eingeschritten ist. Insoweit kommt es ebenfalls nicht auf die
Benutzungslage an, sondern darauf, ob die Drittmarken der älteren (Angriffs-)Marke so
nahekommen, dass der Registerstand einen Rückschluss auf deren Kennzeichnungsschwäche
erlaubt. 240
Die Kennzeichnungskraft der älteren (Angriffs-)Marke ist zwar bezogen auf die konkret unter
ihr eingetragenen Waren oder Dienstleistungen zu bestimmen. Das schließt aber nicht aus, dass
eine durch Benutzung gesteigerte Kennzeichnungskraft auch dann vorliegen kann, wenn das
betreffende Zeichen nicht nur als Marke benutzt wurde, sondern auch als
Unternehmenskennzeichen. Hierfür spricht, dass das Publikum in der Erinnerung nicht nach
der rechtlichen Art der Kennzeichen differenziert. Zudem gibt es Branchen, bei denen das
235
Vgl. Rn. 30 im BGH-Urteil „Stofffähnchen“ (I ZR 39/06) vom 05.11.2008.
236
Vgl. Rn. 31 im BGH-Beschluss „BioGourmet“ (I ZB 56/14) vom 14.01.2016.
237
Vgl. Rn. 10 im BGH-Beschluss „BSA/DSA DEUTSCHE SPORTMANAGEMENTAKADEMIE“ (I ZB 16/14)
vom 09.07.2015.
238
Vgl. Rn. 10 im BGH-Beschluss „ISET/ISETsolar“ (I ZB 2/14) vom 02.04.2015.
239
Vgl. Rn. 22 im BGH-Urteil „BMW-Emblem“ (I ZR 153/14) vom 12.03.2015.
240
Vgl. Rn. 30 im BGH-Beschluss „OXFORD/Oxford Club“ (I ZB 45/16) vom 09.11.2017.
Publikum daran gewöhnt ist, dass Unternehmenskennzeichen regelmäßig auch zur
Kennzeichnung der vom betreffenden Unternehmen angebotenen Waren oder Dienstleistungen
benutzt werden, z.B. bei großen Handelsketten. 241
c) Bekanntheitsschutz
Nach der hierfür maßgeblichen gesetzlichen Regelung ist es Dritten untersagt, ohne
Zustimmung des Markeninhabers im geschäftlichen Verkehr ein mit der Marke identisches
Zeichen oder ein ähnliches Zeichen für Waren oder Dienstleistungen zu benutzen, die nicht
denen ähnlich sind, für die die Marke Schutz genießt, wenn es sich bei der Marke um eine im
Inland bekannte Marke handelt und die Benutzung des Zeichens die Unterscheidungskraft oder
die Wertschätzung der bekannten Marke ohne rechtfertigenden Grund in unlauterer Weise
ausnutzt oder beeinträchtigt. 242 Die betreffende Vorschrift, deren Wortlaut die Unähnlichkeit
der zu vergleichenden Waren oder Dienstleistungen voraussetzt, ist bei Identität oder
Ähnlichkeit der Waren oder Dienstleistungen entsprechend anwendbar. 243
Der (erweiterte) Schutz einer bekannten Marke setzt nicht voraus, dass der Grad der Ähnlichkeit
zwischen der bekannten Marke und dem Kollisionszeichen so hoch ist, dass für die beteiligten
Verkehrskreise eine Verwechslungsgefahr besteht. Es genügt vielmehr ein bestimmter Grad der
Zeichenähnlichkeit, der bewirkt, dass die beteiligten Verkehrskreise einen Zusammenhang
zwischen den beiden Kennzeichen sehen, d.h. die beiden gedanklich miteinander verknüpfen,
ohne sie jedoch zu verwechseln. 244
Für den Bekanntheitsschutz ist zudem erforderlich, dass die Benutzung des jüngeren
(Kollisions-)Zeichens durch einen Dritten eine Funktion der älteren (Angriffs-)Marke
beeinträchtigt oder beeinträchtigen kann. Dabei genügt auch die Beeinträchtigung einer anderen
Funktion als der Herkunftsfunktion. Zu den weiteren Markenfunktionen gehören
u.a. die Gewährleistung der Qualität der mit ihr gekennzeichneten Ware oder Dienstleistung
sowie die Kommunikations-, Investitions- und Werbefunktion. 245
241
Vgl. Rn. 22 im BGH-Urteil „REAL-Chips“ (I ZR 71/12) vom 22.01.2014. Die BGH-Feststellung, dass das
Publikum in der Erinnerung nicht nach der rechtlichen Art der Kennzeichen differenziert, stützt zugleich die
hiesige Eingangsthese, dass im allgemeinen Sprachgebrauch alle Kennzeichnungen, die einem im geschäftlichen
Verkehr begegnen, immer eins sind: Marke.
242
Vgl. § 14 Abs. 2 Nr. 3 MarkenG. Zudem kann unter den entsprechenden Voraussetzungen nach § 9 Abs. 1 Nr.
3 MarkenG die Eintragung einer Marke gelöscht werden.
243
Vgl. Rn. 76 im BGH-Urteil „Sparkassen-Rot/Santander-Rot“ (I ZR 78/14) vom 23.09.2015.
244
Vgl. Rn. 29 im BGH-Urteil „Springender Pudel“ (I ZR 59/13) vom 02.04.2015.
245
Vgl. Rn. 80 im BGH-Urteil „Sparkassen-Rot/Santander-Rot“ (I ZR 78/14) vom 23.09.2015.
Von einer Ausnutzung der Unterscheidungskraft einer bekannten Marke ist auszugehen, wenn
ein Dritter durch Benutzung eines ähnlichen Zeichens versucht, sich in den Bereich der
Sogwirkung der bekannten Marke zu begeben, um von ihrer Anziehungskraft, ihrem Ruf und
ihrem Ansehen ohne jede finanzielle Gegenleistung und ohne eigene Anstrengungen zu
profitieren oder auf andere Weise an der Aufmerksamkeit teilzuhaben, die mit der Verwendung
eines der bekannten Marke ähnlichen Zeichens verbunden ist. 246
Von einer Beeinträchtigung der Unterscheidungskraft einer bekannten Marke ist auszugehen,
wenn die Eignung dieser Marke, als Hinweis auf die unter ihr eingetragenen und benutzten
Waren oder Dienstleistungen zu wirken, dadurch geschwächt wird, dass die Benutzung des
jüngeren Zeichens die Identität der älteren Marke und ihre Bekanntheit beim Publikum auflöst.
Das ist der Fall, wenn sich das wirtschaftliche Verhalten des Durchschnittsverbrauchers der
betreffenden Waren oder Dienstleistungen infolge der Benutzung des jüngeren Zeichens ändert
oder wenn jedenfalls die Gefahr einer künftigen Änderung des Verhaltens besteht. 247
Die Ausnutzung oder Beeinträchtigung der Unterscheidungskraft geschieht in unlauterer Weise
ohne rechtfertigenden Grund, wenn kein Grund für die Ausnutzung oder Beeinträchtigung der
Unterscheidungskraft der bekannten Marke gegeben ist. 248
10. Wo schützen diese Kennzeichenrechte?
Für Rechte an Marken und Unternehmenskennzeichen gilt das sog. Territorialitätsprinzip. 249
a) Wo schützen Marken?
Aufgrund des Territorialitätsprinzips ist der Schutz einer deutschen Marke auf das Gebiet der
Bundesrepublik Deutschland beschränkt. 250
246
Vgl. Rn. 38 im BGH-Urteil „Springender Pudel“ (I ZR 59/13) vom 02.04.2015.
247
Vgl. Rn. 60 im BGH-Urteil „VOLKSWAGEN/Volks.Inspektion“ (I ZR 214/11) vom 11.04.2013.
248
Vgl. Rn. 42 im BGH-Urteil „OTTO CAP“ (I ZR 49/12) vom 31.10.2013.
249
Deshalb sind, wenn man dort nicht ebenfalls geschäftstätig ist, Domain-Angebote aus Asien oder sonstigen
Gebieten uninteressant, die oft mit der Begründung an deutsche Unternehmen gerichtet werden, dass die durch
oder für einen Dritten registrierte Domain mit der Marke oder der Firma des Adressaten übereinstimme.
250
Vgl. Rn. 37 im BGH-Urteil „Resistograph“ (I ZR 134/16) vom 09.11.2017. Entsprechend ist der Schutz einer
Unionsmarke territorial beschränkt auf das Gebiet der EU-Mitgliedstaaten und derjenige einer IR-Marke auf die
benannten Länder/Regionen.
) Wo schützen Unternehmenskennzeichen?
Der Schutz eines von Haus aus unterscheidungskräftigen Unternehmenskennzeichens bezieht
sich regelmäßig auf das gesamte Bundesgebiet. 251 Dabei sind seit der Wiedervereinigung solche
Unternehmenskennzeichen, die keinen örtlichen oder regionalen Beschränkungen unterlagen,
auf das gesamte (neue) Bundesgebiet erstreckt und so zu behandeln, als hätte niemals eine
Trennung Deutschlands bestanden. 252
Bei nicht von Haus aus unterscheidungskräftigen Unternehmenskennzeichen und insbesondere
den Zeichen ohne Namensfunktion, deren Schutz erst mit Verkehrsgeltung entsteht, kommt es
demgegenüber auf das regionale Wirtschaftsgebiet an, in dem das Zeichen Verkehrsgeltung als
Kennzeichen des Geschäftsbetriebs hat. Insoweit kann die Verkehrsgeltung regional begrenzt
sein und Schutz durch ein Unternehmenskennzeichen nur in einem bestimmten abgrenzbaren
Wirtschaftsraum bestehen. 253 Dementsprechend ist der Schutzbereich von
Unternehmenskennzeichen, die im Zeitpunkt der Wiedervereinigung lediglich örtliche oder
regionale Bedeutung hatten, durch die Wiedervereinigung nicht auf die alten Bundesländer
erstreckt worden. 254
Eine räumliche Schutzbeschränkung gilt aber auch für von Haus aus unterscheidungskräftige
Bezeichnungen von solchen Unternehmen, die nach Zweck und Zuschnitt nur lokal oder
regional tätig und nicht auf Expansion angelegt sind. Deren Schutz ist auf das jeweilige
räumliche Tätigkeitsfeld beschränkt, z.B. auf ein bestimmtes Bundesland. 255 Insoweit lässt sich
ein räumlich unbeschränkter Schutz nicht allein damit begründen, dass ein Unternehmen einen
Internetauftritt betreibe. Trotz des ubiquitären Charakters des Internets kann nicht allein daraus,
dass ein lokal oder regional tätiges Unternehmen sich und sein Angebot im Internet darstellt,
darauf geschlossen werden, der räumliche Tätigkeitsbereich des Unternehmens werde
entsprechend auf das gesamte Bundesgebiet oder darüber hinaus ausgedehnt. Es ist weithin
üblich, dass sich Unternehmen, die sich auf einen bestimmten räumlichen Wirkungskreis
beschränkt haben, im Internet darstellen, ohne dass damit eine räumliche Ausweitung des
Tätigkeitsbereichs verbunden ist. 256 So weisen z.B. ein Handwerksbetrieb, ein Restaurant oder
251
Vgl. Rn. 29 im BGH-Urteil „Cambridge Institute“ (I ZR 49/04) vom 28.06.2007.
252
Vgl. Rn. 13 im BGH-Urteil „hufeland.de“ (I ZR 288/02) vom 23.06.2005.
253
Vgl. Rn. 8 im OLG Köln-Beschluss „4E“ (6 W 54/07) vom 07.05.2007.
254
Vgl. Rn. 15 in BGH-Urteil „hufeland.de“ (I ZR 288/02) vom 23.06.2005.
255
Vgl. Leitsatz a) i.V.m. Rn. 26-29 im BGH-Urteil „Cambridge Institute“ (I ZR 49/04) vom 28.06.2007, wo dem
Unternehmenskennzeichen einer Sprachschule ein über Bayern hinausreichender Schutz versagt wurde.
256
Vgl. Rn. 18 im BGH-Urteil „hufeland.de“ (I ZR 288/02) vom 23.06.2005.
ein Hotel, die sich auf einen bestimmten Wirkungskreis beschränkt haben, mit ihrer Präsenz im
Internet nicht notwendig darauf hin, dass diese Beschränkung in Zukunft wegfallen solle. 257
11. Wie lange schützen diese Kennzeichenrechte?
Während für eine Registermarke die Schutzdauer und die Verlängerungsmöglichkeit gesetzlich
geregelt sind, kommt es für das Erlöschen von Rechten an Unternehmenskennzeichen auf die
tatsächliche Benutzungslage an.
a) Wie lange schützen Marken?
Die Schutzdauer einer beim DPMA eingetragenen Marke beginnt mit dem Anmeldetag und
endet nach zehn Jahren am letzten Tag des Monats, der durch seine Benennung dem Monat
entspricht, in den der Anmeldetag fällt. Die Schutzdauer kann um jeweils zehn Jahre verlängert
werden. 258
b) Wie lange schützen Unternehmenskennzeichen?
Das Erlöschen des Schutzes an einer geschäftlichen Bezeichnung ist im MarkenG nicht
ausdrücklich geregelt. Ähnlich wie bei der Entstehung des Kennzeichenschutzes ist bei der
Beurteilung der Frage, wann der Kennzeichenschutz erlischt, darauf abzustellen, ob die
geschäftliche Bezeichnung noch in einer Art und Weise verwendet wird, die der Verkehr als
Hinweis auf ein bestimmtes Unternehmen ansieht. Schutzfähig ist nur die Bezeichnung eines
Unternehmens, unter der es sich am geschäftlichen Verkehr beteiligt. Dieser Schutz entfällt
mithin regelmäßig, wenn der Berechtigte entweder den Betrieb des von ihm geführten
Unternehmens aufgibt oder das Unternehmenskennzeichen in seiner charakteristischen
Eigenart ändert. Ausnahmsweise geht der Schutz des Unternehmenskennzeichens nicht
verloren, wenn der Geschäftsbetrieb nur zeitweise stillgelegt wird, jedoch in seinem für die
Wiedereröffnung wesentlichen Bestand erhalten bleibt und wenn die Absicht und die
257
Vgl. S. 8 im BGH-Urteil „soco.de“ (I ZR 135/01) vom 22.07.2004.
258
Vgl. § 47 Abs. 1 und 2 MarkenG. Ähnlich regelt Art. 52 UMV: „Die Dauer der Eintragung der Unionsmarke
beträgt zehn Jahre, gerechnet vom Tag der Anmeldung an. Die Eintragung kann gemäß Artikel 53 um jeweils zehn
Jahre verlängert werden.“ Für IR-Marken gilt entweder die 20-jährige Schutzdauer mit entsprechender
Verlängerungsmöglichkeit nach Art. 6 Abs. 1 und Art. 7 Abs. 1 des Madrider Abkommens über die internationale
Registrierung von Marken (MMA) oder die 10-jährige Schutzdauer mit entsprechender Verlängerungsmöglichkeit
nach Art. 6 Abs. 1 und Art. 7 Abs. 1 des Protokolls zum Madrider Abkommen über die internationale Registrierung
von Marken (PMMA). Dabei kann die Verlängerung aber auch bei einer Schutzdauer von 20 Jahren immer nur
für einen Zeitraum von 10 Jahren erfolgen; vgl. S. 2 im DPMA-„Merkblatt Die internationale Registrierung von
Marken über das Madrider System“.
Möglichkeit gegeben sind, ihn innerhalb eines solchen Zeitraums fortzusetzen, sodass die
Stilllegung noch als vorübergehende Unterbrechung erscheint. 259
Erforderlich für das Erlöschen eines Unternehmenskennzeichenrechts ist hiernach eine
dauerhafte Benutzungsaufgabe. Eine solche kann z.B. durch Umfirmierung 260 oder auch
dadurch erfolgen, dass die betreffende Bezeichnung nicht mehr zur Kennzeichnung eines
Geschäftsbetriebs verwendet wird, sondern nur noch als Marke. 261
Wann die (Ausnahme-) Voraussetzungen einer nur vorübergehenden Unterbrechung des
Geschäftsbetriebs gegeben sind, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab. Von Bedeutung
für die Beurteilung sind der Zeitraum, der Umfang und die Umstände der vorherigen
Verwendung der Kennzeichnung sowie die Dauer und der Grund der Unterbrechung. 262
Zudem endet bei Zeichen ohne Namensfunktion, deren Unternehmenskennzeichenschutz erst
mit Verkehrsgeltung entsteht, der Schutz mit dem Verlust der Verkehrsgeltung. 263
12. Wie kann ich mein Kennzeichenrecht verteidigen?
Die Verteidigung gegen Kennzeichenrechtsverletzungen beginnt nicht erst mit der Entdeckung
des Kollisionsfalls, sondern bereits mit Beginn der Zeichenbenutzung.
a) (Fremd-) Anmeldung als Marke
Wie oben zur siebten Frage erwähnt, kann gegen die neue Eintragung oder Anmeldung einer
Marke beim zuständigen Amt Widerspruch erhoben oder nach Ablauf der dreimonatigen
Widerspruchsfrist ein Nichtigkeitsantrag gestellt werden. 264 Zum gewünschten Ziel kann es
aber auch führen, rechtzeitig vor Ablauf der Widerspruchsfrist den Neuanmelder (ggf. über
dessen Vertreter, wenn einer im Markenregister steht) unter Hinweis auf das eigene ältere
Kennzeichenrecht zum (Teil-) Verzicht auf die Markeneintragung bzw. zur (Teil-)
259
Vgl. Rn. 29 im BGH-Urteil „Baumann“ (I ZR 93/12) vom 27.03.2013.
260
Vgl. S. 12 im BGH-Urteil „Seicom“ (I ZR 161/02) vom 24.02.2005.
261
Vgl. Rn. 30 im BGH-Urteil „Baumann“ (I ZR 93/12) vom 27.03.2013.
262
Vgl. S. 14 im BGH-Urteil „FROMMIA“ (I ZR 300/99) vom 02.05.2002.
263
Vgl. Rn. 33 im BGH-Urteil „Landgut Borsig“ (I ZR 188/09) vom 28.09.2011.
264
Während sich beim DPMA der Widerspruch gegen die bereits erfolgte Eintragung oder Schutzgewährung einer
Marke richtet und ggf. die Eintragung wieder gelöscht oder der Schutz verweigert wird, ist die Eintragung beim
EUIPO noch nicht erfolgt, sondern dem Widerspruchsverfahren nachgelagert. Dementsprechend bewirkt der
gegen eine Unionsmarkenanmeldung gerichtete Widerspruch ggf., dass die Eintragung gar nicht erst erfolgt. Beim
Widerspruch gegen eine IR-Marke mit EM-Benennung tritt die Schutzverweigerung an die Stelle der
Zurückweisung einer Unionsmarkenanmeldung.
Zurücknahme der Markenanmeldung aufzufordern und für den Fall, dass hierzu keine
Bereitschaft besteht, die Widerspruchserhebung in Aussicht zu stellen. Dabei ist ggf. eine Frist
zu setzen, die für den Fall der Weigerung noch genug Zeit lässt, um einen Widerspruch zu
erheben, wozu auch die rechtzeitige Zahlung der Widerspruchsgebühr an das jeweilige
Markenamt gehört.
b) Drohende Benutzung (sog. Erstbegehungsgefahr)
Gegen die drohende Benutzung eines rechtsverletzenden Kennzeichens kann unter dem
Gesichtspunkt einer sog. Erstbegehungsgefahr ein vorbeugender Unterlassungsanspruch per
Abmahnung geltend gemacht und ggf. gerichtlich weiterverfolgt werden. 265 Das ist
insbesondere bei Markenanmeldungen zu berücksichtigen. Aufgrund der Anmeldung eines
Zeichens als Marke ist zu vermuten, dass eine Benutzung des Zeichens für die eingetragenen
Waren oder Dienstleistungen in naher Zukunft bevorsteht, wenn keine konkreten Umstände
vorliegen, die gegen eine solche Benutzungsabsicht sprechen. In diesem Zusammenhang
kommt es nicht auf die Motivation bei der Markenanmeldung an. Deshalb ist es unerheblich,
ob es ggf. dem Markenanmelder allein darum ging, von den Registerinstanzen eine Bestätigung
für eine fehlende Unterscheidungskraft des angemeldeten Zeichens zu erhalten. Das sagt nichts
darüber aus, ob er nach Zurückweisung der Markenanmeldung das Zeichen im geschäftlichen
Verkehr benutzen wird. 266 Auch droht die Benutzung einer angemeldeten oder eingetragenen
Marke nicht erst am Ende der Benutzungsschonfrist. Vielmehr muss schon vorher damit
gerechnet werden, dass der Markeninhaber sein registriertes Recht durch eigene
Benutzungshandlungen oder durch Lizenzierung in Gebrauch nimmt. 267
Trotz dieser parallel zur Verfügung stehenden Möglichkeit zur zivilrechtlichen Reaktion auf
eine störende Neuanmeldung/-eintragung beschränken sich viele Markeninhaber auf die
Einlegung eines Widerspruchs im administrativen Verfahren beim zuständigen Markenamt.
Dem dürfte vermutlich oft zu Grunde liegen, dass die patent- oder rechtsanwaltlichen Vertreter
der Markeninhaber dies als kostengünstige Möglichkeit preisen, eine Entscheidung über den
265
Zudem kann bei berechtigter Abmahnung auch Ersatz der hierfür aufgewandten Kosten geltend gemacht
werden, in der Regel aber wohl nicht auch weitere Ansprüche, z.B. auf Schadensersatz. Ohne bereits erfolgte
Zeichenbenutzung ist ein etwaiger Schaden ohne Weiteres nicht denkbar.
266
Vgl. Rn. 30 f. im BGH-Urteil „REAL-Chips“ (I ZR 71/12) vom 22.01.2014. Diese BGH-Feststellung stützt
zugleich die hiesige These, dass ein Zeichen im geschäftlichen Verkehr auch als Marke benutzt werden kann, ohne
als solche eingetragen zu sein (Fn. 167).
267
Vgl. Rn. 70 im BGH-Urteil „METROBUS“ (I ZR 167/06) vom 05.02.2009 und zur Benutzungsschonfrist
hiesige Fn. 147.
geltend gemachten Markenschutz zu erreichen. 268 Einem Markeninhaber, der ernsthaft eine
Beeinträchtigung des Identitäts-, Verwechslungs- oder Bekanntheitsschutzes seiner Marke
befürchtet, kann das aber schon deshalb nicht reichen, weil das Widerspruchsverfahren
allenfalls Einfluss auf die Registerlage hat und zudem recht lange dauert. Wirtschaftlich
wahrnehmbare Störungen, die durch eine Benutzung des neuen Kollisionszeichens im
geschäftlichen Verkehr entstehen können, lassen sich dadurch jedoch nicht unterbinden, schon
gar nicht in der gebotenen Kürze der Zeit. Eine solche Benutzung als Marke oder nach Art einer
Marke ist vielmehr auch möglich, wenn die Neuanmeldung oder Neueintragung dem
markenamtlichen Widerspruchsverfahren (ggf. nach mehrjährigem Instanzenzug) nicht
standhält und deshalb entweder gar nicht erst eingetragen oder wieder gelöscht wird.
Hinzu kommt, dass ein Verletzungsgericht nicht an eine Entscheidung gebunden ist, die im
Marken-Widerspruchsverfahren ergeht. 269 Eine Bindungswirkung besteht nur mit der Folge,
dass der Verletzungsrichter einer eingetragenen Marke nicht jeglichen Schutz versagen darf,
wenn er die Schutzfähigkeit anders beurteilt als die Registerinstanz. Durch die Beurteilung der
Registerinstanzen im Eintragungsverfahren ist der Verletzungsrichter aber nicht einmal beim
Grad der Kennzeichnungskraft präjudiziert, den er im Verletzungsverfahren selbstständig zu
bestimmen hat. 270 Erst recht gilt das dann für die weiteren Kriterien zur Beurteilung der
Verwechslungsgefahr und für die beiden anderen Verletzungstatbestände (Identitäts- und
Bekanntheitsschutz).
Geht man sachgerechterweise auch gegen die mit einer Markenanmeldung einhergehende
drohende Benutzung eines Zeichens als Marke zivilrechtlich vor, ist allerdings zu
berücksichtigen, dass ein ggf. zunächst per Abmahnung geltend gemachter vorbeugender
Unterlassungsanspruch schneller erlischt als ein solcher Unterlassungsanspruch, der wegen
bereits begangener Verletzungshandlung auf Wiederholungsgefahr gestützt ist. Ein aufgrund
einer Markenanmeldung oder -eintragung begründeter vorbeugender Unterlassungsanspruch
268
Bei der Kostenfrage ist zu berücksichtigen, dass in deutschen Widerspruchs(beschwerde)verfahren selten
einmal einem Beteiligten die Verfahrenskosten auferlegt werden, sondern in der Regel jeder Beteiligte seine
Kosten selbst trägt, auch wer in der Sache obsiegt. Das weicht vom zivilprozessualen Grundsatz ab, die Kosten
nach der Obsiegens- und Unterliegensquote aufzuerlegen, was bei 100-prozentigen Fällen bedeutet, dass der
Verlierer zahlt. In Widerspruchs(beschwerde)verfahren gegen Unionsmarken trägt zwar der Unterliegende u.a. die
dem anderen Beteiligten entstehenden Kosten der Bevollmächtigten, Beistände und Anwälte, das aber nur im
Rahmen festgelegter Tarife. Was darüber hinausgeht, hat man auch dort selbst zu tragen, sogar als Gewinner. Der
gedeckelte Erstattungsbetrag (300 € im Widerspruchs- und 550 € im Beschwerdeverfahren) dürfte bei auf das
Markenrecht spezialisierten Rechts- oder Patentanwaltskanzleien nicht immer für die erste und kaum einmal noch
für die volle zweite Arbeitsstunde reichen, schon gar nicht bei Großkanzleien.
269
Vgl. Rn. 17 im BGH-Urteil „Medicon-Apotheke/MediCo Apotheke“ (I ZR 30/16) vom 02.03.2017.
270
Vgl. Rn. 44 im BGH-Urteil „Gelbe Wörterbücher“ (I ZR 228/12) vom 18.09.2014.
erlischt, wenn die Begehungsgefahr wegfällt. Dafür genügt ein „actus contrarius“, also ein der
Begründungshandlung entgegengesetztes Verhalten. Dementsprechend führt z.B. die
Zurücknahme der Markenanmeldung oder ein Verzicht auf die Eintragung der Marke
regelmäßig zum Fortfall der Erstbegehungsgefahr. 271
c) Bereits begangene Rechtsverletzung (sog. Wiederholungsgefahr)
Wird ein Kennzeichenrecht durch bereits begangene Benutzungshandlungen verletzt, ist der
Hauptanspruch des betroffenen Rechtsinhabers darauf gerichtet, dass die rechtsverletzende
Zeichenbenutzung unterlassen wird. Oft kann das außergerichtlich dadurch erreicht werden,
dass auf eine Abmahnung hin der Verletzer eine Unterlassungsverpflichtung erklärt, die durch
das Versprechen einer angemessenen Vertragsstrafe für jeden Fall der (schuldhaften)
Zuwiderhandlung abgesichert ist. Im damit zu Stande kommenden Unterlassungsvertrag
werden regelmäßig auch die sog. Folgeansprüche des betroffenen Rechtsinhabers mitgeregelt,
insbesondere die auf Auskunft, Schadens- und Abmahnkostenersatz.
Kann der Rechtsstreit nicht außergerichtlich beigelegt werden, kann der Rechtsinhaber
gerichtliche Hilfe in Anspruch nehmen. Eine sofortige gerichtliche Inanspruchnahme ohne
vorherige Abmahnung ist im Regelfall nicht empfehlenswert, weil dabei die Gefahr besteht,
dass im Gerichtsverfahren vom Rechtsverletzer ein sofortiges Anerkenntnis erklärt wird und
der betroffene Rechtsinhaber dann die Kosten des Rechtsstreits zu tragen hat, obwohl er in der
Sache selbst Recht hat. 272 Insoweit besteht eine Obliegenheit zur vorgerichtlichen Abmahnung.
Anderes kann nur gelten, wenn die Abmahnung ausnahmsweise entbehrlich ist. Das ist z.B.
denkbar, wenn der Rechtsverletzer einen Bestand an rechtsverletzenden Waren hat und der
Rechtsinhaber zur Sicherung seines Folgeanspruchs auf Vernichtung im Eilverfahren die sog.
Sequestration beantragen möchte, also die Anordnung der Herausgabe der rechtsverletzenden
Waren zur Verwahrung an den Gerichtsvollzieher. In einem solchen Fall könnte die Besorgnis,
dass der Unterlassungsschuldner sich bei einer vorherigen Abmahnung um schnelle
Beseitigung eines etwa vorhandenen Warenbestands bemühen werde, die Unzumutbarkeit einer
Abmahnung begründen. 273
Bei der gerichtlichen (Weiter-)Verfolgung von Ansprüchen wegen einer
Kennzeichenrechtsverletzung ist der Weg einer zivilgerichtlichen Klage wegen seiner
271
Vgl. Rn. 33 und 35 im BGH-Urteil „REAL-Chips“ (I ZR 71/12) vom 22.01.2014.
272
Vgl. § 93 ZPO.
273
Vgl. Rn. 5 im KG-Beschluss (5 W 39/06) vom 25.04.2008.
Verfahrensdauer nicht von spontaner Effektivität. Wird heute Klage erhoben, kann die
mündliche Verhandlung mglw. erst in drei Monaten oder bei entsprechender Belastung des
angerufenen Gerichts sogar noch später terminiert werden. Effektiven Rechtsschutz können
Inhaber von Ausschließlichkeitsrechten an Marken und/oder an Unternehmenskennzeichen nur
im gerichtlichen Eilverfahren auf Erlass einer einstweiligen Unterlassungsverfügung erreichen,
soweit es um deren Hauptanspruch auf Unterlassung der rechtsverletzenden Benutzung geht
und ggf. um die Sequestration zur Sicherung des Folgeanspruchs auf Vernichtung. 274 Das setzt
u.a. voraus, dass die Angelegenheit im Rechtssinne „dringlich“ ist.
Der Dringlichkeit kann aber die eigene (Un-)Tätigkeit des betroffenen Rechtsinhabers
entgegenstehen, z.B. wenn er zu viel Zeit vergehen lässt, bis er seinen Verfügungsantrag zu
Gericht reicht. Wie viel Zeit er sich seit Kenntniserlangung von der Rechtsverletzung und vom
in Anspruch zu nehmenden Verletzer lassen darf, ist gesetzlich nicht geregelt und wird von den
zuständigen Fachgerichten bundesweit unterschiedlich beurteilt. So gilt z.B. im Bezirk des
OLG Köln eine Monatsfrist als Richtwert 275 , im (Nachbar-)Bezirk des OLG Düsseldorf
dagegen eine Frist von zwei Monaten 276 .
In einem solchen Eilverfahren findet gegen Urteile, durch die über die Anordnung, Abänderung
oder Aufhebung einer einstweiligen Verfügung entschieden worden ist, die Revision nicht statt
und auch nicht die Rechtsbeschwerde. 277 Letzte Instanz im einstweiligen Verfügungsverfahren
ist deshalb die Berufung.
Unabhängig davon, ob kennzeichenrechtliche Ansprüche im Eilverfahren geltend gemacht
werden oder im Klageverfahren, sind in erster Instanz ausschließlich die Landgerichte sachlich
zuständig. 278 Für die örtliche Zuständigkeit besteht in den Bundesländern mit mehreren
Landgerichtsbezirken jeweils eine sog. Zuständigkeitskonzentration. 279 Im Zuge dessen sind
Kennzeichen- und Unionsmarkenstreitsachen bei einem bestimmten Gericht konzentriert, z.B.
274
Folgeansprüche, z.B. auf Auskunft, Schadens- und Abmahnkostenersatz, können in einem solchen Eilverfahren
nicht geltend gemacht werden, sondern nur im Klageverfahren.
275
Vgl. Rn. 26 im OLG Köln-Urteil „L-Thyrox“ (6 U 197/13) vom 25.07.2014. Vgl. dazu auch Tyra,
Produktmanagement als unternehmerischer Wissensvertreter zur Kenntniserlangung von Markenrechtsverletzung,
XING-Beitrag vom 13.10.2014 in der Gruppe „Markenstärke & Markenimage – Emotionalität von Marken“.
276
Vgl. Rn. 10 im OLG Düsseldorf-Urteil (I-2 U 8/15) vom 28.05.2015, wo allerdings auch klargestellt ist, dass
ausnahmsweise die Dringlichkeit schon vor Ablauf von zwei Monaten widerlegt sein kann.
277
Vgl. Rn. 3 im BGH-Beschluss (I ZB 11/15) vom 17.03.2015.
278
Vgl. § 140 Abs. 1 MarkenG für Kennzeichenstreitsachen nach dem MarkenG und § 125e Abs. 1 MarkenG für
Unionsmarkenstreitsachen nach der UMV.
279
Vgl. „Gerichtszuständigkeiten“-Info des Deutsche Vereinigung für gewerblichen Rechtsschutz und
Urheberrecht e.V.
eim LG Bochum für die Landgerichtsbezirke Arnsberg, Bochum, Dortmund, Essen, Hagen
und Siegen. In funktioneller Hinsicht ist zu berücksichtigen, dass Streitsachen, die sich auf den
Schutz der Marken und sonstigen Kennzeichen beziehen, Handelssachen sind. 280 Ist bei einem
Landgericht eine Kammer für Handelssachen gebildet, so ist diese an Stelle der Zivilkammern
zuständig. 281 Bei Gerichten, die für solche Streitsachen eine Kammer für Handelssachen und
eine Zivilkammer eingerichtet haben, was sich aus dem Geschäftsverteilungsplan ergibt, kann
das auf Antrag des (Verfügungs-)Beklagten zu einer Verweisung und entsprechenden
Verfahrensverzögerung führen, wenn der Verfügungs- oder Klageantrag bei der Zivilkammer
anhängig gemacht wird.
d) Archivierung von Benutzungsmaterial als Obliegenheit
Für die Verteidigung der Ausschließlichkeitsrechte an Marken und an
Unternehmenskennzeichen sollte vom Beginn der Zeichenbenutzung an ein Archiv mit
Benutzungsmaterial angelegt werden. Dort sollten Unterlagen, wie z.B. Verpackungen,
Etiketten, Preislisten, Kataloge, Rechnungen, Werbeanzeigen, Fotografien von Messe- oder
sonstigen Präsentationen, jeweils mit Angaben zu Ort, Zeit, Umfang und Art der Benutzung
kontinuierlich archiviert werden, um zu gegebener Zeit die Zeichenbenutzung nachweisen zu
können.
Für die Frage, was solche Unterlagen erkennbar machen sollen, können die gesetzlichen
Beispiele für die Benutzung einer Marke als Orientierungshilfe dienen. 282 Das sind
- die Anbringung der Marke auf Waren oder deren Aufmachung oder deren Verpackung,
- das Angebot, das Inverkehrbringen oder zu diesem Zweck der Besitz mit der Marke
gekennzeichneter Waren,
- die Einfuhr oder Ausfuhr mit der Marke gekennzeichneter Waren,
- das Angebot oder die Erbringung von Dienstleistungen unter der Marke sowie
- die Benutzung der Marke in Geschäftspapieren oder in der Werbung.
Die Pflege eines entsprechenden Archivs ist insbesondere aus folgenden Gründen veranlasst:
280
Vgl. § 95 Abs. 1 Nr. 4 c) GVG.
281
Vgl. § 94 GVG.
282
Vgl. § 14 Abs. 3 MarkenG. Diese Aufzählung von Benutzungsformen ist nicht abschließend. Insbesondere
können elektronische Formen des Geschäftsverkehrs und der Werbung durch die Anwendung der
Informationstechnik zu Benutzungshandlungen führen, die über diese Katalogbeispiele hinausgehen; vgl. Rn. 25
im BGH-Urteil „Parfummarken“ (I ZR 164/16) vom 09.11.2017 zur auf den dortigen Fall noch anwendbar
gewesenen Gemeinschaftsmarkenverordnung.
da) Nachweis rechtserhaltender Benutzung für Registermarken
Der Inhaber einer seit mehr als fünf Jahren eingetragenen Marke kann gegen Dritte wesentliche
Ansprüche (insbesondere auf Unterlassung, Schadensersatz und Auskunft sowie ggf. auf
Vernichtung und Rückruf) nicht geltend machen, wenn die Marke innerhalb der letzten fünf
Jahre vor der Geltendmachung der Ansprüche nicht ernsthaft in deren Geltungsbereich benutzt
worden ist und keine berechtigten Gründe für die Nichtbenutzung vorliegen. 283 Für den
uneingeschränkten Rechtserhalt kann es reichen, wenn die Benutzung erst kurz vor Ablauf des
Fünfjahreszeitraums aufgenommen wurde, soweit dabei die Kriterien erfüllt werden, die an eine
ernsthafte Benutzung gestellt werden. 284
Ernsthaft ist die Benutzung einer Marke, wenn sie verwendet wird, um für die unter ihr
eingetragenen Waren oder Dienstleistungen einen Absatzmarkt zu erschließen und zu sichern.
Die Ernsthaftigkeit ist anhand sämtlicher Tatsachen und Umstände zu beurteilen, durch die die
wirtschaftliche Verwertung der Marke im Geschäftsverkehr belegt werden kann. Dazu rechnen
insbesondere der Umfang und die Häufigkeit der Benutzung der Marke. 285
Abzustellen ist dabei auf die Waren oder Dienstleistungen, auf die der Markeninhaber sich zur
Begründung seines Anspruchs beruft. Geht es um einen weiten Oberbegriff sind bei der Prüfung
der Waren- oder Dienstleistungsähnlichkeit nach Ablauf der Benutzungsschonfrist nur die
darunter fallenden Waren oder Dienstleistungen zu berücksichtigen, für die der Anspruchsteller
eine rechtserhaltende Benutzung nachweisen kann. 286
db) Nachweis gesteigerter Kennzeichnungskraft für Registermarken
Bei der rein rechtlichen Beurteilung der Verwechslungsgefahr besteht die vorstehend bei der
neunten Frage erörterte Wechselwirkung zwischen den in Betracht zu ziehenden Faktoren.
283
Vgl. § 25 Abs. 1 i.V.m. § 26 Abs. 1 MarkenG. Ähnlich unterliegt nach Art. 18 Abs. 1 S. 1 UMV die
Unionsmarke bestimmten Sanktionen, wenn sie innerhalb von fünf Jahren seit der Eintragung nicht ernsthaft in
der Union benutzt oder eine solche Benutzung während eines ununterbrochenen Zeitraums von fünf Jahren
ausgesetzt wurde und keine berechtigten Gründe für die Nichtbenutzung vorliegen.
284
Vgl. Rn. 40 im BGH-Urteil „VOODOO“ (I ZR 106/11) vom 06.02.2013.
285
Vgl. Rn. 37 im BGH-Urteil „VOODOO“ (I ZR 106/11) vom 06.02.2013.
286
Vgl. Rn. 34 im BGH-Urteil „VOODOO“ (I ZR 106/11) vom 06.02.2013. Dieser Grundsatz für das
Kollisionsverfahren gilt nicht auch für das Löschungsverfahren wegen Verfalls. Dort kann zwar ein weiter
Oberbegriff nicht nur deshalb uneingeschränkt im Klassenverzeichnis verbleiben, weil die tatsächlich benutzte
Ware oder Dienstleistung unter den weiten Oberbegriff fällt. Es sind aber auch die Waren oder Dienstleistungen
im Klassenverzeichnis zu belassen, die nach der Verkehrsauffassung zum gleichen Bereich gehören; vgl. Rn. 32
im BGH-Urteil „LOTTOCARD“ (I ZR 167/05) vom 10.04.2008. Erforderlich ist insoweit eine weitgehende
Übereinstimmung in den Eigenschaften und in der Zweckbestimmung; vgl. Rn. 12 im BGH-Urteil „Probiotik“
(I ZR 38/13) vom 08.01.2014.
Deshalb kann ein geringerer Grad der Ähnlichkeit der Waren oder Dienstleistungen durch einen
höheren Grad der Ähnlichkeit der Zeichen oder durch eine erhöhte Kennzeichnungskraft der
älteren (Angriffs-)Marke ausgeglichen werden. Dementsprechend können Marken mit
gesteigerter Kennzeichnungskraft einen größeren Schutzumfang haben. Auch deshalb kann es
helfen, als Markeninhaber über hinreichend Benutzungsmaterial zu verfügen, mit dem die
gesteigerte Kennzeichnungskraft dargelegt und unter Beweis gestellt werden kann. Bei der
Bestimmung der Kennzeichnungskraft einer (Angriffs-)Marke sind schließlich alle relevanten
Umstände zu berücksichtigen. Hierzu gehören insbesondere auch der von der Marke gehaltene
Marktanteil, die Intensität, die geografische Verbreitung und die Dauer der Benutzung der
Marke sowie der Werbeaufwand des Unternehmens für eine Marke. 287 Für die Frage, was
Benutzungsunterlagen erkennbar machen sollen, kann das als weitere Orientierungshilfe
dienen.
dc) Nachweis der Entstehung von Unternehmenskennzeichenschutz
Unternehmenskennzeichen entstehen, wie vorstehend bei der dritten Frage erörtert, formlos
durch tatsächliche Handlungen im geschäftlichen Verkehr. Dafür sind nach außen wirkende
Benutzungshandlungen erforderlich, die auf den Beginn einer dauerhaften wirtschaftlichen
Betätigung schließen lassen. Für die Geltendmachung des Ausschließlichkeitsrechts an einem
Unternehmenskennzeichen ist es deshalb umso mehr eine Obliegenheit, vom Beginn der
Zeichenbenutzung an ein Archiv mit Benutzungsmaterial anzulegen. Andernfalls wird die
Zeichenbenutzung als Grundvoraussetzung für den Unternehmenskennzeichenschutz nicht
oder nur unter erschwerten Bedingungen nachgewiesen werden können, insbesondere wenn ein
Kollisionsfall erst lange Zeit nach dem Benutzungsbeginn aufkommen sollte.
e) Kollisionsüberwachung als Obliegenheit
Wer im markenamtlichen Widerspruchsverfahren gegen eine störende Marke mit Wirkung in
Deutschland vorgehen möchte, hat innerhalb von drei Monaten nach der Veröffentlichung der
Neueintragung oder der Schutzgewährung oder der Neuanmeldung entweder beim DPMA oder
beim EUIPO den Widerspruch zu erheben, je nachdem, ob es um die Eintragung einer
nationalen Marke bzw. die Schutzgewährung für eine IR-Marke mit Benennung von
Deutschland oder die Anmeldung einer Unionsmarke bzw. die Eintragung von internationalem
287
Vgl. Rn. 41 im BGH-Urteil „Culinaria/Villa Culinaria” (I ZR 85/11) vom 05.12.2012.
Markenschutz mit Benennung der Europäischen Union geht. 288 Um diesen befristeten Zeitraum
entsprechend nutzen zu können, ist eine Kollisionsüberwachung für die eigene Marke
unerlässlich. Dabei werden von einem darauf spezialisierten Unternehmen die
Veröffentlichungen in den jeweiligen Markenblättern dahingehend überwacht, ob mglw.
identische oder ähnliche neue Marken mitzuteilen sind. Systembedingt kann das zwar zu vielen
Mitteilungen führen, durch die nichts weiter veranlasst ist, weil der Identitäts-, Verwechslungsoder
Bekanntheitsschutz der überwachten Marken nicht in Gefahr ist. 289 Ohne eine
Kollisionsüberwachung erfährt man aber in der Regel nichts von solchen Neuheiten, schon gar
nicht wenn die betreffenden Marken so kurz nach der Anmeldung oder Eintragung noch nicht
benutzt werden.
f) Unberechtigte Schutzrechtsverwarnung vermeiden
Zur Vermeidung von Gegenansprüchen des Inanspruchgenommenen ist beim zivilrechtlichen
Vorgehen im Wege einer Abmahnung vorab sorgfältig zu prüfen, ob und inwieweit die
Abmahnung berechtigt ist. Das gilt insbesondere bei Marken mit beschreibenden Anklängen
und bei benutzungspflichtigen Marken, deren Tragfähigkeit im konkreten Fall schon einmal
zweifelhaft sein kann. Beim Bestehen solcher Zweifel kann es sachdienlicher sein, nur eine sog.
Berechtigungsanfrage an den Benutzer des störenden Zeichens zu richten. 290 Die unbegründete
Verwarnung aus einem Kennzeichenrecht kann nämlich unter dem Gesichtspunkt eines
rechtswidrigen und schuldhaften Eingriffs in das Recht am eingerichteten und ausgeübten
Gewerbebetrieb zum Schadensersatz verpflichten. 291
An der Vermeidung solcher Gegenansprüche sollte der vom Inhaber eines Kennzeichenrechts
ggf. beauftragte Rechts- oder Patentanwalt bereits ein eigenes Interesse haben, um nicht auch
288
Vgl. § 42 Abs. 1 MarkenG für nationale Marken, § 114 Abs. 2 MarkenG für IR-Marken nach dem MMA und
§ 124 i.V.m. § 114 Abs. 2 MarkenG für IR-Marken nach dem PMMA sowie Art. 46 UMV für Unionsmarken und
Art. 196 UMV für IR-Marken mit EM-Benennung.
289
Ob und ggf. inwieweit der Schutz der überwachten Marke betroffen sein kann, sollte von solchen Rechts- oder
Patentanwälten beurteilt werden, die hinreichende Erfahrung im Kennzeichenrecht haben. Weder bei
Patentanwälten noch bei solchen Rechtsanwälten, die zugleich Fachanwälte für gewerblichen Rechtsschutz sind,
ist das selbstverständlich. Der jeweilige Berufsträger kann seinen Tätigkeitsschwerpunkt auch in einem anderen
Fachgebiet des gewerblichen Rechtsschutzes haben, z.B. bei den technischen Schutzrechten, den Patenten und
Gebrauchsmustern.
290
Mit einer Berechtigungsanfrage fordert der Schutzrechtsinhaber unter Hinweis auf sein Schutzrecht den
etwaigen Rechtsverletzer nur zur Stellungnahme über die Schutzrechtslage auf oder er fragt an, aus welchen
Gründen sich der Adressat zur Benutzung für berechtigt hält. Demgegenüber ist eine Schutzrechtsverwarnung ein
an eine bestimmte Person oder an einen bestimmbaren Personenkreis gerichtetes ernsthaftes und endgültiges
Verlangen, eine bestimmte als Schutzrechtsverletzung beanstandete Handlung zu unterlassen; vgl. Rn. 40 im LG
Düsseldorf-Urteil „Schutzrechtsverwarnung“ (4a O 88/12) vom 11.02.2014.
291
Vgl. Rn. 13 i.V.m. Rn. 20 im BGH-Urteil „Verwarnung aus Kennzeichenrecht II“ (I ZR 98/02) vom 19.01.2006.
der Erwägung einen Raum zu geben, ob sogar er selbst vom Inanspruchgenommenen mit
entsprechenden Gegenansprüchen überzogen werden kann. Insoweit geht zumindest der beim
BGH u.a. für Patentstreitsachen zuständige X. Zivilsenat davon aus, dass den vom
Schutzrechtsinhaber im Hinblick auf eine Schutzrechtsverwarnung eingeschalteten
Rechtsanwalt gegenüber dem später Verwarnten eine dahingehende Garantenpflicht treffe, den
Schutzrechtsinhaber nicht in einer die Rechtslage unzutreffend einschätzenden Weise über die
Berechtigung der Schutzrechtsverwarnung zu beraten. Gehe die unberechtigte
Schutzrechtsverwarnung auf eine fahrlässig unzutreffende Rechtsberatung des
Schutzrechtsinhabers durch einen Rechtsanwalt zurück, könne der Rechtsanwalt neben dem
Schutzrechtsinhaber unter dem Gesichtspunkt eines rechtswidrigen und schuldhaften Eingriffs
in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb zum Schadensersatz verpflichtet sein. 292
292
Vgl. Leitsätze a) und b) im BGH-Urteil „Unberechtigte Schutzrechtsverwarnung II“ (X ZR 170/12) vom
01.12.2015. Offen ist, wie der beim BGH u.a. für Kennzeichenstreitsachen zuständige I. Zivilsenat dazu steht.