150 Jahre MHD (Buch)
Geschichte des Marien Hospital
Geschichte des Marien Hospital
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<strong>150</strong> <strong>Jahre</strong><br />
Marien Hospital Düsseldorf<br />
Fabrikarbeiterinnen in einer<br />
Weberei, um 1930<br />
Lederfabrik Franze de Hesselle,<br />
Siegburger Straße 139, 1895<br />
Cholerainfizierte in einem<br />
Behandlungssaal, 1892<br />
Marienhospital,<br />
Fieberpavillon, um 1930<br />
wie Syphilis waren ebenso häufig wie fiebrige Erkältungen.<br />
Den privaten Lebensumständen fügten sich externe Ursachen<br />
an. Je mehr sich die Industrie in Düsseldorf ausbreitete, desto<br />
stärker nahmen auch Beeinträchtigungen der Luft und der<br />
Gewässer zu. Die Belastungen durch Abwässer in die Düssel<br />
bzw. den Rhein und durch Emissionen in die Luft waren häufiger<br />
Anlass zu Beschwerden von Anwohnern. Die Arbeiter<br />
und Arbeiterinnen in Webereien waren vom feinen Staub des<br />
Garns oder Leinens am Arbeitsplatz eingehüllt, der für die<br />
Atemwege gefährlich werden konnte, die giftigen Farben des<br />
eingefärbten Garns verursachten Geschwüre an Fingern und<br />
Armen. Auch die Gerbereien entwickelten giftige Dämpfe,<br />
die Atemwege und Augen belasteten. Arbeitsschutzbestimmungen<br />
wurden erst im Laufe<br />
des späteren 19. Jahrhunderts<br />
entgegengesetzt.<br />
Auch die für die Bevölkerung<br />
besonders erschreckenden,<br />
periodisch auftretenden<br />
Epidemien: Cholera, Typhus,<br />
Pocken, Tuberkulose, Fleckfieber<br />
fehlen nicht in den<br />
Nachweisungen über die in<br />
der Anstalt behandelten Patienten.<br />
Da der zur Aufnahme<br />
von Infektionskranken vorgesehene<br />
Fieberpavillon nur über<br />
je 20 Betten für männliche bzw. weibliche<br />
Personen verfügte, waren die vorgehaltenen<br />
Kapazitäten im Epidemiefall schnell<br />
erschöpft. Die Folge war, dass es bis zum<br />
Ersten Weltkrieg zwischen dem Marienhospital<br />
und den Gesundheitsbehörden<br />
immer wieder zu Streitigkeiten kam, wenn<br />
das Krankenpflegepersonal die Aufnahme<br />
epidemisch Kranker außerhalb des Fieberpavillons<br />
verweigerte. Nicht zu Unrecht zog<br />
sich der Vorstand in den Korrespondenzen<br />
mit den städtischen Behörden auf die Position<br />
zurück, Patienten mit ansteckenden<br />
Krankheiten dürften in das Haupthaus nicht<br />
aufgenommen werden.<br />
Welche fatalen Folgen eine medizinisch<br />
unsachgemäße Versorgung epidemischer<br />
Patienten haben konnte, belegt<br />
eine Begebenheit aus der Frühzeit des<br />
Marienhospitals. Kurz vor der Fertigstellung<br />
und Inbetriebnahme des Fieberpavillons<br />
ist über den plötzlichen Tod einer Mitschwester<br />
in der Chronik der Franziskanerinnen<br />
vermerkt: „Am 16. August 1872<br />
berief der liebe Gott die erste Schwester<br />
aus dem Marienhospitale zu sich. Es war<br />
Schwester Medarda, die sich in der Pflege<br />
der Ruhrkranken, bevor dieselben in die<br />
Villa verlegt wurden, den Tod zuzog. Sie<br />
stand der Frauenstation in den unteren<br />
Räumen des Hauses vor und trug eines<br />
Morgens früh die Leiche eines eben an der<br />
Ruhr verstorbenen Kindes in das im Souterain<br />
gelegenen Leichenzimmer. Mittags<br />
in der Recreation erzählte sie einer anderen<br />
Schwester den Vorfall und äußerte dabei,<br />
die Leiche, welche sie habe vom Saale<br />
schaffen wollen, bevor sie den Kranken<br />
daselbst das Frühstück bringen musste,<br />
sei ihr, da sie selbst noch nüchtern gewesen,<br />
außergewöhnlich schwer geworden,<br />
und beim Niederlegen derselben habe<br />
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