Der Ehrenfelder 101 - Mai 2018
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100% VFL BOCHUM<br />
Mit Robin Dutt in einen „guten Flow“ gekommen<br />
Nach langer Durststrecke begeistert der VfL Bochum wieder seine Fans<br />
Das Anforderungsprofil an<br />
den neuen Trainer des VfL<br />
Bochum war an der Castroper<br />
Straße nach zuvor<br />
unruhigen zwei Jahren klar<br />
umrissen und ließ nur wenige<br />
Kompromisse zu. Für<br />
den als vierten Cheftrainer<br />
innerhalb einer Saison zu<br />
verpflichtenden Mann waren<br />
diese Kompetenzen<br />
unabdingbar: Erfahrung,<br />
Ruhe und Souveränität im<br />
Umgang sowie das Wissen,<br />
wo es im deutschen Profifußball<br />
lang geht.<br />
Bochums Sportvorstand Sebastian<br />
Schindzielorz (39),<br />
nur wenige Tage vor dem<br />
neuen Cheftrainer ins Amt gerückt<br />
und mit entsprechenden<br />
Tipps aus dem nahen Umfeld<br />
gut gebrieft, musste nicht lange<br />
suchen. Er präsentierte –<br />
quasi als erste Amtshandlung<br />
– Robin Dutt (53), der zuletzt<br />
im Oktober 2014 als verantwortlicher<br />
Trainer bei Werder<br />
Bremen auf der Bank gesessen<br />
hatte und danach bis <strong>Mai</strong><br />
2016 als Sportvorstand beim<br />
VfB Stuttgart tätig war. Dutt<br />
hätte auch woanders unterschreiben<br />
können, sah und<br />
sieht aber ordentliche Möglichkeiten<br />
in Bochum und<br />
damit die Chance, „den VfL<br />
wieder in einen guten Flow<br />
und zu einer besseren Performance<br />
zu bringen.“<br />
<strong>Der</strong> 53-Jährige wusste, was<br />
angesichts der hochprekären<br />
sportlichen Situation in Bochum<br />
zu tun war: Nicht schon<br />
wieder die Mannschaft mit<br />
neuen Spielideen zu konfrontieren,<br />
sondern sensibel den<br />
Ausweg aus der vertrackten<br />
Lage vorzuzeichnen. „Es ging<br />
um nichts Kompliziertes, sondern<br />
darum, eine klare Grundordnung<br />
und eine stabile<br />
Struktur aufzubauen, an der<br />
sich die Mannschaft orientieren<br />
kann“, erklärt Dutt. Inhaltlich<br />
sei es ihm dabei wichtig<br />
gewesen, so der Trainer, besser<br />
vier oder fünf Themen zu<br />
Trainer Robin Dutt (rechts), hier mit seinem Assistenten Heiko<br />
Butscher, hat den VfL Bochum und sein Spiel wiederbelebt.<br />
Foto: VfL Bochum 1848<br />
100 Prozent einzufordern, als<br />
viele Themen nur anzureißen.<br />
Dass nicht nur die Vereinsverantwortlichen<br />
und die Fans<br />
froh über die geglückte Trendwende<br />
sind, sondern auch die<br />
Spieler, lässt sich an jüngst<br />
gehörten Aussagen erahnen.<br />
Kapitän Stefano Celozzi sah<br />
seine Mannschaft vor Robin<br />
Dutts Engagement im freien<br />
Fall, Routinier Patrick Fabian<br />
begeistert jetzt unter betriebsklimatischen<br />
Aspekten<br />
die wohltuende Ruhe. Und<br />
wenn Australiens Nationalspieler<br />
Robbie Kruse feststellt,<br />
dass die Mannschaft<br />
wieder an das glaube, was<br />
ihr der Trainer sagt, darf man<br />
ganz sicher vermuten, dass<br />
dies zuvor nicht mehr der<br />
Fall gewesen ist. Die Öffentlichkeitsarbeiter<br />
des Vereins<br />
hatten auf der Stadionzeitung<br />
zum Heimspiel gegen Eintracht<br />
Braunschweig sprachlich<br />
schräg „<strong>Der</strong> Dutt uns gut“<br />
getitelt, inhaltlich war ihnen<br />
damit jedoch eine Punktlandung<br />
geglückt.<br />
Auch die Medienvertreter, die<br />
sich regelmäßig mit dem VfL<br />
Bochum befassen, teilen den<br />
Eindruck, dass hier gerade<br />
der richtige Mann an der richtigen<br />
Stelle arbeitet. Einer,<br />
der den Journalisten so ungewöhnliche<br />
wie selten gehörte<br />
Sätze sagt, wie: „Ich hatte das<br />
Gefühl, dass unsere Leistung<br />
nach dem Sieg gegen Braunschweig<br />
etwas überhöht dargestellt<br />
wurde. Um ehrlich zu<br />
sein: Das öffentliche Lob war<br />
mir ein wenig ‚too much’“.<br />
<strong>Der</strong> sachlich auftretende und<br />
mit kluger Rhetorik kommunizierende<br />
Trainer darf gewiss<br />
als bodenständig oder<br />
in der gerade wieder modern<br />
gewordenen Diktion als heimatverbunden<br />
bezeichnet<br />
werden. Aber er trifft auch im<br />
immer noch rauen Revier den<br />
Ton und die Mentalität, wenn<br />
er davon überzeugt ist, „dass<br />
wir an manche Dinge nicht zu<br />
verkopft drangehen, sondern<br />
lieber das Herz sprechen lassen<br />
sollten.“<br />
Die aktuell in Bochum aufkommende<br />
gute Stimmung<br />
in positive Energie zu kanalisieren,<br />
ist eines von Robin<br />
Dutts Nahzielen. Ein anderes<br />
lautet: eine gute Balance zu<br />
erreichen zwischen der Idee,<br />
einen gepflegten Ball zu spielen,<br />
und dem Ansatz, dabei<br />
auch eine ordentliche Mentalität<br />
auf den Platz bringen. Da<br />
ist der VfL Bochum auf einem<br />
guten Weg. Uli Kienel<br />
22 ⎮<strong>Der</strong> <strong>Ehrenfelder</strong>⎮<strong>Mai</strong> <strong>2018</strong>