Christkatholisch 2018-10
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
Keine Zeit für Helden<br />
Kein Heldentum.<br />
Die bittere Niederlage<br />
am Kreuz des Hasses<br />
zeigt noch ihre Wunden.<br />
Da glänzt kein Harnisch.<br />
Ins rote Tuch der Liebe<br />
zart fallend gehüllt.<br />
Ein Sieger der Milde.<br />
Die frischen Wunden<br />
will Thomas spüren.<br />
Kein second-hand-Glaube.<br />
Kein abgestanden-frommer Brei.<br />
In den Zeichen des Leids<br />
will er die Wirklichkeit spüren.<br />
Will das Leben ertasten.<br />
Dem Freunde begegnen.<br />
Vertröstende Pflaster heilen<br />
die Schnitte von Leib und Seele nicht.<br />
Thomas ist mutig, die Wunden zu fühlen.<br />
Christus bereit, sich berühren zu lassen.<br />
Er ist das Vorbild.<br />
Wir werden einander wirklich,<br />
wenn wir das Verletzliche, den Schmerz,<br />
die Wunden zärtlich ertasten und schauen.<br />
Eine fragile Frau, ein Jüdin,<br />
Simone Weil, fasst es in Worte:<br />
«Der Held trägt eine Rüstung.<br />
Der Heilige geht nackt.»<br />
Ein Held ist unberührbar.<br />
Bleibt erhaben, tabu.<br />
Die Rüstung kalt blinkend.<br />
Vor Bedeutung unantastbar.<br />
Doch wir sind nackt,<br />
weil wir dem Heiligen folgen.<br />
Heil sind wir,<br />
weil wir dem Verwundeten trauen.<br />
Da wir ihm trauen,<br />
braust der pfingstliche Geist.<br />
Veränderte Welt.<br />
Freiheit, die frei macht.<br />
Text und Bild: Michael Bangert<br />
Martin Schongauer (1450–1491): Der Auferstandene begegnet dem<br />
Apostel Thomas. Hochaltar der Dominikaner-Kirche Colmar, Musée<br />
d'Unterlinden.