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DorfStadt 07-2018

Wir sind Elbvororte. Hochwertige lokale Berichte und Reportagen aus und über Rissen, Sülldorf, Iserbrook, Blankenese, Osdorf, Groß Flottbek, Nienstedten, Othmarschen, Bahrenfeld und Schenefeld.

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12 • <strong>DorfStadt</strong>-Zeitung <strong>07</strong>/<strong>2018</strong> • 17.05.<strong>2018</strong><br />

I m G e s p r ä c h<br />

Flüchtlinge haben es nicht<br />

leicht. Zwar leben sie in<br />

Deutschland in einer sichereren<br />

Welt als in ihrem<br />

Heimatland. Einfach ist es<br />

trotzdem nicht, denn hier<br />

warten andere Herausfor -<br />

de rungen: Andere Sprache,<br />

andere Schriftzeichen und eine<br />

Gesellschaft, die Konzentration<br />

und Fokussierung fordert. Für<br />

jemanden, der aus einer meist<br />

ländlichen Umgebung ohne<br />

jeg lichen Bildungsanspruch hierher<br />

geflohen ist, eine Riesen -<br />

umstellung. „Ein Mädchen aus<br />

einer Internationalen Vorberei -<br />

tungsklasse (IVK) schaffte den<br />

Sprung nach einem halben Jahr<br />

in eine Regelklasse“, erzählt<br />

Klaus-Peter Göke-Hillmann,<br />

ELBVORORTE<br />

Integration zwischen<br />

Verwaltung und Wirklichkeit<br />

Nach drei Jahren immer noch kein Fortschritt bei der Integration von<br />

Flüchtlingen. Vor allem Schüler haben gute Chancen | Konrad Matzen<br />

ehemaliger Abteilungsleiter der<br />

Oberstufe und aktueller IVK-<br />

Lehrer. Doch das sei die absolute<br />

Ausnahme. IV-Klassen sind<br />

in der Regel auf ein Schuljahr<br />

angelegt. In dieser Zeit sollen<br />

die geflüchteten Schülerinnen<br />

und Schüler auf das Schüler -<br />

dasein in Deutschland vorbereitet<br />

werden. „Gute Schüler<br />

schaffen das, einige aber leider<br />

nicht“, gibt Göke-Hillmann zu<br />

bedenken. Nicht nur für die<br />

Kinder sei vor allem dieses erste<br />

Schuljahr „hartes Brot“, auch<br />

für die Lehrkräfte „anstrengend,<br />

aber auch spannend und glücklicherweise<br />

auch erfolgreich“.<br />

Das schafft der 71-jährige in<br />

den Schuldienst zurückgekehrte<br />

Pensionär vor allem durch viel<br />

Integration von Schülern<br />

Im Bildungsatlas Hamburg ist deutlich abzulesen, dass es im<br />

Hamburger Westen kaum Basis- oder IVK-Klassen gibt, in<br />

denen Flüchtlingskinder auf den Regelschulbetrieb vorbereitet<br />

werden, obwohl in den Unterkünften viele Flüchtlings kin der<br />

leben. Viele Kinder werden nach Auffassung von Lehrkräften<br />

unzureichend auf den Schulalltag in Deutschland vorbereitet,<br />

sodass sich die Lehrer neben lernschwächeren Deutschen<br />

Schülern und Inklusionskindern jetzt auch noch um die<br />

Schüler mit Migrationshintergrund kümmern müssen. Vor<br />

allem Lehrkräfte an den Stadtteilschulen klagen zunehmend<br />

über psychischen Stress, weil sie den unterschiedlichen<br />

Lernanforderungen mit sehr differenziertem Unterricht begegnen<br />

müssen, den sie sich teilweise nicht mehr allein zutrauen.<br />

Hinter vorgehaltener Hand fordern die Pädagogen deshalb<br />

schon lange zusätzliche Sozialpädagogen an ihrer Seite.<br />

Welche Chancen sehen Sie für die ehemaligen Schülerinnen<br />

und Schüler der IVK, die jetzt in den Regelbetrieb von<br />

Stadtteilschulen integriert sind? Mathias Morgenroth-<br />

Marwedel, Schulleiter der Stadtteil schule Blankenese zur<br />

Integration von Schülern in den schulischen Alltag: Drei der<br />

letzten vier Schülerinnen und Schüler unserer IVK sind nach<br />

unserer Einschätzung im Sommer <strong>2018</strong> soweit der deutschen<br />

Sprache mächtig, dass sie mit weiterer sprachlicher Förde -<br />

rung wohl gut aufgenommen werden können, ein weiterer<br />

Schüler bedarf nach wie vor intensiver besonderer Förderung,<br />

ein Übergang in eine Regelschulklasse ist in diesem Fall nicht<br />

sinnvoll.<br />

Die Schülerinnen und Schüler, die aus anderen IVK inzwischen<br />

bei uns im Schulalltag aufgenommen sind, haben ebenfalls<br />

einen individuell sehr unterschiedlich umfangreichen sprachlichen<br />

Förderbedarf. An unserer Schule gibt es nur wenige<br />

ehemalige IVK-Schülerinnen und -Schüler, ein hohes<br />

Engagement vieler Lehrkräfte und eine Schülerschaft, die<br />

eher freudig und neugierig auf die neuen Mitschüler zugeht.<br />

Ältere Schülerinnen und Schüler wirken als Paten, die guten<br />

Erfahrungen mit dem zeitweise dazu gekommenen geflüchteten<br />

Schüler in vielen Klassen und Kursen wirken nach.<br />

persönliche Zuwendung. „Ich<br />

habe festgestellt, dass die Kin -<br />

der über mathematische Zu -<br />

sam menhänge die Deutsche<br />

Sprache wie von selbst lernen“,<br />

berichtet er, Geld, Zeit, Ge -<br />

wichte, Größen kann man relativ<br />

leicht erkennen und in eine<br />

neue Sprache übertragen. Viele<br />

Exkursionen im Stadtteil und<br />

in der Stadt helfen den Kindern<br />

zudem, die Deutsche Kultur<br />

kennen zu lernen. „Die Schulen<br />

bieten neben den Sportvereinen<br />

den einzigen Zugang zu unserer<br />

Gesellschaft. Sonst bleiben die<br />

Familien in ihrem eigenen<br />

Kosmos in den Unterkünften“,<br />

weiss Göke-Hillmann.<br />

Flüchtlinge ohne<br />

Bleibeperspektive<br />

schwer integrierbar<br />

Das ist auch die Erfahrung des<br />

Stadtteilmanagers Ulli Engel -<br />

brecht aus Rissen, der sich für<br />

die Integration der neuen Ris -<br />

sener in den neuen Wohnungen<br />

an der Suurheid einsetzt. Viele<br />

Ehrenamtliche Rissener warten<br />

auf ihren „Einsatz“, um die<br />

Geflüchteten willkommen zu<br />

heißen. Mehrere Projekte wie<br />

der Treffpunkt Dorfcafé im<br />

Bürgerhaus, eine Fahrrad werk -<br />

statt und vieles mehr, sollen<br />

Deutsche und Geflüchtete zu -<br />

sammen bringen. „Vor allem<br />

junge Flüchtlinge suchen den<br />

Kontakt zu Landsleuten, die sie<br />

in der Innenstadt treffen“, sagt<br />

Engelbrecht. Interesse an Inte -<br />

gration sei bei ihnen nicht<br />

besonders ausgeprägt.<br />

Zudem behindern verwaltungstechnische<br />

Barrieren die Inte -<br />

gration: Manchmal hapert es<br />

Gerade fertig: Unterkünfte am Björnsonweg für 192 Flüchtlinge.<br />

Dauerhaft bleiben werden sie hier nicht.<br />

Foto: Matzen<br />

Diese wissbegierige Acht kläss -<br />

lerin hat sich gut in den<br />

Klas senverband ingetriert.<br />

Foto: PR<br />

an kontinuierlichem Deutsch -<br />

un terricht, auch sind die<br />

Wartezeiten auf den nächsten<br />

Bescheid der Behörde auf<br />

Fortgang des Asylstatus‘ zermürbend.<br />

Viele Flüchtlinge<br />

wollen am liebsten arbeiten,<br />

auch, um ihre Fluchterlebnisse<br />

besser verarbeiten zu können,<br />

sie dürfen aber nicht. Viele einheimische<br />

Unternehmen beklagen<br />

diesen Umstand schon<br />

lange, oft scheitert die Arbeits -<br />

aufnahme an bürokratischen<br />

Hürden.<br />

Die ersten 300 „Flüchtlings un -<br />

terkünfte mit der Perspektive<br />

Unterkünfte im Westen<br />

Stadtteil Straße Plätze Unterbringung<br />

Rissen Suurheid 300<br />

Geschosswohnungsbau - Flüchtlingsunterkunft mit der<br />

Perspektive Wohnen (Fertigstellung: April <strong>2018</strong>).<br />

Sülldorf Sieversstücken I 278 Wohncontainer<br />

Sülldorf Sieversstücken II 441 Wohncontainer<br />

Blankenese Björnsonweg 192 Modulhäuser<br />

Lurup Kroonhorst 267 Festes Gebäude<br />

Osdorf Blomkamp, Baufeld A 312 Festes Gebäude<br />

Osdorf Blomkamp, Baufeld B 130 Modulhäuser<br />

Bahrenfeld Notkestraße I 100 Festes Gebäude<br />

Bahrenfeld Notkestraße II 648 Festes Gebäude<br />

Bahrenfeld Luruper Hauptstraße/ 456 Modulhäuser<br />

(Parkplatz Grün)<br />

Bahrenfeld Albert-Einstein-Ring 450 Festes Gebäude<br />

Bahrenfeld August-Kirch-Straße 478 Modulhäuser<br />

Bahrenfeld Grünewaldstraße 18 Festes Gebäude<br />

Othmarschen Holmbrook<br />

208 Modulhäuser<br />

Othmarschen Baurstraße 200<br />

Geschosswohnungsbau – Flüchtlingsunterkunft mit der<br />

Perspektive Wohnen (Fertigstellung: vorauss. 2020)<br />

Bahrenfeld Holstenkamp 146 Festes Gebäude<br />

Bahrenfeld Sibeliusstraße 232 Festes Gebäude<br />

Bahrenfeld Schnackenburgallee 900 Wohncontainer<br />

SUMME<br />

5.456 Plätze<br />

Wohnen“ an der Suurheid in<br />

Rissen sollen nun für eine bessere<br />

Integration von Flücht lin -<br />

gen sorgen – fast drei Jahre<br />

nach dem großen Flüchtlings -<br />

strom vom Herbst 2015. Woh -<br />

nungen, die auch nur für eine<br />

Übergangszeit von den Flücht -<br />

lingen genutzt werden sollen,<br />

bis sie selbst eine eigene Woh -<br />

nung gefunden haben, sich<br />

selbst versorgen können. Erst<br />

2020 wird mit der Fertig stel -<br />

lung weiterer 200 Wohnungen<br />

in der Baurstraße (Othmar-<br />

schen) gerechnet. Nicht gerade<br />

viele. Hinzu kommen weitere so<br />

genannte Folgeunterkünfte, in<br />

denen Flüchtlingsfamilien in<br />

Modulhäusern oder Wohncon -<br />

tainern leben, derzeit aber noch<br />

ohne Bleibeperspektive.<br />

Dadurch lernen die Flüchtlinge<br />

vor allem den mühsamen Um -<br />

gang mit der Deutschen Büro -<br />

kratie, ohne sich tatsächlich in<br />

unserer Gesellschaft einbringen<br />

und integrieren zu können. Da<br />

helfen auch die vielen ehrenamtlichen<br />

Engagements vom<br />

Runden Tisch Blankenese oder<br />

der Nachbarschaftsinitiative<br />

„Die Holmbrooker“ in Othmar -<br />

schen nur ein wenig.<br />

Integrationsmotor Arbeit<br />

Der stabile Kontakt zu Deut -<br />

schen durch Freundschaften<br />

oder Arbeit wäre ein Inte gra -<br />

tionsmotor, allerdings wird das<br />

in vielen Fällen durch schleppende<br />

Asylverfahren und ständige<br />

Umsiedlungen der Asyl -<br />

bewerber ohne Perspektive im -<br />

mer noch verhindert. Das gilt<br />

auch und vor allem für Flücht -<br />

lingskinder, die über Schulen<br />

und Sportvereine schnell<br />

Freun de finden und offen für<br />

Neues sind und dies sogar in<br />

ihre Familien hinein tragen.<br />

Somit ließen sich gerade hier<br />

Ansatzpunkte für eine gelungene<br />

Integration mit Chancen<br />

auch für unsere künftige Ge -<br />

sellschaft setzen. Daher hat<br />

IVK-Lehrer Klaus-Peter Göke-<br />

Hillmann auch kaum Ver ständ -<br />

nis für die plötzliche Auflösung<br />

der IV-Klasse an der Stadt -<br />

teilschule Blankenese Ende<br />

Januar <strong>2018</strong>. „Die Kinder der<br />

IVK hatten große Unterstützung<br />

von Schülern, Lehrern und<br />

Eltern. Trotz Verständi gungs pro -<br />

blemen wurden sie sehr selbstverständlich<br />

als Mitschüler<br />

aufgenommen!“ Durch die Ver -<br />

legung der Schülerinnen und<br />

Schüler ans Goethe-Gymna -<br />

sium wären sie aus ihrem<br />

sozialen Gefüge herausgerissen<br />

worden, kritisiert Göke-Hill -<br />

mann. Vor verwaltungstechnischem<br />

Hintergrund kann man<br />

ja vielleicht noch verstehen,<br />

warum eine IVK, die aus nur<br />

vier Schülern besteht, mit einer<br />

anderen IVK zusammenlegt,<br />

aus integrationsfördernder Sicht<br />

ist eine solche Entscheidung<br />

eher nicht nachvollziehbar.

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