EVENT JOURNAL April-Mai 2018
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26 event journal<br />
I<br />
n Bezug auf unseren Körper<br />
stehen wir vor einem<br />
waschechten Henne - Ei-<br />
Problem. Wer hat das Sagen?<br />
Wer bestimmt mehr über unser<br />
Wohlbefinden, unsere Gedanken<br />
oder unser Körper? Aus lebenslanger<br />
Erfahrung wissen<br />
wir, dass wir am besten fahren,<br />
wenn wir in beiden Bereichen<br />
maximales Glück anstreben.<br />
Wenn es auf einer Ebene über<br />
einen längeren Zeitraum gut<br />
läuft, haben wir die Tendenz,<br />
diesen Aspekt unseres Daseins<br />
zu vernachlässigen. Geistige<br />
wie auch körperliche Gesundheit<br />
jedoch verlangen Pflege<br />
und Zuwendung. Auch das wissen<br />
wir. Wie wir so vieles wissen<br />
und es auch oft beiseiteschieben,<br />
weil es gerade an<br />
Zeit, den materiellen Voraussetzungen<br />
oder starkem Willen<br />
mangelt, um den einen<br />
oder anderen Aspekt<br />
unseres Lebens<br />
intensiv zu<br />
bearbeiten und<br />
zu verbessern.<br />
Ach ja, verbessern.<br />
Fitnessstudios schießen<br />
wie Pilze aus dem Boden, angereichert<br />
mit Ernährungsberatern,<br />
gelenkschonenden<br />
Apparaturen und Trainingskonzepten,<br />
Personaltrainern<br />
inklusive<br />
deren Zutaten<br />
Aufbaudrinks<br />
und Motivationssprüchen<br />
und<br />
attraktiven Sportklamotten. Das<br />
klingt wie eine lustig verkürzte,<br />
also ironische Aufzählung, und<br />
ist somit gepaart mit einem<br />
kleinen Schuss Gemeinheit. Ein<br />
Fitnessmuffel wie die Autorin<br />
kommt auf so eine charmante<br />
Idee, um die Leser zu unterhalten<br />
und den Unsportlicheren<br />
unter uns wieder mal eine kleine<br />
Gelegenheit für ein harmloses<br />
Kopfschütteln über die unermüdlichen<br />
Sportfreaks zu ermöglichen.<br />
Aber müssen wir uns immer<br />
Extreme vor Augen halten, um<br />
uns abgrenzen zu können von<br />
den Ansprüchen unserer Umgebung?<br />
Fitness als Pendant<br />
zur politischen Korrektheit, beide<br />
haben ihre Daseinsberechtigung.<br />
Im Übermaß genossen,<br />
schränken wir Körper- und Gedankenebene<br />
damit ein: Da wir<br />
zwischen den Polen Individualität<br />
und Konformismus pendeln,<br />
passen wir unser Streben nach<br />
Attraktivität oft zumindest temporär<br />
den Ansprüchen der anderen<br />
an. Mit anderen Worten<br />
nehmen die Bemühungen um<br />
einen attraktiven Körper nach<br />
dem Erreichen des Wunschpartners<br />
oft sukzessive ab und<br />
auch die Gesprächsbereitschaft<br />
in langjährigen Beziehungen<br />
leidet gern unter einem Mangel<br />
an neuen Themen. Intellektuelle<br />
und körperliche Attraktivität, um<br />
den Ansprüchen des Partners,<br />
Chefs, der besten Freundin und<br />
der social community zu genügen,<br />
ist durchaus legitim und<br />
macht das Leben ganz klar angenehm.<br />
Aber wir leben nicht<br />
nur im Außen, deshalb<br />
sollten auch unsere<br />
eigenen Ansprüche an<br />
SUDOKU<br />
uns selbst, also<br />
an unser Selbst,<br />
beträchtlich sein.<br />
Wir selbst als Massstab<br />
unserer selbst,<br />
mit unseren oft auch<br />
ungesunden und unethischen<br />
Bedürfnissen,<br />
so funktionieren wir Menschen<br />
auch. Wir müssen selbst mit<br />
uns auskommen, mit unserem<br />
Körper und dem, was wir denken.<br />
Wir stecken in unserer<br />
Haut und haben keine Chance<br />
auf ein Entkommen und da liegt<br />
der Schluss nahe, diese Zeit so<br />
angenehm wie möglich zu gestalten.<br />
Hier wiederum geraten<br />
nicht wenige Zeitgenossen in<br />
eine Zwickmühle. Wenn nämlich<br />
der angestrebte Genuss<br />
keine Nachhaltigkeit für Körper<br />
und Geist aufweist, ist dieser<br />
auf einen gewissen Zeitraum<br />
beschränkt. So können wir beispielsweise<br />
eine Menge Alkohol<br />
oder Zigaretten konsumieren,<br />
ohne zu erkranken. Wenn dies<br />
zur Gewohnheit wird, haben wir<br />
in dem Moment, in dem Aufhören<br />
relevant wird, ein Problem.<br />
Mentale Gewohnheiten sind<br />
davon nicht ausgenommen.<br />
Smartphone und Fernseher<br />
sind beliebte Freizeitkumpels<br />
für uns verspielte Unterhaltungsjunkies.<br />
Katzenvideos<br />
oder auch Derberes auf youtube<br />
und What’s App sind für viele<br />
unerlässlich geworden. Aber<br />
damit muss man ja auch nicht<br />
aufhören, denn deren Konsum<br />
ist ja nicht gesundheitsschädlich,<br />
wie schön. Aber vergessen<br />
wir hier nicht die andere, will<br />
sagen, geistige Seite der Medaille,<br />
wobei youtube-Videos<br />
(einmal abgesehen von Kursen<br />
für Autodidakten) eher fragwürdig<br />
sind als Fitnessprogramm<br />
für das menschliche Gehirn.<br />
Wahrscheinlich darf man so et<br />
was gar nicht einfach behaupten.<br />
Ist auch<br />
FITNESS<br />
richtig, aber<br />
Filmchen<br />
ETHIK<br />
im Netz<br />
haben den<br />
gleichen<br />
Nährwert<br />
fürs Brain<br />
wie über TV<br />
geglotzt.<br />
Und tatsächlich<br />
ist laut<br />
einschlägiger<br />
Studien Fernsehen eine Tätigkeit,<br />
bei der Gehirnareale nur<br />
minimal vernetzt agieren. Wir<br />
ahnen es, schlau macht das<br />
nicht, erstaunlich, da doch das<br />
Internet seiner Struktur nach<br />
organisiert ist wie ein globales<br />
Superhirn. Wie gesunde Ernährung<br />
auf unsere geistigen Fähigkeiten<br />
hingegen wirkt das<br />
gute alte Lesen, ob Buch oder<br />
Ereader spielt dabei keine Rolle.<br />
Im Idealfall konsumieren wir<br />
dabei noch ein Thema, das zusätzlich<br />
stimulierend wirkt und<br />
schon steigen unsere Punkte<br />
auf der Skala für mentale Fähigkeiten<br />
beträchtlich.<br />
Alle nur erdenklichen Arten von<br />
Rätseln, Knobeleien, Aufgabenstellungen<br />
und Mysterien<br />
beanspruchen den menschlichen<br />
Geist und verbessern also<br />
seine Leistungsfähigkeit. Doch<br />
welchen Wert hätte diese ohne<br />
Urteilsfähigkeit; Informationen<br />
in einen ethischen Kontext zu<br />
stellen und danach zu handeln<br />
entspricht der Königsdiziplin im<br />
Mehrkampf um ein glückliches<br />
Leben. Dadurch überschreiten<br />
wir den Ich-Horizont und treten<br />
in das soziale Leben ein, in die<br />
Leben anderer. Sudoku und<br />
Ethik können sich also auf<br />
wunderbare Weise ergänzen.<br />
So einfach ist das also, körperlich<br />
und geistig etwas für<br />
sein Wohlbefinden zu unternehmen.<br />
Unendlich sind die Möglichkeiten<br />
und glücklich diejenigen,<br />
die auf sie zurückgreifen<br />
wollen oder können.<br />
Vor allem das Wollen reiht sich<br />
nahtlos ein in die Aufzählung<br />
der interessanten Umstände<br />
oder Zufälle im Leben. In unserem<br />
Leben, das<br />
wir, wie gesagt, mit<br />
Hilfe unseres Körpers<br />
und unseres<br />
Denkens führen,<br />
das wir<br />
vor allem bewusst<br />
kraft<br />
unseres Willlens<br />
gestalten<br />
können, so hat es<br />
die Natur eingerichtet.<br />
Wollen wir es also<br />
nicht dem Zufall<br />
überlassen und<br />
uns manchmal<br />
überwinden<br />
und schärfen<br />
wir<br />
unseren<br />
Willen<br />
an<br />
kleinen<br />
Stolpersteinen, die unsrem<br />
faulen Ich auf die Sprünge helfen<br />
können. Ganz im Sinne des<br />
Wohlbefindens.<br />
Ob wir dabei Henne oder Ei bezwingen,<br />
spielt für uns keine<br />
Rolle.<br />
Sonya Hochrein<br />
S MMER<br />
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