Der volkswirtschaftliche Nutzen von Meteorologie in ... - MeteoSchweiz
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<strong>MeteoSchweiz</strong><br />
<strong>Der</strong> <strong>volkswirtschaftliche</strong> <strong>Nutzen</strong><br />
<strong>von</strong> <strong>Meteorologie</strong> <strong>in</strong> der Schweiz -<br />
Verkehr und Energie<br />
Schlussbericht<br />
15. Juni 2011<br />
1075_<strong>von</strong>umet1_20110615.doc
Erarbeitet durch<br />
econcept AG, Gerechtigkeitsgasse 20, CH-8002 Zürich<br />
www.econcept.ch / + 41 44 286 75 75<br />
AutorInnen<br />
Stephanie Bade, lic. oec. publ.<br />
Stefan <strong>von</strong> Grünigen, MA <strong>in</strong> Wirtschaftswissenschaften UZH<br />
Walter Ott, lic. oec. publ., Raumplaner ETH/NDS, dipl. El. Ing. ETH<br />
Mitarbeit<br />
Nicole Kaiser, BA <strong>in</strong> Politikwissenschaften<br />
Maurus Häcki, BSc <strong>in</strong> Geographie<br />
Begleitet durch<br />
Thomas Frei, <strong>MeteoSchweiz</strong><br />
Saskia Willemse, <strong>MeteoSchweiz</strong><br />
Yngve Abrahamsen. KOF (Konjunkturforschungsstelle der ETH Zürich)<br />
Dank<br />
Das Bearbeitungsteam dankt den Interviewpartnern aus den untersuchten Branchen für ihre grosse<br />
Auskunftsbereitschaft und ihre wertvollen Informationen und Anregungen, ohne die die Arbeit <strong>in</strong> dieser Art<br />
nicht möglich gewesen wäre.<br />
Date<strong>in</strong>ame: 1075_<strong>von</strong>umet1_20110615.doc Speicherdatum: 15. Juni 2011
Inhalt<br />
Abstract i<br />
Zusammenfassung ii<br />
1 E<strong>in</strong>leitung 1<br />
1.1 Ausganglage und Zielsetzungen 1<br />
1.2 <strong>Der</strong> Anonymitätsgrad der präsentierten Ergebnisse 2<br />
1.3 Berichtsaufbau 2<br />
2 Grundlagen 5<br />
2.1 Meteorologische Dienstleistungen <strong>in</strong> der Schweiz 5<br />
2.2 <strong>Nutzen</strong>aspekte <strong>von</strong> meteorologischen Informationen 7<br />
2.3 Analyserahmen 8<br />
2.4 Referenzzustand 9<br />
2.5 Entstehung der verschiedenen <strong>Nutzen</strong>aspekte 10<br />
2.5.1 Wirtschaftlichkeit <strong>von</strong> Unternehmen 10<br />
2.5.2 Ressourcene<strong>in</strong>sparungen bei staatlichen Leistungserbr<strong>in</strong>genden 11<br />
2.5.3 Schadensvermeidung 12<br />
2.5.4 Individuelle <strong>Nutzen</strong> 13<br />
2.6 Die verwendeten Messgrössen 14<br />
2.7 Erhebungskonzept 16<br />
3 Strassenverkehr 17<br />
3.1 Meteorologische Informationen im Strassenverkehr 17<br />
3.2 Analyserahmen und Akteure 17<br />
3.3 Wirkungsmodell 20<br />
3.4 Übersicht zu den Befragungen 20<br />
3.5 W<strong>in</strong>terdienste auf National- und Kantonsstrassen 22<br />
3.5.1 Interviewte W<strong>in</strong>terdienste 24<br />
3.5.2 Arbeitsweise der W<strong>in</strong>terdienste – Aussagen der Interviewpartner 24<br />
3.5.3 Verwendung <strong>von</strong> meteorologischen Informationen – Aussagen der<br />
Interviewpartner 25<br />
3.5.4 Wirkung auf den E<strong>in</strong>satz öffentlicher Mittel – Aussagen der<br />
Interviewpartner 26<br />
3.5.5 Wirkung auf die Qualität der Leistungserbr<strong>in</strong>gung – Aussagen der<br />
Interviewpartner 27<br />
3.5.6 Strassenverkehrsunfälle auf schneebedeckter, pflotschiger oder<br />
vereister Fahrbahn 27<br />
3.5.7 Drittleister 31<br />
/ I
II / Inhalt<br />
3.5.8 Würdigung 32<br />
3.5.9 Quantitative Ergebnisse und Hochrechnung 32<br />
3.6 Verkehrsmanagement 38<br />
3.6.1 Verkehrsmanagement <strong>in</strong> der Schweiz 38<br />
3.6.2 Arbeitsweise der nationalen Verkehrsmanagementzentrale und E<strong>in</strong>fluss<br />
des Wetters – Aussagen der Interviewpartner 38<br />
3.6.3 Verwendung <strong>von</strong> meteorologischen Informationen – Aussagen der<br />
Interviewpartner 39<br />
3.6.4 Wirkung auf den E<strong>in</strong>satz öffentlicher Mittel – Aussagen der<br />
Interviewpartner 39<br />
3.6.5 Wirkung auf die Qualität der Leistungserbr<strong>in</strong>gung – Aussagen der<br />
Interviewpartner 40<br />
3.6.6 Würdigung 40<br />
3.7 Gütertransportunternehmungen 40<br />
3.7.1 Die Gütertransportbranche <strong>in</strong> der Schweiz 40<br />
3.7.2 Interviewte Transportunternehmen 42<br />
3.7.3 Transportunternehmen mit Schwerpunkt Stückgut 42<br />
3.7.4 Treibstofftransporte (Logistike<strong>in</strong>heiten grosser Öl- und<br />
Energieunternehmen) 45<br />
3.7.5 Lebensmitteltransporte (Logistike<strong>in</strong>heiten grosser<br />
Lebensmittelkonzerne) 47<br />
3.7.6 Bautransporte 53<br />
3.8 Öffentlicher Strassenverkehr 55<br />
3.8.1 <strong>Der</strong> Öffentlicher Strassenverkehr <strong>in</strong> der Schweiz 55<br />
3.8.2 Interviewte ÖV-Unternehmen 58<br />
3.8.3 Die Arbeitsweise der ÖV-Anbieter und der E<strong>in</strong>fluss des Wetters –<br />
Aussagen der Interviewpartner 58<br />
3.8.4 Verwendung <strong>von</strong> meteorologischen Informationen – Aussagen der<br />
Interviewpartner 59<br />
3.8.5 Wirkung auf die Wirtschaftlichkeit – Aussagen der Interviewpartner 59<br />
3.8.6 Wirkung auf die Qualität der Leistungserbr<strong>in</strong>gung – Aussagen der<br />
Interviewpartner 60<br />
3.8.7 Würdigung 61<br />
3.8.8 Quantitative Ergebnisse und Hochrechnung 62<br />
3.9 Zusammenfassung Strassenverkehr 63<br />
3.10 Vergleich mit <strong>in</strong>ternationalen Studien 66<br />
4 Schienenverkehr 71<br />
4.1 Meteorologische Informationen im Schienenverkehr 71<br />
4.2 Analyserahmen und Akteure 72<br />
4.3 Wirkungsmodell 73<br />
4.4 <strong>Der</strong> Schienenverkehr <strong>in</strong> der Schweiz 75<br />
4.5 Übersicht zu den Befragungen 78
4.6 Eisenbahnkonzerne und -unternehmen mit eigener Infrastruktur 79<br />
4.6.1 Arbeitsweise und der E<strong>in</strong>fluss des Wetters – Aussagen der befragten<br />
Unternehmen 79<br />
4.6.2 Verwendung <strong>von</strong> meteorologischen Informationen – Aussagen der<br />
befragten Unternehmen 80<br />
4.6.3 Wirkung auf die Wirtschaftlichkeit – Aussagen der befragten<br />
Unternehmen 82<br />
4.6.4 Wirkung auf die Qualität der Leistungserbr<strong>in</strong>gung – Aussagen der<br />
befragten Unternehmen 82<br />
4.7 Eisenbahnverkehrsunternehmen ohne eigene Infrastruktur 83<br />
4.7.1 Arbeitsweise und der E<strong>in</strong>fluss des Wetters – Aussagen des befragten<br />
Unternehmens 83<br />
4.7.2 Verwendung <strong>von</strong> meteorologischen Informationen – Aussagen des<br />
befragten Unternehmens 83<br />
4.8 Komb<strong>in</strong>ierter Verkehr 84<br />
4.8.1 Arbeitsweise und der E<strong>in</strong>fluss des Wetters – Aussagen des befragten<br />
Unternehmens 84<br />
4.8.2 Verwendung <strong>von</strong> meteorologischen Informationen – Aussagen des<br />
befragten Unternehmens 84<br />
4.8.3 Wirkung auf die Wirtschaftlichkeit – Aussagen des befragten<br />
Unternehmens 84<br />
4.8.4 Wirkung auf die Qualität der Leistungserbr<strong>in</strong>gung – Aussagen des<br />
befragten Unternehmens 85<br />
4.9 Schadensvermeidung durch meteorologische Information 85<br />
4.10 Würdigung 85<br />
4.11 Zusammenfassung 87<br />
4.12 Vergleich mit <strong>in</strong>ternationalen Studien 89<br />
5 Aviatik 91<br />
5.1 Meteorologische Informationen <strong>in</strong> der Aviatik 92<br />
5.2 Analyserahmen und Akteure 93<br />
5.2.1 Airl<strong>in</strong>es 93<br />
5.2.2 Flugsicherung 94<br />
5.2.3 Landesflughäfen 95<br />
5.2.4 Übersicht über die Akteure 95<br />
5.3 Wirkungsmodell 96<br />
5.4 Flugsicherung Skyguide 98<br />
5.4.1 Verwendung <strong>von</strong> meteorologischen Informationen 98<br />
5.4.2 Wirkung auf die Qualität der Leistungserbr<strong>in</strong>gung – Aussagen <strong>von</strong><br />
Skyguide 100<br />
5.4.3 Wirkung auf die Wirtschaftlichkeit – Aussagen <strong>von</strong> Skyguide 102<br />
5.5 Airl<strong>in</strong>es 102<br />
5.5.1 Verwendung <strong>von</strong> meteorologischen Informationen 102<br />
/ III
IV / Inhalt<br />
5.5.2 Relevante meteorologische Aspekte 103<br />
5.5.3 Referenzzustand und Analyseansatz 104<br />
5.5.4 Aussagen der befragten Unternehmen zur Wirkung auf die<br />
Wirtschaftlichkeit 106<br />
5.5.5 Aussagen der befragten Unternehmen zur Wirkung auf die Qualität der<br />
Leistungserbr<strong>in</strong>gung 109<br />
5.5.6 Würdigung der Aussagen 110<br />
5.6 Quantitatives Modell «TAF Zürich» 111<br />
5.6.1 Modellbeschreibung 111<br />
5.6.2 Wirtschaftlicher <strong>Nutzen</strong> des TAF 114<br />
5.6.3 Datengrundlage 115<br />
5.6.4 Resultate 117<br />
5.7 Landesflughäfen 121<br />
5.7.1 Verwendung <strong>von</strong> meteorologischen Informationen 121<br />
5.7.2 Wirkung auf die Wirtschaftlichkeit - Aussagen der Akteure 121<br />
5.7.3 Wirkung auf die Qualität der Leistungserbr<strong>in</strong>gung - Aussagen der<br />
Akteure 123<br />
5.7.4 Würdigung der Resultate 123<br />
5.7.5 Hub-Funktion des Flughafens Zürich 124<br />
5.8 Hochrechnungen 126<br />
5.8.1 Airl<strong>in</strong>es 126<br />
5.8.2 Quantitatives Modell «TAF Zürich» 126<br />
5.8.3 Landesflughäfen 128<br />
5.9 Zusammenfassung 129<br />
5.9.1 Staatsausgaben und Wertschöpfung 129<br />
5.9.2 Schadenskosten 130<br />
5.9.3 Individuelle Reisezeiten 131<br />
5.10 Vergleich mit <strong>in</strong>ternationalen Studien 131<br />
6 Elektrizitätswirtschaft 135<br />
6.1 Meteorologische Informationen <strong>in</strong> der Elektrizitätswirtschaft 135<br />
6.2 Analyserahmen und Akteure 135<br />
6.3 Wirkungsmodell 137<br />
6.4 Energieversorgungsunternehmen (EVU) 139<br />
6.4.1 Relevante meteorologische Aspekte 142<br />
6.4.2 Verwendung <strong>von</strong> meteorologischen Informationen 143<br />
6.4.3 Aussagen der befragten Unternehmen zur Wirkung auf die<br />
Wirtschaftlichkeit 146<br />
6.4.4 Aussagen der befragten Unternehmen zur Wirkung auf die Qualität der<br />
Leistungserbr<strong>in</strong>gung 150<br />
6.4.5 Würdigung der Resultate aus der Befragung der EVU 151<br />
6.4.6 Hochrechnung 153<br />
6.5 Nationale Netzgesellschaft Swissgrid 157
6.5.1 Aussagen zur Verwendung und zum <strong>Nutzen</strong> <strong>von</strong> meteorologischen<br />
Informationen 157<br />
6.6 Schadensmanagement 158<br />
6.6.1 <strong>Nutzen</strong> <strong>von</strong> meteorologischen Informationen - Aussagen der befragten<br />
Akteure 159<br />
6.7 Zusammenfassung 159<br />
6.7.1 Staatsausgaben 160<br />
6.7.2 Wertschöpfung 160<br />
6.7.3 Schadenskosten 161<br />
6.8 Vergleich mit <strong>in</strong>ternationalen Studien 161<br />
7 <strong>Der</strong> <strong>volkswirtschaftliche</strong> <strong>Nutzen</strong> der <strong>Meteorologie</strong> <strong>in</strong> der<br />
Schweiz – Verkehr und Energie 165<br />
7.1 <strong>Der</strong> <strong>Nutzen</strong> der <strong>Meteorologie</strong> 165<br />
7.2 Kosten-<strong>Nutzen</strong>-Überlegungen 168<br />
Anhang 169<br />
A-1 Strassenwetter-Produkte 169<br />
A-2 Verwendete statistische Daten 173<br />
A-3 Referenzzustand Aviatik 175<br />
Quellenverzeichnis 177<br />
/ V
Abstract<br />
Im Auftrag des Bundesamtes für <strong>Meteorologie</strong> und Klimatologie (<strong>MeteoSchweiz</strong>) erarbei-<br />
tete econcept e<strong>in</strong>e empirisch fundierte Studie zum <strong>volkswirtschaftliche</strong>n <strong>Nutzen</strong> <strong>von</strong> me-<br />
teorologischen Informationen <strong>in</strong> der Schweiz.<br />
Wie <strong>in</strong> anderen Gebieten staatlich subventionierter Leistungserbr<strong>in</strong>gung besteht auch bei<br />
meteorologischen Informationen e<strong>in</strong> politisches und verwaltungsökonomisches Bedürfnis,<br />
ihren <strong>volkswirtschaftliche</strong>n <strong>Nutzen</strong> auszuweisen oder m<strong>in</strong>destens abzuschätzen. In der<br />
vorliegenden Studie wurde der <strong>Nutzen</strong> <strong>von</strong> meteorologischen Informationen <strong>in</strong> den Berei-<br />
chen Strassenverkehr, Schienenverkehr, Aviatik und Elektrizitätswirtschaft analysiert. Sie<br />
ist die erste empirisch fundierte Arbeit zu dieser Fragestellung <strong>in</strong> der Schweiz.<br />
In rund 50 Interviews, ergänzt durch umfangreiche Recherchen, wurden die Verwendung<br />
<strong>von</strong> meteorologischen Informationen und die E<strong>in</strong>schätzungen der <strong>Nutzen</strong>den über die<br />
Wirkungen dieser Informationen auf die Messgrössen Staatsausgaben, Wertschöpfung,<br />
Schadenskosten und <strong>in</strong>dividuelle Reisekosten erhoben. Im Bereich der Aviatik wurde<br />
zusätzlich e<strong>in</strong> quantitatives Entscheidungsmodell konstruiert und angewendet. Die Er-<br />
gebnisse wurden anschliessend auf die Wirtschaftsbereiche Energie und Verkehr hoch-<br />
gerechnet.<br />
Die resultierenden <strong>volkswirtschaftliche</strong>n <strong>Nutzen</strong> <strong>von</strong> meteorologischen Dienstleistungen<br />
<strong>in</strong> den Wirtschaftsbereichen Energie und Verkehr betragen rund 93 bis 113 Mio. CHF pro<br />
Jahr. Rund 6-13 Mio. CHF pro Jahr des <strong>in</strong> dieser Studie quantifizierten <strong>Nutzen</strong>s resultie-<br />
ren im Energiebereich und 86-100 Mio. CHF pro Jahr im Verkehrsbereich. Dabei ist je-<br />
doch zu beachten, dass die hier quantifizierten <strong>Nutzen</strong> sowohl für die untersuchten Wirt-<br />
schaftsbereiche, wie auch für die Gesamtwirtschaft nur e<strong>in</strong>e M<strong>in</strong>imalschätzung darstellen:<br />
— E<strong>in</strong> relevanter Teil der <strong>Nutzen</strong> meteorologischer Dienstleistungen <strong>in</strong> den untersuchten<br />
Wirtschaftsbereichen konnte nicht quantifiziert werden.<br />
— Die quantitative Analyse <strong>in</strong> der Aviatik beschränkt sich auf nur e<strong>in</strong>e der erbrachten<br />
meteorologischen Dienstleistungen <strong>in</strong> der Schweiz (Flughafenwetterprognose).<br />
— Die <strong>in</strong>dividuelle Verwendung <strong>von</strong> meteorologischen Informationen durch Private und<br />
deren <strong>Nutzen</strong> wurde nicht berücksichtigt.<br />
— Alle <strong>Nutzen</strong> meteorologischer Informationen ausserhalb der Wirtschaftsbereiche<br />
Energie und Verkehr wurden nicht erfasst.<br />
Die Ergebnisse der vorliegenden Studie lassen deshalb den Schluss zu, dass der volks-<br />
wirtschaftliche Gesamtnutzen der <strong>Meteorologie</strong> deutlich über den ausgewiesenen <strong>Nutzen</strong><br />
<strong>von</strong> 93 bis 113 Mio. CHF pro Jahr liegt und die Kosten <strong>von</strong> <strong>MeteoSchweiz</strong> <strong>von</strong> 80 Mio.<br />
CHF pro Jahr deutlich übersteigen. Diese Feststellung gilt umso mehr, als <strong>MeteoSchweiz</strong><br />
neben den meteorologischen Dienstleistungen auch noch klimatologische Dienstleistun-<br />
gen erbr<strong>in</strong>gt, deren <strong>volkswirtschaftliche</strong>r <strong>Nutzen</strong> hier ausgeklammert wurde.<br />
/ i
ii / Zusammenfassung<br />
Zusammenfassung<br />
Im Auftrag des Bundesamtes für <strong>Meteorologie</strong> und Klimatologie (<strong>MeteoSchweiz</strong>) erarbei-<br />
tete econcept e<strong>in</strong>e empirisch fundierte Studie zum <strong>volkswirtschaftliche</strong>n <strong>Nutzen</strong> <strong>von</strong> me-<br />
teorologischen Informationen <strong>in</strong> der Schweiz.<br />
Ausgangslage und Fragestellung<br />
Wie <strong>in</strong> anderen Gebieten der staatlich (teil-)f<strong>in</strong>anzierten Leistungserbr<strong>in</strong>gung besteht<br />
auch bei meteorologischen Informationen e<strong>in</strong> politisches und verwaltungsökonomisches<br />
Bedürfnis, ihre <strong>volkswirtschaftliche</strong>n <strong>Nutzen</strong> auszuweisen. Seit mehreren Jahrzehnten<br />
wird deshalb vor allem <strong>in</strong> den USA mit unterschiedlichen Methoden versucht, die Bedeu-<br />
tung <strong>von</strong> Wetterdiensten auf <strong>volkswirtschaftliche</strong>r Ebene zu erfassen. Aufgrund der Kom-<br />
plexität der Thematik werden <strong>in</strong> der Regel die Auswirkungen <strong>von</strong> meteorologischen In-<br />
formationen bei e<strong>in</strong>zelnen Wirtschaftsbereichen oder Branchen betrachtet. E<strong>in</strong>e Übertra-<br />
gung dieser Resultate auf die Schweiz ist kaum möglich, da sich sowohl die Wirtschafts-<br />
bereiche bezüglich Struktur, Technologie und <strong>volkswirtschaftliche</strong>r Bedeutung als auch<br />
die Rahmenbed<strong>in</strong>gungen <strong>in</strong> den USA und <strong>in</strong> der Schweiz teilweise stark unterscheiden.<br />
In der vorliegenden Studie wird erstmals versucht, empirisch fundierte Daten zu den ge-<br />
samtwirtschaftlichen <strong>Nutzen</strong> <strong>von</strong> Wetterdiensten für die Schweiz vorzunehmen. Anhand<br />
<strong>von</strong> Fallbeispielen <strong>in</strong> den Bereichen Strassenverkehr, Schienenverkehr, Aviatik und<br />
Elektrizitätswirtschaft, welche anschliessend hochgerechnet werden, leistet diese Arbeit<br />
e<strong>in</strong>en relevanten Beitrag zur Quantifizierung <strong>von</strong> <strong>volkswirtschaftliche</strong>n <strong>Nutzen</strong> der Meteo-<br />
rologie <strong>in</strong> der Schweiz. Ausserdem konnte im Rahmen dieser Studie bisher fehlendes<br />
Wissen über die konkrete Verwendung <strong>von</strong> meteorologischen Informationen generiert<br />
werden, was Voraussetzung für aussagekräftige Ergebnisse und weitere Untersuchungen<br />
ist.<br />
Meteorologische Informationen werden <strong>in</strong> der Schweiz <strong>von</strong> verschiedenen Anbietern zur<br />
Verfügung gestellt und teilweise kommerziell vertrieben. Die Anteile der verschiedenen<br />
Anbieter an den ermittelten <strong>volkswirtschaftliche</strong>n <strong>Nutzen</strong> der <strong>Meteorologie</strong> wurden im<br />
Rahmen dieser Studie nicht ermittelt.<br />
Ergebnisse<br />
In den Wirtschaftsbereichen Verkehr und Energie betragen die quantifizierbaren volks-<br />
wirtschaftlichen <strong>Nutzen</strong> der <strong>Meteorologie</strong> m<strong>in</strong>destens 93 bis 113 Mio. CHF pro Jahr (vgl.<br />
Tabelle 1). Aufgrund des begrenzten Analyserahmens und der Vielzahl <strong>von</strong> nicht quanti-<br />
fizierbaren Effekten ist dieser Wert als M<strong>in</strong>imalwert für die tatsächlichen <strong>Nutzen</strong> <strong>von</strong> me-<br />
teorologischen Informationen <strong>in</strong> diesen Wirtschaftsbereichen zu verstehen.
Wirtschaftsbereich / Branche Quantifizierbarer <strong>Nutzen</strong> pro Jahr<br />
Verkehr<br />
Strassenverkehr 66-80 Mio. CHF/a<br />
Schienenverkehr 0.3-0.4 Mio. CHF/a<br />
Aviatik 20 Mio. CHF/a<br />
Energie Elektrizitätswirtschaft 6-13 Mio. CHF/a<br />
Summe 93-113 Mio. CHF/a<br />
Tabelle 1: Quantifizierbarer Teil der <strong>volkswirtschaftliche</strong>n <strong>Nutzen</strong> meteorologischer Informationen <strong>in</strong> den<br />
Wirtschaftsbereichen Verkehr und Energie <strong>in</strong> der Schweiz. Diese Werte s<strong>in</strong>d aufgrund des begrenzten<br />
Analyserahmens und der Vielzahl <strong>von</strong> nicht quantifizierbaren Effekten als M<strong>in</strong>imalwert<br />
für die tatsächlichen <strong>Nutzen</strong> <strong>von</strong> meteorologischen Informationen zu verstehen.<br />
Figur 1 zeigt zusätzlich die Aufteilung des quantifizierbaren Teils der <strong>Nutzen</strong> auf die ver-<br />
schiedenen untersuchten Branchen. Zu beachten ist, dass der nicht untersuchte oder<br />
nicht quantifizierte Anteil der verschiedenen Branchen unterschiedlich gross ist und sich<br />
die relativen Anteile nur auf die quantifizierten <strong>Nutzen</strong> dieser Studie beziehen.<br />
Strassenverkehr<br />
71.0%<br />
Schienenverkehr<br />
0.3%<br />
Aviatik<br />
19.5%<br />
Elektrizitätswirtschaft<br />
9.2%<br />
Strassenverkehr<br />
Schienenverkehr<br />
Aviatik<br />
/ iii<br />
Elektrizitätswirtschaft<br />
econcept<br />
Figur 1: Aufteilung des quantifizierbaren Teils der <strong>volkswirtschaftliche</strong>n <strong>Nutzen</strong> auf die vier untersuchten<br />
Branchen (die Graphik basiert auf den Durchschnittswerten der e<strong>in</strong>zelnen Branchen).<br />
Aus folgenden Gründen s<strong>in</strong>d die ausgewiesenen <strong>Nutzen</strong> nur e<strong>in</strong> Teil des Gesamtnutzens<br />
der <strong>Meteorologie</strong>:<br />
— Nicht quantifizierbare <strong>Nutzen</strong>: Im Rahmen dieser Studie wurden <strong>in</strong> allen untersuch-<br />
ten Branchen <strong>Nutzen</strong> gefunden, die aufgrund fehlender Datengrundlagen nicht quan-<br />
tifiziert werden konnten. Dies betrifft e<strong>in</strong>erseits die durch die Verwendung <strong>von</strong> meteo-<br />
rologischen Informationen vermiedenen Schadens- und Unfallkosten sowie die Sen-<br />
kung <strong>von</strong> Reisezeitkosten. Die Aussagen der befragten Akteure zeigen, dass diese<br />
<strong>Nutzen</strong> existieren und <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em relevanten Umfang vorhanden s<strong>in</strong>d.<br />
Ausserdem beschränkt sich die quantitative Analyse <strong>in</strong> der Aviatik auf nur e<strong>in</strong>e der<br />
erbrachten meteorologischen Dienstleistungen <strong>in</strong> der Schweiz (Flughafenwetterprog-<br />
nose), weil bei den anderen Dienstleistungen ke<strong>in</strong>e quantitativen Aussagen möglich<br />
waren.<br />
Daher stellen die quantifizierten <strong>volkswirtschaftliche</strong>n <strong>Nutzen</strong> e<strong>in</strong>e M<strong>in</strong>imalschätzung dar.
iv / Zusammenfassung<br />
— Nicht berücksichtige <strong>in</strong>dividuelle Verwendung meteorologischer Informationen:<br />
Die <strong>Nutzen</strong> aus der <strong>in</strong>dividuellen Verwendung <strong>von</strong> meteorologischen Informationen<br />
durch Privatpersonen werden <strong>in</strong> der vorliegenden Studie nicht ermittelt. Individuen<br />
nutzen meteorologische Informationen als Konsumgut, zum Beispiel <strong>in</strong>dem sie bei ih-<br />
rer Verkehrsmittelwahl im Alltag oder bei der Freizeitgestaltung das Wetter berück-<br />
sichtigen. Das breite Interesse an meteorologischen Informationen deutet darauf h<strong>in</strong>,<br />
dass die <strong>Nutzen</strong> aus der <strong>in</strong>dividuellen Verwendung <strong>von</strong> meteorologischen Informatio-<br />
nen beträchtlich s<strong>in</strong>d.<br />
— Nicht berücksichtige Wirtschaftsbereiche: Die <strong>Nutzen</strong> <strong>von</strong> meteorologischen In-<br />
formationen <strong>in</strong> den übrigen hier nicht untersuchten Wirtschaftsbereichen werden nicht<br />
erfasst. Zum<strong>in</strong>dest für die Bereiche Tourismus, Landwirtschaft, Bauwirtschaft, Versi-<br />
cherungen und Freizeit (Kultur, Sport, Unterhaltung) weisen die vorhandenen Unter-<br />
suchungen darauf h<strong>in</strong>, dass meteorologische Informationen <strong>Nutzen</strong> generieren.<br />
— Nicht berücksichtige Teile <strong>in</strong> den untersuchten Wirtschaftsbereichen: Zusätzlich<br />
wurden auch <strong>in</strong>nerhalb der untersuchten Wirtschaftsbereiche e<strong>in</strong>zelne Teilbereiche<br />
aus der Untersuchung ausgeschlossen. Dies betrifft beispielsweise die nicht-<br />
gewerbliche Fliegerei oder die Energieversorgungsunternehmen ausserhalb der<br />
Elektrizitätswirtschaft (z.B. Erdgasversorger).<br />
Folgerung: Die hier ausgewiesenen und quantifizierten <strong>Nutzen</strong> stellen sowohl für die<br />
untersuchten Wirtschaftsbereiche im e<strong>in</strong>zelnen, als auch für die Gesamtwirtschaft nur<br />
e<strong>in</strong>en Teil des gesamtwirtschaftlichen <strong>Nutzen</strong>s meteorologischer Informationen dar. Sie<br />
entsprechen daher e<strong>in</strong>er M<strong>in</strong>imalschätzung für den resultierenden <strong>Nutzen</strong> der meteorolo-<br />
gischen Informationen <strong>in</strong> der Schweiz. Zudem werden beim Bundesamt für <strong>Meteorologie</strong><br />
und Klimatologie neben den meteorologischen Dienstleistungen auch viele klimatologi-<br />
sche Dienstleistungen erbracht, welche <strong>in</strong> den Betrachtungen dieser Studie vollständig<br />
ausgeschlossen waren.<br />
Kosten-<strong>Nutzen</strong>-Überlegung<br />
<strong>MeteoSchweiz</strong> weist e<strong>in</strong> Jahresbudget <strong>von</strong> rund 80 Mio. CHF auf, da<strong>von</strong> s<strong>in</strong>d etwa 44<br />
Mio. CHF direkte Bundesbeiträge. Die hier quantifizierten <strong>volkswirtschaftliche</strong>n <strong>Nutzen</strong> <strong>in</strong><br />
den betrachteten Wirtschaftsbereichen <strong>von</strong> rund 93 bis 113 Mio. CHF pro Jahr s<strong>in</strong>d be-<br />
reits grösser als das Jahresbudget <strong>von</strong> <strong>MeteoSchweiz</strong>. Bei dieser Kosten-<strong>Nutzen</strong>-<br />
Überlegungen ist allerd<strong>in</strong>gs Folgendes zu beachten:<br />
— E<strong>in</strong> Teil des im Rahmen der vorliegenden Studie quantifizierten <strong>volkswirtschaftliche</strong>n<br />
<strong>Nutzen</strong>s wird durch andere Anbieter meteorologischer Produkte generiert, die zwar<br />
meistens Daten <strong>von</strong> <strong>MeteoSchweiz</strong> beziehen, diese jedoch teilweise mit weiteren Da-<br />
ten komb<strong>in</strong>ieren oder weiterverarbeiten.
— Nicht nur die Produktion meteorologischer Produkte verursacht Kosten, sondern auch<br />
ihre Verwendung <strong>in</strong> den Unternehmen und staatliche Stellen. 1<br />
Die Kosten der übrigen Produzenten <strong>von</strong> meteorologischen Informationen sowie die Kos-<br />
ten, die bei der Nutzung <strong>von</strong> meteorologischen Informationen anfallen, müssen bei e<strong>in</strong>er<br />
vollständigen Kosten-<strong>Nutzen</strong>-Analyse berücksichtigt werden. Im Rahmen der vorliegen-<br />
den Studie wurden sie nicht erhoben.<br />
Die diversen hier nicht quantifizierten <strong>Nutzen</strong> führen zum Schluss, dass der volkswirt-<br />
schaftliche Gesamtnutzen der <strong>Meteorologie</strong> deutlich über den hier ausgewiesenen Nut-<br />
zen liegt. Daher dürften auch die <strong>volkswirtschaftliche</strong>n <strong>Nutzen</strong> <strong>von</strong> <strong>MeteoSchweiz</strong> deut-<br />
lich höher se<strong>in</strong> als die durch <strong>MeteoSchweiz</strong> verursachten Kosten. Dies umso mehr, als<br />
<strong>MeteoSchweiz</strong> neben den meteorologischen Dienstleistungen auch noch viele klimatolo-<br />
gische Dienstleistungen erbr<strong>in</strong>gt, deren <strong>volkswirtschaftliche</strong>r <strong>Nutzen</strong> <strong>in</strong> der vorliegenden<br />
Studie bewusst ausgeklammert wurde.<br />
Methodik<br />
Für die Untersuchung des <strong>volkswirtschaftliche</strong>n <strong>Nutzen</strong>s wurden die Messgrössen<br />
Staatsausgaben, Wertschöpfung, Schadenskosten und <strong>in</strong>dividuelle Reisekosten verwen-<br />
det. Dabei wurde die Verwendung <strong>von</strong> meteorologischen Informationen durch Unterneh-<br />
men und Infrastrukturbetreiber untersucht, nicht jedoch die Verwendung durch Privatper-<br />
sonen (vgl. Figur 3).<br />
Um den <strong>volkswirtschaftliche</strong>n <strong>Nutzen</strong> zu erheben, wurde e<strong>in</strong> präskriptiver Decision-<br />
Mak<strong>in</strong>g-Ansatz angewendet (vgl. hierzu Katz, Murphy 1997, Gunasekara 2004 sowie<br />
Infras 2008). <strong>Der</strong> Decision-Mak<strong>in</strong>g-Ansatz basiert auf der Annahme, dass meteorologi-<br />
sche Informationen gewisse Entscheidungen bee<strong>in</strong>flussen können. <strong>Der</strong> <strong>Nutzen</strong> der mete-<br />
orologischen Informationen, gemessen an den e<strong>in</strong>gangs erwähnten Messgrössen, ent-<br />
spricht dabei dem Unterschied zwischen der Situation mit und ohne meteorologische<br />
Informationen. Die ermittelten Ergebnisse gelten jeweils ceteris paribus, d.h. unter sonst<br />
gleich bleibenden Umständen.<br />
Insgesamt wurden 46 Gespräche unterschiedlicher Länge mit 59 Interviewpartnern aus<br />
verschiedenen Akteurgruppen geführt. Dabei wurde e<strong>in</strong>erseits erhoben, bei welchen Tä-<br />
tigkeiten und wie meteorologische Informationen e<strong>in</strong>en entscheidenden E<strong>in</strong>fluss haben.<br />
Anderseits wurden die <strong>in</strong>terviewten Akteure gebeten, die Effekte <strong>von</strong> meteorologischen<br />
Informationen auf die Wirtschaftlichkeit bzw. auf die Kosten der Leistungserbr<strong>in</strong>gung so-<br />
wie auf die Qualität der erbrachten Leistungen abzuschätzen. Die Aussagen der e<strong>in</strong>zel-<br />
nen Akteure wurden plausibilisiert und <strong>in</strong>nerhalb der Branche hochgerechnet. Auf der<br />
Basis bestehender <strong>in</strong>ternationaler Arbeiten (Leight et al. 1995) wurde für die Airl<strong>in</strong>es zu-<br />
sätzlich e<strong>in</strong> quantitatives Entscheidungsmodell konstruiert, mit dem e<strong>in</strong> Teilnutzen <strong>von</strong><br />
meteorologischen Informationen für Fluggesellschaften erhoben werden konnte.<br />
1 Beispiel: Weiterverarbeitung der meteorologischen Informationen <strong>in</strong>nerhalb der Unternehmen verursacht Personalkosten.<br />
/ v
vi / Zusammenfassung<br />
Aufgrund der Hochrechnung <strong>von</strong> Fallbeispielen auf ganze Branchen oder Gruppen <strong>von</strong><br />
staatlichen Leistungserbr<strong>in</strong>genden bestehen beträchtliche Unsicherheitsbereiche. Dies<br />
trifft <strong>in</strong>sbesondere auf Bereiche zu, bei denen die Anzahl durchgeführter Interviews <strong>in</strong><br />
Relation zur Diversität und Grösse der Branche relativ ger<strong>in</strong>g ist (beispielsweise bei den<br />
Strassentransportunternehmen).<br />
Informationen als<br />
PRODUKTIONSGÜTER<br />
Informationen als<br />
KONSUMGÜTER<br />
NUTZENASPEKTE<br />
MESSGRÖSSEN<br />
UNTERNEHMEN<br />
Beispiele Verkehr:<br />
- Routenplanung<br />
- Anpassung Transportmittel<br />
Beispiel Energie:<br />
- Lastprognose<br />
RESSOUREN & ERTRÄGE<br />
- Steigerung der Wirtschaftlichkeit<br />
<strong>von</strong> Unternehmen.<br />
- Ressourcene<strong>in</strong>sparungen<br />
bei staatlichen Stellen<br />
STAATSAUSGABEN<br />
WERTSCHÖPFUNG<br />
METEOROLOGISCHE INFORMATIONEN<br />
INFRASTRUKTUR-<br />
BETREIBER<br />
(Staat oder Unternehmen,<br />
i.d.R. <strong>in</strong> staatlichem<br />
Auftrag)<br />
- Gewährleistung funktionsfähigeInfrastruktur<br />
- Gewährleistung e<strong>in</strong>es<br />
optimalen Betriebes<br />
der Infrastruktur (Sicherheit,<br />
Auslastung,<br />
Spitzenlastmanagement)<br />
SCHADENSVERMEIDUNG<br />
- bei öffentlicher und privater<br />
Infrastruktur und Betriebsmitteln.<br />
- Reduktion Unfall- und<br />
Gesundheitsschäden.<br />
SCHADENSKOSTEN<br />
UNFALLKOSTEN<br />
GESUNDHEITSKOSTEN<br />
PRIVATE<br />
- Reiseplanung<br />
- Anpassung Transportmittel<br />
INDIVIDUELLER NUTZEN<br />
- Zeitersparnis.<br />
- Mehr Bedürfnisbefriedigung<br />
und Wohlbef<strong>in</strong>den.<br />
REISEKOSTEN<br />
econcept<br />
Figur 2: Meteorologische Informationen führen zu Ressourcene<strong>in</strong>sparungen, zusätzlichen Erträgen, Schadensvermeidung<br />
und <strong>in</strong>dividuellen <strong>Nutzen</strong> (<strong>in</strong> Anlehnung an INFRAS (2008)). Die gestrichelten L<strong>in</strong>ien<br />
bezeichnen Wirkungszusammenhänge, die ausserhalb des hier geltenden Analyserahmens<br />
liegen und die hier nicht erfasst werden.
1 E<strong>in</strong>leitung<br />
1.1 Ausganglage und Zielsetzungen<br />
Wie auch <strong>in</strong> anderen Gebieten der staatlich (teil-)f<strong>in</strong>anzierten bzw. subventionierten Leis-<br />
tungserbr<strong>in</strong>gung besteht auch bei Wetter- und Klimadiensten e<strong>in</strong> Bedürfnis, ihren volks-<br />
wirtschaftlichen <strong>Nutzen</strong> auszuweisen. Seit mehreren Jahrzehnten wird denn auch vor<br />
allem <strong>in</strong> den USA versucht, mittels verschiedener Methoden die Bedeutung <strong>von</strong> Wetter-<br />
und Klimadiensten auf <strong>volkswirtschaftliche</strong>r und gesamtgesellschaftlicher Ebene zu er-<br />
fassen. Aufgrund der Weite und Komplexität der Thematik werden <strong>in</strong> der Regel jeweils<br />
e<strong>in</strong>zelne Wirtschaftsbereiche oder -branchen betrachtet. <strong>Der</strong> Fokus liegt oftmals auf den<br />
Bereichen Landwirtschaft, Energie, Transport, Luftfahrt und Tourismus. Ziel dieser For-<br />
schung ist der Aufbau erweiterter Kenntnisse der nationalen Wetterdienste über die Ver-<br />
wendung und den <strong>Nutzen</strong> ihrer Produkte, um langfristig den <strong>volkswirtschaftliche</strong>n Ge-<br />
samtnutzen maximieren zu können.<br />
Für die Schweiz wurden bisher noch ke<strong>in</strong>e empirischen Arbeiten zu diesem Thema<br />
durchgeführt. Mit der Machbarkeitsstudie «Volkswirtschaftliche Bedeutung der Wetter-<br />
dienste <strong>in</strong> der Schweiz» aus dem Jahr 2008 wurde jedoch e<strong>in</strong> erster Schritt getätigt.<br />
Grundlage dieser Machbarkeitsstudie war die e<strong>in</strong>schlägige <strong>in</strong>ternationale Literatur der<br />
letzten Jahrzehnte.<br />
In e<strong>in</strong>em ersten Schritt wurden die verschiedenen Methoden, welche <strong>in</strong> den untersuchten<br />
empirischen Arbeiten verwendet wurden, analysiert und bewertet. In e<strong>in</strong>em zweiten<br />
Schritt wurden die Resultate der Studien, aufgegliedert nach Wirtschaftsbranchen und<br />
Nutzergruppen, aufgelistet. Mit dem dritten Schritt wurde schliesslich versucht, die Er-<br />
gebnisse der untersuchten Studien mittels Hochrechnung auf die Schweiz zu übertragen.<br />
Zurecht wurde aber auf e<strong>in</strong>ige grundlegende Probleme bei der Übertragung <strong>von</strong> Studien<br />
aus dem Ausland auf die Schweiz h<strong>in</strong>gewiesen. So beziehen sich die untersuchten Stu-<br />
dien oft auf die USA. Viele Wirtschaftsbereiche oder -branchen <strong>in</strong> den USA (und auch <strong>in</strong><br />
anderen Ländern) unterscheiden sich aber stark <strong>von</strong> jenen <strong>in</strong> der Schweiz, unter ande-<br />
rem bezüglich Struktur, Technologie und <strong>volkswirtschaftliche</strong>r Bedeutung. So ist bei-<br />
spielsweise die US-amerikanische Landwirtschaft nur schwer mit jener der Schweiz ver-<br />
gleichbar. Die Betriebe s<strong>in</strong>d deutlich grösser, wodurch andere Technologien und Bewirt-<br />
schaftungsformen e<strong>in</strong>gesetzt werden, und die Landwirtschaft hat <strong>in</strong> den USA e<strong>in</strong>e deut-<br />
lich grössere Bedeutung als <strong>in</strong> der Schweiz. In der Schweiz hat h<strong>in</strong>gegen beispielsweise<br />
die Wasserkraft <strong>in</strong>nerhalb der Energiebranche e<strong>in</strong>e viel höhere Bedeutung als <strong>in</strong> vielen<br />
anderen Ländern.<br />
Da sich also Ergebnisse aus dem Ausland nur bed<strong>in</strong>gt auf die Schweiz übertragen las-<br />
sen, sollten bei der Betrachtung der hiesigen Situation spezifisch für die Schweiz Daten<br />
erhoben werden. Da sich aber der <strong>volkswirtschaftliche</strong> <strong>Nutzen</strong> aus e<strong>in</strong>er Vielzahl <strong>von</strong><br />
E<strong>in</strong>zelnutzen verschiedener Akteure zusammensetzt, ist se<strong>in</strong>e Erfassung komplex und<br />
aufwendig. In der erwähnten Machbarkeitsstudie wird deshalb die Empfehlung abgege-<br />
/ 1
2 / 1 E<strong>in</strong>leitung<br />
ben, <strong>in</strong> Rahmen e<strong>in</strong>er Hauptstudie <strong>in</strong> verschiedenen Branchen der Schweiz Fallstudien<br />
durchzuführen und die so gewonnenen Ergebnisse anschliessend auf die gesamten<br />
Branchen hochzurechnen. Dieser Vorschlag erlaubt, bisher fehlendes Wissen über die<br />
konkrete Verwendung <strong>von</strong> meteorologischer Information <strong>in</strong> den verschiedenen Wirt-<br />
schaftsbranchen zu generieren, was die Vorraussetzung für aussagekräftige und an-<br />
schauliche Ergebnisse ist.<br />
Mit der Erhebung <strong>von</strong> Fallbeispielen <strong>in</strong> vier Branchen (Strassenverkehr, Schienenver-<br />
kehr, Aviatik und Elektrizitätswirtschaft) und der anschliessenden Hochrechnung der Er-<br />
gebnisse leistet diese Arbeit deswegen e<strong>in</strong>en relevanten Beitrag zur Quantifizierung des<br />
<strong>volkswirtschaftliche</strong>n <strong>Nutzen</strong>s der <strong>Meteorologie</strong> <strong>in</strong> der Schweiz.<br />
Meteorologische Informationen werden <strong>in</strong> der Schweiz <strong>von</strong> verschiedenen Anbietern zur<br />
Verfügung gestellt und kommerziell vertrieben. Die Anteile dieser verschiedenen Anbieter<br />
am <strong>volkswirtschaftliche</strong>n <strong>Nutzen</strong> der <strong>Meteorologie</strong> wurden im Rahmen dieser Studie nicht<br />
ermittelt. Insbesondere wurde nicht erhoben, wie gross der <strong>volkswirtschaftliche</strong> <strong>Nutzen</strong><br />
des Bundesamtes für <strong>Meteorologie</strong> <strong>MeteoSchweiz</strong> ist.<br />
1.2 <strong>Der</strong> Anonymitätsgrad der präsentierten Ergebnisse<br />
Im Bericht werden die Analysen und Ergebnisse mit unterschiedlichen Graden der Ano-<br />
nymisierung der befragten Unternehmen, staatlichen Stellen und Experten dargestellt.<br />
Grundsätzlich wurden die Analysen und Ergebnisse wann immer möglich anonymisiert.<br />
Bei e<strong>in</strong>igen Unternehmen, die <strong>in</strong>nerhalb ihrer Branchen stark dom<strong>in</strong>ant s<strong>in</strong>d oder sogar<br />
e<strong>in</strong>e Monopolstellung <strong>in</strong>ne haben 2 , war aber e<strong>in</strong>e Anonymisierung nicht <strong>in</strong> s<strong>in</strong>nvoller Wei-<br />
se möglich. Deswegen werden die Namen <strong>in</strong> diesen Fällen mit E<strong>in</strong>verständnis der Betrof-<br />
fenen explizit genannt.<br />
1.3 Berichtsaufbau<br />
<strong>Der</strong> Bericht gliedert sich wie folgt:<br />
— In Kapitel 2 liefert e<strong>in</strong>ige Informationen zur <strong>Meteorologie</strong> <strong>in</strong> der Schweiz und zum<br />
Begriff des <strong>volkswirtschaftliche</strong>n <strong>Nutzen</strong>s.<br />
— Kapitel 3 behandelt den Strassenverkehr mit den W<strong>in</strong>terdiensten auf den National-<br />
und Kantonstrassen, dem Verkehrsmanagement, den Gütertransportunternehmen<br />
und dem öffentlichen Strassenverkehr.<br />
— Kapitel 4 befasst sich mit dem Schienenverkehr, wobei Eisenbahnkonzernen und -<br />
unternehmen mit und ohne eigene Infrastruktur sowie der komb<strong>in</strong>ierte Verkehr be-<br />
trachtet werden.<br />
2 zum Beispiel die Bahnunternehmen SBB, BLS, RhB oder die Flugsicherung Skyguide
— Kapitel 5 behandelt den Bereich Aviatik, <strong>in</strong> dem vor allem Airl<strong>in</strong>es, die Flugsicherung<br />
und die Landesflughäfen betrachtet werden.<br />
— Kapitel 6 dreht sich um die Elektrizitätswirtschaft, wobei Energieversorgungsunter-<br />
nehmen und Swissgrid behandelt werden.<br />
— Kapitel 7 schliesslich fasst die Ergebnisse der vorangehenden Kapitel zusammen.<br />
/ 3
2 Grundlagen<br />
2.1 Meteorologische Dienstleistungen <strong>in</strong> der Schweiz<br />
Auf dem Schweizer Meteomarkt steht wie <strong>in</strong> den meisten Ländern e<strong>in</strong> nationaler Wetter-<br />
dienst im Zentrum: <strong>MeteoSchweiz</strong>. <strong>MeteoSchweiz</strong> ist e<strong>in</strong> Bundesamt (Bundesamt für<br />
<strong>Meteorologie</strong> und Klimatologie) und ist angegliedert an das Eidgenössische Departement<br />
des Innern. <strong>MeteoSchweiz</strong> ist e<strong>in</strong>erseits zu Leistungen gemäss dem staatlich def<strong>in</strong>ierten<br />
Grundauftrag verpflichtet. Diese umfassen die Sicherstellung und Wartung der Basis<strong>in</strong>f-<br />
rastruktur sowie die Lieferung <strong>von</strong> Basisdaten und -Produkten. Neben dem Grundauftrag<br />
erbr<strong>in</strong>gt <strong>MeteoSchweiz</strong> aber auch marktliche Leistungen <strong>in</strong> Form <strong>von</strong> spezialisierten Pro-<br />
dukten und Dienstleistungen, welche verkauft werden. <strong>MeteoSchweiz</strong> steht somit <strong>in</strong> di-<br />
rekter Konkurrenz mit den sieben privaten Anbietern.<br />
Die sieben privaten Anbieter s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> den letzten 25 Jahren entstanden. Die Entstehung<br />
und die Existenz <strong>von</strong> privaten Anbietern wurden durch technologische Forschritte <strong>in</strong> der<br />
Informationstechnologie und durch die Liberalisierung der meteorologischen Märkte <strong>in</strong><br />
den Achtziger-Jahren ermöglicht. Etablieren konnten sich die privaten Firmen <strong>in</strong>sbeson-<br />
dere im Medienbereich <strong>in</strong> der Deutschschweiz, mit Wetterprognosen für Tageszeitungen,<br />
Radio, Fernsehsendungen und Onl<strong>in</strong>e-Portale im Inland und im nahen Ausland. Die pri-<br />
vaten Anbieter stehen aber nicht nur bezüglich entgeltlicher Leistungen mit Mete-<br />
oSchweiz <strong>in</strong> Konkurrenz. Grosse Firmen wie Meteomedia betreiben eigene Messnetze<br />
und erheben somit selber Daten. Daneben konkurrieren kle<strong>in</strong>ere Firmen im Bereich For-<br />
schung und Entwicklung sowie bei der Zusammenarbeit mit öffentlichen Institutionen mit<br />
<strong>MeteoSchweiz</strong>.<br />
Unternehmen # Mitarbeiter E<strong>in</strong>nahmen [CHF] Spezialgebiete<br />
<strong>MeteoSchweiz</strong> 270 – Dienstleistungserlöse:<br />
ca. 34 Mio.<br />
– Bundessubventionen:<br />
ca. 44 Mio.<br />
Erbr<strong>in</strong>gt das ganze Spektrum <strong>von</strong> meteorologischen<br />
Dienstleistungen. <strong>Der</strong> aktuelle Leistungsauftrag teilt die<br />
gesetzlichen Aufgaben auf 5 Produktgruppen auf:<br />
1. Wettervorhersagen und Warnungen<br />
2. Flugwetter<br />
3. Meteorologische Daten<br />
4. Klima<strong>in</strong>formationen<br />
5. Erweiterte Dienstleistungen<br />
Meteomedia 100 20 Mio. Medienbereich D und Ö, Unwetterwarnungen<br />
MeteoNews 30 3 Mio. Medienbereich CH und F<br />
Meteotest 25 3 Mio. Software, Medien & Schadstoffprognosen<br />
SF Meteo 14 nicht bekannt Medienbereich deutschsprachige Schweiz<br />
Meteodat 6 nicht bekannt Ausbildung, Hydrologie, Klimatologie & Risikomanagement<br />
Meteoblue nicht bekannt nicht bekannt Computeranimationen<br />
Meteoradar nicht bekannt nicht bekannt Nowcast<strong>in</strong>g, Radar<strong>in</strong>terpretation. Kurzfristige Vorhersagen<br />
und Warnungen<br />
Tabelle 2: Akteure auf dem Schweizer Meteo-Markt (Zahlen aus dem Jahr 2007. Quelle: EFK 2008)<br />
/ 5
6 / 2 Grundlagen<br />
Im Gegensatz zu den übrigen Anbietern werden SF Meteo und <strong>MeteoSchweiz</strong> als Erbr<strong>in</strong>-<br />
ger <strong>von</strong> meteorologischen Dienstleistungen teilweise durch Bundesgelder f<strong>in</strong>anziert. Me-<br />
teoSchweiz war e<strong>in</strong>es der ersten Bundesämter, welches als FLAG-Amt 3 ausgestaltet wur-<br />
de. Das Bundesamt verfügt als FLAG-Amt über e<strong>in</strong> Globalbudget, mit welchem es die<br />
gesetzlich festgelegten Leistungsaufträge erfüllen muss. Mit den Erträgen aus dem Ver-<br />
kauf <strong>von</strong> marktlichen Leistungen deckte <strong>MeteoSchweiz</strong> im Jahr 2007 44 Prozent des Ge-<br />
samtaufwandes <strong>von</strong> rund 80 Millionen Franken. Für den verbleibenden Teil kommt je-<br />
weils der Bund auf. Das heisst, zu etwa 56 Prozent wurde <strong>MeteoSchweiz</strong> im Jahr 2007<br />
durch den Bund f<strong>in</strong>anziert.<br />
3 FLAG: Führung mit Leistungsauftrag und Globalbudget
2.2 <strong>Nutzen</strong>aspekte <strong>von</strong> meteorologischen Informationen<br />
«Volkswirtschaftlicher <strong>Nutzen</strong> <strong>von</strong> meteorologischen Informationen»<br />
Informationen als<br />
PRODUKTIONSGÜTER<br />
Informationen als<br />
KONSUMGÜTER<br />
NUTZENASPEKTE<br />
MESSGRÖSSEN<br />
UNTERNEHMEN<br />
Beispiele Verkehr:<br />
- Routenplanung<br />
- Anpassung Transportmittel<br />
Beispiel Energie:<br />
- Lastprognose<br />
RESSOUREN & ERTRÄGE<br />
- Steigerung der Wirtschaftlichkeit<br />
<strong>von</strong> Unternehmen.<br />
- Ressourcene<strong>in</strong>sparungen<br />
bei staatlichen Stellen<br />
STAATSAUSGABEN<br />
WERTSCHÖPFUNG<br />
METEOROLOGISCHE INFORMATIONEN<br />
INFRASTRUKTUR-<br />
BETREIBER<br />
(Staat oder Unternehmen,<br />
i.d.R. <strong>in</strong> staatlichem<br />
Auftrag)<br />
- Gewährleistung funktionsfähige<br />
Infrastruktur<br />
- Gewährleistung e<strong>in</strong>es<br />
optimalen Betriebes der<br />
Infrastruktur (Sicherheit,<br />
Auslastung, Spitzenlastmanagement)<br />
SCHADENSVERMEIDUNG<br />
- bei öffentlicher und privater<br />
Infrastruktur und Betriebsmitteln.<br />
- Reduktion Unfall- und<br />
Gesundheitsschäden.<br />
SCHADENSKOSTEN<br />
UNFALLKOSTEN<br />
GESUNDHEITSKOSTEN<br />
PRIVATE<br />
- Reiseplanung<br />
- Anpassung Transportmittel<br />
INDIVIDUELLER NUTZEN<br />
- Zeitersparnis.<br />
- Mehr Bedürfnisbefriedigung<br />
und Wohlbef<strong>in</strong>den.<br />
REISEKOSTEN<br />
/ 7<br />
econcept<br />
Figur 3: Meteorologische Information führt zu Ressourcene<strong>in</strong>sparungen, zusätzlichen Erträgen, Schadensvermeidung<br />
und <strong>in</strong>dividuellen <strong>Nutzen</strong> (<strong>in</strong> Anlehnung an INFRAS (2008)). Die gestrichelten L<strong>in</strong>ien<br />
bezeichnen Wirkungszusammenhänge, die ausserhalb des Analyserahmens liegen, vgl. Kapitel<br />
2.3.
8 / 2 Grundlagen<br />
Figur 3 zeigt, wie der <strong>volkswirtschaftliche</strong> <strong>Nutzen</strong> <strong>von</strong> meteorologischen Informationen<br />
entsteht: Meteorologischen Informationen, seien dies allgeme<strong>in</strong> zugängliche Wettervor-<br />
hersagen, marktlich gehandelte Spezialprodukte oder andere Informationen wie Messda-<br />
ten oder Warnungen, werden <strong>von</strong> Unternehmen, privaten Personen und dem Staat ge-<br />
nutzt. Die Unternehmen und der Staat verwenden die Informationen <strong>in</strong> der Regel als Pro-<br />
duktionsgüter, <strong>in</strong>dem meteorologischen Informationen <strong>in</strong> ihren Leistungserbr<strong>in</strong>gungspro-<br />
zess mit e<strong>in</strong>fliessen. Die Privaten nutzen meteorologische Informationen als Konsumgut,<br />
welches ihnen e<strong>in</strong>en <strong>Nutzen</strong> stiftet, zum Beispiel <strong>in</strong>dem sie bei ihrer Verkehrsmittelwahl<br />
im Alltag und bei Reisen das Wetter berücksichtigen und so sicherer und schneller ans<br />
Ziel gelangen.<br />
Durch die Verwendung <strong>von</strong> meteorologischen Informationen als Produktions- oder Kon-<br />
sumgut entsteht <strong>volkswirtschaftliche</strong>r <strong>Nutzen</strong>, der sich aus ganz unterschiedlichen Nut-<br />
zenaspekten zusammensetzt:<br />
— Steigerung der Wirtschaftlichkeit <strong>von</strong> Unternehmen, die zu positiven Wertschöp-<br />
fungseffekten führen können.<br />
— Ressourcene<strong>in</strong>sparungen staatlicher Leistungserbr<strong>in</strong>gender, die zu tieferen<br />
Staatsausgaben und allenfalls ebenfalls zu positiven Wertschöpfungseffekten führen .<br />
— Schadensvermeidung bei Infrastruktur und Betriebsmitteln sowie Vermeidung <strong>von</strong><br />
Gesundheits- und Personenschäden.<br />
— Individueller <strong>Nutzen</strong> <strong>in</strong> Form <strong>von</strong> Zeitersparnissen oder zusätzlicher Bedürfnisbefrie-<br />
digung.<br />
Im Kapitel 2.5 gehen wir auf jeden <strong>Nutzen</strong>aspekt kurz e<strong>in</strong>.<br />
2.3 Analyserahmen<br />
Zu Beg<strong>in</strong>n der Studie wurde geme<strong>in</strong>sam mit den Auftraggebenden festgelegt, den Analy-<br />
serahmen auf Unternehmen und den Staat zu beschränken und <strong>in</strong>dividuelle <strong>Nutzen</strong> aus<br />
der Studie auszuklammern. Im Studienverlauf hat sich aber schnell gezeigt, dass <strong>in</strong>sbe-<br />
sondere im Verkehrsbereich meteorologische Informationen <strong>in</strong> vielen Fällen e<strong>in</strong>e Effekti-<br />
vitäts- oder Qualitätsverbesserung staatlicher und / oder privater Dienstleistungen bewir-<br />
ken, deren Nutzniesser der motorisierte Individualverkehr (MIV) sowie Fahrgäste und<br />
Passagiere <strong>von</strong> Transportunternehmen s<strong>in</strong>d, da sich ihre <strong>in</strong>dividuellen Reisezeiten ver-<br />
kürzen. Ausserdem werden durch gut funktionierende Verkehrssysteme auch weitere<br />
Reisekosten wie zum Beispiel Taxikosten oder verspätungsbed<strong>in</strong>gte Übernachtungskos-<br />
ten verh<strong>in</strong>dert. Die <strong>in</strong>dividuellen Reisekosten nicht zu berücksichtigen, würde zu e<strong>in</strong>er<br />
deutlichen Unterschätzung der positiven Wirkung <strong>von</strong> meteorologischer Information füh-<br />
ren. Zudem wäre es nicht s<strong>in</strong>nvoll, diese <strong>in</strong>dividuellen Zeitkostenersparnisse während der<br />
im Rahmen des Projektes durchgeführten Befragungen bei Unternehmen und staatlichen<br />
Stellen nicht mitzuerheben. Da bei den Unternehmen und staatlichen Stellen die Ursache
höherer oder tieferer Reisekosten liegt, können Fahrzeuglenker sowie Fahrgäste und<br />
Passagiere hierzu nicht selbst Auskunft geben.<br />
Bei der im Rahmen des vorliegenden Projektes durchgeführten Analyse werden folglich<br />
nicht eigentlich <strong>in</strong>dividuelle <strong>Nutzen</strong> ausgeblendet, sondern vielmehr die <strong>in</strong>dividuelle Ver-<br />
wendung <strong>von</strong> meteorologischen Prognosen.<br />
2.4 Referenzzustand<br />
Heute beobachten wir e<strong>in</strong>e bestimmte Nutzung <strong>von</strong> meteorologischen Prognosen sowie<br />
bestimmte Zustände der Messgrössen Wertschöpfung, Staatsausgaben, Schadens-, Un-<br />
fall und Gesundheitskosten sowie Reisezeitkosten. Um aber die Wirkung und den <strong>Nutzen</strong><br />
der Wetter<strong>in</strong>formation abschätzen zu können, s<strong>in</strong>d zwei Beobachtungspunkte notwendig<br />
(vgl. Figur 4). Die tatsächlich empirische Beobachtung zweier Nutzungs-Zustände und<br />
deren Vergleich (unter Kontrolle aller anderen wichtigen E<strong>in</strong>flussfaktoren, d.h. «ceteris<br />
paribus») ist bei der vorliegenden Fragestellung nicht möglich. Deswegen muss e<strong>in</strong> hypo-<br />
thetischer Referenzzustand def<strong>in</strong>iert werden.<br />
«<strong>Nutzen</strong>beurteilung am Beispiel <strong>von</strong> Wertschöpfungseffekten»<br />
Wertschöpfung<br />
Ke<strong>in</strong>e<br />
Nutzung<br />
∆ Nutzung<br />
Nutzung<br />
Figur 4: Relation zwischen meteorologischen Informationen und Wertschöpfung.<br />
∆ Wertschöpfung<br />
Heutige<br />
Nutzung<br />
Verbesserte<br />
Nutzung<br />
Wertschöpfung<br />
meteorologische<br />
Informationen<br />
/ 9<br />
econcept<br />
Für das vorliegende Projekt verwenden wir grundsätzlich den hypothetischen Referenz-<br />
zustand «ke<strong>in</strong>e Nutzung <strong>von</strong> meteorologischen Prognosen» und vergleichen diesen mit<br />
der heutigen Nutzung <strong>von</strong> meteorologischen Prognosen. Wie sich im Verlauf der Studie<br />
gezeigt hat, kann dieser Referenzzustand im Bereich der Aviatik nicht verwendet werden,<br />
da aufgrund der essentiellen Bedeutung der <strong>Meteorologie</strong> für die Fliegerei mit dem Refe-<br />
renzzustand «ke<strong>in</strong>e Nutzung <strong>von</strong> meteorologischen Prognosen» ke<strong>in</strong>e zweckmässige
10 / 2 Grundlagen<br />
«ceteris paribus» Analyse möglich wäre. Deshalb wurde durch <strong>MeteoSchweiz</strong> e<strong>in</strong> hypo-<br />
thetischer Referenzzustand def<strong>in</strong>iert, der im Vergleich zu heute schlechtere meteorologi-<br />
sche Informationen beschreibt und e<strong>in</strong>e «ceteris paribus» Analyse ermöglicht. Da dieser<br />
Referenzzustand anhand <strong>von</strong> spezifischen Flugwetterprodukten def<strong>in</strong>iert ist, f<strong>in</strong>det sich<br />
se<strong>in</strong>e ausführliche Beschreibung im Kapitel 5.<br />
2.5 Entstehung der verschiedenen <strong>Nutzen</strong>aspekte<br />
2.5.1 Wirtschaftlichkeit <strong>von</strong> Unternehmen<br />
Mit dem vorliegen Projekt wollen wir untersuchen, ob meteorologische Informationen <strong>in</strong><br />
den analysierten Branchen zu wirtschaftlichen Effizienzgew<strong>in</strong>nen führen, die e<strong>in</strong>en positi-<br />
ven Wertschöpfungseffekt bewirken.<br />
«E<strong>in</strong>fluss <strong>von</strong> meteorologischen Informationen auf die Effizienz <strong>von</strong> Unternehmen»<br />
Meteorologische<br />
Informationen<br />
Qualität<br />
staatlicher<br />
Leistungen<br />
Qualität der<br />
Infrastrukturbetreiber<br />
(1)<br />
Wirtschaftlichkeit<br />
<strong>von</strong><br />
Unternehmen<br />
Figur 5: Wirkungskette: Wirkung <strong>von</strong> meteorologischen Informationen auf die Wertschöpfung<br />
econcept<br />
(1) Mit den Infrastrukturbetreibern s<strong>in</strong>d Unternehmen geme<strong>in</strong>t, die (meist mit staatlichem Leistungsauftrag)<br />
durch Unterhalt und Management die Kapazität Schienennetzes sowie des Luftraumes<br />
bee<strong>in</strong>flussen (Verkehrsbereich) oder die Stabilität des Stromnetzes gewährleisten (Energiebereich).<br />
Wirtschaftlichkeit (wirtschaftliche Effizienz) ist def<strong>in</strong>iert durch das Verhältnis <strong>von</strong> Ertrag<br />
und Aufwand. Gel<strong>in</strong>gt es e<strong>in</strong>em Unternehmen, bei gleichem Aufwand den Ertrag zu erhö-<br />
hen, steigt se<strong>in</strong>e Wirtschaftlichkeit und es steigert se<strong>in</strong>en Beitrag an die gesamtwirt-<br />
schaftliche Wertschöpfung. Damit dies zu e<strong>in</strong>er Erhöhung der gesamtwirtschaftlichen<br />
Wertschöpfung führt, darf die Ertragssteigerung nicht zulasten anderer Unternehmen<br />
gehen, sonst handelt es sich um re<strong>in</strong>e Umverteilungseffekte zwischen sich konkurrenzie-<br />
renden Unternehmen. Bei allen im Rahmen dieses Berichtes festgestellten Effizienzstei-<br />
gerungen, die durch meteorologische Informationen bed<strong>in</strong>gt s<strong>in</strong>d, muss also der Nach-<br />
weis erbracht werden, dass es sich nicht um re<strong>in</strong>e Umverteilungseffekte handelt.<br />
Wertschöpfung
Auch e<strong>in</strong>e Aufwandssenkung bei gleichem Ertrag erhöht die Wirtschaftlichkeit e<strong>in</strong>es Un-<br />
ternehmens. In diesem Fall werden personelle oder materielle Ressourcen frei, die an<br />
anderen Stellen der Volkswirtschaft produktiv e<strong>in</strong>gesetzt werden können und so zusätzli-<br />
che Wertschöpfung generieren. Aufwandssenkungen können bei e<strong>in</strong>em Unternehmen<br />
allerd<strong>in</strong>gs auch dadurch entstehen, dass Kosten <strong>in</strong>nerhalb der Wertschöpfungskette auf<br />
vor- oder nachgelagerte Betriebe oder auch auf die Endabnehmer verschoben werden.<br />
Deswegen ist auch hier jeweils zu prüfen, ob es sich um wertschöpfungswirksame Effi-<br />
zienzsteigerungen handelt, oder um Umverteilungseffekte.<br />
Figur 5 zeigt die im Rahmen des Projekts untersuchte Wirkungskette, die zu Wirtschaft-<br />
lichkeitsgew<strong>in</strong>nen bei Unternehmen und dadurch auch zu zusätzlicher Wertschöpfung<br />
führen kann.<br />
E<strong>in</strong>erseits können Unternehmen meteorologische Informationen direkt als Produktionsgut<br />
nutzen und damit ihre Wirtschaftlichkeit steigern, sei dies durch Aufwandssenkungen<br />
oder durch Ertragssteigerungen. Andererseits können meteorologische Informationen <strong>von</strong><br />
staatlichen Leistungserbr<strong>in</strong>genden und <strong>von</strong> Infrastrukturbetreiber genutzt werden, welche<br />
die Rahmenbed<strong>in</strong>gungen für die Unternehmen bee<strong>in</strong>flussen und damit ebenfalls die Wirt-<br />
schaftlichkeit der Unternehmen erhöhen können. So führt zum Beispiel e<strong>in</strong> besserer W<strong>in</strong>-<br />
terdienst zu besseren Strassenverhältnissen und so zu weniger Stauzeiten, wodurch<br />
Strassentransportunternehmen <strong>in</strong> kürzerer Zeit mit ger<strong>in</strong>gerem Risiko ihr Ziel erreichen<br />
und damit wirtschaftlicher s<strong>in</strong>d. Auch bee<strong>in</strong>flussen die Betreiber der Bahnnetze die Wirt-<br />
schaftlichkeit <strong>von</strong> Bahnunternehmen ohne eigene Infrastruktur. Ähnliche Effekte s<strong>in</strong>d<br />
auch <strong>in</strong> der Elektrizitätswirtschaft und <strong>in</strong> der Aviatik zu erwarten.<br />
2.5.2 Ressourcene<strong>in</strong>sparungen bei staatlichen Leistungserbr<strong>in</strong>genden<br />
Wie bei Unternehmen wollen wir auch bei staatlichen Leistungserbr<strong>in</strong>genden untersu-<br />
chen, ob meteorologische Informationen zu Effizienzgew<strong>in</strong>nen führen, die Staatsausga-<br />
ben senken und allenfalls auch positive Wertschöpfungseffekte nach sich ziehen.<br />
Bei staatlichen Leistungserbr<strong>in</strong>genden lässt sich die Effizienz nicht mit dem Verhältnis<br />
<strong>von</strong> Ertrag und Aufwand messen, da staatliche Dienstleistungen <strong>in</strong> der Regel ke<strong>in</strong>e Er-<br />
träge über den Verkauf <strong>von</strong> Waren und Dienstleistungen generieren, sondern aufwands-<br />
orientiert über Steuern f<strong>in</strong>anziert werden.<br />
Um den E<strong>in</strong>fluss <strong>von</strong> meteorologischen Prognosen auf die Effizienz <strong>von</strong> staatlichen Leis-<br />
tungserbr<strong>in</strong>genden zu beurteilen, betrachten wir deswegen nicht das Verhältnis <strong>von</strong> Er-<br />
trag und Aufwand, sondern den Aufwand (Ressourcene<strong>in</strong>satz) bei e<strong>in</strong>em gegebenen<br />
Leistungsniveau.<br />
/ 11
12 / 2 Grundlagen<br />
«E<strong>in</strong>fluss <strong>von</strong> meteorologischen Informationen auf den Ressourcene<strong>in</strong>satz staatlicher<br />
Leistungserbr<strong>in</strong>gender»<br />
Meteorologische<br />
Informationen<br />
econcept<br />
Figur 6: Wirkungskette: Wirkung <strong>von</strong> meteorologischen Informationen auf die Staatsausgaben und die<br />
Wertschöpfung.<br />
Figur 6 zeigt die untersuchte Wirkungskette. Die Nutzung <strong>von</strong> meteorologischen Informa-<br />
tionen kann bei staatlichen Stellen zu E<strong>in</strong>sparung <strong>von</strong> Ressourcen führen. Dies senkt <strong>in</strong><br />
jedem Fall die Staatsausgaben. Werden durch die Staatsausgabensenkung Ressourcen<br />
frei, entsteht zusätzliche Wertschöpfung. Die Betrachtung <strong>von</strong> Ressourcene<strong>in</strong>sparungen<br />
bei gleichem Leistungsniveau stellt sicher, dass die zusätzliche Wertschöpfung nicht<br />
durch Leistungsverluste oder zusätzliche Aufwendungen bei anderen staatlichen Stellen<br />
oder privaten verm<strong>in</strong>dert oder elim<strong>in</strong>iert wird. 4 Ausserdem ist (wie auch bei den oben<br />
diskutierten Wirtschaftlichkeitsgew<strong>in</strong>nen <strong>von</strong> Unternehmen) zu beachten, dass nur dann<br />
Wertschöpfungseffekte entstehen, wenn es sich um «echte» Ressourcene<strong>in</strong>sparungen<br />
handelt, und nicht um Kostenverschiebungen auf andere staatliche Stellen oder Private.<br />
2.5.3 Schadensvermeidung<br />
Ressourcene<strong>in</strong>satz<br />
für<br />
staatliche<br />
Leistungen<br />
Nebst dem, dass meteorologische Informationen die Wirtschaftlichkeit <strong>von</strong> Unternehmen<br />
und den Ressourcene<strong>in</strong>satz bei staatlichen Stellen bee<strong>in</strong>flussen können, ist anzuneh-<br />
men, dass sie <strong>in</strong> vielen Bereichen ebenfalls das Schadensrisiko und damit auch die<br />
durchschnittlichen jährlichen Schadenskosten senken.<br />
Staatsausgaben<br />
Anhand <strong>von</strong> Figur 7 ist die Wirkungskette ersichtlich: E<strong>in</strong>erseits bee<strong>in</strong>flussen meteorolo-<br />
gische Informationen die Qualität staatlicher Stellen positiv. 5 Andererseits steigern sie die<br />
Qualität <strong>von</strong> Infrastrukturbetreibern, die der Privatwirtschaft zuzurechnen s<strong>in</strong>d, wie Bahn-<br />
unternehmen, die Flugsicherung, die Landesflughäfen oder auch die Betreiber<strong>in</strong>nen der<br />
Stromnetze. Die bessere Pflege bzw. die bessere Bewirtschaftung der Infrastruktur kann<br />
das Unfallrisiko <strong>in</strong> den jeweiligen Bereichen senken, was wiederum tiefere durchschnittli-<br />
che Unfall- oder Vorfallzahlen pro Jahr und tiefere Schadenskosten zur Folge hat. Gleich-<br />
zeitig wirken meteorologische Informationen auch auf die Qualität der Leistungserbr<strong>in</strong>-<br />
gung anderer Unternehmen wie Strassentransporteure, Personenverkehrsunternehmen,<br />
Fluggesellschaften oder Stromproduzenten. Auch diese Akteure können durch an das<br />
Wetter angepasstes Verhalten das Unfall- und Schadensrisiko senken. Dabei ist anzu-<br />
merken, dass e<strong>in</strong>ige Akteure primär auf das Wetter selbst, nicht auf die verfügbaren me-<br />
4 Beispiel: E<strong>in</strong>e Ressourcene<strong>in</strong>sparung beim Strassenw<strong>in</strong>terdienst bei tieferem Leistungsniveau spart zwar W<strong>in</strong>terdienstkosten,<br />
führt aber im W<strong>in</strong>ter zu schlechteren Strassenverhältnissen und zu zusätzlichen Unfällen, die mit hoher Wahrsche<strong>in</strong>lichkeit<br />
<strong>volkswirtschaftliche</strong> Kosten <strong>in</strong> Form <strong>von</strong> Schadens- und Polizeikosten verursachen.<br />
5 Staatliche Stellen s<strong>in</strong>d vor allem im Strassenverkehr relevant: Strassendienste, Verkehrsmanagement.
teorologischen Informationen reagieren. Darauf gehen wir aber bei der Beschreibung der<br />
Befragungsergebnisse im Detail e<strong>in</strong>.<br />
«E<strong>in</strong>fluss <strong>von</strong> meteorologischen Informationen auf die Schadenskosten»<br />
MeteorologischeInformationen<br />
Qualität der staatlichenLeistungserbr<strong>in</strong>gung<br />
Qualität der<br />
Infrastrukturbetreiber<br />
(1)<br />
Figur 7: Wirkungskette: Wirkung <strong>von</strong> meteorologischen Prognosen auf die Schadenskosten.<br />
/ 13<br />
econcept<br />
(1) Mit den Infrastrukturbetreibern s<strong>in</strong>d Unternehmen geme<strong>in</strong>t, die (meist mit staatlichem Leistungsauftrag)<br />
durch Unterhalt und Management die Kapazität Schienennetzes sowie des Luftraumes<br />
bee<strong>in</strong>flussen (Verkehrsbereich) oder die Stabilität des Stromnetzes gewährleisten (Energiebereich).<br />
2.5.4 Individuelle <strong>Nutzen</strong><br />
Qualität Leistungserbr<strong>in</strong>gung<br />
bei<br />
Unternehmen<br />
Im Verkehrs- und Transportbereich können meteorologische Informationen nicht nur zur<br />
Steigerung der Wirtschaftlichkeit, zu Ressourcene<strong>in</strong>sparungen und zur Senkung <strong>von</strong> Un-<br />
fallhäufigkeiten führen, sondern auch zur Reduktion <strong>von</strong> <strong>in</strong>dividuellen Reisezeiten, wobei<br />
der E<strong>in</strong>fluss <strong>von</strong> meteorologischen Informationen auf die Reisezeit <strong>in</strong> der Regel durch e<strong>in</strong><br />
Zusammenspiel mehrere Effekte entsteht (Figur 8).<br />
Meteorologische Informationen bee<strong>in</strong>flussen e<strong>in</strong>erseits die Qualität <strong>von</strong> staatlichen Leis-<br />
tungserbr<strong>in</strong>genden bzw. <strong>von</strong> Infrastrukturbetreibern (beispielsweise die W<strong>in</strong>terdienste auf<br />
den Nationalstrassen bzw. der Landesflughäfen). <strong>Der</strong> Zustand der Infrastruktur bee<strong>in</strong>-<br />
flusst die Reisezeiten für den Individualverkehr, aber auch die Qualität, die Transportun-<br />
ternehmen anbieten können, die das Strassen- oder Schienennetz oder den Flughafen<br />
nutzen. Aus dem Zusammenspiel <strong>von</strong> Staat, Infrastrukturbetreibern und Unternehmen<br />
ergeben sich schliesslich die Reisezeiten und somit auch die Reisekosten des Individual-<br />
verkehrs und der Fahrgäste und Passagiere. Auch die <strong>in</strong>dividuelle Verkehrsmittelwahl<br />
und die Wahl der Reiserouten bee<strong>in</strong>flussen die Reisezeitkosten, dieser Wirkungskanal<br />
liegt jedoch ausserhalb des Analyserahmens.<br />
Schadensrisiko <br />
Schadenskosten<br />
Grundsätzlich muss bei den <strong>in</strong>dividuellen Reisezeitkosten beachtet werden, dass diese<br />
nicht immer reale monetäre Auswirkungen haben. Während im Flug- und Schienenver-<br />
kehr Verspätungen ab e<strong>in</strong>em gewissen Ausmass durch die Transportanbieter entschädigt<br />
werden und allenfalls auch durch Verspätungen entstandene Übernachtungskosten ver-<br />
gütet werden müssen, ist dies bei Autofahrern und Passagieren des öffentlichen Stras-<br />
senverkehrs <strong>in</strong> der Regel nicht der Fall. In diesen Fällen könne die Reisezeitkosten mit
14 / 2 Grundlagen<br />
Ansätzen bewertet werden, die im Rahmen anderer Forschungsarbeiten ermittelt wurden<br />
und die vor allem im Verkehrsbereich mittlerweile auch bereits <strong>in</strong> Normen 6 festgelegt<br />
s<strong>in</strong>d, die normalerweise dazu verwendet werden, e<strong>in</strong>e e<strong>in</strong>heitliche Bewertungspraxis bei<br />
Verkehrs<strong>in</strong>frastrukturprojekten zu gewährleisten.<br />
«E<strong>in</strong>fluss <strong>von</strong> meteorologischen Informationen auf die Reisezeitkosten»<br />
MeteorologischeInformationen<br />
Figur 8: Wirkungskette: Wirkung <strong>von</strong> meteorologischer Information auf die Reisezeitkosten.<br />
econcept<br />
(1) Mit den Infrastrukturbetreibern s<strong>in</strong>d private Unternehmen geme<strong>in</strong>t, die (meist mit staatlichem<br />
Leistungsauftrag) durch Unterhalt und Management die Kapazität Schienennetzes sowie des<br />
Luftraumes bee<strong>in</strong>flussen (Verkehrsbereich) oder die Stabilität des Stromnetzes gewährleisten<br />
(Energiebereich).<br />
(2) Die <strong>in</strong>dividuelle Verkehrsmittelwahl und die Antizipation der Reisezeit werden aus der Analyse<br />
ausgeklammert.<br />
Qualität der staatlichenLeistungserbr<strong>in</strong>gung<br />
Qualität der<br />
Infrastrukturbetreiber<br />
(1)<br />
Individuelle Verkehrsmittelwahl<br />
&<br />
Wahl Reiseroute (2)<br />
Qualität Leistungserbr<strong>in</strong>gung<br />
bei<br />
Unternehmen<br />
2.6 Die verwendeten Messgrössen<br />
Für die Quantifizierung des <strong>volkswirtschaftliche</strong>n <strong>Nutzen</strong>s verwenden wir die Messgrös-<br />
sen Staatsausgaben, Wertschöpfung, Schadenskosten und Reisekosten. Diese s<strong>in</strong>d im<br />
Rahmen dieses Berichtes wie folgt def<strong>in</strong>iert:<br />
— Staatsausgaben umfassen alle Ausgaben staatlicher Stellen sowie Subventionen<br />
(<strong>in</strong>sbesondere F<strong>in</strong>anzhilfen und Abgeltungen). E<strong>in</strong>sparungen bei staatlichen Stellen<br />
sowie die Reduktion <strong>von</strong> Subventionen führen zur Senkung der Staatsausgaben.<br />
6 VSS-Normen SN 641 820 (Grundnorm), SN 641 822 (Zeitkosten im Personenverkehr), SN 641 823 Kosten-<strong>Nutzen</strong>-<br />
Analysen im Strassenverkehr (Zeitkosten im Güterverkehr).<br />
Reisezeiten<br />
Reisekosten
— Die Wertschöpfung e<strong>in</strong>es Unternehmens entspricht se<strong>in</strong>em Produktionswert abzüg-<br />
lich der Vorleistungen 7 . Durch e<strong>in</strong>e höhere Produktion bei gleichen Vorleistungen<br />
oder durch e<strong>in</strong>e Senkung der notwendigen Vorleistungen bei gleicher Produktion<br />
steigt die Wertschöpfung (bei gleichen Marktpreisen). In den durchgeführten Analy-<br />
sen wurde meist <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em ersten Schritt der E<strong>in</strong>fluss <strong>von</strong> meteorologischen Informati-<br />
onen auf die Wirtschaftlichkeit 8 e<strong>in</strong>es Unternehmens betrachtet, um <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em zweiten<br />
Schritt auf Wertschöpfungseffekte zu schliessen. Die Erhöhung der Wirtschaftlichkeit 9<br />
führt unter folgenden Umständen zu e<strong>in</strong>em positiven Wertschöpfungseffekt:<br />
– Die Verr<strong>in</strong>gerung des notwendigen Ressourcene<strong>in</strong>satzes (Aufwand) bei gleichem<br />
Ertrag und Produktionswert sowie gleichen Vorleistungen setzt Ressourcen frei,<br />
die anderorts produktiv e<strong>in</strong>gesetzt werden können und so zusätzliche Wertschöp-<br />
fung generieren.<br />
– Die Erhöhung des Ertrages und damit des Produktionswertes bei gleichbleiben-<br />
dem Verbrauch <strong>von</strong> Vorleistungen führt zu e<strong>in</strong>er Wertschöpfungssteigerung beim<br />
betrachteten Unternehmen. Auf gesamt<strong>volkswirtschaftliche</strong>r Ebene entsteht lang-<br />
fristig nur dann e<strong>in</strong> positiver Wertschöpfungseffekt, wenn nicht gleichzeitig der<br />
Produktionswert anderer Unternehmen s<strong>in</strong>kt, entweder durch strukturelle Verän-<br />
derungen (Umverteilung <strong>von</strong> Ressourcen) oder Verschiebung der Marktanteile<br />
(Umverteilung <strong>von</strong> Erträgen).<br />
— Schadenskosten umfassen Sach- und Personenschäden, wobei <strong>in</strong> der vorliegenden<br />
Studie durch Unfälle oder Naturereignisses verursachte Sach- und Personenschäden<br />
im Vordergrund stehen. Inwiefern sich Sach- und Personenschäden <strong>in</strong> den anderen<br />
betrachteten Messgrössen (<strong>in</strong>sbesondere Staatsausgaben und Wertschöpfung) nie-<br />
derschlagen, ist situationsabhängig und nicht auf e<strong>in</strong>fache Weise abzuleiten. Deswe-<br />
gen werden Schadenkosten als eigene <strong>Nutzen</strong>messgrösse aufgeführt, die nicht mit<br />
Staatsausgaben, Wertschöpfung oder <strong>in</strong>dividuellen Reisekosten aufaddiert werden<br />
kann.<br />
— Individuelle Reisekosten umfassen Zeit- und Fahrtkosten sowie weitere Kosten, die<br />
im Falle blockierter Verkehrswege oder verpasster Anschlussreisemöglichkeiten ent-<br />
stehen.<br />
Wichtig für die Interpretation der Resultate ist die Addierbarkeit der verschiedenen Mess-<br />
grössen: Vermiedenen Staatsausgaben und zusätzliche Wertschöpfung dürfen aufaddiert<br />
werden. Vermiedene Schadens- und Reisekosten dürfen jedoch weder mite<strong>in</strong>ander noch<br />
mit vermiedenen Staatsausgaben und zusätzlicher Wertschöpfung addiert werden, da<br />
ihre Wirkung auf die übrigen betrachteten Messgrössen nicht e<strong>in</strong>deutig ist.<br />
7 im Produktionsprozess verbrauchten, verarbeiteten oder umgewandelten Waren und Dienstleistungen<br />
8 Wirtschaftlichkeit = Ertrag/Aufwand<br />
9 Wirtschaftlichkeit = Ertrag/Aufwand<br />
/ 15
16 / 2 Grundlagen<br />
2.7 Erhebungskonzept<br />
Um den <strong>volkswirtschaftliche</strong>n <strong>Nutzen</strong> <strong>in</strong> den betrachteten Wirtschaftsbereichen zu erhe-<br />
ben, wurde e<strong>in</strong> präskriptiver Decision-Mak<strong>in</strong>g-Ansatz gewählt. INFRAS (2008) beschrei-<br />
ben die Methode <strong>in</strong> ihrer Vorstudie zum vorliegenden Projekt wie folgt:<br />
«Die Decision-Mak<strong>in</strong>g Ansätze basieren auf dem Grundgedanken, dass der <strong>Nutzen</strong><br />
der Wetterprognose sich aus dem E<strong>in</strong>fluss der Information auf Entscheidungen bei<br />
wettersensiblen Tätigkeiten ergibt (Katz, Murphy 1997). <strong>Der</strong> E<strong>in</strong>fluss besteht dar<strong>in</strong>,<br />
dass Wetterdienst<strong>in</strong>formationen die Unsicherheiten <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Entscheidungsprozess<br />
verr<strong>in</strong>gern. Entsprechend fliessen die Wetter<strong>in</strong>formationen <strong>in</strong> die Modelle als Input-<br />
faktoren e<strong>in</strong>es Produktions- bzw. Entscheidungsprozesses e<strong>in</strong>. Dabei werden die<br />
Entscheidungsalternativen identifiziert und die Bedeutung der Wetterdienst<strong>in</strong>formati-<br />
onen im Entscheidungsprozess modelliert. <strong>Der</strong> <strong>Nutzen</strong> der Wetter<strong>in</strong>formationen er-<br />
gibt sich sodann aus dem veränderten Output mit Information gegenüber dem Output<br />
ohne diese Information. In den meisten Fällen besteht der <strong>Nutzen</strong> <strong>in</strong> vermiedenen<br />
Kosten.<br />
….<br />
Im Unterschied zu den präskriptiven bzw. normativen Decision-mak<strong>in</strong>g Models geht<br />
der deskriptive Ansatz nicht <strong>von</strong> e<strong>in</strong>em Verhalten nach normativen Pr<strong>in</strong>zipien wie<br />
Gew<strong>in</strong>nmaximierung oder Verlustm<strong>in</strong>imierung, sondern vom effektiven Verhalten aus.<br />
(Free-bairn/Zillman 2002). <strong>Der</strong> E<strong>in</strong>fluss der Wetter<strong>in</strong>formationen auf Entscheidungen<br />
wird über verschiedene Methoden, namentlich Befragungen bei Wirtschaftssubjekten,<br />
Experimenten oder Regressionsanalysen auf Basis <strong>von</strong> Sekundärdaten gewonnen.<br />
Die Ergebnisse werden dann <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em <strong>Nutzen</strong>modell ökonometrisch e<strong>in</strong>gebracht<br />
(Gunasekara 2004).»<br />
Für das vorliegende Projekt wurden <strong>in</strong>sgesamt 46 Gespräche unterschiedliche Länge<br />
mit 59 Interviewpartnern aus verschiedenen Akteurgruppen geführt. E<strong>in</strong>erseits wurde<br />
die Verwendung <strong>von</strong> meteorologischen Informationen <strong>in</strong> den verschiedenen betrach-<br />
teten Wirtschaftsbranchen (z.B. Elektrizitätserzeugung oder Güterbeförderung im<br />
Strassenverkehr) und Bereichen staatlicher Leistungserbr<strong>in</strong>gung (z.B. Strassendiens-<br />
te) erhoben. Anderseits wurden die <strong>in</strong>terviewten Akteure gebeten, die Effekte <strong>von</strong> meteo-<br />
rologischen Informationen auf die Wirtschaftlichkeit (bzw. bei staatliche Unternehmen die<br />
Kosten der Leistungserbr<strong>in</strong>gung) sowie auf die Qualität der erbrachten Leistungen abzu-<br />
schätzen. Dies konnten und wollten jeweils nicht alle Akteure abschätzen. Im Bereich<br />
Aviatik wurde deswegen zusätzlich auf Basis bestehender <strong>in</strong>ternationaler Arbeiten (Leight<br />
et al. 1995, ) e<strong>in</strong> quantitatives Modell erstellt, mit dem e<strong>in</strong> Teilnutzen <strong>von</strong> meteorologi-<br />
schen Informationen für Fluggesellschaften erhoben werden konnte.
3 Strassenverkehr<br />
3.1 Meteorologische Informationen im Strassenverkehr<br />
E<strong>in</strong>e Reihe <strong>von</strong> Wetterereignissen wirkt sich auf den Strassenverkehr aus. Da die vorlie-<br />
gende Studie den <strong>Nutzen</strong> <strong>von</strong> meteorologischen Vorhersagen erfassen soll, <strong>in</strong>teressieren<br />
vor allem Wetterereignisse, deren Auswirkungen im Strassenverkehr durch Wetterprog-<br />
nosen gemildert werden können. Zudem liegt der Fokus der Studie auf Wetterereignis-<br />
sen, die mehrmals pro Jahr oder pro W<strong>in</strong>terhalbjahr auftreten und nicht auf Extremereig-<br />
nissen, wie Orkane oder Überschwemmungen, die im langjährigen Mittel nur alle paar<br />
Jahre vorkommen. Aus diesem Grund wird vor allem der <strong>Nutzen</strong> <strong>von</strong> Prognosen für die<br />
folgenden Wetterereignisse betrachtet:<br />
— Schnee, der zu Glätte und zur Schliessung <strong>von</strong> Alpenpässen führen kann.<br />
— Frost <strong>in</strong> Komb<strong>in</strong>ation mit Niederschlag oder Feuchtigkeit, was zu Bildung <strong>von</strong> Eis-<br />
bzw. Reifglätte auf den Strassen führt.<br />
— Starkregen, der zu Wasserglätte führt.<br />
Drei Schweizer Anbieter <strong>von</strong> Wetter<strong>in</strong>formationen bieten Strassenwetterprodukte an, die<br />
die oben aufgelisteten Wetterereignisse prognostizieren: <strong>MeteoSchweiz</strong>, Meteomedia<br />
sowie Meteotest. Die Angebote lassen sich grob im zwei Kategorien unterteilen: Stras-<br />
senwetterprognosen und spezifische Unwetterwarnungen für den Strassenverkehr. Die<br />
Strassenwetterprognosen enthalten e<strong>in</strong>erseits meteorologische Parameter wie Bewöl-<br />
kung, Lufttemperatur, Bodentemperatur, Taupunkt, W<strong>in</strong>d, Niederschlagsmenge, Nieder-<br />
schlagsart und Schneefallgrenze. Andererseits werden teilweise auch Gefahren<strong>in</strong>dikato-<br />
ren zum Strassenzustand wie Reifglätte, gefrierende Nässe, Glatteisregen, Schneeglätte<br />
und Bodenfrost geliefert. Die Produkte s<strong>in</strong>d meist <strong>in</strong> unterschiedlicher zeitlicher und<br />
räumlicher Auflösung erhältlich, was sich auch <strong>in</strong> unterschiedlichen Preisen nieder-<br />
schlägt. Unwetterwarnungen s<strong>in</strong>d e<strong>in</strong>erseits <strong>in</strong> frei zugänglichen Gefahrenkarten ersicht-<br />
lich, andererseits können Warnungen per E-Mail oder SMS abonniert werden.<br />
3.2 Analyserahmen und Akteure<br />
Im Strassenverkehrsbereich wurden e<strong>in</strong>erseits staatliche Stellen <strong>in</strong> die Analyse e<strong>in</strong>bezo-<br />
gen, die für den betrieblichen Strassenunterhalt und das Verkehrsmanagement zuständig<br />
s<strong>in</strong>d und damit die Verfügbarkeit, Sicherheit und Kapazität der Strassen massgeblich<br />
bee<strong>in</strong>flussen. Andererseits wurden auch Akteure e<strong>in</strong>bezogen, die das Strassennetz nut-<br />
zen. Obwohl der Fokus des Projektes auf der gewerblichen Nutzung des Strassennetzes<br />
lag, war auch der motorisierte Individualverkehr Teil der Analyse (siehe Figur Wirkungs-<br />
modell auf Seite 19). Auch wenn nicht die Nutzung meteorologischer Information durch<br />
den Individualverkehr selbst betrachtet wurde, fällt e<strong>in</strong> grosser Teil des <strong>Nutzen</strong>s, den<br />
/ 17
18 / 3 Strassenverkehr<br />
Verkehrsmanager und Strassendienste bewirken, beim motorisierten Individualverkehr <strong>in</strong><br />
Form <strong>von</strong> vermiedenen Staustunden an. <strong>Der</strong> Individualverkehr wurde also <strong>in</strong>sofern be-<br />
trachtet, als dass er <strong>von</strong> den Dienstleistungen des Verkehrsmanagements und der Stras-<br />
sendienste profitiert. Die direkte Verwendung <strong>von</strong> meteorologischer Information durch<br />
den Individualverkehr (beispielsweise zur optimalen Reiseplanung) wurde jedoch aus der<br />
Analyse ausgeklammert. Somit wurden die folgenden Akteure <strong>in</strong> die Analyse e<strong>in</strong>bezogen:<br />
— Strassendienste der National- und Kantonsstrassen: W<strong>in</strong>terdienst, Vorbeugung und<br />
Bekämpfung <strong>von</strong> Glätte sowie Schneeräumung. Kommunale Strassendienste konnten<br />
aus Aufwandgründen nicht <strong>in</strong> die Analyse e<strong>in</strong>geschlossen werden.<br />
— Nationale Verkehrsmanagementzentrale Emmenbrücke (VM-CH): Seit 1. Januar 2008<br />
hat die nationale Verkehrsmanagement-Zentrale <strong>in</strong> Emmenbrücke die Verantwortung<br />
für das Verkehrsmanagement auf den Nationalstrassen übernommen. Durch Informa-<br />
tion, Lenkung und (Um-)Leitung der Verkehrsteilnehmenden soll e<strong>in</strong> möglichst flüssi-<br />
ger Verkehr auf den schweizerischen Nationalstrassen erreicht werden.<br />
— Gütertransportunternehmen mit folgenden Tätigkeitsschwerpunkten <strong>in</strong> der Schweiz:<br />
– Stückguttransporte mit Lieferfristen<br />
– Stückguttransporte mit Lieferfenstern (Just-<strong>in</strong>-time-Systeme)<br />
– Bautransporte 10 (Boden, Aushub und Belagsmischgut)<br />
– W<strong>in</strong>terdienst im Auftragsverhältnis<br />
— Öffentlicher Personenverkehr Strasse<br />
— Individueller Personenverkehr, sofern dieser durch die anderen Akteure bee<strong>in</strong>flusst<br />
wird. Beim <strong>in</strong>dividuellen Personenverkehr wurden jedoch im Gegensatz zu den ande-<br />
ren genannten Akteuren ke<strong>in</strong>e empirischen Erhebungen durchgeführt.<br />
10 Sowohl der Baubetrieb als auch die Deponierung <strong>von</strong> Aushub s<strong>in</strong>d stark wetterabhängig, weswegen Bautransportfirmen<br />
sehr kurzfristig durch die Baufirmen aufgeboten werden.
«Die untersuchten Wirkungen <strong>von</strong> meteorologischer Information im Strassenverkehr»<br />
<strong>Meteorologie</strong><br />
Figur 9: Wirkungsmodell Strassenverkehr<br />
Qualität<br />
Strassendienst<br />
Qualität<br />
Verkehrsmanagement<br />
Verhalten<br />
Verkehrsteilnehmende<br />
Wirtschaftlichkeit<br />
Transportunternehmen<br />
Ressourcene<strong>in</strong>satz<br />
im<br />
Strassendienst<br />
Ressourcene<strong>in</strong>satz<br />
im<br />
Verkehrsmanagement<br />
Schadenswahrsche<strong>in</strong>lichkeit<br />
Stauzeiten<br />
Individueller<br />
Personenverkehr<br />
Stauzeiten<br />
Transportunternehmen<br />
Schadenskosten<br />
Reisekosten<br />
Wertschöpfung<br />
Staatsausgaben<br />
/ 19<br />
econcept
20 / 3 Strassenverkehr<br />
3.3 Wirkungsmodell<br />
In Figur 9 s<strong>in</strong>d die Wirkungen <strong>von</strong> meteorologischen Prognosen im Strassenverkehr dar-<br />
gestellt.<br />
In der oberen Hälfte der Figur s<strong>in</strong>d die <strong>volkswirtschaftliche</strong>n Wirkungen der <strong>Meteorologie</strong><br />
dargestellt, die über die Wirkungskanäle Qualität <strong>von</strong> öffentlichen Leistungserbr<strong>in</strong>gern<br />
und Verhalten der Verkehrsteilnehmenden entsteht. Die Qualität der Strassendienste und<br />
des Verkehrsmanagements wirken sich auf den Zustand der Strassenoberfläche und auf<br />
den Verkehrsfluss aus. Beides bee<strong>in</strong>flusst e<strong>in</strong>erseits die Schadenswahrsche<strong>in</strong>lichkeit und<br />
damit die <strong>volkswirtschaftliche</strong> <strong>Nutzen</strong>dimension Schadenskosten. Andererseits entstehen<br />
je nach Strassenzustand und Verkehrsfluss mehr oder weniger Staus. Dies betrifft so-<br />
wohl den Individualverkehr wie auch die kommerziellen Transportunternehmen. Die durch<br />
Stau verursachten zusätzlichen Reisezeiten des Individualverkehrs wirken auf die volks-<br />
wirtschaftliche <strong>Nutzen</strong>dimension der Reisekosten. Die Stauzeiten <strong>von</strong> Transportunter-<br />
nehmen wirken e<strong>in</strong>erseits auf die Reisekosten ihrer Passagiere, andererseits erhöht der<br />
Stau die Transportkosten und reduziert damit die Wertschöpfung der Transportbranche.<br />
In der unteren Hälfte der Figur s<strong>in</strong>d die Wirkungen der <strong>Meteorologie</strong> auf die Wirtschaft-<br />
lichkeit <strong>von</strong> Transportunternehmen und auf den Ressourcene<strong>in</strong>satz bei Strassendiensten<br />
und beim Verkehrsmanagement 11 dargestellt. Durch meteorologische Informationen kön-<br />
nen diese Akteure ihre Arbeitsabläufe den meteorologischen Gegebenheiten anpassen.<br />
Führt dies zu e<strong>in</strong>er Steigerung der Wirtschaftlichkeit bzw. zu Ressourcene<strong>in</strong>sparungen<br />
steigt die Wertschöpfung bzw. s<strong>in</strong>ken die Staatsausgaben.<br />
3.4 Übersicht zu den Befragungen<br />
Tabelle 3 zeigt die betrachteten Akteurgruppen und die Anzahl der <strong>in</strong>nerhalb der Gruppe<br />
befragten staatlichen Leistungserbr<strong>in</strong>genden bzw. Unternehmen. E<strong>in</strong>erseits werden mit<br />
der nationalen Verkehrsmanagementzentrale und den nationalen und kantonalen Stras-<br />
sendiensten staatliche Leistungserbr<strong>in</strong>gende betrachtet, die e<strong>in</strong>en wesentlichen E<strong>in</strong>fluss<br />
auf das Funktionieren der Strassen<strong>in</strong>frastruktur haben. Bei den Strassendiensten steht<br />
dabei der W<strong>in</strong>terdienst im Fokus. Andererseits werden mit Logistik- und Gütertransport-<br />
unternehmen die Nutzer<strong>in</strong>nen der Strassen<strong>in</strong>frastruktur <strong>in</strong> die Untersuchung e<strong>in</strong>bezogen.<br />
Die Anzahl der Güter- und Personentransportunternehmen wurde der Betriebszählung<br />
des BFS entnommen. Dabei ist e<strong>in</strong>e Eigenheit der Transportbranche zu beachten: Viele<br />
Fahrzeugflotten grosser Logistikunternehmen bestehen teilweise oder sogar vollständig<br />
aus Fahrzeugen <strong>von</strong> selbständigen Kle<strong>in</strong>unternehmern, die e<strong>in</strong> oder mehrere LKW besit-<br />
11 Bei den staatlichen Leistungserbr<strong>in</strong>genden verwenden wir den Begriff der Wirtschaftlichkeit nicht, da dem Ressourcene<strong>in</strong>-<br />
satz ke<strong>in</strong>e Erträge, sondern e<strong>in</strong> Leistungsauftrag gegenüber steht.
zen und häufig be<strong>in</strong>ahe ausschliesslich für das betreffende Logistikunternehmen tätig<br />
s<strong>in</strong>d. Auch Personentransportunternehmen arbeiten häufig mit Subunternehmern zu-<br />
sammen, die entweder e<strong>in</strong>zelne L<strong>in</strong>ien oder Netze selbständig betreiben, oder aber mit<br />
den eigenen Fahrzeugen vollständig <strong>in</strong> die Strukturen des Hauptunternehmers e<strong>in</strong>gebun-<br />
den s<strong>in</strong>d. E<strong>in</strong> Beispiel s<strong>in</strong>d Postautounternehmer. Aus diesem Grund ersche<strong>in</strong>en <strong>in</strong> der<br />
Betriebszählung relativ viele Kle<strong>in</strong>- und wenige mittlere und grosse Betriebe. Die Kle<strong>in</strong>be-<br />
triebe s<strong>in</strong>d jedoch häufig <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e grössere, übergeordnete Struktur e<strong>in</strong>gebunden.<br />
Akteurgruppe Anzahl Unternehmen / staatliche<br />
Leistungserbr<strong>in</strong>gende <strong>in</strong> der<br />
Schweiz<br />
Nationale<br />
Verkehrsmanagementzentrale<br />
/ 21<br />
Anzahl befragte Unternehmen /<br />
staatliche Leistungserbr<strong>in</strong>gende <strong>in</strong><br />
der Schweiz<br />
1 1<br />
Nationale Strassendienste 11 5<br />
Kantonale Strassendienste 26 4<br />
Gütertransportunternehmen mit mehr<br />
als 9 Mitarbeitenden<br />
Logistike<strong>in</strong>heiten grosser Unternehmen<br />
(Lebensmittel und Treibstoffe)<br />
Personentransportunternehmen mit<br />
mehr als 9 Mitarbeitenden<br />
646 5<br />
Nicht eruierbar 4<br />
115 4<br />
Tabelle 3: Übersicht zu den im Bereich Strassenverkehr befragten Unternehmen bzw. staatlichen Leistungserbr<strong>in</strong>genden.<br />
Quellen: Betriebszählung BFS 2008, Astra Faktenblatt 4 ohne Datum.<br />
Folgende Punkte waren für die Auswahl der befragten nationalen und kantonalen Stras-<br />
sendienste ausschlaggebend:<br />
— Auswahl <strong>von</strong> Strassendiensten mit und ohne Nutzung der Strassenwetterprodukte<br />
<strong>von</strong> <strong>MeteoSchweiz</strong><br />
— Auswahl <strong>von</strong> Strassendiensten aus klimatisch unterschiedlichen geographischen Re-<br />
gionen (Mittelland, Voralpen und Alpen)<br />
Die Auswahl der Gütertransportunternehmen sollte ursprünglich auf Basis der Betriebs-<br />
zählung des BFS erfolgen. Wie oben beschrieben lässt aber die Anzahl Mitarbeitende<br />
ke<strong>in</strong>en Rückschluss auf die tatsächlich durch das Unternehmen disponierte Anzahl Fahr-<br />
zeuge zu. Deswegen erfolgte die Auswahl e<strong>in</strong>erseits auf der Basis <strong>von</strong> Empfehlungen<br />
e<strong>in</strong>es Branchenkenners 12 , andererseits wurden auch Unternehmen befragt, die für e<strong>in</strong>es<br />
der betrachteten Nationalstrassengebiete W<strong>in</strong>terdienst leisten. Mit den Logistike<strong>in</strong>heiten<br />
grosser Unternehmen im Lebensmittel und Treibstoffbereich wurden zudem Just-<strong>in</strong>-time-<br />
Systeme <strong>in</strong> die Analyse e<strong>in</strong>bezogen.<br />
Bei den Personentransportunternehmen wurden <strong>in</strong> Absprache mit den Auftraggebenden<br />
<strong>in</strong> erster L<strong>in</strong>ie Unternehmen aus dem Raum Zürich oder der näheren Umgebung kontak-<br />
tiert.<br />
12 Werner Schlegel, Verkehrsplaner.
22 / 3 Strassenverkehr<br />
3.5 W<strong>in</strong>terdienste auf National- und Kantonsstrassen<br />
Jede öffentliche Strasse <strong>in</strong> der Schweiz ist e<strong>in</strong>er der drei staatlichen Ebenen zugeordnet,<br />
die entsprechend die Verantwortung für den Strassenunterhalt trägt. Insgesamt umfasst<br />
das Strassennetz <strong>in</strong> der Schweiz 71’384 km (Tabelle 4). 72% (ca. 52’000 km) s<strong>in</strong>d Ge-<br />
me<strong>in</strong>destrassen, 25% (ca. 18’000 km) Kantonsstrasse und nur etwa 2.5% (ca. 1’800 km)<br />
Nationalstrassen.<br />
Strassentyp Strassenkilometer <strong>in</strong> der Schweiz<br />
[km]<br />
Anteil am Strassennetz<br />
gesamt<br />
Nationalstrassen 1'789 3%<br />
Kantonsstrassen 18'050 25%<br />
Geme<strong>in</strong>destrassen 51'615 72%<br />
TOTAL 71'454 100%<br />
Tabelle 4: Strassen<strong>in</strong>frastruktur 2008. Quellen: Bundesamt für Strassen und Bundesamt für Statistik, Mobilität<br />
und Verkehr, frei zugängliche Datentabelle, 2010.<br />
Das Verkehrsaufkommen wird nur auf e<strong>in</strong>em Teil des Strassenetzes gemessen. An <strong>in</strong>s-<br />
gesamt 453 Zählstellen auf den Nationalstrassen und stark frequentierten Kantonsstras-<br />
sen wird die Anzahl Fahrzeuge pro Tag (24h) erhoben. Dabei erreichen die Autobahnen<br />
rund um die grossen Städte 60’000 bis 100’000 Fahrzeuge/24h, während die Kantons-<br />
strassen bei 5’000 bis maximal 40’000 Fahrzeuge/24h liegen. Bei den Geme<strong>in</strong>destrassen<br />
ist nochmals <strong>von</strong> e<strong>in</strong>em deutlichen tieferem durchschnittlichen Tagesverkehr auszuge-<br />
hen.<br />
Nationalstrassen<br />
Das Nationalstrassennetz umfasst Autobahnen und Autostrassen <strong>von</strong> nationaler Bedeu-<br />
tung. <strong>Der</strong> betriebliche Unterhalt liegt <strong>in</strong> der Verantwortung des Bundes. Dieser pflegt die<br />
Strassen jedoch nicht selbst, sondern hat Leistungsvere<strong>in</strong>barungen mit 11 Gebietse<strong>in</strong>hei-<br />
ten abgeschlossen.<br />
E<strong>in</strong>ige dieser 11 Gebietse<strong>in</strong>heiten haben aus der kantonalen Verwaltung ausgegliederte<br />
Institutionen geschaffen, die den W<strong>in</strong>terdienst kantonsübergreifend betreiben: «Unité<br />
territoriale II» für die Kantone Genf, Fribourg und Vaud, «Naionalstrassengebiet VI» für<br />
die Kantone Thurgau, St. Gallen, Glarus und die beiden Appenzell, «NSNW AG» für die<br />
Kantone Aargau, Basel-Land und Solothurn, «UTIX» für die Kantone Neuenburg, Jura<br />
und den Berner Jura (l’Arc Jurassien), «Zentras» für die Kantone Luzern, Zug, Obwalden<br />
und Nidwalden sowie das «Amt für den Betrieb Nationalstrassen» im Kanton Uri für die<br />
Gotthardstrecke (Tabelle 5).<br />
Bei e<strong>in</strong>igen anderen Gebietse<strong>in</strong>heiten h<strong>in</strong>gegen ist der Unterhalt <strong>von</strong> National- und Kan-<br />
tonsstrassen nach wie vor beim kantonalen Tiefbauamt, beim kantonalen Strasse-<br />
n<strong>in</strong>spektorat oder beim kantonalen Unterhaltsdienst angesiedelt.
Gebietse<strong>in</strong>heit Zuständige Organisation Gebiete Länge [km]<br />
I Tiefbauamt Kt. Bern Kt. BE 201<br />
II Unité territoriale II<br />
ut2.ch<br />
III Dienststelle Strassen und Flussbau<br />
(Departement für Verkehr Bau und<br />
Umwelt)<br />
IV Ufficio dei servizi di manuntenzione<br />
stradale dell’unità territoriale<br />
(<strong>in</strong>tegriert <strong>in</strong> Verwaltung TI)<br />
/ 23<br />
Kt. GE, FR, VD 317<br />
Kt. VS 104<br />
Kt. TI 137<br />
V Tiefbauamt Kt. Graubünden Kt. GR 162<br />
VI «Nationalstrassengebiet VI»<br />
nsgvi.ch<br />
VII Ke<strong>in</strong> effektiver Zusammenschluss,<br />
Zuständigkeit bei Strassen<strong>in</strong>spektorat<br />
ZH Kt. ZH und Unterhaltsdienst<br />
Kt. SH<br />
VIII «NSNW AG»<br />
nsnw.ch<br />
IX UTIX<br />
(<strong>in</strong>tegriert <strong>in</strong> Verwaltung NE)<br />
X «Zentras»<br />
Zentras.ch<br />
XI «Amt für Betrieb Nationalstrassen»<br />
des Kantons Uri<br />
Kt. TG, SG, GL, AI, AR 199<br />
Kt. ZH, SH 165<br />
Kt. AG, BL, SO (die e<strong>in</strong>zige Aktiengesellschaft) 173<br />
Kt. NE, JU, BE (nur Berner Jura, A16) ca. 70<br />
Kt. LU, ZG, OW, NW 135<br />
Kt. UR, SZ (NW, TI)<br />
A2 zwischen Airolo - Küssnacht - Beckenried<br />
und Gotthardpass<br />
Tabelle 5: Gebietse<strong>in</strong>heiten, mit denen der Bund Leistungsvere<strong>in</strong>barungen für den betrieblichen Strassenunterhalt<br />
abgeschlossen hat. Quellen: Astra (2007): Faktenblatt NFA 4 – Betrieblicher Unterhalt der<br />
Nationalstrassen. Bundesamt für Strassen und Bundesamt für Statistik, Mobilität und Verkehr, frei<br />
zugängliche Datentabelle, 2010.<br />
<strong>Der</strong> betriebliche Unterhalt der Nationalstrassen umfasst neben dem W<strong>in</strong>terdienst auch<br />
andere Re<strong>in</strong>igungsarbeiten, die Pflege <strong>von</strong> Grünstreifen sowie die Pflege und den Unter-<br />
halt der elektromechanischen Installationen und die Überprüfung <strong>von</strong> Schutz- und Si-<br />
cherheitse<strong>in</strong>richtungen wie z.B. Law<strong>in</strong>enschutz, Ste<strong>in</strong>schlagnetze, Dämme, Leitplanken<br />
und Fluchtstollen.<br />
In den verb<strong>in</strong>dlichen Qualitätsstandards des Bundesamtes für Strassen (ASTRA) ist für<br />
den W<strong>in</strong>terdienst die «Schwarzräumung» als Ziel vorgegeben, d.h. die völlige Befreiung<br />
der Autobahn <strong>von</strong> Schnee und Eis. Gefordert wird auch, dass die W<strong>in</strong>terdienste spätes-<br />
tens 30 M<strong>in</strong>uten nach der Alarmierung ihre Arbeit aufnehmen können.<br />
Kantonsstrassen<br />
Die genaue Def<strong>in</strong>ition <strong>von</strong> Kantonsstrassen obliegt den Kantonen, der Kanton Aargau<br />
zum Bespiel def<strong>in</strong>iert Kantonsstrassen folgendermassen: «Kantonsstrassen dienen der<br />
Verb<strong>in</strong>dung <strong>von</strong> Kantonsteilen untere<strong>in</strong>ander, mit anderen Kantonen und mit dem Aus-<br />
land.» (§ 83 Ziffer 1 BauG). Die Verantwortung für den betrieblichen Unterhalt der Kan-<br />
tonsstrassen liegt bei kantonalen Stellen, <strong>in</strong> der Regel dem Tiefbauamt oder dem Stras-<br />
sen<strong>in</strong>spektorat.<br />
119
24 / 3 Strassenverkehr<br />
Die Durchführung der Räumung ist <strong>von</strong> Kanton zu Kanton unterschiedlich organisiert. In<br />
der Regel ist aber der Kanton <strong>in</strong> Gebiete aufgeteilt, die jeweils <strong>von</strong> e<strong>in</strong>em Werkhof aus<br />
geräumt werden. Die Auslösung der Räumung erfolgt entweder durch e<strong>in</strong>e zentrale Stelle<br />
(z.B. Kanton Luzern) oder dezentral durch die Werkhöfe selbst.<br />
3.5.1 Interviewte W<strong>in</strong>terdienste<br />
Insgesamt wurden fünf Nationalstrassen-W<strong>in</strong>terdienste und vier kantonale W<strong>in</strong>terdienste<br />
<strong>in</strong> die Studie e<strong>in</strong>bezogen:<br />
— Drei kantonsübergreifende Gebietse<strong>in</strong>heiten für den Unterhalt der Nationalstrassen<br />
— Zwei <strong>in</strong>tegrierte W<strong>in</strong>terdienste: Nationalstrassen- und Kantonsstrassen-W<strong>in</strong>terdienst<br />
unter e<strong>in</strong>em geme<strong>in</strong>samen organisatorischen Dach. Das E<strong>in</strong>satzgebiet des kantona-<br />
len W<strong>in</strong>terdienstes entspricht dem des Nationalstrassen-W<strong>in</strong>terdienstes.<br />
— Zwei kantonale W<strong>in</strong>terdienste, <strong>von</strong> denen jedoch e<strong>in</strong>er analog zum Nationalstrassen-<br />
W<strong>in</strong>terdienst organisiert ist, der im selben Gebiet tätig ist.<br />
Die Informationen wurden <strong>in</strong> sechs e<strong>in</strong>- bis zweie<strong>in</strong>halbstündigen Gesprächen erhoben,<br />
an denen <strong>in</strong> der Regel der Leiter der für den Strassenunterhalt des jeweiligen Gebietes<br />
zuständigen Abteilung sowie teilweise E<strong>in</strong>satz- und/oder Werkhofleiter teilgenommen<br />
haben.<br />
3.5.2 Arbeitsweise der W<strong>in</strong>terdienste – Aussagen der Interviewpartner<br />
Alle befragten W<strong>in</strong>terdienste haben <strong>in</strong> ihren E<strong>in</strong>satzgebieten mehrere Werkhöfe und teil-<br />
weise zusätzliche Stützpunkte, die e<strong>in</strong>em Werkhof angeschlossen s<strong>in</strong>d, aber als separate<br />
Standorte für Personal und Material dienen. Die dezentrale Verteilung über das E<strong>in</strong>satz-<br />
gebiet verr<strong>in</strong>gert die Anfahrtszeiten zu den Arbeitsorten und erlaubt schnell am E<strong>in</strong>satzort<br />
zu se<strong>in</strong>. Je nach Gebietse<strong>in</strong>heit oder Kanton haben die Werkhöfe unterschiedlich viel<br />
Autonomie bezüglich ihrer Personal- und Arbeitsplanung.<br />
Bei fast allen befragten W<strong>in</strong>terdiensten liegt die Verantwortung für die Auslösung der<br />
W<strong>in</strong>terdienste<strong>in</strong>sätze bei den Werkhofleitern bzw. deren Stellvertretern, die ausserhalb<br />
der normalen Arbeitszeiten <strong>in</strong> der Regel im Wochenrhythmus Pikettdienst leisten und<br />
auch nachts und am Wochenende für die E<strong>in</strong>satzauslösung verantwortlich s<strong>in</strong>d. Die<br />
diensthabenden E<strong>in</strong>satzleiter beobachten selbstverständlich das Wetter nicht während 24<br />
Stunden: Entweder wird anhand der Prognosen antizipiert, wann ausserhalb der Arbeits-<br />
zeit die Situation überprüft werden muss, oder die E<strong>in</strong>satzleiter sehen <strong>in</strong> kritischen Näch-<br />
ten Kontrollfahrten vor und lassen sich bei Bedarf durch die Kontrollfahrer wecken. Bei<br />
e<strong>in</strong>em der betrachteten W<strong>in</strong>terdienste wird die Verantwortung abends und am Wochen-<br />
ende an die Kantonspolizei abgegeben. In e<strong>in</strong>em anderen Fall übernimmt während der<br />
Randzeiten e<strong>in</strong>e Zentrale die E<strong>in</strong>satzleitung für den gesamten Kanton, jedoch nur, wenn<br />
aufgrund der Wetterprognosen ke<strong>in</strong> E<strong>in</strong>satz zu erwarten ist. Nur e<strong>in</strong>er der nationalen und<br />
e<strong>in</strong>er der kantonalen W<strong>in</strong>terdienste lösen die W<strong>in</strong>terdienste<strong>in</strong>sätze ausschliesslich über<br />
e<strong>in</strong>e Zentrale aus, welche im 24h-Stundenbetrieb arbeitet.
Die Mehrheit der <strong>in</strong> unserer Studie e<strong>in</strong>bezogenen Strassendienste arbeitet im W<strong>in</strong>ter-<br />
dienst sehr stark mit Drittleistern zusammen. Die Anteile der Drittleister liegen bezogen<br />
auf die Anzahl e<strong>in</strong>setzbarer Fahrzeuge je nach W<strong>in</strong>terdienst zwischen 20% und 90%. Die<br />
Drittleister s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> der Regel Transportunternehmen, die im Sommer Bautransporte fah-<br />
ren und im W<strong>in</strong>ter ihre LKW dank der W<strong>in</strong>terdienste<strong>in</strong>sätze besser auslasten können.<br />
Dabei werden <strong>in</strong> der Regel langfristige Verträge abgeschlossen, die e<strong>in</strong>e Bereitstellungs-<br />
pauschale und zusätzlich e<strong>in</strong>e Vergütung der effektiven E<strong>in</strong>satzzeit umfassen. Die Streu-<br />
er und Pflüge verbleiben <strong>in</strong> der Regel im Eigentum des Kantons bzw. der Gebietse<strong>in</strong>heit.<br />
3.5.3 Verwendung <strong>von</strong> meteorologischen Informationen – Aussagen der<br />
Interviewpartner<br />
Verwendete Produkte<br />
Alle fünf nationalen und vier kantonalen Strassendienste, die <strong>in</strong>terviewt wurden, verwen-<br />
den <strong>in</strong> ihrer Arbeit regelmässig und gezielt meteorologische Informationen. Die National-<br />
strassendienste verwenden mit e<strong>in</strong>er Ausnahme alle e<strong>in</strong> Glatteisfrühwarnsystem. Dieses<br />
besteht aus Messstationen, die auf den Strecken <strong>in</strong>stalliert s<strong>in</strong>d und verschiedene Para-<br />
meter wie Oberflächentemperatur, Feuchtigkeit und Restsalzgehalt messen. E<strong>in</strong> Natio-<br />
nalstrassen-W<strong>in</strong>terdienst und e<strong>in</strong> kantonaler Strassendienst verwenden Thermal Maps.<br />
Dieses Verfahren beruht auf e<strong>in</strong>er klimatischen Erfassung der Strassenabschnitte. Dabei<br />
wird die Abkühlungsrate der Strassenabschnitte bei verschiedenen Wetterlagen erhoben.<br />
Im täglichen Dienst werden die für ausgewählte Referenzstationen erstellten Nachtprog-<br />
nosen auf das gesamte Streckennetz übertragen. Die Oberflächentemperaturen werden<br />
graphisch auf e<strong>in</strong>er Strassenkarte dargestellt. Die meisten kantonalen Strassendienste<br />
verfügen über ke<strong>in</strong> Messnetz.<br />
Des Weiteren verwenden alle W<strong>in</strong>terdienste frei zugängliche Wetterprognosen, wobei<br />
diese vor allem über das Internet bezogen werden. Die Mehrheit verwendet ausserdem<br />
kostenpflichtige Wetterprognosen <strong>von</strong> <strong>MeteoSchweiz</strong> oder anderen Anbietern, entweder<br />
Lokalprognosen oder spezifische Strassenwetterprognosen, die auch Angaben über die<br />
Strassentemperatur, die Bewölkung und den Strassenzustand enthalten. Von e<strong>in</strong>er Ge-<br />
bietse<strong>in</strong>heit werden nur elektronische Gratisprodukte genutzt, aber bei Bedarf die kos-<br />
tenpflichtige telefonische Beratung durch <strong>MeteoSchweiz</strong> <strong>in</strong> Anspruch genommen.<br />
Verwendungszwecke<br />
Die meteorologischen Informationen werden bei den meisten W<strong>in</strong>terdiensten <strong>in</strong> erster<br />
L<strong>in</strong>ie durch die diensthabenden E<strong>in</strong>satzleiter genutzt. In e<strong>in</strong>em Kanton lösen nicht die<br />
E<strong>in</strong>satzleiter selbst Kontrollfahrten aus, sondern die Kontrollfahrer entscheiden selbst, ob<br />
und wann sie Kontrollfahrten durchführen. Dementsprechend verwenden sie auch selbst<br />
gezielt Wetterprognosen, um die Notwendigkeit und den optimalen Zeitpunkt für die Kon-<br />
trollfahrten zu bestimmen.<br />
Bei den meisten befragten W<strong>in</strong>terdiensten werden meteorologische Informationen <strong>in</strong> ers-<br />
ter L<strong>in</strong>ie für die folgenden Punkte verwendet:<br />
/ 25
26 / 3 Strassenverkehr<br />
— Die W<strong>in</strong>terdienste mit Glatteisfrühwarnsystem lösen ihre E<strong>in</strong>sätze gemäss den<br />
Warnmeldungen des Systems aus, wobei aber die korrekte Interpretation der Warn-<br />
meldungen (Stufensystem) vor dem H<strong>in</strong>tergrund der verfügbaren meteorologischen<br />
Informationen zentral ist.<br />
— Die diensthabenden E<strong>in</strong>satzleiter können dank den Wetterprognosen antizipieren,<br />
wann <strong>in</strong> der Nacht und am Wochenende die Wettersituation beobachtet werden muss<br />
und wann E<strong>in</strong>sätze notwendig se<strong>in</strong> werden. Nur so s<strong>in</strong>d durchgehende Pikettdienste<br />
des E<strong>in</strong>satzleiters <strong>von</strong> e<strong>in</strong>er Woche möglich, ohne dass se<strong>in</strong>e notwendigen Ruhezei-<br />
ten unterschritten werden.<br />
— Dank den Wetterprognosen können die Zeitpunkte für Kontrollfahrten optimal den<br />
meteorologischen Gegebenheiten angepasst werden. Kontrollfahrten s<strong>in</strong>d <strong>in</strong>sbeson-<br />
dere bei den W<strong>in</strong>terdiensten ohne Glatteiswarnsystem sehr wichtig.<br />
Für folgende Punkte werden meteorologische Informationen nur bei e<strong>in</strong>igen W<strong>in</strong>terdiens-<br />
ten verwendet:<br />
— Bei e<strong>in</strong>er zentralisierten E<strong>in</strong>satzauslösung spielt die genaue lokale meteorologische<br />
Information e<strong>in</strong>e grosse Rolle, da der Blick aus dem Fenster nicht bis <strong>in</strong> alle E<strong>in</strong>satz-<br />
gebiete reicht.<br />
— Bei e<strong>in</strong>em der betrachteten W<strong>in</strong>terdienste spielen Wetterprognosen auch bei der E<strong>in</strong>-<br />
teilung der Pikettdienste e<strong>in</strong>e Rolle. Bei den meisten W<strong>in</strong>terdiensten wird der Pikett-<br />
dienst allerd<strong>in</strong>gs zu langfristig geplant, als dass sich meteorologische Informationen<br />
systematisch e<strong>in</strong>beziehen liessen. Die Mitarbeitenden können allerd<strong>in</strong>gs meist auf<br />
Wunsch frei nehmen, wenn mit hoher Wahrsche<strong>in</strong>lichkeit ke<strong>in</strong>e E<strong>in</strong>sätze notwendig<br />
se<strong>in</strong> werden.<br />
3.5.4 Wirkung auf den E<strong>in</strong>satz öffentlicher Mittel – Aussagen der Interviewpartner<br />
Um die Wirkung <strong>von</strong> meteorologischen Informationen auf den E<strong>in</strong>satz öffentlicher Mittel<br />
abzuschätzen, wurden die Interviewpartner gebeten sich e<strong>in</strong>e Situation vorzustellen, <strong>in</strong><br />
denen sie ke<strong>in</strong>erlei Wetterprognosen mehr haben, aber beliebige zusätzliche f<strong>in</strong>anzielle<br />
Mittel, um die heutige Qualität des W<strong>in</strong>terdienstes soweit als möglich auch ohne Wetter-<br />
prognosen wieder herzustellen. Dabei wurde die Annahme getroffen, dass die Glatteis-<br />
frühwarnsysteme weiterh<strong>in</strong> zur Verfügung stehen, da wir <strong>in</strong> erster L<strong>in</strong>ie an den <strong>Nutzen</strong><br />
der durch meteorologische Anbieter erstellten Dienstleistungen <strong>in</strong>teressiert s<strong>in</strong>d.<br />
Nicht alle der <strong>in</strong>terviewten W<strong>in</strong>terdienste wollten sich zu diesem Gedankenexperiment<br />
äussern. Fünf der sechs Gesprächspartner waren aber bereit Aussagen darüber zu ma-<br />
chen, wie <strong>in</strong> diesem Fall der W<strong>in</strong>terdienst aussehen würde, und wie viel mehr er im Ver-<br />
gleich zum heutigen System Kosten würde. Dabei lassen sich die Aussagen und ge-<br />
schätzten Kosten <strong>in</strong> drei Gruppen aufteilen:<br />
— Zwei Gesprächspartner <strong>von</strong> Nationalstrassengebieten waren der Me<strong>in</strong>ung, dass ihre<br />
W<strong>in</strong>terdienste ohne Wetterprognosen zusätzliches Personal für die W<strong>in</strong>terdienste<strong>in</strong>-
sätze und auch für andere Arbeiten benötigen würden. Dies nicht aufgrund zusätzli-<br />
cher E<strong>in</strong>satzzeiten, aber aufgrund der viel schlechteren Planbarkeit der E<strong>in</strong>sätze. Bei-<br />
de kamen bei den Folgekosten zu e<strong>in</strong>er ganz ähnlichen Grössenordnung: Es wurden<br />
5'100 und 7'000 CHF pro Jahr und Kilometer Streckennetz geschätzt.<br />
— Zwei andere Gesprächspartner (<strong>von</strong> National- und Kantonsstrassendiensten) sahen<br />
den Mehraufwand ohne Wetterprognosen eher bei der zusätzlich notwendigen Beo-<br />
bachtung <strong>von</strong> Wetter und Strassen, wozu zusätzliche E<strong>in</strong>satzleiter und/oder zusätzli-<br />
che Kontrollfahrer und Fahrzeuge notwendig wären. <strong>Der</strong> zusätzliche Aufwand pro<br />
Jahr und Streckenkilometer wurde auf 870 bzw. 820 CHF geschätzt.<br />
— E<strong>in</strong>er der W<strong>in</strong>terdienste, der aufgrund der topographischen Gegebenheiten heute<br />
bereits sehr stark auf Kontrollfahrten abstützt, hat den Mehraufwand e<strong>in</strong>es W<strong>in</strong>ter-<br />
dienstes ohne Wetterprognosen vor allem bei zusätzlichen E<strong>in</strong>satzstunden der bereits<br />
vorhandenen Kontrollfahrer gesehen. <strong>Der</strong> Mehraufwand beliefe sich hypothetisch auf<br />
rund 200 CHF pro Jahr und Kilometer Streckennetz.<br />
Zusätzlich waren mehrere Interviewpartner der Me<strong>in</strong>ung, dass die heutige Qualität der<br />
W<strong>in</strong>terdienste ohne Wetterprognosen nicht vollständig erreichbar wäre.<br />
3.5.5 Wirkung auf die Qualität der Leistungserbr<strong>in</strong>gung – Aussagen der<br />
Interviewpartner<br />
Viele Interviewpartner waren der Me<strong>in</strong>ung, dass auch mit Mehrausgaben die heutige<br />
Qualität der W<strong>in</strong>terdienste ohne Wetterprognosen nicht erreichbar wäre, dass also häufi-<br />
ger Schnee und Eis auf den Strassen vorhanden wären. Ebenfalls wurde die Frage ge-<br />
stellt wie die Situation wäre, wenn ke<strong>in</strong>e zusätzlichen Mittel verfügbar wären. Hier waren<br />
sich nun alle Interviewpartner dar<strong>in</strong> e<strong>in</strong>ig, dass die Qualität spürbar zurückgehen würde.<br />
Allerd<strong>in</strong>gs sahen sie sich nicht <strong>in</strong> der Lage, diesen Qualitätsrückgang zu quantifizieren.<br />
Unterschiedlich waren die E<strong>in</strong>schätzungen der Folgen e<strong>in</strong>es Qualitätsrückgangs. In den<br />
alp<strong>in</strong>en Regionen s<strong>in</strong>d die Autofahrenden ohneh<strong>in</strong> an Schnee und Eis gewöhnt und kön-<br />
nen <strong>in</strong> der Regel damit umgehen. In den Voralpen, im Mittelland und auf den Transitstre-<br />
cken führt Glätte regelmässig zu Unfällen, die wiederum zu Staus führen. Die Staufolgen<br />
e<strong>in</strong>es Unfalls hängen aber wiederum stark vom Verkehrsaufkommen ab. Während auf<br />
manchen Kantonsstrassen e<strong>in</strong>e unfallbed<strong>in</strong>gte Teilsperrungen kaum relevante Auswir-<br />
kungen hat, führt sie auf Strassen, die nahe an ihrer Kapazitätsgrenze betrieben werden,<br />
zu grossen Wartezeiten <strong>von</strong> denen sehr viele Fahrzeuge betroffen s<strong>in</strong>d.<br />
3.5.6 Strassenverkehrsunfälle auf schneebedeckter, pflotschiger oder vereister<br />
Fahrbahn<br />
<strong>Der</strong> W<strong>in</strong>terdienst auf den Schweizer Nationalstrassen hat sich <strong>in</strong> den vergangenen Jahr-<br />
zehnten verändert. Die Ansprüche haben sich erhöht: Heute ist auf den Nationalstrassen<br />
die Schwarzräumung als Ziel vorgeben. Parallel hat der technische Fortschritt dazu ge-<br />
führt, dass Strassenglätte immer besser vorhergesagt werden kann.<br />
/ 27
28 / 3 Strassenverkehr<br />
Trotzdem konnten wir <strong>in</strong> unseren Befragungen unterschiedliche Philosophien bei der<br />
Glättebekämpfung ausmachen: In e<strong>in</strong>em der im Rahmen der Studie befragten Kantonen<br />
werden seit 1998 lokale Prognosen systematisch genutzt und seit 2002 wird <strong>in</strong> diesem<br />
Kanton bei National- und Kantonsstrassen auf e<strong>in</strong>e konsequente Prophylaxe-Strategie<br />
gesetzt, die seit der Neuorganisation der Strassendienste auf den Nationalstrassen 2008<br />
im gesamten zugehörigen Nationalstrassengebiet umgesetzt wird.<br />
In anderen an der Studie teilnehmenden Nationalstrassengebieten werden gemäss unse-<br />
ren Erhebungen Wetterprognosen weniger systematisch zur Glättevorhersage e<strong>in</strong>gesetzt<br />
und teilweise wird die Prophylaxe auch deutlich weniger <strong>in</strong> den Vordergrund gestellt. Aus<br />
diesem Grund haben wir anhand der Statistik der Strassenverkehrsunfälle der BFS ana-<br />
lysiert, ob sich <strong>in</strong> den Kantonen, die als Kerngebiete der befragten Nationalstrassenge-<br />
biete die heutige W<strong>in</strong>terdienstphilosophie massgeblich prägen, die Anzahl verunfallter<br />
Personenwagen auf eisiger, pflotschiger 13 oder schneebedeckter Fahrbahn <strong>in</strong> den letzten<br />
34 Jahren unterschiedlich entwickelt haben.<br />
Als Datengrundlage dient die Statistik der Strassenverkehrsunfälle des Bundesamtes für<br />
Statistik der Jahre 1975 bis 2009, die alle Strassenverkehrsunfälle mit Personenschäden<br />
auf Schweizer Strassen erfasst. Die Erhebung wurde 1992 e<strong>in</strong>er Revision unterzogen,<br />
wodurch e<strong>in</strong>ige Variablen nicht durchgängig vorhanden s<strong>in</strong>d. Deswegen konnte nicht<br />
nach National-, Kantons- und Geme<strong>in</strong>destrassen differenziert werden.<br />
Für den Kantonsvergleich werden folgende Annahmen getroffen:<br />
— Annahme 1: Klima, Wetter, Verkehrsaufkommen sowie technischer Fortschritt bei<br />
den Autos und bei der Strassen<strong>in</strong>frastruktur (Signalisation, Entschärfung Gefahren-<br />
stellen etc.) haben sich <strong>in</strong> allen Kantonen gleichermassen verändert.<br />
— Annahme 2: Die Anteile der Anzahl verunfallter Personenwagen, die National-, Kan-<br />
tons- und Geme<strong>in</strong>destrassen zugerechnet werden, s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> den vergangenen 19 Jah-<br />
ren annähernd konstant geblieben. Unter dieser Annahme gelten Aussagen, die auf<br />
der Auswertung <strong>von</strong> Unfällen <strong>in</strong> allen Strassenkategorien basieren, auch für die Nati-<br />
onalstrassen.<br />
Die erste Annahme stufen wir aufgrund des langen Analysezeitraums <strong>von</strong> 34 Jahren und<br />
der grossen Analyseregionen (drei grosse Kantone mit Städten, Agglomerationen und<br />
ländlichen Gebieten) als vertretbar e<strong>in</strong>. Die zweite Annahme wird durch Tabelle 58 und<br />
Tabelle 59 im Anhang gestützt. Diese zeigen zwar nicht für die Strassenkategorie (Natio-<br />
nal-, Kantons- und Geme<strong>in</strong>destrassen), wohl aber für die Strassenart (Autobahn, Auto-<br />
strasse, Hauptstrasse, Nebenstrasse, andere Strasse), dass sich die Anteile der Unfälle,<br />
die auf die verschiedenen Strassenarten entfallen, seit 1992 nur ger<strong>in</strong>gfügig verändert<br />
haben.<br />
13 Dieser Begriff wird <strong>in</strong> der Unfallstatistik des BFS verwendet.
Region Strassenzustand<br />
CH<br />
Kanton 1<br />
Prophylaxe als Ziel<br />
für die Nationalstrassen<br />
stark verankert<br />
Kanton 2<br />
Prophylaxe als Ziel<br />
für die Nationalstrassen<br />
verankert<br />
/ 29<br />
Veränderung Anzahl verunfallte Personenwagen pro Jahr auf<br />
National-, Kantons- und Geme<strong>in</strong>destrassen<br />
Trend Trendwert<br />
Standardisierter (1)<br />
Trendwert<br />
(95%-Konfidenz<strong>in</strong>tervall)<br />
Alle nicht nachweisbar +/-0 +/-0<br />
schneebedeckt/pflotschig/vereist abwärts -29<br />
-0.051<br />
(-0.088 bis -.0014)<br />
trocken/feucht/nass nicht nachweisbar +/-0 +/-0<br />
Alle aufwärts 5<br />
schneebedeckt/pflotschig/vereist abwärts -2<br />
trocken/feucht/nass aufwärts 7<br />
Alle aufwärts 23<br />
schneebedeckt/pflotschig/vereist abwärts -3<br />
trocken/feucht/nass aufwärts 26<br />
Kanton 3<br />
Alle<br />
Prophylaxe als Ziel<br />
für die Nationalstrassen<br />
aufwärts 7<br />
wenig verankert trocken/feucht/nass aufwärts 7<br />
0.041<br />
(0.001 bis 0.081)<br />
-0.055<br />
(-0.093 bis -0.018)<br />
0.055<br />
(0.018 bis 0.092)<br />
0.065<br />
(0.031 bis 0.100)<br />
-0.044<br />
(-0.084 bis -0.005)<br />
0.069<br />
(0.036 bis 0.103)<br />
0.052<br />
(0.015 bis 0.091)<br />
schneebedeckt/pflotschig/vereist nicht nachweisbar +/-0 +/-0<br />
0.057<br />
(0.021 bis 0.094)<br />
Tabelle 6: Trend <strong>in</strong> Veränderung der Anzahl verunfallter Personenwagen pro Jahr, berechnet auf Basis der<br />
Jahre 1975 bis 2009. Die standardisierten Variablen ermöglichen die Vergleiche zwischen unterschiedlich<br />
grossen Regionen mit unterschiedlichen Verkehrsaufkommen. Nicht berücksichtigt<br />
wurden die Strassenzustände ölig, verschmutzt, Rollsplitt/Sand und schadhafte Fahrbahn.<br />
(1) Standardisierter Wert z=(x-µ)/σ 2 , wobei µ der Mittelwert und σ 2 die Varianz <strong>von</strong> x ist.<br />
Lesebeispiel 1: In der Schweiz ist die Anzahl verunfallter PW auf schneebedeckter, pflotschiger<br />
oder vereister Fahrbahn zwischen 1975 und 2009 pro Jahr durchschnittlich um 29 zurückgegangen.<br />
Lesebeispiel 2: Anhand der standardisierten Koeffizienten ist ersichtlich, dass relativ zum<br />
Verkehrsaufkommen die Anzahl verunfallter Personenwagen auf schneebedeckter, pflotschiger<br />
oder vereister Fahrbahn im Kanton 1 etwas stärker zurückgegangen ist als im Kanton 2.<br />
In der ganzen Schweiz ist die Anzahl verunfallter Personenwagen auf schneebedeckter,<br />
pflotschiger oder vereister Fahrbahn seit 1975 durchschnittlich um 29 Fahrzeuge pro Jahr<br />
zurückgegangen, während bei der Gesamtzahl der Unfälle und bei Unfällen auf trocke-<br />
ner, feuchter oder nasser Fahrbahn ke<strong>in</strong> Trend 14 erkennbar ist (Tabelle 6). Dieser Rück-<br />
gang könnte grundsätzlich auch an klimatischen Veränderungen oder am technischen<br />
Fortschritt liegen, weswegen der Vergleich zwischen verschiedenen Regionen aussage-<br />
kräftiger ist als die Entwicklung über die Zeit.<br />
Tabelle 6 zeigt die Entwicklung der Unfallzahlen <strong>in</strong> drei Kantonen, deren Nationalstras-<br />
sendienste gemäss den geführten Interviews unterschiedliche W<strong>in</strong>terdienststrategien<br />
verfolgen. Die Unterschiede liegen <strong>in</strong> der Verankerung der Prophylaxe als Qualitätsziel,<br />
14 «Ke<strong>in</strong> Trend» bedeutet, dass die Anzahl verunfallter Personenwagen sich im betrachteten Zeitraum nicht <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e klare<br />
Richtung entwickelt hat.
30 / 3 Strassenverkehr<br />
bestehen also dar<strong>in</strong>, wie stark das Ziel im Vordergrund steht, wann immer möglich, be-<br />
reits die Glättebildung zu verh<strong>in</strong>dern. Im Kanton 1 wurde seit Anfang der 90er Jahre<br />
Technik und Organisation konsequent <strong>in</strong> Richtung Prophylaxe weiterentwickelt. In den<br />
Kantonen 2 und 3 kann dies nicht belegt werden; es ist jedoch da<strong>von</strong> auszugehen, dass<br />
sich die grundsätzlichen W<strong>in</strong>terdienststrategien eher <strong>in</strong> Richtung verstärkter als <strong>in</strong> Rich-<br />
tung verm<strong>in</strong>derter Prophylaxe verändert haben.<br />
Anhand der standardisierten Werte <strong>in</strong> Tabelle 6 lassen sich die Entwicklungen im Unfall-<br />
geschehen zwischen den Kantonen und auch zwischen den verschiedenen Fahrbahnzu-<br />
ständen vergleichen.<br />
In allen drei betrachteten Kantonen hat die Anzahl verunfallter Personenwagen zuge-<br />
nommen, während <strong>in</strong> der Schweiz <strong>in</strong>sgesamt ke<strong>in</strong>e Veränderung zu beobachten ist. Dies<br />
könnte daran liegen, dass es ich um drei Kantone mit grossen Agglomerationen handelt,<br />
<strong>in</strong> denen das Verkehrsaufkommen <strong>in</strong> den vergangenen Jahren besonders stark zuge-<br />
nommen hat.<br />
Zwischen den Kantonen 1 und 2 s<strong>in</strong>d ke<strong>in</strong>e signifikanten Unterschiede <strong>in</strong> der Entwicklung<br />
der Anzahl verunfallter Personenwagen erkennbar, weder auf schneebedeckter, pflot-<br />
schiger oder eisiger Fahrbahn noch auf trockener, feuchter oder nasser Fahrbahn. (Alle<br />
Konfidenz<strong>in</strong>tervalle der standardisierten Werte überschneiden sich deutlich.) Hier s<strong>in</strong>d<br />
also ke<strong>in</strong>e Unterschiede <strong>in</strong> der Entwicklung der Effektivität der W<strong>in</strong>terdienste erkennbar.<br />
Beim Vergleich zwischen dem Kanton 3 und den anderen beiden Kantonen zeigt sich<br />
folgendes:<br />
— E<strong>in</strong>e Abnahme <strong>in</strong> der Anzahl verunfallter Personenwagen auf schneebedeckter, pflot-<br />
schiger oder vereister Fahrbahn ist im Kanton 3 im Gegensatz zu den Kantonen 1<br />
und 2 nicht ersichtlich.<br />
— Die Entwicklung der Gesamtzahl der Unfälle unterscheidet sich nicht signifikant <strong>von</strong><br />
den anderen beiden Kantonen.<br />
Daraus lässt sich e<strong>in</strong>erseits schliessen, dass die W<strong>in</strong>terdienste, die stärker auf Prophyla-<br />
xe setzten, tatsächlich e<strong>in</strong> besseres Ergebnis erzielen als W<strong>in</strong>terdienste, die nicht auf<br />
Prophylaxe setzten, und damit e<strong>in</strong>en Rückgang der Anzahl Unfälle auf schneebedeckter,<br />
pflotschiger oder eisiger Fahrbahn erzielen. Andererseits sche<strong>in</strong>t sich dieses Ergebnis<br />
aber nicht auf die Entwicklung der Gesamtzahl der Unfälle durchzuschlagen, die <strong>in</strong> allen<br />
drei Kantonen gleich verlaufen ist. Dafür gibt es mehrere Erklärungsansätze:<br />
1 Verlagerungseffekt: Es geschehen weniger Unfälle auf schneebedeckter, pflotschiger<br />
oder eisiger Fahrbahn, da die Fahrbahnen kaum mehr schneebedeckt, pflotschig o-<br />
der eisig s<strong>in</strong>d, dafür aber mehr Unfälle auf trockener, feuchter oder nasser Fahrbahn.<br />
2 Unterschiede <strong>in</strong> der Zunahme des Verkehrsaufkommens oder im technischen Fort-<br />
schritt bei der Strassen<strong>in</strong>frastruktur bewirken, dass der unfallm<strong>in</strong>dernde Effekt e<strong>in</strong>es<br />
besseren W<strong>in</strong>terdienstes überlagert wird.
Den ersten Erklärungsansatz können wir als e<strong>in</strong>zigen Grund ausschliessen, da nachge-<br />
wiesen worden ist (Abay 2005), dass das Unfallrisiko auf schneebedeckter, pflotschiger<br />
oder eisiger Fahrbahn höher ist als auf salznasser Fahrbahn. Folglich deuten die Ergeb-<br />
nisse darauf h<strong>in</strong>, dass sich neben dem W<strong>in</strong>terdienst noch andere Faktoren <strong>in</strong> den Kanto-<br />
nen unterschiedlich entwickelt haben. Damit ist jedoch Annahme 1 verletzt, wodurch<br />
auch der Kantonsvergleich bezüglich der Unfälle auf schneebedeckter, pflotschiger und<br />
nasser Fahrbahn an Validität verliert.<br />
Die vorliegende Auswertung <strong>von</strong> Unfalldaten führt also auf ke<strong>in</strong> e<strong>in</strong>deutiges Ergebnis. Die<br />
Auswertungen zeigen, dass der E<strong>in</strong>bezug weiterer Variablen und damit die Zusammen-<br />
stellung e<strong>in</strong>es neuen Datensatzes aus verschiedenen Datenquellen notwendig wäre, um<br />
den offenen Fragen mithilfe e<strong>in</strong>es multivariaten Ansatzes auf den Grund zu gehen. Im<br />
vorliegenden Projekt lag die Konstruktion e<strong>in</strong>es solchen neuen Datensatzes ausserhalb<br />
des Projektrahmens; hier ist jedoch Raum für weitere Forschung.<br />
3.5.7 Drittleister<br />
Die <strong>in</strong> den obigen Kapiteln mehrmals erwähnten Drittleister im Bereich W<strong>in</strong>terdienst s<strong>in</strong>d<br />
auf den National- und Kantonsstrassen <strong>in</strong> der Regel Bautransportunternehmer, deren<br />
Fahrzeuge sich für den W<strong>in</strong>terdienst eignen und im W<strong>in</strong>ter weniger ausgelastet s<strong>in</strong>d als<br />
<strong>in</strong> den wärmeren Monaten. Bautransporte werden ausführlich <strong>in</strong> Kapitel 3.7.6 behandelt,<br />
die Aussagen im Bereich W<strong>in</strong>terdienst werden hier aber zusammengefasst und an-<br />
schliessend <strong>in</strong> Kapitel 3.5.9 hochgerechnet:<br />
Die mit den Drittleistern vere<strong>in</strong>barten Reaktionszeiten im Falle e<strong>in</strong>er Alarmierung s<strong>in</strong>d<br />
sehr kurz. In der Regel s<strong>in</strong>d die Drittleister verpflichtet, <strong>in</strong>nerhalb <strong>von</strong> 30 M<strong>in</strong>uten auf den<br />
ihnen zugewiesenen Streckenabschnitten zu se<strong>in</strong>, andernfalls müssen häufig «Strafge-<br />
bühren» gezahlt werden. Dies bedeutet, dass die für den W<strong>in</strong>terdienst ausgerüsteten<br />
Fahrzeuge sich zum Zeitpunkt der Alarmierung bereits e<strong>in</strong>satzbereit beim Drittleister auf<br />
dem Platz bef<strong>in</strong>den müssen. Die Drittleister können die Fahrzeuge entweder während der<br />
ganzen W<strong>in</strong>terdienstsaison <strong>von</strong> November bis März für die W<strong>in</strong>terdienste<strong>in</strong>sätze bereit-<br />
halten, oder aber zwischendurch trotzdem für anderes e<strong>in</strong>setzen, wenn gemäss Wetter-<br />
prognosen ke<strong>in</strong>e Alarmierung zu erwarten ist. Gemäss den beiden Interviews, die wir mit<br />
Drittleistern geführt haben, kommt beides vor. 15<br />
<strong>Der</strong> befragte Bautransportunternehmer, welcher die für den W<strong>in</strong>terdienst ausgerüsteten<br />
Fahrzeuge auch für anderes e<strong>in</strong>setzt, geht da<strong>von</strong> aus, dass die für den W<strong>in</strong>terdienst e<strong>in</strong>-<br />
gesetzten Fahrzeuge ohne Wetterprognosen während der W<strong>in</strong>termonate die Hälfte jedes<br />
Arbeitstages nicht für andere E<strong>in</strong>sätze verwendet werden könnten. Bei unverändertem<br />
Umsatz, Kosten 16 <strong>von</strong> 500 CHF pro Fahrzeug und Fahrer pro Tag, sechs für den W<strong>in</strong>ter-<br />
dienst genutzten LKW und fünf W<strong>in</strong>termonaten 17 à 20 Arbeitstagen ergeben sich im Ver-<br />
15 Die Interviews wurden mit zwei Drittleistern im gleichen Nationalstrassengebiet geführt, also mit zwei Drittleistern, die pro<br />
W<strong>in</strong>terdienstsaison ähnlich häufig alarmiert werden.<br />
16 Selbstkosten, gemäss Angaben der Interviewpartner.<br />
17 Die W<strong>in</strong>terdienstsaison dauert <strong>von</strong> November bis März, vgl. auch Kapitel 3.5.<br />
/ 31
32 / 3 Strassenverkehr<br />
gleich zu e<strong>in</strong>er Situation mit Prognosen Kosten für unproduktive Betriebsmittel <strong>von</strong> rund<br />
150'000 CHF pro Jahr.<br />
3.5.8 Würdigung<br />
Die zum W<strong>in</strong>terdienst erhobenen Informationen ergeben <strong>in</strong>sgesamt e<strong>in</strong> konsistentes Bild.<br />
Die Aussagen zu Organisation, Arbeitsprozessen und Nutzung <strong>von</strong> meteorologischen<br />
Informationen s<strong>in</strong>d bei allen dezentral organisierten W<strong>in</strong>terdiensten relativ homogen, wo-<br />
bei die Mehrheit der befragten W<strong>in</strong>terdienste e<strong>in</strong>e stark dezentrale Organisation aufweist.<br />
Die zentral organisierten W<strong>in</strong>terdienste funktionieren grundsätzlich anders und machen<br />
zur Nutzung <strong>von</strong> meteorologischer Information deswegen auch anderen Aussagen.<br />
Die Aussagen zur Wirkung <strong>von</strong> meteorologischen Informationen auf den E<strong>in</strong>satz öffentli-<br />
cher Mittel s<strong>in</strong>d zwar unterschiedlich, aber liegen <strong>in</strong> sehr ähnlichen Bereichen, sofern sie<br />
auch ähnlich begründet wurden. Deswegen stufen wir die Ergebnisse als e<strong>in</strong> gutes Mass<br />
für die Grössenordnung der Mehrkosten e<strong>in</strong>es W<strong>in</strong>terdienstes ohne Wetterprognosen e<strong>in</strong>.<br />
Auch die Angaben zur Wirkung <strong>von</strong> meteorologischen Informationen auf die Qualität der<br />
Leistungserbr<strong>in</strong>gung s<strong>in</strong>d homogen: Ohne Wetterprognosen würde Glätte auf den Stras-<br />
sen häufiger vorkommen als heute. Die hypothetischen Folgen wären vor allem bei stark<br />
befahrenen Strassen zusätzliche Unfälle und zusätzlicher Stau. Unsere Auswertung der<br />
Statistik der Strassenverkehrsunfälle widerlegt diese Hypothese nicht, kann sie aber nicht<br />
abschliessend be-stätigen. Auch ist ke<strong>in</strong>e Quantifizierung der Anzahl zusätzlicher Unfälle<br />
möglich.<br />
Die Angaben der Drittleister s<strong>in</strong>d plausibel, ergeben aber ke<strong>in</strong> konsistentes Bild. Bei den<br />
Drittleistern werden meteorologische Informationen offensichtlich sehr unterschiedlich<br />
genutzt, abhängig <strong>von</strong> der konkreten Organisation und den Arbeitsprozessen. Dies ist bei<br />
der Hochrechnung der quantitativen Ergebnisse zu berücksichtigen.<br />
3.5.9 Quantitative Ergebnisse und Hochrechnung<br />
W<strong>in</strong>terdienstausgaben der öffentlichen Hand<br />
Tabelle 7 fasst zusammen, wie sich das Fehlen meteorologischer Prognosen auf den<br />
Betriebsaufwand der befragten W<strong>in</strong>terdienste auswirken würde. Dabei wird zwischen den<br />
verschiedenen Auswirkungen im täglichen Betrieb differenziert, die <strong>von</strong> den W<strong>in</strong>terdiens-<br />
ten angegeben wurden und die zu unterschiedlichen Mehrkosten pro Strassenkilometer<br />
führen. 18 Von den neun befragten W<strong>in</strong>terdiensten waren nur sieben bereit, den <strong>Nutzen</strong><br />
der Wetterprognosen monetär abzuschätzen, die übrigen zwei haben dies als nicht mög-<br />
lich beurteilt. Diese sieben befragten W<strong>in</strong>terdienste rechnen <strong>in</strong>sgesamt mit Mehrausga-<br />
ben <strong>in</strong> der Grössenordnung <strong>von</strong> 4.64 Mio. CHF/a, müssten sie den W<strong>in</strong>terdienst <strong>in</strong> der<br />
heutigen Qualität ohne Wetterprognosen leisten. Dabei wurde aber <strong>von</strong> mehreren e<strong>in</strong>-<br />
18 Die Unterschiede <strong>in</strong> den Mehrkosten pro Strassenkilometer lassen sich nicht systematisch mit Eigenschaften (z.B. Ausrichtung<br />
auf Prophylaxe, Organisationsstrukturen) der W<strong>in</strong>terdienste verb<strong>in</strong>den. Dabei ist auch anzumerken, dass zwar alle<br />
W<strong>in</strong>terdienste nach den gleichen Qualitätsstandards arbeiten und diese auch erfüllen, e<strong>in</strong>e Messung der Ergebnisqualität<br />
aber fehlt.
schränkend bemerkt, dass das heutige Qualitätsniveau ohne Wetterprognosen nur nähe-<br />
rungsweise erreichbar wäre.<br />
Auswirkungen fehlender Wetterprognosen auf den Aufwand der 7 befragten W<strong>in</strong>terdienste mit Quantifizierung<br />
Auswirkung:<br />
Höherer Personalbedarf<br />
wegen schlechterer Planbarkeit<br />
der E<strong>in</strong>sätze<br />
Höherer Ressourcenbedarf<br />
(Personal und Fahrzeuge)<br />
wegen zusätzlich notwendiger<br />
Strecken- und Wetterbeobachtung<br />
Zusätzliche E<strong>in</strong>satzstunden<br />
für Kontrollfahrten ohne<br />
Notwendigkeit <strong>von</strong> zusätzlichem<br />
Personal<br />
Anzahl <strong>von</strong> der<br />
Auswirkung betroffene<br />
W<strong>in</strong>terdienste<br />
Nationalstrassen<br />
Anzahl <strong>von</strong> der<br />
Auswirkung betroffene<br />
W<strong>in</strong>terdienste<br />
Kantonsstrassen<br />
Ø Kosten pro<br />
Strassenkilometer<br />
pro Jahr<br />
[CHF/km]<br />
/ 33<br />
Kosten gesamt pro<br />
Jahr<br />
[CHF/a]<br />
2 0 6'400 1.85 Mio.<br />
1 2 840 2.48 Mio.<br />
1 1 200 0.315 Mio.<br />
Summe National- und Kantonsstrassen 4.64 Mio.<br />
Summe Nationalstrassen 2.00 Mio.<br />
Summe Kantonsstrassen 2.64 Mio.<br />
Tabelle 7: Hypothetische monetäre Auswirkungen des Fehlens <strong>von</strong> meteorologischen Prognosen auf die<br />
Ausgaben der öffentlichen Hand für den W<strong>in</strong>terdienst auf National- und Kantonsstrassen bei<br />
den sieben befragten W<strong>in</strong>terdiensten, die monetäre Abschätzungen gemacht haben. Zwei der<br />
neun befragten W<strong>in</strong>terdienste haben monetäre Abschätzungen als nicht möglich beurteilt.<br />
Die Hochrechnung der erhobenen Ergebnisse erfolgt anhand der Strassenkilometer, wel-<br />
che durch die befragten und die nicht befragten W<strong>in</strong>terdienste gepflegt werden. Dies ist<br />
zulässig, wenn wir da<strong>von</strong> ausgehen, dass die Gruppe der befragten W<strong>in</strong>terdienste sich<br />
bezüglich e<strong>in</strong>gesetzter Technik, Organisation und Topographie des zu betreuenden Ge-<br />
bietes nicht systematisch <strong>von</strong> der Gruppe der nicht befragten W<strong>in</strong>terdienste unterschei-<br />
det. Aufgrund der getroffenen Auswahl halten wir diese Annahme für zulässig. Tabelle 8<br />
zeigt die Anzahl National- und Kantonsstrassenkilometer <strong>in</strong> der Schweiz sowie die Anzahl<br />
der <strong>von</strong> den im Rahmen der vorliegenden Studie befragten W<strong>in</strong>terdiensten betreuten<br />
Strassenkilometer: Die durchgeführten Befragungen decken 43% des Nationalstrassen-<br />
und 26% des Kantonstrassennetzes ab. Angaben zu den quantitativen Auswirkungen <strong>von</strong><br />
fehlenden Wetterprognosen haben allerd<strong>in</strong>gs nur sieben der neun befragten W<strong>in</strong>terdiens-<br />
te gemacht, so dass für 36% des Nationalstrassennetzes und 24% des Kantonsstrassen-<br />
netzes Quantifizierungen der Auswirkungen <strong>von</strong> fehlenden Wetterprognosen vorliegen.
34 / 3 Strassenverkehr<br />
Strassentyp Strassenkilometer <strong>in</strong><br />
der Schweiz<br />
[km]<br />
Strassenkilometer der 7 befragten<br />
W<strong>in</strong>terdienste, welche monetäre<br />
Abschätzungen gemacht haben<br />
[km]<br />
Strassenkilometer der 2 befragten<br />
W<strong>in</strong>terdienste, welche ke<strong>in</strong>e<br />
monetäre Abschätzungen gemacht<br />
haben [km]<br />
Anzahl Anteil Anzahl Anteil<br />
Nationalstrassen 1'789 628 36% 119 7%<br />
Kantonsstrassen 18'050 4'243 24% 518 3%<br />
Tabelle 8: Strassenkilometer National- und Kantonsstrassen gesamt und Strassenkilometer der befragten<br />
W<strong>in</strong>terdiensten. Quelle: Bundesamt für Strassen und Bundesamt für Statistik, Themenbereich<br />
Mobilität und Verkehr, 2010.<br />
Beim Übertrag der erhobenen Ergebnisse auf die nicht befragten W<strong>in</strong>terdienste und die<br />
zwei befragten W<strong>in</strong>terdienste ohne Quantifizierungen muss e<strong>in</strong>e Annahme darüber ge-<br />
troffen werden, bei welchem Anteil der nicht befragten W<strong>in</strong>terdienste die drei verschiede-<br />
nen möglichen Auswirkungen e<strong>in</strong>treten (vgl. nochmals Tabelle 7). Aufgrund der ger<strong>in</strong>gen<br />
Fallzahlen kann die bei den befragten W<strong>in</strong>terdiensten aufgetretene Verteilung zwar als<br />
e<strong>in</strong> H<strong>in</strong>weis dienen, lässt aber ke<strong>in</strong>e e<strong>in</strong>deutigen Schlüsse zu. Deswegen wurden ver-<br />
schiedene Szenarien berechnet (Tabelle 9): <strong>Der</strong> obere Teil der Tabelle zeigt, wie viel<br />
höher der Aufwand der nicht befragten W<strong>in</strong>terdienste und der zwei befragten W<strong>in</strong>ter-<br />
dienste ohne Quantifizierungen wäre, wenn je bei e<strong>in</strong>em Drittel e<strong>in</strong>e der drei möglichen<br />
Auswirkungen auftreten würde. <strong>Der</strong> untere Teil zeigt h<strong>in</strong>gegen die Extreme, welche auf-<br />
treten würden, wenn jeweils bei allen nicht befragten W<strong>in</strong>terdiensten dieselbe der drei<br />
möglichen Auswirkungen gültig wäre.
Auswirkungen fehlender Wetterprognosen auf den Aufwand der nicht befragten W<strong>in</strong>terdienste<br />
und der zwei befragten W<strong>in</strong>terdienste ohne Quantifizierung<br />
Annahme: Je e<strong>in</strong> Drittel der<br />
nicht befragten W<strong>in</strong>terdienste…<br />
… benötigt mehr Personal wegen<br />
schlechterer Planbarkeit der<br />
E<strong>in</strong>sätze<br />
… benötigt mehr Ressourcen<br />
wegen zusätzlich notwendiger<br />
Strecken- und Wetterbeobachtungen<br />
… benötigt mehr E<strong>in</strong>satzstunden<br />
für Kontrollfahrten, aber ke<strong>in</strong>e<br />
zusätzlichen Anstellungen<br />
/ 35<br />
Nationalstrassen Kantonsstrassen<br />
Rechnung Ergebnis [CHF/a] Rechnung Ergebnis [CHF/a]<br />
1/3 * 1'161 km *<br />
6'400 CHF/km<br />
1/3 * 1'161 km *<br />
840 CHF/km<br />
1/3 * 1'161 km *<br />
200 CHF/km<br />
2.48 Mio.<br />
0.33 Mio.<br />
0.08 Mio.<br />
1/3 * 13'807 km *<br />
6'400 CHF/km<br />
1/3 * 13'807 km *<br />
840 CHF/km<br />
1/3 * 13'807 km *<br />
200 CHF/km<br />
29.45 Mio.<br />
3.87 Mio.<br />
0.92 Mio.<br />
SUMME 2.88 Mio. 34.24 Mio.<br />
Annahme: Alle nicht befragten<br />
W<strong>in</strong>terdienste…<br />
… benötigen mehr Personal<br />
wegen schlechterer Planbarkeit<br />
der E<strong>in</strong>sätze<br />
… benötigen mehr Ressourcen<br />
wegen zusätzlich notwendiger<br />
Strecken- und Wetterbeobachtungen<br />
… benötigen mehr E<strong>in</strong>satzstunden<br />
für Kontrollfahrten, aber<br />
ke<strong>in</strong>e zusätzlichen Anstellungen<br />
1'161 km * 6'400<br />
CHF/km<br />
1'161 km * 840<br />
CHF/km<br />
1'161 km * 200<br />
CHF/km<br />
7.43 Mio.<br />
0.98 Mio.<br />
0.23 Mio.<br />
13'807 km * 6'400<br />
CHF/km<br />
13'807 km * 840<br />
CHF/km<br />
13'807 km * 200<br />
CHF/km<br />
SUMME Summieren würde zu Doppelzählungen führen<br />
88.36 Mio.<br />
11.6 Mio.<br />
2.76 Mio.<br />
Tabelle 9: Hypothetische monetäre Auswirkungen des Fehlens <strong>von</strong> meteorologischen Prognosen auf die<br />
Ausgaben der öffentlichen Hand für den W<strong>in</strong>terdienst auf National- und Kantonsstrassen bei<br />
den nicht befragten W<strong>in</strong>terdiensten und den zwei befragten W<strong>in</strong>terdiensten ohne Quantifizierung.<br />
Die Angaben der befragten W<strong>in</strong>terdienste werden auf die nicht befragten W<strong>in</strong>terdienste<br />
übertragen.<br />
Wo der tatsächliche Mehraufwand der nicht befragten W<strong>in</strong>terdienste und der zwei befrag-<br />
ten W<strong>in</strong>terdienste ohne Quantifizierungen tatsächlich liegen würde, lässt sich nicht mit<br />
Sicherheit sagen, es ist aber wahrsche<strong>in</strong>licher, dass unterschiedliche Auswirkungen auf-<br />
treten würden. Wir halten deswegen die Je-e<strong>in</strong>-Drittel-Variante für am plausibelsten.<br />
Tabelle 10 zeigt schliesslich die Auswirkungen fehlender Wetterprognosen auf die Natio-<br />
nal- und Kantonsstrassenw<strong>in</strong>terdienste der ganzen Schweiz.
36 / 3 Strassenverkehr<br />
Auswirkungen fehlender Wetterprognosen auf den Aufwand der W<strong>in</strong>terdienste [Mio. CHF/a]<br />
Nationalstrassen Kantonsstrassen SUMME<br />
Befragte W<strong>in</strong>terdienste 2.00 2.64 4.64<br />
Nicht befragte W<strong>in</strong>terdienste (1) 2.88 34.24 37.12<br />
Möglicher Wertebereich 0.23 bis 7.43 2.76 bis 88.36 2.99 bis 95.79<br />
SUMME (1) 4.88 36.88 41.76<br />
Möglicher Wertebereich 2.23 bis 9.43 5.4 bis 91 7.63 bis 100.43<br />
Tabelle 10: Auswirkungen fehlender Wetterprognosen auf die Ausgaben der öffentlichen Hand für den Strassenw<strong>in</strong>terdienst.<br />
Die Angaben verstehen sich als plausible Grössenordnungen. Die möglichen<br />
Wertebereiche s<strong>in</strong>d sehr gross, plausibel s<strong>in</strong>d jedoch Werte <strong>von</strong> ca. 40 bis 50% des oberen Randes<br />
des Wertebereichs (vgl. auch Tabelle 9 und zugehörigen Text).<br />
(1) Plausibelster Wert<br />
Wirtschaftlichkeit der Drittleiser im W<strong>in</strong>terdienst<br />
Dank Wetterprognosen s<strong>in</strong>d die W<strong>in</strong>terdienste<strong>in</strong>sätze für die Drittleister antizipierbar.<br />
Dies ermöglicht ihnen, die für den W<strong>in</strong>terdienst ausgerüsteten Fahrzeuge während der<br />
W<strong>in</strong>terdienstsaison trotz der kurzen vere<strong>in</strong>barten Reaktionszeiten <strong>von</strong> 30 M<strong>in</strong>uten auch<br />
für andere Arbeiten e<strong>in</strong>zusetzen. Gemäss den <strong>in</strong> den Interviews gemachten Aussagen,<br />
müssten die für den W<strong>in</strong>terdienst ausgerüsteten Fahrzeuge während der W<strong>in</strong>terdienst-<br />
saison jeweils morgens an Ort behalten werden und könnten nicht für andere Arbeiten<br />
e<strong>in</strong>gesetzt werden, obwohl allenfalls ke<strong>in</strong> W<strong>in</strong>terdienste<strong>in</strong>satz notwendig se<strong>in</strong> wird.<br />
Dadurch ergeben sich bei fehlenden Wetterprognosen Kosten für unproduktive Betriebs-<br />
mittel <strong>von</strong> rund 12'500 CHF pro Jahr für e<strong>in</strong> für den W<strong>in</strong>terdienst ausgerüstetes Fahr-<br />
zeug, wenn <strong>von</strong> folgenden Annahmen ausgegangen wird:<br />
— Fünf Monate pro Jahr mit W<strong>in</strong>terdienstbereitschaft<br />
— E<strong>in</strong> Tageskostensatz <strong>von</strong> 500 CHF pro Fahrzeug und Fahrer<br />
— Ca. 10 Arbeitstage 19 ohne W<strong>in</strong>terdienste<strong>in</strong>satz pro Monat<br />
Es existieren ke<strong>in</strong>e Statistiken zur Anzahl e<strong>in</strong>gesetzter W<strong>in</strong>terdienstfahrzeuge <strong>in</strong> der<br />
Schweiz. Anhand der Angaben der neun <strong>in</strong>terviewten W<strong>in</strong>terdienste können wir die Men-<br />
ge jedoch ungefähr abschätzen (Tabelle 11): In der Schweiz s<strong>in</strong>d <strong>in</strong>sgesamt ca. 780 bis<br />
910 Fahrzeuge <strong>von</strong> Drittleistern für den W<strong>in</strong>terdienst auf den National- und Kantonsstras-<br />
sen ausgerüstet.<br />
19 An den Wochenenden f<strong>in</strong>den zwar W<strong>in</strong>terdienste<strong>in</strong>sätze, aber ke<strong>in</strong>e anderen Arbeiten statt, somit könnten die Fahrzeuge<br />
potentiell an 20 Tagen pro Monat für andere Arbeiten e<strong>in</strong>gesetzt werden. Die tatsächliche Anzahl E<strong>in</strong>sätze an Werktagen<br />
ist sehr variabel. Wir gehen bei der Hochrechung <strong>von</strong> der Hälfte der Werktage aus.
Angaben aus Interviews und Länge Strassennetz Abschätzung: Anzahl Fahrzeuge im W<strong>in</strong>terdienst,<br />
gesamt und <strong>von</strong> Drittleistern<br />
Nationalstrassen Nationalstrassen<br />
Durchschnittliche Anzahl Fahrzeuge pro km 0.15 Anzahl Fahrzeuge im W<strong>in</strong>terdienst gesamt 270<br />
Durchschnittlicher Anteil Drittleister 45% da<strong>von</strong> Drittleister wenn 45%-Anteil<br />
schweizweit<br />
Tiefster Anteil Drittleister 20% da<strong>von</strong> Drittleister wenn 30%-Anteil<br />
schweizweit<br />
Länge Nationalstrassennetz CH 1'789<br />
Kantonsstrassen Kantonsstrassen<br />
Durchschnittliche Anzahl Fahrzeuge pro km 0.055 Anzahl Fahrzeuge im W<strong>in</strong>terdienst gesamt 990<br />
Durchschnittlicher Anteil Drittleister 80% da<strong>von</strong> Drittleister wenn 80%-Anteil<br />
schweizweit<br />
Tiefster Anteil Drittleister 60% da<strong>von</strong> Drittleister wenn 70%-Anteil<br />
schweizweit<br />
Länge Kantonsstrassennetz CH 18'050<br />
Tabelle 11: Abschätzung der Anzahl Fahrzeuge im W<strong>in</strong>terdienst anhand der Angaben <strong>von</strong> sechs der neun<br />
<strong>in</strong>terviewten W<strong>in</strong>terdienste. Bei den übrigen war die Anzahl Fahrzeuge und/oder der Anteil der<br />
Drittleister aufgrund der dezentralen Organisation nicht verfügbar. Quellen: Interviews und Bundesamt<br />
für Strassen und Bundesamt für Statistik, Themenbereich Mobilität und Verkehr, 2010.<br />
Aufgrund der durchgeführten Interviews können wir nicht da<strong>von</strong> ausgehen, dass alle<br />
Drittleister ihre Fahrzeuge während der W<strong>in</strong>terdienstsaison für andere Arbeiten e<strong>in</strong>pla-<br />
nen, sofern aufgrund der Wetterprognose nicht <strong>von</strong> e<strong>in</strong>em E<strong>in</strong>satz auszugehen ist. Da die<br />
Antizipation der E<strong>in</strong>sätze auf Basis der Prognosen nicht trivial ist und die nationalen und<br />
kantonalen W<strong>in</strong>terdienste <strong>von</strong> ihren Drittleistern e<strong>in</strong>e hohe Zuverlässigkeit e<strong>in</strong>fordern,<br />
entscheiden sich e<strong>in</strong>ige Drittleister lieber dafür, ihre für den W<strong>in</strong>terdienst ausgerüsteten<br />
Fahrzeuge permanent e<strong>in</strong>satzbereit zu halten.<br />
Wir verfügen über ke<strong>in</strong>e statistische Basis, anhand derer die Anteile der Drittleister be-<br />
rechnet werden könnten, welche Wetterprognosen zur Antizipation der W<strong>in</strong>terdienste<strong>in</strong>-<br />
sätze verwenden und aufgrund der Prognosen ihre für den W<strong>in</strong>terdienst ausgerüsteten<br />
Fahrzeuge auch für andere Arbeiten e<strong>in</strong>planen. Für die Hochrechung verwenden wir<br />
deswegen Werte zwischen 25% und 75%, welche e<strong>in</strong>en grossen Unsicherheitsbereich<br />
widerspiegeln.<br />
Dank Wetterprognosen vermiedener Aufwand für unproduktive Betriebsmittel [Mio. CHF/a]<br />
Anzahl Fahrzeuge <strong>von</strong><br />
Drittleistern<br />
Anteil Drittleister, die Wetterprognosen zur Antizipation der E<strong>in</strong>sätze verwenden<br />
25% 50% 75%<br />
780 2.4 4.9 7.3<br />
910 2.8 5.7 8.5<br />
Tabelle 12: Dank Wetterprognosen vermiedener Aufwand <strong>von</strong> unproduktiven Betriebsmitteln bei den Drittleistern<br />
im W<strong>in</strong>terdienst auf den National- und Kantonsstrassen.<br />
/ 37<br />
120<br />
80<br />
790<br />
700
38 / 3 Strassenverkehr<br />
Tabelle 12 zeigt die Abschätzung der bei den Drittleistern dank Wetterprognosen vermie-<br />
denen Aufwendungen für unproduktive Betriebsmittel. Aufgrund der oben beschriebenen<br />
verschiedenen Unsicherheiten ergibt sich e<strong>in</strong> grosser Wertebereich <strong>von</strong> 2.4 bis 8.5 Mio.<br />
CHF/a, wobei alle Werte <strong>in</strong>nerhalb des Bereiches gleichermassen plausibel s<strong>in</strong>d.<br />
3.6 Verkehrsmanagement<br />
3.6.1 Verkehrsmanagement <strong>in</strong> der Schweiz<br />
Bis vor kurzem war das Verkehrsmanagement auf National- und Kantonsstrassen e<strong>in</strong>e<br />
Aufgabe der Kantone. Um die Koord<strong>in</strong>ation des Verkehrsmanagements auf den National-<br />
strassen zu vere<strong>in</strong>fachen, wurde e<strong>in</strong>e nationale Verkehrsmanagementzentrale e<strong>in</strong>gerich-<br />
tet, die am 1. Februar 2008 den Betrieb aufgenommen hat. Diese ist zuständig für alle<br />
Nationalstrassen erster und zweiter Klasse sowie auch für e<strong>in</strong>ige kantonale Autobahnen.<br />
Insgesamt umfasst das Zuständigkeitsgebiet 1'700 Strassenkilometer.<br />
Ziel des Verkehrsmanagements ist, den Verkehr «fliessen zu lassen». Dies wird durch<br />
<strong>in</strong>formieren, lenken und (um)leiten erreicht. Dazu arbeitet die nationale Verkehrsmana-<br />
gementzentrale die folgenden Stellen eng zusammen:<br />
— die Kantonspolizeicorps<br />
— die Grenzwachcorps<br />
— die für die Verkehrsmeldungen zuständige Viasuisse<br />
— die elf Gebietse<strong>in</strong>heiten für den betrieblichen Nationalstrassenunterhalt<br />
— die fünf für den baulichen Unterhalt zuständigen Astrafilialen<br />
3.6.2 Arbeitsweise der nationalen Verkehrsmanagementzentrale und E<strong>in</strong>fluss des<br />
Wetters – Aussagen der Interviewpartner<br />
Die folgenden Punkte gehören zu den Aufgaben der nationalen Verkehrsmanagement-<br />
zentrale:<br />
— Erstellung und Umsetzung <strong>von</strong> Verkehrsmanagementplänen geme<strong>in</strong>sam mit den Kan-<br />
tonen<br />
— Koord<strong>in</strong>ation und Weiterleitung <strong>von</strong> Verkehrsmeldungen und Umleitungsempfehlun-<br />
gen<br />
— Weiterleitung und Verbreitung <strong>von</strong> Verkehrs<strong>in</strong>formationen<br />
— Koord<strong>in</strong>ation der Baustellen (Festlegung der angesichts der Verkehrsmengen mögli-<br />
chen Bau- und Sperrzeiten sowie der Anzahl sperrbarer Spuren)
— Bewirtschaftung des Informationssystems zu Baustellen auf den Nationalstrassen<br />
(truck<strong>in</strong>fo.ch)<br />
— Bewirtschaftung der Stauräume für Lastwagen<br />
Um diese Aufgaben jederzeit zu erfüllen, arbeitet die Verkehrsmanagementzentrale im<br />
24-Stundenbetrieb. Informationen über die Situation auf den Strassen erhält sie über die<br />
300 fest <strong>in</strong>stallierten Verkehrsdatenzähler, welche die Geschw<strong>in</strong>digkeit und die Anzahl<br />
Fahrzeuge pro M<strong>in</strong>ute (nach Fahrzeugkategorien) automatisch messen, sowie über rund<br />
400 Kameras.<br />
Die grössten Handlungsoptionen hat die Verkehrsmanagementzentrale beim Schwerver-<br />
kehr, den sie bei Stauereignissen <strong>in</strong> die verschiedenen Warteräume, die sich entlang der<br />
Nord-Südachse über die ganze Schweiz verteilen, e<strong>in</strong>weisen kann. Dies geschieht zum<br />
Beispiel bei Verkehrsüberlastung am Gotthard und bei Rückstau an den Grenzkontroll-<br />
punkten bzw. bei der Zollabfertigung. Den <strong>in</strong>dividuellen Personenverkehr h<strong>in</strong>gegen kann<br />
sie nur begrenzt steuern. Hier steht die Lenkung durch Verkehrs<strong>in</strong>formationen und die<br />
Umleitungssignalisation bei Unfallereignissen und Stau im Vordergrund.<br />
Wetter bee<strong>in</strong>flusst die Arbeit der Verkehrsmanagementzentrale <strong>in</strong>sofern, als dass der<br />
Strassenzustand und die Sichtverhältnisse den Verkehrsfluss bee<strong>in</strong>flussen.<br />
3.6.3 Verwendung <strong>von</strong> meteorologischen Informationen – Aussagen der<br />
Interviewpartner<br />
Die Verkehrsmanagementzentrale verwendet MeteoSoft 20 , frei zugänglich Wetterprogno-<br />
sen im Internet sowie Fernseh- und Radionachrichten. Insbesondere <strong>in</strong>teressieren die<br />
Temperaturen sowie Niederschlags- und Schneemengen. Die meteorologischen Informa-<br />
tionen helfen den Mitarbeitenden, die aktuelle Situation auf den Strassen und die Ent-<br />
wicklung des Verkehrsflusses besser e<strong>in</strong>zuschätzen. Konkrete Aktivitäten werden aber<br />
durch meteorologische Informationen nicht ausgelöst, mit e<strong>in</strong>er Ausnahme: Da bei star-<br />
kem Schneefall die Gefahr besteht, dass LKW die Steigung auf den Gotthardrampen<br />
nicht mehr bewältigen können, werden die LKW frühzeitig <strong>in</strong> die Warteräume gewiesen<br />
und die nicht-permanenten Warteräume e<strong>in</strong>gerichtet, um e<strong>in</strong>e Überfüllung e<strong>in</strong>zelner War-<br />
teräume zu vermeiden.<br />
Hier ist anzumerken, dass W<strong>in</strong>terreifen und Kettenobligatorien im der Kompetenz der<br />
kantonalen Polizeicorps liegen.<br />
3.6.4 Wirkung auf den E<strong>in</strong>satz öffentlicher Mittel – Aussagen der Interviewpartner<br />
Im Rahmen der Verkehrsmanagementarbeiten lässt sich nicht feststellen, dass meteoro-<br />
logische Informationen bei den zuständigen Stellen zu effizienteren Abläufen führen wür-<br />
den oder dass dank meteorologischer Informationen Ressourcen e<strong>in</strong>gespart werden<br />
könnten.<br />
20 Software, <strong>in</strong> die diverse meteorologische Informationen und Prognosen <strong>in</strong>tegriert s<strong>in</strong>d, vgl. auch Kapitel A-1 im Anhang.<br />
/ 39
40 / 3 Strassenverkehr<br />
3.6.5 Wirkung auf die Qualität der Leistungserbr<strong>in</strong>gung – Aussagen der<br />
Interviewpartner<br />
Meteorologische Information verbessert die Leistungen der Verkehrsmanagementzentra-<br />
le, da besser antizipiert werden kann, wann es wetterbed<strong>in</strong>gt notwendig wird, den<br />
Schwerverkehr <strong>in</strong> die Warteräume e<strong>in</strong>zuweisen und die nicht-permanenten Warteräume<br />
e<strong>in</strong>zurichten. Damit kann vermieden werden, dass LKW bei starkem Schneefall auf den<br />
Gotthardrampen aufgrund durchdrehender Reifen «liegen bleiben».<br />
E<strong>in</strong>e Quantifizierung der Staustunden, die damit dank meteorologischer Information ver-<br />
mieden werden können, war jedoch nicht möglich.<br />
3.6.6 Würdigung<br />
Die Organisation und Prozesse <strong>in</strong> der Verkehrsmanagementzentrale wurden uns im In-<br />
terview sehr ausführlich und verständlich dargelegt. Die zu Wetter und meteorologischen<br />
Informationen gemachten Aussagen ersche<strong>in</strong>en uns plausibel und nachvollziehbar.<br />
Meteorologische Informationen führen bei der Verkehrsmanagementzentrale anders als<br />
bei den Strassendiensten nicht zu e<strong>in</strong>em tieferen Ressourcene<strong>in</strong>satz. Sie s<strong>in</strong>d für die<br />
Mitarbeitenden vor allem Zusatz<strong>in</strong>formationen, die ihnen helfen, die aktuelle Situation auf<br />
den Strassen und die weitere Verkehrsentwicklung besser e<strong>in</strong>zuschätzen. Dadurch kön-<br />
nen potentielle Stauereignisse besser antizipiert und entsprechende Massnahmen für<br />
den Schwerverkehr ergriffen werden, was <strong>in</strong> der Regel bedeutet, dass der Schwerverkehr<br />
<strong>in</strong> den dafür vorgesehenen Warteräumen zurückgehalten wird. Dies wird beispielsweise<br />
bei sehr starkem Schneefall auf den Gotthardrampen gemacht. Je früher Verkehrsprob-<br />
leme erkannt werden, desto eher werden LKW-Staus auf den Nationalstrassen und die<br />
Überfüllung <strong>von</strong> e<strong>in</strong>zelnen Warteräumen verh<strong>in</strong>dert. E<strong>in</strong>e Quantifizierung der damit dank<br />
meteorologischen Informationen vermiedenen Staustunden war allerd<strong>in</strong>gs nicht möglich.<br />
3.7 Gütertransportunternehmungen<br />
3.7.1 Die Gütertransportbranche <strong>in</strong> der Schweiz<br />
Tabelle 13 zeigt die Struktur der Logistik- und Transportbranche <strong>in</strong> der Schweiz. Insge-<br />
samt weist die Betriebszählung 2008 (Vollerhebung) 4’330 Unternehmen im Bereich «Gü-<br />
terbeförderung im Strassenverkehr» (NOGA-Code 494100) aus. Diese Kategorie umfasst<br />
nebst sämtlichen Tätigkeiten der Güterbeförderung auf der Strasse auch die Vermietung<br />
<strong>von</strong> LKW mit Fahrern und ausserdem die Güterbeförderung «mit <strong>von</strong> Menschen oder<br />
Tieren gezogenen Fahrzeugen», wobei da<strong>von</strong> auszugehen ist, dass deren Anzahl ver-<br />
nachlässigbar ist, zumal Post- und (Velo-)kurierdienstleistungen nicht enthalten s<strong>in</strong>d.<br />
85% der <strong>in</strong> dieser Kategorie registrierten Unternehmen s<strong>in</strong>d Mikro-Unternehmen mit we-<br />
niger als neun Beschäftigten. Weitere 13% s<strong>in</strong>d Kle<strong>in</strong>unternehmen mit 10-49 Beschäftig-<br />
ten. In nur 2% der Unternehmen arbeiten 50 Beschäftigte oder mehr. Sie stellen aller-
d<strong>in</strong>gs 36% der im Bereich «Güterbeförderung im Strassenverkehr» vorhandenen Stellen-<br />
prozente.<br />
/ 41<br />
Unternehmen Vollzeitäquivalente<br />
Anzahl Anteil Anzahl Anteil<br />
Mikro (bis 9 Mitarbeitende) 3'684 85% 8'699 28%<br />
Kle<strong>in</strong>e (10-49 Mitarbeitende) 557 13% 11'243 36%<br />
Mittlere (50-249 Mitarbeitende) 85 2% 8'288 26%<br />
Grosse (ab 250 Mitarbeitende) 4 0% 3'180 10%<br />
Total 4'330 100% 31'410 100%<br />
Tabelle 13: Struktur der Transportbranche (Güter) auf der Strasse <strong>in</strong> der Schweiz. Quelle: BFS Betriebszählung<br />
2008, NOGA-Code 494100 «Güterbeförderung im Strassenverkehr».<br />
Diese Kategorie umfasst sämtliche Tätigkeiten der Güterbeförderung im Strassenverkehr e<strong>in</strong>schliesslich<br />
LKW-Vermietung mit Fahrer und Güterbeförderung mit <strong>von</strong> Menschen oder Tieren gezogenen<br />
Fahrzeugen. Nicht enthalten s<strong>in</strong>d Post- und Kurierdienste.<br />
Leider existieren ke<strong>in</strong>en Angaben zur Verkehrleistung (Tonnenkilometer) der e<strong>in</strong>zelnen<br />
Unternehmen. Aber anhand der <strong>in</strong> den e<strong>in</strong>zelnen Grössenkategorien vorhanden Stellen<br />
(Vollzeitäquivalente) ist da<strong>von</strong> auszugehen, dass die Mikro-Unternehmen maximal e<strong>in</strong><br />
Drittel der Verkehrsleistung liefern. E<strong>in</strong> weiters Drittel wird durch Kle<strong>in</strong>unternehmen und<br />
das letzte Drittel durch mittlere und grosse generiert.<br />
Innerhalb des Branchencodes «Güterbeförderung im Strassenverkehr» f<strong>in</strong>den sich sehr<br />
unterschiedliche Unternehmen:<br />
— Spezialisierte Logistikunternehmen mit Schwerpunkt Stückgut: Diese Unterneh-<br />
men bieten ihren Kunden vor allem Stückguttransporte an, d.h. Transporte <strong>von</strong> Palet-<br />
ten, Kisten, Fässern, Masch<strong>in</strong>enteilen und ähnlichem, deren Gewicht zwischen 30 kg<br />
und 4 t liegt. Diese Unternehmen verfügen <strong>in</strong> der Regel über e<strong>in</strong>en eigenen Fahr-<br />
zeugpark, die Kapazitäten können aber mit Vertragsfahrern und bei Spitzenlasten mit<br />
Subunternehmen ergänzt werden.<br />
— Logistike<strong>in</strong>heiten grosser Konzerne, welche rechtlich eigenständig s<strong>in</strong>d: Insbe-<br />
sondere bei Lebensmittel- und Treibstoffkonzernen, aber auch anderen Unternehmen<br />
mit hohen Warenumschlägen, bildet die Logistik e<strong>in</strong>e Zentrale und ergebnisrelevante<br />
betriebswirtschaftliche E<strong>in</strong>heit. Sofern die Logistike<strong>in</strong>heiten rechtlich eigenständig<br />
s<strong>in</strong>d, ersche<strong>in</strong>en sie <strong>in</strong> der Betriebszählung unter dem Code «Güterbeförderung».<br />
Andernfalls s<strong>in</strong>d die Unternehmen entsprechend ihrer Haupttätigkeit klassifiziert.<br />
— Kle<strong>in</strong>e Transportunternehmen und Vertragsfahrer ohne eigene logistische Pla-<br />
nung. Diese führen für Logistikunternehmen (oder Logistike<strong>in</strong>heiten <strong>von</strong> Unterneh-<br />
men) Warentransporte aus, disponieren aber nicht selbst.<br />
— Bautransportunternehmen. Diese verfügen über e<strong>in</strong>en anderen Fahrzeugpark als<br />
die übrige Branche, der vor allem Kipper und Fahrmischer umfasst. Interessant ist<br />
diese Gruppe, da verschiedene Arbeiten im Baubereich witterungssensibel s<strong>in</strong>d, wo-<br />
durch Bautransportunternehmen witterungsbed<strong>in</strong>gte Auslastungsschwankungen erle-
42 / 3 Strassenverkehr<br />
ben. Im W<strong>in</strong>ter betreiben manche <strong>in</strong> diesem Bereich tätige Unternehmen mit ihren<br />
Fahrzeugen auch W<strong>in</strong>terdienst, der ebenfalls witterungsabhängig ist.<br />
Wichtige Rahmenbed<strong>in</strong>gungen für die Branche s<strong>in</strong>d das Nacht- und Sonntagsfahrverbot,<br />
die LSVA (Leistungsabhängige Schwerverkehrsabgabe) sowie das Arbeitsgesetz, wel-<br />
ches die Pausen- und Ruhezeiten der Chaffeure regelt. Fahrzeuge mit über 3.5 t Ge-<br />
samtgewicht dürfen zwischen 22 Uhr abends und 5 Uhr morgens sowie an Sonn- und<br />
Feiertagen nicht fahren. Ausnahmen existieren beispielsweise für Frischprodukte. Eben-<br />
so s<strong>in</strong>d diese Fahrzeuge LSVA-pflichtig, wobei sich die LSVA nach der zurückgelegten<br />
Strecke sowie nach dem zulässigen Gesamtgewicht und der Emmissionskategorie des<br />
Fahrzeuges bemisst. Die Bemessung nach dem zulässigen und nicht nach dem effekti-<br />
ven Gesamtgewicht hat dazu geführt, dass heute Leerfahrten und die Wahl überdimensi-<br />
onierter Fahrzeuge wann immer möglich vermieden werden.<br />
3.7.2 Interviewte Transportunternehmen<br />
Im H<strong>in</strong>blick auf die Nutzung <strong>von</strong> meteorologischer Information ist <strong>von</strong> Bedeutung, wie viel<br />
Spielraum die Unternehmen bzgl. der Routenwahl und des Abhol- und Lieferterm<strong>in</strong>s ha-<br />
ben. 21 Aus diesem Grund wurden ausschliesslich Unternehmen mit eigener logistischer<br />
Planung <strong>in</strong> die Analyse e<strong>in</strong>bezogen. Insgesamt wurden 10 Interviews geführt:<br />
— Drei Interviews mit Unternehmen, die Transportdienstleistungen vorwiegend im<br />
Stückgutbereich und teilweise auch im Kombiverkehr anbieten.<br />
— Drei Interviews im Lebensmittelbereich, zwei Gespräche mit Logistike<strong>in</strong>heiten gros-<br />
ser Lebensmittelkonzerne, e<strong>in</strong> Gespräch mit e<strong>in</strong>em Lebensmittelverteilzentrum.<br />
— Zwei Interviews mit Bautransportunternehmen, die <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er der betrachteten Gebiets-<br />
e<strong>in</strong>heiten für Nationalstrassen W<strong>in</strong>terdienst leisten.<br />
— Zwei Interviews mit den Logistike<strong>in</strong>heiten grosser Öl- und Energiekonzerne.<br />
Die Interviews haben gezeigt, dass diese verschiedenen Arten <strong>von</strong> Transportunterneh-<br />
men unterschiedlich funktionieren und deswegen auch unterschiedlich <strong>von</strong> Wetterprog-<br />
nosen profitieren. Aus diesem Grund stellen wir <strong>in</strong> den folgenden Kapiteln die Ergebnisse<br />
zu den vier Gruppen separat dar.<br />
3.7.3 Transportunternehmen mit Schwerpunkt Stückgut<br />
Arbeitsweise und E<strong>in</strong>fluss des Wetters<br />
Die Transportunternehmen bieten ihren Kunden Strassentransporte und teilweise auch<br />
Kombiverkehrstransporte an, wobei zwischen dem Laden und Entladen der Waren häufig<br />
weniger als 24h liegen. Typischerweise wird am Nachmittag geladen und anderntags im<br />
Laufe des Vormittags ausgeliefert. Die Arbeit der Dispositionsabteilungen ist aufgrund<br />
21 In den Interviews hat sich gezeigt, dass Wetterprognosen bei den Anbietern <strong>von</strong> Kombiverkehr ke<strong>in</strong>en E<strong>in</strong>fluss auf die<br />
Wahl des Verkehrsmittels haben, ausser <strong>in</strong> lang anhaltenden Extremsituationen. Die Kapazitäten der Bahn s<strong>in</strong>d zu starr,<br />
als das kurzfristig aufgrund <strong>von</strong> Wetterprognosen e<strong>in</strong> Wechsel <strong>von</strong> der Strasse auf die Schiene möglich wäre.
des starken Wettbewerbs und der Rahmenbed<strong>in</strong>gungen (<strong>in</strong>sbesondere LSVA) erfolgsent-<br />
scheidend für das Transportunternehmen. Ziel der Disponenten ist e<strong>in</strong>e optimale Auslas-<br />
tung der Fahrzeuge, die Vermeidung <strong>von</strong> Leerfahrten und die E<strong>in</strong>haltung der vere<strong>in</strong>bar-<br />
ten Lieferterm<strong>in</strong>e, wobei gleichzeitig auch auf die E<strong>in</strong>haltung <strong>von</strong> Pausen und Ruhezeiten<br />
der Chauffeure zu achten ist.<br />
Das Wetter ist für die Transportunternehmen vor allem <strong>in</strong>sofern relevant, als dass es den<br />
Verkehrsfluss auf den Strassen prägt. Bei starkem Regen, Frost oder Schneefall s<strong>in</strong>d die<br />
Strassenverhältnisse schlechter. <strong>Der</strong> Verkehr bewegt sich langsamer und Unfälle kom-<br />
men häufiger vor, die vermehrt zu Stau führen. Des Weiteren müssen bei Schnee das<br />
eigene Gelände geräumt und bei Frost die Lastwagendächer enteist werden, damit im<br />
Verkehr ke<strong>in</strong>e Eisplatten <strong>von</strong> den Dächern fallen. Auch können e<strong>in</strong>ige kälteempf<strong>in</strong>dliche<br />
Waren nachts nicht <strong>in</strong> den Lastwagen verbleiben und Lager müssen temperiert werden.<br />
Verwendung <strong>von</strong> meteorologischen Informationen<br />
Zwei der befragten Unternehmen haben angegeben, dass meteorologische Informationen<br />
gar nicht genutzt, also folglich auch bei der Disposition der Fahrzeuge nicht berücksich-<br />
tigt werden. Das dritte Unternehmen nutzt ebenfalls nur wenig meteorologische Informa-<br />
tionen, relevant s<strong>in</strong>d nur Schneefall und Kälte. Die Disponenten hören Radio und/oder<br />
nutzen Gratisangebote im Internet. Bei Schnee erfolgt die Planung der Touren «konser-<br />
vativer», d.h. die Disponenten sehen weniger Lade- und Abladestationen und längere<br />
Fahrzeiten vor. Nebst den Disponenten nutzen vor allem die Fuhrparkleiter Schneeprog-<br />
nosen, da sie für die Räumung der Fuhrparkareale zuständig s<strong>in</strong>d. Auch Kälte spielt e<strong>in</strong>e<br />
Rolle, da viele Waren frostempf<strong>in</strong>dlich s<strong>in</strong>d und bei tiefen Temperaturen nicht <strong>in</strong> unge-<br />
heizten Räumen zwischengelagert werden können.<br />
Wirkung auf die Wirtschaftlichkeit<br />
Hier können wir uns nur auf die Aussagen des e<strong>in</strong>en der drei befragten Unternehmen<br />
stützen, welches meteorologische Informationen tatsächlich nutzt. Grundsätzlich er-<br />
sche<strong>in</strong>t es dem Interviewpartner nicht möglich, ohne Wetterprognosen den gleichen Ge-<br />
w<strong>in</strong>n zu erzielen wie heute mit der Verwendung <strong>von</strong> Wetterprognosen. Dies allerd<strong>in</strong>gs<br />
nicht wegen längerer Fahrzeiten ohne Prognosen: <strong>Der</strong> Transport der Waren benötigt bei<br />
schlechten Strassenverhältnissen mehr Zeit, unabhängig da<strong>von</strong>, ob die schlechteren<br />
Strassenverhältnisse prognostiziert waren oder nicht. Jedoch wäre ohne Wetterprogno-<br />
sen die Planungssicherheit sehr viel ger<strong>in</strong>ger, es müsste mehr umdisponiert werden und<br />
vere<strong>in</strong>barte Lieferterm<strong>in</strong>e könnten häufiger als heute nicht e<strong>in</strong>gehalten werden. Trotzdem<br />
war es nicht möglich, die betriebswirtschaftlichen Auswirkungen <strong>von</strong> Wetterprognosen<br />
geme<strong>in</strong>sam mit dem Unternehmen zu quantifizieren. Dies aus den folgenden Gründen:<br />
— <strong>Der</strong> Umgang mit Auslastungsschwankungen ist e<strong>in</strong>e Kernkompetenz und Grundauf-<br />
gabe der Disponenten. Überraschender Schneefall br<strong>in</strong>gt den Disponenten zwar mehr<br />
Aufwand als vorhersehbarer Schneefall, aber dies schlägt sich nicht zw<strong>in</strong>gend <strong>in</strong> fi-<br />
nanziellem Zusatzaufwand nieder.<br />
— Das befragte Unternehmen ist sehr dezentral organisiert, wodurch es nicht möglich<br />
war, allgeme<strong>in</strong> gültige Aussagen zum Umgang mit Schnee zu machen.<br />
/ 43
44 / 3 Strassenverkehr<br />
— Die Kosten <strong>von</strong> Verspätungen, die durch e<strong>in</strong>e nicht witterungsgerechte Disposition<br />
entstehen, tragen <strong>in</strong> der Regel nicht das Transportunternehmen, sondern die Kunden.<br />
— <strong>Der</strong> Umgang mit Schnee unterscheidet sich stark zwischen den verschiedenen Regi-<br />
onen. Was im Mittelland zu Problemen führt, ist <strong>in</strong> den Alpen Alltag.<br />
Wirkung auf die Qualität der Transportleistung<br />
Das e<strong>in</strong>e der drei befragten Unternehmen, welches Wetterprognosen nutzt, hat angege-<br />
ben, dass es ohne Wetterprognosen an Tagen mit Schneefall nicht gleich pünktlich se<strong>in</strong><br />
könnte wie an Tagen ohne Schneefall. Die f<strong>in</strong>anziellen Auswirkungen <strong>von</strong> Verspätungen<br />
werden aber <strong>in</strong> aller Regel nicht <strong>von</strong> den Transportunternehmen selbst getragen, sondern<br />
<strong>von</strong> den belieferten Unternehmen, sofern Lagerbewirtschaftungen oder Just-<strong>in</strong>-Time-<br />
Systeme betroffen s<strong>in</strong>d, bei denen aufgrund verspäteter Lieferungen Leerstände oder<br />
Leerläufe entstehen. Dies kommt aufgrund des <strong>in</strong>tensiven Wettbewerbs <strong>in</strong> der Branche<br />
heute selten vor. Würden Wetterprognosen aber grundsätzlich fehlen, würden alle Trans-<br />
portunternehmen bei schlechter Witterung überrascht und wären dann weniger pünktlich.<br />
Die <strong>volkswirtschaftliche</strong>n Effekte, die das Fehlen <strong>von</strong> Wetterprognosen auf die Kunden<br />
der Transporteure hätte, können wir im Rahmen dieser Studie bei denjenigen Transpor-<br />
teuren abschätzen, die eng <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e Unternehmens- oder Konzernstruktur e<strong>in</strong>gebunden<br />
s<strong>in</strong>d und deswegen sehr homogene Kunden haben. Dies ist bei Treibstoff- und Lebens-<br />
mitteltransporten der Fall, welche <strong>in</strong> den folgenden Kapiteln beschrieben werden.<br />
Würdigung<br />
Meteorologische Informationen sche<strong>in</strong>en nur <strong>von</strong> e<strong>in</strong>em Teil der Transportunternehmen<br />
genutzt zu werden. Hier sche<strong>in</strong>t der Handlungsspielraum ausschlaggebend zu se<strong>in</strong>: Nur<br />
wenn aufgrund <strong>von</strong> Wetterprognosen tatsächlich Handlungen möglich s<strong>in</strong>d, welche die<br />
negativen Effekte <strong>von</strong> w<strong>in</strong>terlichen Strassenverhältnissen auf den Dispositionsaufwand,<br />
die Fahrzeiten und die Pünktlichkeit der Fahrzeuge mildern, lohnt sich der gezielte E<strong>in</strong>-<br />
satz <strong>von</strong> meteorologischer Information. Welche Unternehmenseigenschaften für die Exis-<br />
tenz <strong>von</strong> Handlungsspielräumen ausschlaggebend s<strong>in</strong>d, konnten wir im Rahmen unserer<br />
Studie nicht eruieren.<br />
Leider konnte das befragte Logistikunternehmen, welches Wetterprognosen verwendet,<br />
ihren <strong>Nutzen</strong> nicht quantifizieren oder monetär bewerten. E<strong>in</strong> wesentlicher Grund hierfür<br />
ist, dass der Umgang mit unvorhergesehenen Ereignissen wie kurzfristigen Aufträgen,<br />
Stau durch Verkehrsunfälle, Pannen, Verzögerungen beim Be- und Entladen etc. e<strong>in</strong>en<br />
wesentlichen Teil der Arbeit e<strong>in</strong>es Logistikunternehmens ausmacht. Flexibilität gehört<br />
zum Geschäftskonzept. Wetterereignisse s<strong>in</strong>d nur e<strong>in</strong>e Störung <strong>von</strong> vielen, mit welcher<br />
im Rahmen der normalen Arbeitsprozesse umgegangen wird. Gleichzeitig spielt das Wet-<br />
ter e<strong>in</strong>e untergeordnete Rolle. Wichtiger ist das Verkehrsaufkommen und der Stau, wel-<br />
cher nur an wenigen Tagen im Jahr durch w<strong>in</strong>terliche Strassenverhältnisse verursacht<br />
wird. Wesentlicher s<strong>in</strong>d Baustellen, Unfälle und vor allem Verkehrsüberlastung, die <strong>von</strong><br />
Pendler- und Ferienzeiten abhängig ist.
Zwar lässt sich, auch aufgrund der Angaben der Gütertransportunternehmen aus den<br />
Bereichen Lebensmittel- und Treibstofflogistik, da<strong>von</strong> ausgehen, dass die Nutzung <strong>von</strong><br />
meteorologischer Information die Pünktlichkeit und Zuverlässigkeit der Gütertransporte<br />
an wenigen Tagen im Jahr erhöhen kann. Dieser <strong>Nutzen</strong> fällt aber nicht bei den Trans-<br />
portunternehmen selbst, sondern bei ihren Kunden an, so dass auch nur diese den Nut-<br />
zen quantifizieren könnten. E<strong>in</strong>e Befragung der Kunden <strong>von</strong> Transportunternehmen war<br />
im Rahmen der vorliegenden Studie nicht möglich. Die Ergebnisse im Bereich Lebensmit-<br />
teltransport deuten aber darauf h<strong>in</strong>, dass auch hier die <strong>Nutzen</strong> eher ger<strong>in</strong>g se<strong>in</strong> dürften,<br />
da Wetter und damit auch Wetterprognosen eben nur an wenigen Tagen im Jahr e<strong>in</strong>e<br />
relevante Rolle spielen. Deswegen sche<strong>in</strong>en sich auch aus dem Verzicht auf die Nutzung<br />
<strong>von</strong> meteorologischen Informationen für die Logistikunternehmen ke<strong>in</strong>e komparativen<br />
Nachteile zu ergeben.<br />
3.7.4 Treibstofftransporte (Logistike<strong>in</strong>heiten grosser Öl- und Energieunternehmen)<br />
Arbeitsweise und E<strong>in</strong>fluss des Wetters<br />
Die beiden befragten Logistike<strong>in</strong>heiten s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> der Schweiz verantwortlich für die Beliefe-<br />
rung der Tankstellen zweier grosser Erdöl- und Energieunternehmen. 22 Die Tankstellen<br />
werden teilweise auf Bestellung, teilweise nach e<strong>in</strong>em festen Plan beliefert. Die Treibstof-<br />
fe werden <strong>in</strong> den Tanklagern und Raff<strong>in</strong>erien geladen und anschliessend an die Tankstel-<br />
len ausgeliefert. Da die Tankstellen sehr lange Öffnungszeiten haben und nicht just-<strong>in</strong>-<br />
time beliefert werden (auch wenn die Tanks natürlich bei e<strong>in</strong>em möglichst tiefen Stand<br />
wieder aufgefüllt werden), bestehen bei den Lieferzeitpunkten im Vergleich zu anderen<br />
Logistikunternehmen relativ grosse Spielräume.<br />
Beide befragten Logistike<strong>in</strong>heiten arbeiten ausschliesslich mit Vertragsfahrern, wobei<br />
Verträge nicht unbed<strong>in</strong>gt nur mit e<strong>in</strong>zelnen Fahrern, sondern auch mit Transportunter-<br />
nehmen abgeschlossen werden. Dabei liegt die Disposition vollständig bei den befragten<br />
Unternehmen. Die Vergütung der Vertragsfahrer erfolgt beim e<strong>in</strong>en Unternehmen ent-<br />
sprechend der gelieferten Menge und der Distanz. Das andere Unternehmen wollte hier-<br />
zu ke<strong>in</strong>e Angaben machen. Es ist jedoch <strong>in</strong> allen Transportbereichen sehr üblich, dass<br />
Vertragsfahrer nicht gemäss der effektiven Fahrzeit oder den effektiv gefahrenen Kilome-<br />
tern bezahlt, sondern die Preise anhand <strong>von</strong> Ladegewicht und Distanz vere<strong>in</strong>bart werden.<br />
Starker Regen, Frost und Schneefall führen bei den Treibstofftransporteuren zu den glei-<br />
chen Problemen und Mehrarbeiten wie bei den Stückguttransporteuren. Auch hier ist das<br />
Hauptproblem nicht das Wetter selbst, sondern se<strong>in</strong>e Auswirkungen auf das Strassen-<br />
netz. Bei den Treibstofftransporteuren spielt zusätzlich, stärker als bei den übrigen be-<br />
trachteten Transportunternehmen, die Sicherheit e<strong>in</strong>e Rolle. Da Treibstoffe Gefahrengü-<br />
ter s<strong>in</strong>d, kann es vorkommen, dass bei sehr schlechten Strassenverhältnissen aus Si-<br />
cherheitsgründen Lieferungen ausgesetzt werden.<br />
22 <strong>Der</strong> Grosshandel erfolgt <strong>in</strong> der Regel über die Flussschifffahrt, Pipel<strong>in</strong>es und die Schiene.<br />
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46 / 3 Strassenverkehr<br />
Verwendung <strong>von</strong> meteorologischen Informationen<br />
Beide befragten Logistike<strong>in</strong>heiten verwenden meteorologische Informationen. Die Dispo-<br />
nenten und Vertragsfahrer nutzen die gratis <strong>in</strong> Internet und Radio verfügbaren Schnee-<br />
prognosen und Strassenzustandsmeldungen. Dies vor allem für die folgenden Zwecke:<br />
— Antizipation der Erreichbarkeit <strong>von</strong> Tankstellen <strong>in</strong> alp<strong>in</strong>en Regionen: Passschliessun-<br />
gen oder Strassensperrungen können dazu führen, dass Tankstellen nicht beliefert<br />
werden können und somit schlimmstenfalls ke<strong>in</strong>en Treibstoff mehr verkaufen können.<br />
Auch möchten die Unternehmen vermeiden, dass ihre LKW wegen Passsperrungen<br />
<strong>in</strong> Tälern e<strong>in</strong>geschlossen werden und Zwangspausen e<strong>in</strong>legen müssen.<br />
— Bei Schneefall sehen die Disponenten weniger Lieferungen pro Tag vor, da mit länge-<br />
ren Fahrzeiten gerechnet wird. Bei den Tankstellen müssen zwar ke<strong>in</strong>e Lieferzeit-<br />
fenster e<strong>in</strong>gehalten werden, aber das Arbeitsgesetz beschränkt die maximal zulässi-<br />
ge Arbeitszeit der Fahrer.<br />
— Die Fahrer können sich auf den Schnee e<strong>in</strong>stellen und entsprechend ausrüsten, z.B.<br />
mit Handschuhen für die Montage <strong>von</strong> Ketten.<br />
— E<strong>in</strong>es der Unternehmen gab ausserdem an, dass bei extrem schlechten Wetterbed<strong>in</strong>-<br />
gungen wie z.B. Schneestürmen Fahrten ausgesetzt würden, um Unfälle mit dem Ge-<br />
fahrengut Treibstoff zu vermeiden.<br />
Wirkung auf die Wirtschaftlichkeit<br />
Im Gegensatz zum Transportunternehmer mit Schwerpunkt Stückgut waren die beiden<br />
<strong>in</strong>terviewten Logistike<strong>in</strong>heiten <strong>von</strong> Öl- und Energieunternehmen nicht der Me<strong>in</strong>ung, dass<br />
Wetterprognosen ihre Wirtschaftlichkeit erhöhen. Nach Aussagen der beiden befragten<br />
Logistike<strong>in</strong>heiten können dank den Wetterprognosen weder bei der Disposition noch<br />
beim Warentransport Kosten gespart werden. Die Disponenten hätten zwar bei nicht vor-<br />
hersehbaren Schneefällen etwas mehr Arbeit mit dem Umdisponieren, aber Umdisponie-<br />
ren sei ohneh<strong>in</strong> e<strong>in</strong>e ihrer Hauptaufgaben und die zusätzliche Arbeit schlüge sich nicht <strong>in</strong><br />
f<strong>in</strong>anziellem Mehraufwand nieder. Die etwas schlechtere Planbarkeit der Lieferungen<br />
habe ebenfalls ke<strong>in</strong>e Auswirkungen. Zudem würde sich das Fehlen <strong>von</strong> meteorologischer<br />
Information auf alle Öl- und Energieunternehmen auswirken, so dass die ohneh<strong>in</strong> ger<strong>in</strong>-<br />
gen Effekte schliesslich wettbewerbsneutral wären (was aber für die gesamte Branche<br />
Mehrkosten nicht ausschliesst).<br />
Wirkung auf die Qualität der Transportleistung<br />
E<strong>in</strong>er der befragten Treibstofftransporteure war der Ansicht, dass ohne Wetterprognosen<br />
mehr Leerstände bei den belieferten Tankstellen auftreten würden. Ausgehend <strong>von</strong> fünf<br />
schweren und fünf leichten Schneetagen pro Jahr gilt für diese Logistike<strong>in</strong>heit, dass das<br />
Fehlen <strong>von</strong> Wetterprognosen für den Öl- und Energiekonzern <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em durchschnittlichen<br />
Geschäftsjahr zusätzliche Leerstände und damit verbundene f<strong>in</strong>anzielle E<strong>in</strong>bussen <strong>von</strong><br />
rund 40'000 bis 60'000 CHF verursachen würde. Die Anfälligkeit auf Leerstände hängt<br />
vermutlich <strong>von</strong> den Standorten der Tankstellen und <strong>von</strong> der Ausgestaltung des Beliefe-<br />
rungssystems ab und ist nicht bei allen Öl- und Energiekonzernen gleich hoch.
Würdigung<br />
Die Aussagen der Treibstofftransporteure s<strong>in</strong>d grundsätzlich ähnlich wie die der Stück-<br />
guttransporteure. Meteorologische Informationen sche<strong>in</strong>en allerd<strong>in</strong>gs etwas mehr genutzt<br />
zu werden, da die Treibstofftransporteure wegen ihrer Tankstellennetze stärker <strong>in</strong> peri-<br />
pheren Regionen tätig s<strong>in</strong>d und deswegen Strassenwetterprognosen für die alp<strong>in</strong>en Re-<br />
gionen auch stärker nutzen. Dies um zu vermeiden, dass LKW bei starkem Schneefall <strong>in</strong><br />
Tälern e<strong>in</strong>geschlossen werden oder dass Leerstände entstehen, wenn Täler nicht mehr<br />
erreichbar s<strong>in</strong>d. Auch werden die Liefertouren grundsätzlich konservativer disponiert,<br />
wenn grossflächig starke Schneefälle angesagt s<strong>in</strong>d, da sich die Fahrzeiten verlängern<br />
und Umdisponieren zu zusätzlichem Aufwand führt. Wie auch die Stückguttransporteure<br />
konnten die Treibstofftransporteure diese Effekte nicht quantifizieren: Auch hier ist der<br />
flexible Umgang mit unvorhergesehenen Ereignissen Teil des normalen Arbeitsprozesses<br />
(vgl. nochmals 3.7.3, Würdigung).<br />
Ob die Fahrzeiten durch e<strong>in</strong>e optimal auf die Witterungsverhältnisse abgestimmte Dispo-<br />
sition verkürzt werden könnten, bleibt unklar, da <strong>in</strong> der Regel wenig Spielraum bei Liefer-<br />
zeitpunkt und Streckenwahl bestehen. Hierzu haben wir <strong>von</strong> den verschiedenen Güter-<br />
transportunternehmen aus den verschiedenen Bereichen unterschiedliche Aussagen<br />
erhalten. In jedem Fall s<strong>in</strong>d die Treibstofftransportunternehmen durch die längeren Fahr-<br />
zeiten aber nur <strong>in</strong>sofern tangiert, als dass die Fahrer das Arbeitszeitgesetz e<strong>in</strong>halten<br />
müssen und an Tagen mit grossen Verkehrse<strong>in</strong>schränkungen nur e<strong>in</strong>e ger<strong>in</strong>gere Trans-<br />
portleistung möglich ist. Da die Treibstofftransportunternehmen ke<strong>in</strong>e eigenen Fahrer<br />
beschäftigen und ausschliesslich mit Subunternehmern und Vertragsfahrern arbeiten,<br />
deren Leistungen nach Distanz und transportierter Menge abgerechnet werden, tragen<br />
sie die f<strong>in</strong>anziellen Folgen der längeren Fahrzeiten nicht.<br />
Die Vermeidung <strong>von</strong> Leerständen schafft für die e<strong>in</strong>zelnen Unternehmen zwar komparati-<br />
ve Vorteile gegenüber den anderen Unternehmen. Da aber die Kunden <strong>in</strong> aller Regel auf<br />
andere Tankstellen ausweichen können, führt dies jedoch nur zu Umverteilungseffekten<br />
zwischen den konkurrenzierenden Unternehmen, nicht zu Effekten auf gesamtvolkswirt-<br />
schaftlicher Ebene.<br />
3.7.5 Lebensmitteltransporte (Logistike<strong>in</strong>heiten grosser Lebensmittelkonzerne)<br />
Arbeitsweise und E<strong>in</strong>fluss des Wetters<br />
Beide <strong>in</strong>terviewten Logistike<strong>in</strong>heiten betreiben für die Lebensmittelkonzerne, zu denen<br />
sie gehören bzw. denen sie nahestehen, die Fe<strong>in</strong>verteilung <strong>von</strong> Lebensmitteln, das heisst<br />
sie transportieren Lebensmittel <strong>von</strong> den Verteilzentren zu den Detailhändlern. E<strong>in</strong>es der<br />
Unternehmen transportiert vorwiegend haltbare Food und Non-Food-Produkte, das ande-<br />
re Unternehmen vorwiegend Frischprodukte. Beide Logistike<strong>in</strong>heiten transportieren die<br />
Ware nicht nur, sondern adm<strong>in</strong>istrieren auch das Bestellwesen.<br />
Die Waren werden nicht nach e<strong>in</strong>em festen Plan, sondern auf Bestellungen geliefert.<br />
Zwar ändern sich die Lieferorte kaum, aber die Bestellmengen können erheblich variie-<br />
ren. Beim Food- und Non-Food-Produkte-Transporteur erfolgt die Bestellung jeweils a-<br />
/ 47
48 / 3 Strassenverkehr<br />
bends, wird über Nacht verarbeitet und anderntags bei e<strong>in</strong>em Verteilzentrum oder e<strong>in</strong>em<br />
Lager abgeholt und ausgeliefert. <strong>Der</strong> Frischprodukte-Transporteur bietet unterschiedliche<br />
Lieferfristen an, die je nach Produkt und Kunde zwischen 4 Stunden und 3 Tagen liegen.<br />
E<strong>in</strong>e der betrachteten Logistike<strong>in</strong>heiten arbeitet ausschliesslich mit Vertragsfahrern, die<br />
andere verfügt nur über sehr wenige Vertragsfahrer, setzt aber externe Transportunter-<br />
nehmen e<strong>in</strong>, um Spitzenlasten abzudecken. Erwähnenswert ist auch, dass Frischproduk-<br />
tetransporte nicht dem Nachtfahrverbot unterliegen, weswegen diese Transporte bereits<br />
zwischen 2:00 Uhr und 4:00 Uhr morgens die Verteilzentren oder Lager verlassen.<br />
Das Wetter spielt hier ebenfalls hauptsächlich aufgrund der Auswirkungen auf den Stras-<br />
senzustand und den Verkehrsfluss e<strong>in</strong>e Rolle. Daneben müssen selbstverständlich auch<br />
Areale geräumt und Fahrzeuge enteist werden. E<strong>in</strong> E<strong>in</strong>fluss auf die Fahrzeugwahl ist nur<br />
sehr begrenzt gegeben: Frischprodukte werden sommers wie w<strong>in</strong>ters <strong>in</strong> Kühlfahrzeugen<br />
transportiert, da sie <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em sehr engen Temperaturbereich gehalten werden müssen.<br />
Für andere Lebensmittel genügen normalerweise Isothermfahrzeuge. Bei extremer Hitze<br />
(deutlich über 30 Grad während der Auslieferzeiten) muss auf Kühlfahrzeuge umgestellt<br />
werden, aber dies ist <strong>in</strong> der Schweiz sehr selten der Fall.<br />
Verwendung <strong>von</strong> meteorologischen Informationen<br />
Die beiden betrachteten Logistike<strong>in</strong>heiten <strong>von</strong> grossen Lebensmittelkonzernen nutzen frei<br />
zugängliche Wetterprognosen und Strassenzustandsmeldungen via Radio und Internet.<br />
Relevant s<strong>in</strong>d mit Schnee, Glätte und Unwetter wiederum diejenigen Wetterphänomene,<br />
welche typischerweise zu Verkehrsbeh<strong>in</strong>derungen führen. Die Disponenten nutzen die<br />
Prognosen, um die Fahrzeiten besser antizipieren zu können. Wenn mit Verkehrsbeh<strong>in</strong>-<br />
derungen zu rechnen ist, werden die Fahrer morgens früher aufgeboten und/oder die<br />
Touren konservativer geplant. Für die Fahrer s<strong>in</strong>d vor allem die aktuellen Strassenzu-<br />
standsmeldungen relevant.<br />
Bei Temperaturen deutlich über 30 Grad während der Auslieferzeiten muss <strong>von</strong> Isotherm-<br />
fahrzeugen auf Fahrzeuge mit Kühlaggregat umgestellt werden. Dies ist aber <strong>in</strong> der<br />
Schweiz sehr selten der Fall.<br />
Wirkung auf die Wirtschaftlichkeit<br />
Bei den Lebensmitteltransporteuren erhielten wir zum betriebswirtschaftlichen <strong>Nutzen</strong><br />
unterschiedliche Aussagen: Durch den e<strong>in</strong>en Interviewpartner wurde die Me<strong>in</strong>ung vertre-<br />
ten, die Verwendung <strong>von</strong> Wetterprognosen habe ke<strong>in</strong>e betriebswirtschaftlichen Effekte.<br />
Die Wetterprognose erspare den Disponenten zwar die Mehrarbeit des Umdisponierens<br />
wegen längerer Fahrzeiten bei Glätte und Schnee, aber der Personalaufwand sei auf-<br />
grund der Prognosen nicht ger<strong>in</strong>ger.<br />
<strong>Der</strong> andere Interviewpartner war ebenfalls der Ansicht, dass die Kosten der Disposition<br />
dank den Wetterprognosen nicht ger<strong>in</strong>ger s<strong>in</strong>d. Allerd<strong>in</strong>gs könne durch e<strong>in</strong>e optimal auf<br />
das Wetter abgestimmte Disposition e<strong>in</strong>e halbe bis maximal e<strong>in</strong>e Stunde Fahrzeit pro<br />
Fahrer pro Tag und dadurch <strong>in</strong> ger<strong>in</strong>gem Umfang Fahrkosten gespart werden. Dies aller-<br />
d<strong>in</strong>gs nur an Tagen mit grossflächigen und anhaltenden Schneefällen. Laut den Erfah-
ungen des Interviewpartners verursachen Schnee und Eis an fünf bis zehn Tagen im<br />
Jahr grossflächig auftretende Verkehrsprobleme, aufgrund derer e<strong>in</strong>e konservativere<br />
Disposition notwendig ist. Bei 200 Fahrzeugen pro Tag, fünf bis zehn Schneetagen pro<br />
Jahr und ausgehend <strong>von</strong> e<strong>in</strong>em Stundenansatz 23 <strong>von</strong> 100 CHF vermeiden Wetterprogno-<br />
sen bei der betreffenden Logistike<strong>in</strong>heit Kosten <strong>von</strong> rund 50'000 bis 200'000 CHF pro<br />
Jahr.<br />
Wirkung auf die Qualität der Transportleistung<br />
Beide befragten Lebensmitteltransporteure waren der Ansicht, dass ihre LKW ohne Wet-<br />
terprognosen vor allem an Tagen mit Eis- oder Schneeglätte weniger pünktlich wären, da<br />
die längeren Fahrzeiten nicht <strong>von</strong> Anfang an bei der Disposition berücksichtigt werden<br />
könnten. Bei grossflächigen Schneefällen im Mittelland könne man da<strong>von</strong> ausgehen,<br />
dass alle LKW e<strong>in</strong>e bis maximal zwei Stunden verspätet wären.<br />
Bei e<strong>in</strong>em der befragten Unternehmen haben wir zusätzlich die Möglichkeit erhalten, mit<br />
e<strong>in</strong>em Verteilzentrum zu sprechen. Interviews mit Detailhandelsfilialen kamen leider nicht<br />
zustande. Vom Verteilzentrum haben wir jedoch Auskünfte darüber erhalten, welche Fol-<br />
gen verspätete LKW für das Verteilzentrum haben.<br />
Aufgrund der logistischen Organisation des betrachteten Verteilzentrums können Verspä-<br />
tungen e<strong>in</strong>en Mehraufwand verursachen. Ob e<strong>in</strong>e Verspätung Mehraufwand verursacht<br />
ist e<strong>in</strong>erseits <strong>von</strong> der Dauer der Verspätung und andererseits vom Zeitpunkt der Verspä-<br />
tung abhängig. Gemäss den Aussagen des Interviewpartners s<strong>in</strong>d etwa 30 bis 50 LKW<br />
pro Tag im Warenausgang und etwa 15 bis 20 LKW pro Tag im Warene<strong>in</strong>gang verspä-<br />
tungskritisch, d.h. bei diesen LKW führt e<strong>in</strong>e relevante Verspätung zu Mehraufwand.<br />
Bei e<strong>in</strong>zelnen, angekündigten und somit planbaren Verspätungen entsteht im Warenaus-<br />
gang e<strong>in</strong> Mehraufwand durch zusätzliches Handl<strong>in</strong>g <strong>von</strong> rund 30 CHF pro LKW 24 . Bei<br />
mehreren verspäteten LKW entstehen zusätzlich Leerläufe, die ebenfalls rund 30 CHF<br />
pro LKW kosten. <strong>Der</strong> Zusatzaufwand beträgt im Warenausgang demnach 60 CHF pro<br />
LKW, wenn mehrere LKW verspätet s<strong>in</strong>d. Im Warene<strong>in</strong>gang entstehen Leerlaufzeiten <strong>von</strong><br />
rund 30 M<strong>in</strong>uten pro LKW, was ebenfalls Kosten <strong>von</strong> rund 30 CHF pro LKW entspricht.<br />
Bei e<strong>in</strong>er Vielzahl <strong>von</strong> Verspätungen im gleichen Zeitfenster kommt ausserdem e<strong>in</strong> Ma-<br />
nagementaufwand dazu, da standardisierte Abläufe nicht mehr funktionieren.<br />
Gemäss den Aussagen des Interviewpartners weisen an unvorhergesehenen Schneeta-<br />
gen etwa 7 bis 12 LKW pro Tag im Warenausgang e<strong>in</strong>e relevante Verspätung aus, was<br />
rund e<strong>in</strong>em Viertel aller verspätungskritischen LKW im Warenausgang entspricht. E<strong>in</strong>e<br />
Grössenordnung des Zusatzaufwandes lässt sich abschätzen, <strong>in</strong>dem man annimmt, dass<br />
im Warene<strong>in</strong>gang auch e<strong>in</strong> Viertel aller verspätungskritischen LKW e<strong>in</strong>e relevante Ver-<br />
spätung ausweisen. Das Fehlen der Wetterprognosen würde so im betrachteten Verteil-<br />
zentrum 25 bei 7 bis 12 LKW pro Tag im Warenausgang und bei 4 bis 5 LKW pro Tag im<br />
23 Gemäss Angaben der Interviewpartner.<br />
24 Wir gehen bei dieser Berechung <strong>von</strong> Personalkosten <strong>von</strong> 60 CHF/h aus.<br />
25 Grosses Verteilzentrum mit rund 60-80 LKW-Fahrten pro Tag im Warene<strong>in</strong>gang und rund 90-120 LKW-Fahrten pro Tag im<br />
Warenausgang.<br />
/ 49
50 / 3 Strassenverkehr<br />
Warene<strong>in</strong>gang Kosten <strong>von</strong> 60 CHF resp. 30 CHF pro LKW auslösen. Insgesamt würde<br />
das Fehlen der Wetterprognosen zu zusätzlichen Kosten pro Schneetag <strong>von</strong> 540 bis 870<br />
CHF führen, wobei aber die zusätzlichen Managementkosten nicht berücksichtigt s<strong>in</strong>d.<br />
Gehen wir <strong>von</strong> fünf bis zehn Schnee- und/oder Glättetagen im Mittelland aus, ergeben<br />
sich Aufwendungen <strong>von</strong> 2’700 bis 8’700 CHF pro Jahr, die dank Wetterprognosen ver-<br />
mieden werden können.<br />
Würdigung<br />
Bei den beiden <strong>in</strong>terviewten Logistike<strong>in</strong>heiten <strong>von</strong> Lebensmittelkonzernen werden Wet-<br />
terprognosen zwar <strong>in</strong> gleicher Weise genutzt, ihr <strong>Nutzen</strong> wurde jedoch sehr unterschied-<br />
lich beurteilt, obwohl beide Interviewpartner der Me<strong>in</strong>ung waren, dass die <strong>von</strong> ihren Lo-<br />
gistike<strong>in</strong>heiten disponierten LKW an Tagen mit w<strong>in</strong>terlichen Strassenverhältnissen ohne<br />
Wetterprognosen weniger pünktlich wären.<br />
Nach Me<strong>in</strong>ung der e<strong>in</strong>en <strong>in</strong>terviewten Logistike<strong>in</strong>heit wirken sich längere Fahrzeiten und<br />
vermehrte Verspätungen nicht auf den Aufwand oder den Ertrag aus. Diese Me<strong>in</strong>ung<br />
hängt vermutlich unter anderem auch mit dem Vergütungssystem der LKW-Fahrer zu-<br />
sammen. Subunternehmer und Vertragsfahrer tragen die Kosten zusätzlicher Fahrzeiten<br />
selbst. Bei den angestellten Fahrern hängt die Vergütung <strong>von</strong> den vere<strong>in</strong>barten Arbeits-<br />
bed<strong>in</strong>gungen ab. Die andere Logistike<strong>in</strong>heit hat die bei den Fahrern entstehenden Kosten<br />
berücksichtigt und gleichzeitig auch die Auswirkungen <strong>von</strong> Verspätungen bei den Verteil-<br />
zentren als wesentlich aufwandsrelevanter beurteilt, wodurch sie den <strong>Nutzen</strong> <strong>von</strong> meteo-<br />
rologischen Informationen als viel höher e<strong>in</strong>stuft.<br />
Insgesamt beurteilen wir es als plausibel, dass das Fehlen <strong>von</strong> Wetterprognosen zu e<strong>in</strong>er<br />
den Witterungsverhältnissen weniger angepassten Disposition und zu längeren Fahrzei-<br />
ten und auch Verspätungen führt. Dabei halten wir es für zulässig, die längeren Fahrzei-<br />
ten mit höheren Transportkosten gleichzusetzen, auch wenn diese je nach Vergütungs-<br />
system nicht oder nur teilweise abgegolten werden und dementsprechend auch nur teil-<br />
weise im BIP als Wertschöpfungseffekte messbar s<strong>in</strong>d. Bei der Messbarkeit des Effekts<br />
spielt auch e<strong>in</strong>e Rolle, wie Subunternehmer und Vertragsfahrer die Fahrzeiten abrech-<br />
nen. Die unterschiedliche Beurteilung der Effekte <strong>von</strong> Verspätungen bei den Verteilzent-<br />
ren können wir nicht erklären. Wir gehen jedoch da<strong>von</strong> aus, dass die Grösse und Menge<br />
der Verteilzentren, die e<strong>in</strong>gesetzte Technik, die Be- und Entladezeiten sowie die Grösse<br />
der vorgesehenen Zeitfenster pro LKW e<strong>in</strong>e Rolle spielen.<br />
Quantitative Ergebnisse und Hochrechnung<br />
Bei e<strong>in</strong>em der betrachteten Unternehmen konnte e<strong>in</strong> Teil des <strong>Nutzen</strong>s <strong>von</strong> meteorologi-<br />
scher Information monetär bewertet werden: Das Fehlen <strong>von</strong> Wetterprognosen bewirkt<br />
e<strong>in</strong>e schlechter auf die Verkehrssituation abgestimmte Disposition, verlängert dadurch<br />
die Fahrzeiten und führt zu mehr verspäteten LKW. Dies verursacht höhere Transport-<br />
kosten und Mehraufwand bei den Verteilzentren, die für jeden LKW bestimmte Be- und<br />
Entladezeiten e<strong>in</strong>geplant haben.<br />
Beim betrachteten Unternehmen handelt es sich um e<strong>in</strong>en Grossverteiler. Konkret wurde<br />
die Logistik zum Transport e<strong>in</strong>er e<strong>in</strong>zelnen Warengruppe betrachtet. Das Unternehmen
etreibt hierfür mehrere Verteilzentren unterschiedlicher Grösse, wobei wir nur beim<br />
Hauptzentrum Informationen e<strong>in</strong>geholt haben, <strong>von</strong> dem aus alle Waren entweder direkt <strong>in</strong><br />
die Filialen oder aber mit der Bahn <strong>in</strong> die regionalen Verteilzentren transportiert werden,<br />
<strong>von</strong> denen aus sie wiederum mit LKW weiterverteilt werden.<br />
In e<strong>in</strong>em ersten Schritt berechnen wir deswegen die ungefähre Anzahl Lastwagen, die<br />
alle Verteilzentren zusammen für den Transport dieser Warengruppe e<strong>in</strong>setzen. Die<br />
Rechnungsschritte s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> Tabelle 14 dargestellt. Insgesamt benötigt der betrachtete<br />
Grossverteiler jeden Tag ca. 200 - 265 LKW für den Transport der untersuchten Waren-<br />
gruppe.<br />
Anzahl LKW pro Tag Warene<strong>in</strong>gang 60 - 80<br />
Anzahl LKW pro Tag Warenausgang 90 - 120<br />
Anteil Waren mit LKW-Transport ab Warenausgang 0.65<br />
Anteil Waren mit Schienentransport ab Warenausgang zur späteren Fe<strong>in</strong>verteilung mit LKW 0.35<br />
Benötigte LKW pro Tag zur Fe<strong>in</strong>verteilung (Abschätzung, ungefährer Wert) 50 - 65<br />
Anzahl LKW Warenverteilung gesamt pro Tag (Abschätzung, ungefährer Wert) 140 - 185<br />
LKW Warene<strong>in</strong>gang und Warenverteilung gesamt pro Tag<br />
(Abschätzung, ungefährer Wert)<br />
/ 51<br />
200 - 265<br />
Tabelle 14: Transport und Verteilung der untersuchten Warengruppe. Angaben e<strong>in</strong>es Verteilzentrums hochgerechnet<br />
auf das Gesamtunternehmen (Abschätzungen).<br />
Die Ergebnisse werden nicht <strong>von</strong> der untersuchten Warengruppe auf andere Warengrup-<br />
pen übertragen. E<strong>in</strong>erseits, weil der betrachtete Grossverteiler angegeben hat, dass die<br />
Logistik der anderen Warengruppen (z.B. <strong>von</strong> Frischprodukten) anders organisiert ist.<br />
Andererseits hat die <strong>in</strong>terviewte Logistike<strong>in</strong>heit des anderen Lebensmittelkonzerns, der<br />
Frischprodukte herstellt und vertreibt, den <strong>Nutzen</strong> <strong>von</strong> meteorologischen Informationen<br />
völlig anders beurteilt als die Logistike<strong>in</strong>heit des Grossverteilers.<br />
In e<strong>in</strong>em nächsten Schritt wurden die zwei durch den Grossverteiler genannten Effekte<br />
<strong>von</strong> fehlenden Wetterprognosen monetär quantifiziert:<br />
— die zusätzlichen Fahrzeiten<br />
— die zusätzlich anfallenden Arbeiten <strong>in</strong> den Verteilzentren bzw. die durch Wartezeiten<br />
entstehenden Leerläufe<br />
Tabelle 15 und Tabelle 16 zeigen die Rechenschritte sowie die Ergebnisse. Ausgehend<br />
<strong>von</strong> fünf bis zehn Tagen pro Jahr mit w<strong>in</strong>terlichen Strassenverhältnissen entstehen beim<br />
betrachteten Grossverteiler im Bereich der untersuchten Warengruppe zusätzliche Trans-<br />
portkosten <strong>von</strong> 50'000 bis 265'000 CHF und zusätzliche Kosten <strong>in</strong> den Verteilzentren <strong>von</strong><br />
2'700 bis 8'700 CHF.
52 / 3 Strassenverkehr<br />
Zusätzliche Fahrzeit pro LKW [h] bei fehlenden Wetterprognosen an Tagen mit w<strong>in</strong>terlichen<br />
Strassenverhältnissen<br />
0.5 - 1<br />
Stundensatz für e<strong>in</strong>en LKW mit Fahrer [CHF/h] 100<br />
Zusätzlicher Aufwand bei fehlenden Wetterprognosen pro Tag mit w<strong>in</strong>terlichen Strassenverhältnissen<br />
[CHF]<br />
Zusätzlicher Aufwand gesamt bei fehlenden Wetterprognosen pro Jahr bei fünf Tagen mit<br />
w<strong>in</strong>terlichen Strassenverhältnissen [CHF]<br />
Zusätzlicher Aufwand gesamt bei fehlenden Wetterprognosen pro Jahr bei zehn Tagen mit<br />
w<strong>in</strong>terlichen Strassenverhältnissen [CHF]<br />
10'000 - 26'500<br />
50'000 - 132'500<br />
100'000 - 265'000<br />
Tabelle 15: Bei fehlenden Wetterprognosen zusätzlicher Aufwand beim befragten Grossverteiler für die<br />
Verteilung der untersuchten Warengruppe durch nicht an w<strong>in</strong>terliche Strassenverhältnisse angepasste<br />
Disposition.<br />
Verspätete LKW im Warene<strong>in</strong>gang bei fehlenden Wetterprognosen an Tagen mit w<strong>in</strong>terlichen<br />
Strassenverhältnissen<br />
Kosten pro verspätetem LKW im Warene<strong>in</strong>gang [CHF] 30<br />
Verspätete LKW im Warenausgang bei fehlenden Wetterprognosen an Tagen mit w<strong>in</strong>terlichen<br />
Strassenverhältnissen<br />
Kosten pro verspätetem LKW im Warenausgang [CHF] 60<br />
Zusätzlicher Aufwand bei fehlenden Wetterprognosen pro Tag mit w<strong>in</strong>terlichen Strassenverhältnissen<br />
gesamt [CHF]<br />
Zusätzlicher Aufwand gesamt bei fehlenden Wetterprognosen pro Jahr bei fünf Tagen mit w<strong>in</strong>terlichen<br />
Strassenverhältnissen [CHF]<br />
Zusätzlicher Aufwand gesamt bei fehlenden Wetterprognosen pro Jahr bei zehn Tagen mit w<strong>in</strong>terlichen<br />
Strassenverhältnissen [CHF]<br />
4-5<br />
7-12<br />
540 - 870<br />
2’700 – 4’350<br />
5'400 – 8'700<br />
Tabelle 16: Bei fehlenden Wetterprognosen zusätzlicher Aufwand für die Verteilung der untersuchten Warengruppe<br />
durch nicht optimale Arbeitsprozesse <strong>in</strong> den Verteilzentren des befragten Grossverteilers.<br />
Angaben e<strong>in</strong>es Verteilzentrums auf das Gesamtunternehmen hochgerechnet.<br />
In e<strong>in</strong>em letzten Schritt werden die Ergebnisse, die wir für den betrachteten Grossvertei-<br />
ler berechnet haben, anhand des Umsatzes auf vier weitere Schweizer Grossverteiler<br />
übertragen. E<strong>in</strong>e Hochrechnung, welche die Unterschiedlichkeit der Grossverteiler be-<br />
züglich ihrer Verteilsysteme berücksichtigt, war aufgrund der beschränkten Datenlage<br />
nicht möglich. 26 Da aber die Branche <strong>in</strong> starkem Wettbewerb steht, ist <strong>von</strong> ähnlichen Lo-<br />
gistikkosten und deswegen auch <strong>von</strong> ähnlichen Logistiksystemen auszugehen. Wir gehen<br />
deswegen da<strong>von</strong> aus, dass die Hochrechung e<strong>in</strong>e korrekte Grössenordnung angibt.<br />
26 Um die Unterschiedlichkeit der Verteilsysteme zu berücksichtigen, hätten bei jedem Grossverteiler Erhebungen durchge-<br />
führt werden müssen.
Befragter<br />
Grossverteiler<br />
Vier weitere Grossverteiler<br />
<strong>in</strong> der<br />
Schweiz<br />
Für den Transport<br />
der untersuchten<br />
Warengruppe<br />
bewegte LKW pro<br />
Tag<br />
(Abschätzung)<br />
Warentransport auf<br />
der Strasse<br />
/ 53<br />
Dank Wetterprognosen verh<strong>in</strong>derter Aufwand<br />
Logistik <strong>in</strong> den<br />
Verteilzentren<br />
Summe<br />
200 - 265 50'000 - 265'000 2’700 - 8'700 52'700 - 273'700<br />
215 - 285 53'500 - 284'000 2'900 - 9'400 56'400 - 293'400<br />
Summe 415 - 550 103'500 - 549'000 5'600 - 18'100 109'100 - 567'100<br />
Tabelle 17: Verh<strong>in</strong>derter Aufwand dank e<strong>in</strong>er an Tagen mit w<strong>in</strong>terlichen Strassenverhältnissen optimal an die<br />
Witterungsverhältnisse angepassten Disposition. Die Hochrechnung der täglichen Menge bewegter<br />
Lastwagen und der dank Wetterprognosen verh<strong>in</strong>derten Aufwendungen erfolgt anhand der<br />
Umsätze der Grossverteiler <strong>in</strong> den Supermärkten (ohne Fachgeschäfte, Tankstellenshops und<br />
Convenience Stores).<br />
Annahmen: 5 bis 10 Tage mit stark w<strong>in</strong>terlichen Strassenverhältnissen. Verwendete Stundensätze<br />
60 CHF (Person) und 100 CHF (Person und Fahrzeug).<br />
Tabelle 17 zeigt die entsprechenden Resultate: Im Bereich der untersuchten Warengrup-<br />
pe würde das Fehlen <strong>von</strong> Wetterprognosen bei den fünf Grossverteilern zu Mehraufwen-<br />
dungen <strong>in</strong> der Grössenordnung <strong>von</strong> 109'100 bis 567'100 CHF pro Jahr führen.<br />
Die im Endresultat berücksichtigten Grossverteiler Migros, Coop, Denner, Aldi Schweiz<br />
und Volg-Läden decken geme<strong>in</strong>sam e<strong>in</strong>en Grossteil des Schweizer Lebensmitteldetail-<br />
handels ab. Im Verhältnis zu ihrem geme<strong>in</strong>samen Umsatz <strong>von</strong> 31.5 Milliarden CHF er-<br />
sche<strong>in</strong>t auch der obere Wert unserer Schätzung des wertschöpfungsrelevanten <strong>Nutzen</strong>s<br />
<strong>von</strong> Wetterprognosen <strong>von</strong> 567'100 CHF als marg<strong>in</strong>al. Diese ger<strong>in</strong>ge Relevanz im Wert-<br />
schöpfungsprozess dürfte auch bei anderen Logistikern und Transporteuren der Grund<br />
dafür se<strong>in</strong>, weswegen ihnen die monetäre Bewertung des betriebswirtschaftlichen Nut-<br />
zens <strong>von</strong> Wetterprognosen so schwer fällt.<br />
3.7.6 Bautransporte<br />
Arbeitsweise und E<strong>in</strong>fluss des Wetters<br />
Bei den Bautransporten ist weniger der E<strong>in</strong>fluss der Witterungsverhältnisse auf die Fahr-<br />
zeiten relevant als vielmehr die stark durch das Wetter bee<strong>in</strong>flusste Nachfrage. Boden 27<br />
darf nur bei trockener Witterung abgeschürft werden. Aushub 28 kann bei Niederschlägen<br />
nicht zur Wiederverwendung verdichtet werden. Ebenso kann Strassenbelag bei Nieder-<br />
schlägen nicht ausgebracht werden, wodurch bei feuchter Witterung auch ke<strong>in</strong> Belags-<br />
mischgut transportiert wird.<br />
Insgesamt verläuft die Auftragsvergabe unter anderem aufgrund der Wetterabhängigkeit<br />
bei den Bautransporten sehr kurzfristig. Anfragen treffen sehr häufig erst e<strong>in</strong> bis zwei<br />
Stunden vor Arbeitsbeg<strong>in</strong>n bei den Bautransportunternehmen e<strong>in</strong>.<br />
27 bis 1m Tiefe<br />
28 mehr als 1m Tiefe
54 / 3 Strassenverkehr<br />
Durch die Kurzfristigkeit und Wetterabhängigkeit entstehen zwangsläufig Auslastungs-<br />
schwankungen. Bei ungenügender Auslastung muss Überzeit e<strong>in</strong>gezogen werden oder<br />
die Zeit wird für Re<strong>in</strong>igungs- und Wartungsarbeiten an den Fahrzeugen genutzt. Im W<strong>in</strong>-<br />
ter s<strong>in</strong>d viele Bautransportunternehmen aufgrund der verm<strong>in</strong>derten Bautätigkeit weniger<br />
ausgelastet, was teilweise durch das Leisten <strong>von</strong> W<strong>in</strong>terdienst aufgefangen wird. Die<br />
Unternehmer erhalten <strong>von</strong> den Geme<strong>in</strong>den, dem Kanton oder der Nationalstrassenge-<br />
bietse<strong>in</strong>heit e<strong>in</strong>e Bereitstellungspauschale und e<strong>in</strong>e Vergütung der effektiven E<strong>in</strong>satzzeit.<br />
Dafür müssen sie <strong>in</strong> der Regel bei Alarmierung <strong>in</strong>nert 30 M<strong>in</strong>uten mit dem Fahrzeug auf<br />
der ihnen zugewiesenen Strecke se<strong>in</strong>.<br />
Verwendung <strong>von</strong> meteorologischen Informationen<br />
Von den zwei <strong>in</strong>terviewten Bautransportunternehmen haben wir unterschiedliche Aussa-<br />
gen zur Verwendung <strong>von</strong> Wetterprognosen erhalten. E<strong>in</strong>es der befragten Unternehmen<br />
verwendet regelmässig frei zugängliche Wetterprognosen im Internet, um die Auslastung<br />
bei den Bautransporten und die Wahrsche<strong>in</strong>lichkeit <strong>von</strong> W<strong>in</strong>terdienste<strong>in</strong>sätzen antizipie-<br />
ren zu können. Deswegen <strong>in</strong>formieren sich die Disponenten vor allem über die Nieder-<br />
schlagsmenge, die Schneemenge und die Temperatur. Bei Regen oder Schnee f<strong>in</strong>den<br />
ke<strong>in</strong>e Belagsarbeiten statt. Deswegen nimmt das Unternehmen zusätzliche Aufträge an,<br />
wenn Niederschläge prognostiziert s<strong>in</strong>d und damit zu rechnen ist, dass Belagsarbeiten<br />
ausgesetzt werden. Im W<strong>in</strong>ter werden die für den W<strong>in</strong>terdienst ausgerüsteten Fahrzeuge<br />
bei warmen Temperaturen für andere Arbeiten e<strong>in</strong>gesetzt.<br />
Die Aussagen des anderen <strong>in</strong>terviewten Unternehmens waren völlig gegenteilig: Wetter-<br />
prognosen werden nicht zur Ressourcenplanung verwendet. Die Wetterprognosen wer-<br />
den als zu unsicher e<strong>in</strong>gestuft, als dass die Ressourcenplanung sich an ihnen orientieren<br />
könnte. Insbesondere beim W<strong>in</strong>terdienst geht der befragte Unternehmer ke<strong>in</strong> Risiko e<strong>in</strong><br />
und hält die für den W<strong>in</strong>terdienst vorgesehenen Fahrzeuge jederzeit e<strong>in</strong>satzbereit. Die<br />
e<strong>in</strong>zige Anwendung <strong>von</strong> Wetterprognosen sei, dass bei Schneevorhersagen die Schnee-<br />
pflüge bereits vor der Alarmierung durch den W<strong>in</strong>terdienst an die Fahrzeuge montiert<br />
werden.<br />
Wirkung auf die Wirtschaftlichkeit<br />
Wie bei den Transportunternehmen mit Schwerpunkt Stückgut können wir uns auch bei<br />
den Bautransportunternehmen bei der Frage nach dem betriebswirtschaftlichen <strong>Nutzen</strong><br />
<strong>von</strong> Wetterprognosen nur auf das e<strong>in</strong>e der befragten Unternehmen abstützen, welches<br />
Wetterprognosen tatsächlich nutzt. Bei diesem Unternehmen entsteht der betriebswirt-<br />
schaftliche <strong>Nutzen</strong> der Wetterprognosen vor allem aufgrund der besseren Antizipierbar-<br />
keit <strong>von</strong> Belagsarbeiten und <strong>von</strong> W<strong>in</strong>terdienste<strong>in</strong>sätzen.<br />
E<strong>in</strong>e Quantifizierung war nur bei den W<strong>in</strong>terdienste<strong>in</strong>sätzen möglich:<br />
Wirkung auf die Qualität der Transportleistung<br />
Bei Bautransporten wirken sich meteorologische Informationen nicht auf die Qualität der<br />
erbrachten Transportleistung aus. Im Gegensatz zu Stückgut- oder Lebensmitteltranspor-<br />
ten ist die Wirkung <strong>von</strong> Wetterprognosen auf die Pünktlichkeit und Zuverlässigkeit der
Transporte nicht relevant: Bautransporte f<strong>in</strong>den bei Schneefall oder starkem Regen oh-<br />
neh<strong>in</strong> nicht statt.<br />
Würdigung<br />
Bautransportunternehmen werden durch das Wetter wesentlich stärker bee<strong>in</strong>flusst als<br />
andere Gütertransportunternehmen. E<strong>in</strong>erseits, weil die Nachfrage nach Bautransporten<br />
stark wetterabhängig ist: Im Tiefbau spielt Niederschlag das ganze Jahr über e<strong>in</strong>e wichti-<br />
ge Rolle, generell ist Frost relevant. Andererseits s<strong>in</strong>d viele Bautransportunternehmen<br />
auch im W<strong>in</strong>terdienst tätig, da vermehrt W<strong>in</strong>terdienst geleistet werden muss, wenn weni-<br />
ger Arbeit auf den Baustellen vorhanden ist.<br />
Trotzdem werden Wetterprognosen offenbar unterschiedlich stark genutzt. Dabei sche<strong>in</strong>t<br />
e<strong>in</strong>e wichtige Rolle zu spielen, wie gut das Bautransportunternehmen <strong>in</strong> der Lage ist, die<br />
Nachfrage nach Bautransporten und die Notwendigkeit <strong>von</strong> W<strong>in</strong>terdienste<strong>in</strong>sätzen an-<br />
hand der Prognosen abzuschätzen. Dies ist nicht trivial, wie wir auch <strong>von</strong> den Strassen-<br />
w<strong>in</strong>terdiensten gehört haben, und immer mit gewissen Unsicherheiten behaftet. Deswe-<br />
gen ist für die Verwendung und den <strong>Nutzen</strong> <strong>von</strong> Wetterprognosen auch relevant, ob das<br />
Unternehmen aufgrund der Prognosen falsch getroffene Entscheidungen korrigieren<br />
kann, ohne dass e<strong>in</strong> grösserer f<strong>in</strong>anzieller Schaden entsteht. Ist dies nicht möglich, wird<br />
es se<strong>in</strong>e Entscheidungen allenfalls lieber nicht auf Wetterprognosen abstützen.<br />
Quantitative Ergebnisse und Hochrechnung<br />
Da die quantitativen Ergebnisse den Bereich W<strong>in</strong>terdienst betreffen, werden Sie im Kapi-<br />
tel «3.5 W<strong>in</strong>terdienst auf National- und Kantonsstrassen» behandelt und auch diesem<br />
Bereich zugerechnet.<br />
3.8 Öffentlicher Strassenverkehr<br />
3.8.1 <strong>Der</strong> Öffentlicher Strassenverkehr <strong>in</strong> der Schweiz<br />
Die Betriebszählung und das Schweizerische Unternehmens- und Betriebsregister unter-<br />
scheiden bei den Personentransportunternehmen zwischen den Kategorien «Regional-<br />
und Fernverkehr» und «Nahverkehr», wobei Nahverkehr jeglichen öffentlichen Verkehr<br />
auf Schiene und Strasse umfasst, dessen Ausgangs- und Zielpunkt sich <strong>in</strong>nerhalb e<strong>in</strong>es<br />
Stadtgebiets oder <strong>in</strong>nerhalb e<strong>in</strong>es die Nachbarstädte umfassenden Ballungsraums bef<strong>in</strong>-<br />
den.<br />
Viele Unternehmen des öffentlichen Nahverkehrs verwenden sowohl Schienen- als auch<br />
Strassenfahrzeuge. Deswegen ist der öffentliche Nahverkehr <strong>in</strong> der NOGA-Kategorie<br />
«Personenbeförderung im Nahverkehr zu Lande (ohne Taxis)» zusammengefasst, die<br />
Hoch- und Untergrundbahnen, Trams, Busse und Trolleybusse e<strong>in</strong>schliesst.<br />
/ 55
56 / 3 Strassenverkehr<br />
Unternehmen Vollzeitäquivalente<br />
Anzahl Anteil Anzahl Anteil<br />
Mikro (bis 9 Mitarbeitende) 86 59% 290 3%<br />
Kle<strong>in</strong>e (10-49 Mitarbeitende) 30 21% 742 6%<br />
Mittlere (50-249 Mitarbeitende) 19 13% 1'966 17%<br />
Grosse (ab 250 Mitarbeitende) 10 7% 8'559 74%<br />
Total 145 100% 11'557 100%<br />
Tabelle 18: Struktur der Personentransportbranche im Nahverkehr zu Lande (ohne Taxis) <strong>in</strong> der Schweiz.<br />
Quelle: BFS Betriebszählung 2008, NOGA-Code 493100 «Personenbeförderung im Nahverkehr<br />
zu Lande (ohne Taxis)»<br />
Diese Kategorie umfasst Personenbeförderung auf Schiene und Strasse im Nahverkehr e<strong>in</strong>schliesslich<br />
Hoch- und Untergrundbahnen, Trams, Busse und Trolleybusse sowie Zahnrad- und<br />
Seilbahnen usw., falls diese Teil <strong>von</strong> nach Fahrplan verkehrenden Orts- und Nahverkehrssystemen<br />
s<strong>in</strong>d. Nahverkehr ist def<strong>in</strong>iert als der Verkehr, dessen Ausgangs- und Zielpunkt sich <strong>in</strong>nerhalb<br />
e<strong>in</strong>es Stadtgebiets oder <strong>in</strong>nerhalb e<strong>in</strong>es die Nachbarstädte umfassenden Ballungsraums bef<strong>in</strong>den.<br />
Die Betriebszählung weist schweizweit 145 Unternehmen aus, die zu dieser Kategorie<br />
gehören, wobei über die Hälfte Mikro-Unternehmen mit weniger als neun Beschäftigten<br />
s<strong>in</strong>d. Bei diesen dürfte es sich <strong>in</strong> der Regel um Anbieter e<strong>in</strong>zelner L<strong>in</strong>ien oder Bahnen<br />
handeln, die im öffentlichen Nahverkehr e<strong>in</strong>gebunden s<strong>in</strong>d. Die <strong>in</strong> den meisten Schweizer<br />
Städten vorhandenen städtischen Verkehrbetriebe beschäftigen deutlich mehr Personal.<br />
Bernmobil beschäftig beispielsweise 763 Mitarbeitende, der Verkehrsbetriebe Zürich<br />
2'398.<br />
Tabelle 19 zeigt, dass nur sehr wenige Schweizer Städte Traml<strong>in</strong>ien betreiben, nämlich<br />
nur Genf, Lausanne, Bern, Basel (Basel-Stadt und Umgebung Kt. Basel-Land) und Zü-<br />
rich. Dabei verfügen die beiden Basel und Zürich klar über die grössten Streckennetze.
Initialen<br />
Region<br />
TPG<br />
Genève<br />
TSOL<br />
Lausanne<br />
LO<br />
Lausanne<br />
SVB<br />
Bern<br />
RBS<br />
Bern-Worb<br />
BVB<br />
Basel<br />
BLT<br />
Baselland<br />
VBZ<br />
Zürich<br />
Unternehmen Strecken-<br />
Kilometer<br />
Transports publics<br />
genevois<br />
Tramway du sud-ouest<br />
lausannois SA<br />
Anzahl<br />
L<strong>in</strong>ien<br />
Fahrzeuge mit<br />
Führerstand &<br />
Antrieb<br />
/ 57<br />
Übrige Fahrzeuge<br />
12 3 67 0<br />
8 1 60 17<br />
Métro Lausanne-Ouchy *) 3 2 Ke<strong>in</strong>e Angabe Ke<strong>in</strong>e Angabe<br />
BERNMOBIL 17 3 38 7<br />
Regionalverkehr<br />
Bern-Solothurn (L<strong>in</strong>ie G)<br />
10 1 9 0<br />
Basler Verkehrs-Betriebe 66 6 129 83<br />
Baselland<br />
Transport AG<br />
Verkehrsbetriebe<br />
Zürich<br />
65 4 48 12<br />
109 13 225 105<br />
Total 290 33 533 207<br />
Tabelle 19: Tramnetze <strong>in</strong> der Schweiz – Stand 2005. Quelle: Verband öffentlicher Verkehr, Verzeichnis der<br />
Mitglieder 2007, <strong>in</strong>: Litra 2008<br />
Unternehmen Vollzeitäquivalente<br />
Anzahl Anteil Anzahl Anteil<br />
Mikro (bis 9 Mitarbeitende) 82 59% 348 9%<br />
Kle<strong>in</strong>e (10-49 Mitarbeitende) 47 34% 1'084 29%<br />
Mittlere (50-249 Mitarbeitende) 8 6% 911 24%<br />
Grosse (ab 250 Mitarbeitende) 1 1% 1'378 37%<br />
Total 138 100% 3'721 100%<br />
Tabelle 20: Struktur der Personentransportbranche im Regional- und Fernverkehr auf der Strasse <strong>in</strong> der<br />
Schweiz. Quelle: BFS Betriebszählung 2008, NOGA-Code 493902 «Regelmässige Personenbeförderung<br />
im Regional- und Fernverkehr».<br />
Diese Kategorie umfasst alle Personentransporte auf der Strasse ausserhalb des Nahverkehrs<br />
nach festem Fahrplan auf e<strong>in</strong>em festen Streckennetz wie Postautos, andere Regional- und L<strong>in</strong>ienbusse<br />
sowie Schulbusse. (Nahverkehr ist def<strong>in</strong>iert als der Verkehr, dessen Ausgangs- und<br />
Zielpunkt sich <strong>in</strong>nerhalb e<strong>in</strong>es Stadtgebiets oder <strong>in</strong>nerhalb e<strong>in</strong>es die Nachbarstädte umfassenden<br />
Ballungsraums bef<strong>in</strong>det.)<br />
Tabelle 20 zeigt die Struktur <strong>in</strong>nerhalb des Bereiches «Regelmässige Personenbeförde-<br />
rung im Regional- und Fernverkehr» (NOGA-Code 493902), zu dem alle Unternehmen<br />
mit festem Fahrplan und Streckennetz gehören wie Postautos, Regional- und L<strong>in</strong>ienbus-<br />
se, aber auch Schulbusse.<br />
Im Bereich «Regelmässige Personenbeförderung im Regional- und Fernverkehr» existie-<br />
ren 82 Micro-Unternehmen mit weniger als neun Beschäftigten, unter denen vermutlich<br />
e<strong>in</strong>ige Schulbusse oder spezialisierte Fernverkehrsanbieter se<strong>in</strong> dürften. Sie stellen aber<br />
nur 9% der <strong>in</strong> diesem Bereich vorhandenen Stellenprozente. Die übrigen 90% der 3’721
58 / 3 Strassenverkehr<br />
Vollzeitstellenäquivalente teilen sich zu ähnlichen Anteilen auf die kle<strong>in</strong>en, mittleren und<br />
grossen Unternehmen auf, wobei aber Postauto als e<strong>in</strong>ziges Grossunternehmen deutlich<br />
hervorsticht, das alle<strong>in</strong> 37% der Stellenprozente <strong>in</strong> diesem Bereich stellt (Tabelle 20).<br />
3.8.2 Interviewte ÖV-Unternehmen<br />
Im Bereich öffentlicher Strassenverkehr wurden vier ÖV-Unternehmen betrachtet, <strong>von</strong><br />
denen zwei im Nahverkehr 29 tätig s<strong>in</strong>d und zwei Transportleistungen im Regional- und<br />
Nahverkehr anbieten. Bei drei der betrachteten Unternehmen wurde ausschliesslich der<br />
Busverkehr betrachtet, beim vierten auch der Tramverkehr. E<strong>in</strong> Unternehmen war nur zu<br />
e<strong>in</strong>em sehr kurzen Interview bereit, <strong>in</strong> dem nur Angaben über die Verwendung <strong>von</strong> Wet-<br />
terprognosen erhoben werden konnten.<br />
3.8.3 Die Arbeitsweise der ÖV-Anbieter und der E<strong>in</strong>fluss des Wetters – Aussagen<br />
der Interviewpartner<br />
Die drei ausführlich betrachteten Unternehmen verfügen alle über e<strong>in</strong>e zentrale Leitstelle,<br />
die den Verkehr überwacht und die gegebenenfalls für das Störungs- und Krisenmana-<br />
gement verantwortlich ist. Auch haben alle e<strong>in</strong>en Teil ihrer L<strong>in</strong>ien an Subunternehmen<br />
vergeben. Je nach dem wie stark diese L<strong>in</strong>ien mit dem restlichen Netz verknüpft s<strong>in</strong>d und<br />
je nach Unternehmen s<strong>in</strong>d die Fahrzeuge der Subunternehmer an die zentrale Leitstelle<br />
angebunden und voll im Fahrbetrieb <strong>in</strong>tegriert, oder aber die Subunternehmer verfügen<br />
über e<strong>in</strong>e eigene Leitstelle.<br />
Zum Alltag aller ÖV-Unternehmen gehören Kapazitätsschwankungen und unvorhergese-<br />
hene Ereignisse, die den E<strong>in</strong>satz zusätzlicher Ressourcen erfordern. Dies wird e<strong>in</strong>erseits<br />
durch Teilzeitstellen aufgefangen, andererseits dadurch, dass Kundenberater 30 und e<strong>in</strong><br />
grosser Teil des Innendienstpersonals ebenfalls <strong>in</strong> der Lage s<strong>in</strong>d, Bus bzw. Tram zu fah-<br />
ren. 31<br />
Das Wetter bee<strong>in</strong>flusst die ÖV-Unternehmen <strong>in</strong> zweifacher Weise. E<strong>in</strong>erseits s<strong>in</strong>d sie, wie<br />
auch die Gütertransportunternehmen, auf e<strong>in</strong> funktionierendes Strassennetz angewiesen.<br />
Starker Regen, Frost und Schnee führen zu e<strong>in</strong>em langsameren und unruhigerem Ver-<br />
kehrsfluss und zu mehr Unfällen, die Verkehrsbeh<strong>in</strong>derungen und Stau verursachen.<br />
Dies kann dazu führen, dass sich Fahrzeuge verspäten oder L<strong>in</strong>ien umgeleitet werden<br />
müssen. Auch müssen die Chauffeure bei Niederschlag noch mehr als sonst auf Fuss-<br />
gänger und Velofahrer achten, da diese durch Schirme und Kapuzen e<strong>in</strong> e<strong>in</strong>geschränktes<br />
Sichtfeld haben.<br />
Andererseits geben drei der vier befragten Unternehmen an, dass auch bei e<strong>in</strong>igen im<br />
ÖV verwendeten Fahrzeugen bei bestimmten Wetterereignissen Probleme auftreten.<br />
29 Nahverkehr ist def<strong>in</strong>iert als Verkehr, dessen Ausgangs- und Zielpunkt sich <strong>in</strong>nerhalb e<strong>in</strong>es Stadtgebiets oder <strong>in</strong>nerhalb<br />
e<strong>in</strong>es die Nachbarstädte umfassenden Ballungsraums bef<strong>in</strong>det.<br />
30 Die Aufgaben der Kundenberater umfassen unter anderem Ticketverkauf, Fahrausweiskontrolle und Beratung der Kunden<br />
bei Störungen.<br />
31 Die E<strong>in</strong>sätze erfolgen nicht nur <strong>in</strong> Notfällen, sondern auch regelmässig, um die Fahrpraxis zu gewährleisten.
Gelenkbusse können schon bei ger<strong>in</strong>ger Strassenglätte nicht mehr gefahren werden und<br />
müssen gegen Busse ohne Gelenke ausgetauscht werden. In sehr starken Steigungen<br />
müssen bei Schnee Ketten montiert werden. In diesen Fällen werden die betroffenen<br />
L<strong>in</strong>ien <strong>in</strong> der Regel geteilt, so dass die Fahrgäste dort, wo die Steigung beg<strong>in</strong>nt, <strong>in</strong> die<br />
Fahrzeuge mit Ketten umsteigen müssen. Tramfahrzeuge werden durch Schnee erst<br />
ungefähr ab 10 cm Schneefall bee<strong>in</strong>trächtigt. Bei Frost <strong>in</strong> Komb<strong>in</strong>ation mit Feuchtigkeit<br />
müssen aber die Fahrleitungen enteist werden und bei Regen <strong>in</strong> Komb<strong>in</strong>ation mit Laubfall<br />
müssen die Schienen gere<strong>in</strong>igt werden.<br />
3.8.4 Verwendung <strong>von</strong> meteorologischen Informationen – Aussagen der<br />
Interviewpartner<br />
Alle befragten ÖV- Unternehmen verwenden meteorologische Informationen. Die Leitstel-<br />
len nutzten frei zugängliche Wetterprognosen im Internet. Dies zu folgenden Zwecken:<br />
— In e<strong>in</strong>em der befragten Unternehmen nimmt die Leitstelle die Arbeit morgens früher<br />
auf, wenn schwierige Strassenverhältnisse erwartet werden. In e<strong>in</strong>em anderen Unter-<br />
nehmen wird im selben Fall das Personal der Leitstelle kurzfristig aufgestockt.<br />
— Vor allem wenn Schneefall prognostiziert ist, werden teilweise bereits am Vortag or-<br />
ganisatorische Massnahmen getroffen, damit genügend zusätzliches Personal aufge-<br />
boten werden kann. Die Aufbietung selbst erfolgt aber erst bei e<strong>in</strong>setzendem Schnee-<br />
fall.<br />
— In Ausflugsregionen werden bei schönem Wetter zusätzliche Kapazitäten e<strong>in</strong>geplant,<br />
um die durch Touristen verursachten Spitzenlasten abdecken zu können.<br />
Bei zwei Unternehmen s<strong>in</strong>d die Fahrer angehalten, ebenfalls Wetterprognosen zu nutzen:<br />
— Die Fahrer s<strong>in</strong>d verpflichtet, auch bei glatten oder schneebedeckten Strassen pünkt-<br />
lich zur Arbeit zu ersche<strong>in</strong>en.<br />
— In e<strong>in</strong>em der betrachteten Unternehmen müssen die Fahrer bei Schneefall aus Si-<br />
cherheitsgründen e<strong>in</strong>e halbe Stunde früher zur Arbeit ersche<strong>in</strong>en, um die Fahrzeuge<br />
aber auch sich selbst auf e<strong>in</strong>en Schneetag mit erhöhten Anforderungen vorzuberei-<br />
ten. Bei den Fahrzeugen müssen die im Fahrzeug <strong>in</strong>tegrierten Streugeräte vorbereitet<br />
werden, damit vor der H<strong>in</strong>terachse vom Führerstand aus gesplittet werden kann.<br />
E<strong>in</strong>es der Unternehmen ist für das Salzen und Räumen <strong>von</strong> Tramtrassen und Haltestel-<br />
lenflächen selbst verantwortlich. Aus diesem Grund werden Wetterprognosen auch <strong>von</strong><br />
der Abteilung Infrastruktur genutzt. Diese muss auch dafür sorgen, dass die Fahrleitun-<br />
gen wenn nötig enteist werden.<br />
3.8.5 Wirkung auf die Wirtschaftlichkeit – Aussagen der Interviewpartner<br />
Zum betriebswirtschaftlichen <strong>Nutzen</strong> <strong>von</strong> Wetterprognosen haben wir nur <strong>von</strong> drei der<br />
vier befragten Unternehmen Angaben erhalten, wobei die Aussagen unterschiedlich s<strong>in</strong>d.<br />
E<strong>in</strong>erseits wurde die Ansicht vertreten, die Wetterprognosen führten zu präventiven<br />
/ 59
60 / 3 Strassenverkehr<br />
Massnahmen und generierten deswegen eher e<strong>in</strong>en Mehraufwand, dem aber e<strong>in</strong> positi-<br />
ver Effekt auf die Pünktlichkeit entgegenstehe. Die Pünktlichkeit habe zwar e<strong>in</strong>en lang-<br />
fristigen E<strong>in</strong>fluss auf die Kundenfrequenzen, aber dieser sei schwierig abzuschätzen.<br />
Andererseits wurde aber auch genau gegenteilig argumentiert: Die Wetterprognosen<br />
würden den betrieblichen Aufwand senken, da e<strong>in</strong>erseits nicht während der Betriebszei-<br />
ten überraschend Gelenkbusse gegen w<strong>in</strong>tertaugliche Fahrzeuge ausgetauscht werden<br />
müssten und andererseits personelle Ressourcen effizienter e<strong>in</strong>gesetzt werden könnten.<br />
So werden beispielsweise an Schneetagen ke<strong>in</strong>e Fahrgastkontrollen durchgeführt, damit<br />
die Kundenbetreuer als Fahrer zur Verfügung stehen und nicht weiteres Personal aus der<br />
Freizeit heraus aufgeboten werden muss.<br />
Nur e<strong>in</strong>es der befragten Unternehmen sah sich <strong>in</strong> der Lage, die betriebswirtschaftlichen<br />
Effekte grob zu quantifizieren. Um <strong>in</strong> Bezug auf die Pünktlichkeit und den Fahrgastkom-<br />
fort (Auslastung der Fahrzeuge, Sitzplätze) e<strong>in</strong>e optimale Qualität (d.h. ke<strong>in</strong> Ausfall <strong>von</strong><br />
Leistungen, ke<strong>in</strong>e grösseren Verspätungen) auch ohne Antizipation wetterbed<strong>in</strong>gter Stö-<br />
rungen oder Nachfrageschwankungen permanent bieten zu können, müsste nach Ansicht<br />
des Interviewpartners während der W<strong>in</strong>termonate (November bis März) pro Betriebs-<br />
standort wohl e<strong>in</strong>e Person mehr zur Verfügung stehen, um während der Betriebszeiten<br />
jederzeit Zusatzfahrten leisten zu können. Die Anzahl Betriebsstandorte (19 Standorte)<br />
multipliziert mit der Anzahl Arbeitstage (125 Tage <strong>von</strong> November bis März), 18 Stunden<br />
Betriebszeit und Arbeitskosten 32 <strong>von</strong> rund 50 CHF/h ergibt rund 2.14 Mio. CHF Personal-<br />
aufwand pro Jahr, die dank Wetterprognosen vermieden werden können. Dies entspricht<br />
ungefähr 21 Vollzeitstellen 33 oder etwa 8% des Personalbestandes 2009.<br />
Die anderen beiden Unternehmen sahen sich nicht mit für sie vertretbarem Aufwand <strong>in</strong><br />
der Lage, e<strong>in</strong>e realistische analoge E<strong>in</strong>schätzung vorzunehmen. Da das Unternehmen,<br />
welches quantitative Wirkungen abschätzen konnte, e<strong>in</strong>e deutlich dezentralere Organisa-<br />
tionsstruktur aufweist als die anderen beiden, s<strong>in</strong>d die Angaben dieses Unternehmens<br />
nicht auf die anderen beiden übertragbar.<br />
3.8.6 Wirkung auf die Qualität der Leistungserbr<strong>in</strong>gung – Aussagen der<br />
Interviewpartner<br />
Drei der vier befragten Unternehmen s<strong>in</strong>d der Ansicht, dass Wetterprognosen die Qualität<br />
des öffentlichen Verkehrs verbessern. Insbesondere bei Schneefall und Frost tragen prä-<br />
ventiv e<strong>in</strong>geleitete Massnahmen wie der Austausch <strong>von</strong> Gelenkbussen durch andere<br />
Fahrzeuge und das Enteisen <strong>von</strong> Fahrleitungen dazu bei, dass trotz schlechter Strassen-<br />
verhältnisse e<strong>in</strong>e hohe Pünktlichkeit erreicht wird. Auch können zusätzliche Fahrzeuge<br />
für wetterbed<strong>in</strong>gte Spitzenlasten e<strong>in</strong>geplant werden, so dass Wanderern und Ausflüglern<br />
e<strong>in</strong> hoher Reisekomfort geboten werden kann. Ke<strong>in</strong>es der Unternehmen sah sich aber <strong>in</strong><br />
der Lage zu quantifizieren, wie viele Verspätungen oder Verspätungsm<strong>in</strong>uten entstehen<br />
32 Selbstkosten, gemäss Angaben der Interviewpartner.<br />
33 Annahme: 42.5 Arbeitsstunden pro Woche, 5 Wochen Ferien.
würden, stünden Wetterprognosen nicht zur Verfügung. Dies aus den folgenden Grün-<br />
den:<br />
— Je nachdem wo auf dem Streckennetz Probleme auftreten, haben diese ganz unter-<br />
schiedliche Auswirkungen.<br />
— Die Pünktlichkeit entsteht durch das Zusammenspiel verschiedener Faktoren wie<br />
Adäquatheit der Planung der Leitstelle, effektiver Fahrplan (Fahrzeitreserve, Puffer-<br />
zeiten an Endhaltestellen), Verhalten der Fahrer, Fahrtüchtigkeit der Fahrzeuge, aber<br />
auch Verhalten der Fahrgäste und Verkehrsaufkommen des übrigen Strassenver-<br />
kehrs. Den Befragten fällt es deswegen sehr schwer, den Effekt e<strong>in</strong>es Faktors zu iso-<br />
lieren.<br />
— In städtischen Regionen hat der öffentliche Strassenverkehr e<strong>in</strong>en sehr engen Takt<br />
<strong>von</strong> 15 M<strong>in</strong>uten oder weniger, wodurch kaum relevante Verspätungen entstehen kön-<br />
nen.<br />
Das vierte Unternehmen vertrat die Ansicht, Wetterprognosen seien alles <strong>in</strong> allem wenig<br />
relevant, da Verspätungen an Schnee- und Glättetagen nicht durch das Wetter selbst,<br />
sondern durch die Probleme des Individualverkehrs mit Schnee und Glätte verursacht<br />
seien. Schnee- und glättebed<strong>in</strong>gten Staus könne man ohneh<strong>in</strong> nicht ausweichen, auch<br />
wenn ihr Auftreten frühzeitig bekannt sei.<br />
3.8.7 Würdigung<br />
Bezüglich der Verwendung <strong>von</strong> meteorologischen Informationen ergibt sich für die vier<br />
betrachteten ÖV-Unternehmen e<strong>in</strong> relativ konsistentes Bild: Sie nutzen Gratiswetterprog-<br />
nosen im Internet. Im W<strong>in</strong>ter werden bei angekündigtem Schneefall <strong>in</strong> der Regel am Vor-<br />
tag oder früh morgens Vorbereitungen für die Schnee- und Glättebekämpfung getroffen<br />
oder vorsorglich Fahrzeuge umdisponiert 34 . In Touristengebieten unterstützen Wetter-<br />
prognosen die Antizipation der Fahrgastmenge und ermöglichen den gezielten E<strong>in</strong>satz<br />
<strong>von</strong> Zusatzbussen, was für die Reisenden e<strong>in</strong>en erhöhten Komfort br<strong>in</strong>gt. Auch bezüglich<br />
des Unfallrisikos s<strong>in</strong>d die Aussagen e<strong>in</strong>heitlich: Entscheidend für das Unfallrisiko ist <strong>in</strong><br />
erster L<strong>in</strong>ie der Strassenzustand, die aktuelle Aussentemperatur und die aktuellen Sicht-<br />
verhältnisse, nicht die Wetterprognose.<br />
Beim <strong>Nutzen</strong> der Wetterprognosen h<strong>in</strong>gegen s<strong>in</strong>d die Aussagen nicht konsistent. Nur drei<br />
der vier Unternehmen s<strong>in</strong>d der Me<strong>in</strong>ung, dass Wetter<strong>in</strong>formationen die Zuverlässigkeit<br />
und Pünktlichkeit des öffentlichen Verkehrs verbessern. Die unterschiedlichen Ansichten<br />
sche<strong>in</strong>en dadurch bed<strong>in</strong>gt zu se<strong>in</strong>, ob beim betreffenden Unternehmen Verspätungen bei<br />
Schnee nur durch wetterbed<strong>in</strong>gte Staus entstehen, oder ob auch Probleme mit den Fahr-<br />
zeugen auftreten. Für Unternehmen, die weder Schienenfahrzeuge noch Gelenkbusse<br />
verwenden, verursacht nicht der Schnee selbst Verspätungen, sondern die wetterbed<strong>in</strong>g-<br />
ten Verkehrsstaus.<br />
34 z.B. normale Busse statt Gelenkbusse, zusätzliche Fahrzeuge bei E<strong>in</strong>satz <strong>von</strong> Schneeketten und dadurch bed<strong>in</strong>gte Stre-<br />
ckenteilungen<br />
/ 61
62 / 3 Strassenverkehr<br />
Auch bei der Bewertung der betriebswirtschaftlichen Auswirkungen s<strong>in</strong>d die Ansichten<br />
unterschiedlich: Teilweise wird e<strong>in</strong> unmittelbarer <strong>Nutzen</strong> der Wetterprognosen dank effi-<br />
zienteren betrieblichen Abläufen geortet, teilweise nur e<strong>in</strong> langfristiger positiver betriebs-<br />
wirtschaftlicher Effekt dank der besseren Pünktlichkeit und Zuverlässigkeit. 35 Dabei sieht<br />
e<strong>in</strong>es der befragten Unternehmen sogar e<strong>in</strong>en unmittelbar negativen betriebswirtschaftli-<br />
chen Effekt der Wetterprognosen, da aufgrund der Wetterprognosen Präventivmassnah-<br />
men durchgeführt werden, die ohne Wetterprognosen nicht durchgeführt werden würden.<br />
Diese Diskrepanz <strong>in</strong> der Beurteilung des betriebswirtschaftlichen <strong>Nutzen</strong>s können wir<br />
nicht auflösen; soweit die Organisation und die Arbeitsprozesse der Unternehmen im<br />
Rahmen des vorliegenden Projektes betrachtet werden konnten, haben wir ke<strong>in</strong>e Unter-<br />
schiede festgestellt, die zu so unterschiedlichen Beurteilungen führen müssten.<br />
3.8.8 Quantitative Ergebnisse und Hochrechnung<br />
Von den ÖV-Unternehmen haben wir <strong>in</strong>sgesamt nur wenig quantitative Angaben erhal-<br />
ten. Nur im Bereich des betriebswirtschaftlichen <strong>Nutzen</strong>s konnte e<strong>in</strong>es der befragten Un-<br />
ternehmen e<strong>in</strong>e grobe Abschätzung vornehmen, die auf Basis der Aussagen der übrigen<br />
Unternehmen plausibilisiert und korrigiert wurde (vgl. nochmals Kapitel 3.8.5 und 3.8.7):<br />
Um die heutige Pünktlichkeit und den heutigen Fahrgastkomfort auch ohne Wetterprog-<br />
nosen aufrechterhalten zu können, müsste rund 8% mehr Personal zur Verfügung ste-<br />
hen, um bei Bedarf Zusatzfahrten durchführen zu können. Dies entspräche beim befrag-<br />
ten Unternehmen e<strong>in</strong>em personellen Mehraufwand <strong>von</strong> rund 2.14 Mio. CHF.<br />
Beim befragten Unternehmen handelt es sich eigentlich um e<strong>in</strong>e regional tätige Division<br />
e<strong>in</strong>es schweizweit tätigen Grossunternehmens. Wenn wir die Ergebnisse für die betrach-<br />
tete Division auf das Gesamtunternehmen übertragen, ergibt sich e<strong>in</strong> betriebswirtschaftli-<br />
cher <strong>Nutzen</strong> der Wetterprognosen <strong>von</strong> 25.34 Mio. CHF. Damit nehmen wir implizit an,<br />
dass alle übrigen Divisionen gleich funktionieren wie die befragte Division, was aufgrund<br />
der unterschiedlichen regionalen Gegebenheiten (Passagieraufkommen, Auslastungs-<br />
schwankungen, Pendleraufkommen) nur bed<strong>in</strong>gt stimmt. Dieser Ungenauigkeit und den<br />
weiteren Unsicherheiten tragen wir mit e<strong>in</strong>em Unsicherheitsbereich <strong>von</strong> 15% Rechnung:<br />
Aufgrund der Befragungsergebnisse gehen wir da<strong>von</strong> aus, dass Wetterprognosen dem<br />
Gesamtunternehmen e<strong>in</strong>en betriebswirtschaftlichen <strong>Nutzen</strong> zwischen 21.5 bis 29.1 Mio.<br />
CHF pro Jahr br<strong>in</strong>gen.<br />
Dieses Ergebnis kann nicht auf die anderen befragten Unternehmen übertragen werden,<br />
da diese <strong>in</strong> dichter besiedelten Gebieten tätig und zentraler organisiert s<strong>in</strong>d sowie e<strong>in</strong>en<br />
engeren Takt anbieten, der Zusatzfahrten <strong>in</strong> vielen Fällen überflüssig macht. Für e<strong>in</strong>e<br />
Hochrechnung der Ergebnisse auf weitere <strong>in</strong> der Studie nicht berücksichtigte Personen-<br />
transportunternehmen fehlen die statistischen Grundlagen, da Organisationsstrukturen<br />
und Takt e<strong>in</strong>e wichtige Rolle spielen.<br />
Den betriebswirtschaftlichen <strong>Nutzen</strong> im öffentlichen Verkehr weisen wir entsprechend<br />
den Abgeltungszahlungen der öffentlichen Hand teilweise als Staatsausgaben aus, teils-<br />
35 Zuverlässigkeit und Pünktlichkeit erhöhen nach Me<strong>in</strong>ung der Interviewpartner die Fahrgastzahlen.
weise als Wertschöpfungseffekt. 36 Dementsprechend bewirken meteorologische Informa-<br />
tionen im öffentlichen Verkehr M<strong>in</strong>derstaatsausgaben zwischen 10.8 und 14.6 Mio. CHF<br />
pro Jahr und e<strong>in</strong>en positiven Wertschöpfungseffekt <strong>in</strong> derselben Höhe.<br />
3.9 Zusammenfassung Strassenverkehr<br />
Tabelle 21 gibt e<strong>in</strong>e Übersicht zu den im Bereich Strassenverkehr gewonnen Erkenntnis-<br />
sen. E<strong>in</strong>e monetäre Quantifizierung des <strong>Nutzen</strong>s <strong>von</strong> meteorologischen Informationen<br />
war nur für die <strong>Nutzen</strong>dimensionen Staatsausgaben und Wertschöpfung möglich, wobei<br />
auch hier nur Teilaspekte monetär bewertet werden konnten. Die <strong>in</strong> der letzten Zeile an-<br />
gegebene Summe der quantitativ fassbaren Effekte dürfte deswegen unter dem tatsächli-<br />
chen Wert liegen. Gleichzeitig s<strong>in</strong>d die quantitativen Ergebnisse aufgrund der verwende-<br />
ten Methodik und der vorhandenen Unsicherheiten nur als Grössenordnung zu verstehen<br />
und können auch ausserhalb der angegeben Wertebereiche liegen.<br />
Staatsausgaben<br />
Im Bereich Strassenverkehr wirken meteorologische Informationen über die W<strong>in</strong>terdiens-<br />
te und über den öffentlichen Verkehr 37 auf die Staatsausgaben. W<strong>in</strong>terdienste wie auch<br />
ÖV-Anbieter müssten deutlich mehr Ressourcen aufwenden, wollten sie ohne meteorolo-<br />
gische Informationen ihre Leistungen weiterh<strong>in</strong> <strong>in</strong> der heutigen Qualität zur Verfügung<br />
stellen. Dank Wetterprognosen können dementsprechend Staatsausgaben <strong>in</strong> der Grös-<br />
senordnung <strong>von</strong> rund 52.6 bis 56.4 Mio. CHF/a vermieden werden, vorausgesetzt ohne<br />
Wetterprognosen müsste tatsächlich das gleiche Leistungsniveau erreicht werden wie mit<br />
Wetterprognosen.<br />
36 Gemäss dem Verband des öffentlichen Verkehrs s<strong>in</strong>d die Anteile je rund 50%. Quelle: VÖV_Schriften_04 (2004).<br />
37 Die Effekte <strong>von</strong> Wetterprognosen im öffentlichen Verkehr werden teils unter Staatsausgaben, teils unter Wertschöpfung<br />
aufgeführt, da der öffentliche Verkehr teils durch die öffentliche Hand, teils durch die Erträge aus Billet- und Abonnementverkäufen<br />
f<strong>in</strong>anziert wird.<br />
/ 63
64 / 3 Strassenverkehr<br />
<strong>Nutzen</strong>dimension<br />
[Mio. CHF/a]<br />
Akteur(gruppe)<br />
Staatliche<br />
Leistungserbr<strong>in</strong>gende<br />
W<strong>in</strong>terdienste auf National-<br />
und Kantonsstrassen<br />
<strong>in</strong>kl. Drittleister<br />
Nationales<br />
Verkehrsmanagement<br />
Gütertransportunternehmen<br />
Stückguttransport<br />
Logistik <strong>von</strong> Lebensmittelgrossverteilern<br />
(nur untersuchte<br />
Warengruppe)<br />
Treibstofftransporte<br />
Bautransporte<br />
Öffentlicher Strassenverkehr<br />
In Agglomerationen und<br />
Städten<br />
Volkswirtschaftlicher <strong>Nutzen</strong>, welcher der Akteur/die Akteurgruppe durch die<br />
Verwendung <strong>von</strong> meteorologischen Informationen bewirkt<br />
Vermiedene<br />
Staatsausgaben<br />
Zusätzliche<br />
Wertschöpfung<br />
41.8 2.4 - 8.5<br />
Vermiedene<br />
Schadenskosten<br />
Nicht e<strong>in</strong>schätzbar,<br />
nicht quantifizierbar<br />
Ke<strong>in</strong> Effekt Ke<strong>in</strong> Effekt Ke<strong>in</strong> Effekt<br />
Hoch,<br />
nicht quantifizierbar<br />
Ger<strong>in</strong>g,<br />
nicht quantifizierbar<br />
Ke<strong>in</strong> Effekt<br />
0.11 - 0.57 Ke<strong>in</strong> Effekt<br />
Ger<strong>in</strong>g,<br />
nicht quantifizierbar<br />
Hoch,<br />
nicht quantifizierbar<br />
Hoch,<br />
nicht quantifizierbar<br />
Ger<strong>in</strong>g,<br />
nicht quantifizierbar<br />
Ke<strong>in</strong> Effekt<br />
Ke<strong>in</strong> Effekt<br />
Im peripheren Raum 10.8 - 14.6 10.8 - 14.6 Ke<strong>in</strong> Effekt<br />
Summe der quantitativ fassbaren<br />
Effekte<br />
Vermiedene<br />
<strong>in</strong>dividuelle Reisezeiten<br />
Nicht e<strong>in</strong>schätzbar,<br />
nicht quantifizierbar<br />
Nicht e<strong>in</strong>schätzbar,<br />
nicht quantifizierbar<br />
Nicht e<strong>in</strong>schätzbar,<br />
nicht quantifizierbar<br />
Hoch,<br />
nicht quantifizierbar<br />
52.6 - 56.4 13.3 - 23.7 - -<br />
Tabelle 21: Übersicht zu den Ergebnissen im Bereich Strassenverkehr. Plausible Werte. Die Angaben zur<br />
E<strong>in</strong>schätzbarkeit und Quantifizierbarkeit beziehen sich immer auf die <strong>in</strong> der vorliegenden Studie<br />
angewendete Methodik.<br />
In dieser Schätzung ist nur der W<strong>in</strong>terdienst auf den National- und Kantonstrassen, nicht<br />
aber auf den Geme<strong>in</strong>destrassen enthalten. Auch konnte nur e<strong>in</strong> Teil der Effekte beim<br />
öffentlichen Strassenverkehr monetär quantifiziert werden. Die tatsächlich dank meteoro-<br />
logischen Informationen vermiedenen Staatsausgaben im gesamten Strassenverkehr<br />
dürften also <strong>in</strong> Wirklichkeit höher liegen als die im Rahmen der vorliegenden Studie er-<br />
fassten 52.6 bis 56.4 Mio. CHF.<br />
Wertschöpfung<br />
Im Bereich W<strong>in</strong>terdienst vergeben die zuständigen staatlichen Stellen e<strong>in</strong>en Teil der Ar-<br />
beiten an Drittleister. Diese könnten ihre W<strong>in</strong>terdienste<strong>in</strong>sätze ohne Wetterprognosen<br />
weniger gut antizipieren und ihre Betriebsmittel weniger effizient e<strong>in</strong>setzen. <strong>Der</strong> wert-<br />
schöpfungsrelevante Effekt liegt <strong>in</strong> der Grössenordnung <strong>von</strong> 2.4 bis 8.5 Mio. CHF/a.<br />
Bei den Gütertransportunternehmen s<strong>in</strong>d die Effekte <strong>von</strong> meteorologischen Informationen<br />
auf die Wirtschaftlichkeit und damit auf die Wertschöpfung ger<strong>in</strong>g. <strong>Der</strong> Strassenzustand<br />
und damit das Wetter ist für die Unternehmen zwar e<strong>in</strong>e wichtige Rahmenbed<strong>in</strong>gung, ihr
Handlungsspielraum ist aber begrenzt. Gleichzeitig war e<strong>in</strong>e Quantifizierung der Wirkung<br />
<strong>von</strong> meteorologischen Prognosen im Bereich der Gütertransportunternehmen besonders<br />
schwierig: Meteorologische Informationen verr<strong>in</strong>gern, optimal e<strong>in</strong>gesetzt, <strong>in</strong> ger<strong>in</strong>gem<br />
Masse die Transportdauer und erhöhen damit die Pünktlichkeit der Lieferungen. Dies hat<br />
für die Transportunternehmen aber meist ke<strong>in</strong>e direkten f<strong>in</strong>anziellen Folgen, e<strong>in</strong>erseits<br />
aufgrund der üblichen Vergütungssysteme der Fahrer, andererseits da vor allem die<br />
Kunden <strong>von</strong> der besseren Pünktlichkeit profitieren. Ob bei den Kunden wertschöpfungs-<br />
relevante Effekte entstehen, hängt da<strong>von</strong> ab, wie diese die Warenlieferungen <strong>in</strong> ihre Ar-<br />
beitsprozesse <strong>in</strong>tegriert habe. Aus diesen Gründen s<strong>in</strong>d meteorologische Informationen<br />
für die <strong>in</strong>terviewten Transportunternehmer e<strong>in</strong> wenig relevantes Thema. Die Ergebnisse<br />
im Bereich Lebensmittellogistik stützen diese Aussagen: Bei den Grossverteilern konnten<br />
wir bei der Warenlogistik e<strong>in</strong>en wertschöpfungsrelevanten Effekt <strong>von</strong> maximal 0.57 Mio.<br />
CHF/a feststellen, was angesichts e<strong>in</strong>es Gesamtumsatzes der betrachteten Grossvertei-<br />
ler <strong>von</strong> rund 31.5 Milliarden CHF/a e<strong>in</strong> relativ ger<strong>in</strong>ger Betrag ist.<br />
E<strong>in</strong>e Ausnahme bei den Gütertransportunternehmen bilden Bautransporte: Bei diesen ist<br />
die Nachfrage stark wetterabhängig, da die Baubranche selbst, <strong>in</strong>sbesondere der Tief-<br />
bau, stark wetterabhängig ist. Meteorologische Informationen s<strong>in</strong>d deswegen e<strong>in</strong> wichti-<br />
ges Element der Ressourcenplanung. Trotzdem war auch bei den Bautransporten mit<br />
dem <strong>in</strong> der vorliegenden Studie gewählten Ansatz e<strong>in</strong>e Quantifizierung des <strong>Nutzen</strong>s nicht<br />
möglich. Hier dürfte aber mit zusätzlichem Erhebungsaufwand mit hoher Wahrsche<strong>in</strong>lich-<br />
keit e<strong>in</strong>e quantitative Bewertung möglich se<strong>in</strong>.<br />
Weitere relevante Wertschöpfungseffekte entstehen beim öffentlichen Verkehr, wobei nur<br />
für den peripheren Raum e<strong>in</strong>e Quantifizierung möglich war: Müsste im peripheren Raum<br />
der öffentliche Verkehr ohne Wetterprognosen weiterh<strong>in</strong> <strong>in</strong> der heute vorhandenen Quali-<br />
tät zur Verfügung stehen, müssten zusätzliche Ressourcen im Unfang <strong>von</strong> rund 10.8 bis<br />
14.6 Mio. CHF e<strong>in</strong>gesetzt werden.<br />
Schadenskosten<br />
Meteorologische Informationen führen zu e<strong>in</strong>er besseren Qualität der W<strong>in</strong>terdienste. Dies<br />
verm<strong>in</strong>dert das Unfallrisiko auf den Strassen, da die Unfallwahrsche<strong>in</strong>lichkeit auf schnee-<br />
bedeckter oder pflotschiger Fahrbahn wie auch auf glatter Fahrbahn höher ist als bei<br />
anderen Strassenzuständen (Abay 2005). Die durchgeführten statistischen Auswertun-<br />
gen konnten dies jedoch nicht <strong>in</strong> gleicher Weise nachweisen und dementsprechend war<br />
auch e<strong>in</strong>e Quantifizierung des Effektes nicht möglich.<br />
Die Verwendung <strong>von</strong> meteorologischen Informationen durch Güter- oder Personentrans-<br />
portunternehmen senkt die Schadenswahrsche<strong>in</strong>lichkeit h<strong>in</strong>gegen nicht. Güter- wie auch<br />
Personentransportunternehmen stellen den Betrieb bei schlechten Strassenverhältnissen<br />
nicht aus Sicherheitsgründen e<strong>in</strong>, sondern nur dann, wenn der Betrieb massiv e<strong>in</strong>ge-<br />
schränkt bzw. verlangsamt ist. E<strong>in</strong>zige Ausnahme bilden Treibstofftransporte. Diese wer-<br />
den bei sehr schlechten Strassenverhältnissen nicht durchgeführt, da das Schadenspo-<br />
tential <strong>von</strong> Unfällen mit Treibstofftransportern vergleichsweise hoch ist.<br />
/ 65
66 / 3 Strassenverkehr<br />
Individuelle Reisezeiten<br />
Meteorologische Informationen bee<strong>in</strong>flussen die <strong>in</strong>dividuellen Reisezeiten über zwei Wir-<br />
kungskanäle: E<strong>in</strong>erseits über die W<strong>in</strong>terdienstqualität, andererseits über die Qualität des<br />
öffentlichen Verkehrs (vgl. auch die obigen Kapitel Staatsausgaben und Wertschöpfung).<br />
Da wetterbed<strong>in</strong>gte Strassenverkehrsstaus <strong>in</strong> der Regel durch Unfälle auf glatter Fahr-<br />
bahn verursacht werden, haben wir versucht, die Effekte mittels der Statistik der Stras-<br />
senverkehrsunfälle des Bundesamtes für Statistik zu quantifizieren. Mit den durchgeführ-<br />
ten Auswertungen liess sich der erwartete Effekt jedoch weder nachweisen noch quantifi-<br />
zieren. Aus diesem Grund liegen zu den dank meteorologischer Informationen e<strong>in</strong>gespar-<br />
ten Reisezeiten und Reisezeitkosten ke<strong>in</strong>e quantitativen Ergebnisse vor.<br />
3.10 Vergleich mit <strong>in</strong>ternationalen Studien<br />
<strong>Nutzen</strong> <strong>von</strong> meteorologischer Information wurde im Bereich Strassenverkehr bisher <strong>in</strong><br />
verschiedenen Studien erhoben. E<strong>in</strong>ige dieser Studie verfolgen wie wir e<strong>in</strong>en möglichsten<br />
breiten Erhebungsansatz, andere fokussieren auf e<strong>in</strong> bestimmtes meteorologisches Pro-<br />
dukt und wieder andere auf e<strong>in</strong>e bestimmte Akteurgruppe. Geme<strong>in</strong>sam ist den <strong>von</strong> uns<br />
gesichteten Studien, dass Schnee und Eis als für den Strassenverkehr problematischste<br />
Wetterphänomene im Vordergrund stehen.<br />
Hautala und Leviänkangas (2007), Leviänkangas et al. (2007)<br />
Leviänkangas et al. 2007 schätzen den <strong>Nutzen</strong> meteorologischer Dienstleistungen <strong>in</strong><br />
Kroatien. Als Grundlage dient Hautala und Leviänkangas (2007), die die Effektivität des<br />
staatlichen F<strong>in</strong>nischen Institutes für <strong>Meteorologie</strong> bewerten. Im Bereich Strassenverkehr<br />
stützen beide Studien stark auf Experten<strong>in</strong>terviews und Plausibilitätsüberlegungen ab,<br />
wobei e<strong>in</strong>ige Ergebnisse für F<strong>in</strong>nland auf Kroatien übertragen werden:<br />
Salzverbrauch des Strassenw<strong>in</strong>terdienstes<br />
(alle öffentlichen Strassen)<br />
Reduktion der Schadenssumme <strong>von</strong> Strassenverkehrsunfälle<br />
durch Radiomeldungen<br />
F<strong>in</strong>nland [Mio. €/a] Kroatien [Mio. €/a]<br />
2 0.3<br />
9 - 18 3.1 - 6.2<br />
Tabelle 22: <strong>Nutzen</strong> der heute verfügbaren meteorologischen Dienstleistungen <strong>in</strong> F<strong>in</strong>nland und Kroatien. Quellen:<br />
Hautala und Leviänkangas 2007 sowie Leviänkangas et al. 2007.<br />
Die <strong>von</strong> uns durchgeführte Studie weist im W<strong>in</strong>terdienst alle<strong>in</strong> für den <strong>Nutzen</strong>aspekt<br />
«Ressourcene<strong>in</strong>satz» für die Schweiz e<strong>in</strong> Vielfaches der <strong>in</strong> Tabelle 22 aufgeführten Nut-<br />
zen <strong>von</strong> meteorologischen Informationen aus: Unsere Studie betrachtet jedoch nicht den<br />
Salzverbrauch, sondern personelle Ressourcen, die für den W<strong>in</strong>terdienst e<strong>in</strong>gesetzt wer-<br />
den. Die Ergebnisse unserer Studie s<strong>in</strong>d deswegen nicht mit den Arbeiten <strong>von</strong> Hautala<br />
und Leviänkangas (2007) sowie Leviänkangas et al. (2007) vergleichbar.<br />
Im Bereich des <strong>Nutzen</strong>aspekts «Schadensvermeidung» betrachten Hautala und Leviän-<br />
kangas (2007) sowie Leviänkangas et al. (2007) die Wirkung <strong>von</strong> Wetterprognosen,
Warnmeldungen und Strassenzustandmeldungen über das Radio, die sich direkt an die<br />
Strassennutzer/<strong>in</strong>nen richten. Die Wirkung dieser Meldungen wurde nicht auf Basis empi-<br />
rischer Erhebungen, sondern anhand <strong>von</strong> Expertengesprächen abgeschätzt.<br />
Die <strong>in</strong>dividuelle Nutzung <strong>von</strong> meteorologischen Informationen, welche die Autofah-<br />
rer/<strong>in</strong>nen über das Radio erhalten, lag ausserhalb des Analyserahmens unserer Studie.<br />
Die bei Strassentransportunternehmen durchgeführten Interviews können aber e<strong>in</strong>en<br />
<strong>Nutzen</strong> <strong>in</strong> der Grössenordnung, welche Hautala und Leviänkangas (2007) sowie Leviän-<br />
kangas et al. (2007) angeben, für die Schweiz tendenziell nicht bestätigen.<br />
The m<strong>in</strong>istry of transport and energy of Denmark (2006)<br />
Das Schwedische M<strong>in</strong>isterium für Transport und Energie hat 2006 den <strong>Nutzen</strong> des staat-<br />
lichen meteorologischen Dienstes anhand mehrerer Verwendungsbereiche evaluiert,<br />
darunter auch der Strassenw<strong>in</strong>terdienst. Dänemark verfügt, soweit dies anhand der Stu-<br />
die ersichtlich war, über e<strong>in</strong> ähnliches Glatteiswarnsystem wie die meisten schweizeri-<br />
schen Nationalstrassengebietse<strong>in</strong>heiten. Um dessen <strong>Nutzen</strong> zu erheben, wurde e<strong>in</strong>e<br />
Situation mit Messsystem und Prognosen e<strong>in</strong>er Situation ohne Messsystem und ohne<br />
Prognosen gegenübergestellt. <strong>Der</strong> Referenzzustand wurde also anders def<strong>in</strong>iert als <strong>in</strong><br />
unserer Studie: Wir haben e<strong>in</strong>e Situation mit Messsystem und mit Prognosen mit e<strong>in</strong>er<br />
Situation mit Messsystem und ohne Prognosen verglichen.<br />
Die Dänische Studie kommt zu den folgenden Ergebnissen:<br />
— Mit dem Glatteiswarnsystem s<strong>in</strong>d die Dänischen Strassen weniger Stunden pro Jahr<br />
vereist oder schneebedeckt, als sie dies ohne Glatteiswarnsystem wären. Da bei eis-<br />
und schneefreien Strassen e<strong>in</strong>e höhere Geschw<strong>in</strong>digkeit möglich ist als bei eis- oder<br />
schneebedeckten Strassen, werden dem Glatteiswarnsystem Zeitersparnissen im<br />
Wert <strong>von</strong> 76.57 Mio. DKK 38 bzw. 15 Mio. CHF 39 pro Jahr zugeschrieben. Dabei wur-<br />
den bei Personenwagen Zeitkostenansätze <strong>von</strong> 59 DKK/h (11.5 CHF/h) für zusätzli-<br />
che Fahrzeit und 89 DKK/h (17.4 CHF/h) für Stauzeiten e<strong>in</strong>gesetzt. Die Zeitkostenan-<br />
sätze für Güter- und Personentransportfahrzeugen liegen höher. Die effektiven Ta-<br />
gesgangl<strong>in</strong>ien des Verkehrsaufkommens und die jeweils effektiv möglichen Fahrge-<br />
schw<strong>in</strong>digkeiten wurden bei dieser Rechnung nicht berücksichtigt.<br />
— <strong>Der</strong> E<strong>in</strong>fluss des Glatteiswarnsystems auf die Unfallzahlen konnte empirisch nicht<br />
e<strong>in</strong>deutig bestimmt werden. Verschiedene Quellen deuten aber darauf h<strong>in</strong>, dass der<br />
E<strong>in</strong>satz <strong>von</strong> Glatteiswarnsystemen die Unfallzahlen tendenziell senkt.<br />
— <strong>Der</strong> E<strong>in</strong>fluss des Glatteiswarnsystems auf den Salzverbrauch ist unklar.<br />
— Das Glatteiswarnsystem senkt die Kosten für den W<strong>in</strong>terdienst um m<strong>in</strong>destens 18.72<br />
Mio. DKK (3.7 Mio. CHF) pro Jahr. Diesem Wert liegt e<strong>in</strong> re<strong>in</strong> kostenbasierter Ansatz<br />
zu Grunde: Es wird angenommen, dass die W<strong>in</strong>terdienste dank des Glatteiswarnsys-<br />
38 bewertet zu Preisen 2006<br />
39 Wechselkurs: 0.195 DKK/CHF. Ungefähres 3-Jahres Mittel. Aktueller Kurs April 2011: 0.173 DKK/CHF.<br />
/ 67
68 / 3 Strassenverkehr<br />
tems m<strong>in</strong>destens so viel f<strong>in</strong>anzielle Mittel e<strong>in</strong>sparen, wie sie für das System ausge-<br />
ben.<br />
NOAA (2002)<br />
Laut NOAA (2002) würde e<strong>in</strong>e Verbesserung der kurzfristigen Prognose <strong>von</strong> Eisbildung<br />
und Nebel der Strassentransportbranche <strong>in</strong> den USA ermöglichen, durch bessere Pla-<br />
nung und Routenwahl Unfallkosten <strong>von</strong> 29 Mio. USD 40 zu verh<strong>in</strong>dern.<br />
Aufgrund der im Rahmen unserer Studie durchgeführten Interviews mit Transportunter-<br />
nehmen, schliessen wir e<strong>in</strong>e annähernd ähnliche Grössenordnung (unter Berücksichti-<br />
gung des Grössenunterschiedes der Branche) für die Schweiz aus. Die Transportunter-<br />
nehmen haben e<strong>in</strong>en Zusammenhang <strong>von</strong> meteorologischer Information und Unfallrisiko<br />
verne<strong>in</strong>t, Ausnahme bildet lediglich der Gefahrenguttransport. Die unterschiedliche Be-<br />
wertung dürfte durch die unterschiedlichen klimatischen und geographischen Gegeben-<br />
heiten zustande kommen. Adams et al. 2004 schreiben:<br />
«On average, 105 snow produc<strong>in</strong>g storm systems hit the lower 48 United States each<br />
year, impos<strong>in</strong>g substantial economic damages <strong>in</strong> terms of removal costs, lost retail trade,<br />
lost wages, and lost tax revenue, delays <strong>in</strong> ground and air transportation, flood damage<br />
dur<strong>in</strong>g snowmelt, damage to crops and livestock, accidents, <strong>in</strong>juries, and loss of life due<br />
to hazardous conditions.»<br />
Die klimatischen Verhältnisse <strong>in</strong> der Schweiz s<strong>in</strong>d nicht mit denjenigen <strong>in</strong> den USA ver-<br />
gleichbar. Ebenfalls zu erwähnen s<strong>in</strong>d die aufgrund der Kle<strong>in</strong>räumigkeit begrenzten Um-<br />
fahrungsmöglichkeiten <strong>von</strong> Gefahrensituationen.<br />
Fazit<br />
E<strong>in</strong> Vergleich der vorliegenden Studie mit <strong>in</strong>ternationalen Arbeiten zum Thema <strong>Nutzen</strong><br />
der <strong>Meteorologie</strong> im Strassenverkehr zeigt Folgendes:<br />
— Die Ergebnisse können nicht verglichen werden, ohne dass der konkret gewählte<br />
Untersuchungsgegenstand ebenfalls sorgfältig verglichen wird. Dies da die Wahl der<br />
betrachteten meteorologischen Informationen, der betrachteten Nutzer/<strong>in</strong>nen und des<br />
betrachteten Verwendungsgebiet e<strong>in</strong>en grossen E<strong>in</strong>fluss auf die Ergebnisse haben.<br />
— Im Ländervergleich weist der <strong>Nutzen</strong> der <strong>Meteorologie</strong> für e<strong>in</strong>en bestimmten Untersu-<br />
chungsgegenstand nur dann e<strong>in</strong>e ähnliche Grössenordnung auf, wenn sowohl das<br />
Wetter als auch der Untersuchungsgegenstand ähnlich s<strong>in</strong>d. Während zum Beispiel<br />
<strong>in</strong> den USA Wetterprognosen <strong>in</strong> der Strassentransportbranche e<strong>in</strong> sehr grosses Nut-<br />
zenpotential haben (NOAA 2002), kann dies für die Schweiz nicht bestätigt werden:<br />
E<strong>in</strong>erseits ist das Schweizer Wetter sehr viel weniger geprägt durch Extremereignis-<br />
se, andererseits s<strong>in</strong>d die Transportwege sehr viel kürzer und der Spielraum für Alter-<br />
nativrouten stark begrenzt.<br />
Aufgrund beider aufgeführter Punkte liefert der Vergleich der vorliegenden Studie mit<br />
anderen Arbeiten ke<strong>in</strong>e Aussagen über die Plausibilität der jeweiligen Ergebnisse. Auch<br />
40 Zu Preisen <strong>von</strong> 2004.
zeigt sich, dass Aussagen über den <strong>volkswirtschaftliche</strong>n <strong>Nutzen</strong> der <strong>Meteorologie</strong> nur<br />
mit Vorsicht auf andere Länder übertragbar s<strong>in</strong>d.<br />
/ 69
4 Schienenverkehr<br />
4.1 Meteorologische Informationen im Schienenverkehr<br />
<strong>Der</strong> Bahnverkehr ist grundsätzlich weniger wettersensibel als der Strassenverkehr.<br />
Trotzdem können verschiedenen Wetterereignisse zu Störungen führen oder zusätzliche<br />
Arbeiten verursachen 41 :<br />
— Schnee: 42<br />
– Bei Schnee besteht bei ungeheizten Weichen 43 die Möglichkeit, dass sie beim<br />
Verstellen ihre Endlage nicht vollständig erreichen. Bei starkem Schneefall wird<br />
auf das Stellen mancher Weichen verzichtet, um ke<strong>in</strong>e vollständige Streckenblo-<br />
ckierung zu riskieren. Dadurch wird das Netz sehr viel unflexibler und anfälliger<br />
für Verspätungen.<br />
– Ebenso können Schnee und Eis die Kupplungen moderner Personenverkehr-<br />
Zugkompositionen verstopfen. Dies führt vor allem bei Flügelkonzepten zu Prob-<br />
lemen: Im Flügelkonzept werden Züge aus verschiedenen Richtungen an Knoten-<br />
punkten zu e<strong>in</strong>em e<strong>in</strong>zigen Zug zusammengefasst, welcher dann mit e<strong>in</strong>em Lok-<br />
führer weiterfährt. Bei <strong>in</strong>takten Kupplungen dauert das Zusammenfügen nur weni-<br />
ge Sekunden, funktioniert es jedoch nicht, entstehen Verspätungen, die vor allem<br />
im dichten Regionalverkehrsfahrplan Problem bereiten.<br />
– An Güterverkehrswagons können die Leitungsanschlüsse vereisen, so dass Prob-<br />
leme beim Rangieren entstehen.<br />
– Auch bei stehenden Zügen kann Schnee Störungen verursachen. Im W<strong>in</strong>ter wer-<br />
den die Züge aus technischen und Komfortgründen <strong>in</strong> der Nacht geheizt. Dazu<br />
müssen die Stromabnehmer die Fahrleitungen berühren. Wenn grosse Schnee-<br />
mengen oder nasser, schwerer Schnee auf die Stromabnehmer fällt, werden die-<br />
se heruntergedrückt. Dadurch kühlen die Züge aus, was den Komfort für die Fahr-<br />
gäste bee<strong>in</strong>trächtigt. Im ungünstigsten Fall kann e<strong>in</strong> Lichtbogen entstehen, wel-<br />
cher die Fahrleitungen durchtrennen kann.<br />
– Vor allem bei Güterzügen kann Schnee bzw. Nässe <strong>in</strong>sbesondere im Zusammen-<br />
hang mit Laub durch die verm<strong>in</strong>derte Adhäsion dazu führen, dass sie Schwierig-<br />
keiten haben Steigungen zu überw<strong>in</strong>den oder <strong>in</strong> Steigungen anzufahren.<br />
41 Die Auflistung basiert hauptsächlich auf den <strong>in</strong> den durchgeführten Interviews gemachten Aussagen. Informationen zu den<br />
Interviewpartnern folgen <strong>in</strong> Kapitel 4.5.<br />
42 Wie <strong>in</strong> Kapitel 4.2 beschrieben werden Law<strong>in</strong>en aus der Analyse ausgeklammert.<br />
43 Je nach Infrastrukturunternehmen besitzt e<strong>in</strong> Teil der Weichen noch ke<strong>in</strong>e Heizung. Auch kann es <strong>in</strong> E<strong>in</strong>zelfällen vorkommen,<br />
dass die Weicheheizung nicht rechtzeitig e<strong>in</strong>geschaltet wird, sofern die E<strong>in</strong>schaltung nicht automatisiert ist.<br />
/ 71
72 / 4 Schienenverkehr<br />
– Schnee kann auch Streckenunterbrüche und im alp<strong>in</strong>en Raum <strong>in</strong> sehr seltenen<br />
Fällen Entgleisungen verursachen. Allerd<strong>in</strong>gs müssen massive Schneeverwehun-<br />
gen, Law<strong>in</strong>enkegel oder ähnliches auf den Schienen liegen.<br />
— Starker Regen:<br />
– Starker Regen kann zu Über- oder Unterspülungen <strong>von</strong> Gleisen führen.<br />
– Regen, vor allem <strong>in</strong> Verb<strong>in</strong>dung mit Laub oder Staub, verm<strong>in</strong>dert die Schienenad-<br />
häsion. Dies kann bei Güterzügen zu Problemen mit Steigungen führen (analog<br />
zu Schnee).<br />
— Niederschlag im Allgeme<strong>in</strong>en und Nebel: Bei Regen, Schnee und Nebel die Sicht<br />
für die Lokführer schlechter. E<strong>in</strong> Teil der Unternehmen haben angegeben, dass die<br />
Lokführer bei sehr schlechter Sicht langsamer fahren. Die übrigen waren h<strong>in</strong>gegen<br />
der Me<strong>in</strong>ung, die Sicht habe ke<strong>in</strong>en E<strong>in</strong>fluss, da die Lokführer ohneh<strong>in</strong> wissen müs-<br />
sen, wo sie Signale zu erwarten haben.<br />
— Sturm: Sturm kann Bäume, Äste oder andere Gegenstände auf die Gleise wehen,<br />
wodurch Streckenblockierungen entstehen. Auch können die Fahrleitungen beschä-<br />
digt werden.<br />
— Blitzschlag: Blitze<strong>in</strong>schläge <strong>in</strong> die elektrischen Anlagen verursachen Kurzschlüsse,<br />
Stromunterbrüche und dadurch Unterbrüche im Zugsverkehr. Dies kommt mit m<strong>in</strong>des-<br />
tens 20 Ereignissen pro Jahr relativ häufig vor.<br />
Anders als für den Strassenverkehr werden für den Schienenverkehr <strong>von</strong> öffentlichen und<br />
privaten meteorologische Dienstleistern <strong>in</strong> der Regel ke<strong>in</strong>e standardisierten Spezialpro-<br />
dukte («Schienenwetter») angeboten. Wenn Bahnunternehmen kostenpflichtige meteoro-<br />
logische Dienstleistungen beziehen, handelt es sich <strong>in</strong> der Regel um Wetterprognosen,<br />
die e<strong>in</strong>e höhere geographische und/oder zeitliche Auflösung haben als die im Internet<br />
gratis verfügbaren Produkte und allenfalls auch detaillierte Angaben zu Niederschlägen,<br />
<strong>in</strong>sbesondere zu Schneemengen enthalten. In den alp<strong>in</strong>en Regionen spielt auch das La-<br />
w<strong>in</strong>enbullet<strong>in</strong> des Schweizerischen Instituts für Schnee- und Law<strong>in</strong>enforschung e<strong>in</strong>e<br />
wichtige Rolle, das sich se<strong>in</strong>erseits teilweise auf meteorologischen Informationen ab-<br />
stützt.<br />
4.2 Analyserahmen und Akteure<br />
In der heute üblichen Organisation <strong>von</strong> Eisenbahnkonzernen s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> Regel die Erbr<strong>in</strong>-<br />
gung der Verkehrsleistung und der Betrieb der Schienen<strong>in</strong>frastruktur getrennt. Die beiden<br />
Bereiche s<strong>in</strong>d entweder <strong>in</strong> verschiedenen Unternehmense<strong>in</strong>heiten oder <strong>in</strong> unabhängige<br />
Unternehmen angesiedelt. In e<strong>in</strong>e weitere E<strong>in</strong>heit ausgelagert ist <strong>in</strong> der Regel der Unter-<br />
halt der Bahnhofsgelände, da hier im Gegensatz zu den Gleisbereichen ke<strong>in</strong> spezifisch<br />
bahntechnisch geschultes Personal benötigt wird.
Wir haben <strong>in</strong> unserer Analyse Betreiber<strong>in</strong>nen <strong>von</strong> Schienen<strong>in</strong>frastruktur sowie Eisen-<br />
bahnverkehrsunternehmen im Güter- und Personenverkehr betrachtet, darunter sowohl<br />
national wie auch europäisch tätige Unternehmen. Berücksichtigt wurden dabei frei zu-<br />
gängliche wie auch kostenpflichtige meteorologische Informationsprodukte, nicht aber<br />
Law<strong>in</strong>enprognosen. Extremereignisse wurden grundsätzlich bei der Analyse im Bereich<br />
Schienenverkehr nicht berücksichtigt: <strong>Der</strong> Fokus der Studie sollte klar auf den häufigen<br />
und alltäglichen Gebrauch <strong>von</strong> meteorologischer Information gelegt werden. Für die Ana-<br />
lyse der Verwendung und des <strong>Nutzen</strong>s <strong>von</strong> meteorologischen Informationen während<br />
Krisenereignissen wären e<strong>in</strong> anderes Vorgehen und e<strong>in</strong>e andere Auswahl <strong>von</strong> Interview-<br />
partner notwendig gewesen, da relevante Krisenereignisse mehrere Jahre <strong>in</strong> der Vergan-<br />
genheit liegen können und gleichzeitig nicht nur die Bahnen, sondern auch kommunale<br />
und kantonale Krisenstäbe sowie Polizei- und/oder Feuerwehrkorps etc. e<strong>in</strong>e Rolle spie-<br />
len.<br />
4.3 Wirkungsmodell<br />
Figur 10 zeigt das Wirkungsmodell im Schienenverkehr, welches als Grundlage für die<br />
Analyse und die Auswahl der Interviewpartner gedient hat. Meteorologische Information<br />
kann die Qualität des Netzbetriebes und das Verhalten der Eisenbahnverkehrsunterneh-<br />
men bee<strong>in</strong>flussen, wobei sich <strong>in</strong> der Analyse gezeigt hat, dass dies für die Eisenbahnver-<br />
kehrsunternehmen nur bed<strong>in</strong>gt stimmt. Beides hat wiederum E<strong>in</strong>fluss auf die Schadens-<br />
wahrsche<strong>in</strong>lichkeit sowie auf die Pünktlichkeit und Zuverlässigkeit <strong>von</strong> Personen- und<br />
Güterzügen. In dem Masse, <strong>in</strong> dem <strong>Meteorologie</strong> die Schadenswahrsche<strong>in</strong>lichkeit senkt<br />
und die Zuverlässigkeit und Pünktlichkeit verbessert, entstehen <strong>volkswirtschaftliche</strong> Nut-<br />
zen <strong>in</strong> Form vermiedener Personen- und Sachschäden sowie ger<strong>in</strong>gerer Rei-<br />
se(zeit)kosten. Die verbesserte Pünktlichkeit und Zuverlässigkeit hat auch e<strong>in</strong>en Effekt<br />
auf die Wertschöpfung: Bei mangelnder Pünktlichkeit und Zuverlässigkeit gehen dem<br />
öffentlichen Verkehr langfristig Passagiere und damit auch Erträge verloren.<br />
Nebst dem <strong>in</strong>direkten Effekt auf die Wertschöpfung über die Zuverlässigkeit und Pünkt-<br />
lichkeit kann meteorologische Information die Wirtschaftlichkeit <strong>von</strong> Infrastruktur- und<br />
Eisenbahnverkehrsunternehmen auch direkt verändern, <strong>in</strong>dem der notwendige Ressour-<br />
cene<strong>in</strong>satz und/oder der mögliche Ertrag bee<strong>in</strong>flusst wird. Da alle Bahnkonzerne oder<br />
-unternehmen <strong>in</strong> der Schweiz durch den Staat teilf<strong>in</strong>anziert werden, wirkt sich dies so-<br />
wohl auf die Staatsausgaben wie auch auf die Wertschöpfung aus.<br />
/ 73
«Die untersuchten Wirkungen <strong>von</strong> meteorologischer Information im Schienenverkehr»<br />
<strong>Meteorologie</strong><br />
Figur 10: Wirkungsmodell Schienenverkehr<br />
Qualität<br />
Netzbetrieb<br />
Verhalten<br />
Eisenbahnverkehrsunternehmen<br />
Wirtschaftlichkeit<br />
der<br />
Infrastrukturunternehmen<br />
Wirtschaftlichkeit<br />
der Eisenbahnverkehrsunternehmen<br />
Schadenswahrsche<strong>in</strong>lichkeit<br />
Zuverlässigkeit<br />
& Pünktlichkeit<br />
der Züge<br />
Schadenskosten<br />
Reisekosten<br />
Wertschöpfung<br />
Staatsausgaben<br />
74<br />
econcept
4.4 <strong>Der</strong> Schienenverkehr <strong>in</strong> der Schweiz<br />
Im Schienenverkehr können Unternehmen mit den folgenden Tätigkeiten unterschieden<br />
werde:<br />
— Personentransport auf der Schiene (Eisenbahnverkehrsunternehmen)<br />
— Gütertransport auf der Schiene (Eisenbahnverkehrsunternehmen)<br />
— Bereitstellung und Betrieb <strong>von</strong> Schienen<strong>in</strong>frastruktur (Infrastrukturunternehmen/-<br />
e<strong>in</strong>heiten)<br />
Vielfach s<strong>in</strong>d alle drei Tätigkeiten <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Konzern zusammengefasst, wobei aber <strong>in</strong> der<br />
Regel jeder der drei Bereiche <strong>in</strong> eigenständigen Unternehmense<strong>in</strong>heiten oder auch selb-<br />
ständigen Tochterunternehmen angesiedelt ist. Auch existieren re<strong>in</strong>e Eisenbahnver-<br />
kehrsunternehmen, die ke<strong>in</strong>e eigene Schienen<strong>in</strong>frastruktur besitzen.<br />
/ 75<br />
Unternehmen Vollzeitäquivalente<br />
Anzahl Anteil Anzahl Anteil<br />
Micro (bis 9 Mitarbeitende) 5 25% 20 0%<br />
Kle<strong>in</strong>e (10-49 Mitarbeitende) 5 25% 107 2%<br />
Mittlere (50-249 Mitarbeitende) 8 40% 1'029 20%<br />
Grosse (ab 250 Mitarbeitende) 2 10% 3'920 77%<br />
Total 20 100% 5'076 100%<br />
Tabelle 23: Struktur der Gütertransportbranche auf der Schiene. Unternehmen mit und ohne Infrastruktur.<br />
Quelle: BFS Betriebszählung 2008, NOGA-Code 492000 «Güterbeförderung im Eisenbahnverkehr».<br />
Diese Kategorie umfasst alle Arten <strong>von</strong> Güterbeförderung auf der Schiene e<strong>in</strong>schliesslich<br />
Postsendungen <strong>von</strong> <strong>in</strong>- und ausländischen Anbietern.<br />
Unternehmen Vollzeitäquivalente<br />
Anzahl Anteil Anzahl Anteil<br />
Micro (bis 9 Mitarbeitende) 4 24% 12 0%<br />
Kle<strong>in</strong>e (10-49 Mitarbeitende) 4 24% 119 0%<br />
Mittlere (50-249 Mitarbeitende) 5 29% 592 2%<br />
Grosse (ab 250 Mitarbeitende) 4 24% 23'914 97%<br />
Total 17 100% 24'637 100%<br />
Tabelle 24: Struktur der Personentransportbranche im Fernverkehr auf der Schiene. Unternehmen mit und<br />
ohne Infrastruktur. Quelle: BFS Betriebszählung 2008, NOGA-Code 491000 «Personenbeförderung<br />
im Eisenbahnfernverkehr». Diese Kategorie umfasst Personenbeförderung e<strong>in</strong>schliesslich<br />
mitgeführter Gegenstände (Fahrzeuge, Gepäck, Tiere) auf der Schiene ohne Nahverkehr. Nahverkehr<br />
ist def<strong>in</strong>iert als der Verkehr, dessen Ausgangs- und Zielpunkt sich <strong>in</strong>nerhalb e<strong>in</strong>es Stadtgebiets<br />
oder <strong>in</strong>nerhalb e<strong>in</strong>es die Nachbarstädte umfassenden Ballungsraums bef<strong>in</strong>det.
Tabelle 23 und Tabelle 24 zeigen die Struktur der Branchen «Gütertransport auf der<br />
Schiene» und «Personentransport im Fernverkehr auf der Schiene» <strong>in</strong> der Schweiz, wo-<br />
bei die Tabellen Unternehmen mit und ohne Infrastruktur enthalten. Zwar existieren mehr<br />
Gütertransportunternehmen als Personentransportunternehmen, jedoch zeigt e<strong>in</strong> Blick<br />
auf die Vollzeitäquivalente, dass die «Big Player» <strong>in</strong> der Gütertransportbranche wesent-<br />
lich kle<strong>in</strong>er s<strong>in</strong>d als bei den Personentransportunternehmen, trotzdem aber ebenso domi-<br />
nierend.<br />
Bei Tabelle 23 und Tabelle 24 ist zu beachten, dass die Unternehmen <strong>in</strong> der Betriebszäh-<br />
lung jeweils entsprechend ihrer Haupttätigkeit codiert werden. Die RhB beispielsweise<br />
transportiert auch Güter auf der Schiene, ihre Haupttätigkeit ist aber der Personenver-<br />
kehr. Auch ist sie ke<strong>in</strong> Konzern, sondern e<strong>in</strong> Unternehmen mit mehreren Geschäftsberei-<br />
chen. Folglich wird sie <strong>in</strong> der Betriebszählung der Personentransportbranche zugeordnet.<br />
Bei der BLS h<strong>in</strong>gegen ist der Güterverkehr <strong>in</strong>nerhalb des BLS-Konzerns im Tochterunter-<br />
nehmen BLS Cargo ausgegliedert. Dementsprechend taucht der BLS-Konzern sowohl als<br />
Personentransportunternehmen als auch als Gütertransportunternehmen <strong>in</strong> der Betriebs-<br />
zählung auf.<br />
Figur 11 liefert e<strong>in</strong>en Überblick zu den Eisenbahn-Infrastrukturunternehmen <strong>in</strong> der<br />
Schweiz. Das grösste Netzt betreibt die SBB, gefolgt <strong>von</strong> der vor allem im Grossraum<br />
Bern und im Alpenverkehr tätigen BLS und der RhB. Daneben existiert noch e<strong>in</strong>e Vielzahl<br />
meist regional tätiger, kle<strong>in</strong>erer Bahnen mit eigener Schienen<strong>in</strong>frastruktur.<br />
76
Figur 11: Eisenbahnschienennetz Schweiz. Quelle: Informationsdienst für den öffentlichen Verkehr. .litra.ch/Allgeme<strong>in</strong>e_Daten.html, August 2010.<br />
/ 77
78 / 4 Schienenverkehr<br />
Von den drei grossen Schweizer Bahnkonzernen SBB, BLS und RhB ist die RhB als<br />
Schmalspurbahn ausschliesslich auf ihrem eigenen Netz tätig. Die Eisenbahnverkehrsun-<br />
ternehmen der SBB und der BLS fahren auch auf Schienennetzen, die nicht ihren eige-<br />
nen Infrastrukture<strong>in</strong>heiten gehören. Besonders für die BLS ist der europäische alpenque-<br />
rende Güterverkehr e<strong>in</strong> wichtiges Tätigkeitsfeld. Generell betreiben SBB und die BLS<br />
sowohl <strong>in</strong>terregionalen Fernverkehr wie auch regionale Verb<strong>in</strong>dungen, während das<br />
Kerngeschäft der RhB die Erschliessung des Kantons Graubünden ist. Bei der Zusam-<br />
mensetzung der Verkehrserträge widerspiegelt sich diese unterschiedliche Ausrichtung:<br />
Während die BLS rund die Hälfte ihrer Verkehrserträge (ohne Bus und Schiff) mit dem<br />
Gütertransport erzielt, trägt der Gütertransport bei SBB und RhB mit 26% bzw. 17% ver-<br />
gleichsweise wenig zum Gesamtertrag bei (Tabelle 25).<br />
SBB BLS RhB<br />
Mio. CHF Anteil (1) Mio. CHF Anteil (1) Mio. CHF Anteil (1)<br />
Personenverkehr 2’587.2 74% 124.8 42% 90.5 72%<br />
Güterverkehr 890.3 26% 145.5 49% 21.1 17%<br />
Autoreiseverkehr - 26.3 9% 13.7 11%<br />
Tabelle 25: Erträge der Bahnunternehmen 2009 ohne Bus und Schiff. Quellen: Geschäftsberichte SBB, BLS,<br />
RhB 2009.<br />
(1) Anteil an Verkehrserträgen<br />
4.5 Übersicht zu den Befragungen<br />
Tabelle 26 zeigt die betrachteten Akteurgruppen Personentransport, Gütertransport und<br />
Betrieb Schienen<strong>in</strong>frastruktur und die Anzahl der <strong>in</strong>nerhalb der Gruppe befragten Unter-<br />
nehmen.<br />
Akteurgruppe Anzahl Unternehmen Anzahl befragte Unternehmen (1)<br />
Personentransport 17 3<br />
Gütertransport 20 3<br />
Betrieb Schienen<strong>in</strong>frastruktur 63 3<br />
Tabelle 26: Übersicht zu den im Bereich Strassenverkehr befragten Unternehmen bzw. staatlichen Leistungserbr<strong>in</strong>gende.<br />
Quellen: Betriebszählung BFS 2008.<br />
(1) Insgesamt wurden 7 Interviews geführt, wobei aber e<strong>in</strong>ige Interviewpartner zu mehreren Bereichen<br />
(Personenverkehr, Güterverkehr, Eisenbahn-Infrastruktur) Auskünfte geben konnten.<br />
Wie oben beschrieben s<strong>in</strong>d alle drei Akteurgruppen stark <strong>von</strong> den drei grossen SBB, BLS<br />
und RhB dom<strong>in</strong>iert. Diese drei Unternehmen wurden alle <strong>in</strong> die Analyse mit e<strong>in</strong>bezogen.<br />
Zusätzlich wurden zwei Gütertransportunternehmen ohne eigene Infrastruktur betrachtet.<br />
Insgesamt wurden so sieben Gespräche geführt, die sich auf die zwei Eisenbahnkonzer-<br />
ne SBB und BLS sowie auf zwei Eisenbahnverkehrsunternehmen, darunter auch die<br />
RhB, aufteilen. Von den zwei Eisenbahnverkehrsunternehmen besitzt nur die RhB e<strong>in</strong>
eigenes Schienennetz. Zusätzlich wurde e<strong>in</strong> Unternehmen <strong>in</strong> die Analyse e<strong>in</strong>bezogen,<br />
welches als Operator <strong>von</strong> Bahntransporten im komb<strong>in</strong>ierten europäischen Verkehr tätig<br />
ist. 44<br />
4.6 Eisenbahnkonzerne und -unternehmen mit eigener Infrastruktur<br />
4.6.1 Arbeitsweise und der E<strong>in</strong>fluss des Wetters – Aussagen der befragten<br />
Unternehmen<br />
Die betrachten Bahnkonzerne/-unternehmen SBB, BLS und RhB betreiben alle e<strong>in</strong> eige-<br />
nes Netz und s<strong>in</strong>d sowohl im Personen- als auch im Güterverkehr tätig. <strong>Der</strong> Personen-<br />
verkehr beschränkt sich dabei weitgehend auf die Schweiz, SBB und BLS bieten <strong>in</strong> Ko-<br />
operationen mit anderen europäischen Anbietern jedoch auch Gütertransportleistungen<br />
im europäischen Raum an. Die RhB fährt als Schmalspurbahn ausschliesslich auf ihrem<br />
eigenen Netz, die SBB und die BLS nutzen den freien Netzzugang.<br />
Alle drei Bahnbetreiber s<strong>in</strong>d unterschiedlich organisiert. Geme<strong>in</strong>samkeiten s<strong>in</strong>d jedoch<br />
die im Folgenden beschriebenen Stellen, auch wenn sie <strong>in</strong>nerhalb des Unternehmens<br />
nicht zw<strong>in</strong>gend <strong>in</strong> der gleichen Organisationse<strong>in</strong>heit angesiedelt s<strong>in</strong>d:<br />
— Betrieb / Leitstelle: <strong>Der</strong> Betrieb auf dem Schienennetz wird durch e<strong>in</strong>e zentrale und<br />
je nach Grösse des Netzes zusätzlich durch regionale Leitstellen gesteuert. Die Leit-<br />
stellen werden entweder im 24h-Betrieb oder mit nächtlichen Unterbrüchen <strong>von</strong> rund<br />
4h betrieben. Sie koord<strong>in</strong>ieren den laufenden Betrieb und müssen gegebenenfalls auf<br />
Störungen reagieren und die entsprechend zuständigen Stellen aufbieten.<br />
— Infrastruktur: Hier s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> der Regel e<strong>in</strong>e oder mehrere Abteilungen angesiedelt, die<br />
für den baulichen und betrieblichen Unterhalt des Schienennetzes zuständig s<strong>in</strong>d,<br />
wobei dies auch Fahrleitungen und elektrische Anlagen e<strong>in</strong>schliesst. Diese s<strong>in</strong>d für<br />
die Beseitigung wetterbed<strong>in</strong>gter Störungen und auch für den W<strong>in</strong>terdienst zuständig.<br />
Die Infrastrukturmannschaften s<strong>in</strong>d an dezentralen Standorten angesiedelt. Die für<br />
die Standorte zuständigen Bahnmeister tragen die Verantwortung für die E<strong>in</strong>satzpla-<br />
nung und -durchführung. Die ausserplanmässigen E<strong>in</strong>sätze zur Behebung <strong>von</strong> Stö-<br />
rungen oder für den W<strong>in</strong>terdienst werden durch die zentrale Leitstelle oder im Falle<br />
der SBB aufgrund der Grösse des Streckennetzes durch regionale Störungsmanager<br />
ausgelöst. Bei der SBB gibt die Leitstelle allerd<strong>in</strong>gs verb<strong>in</strong>dliche Bereitschaftsgrade<br />
für die W<strong>in</strong>terdienstmannschaften aus, um im gesamten Netz denselben Qualitäts-<br />
standard zu erreichen.<br />
44 Operatoren bieten Transportdienstleistungen <strong>von</strong> der Abholung bis zur Lieferung <strong>von</strong> Waren mit allen verbundenen Tätigkeiten<br />
an, wobei sie ja nach Bedarf auf die Dienstleistungen verschiedener anderer Unternehmen zugreifen. Operatoren<br />
<strong>von</strong> Bahntransporten im komb<strong>in</strong>ierten Verkehr organisieren den Transport zwischen den Verladeterm<strong>in</strong>als, wo Waren <strong>von</strong><br />
Strassentransportfahrzeugen auf Bahnwagons umgeladen werden.<br />
/ 79
80 / 4 Schienenverkehr<br />
Die auf den Gleisen tätigen Arbeiter der Infrastrukturabteilungen arbeiten nicht im<br />
24h-Betrieb. Wenn E<strong>in</strong>sätze <strong>in</strong> der Nacht notwendig s<strong>in</strong>d, müssen die Arbeiter aus<br />
dem Pikett oder dem freiwilligen Bereitschaftsdienst aufgeboten werden. Am nachfol-<br />
genden Tag werden die Dienstzeiten reduziert, damit die notwenigen Ruhezeiten e<strong>in</strong>-<br />
gehalten werden können. Die Bahnmeisterbezirke arbeiten teilweise im 24h-Betrieb,<br />
teilweise werden die Bahnmeister ausserhalb der normalen Arbeitszeiten im Bedarfs-<br />
fall <strong>von</strong> der Leitstelle aus dem Pikett aufgeboten.<br />
Für die Bahnen ist das Wetter vor allem <strong>in</strong>sofern relevant, als dass es Störungen und<br />
damit Verspätungen im normalen Betrieb verursachen kann (vgl. die Auflistung <strong>in</strong> Kapitel<br />
4.1). Nur zwei Eisenbahnverkehrsunternehmen konnten den Anteil der wetterbed<strong>in</strong>gten<br />
Störungen basierend auf statistischen Erhebungen angeben: 2% bzw. 10% aller Störun-<br />
gen waren <strong>in</strong> den letzten Jahren wetterbed<strong>in</strong>gt. Die Interviewpartner, die den Anteil auf<br />
Basis ihrer subjektiven Erfahrungswerte angaben, haben höhere Werte genannt. Dies<br />
mag daran liegen, dass gemäss der Statistik e<strong>in</strong>es der befragten Unternehmen rund 15%<br />
aller Verspätungsm<strong>in</strong>uten wetterbed<strong>in</strong>gten Störungen zugeordnet wurden. Folglich s<strong>in</strong>d<br />
wetterbed<strong>in</strong>gte Störungen selten, verursachen aber e<strong>in</strong>en überproportionalen Anteil der<br />
Verspätungsm<strong>in</strong>uten.<br />
In den Touristenregionen kann besonders attraktives Wetter zusätzlich zu Kapazitäts-<br />
engpässen führen. Die Eisenbahnverkehrsunternehmung versucht <strong>in</strong> der Regel, diese zu<br />
antizipieren und soweit möglich mit zusätzlichem Rollmaterial aufzufangen.<br />
4.6.2 Verwendung <strong>von</strong> meteorologischen Informationen – Aussagen der befragten<br />
Unternehmen<br />
Normaler Betrieb<br />
Alle drei betrachteten Bahnkonzerne/-unternehmen verwenden <strong>in</strong> ihren betrieblichen Pro-<br />
zessen regelmässig meteorologische Informationen. Dabei handelt es sich <strong>in</strong> zwei Fällen<br />
ausschliesslich um gratis verfügbare Wetterprognose-Produkte, im dritten Fall auch um<br />
kostenpflichtige Prognosen. Bei allen Unternehmen liegt das Haupt<strong>in</strong>teresse auf der<br />
Prognose <strong>von</strong> Schneeniederschlagsmengen.<br />
Die SBB verwendet meteorologische Informationen vor allem für den W<strong>in</strong>terdienst, um<br />
Bereitschaftsgrade festzulegen. Diese dienen <strong>in</strong> erster L<strong>in</strong>ie als Informations- und Quali-<br />
tätssicherungs<strong>in</strong>strument gegenüber den regionalen Störungsmanagern, welche den<br />
effektiven Zeitpunkt der W<strong>in</strong>terdienste<strong>in</strong>sätze festlegen und das Personal entsprechend<br />
e<strong>in</strong>teilen. Die Personalkapazitäten werden aufgrund der Wetterprognosen nicht variiert,<br />
das vorhandene Personal kann sich jedoch dank der Prognosen frühzeitig an die E<strong>in</strong>-<br />
satzorte begeben.<br />
Bei der BLS werden meteorologische Informationen vor allem dazu verwendet, präventi-<br />
ve Massnahmen gegen schneebed<strong>in</strong>gte Beh<strong>in</strong>derungen zu ergreifen: Auf den Kupplun-<br />
gen der Züge muss e<strong>in</strong> Schneeschutz montiert werden und der Kontrollrhythmus für die<br />
stehenden Züge wird erhöht. Die Schneeräumung wird h<strong>in</strong>gegen nicht aufgrund <strong>von</strong> Wet-<br />
terprognosen, sondern aufgrund <strong>von</strong> Meldungen durch Lokführer, Streckenwärter und
Fahrdienstleiter ausgelöst, folglich also aufgrund der aktuellen Situation auf den Stre-<br />
cken.<br />
Beim W<strong>in</strong>terdienst gilt es zu beachten, dass e<strong>in</strong>e eigentliche Räumung des Streckennet-<br />
zes <strong>in</strong> den nicht-alp<strong>in</strong>en Regionen mit Pflügen allenfalls morgens notwendig se<strong>in</strong> kann,<br />
dies ist jedoch selten der Fall. Ger<strong>in</strong>ge Schneemengen werden durch den Zugsverkehr<br />
verwirbelt. Den ganzen Tag über müssen aber nicht geheizte Weichen sowie Bahnüber-<br />
gänge gere<strong>in</strong>igt und/oder enteist werden. Im alp<strong>in</strong>en Raum auf Bergstrecken, besonders<br />
wenn während der Nacht längere Fahrpausen vorkommen, müssen morgens die Stre-<br />
cken mit e<strong>in</strong>em Pflug geräumt werden. Bei grossen Schneemengen oder Schneeverwe-<br />
hungen werden Schneeschleudern e<strong>in</strong>gesetzt.<br />
Von allen betrachteten Akteuren im Schienenverkehr s<strong>in</strong>d meteorologische Informationen<br />
für die RhB am relevantesten. Aufgrund der topographischen Gegebenheiten des Kan-<br />
tons Graubünden muss sie bei weitem am meisten Schnee auf ihrem Schienennetz räu-<br />
men und ist das e<strong>in</strong>zige der befragten Unternehmen, welches regelmässig nicht nur Pflü-<br />
ge, sondern auch Schneeschleudern e<strong>in</strong>setzt. Dementsprechend verwendet die RhB die<br />
Prognosen, um ihr Personal rechtzeitig für die Schneeräume<strong>in</strong>sätze e<strong>in</strong>zuteilen oder über<br />
e<strong>in</strong>e wahrsche<strong>in</strong>liche Aufbietung zu <strong>in</strong>formieren. Schneeprognosen werden auch als Ba-<br />
sis für den Entscheid zu künstlichen Law<strong>in</strong>enauslösungen oder Streckensperrungen he-<br />
rangezogen.<br />
Touristische Nutzung der Bahnen<br />
Die beiden stark touristisch genutzten Bahnen BLS und RhB haben beide angegeben,<br />
dass für die Disposition der Züge und die Ausgestaltung der Kapazitäten der Kalender<br />
grundsätzlich wichtiger ist als meteorologische Informationen. Während der Tourismus-<br />
saison und der Ferienzeiten werden die Kapazitäten grundsätzlich hochgefahren. Zusätz-<br />
lich werden die Kapazitäten bei sehr guten Schneebed<strong>in</strong>gungen nochmals leicht angeho-<br />
ben, wobei aber nach Aussage beider Unternehmen die Pistenberichte entscheidender<br />
s<strong>in</strong>d als die Wetteraussichten. Relevant s<strong>in</strong>d die Wetterprognosen vor allem bei extrem<br />
schönem Wetter ausserhalb der der normalen Saison, wenn die Kapazitäten bereits auf<br />
Nebensaison e<strong>in</strong>gestellt s<strong>in</strong>d, aber schönes Wetter sehr viele Tagesausflügler mit sich<br />
br<strong>in</strong>gt.<br />
Extremereignisse<br />
Gemäss der Aussagen aller befragten Bahnkonzerne/-unternehmen steigt <strong>in</strong> durch Na-<br />
turereignisse ausgelösten Extremsituationen wie Überschwemmungen, Erdrutschen oder<br />
hoher Law<strong>in</strong>engefahr der Stellenwert der Wetterprognosen stark an. E<strong>in</strong>erseits aus Si-<br />
cherheitsgründen, andererseits weil <strong>in</strong> solchen Situationen die noch zu erwartende Dauer<br />
das Ausnahmezustandes relevant ist für die Personalplanung. Allerd<strong>in</strong>gs kommen <strong>in</strong> die-<br />
sen Fällen mit kommunalen oder kantonalen Krisenstäben weitere Akteure h<strong>in</strong>zu, wo-<br />
durch die Beurteilung der Bedeutung <strong>von</strong> meteorologischen Prognosen deutlich komple-<br />
xer wird. Auch beruht die Beurteilung <strong>von</strong> Law<strong>in</strong>en- oder Überschwemmungssituationen<br />
auf e<strong>in</strong>er Vielzahl <strong>von</strong> Indikatoren, <strong>von</strong> denen meteorologische Informationen nur e<strong>in</strong> Teil<br />
s<strong>in</strong>d. Wie schon <strong>in</strong> Kapitel 4.2 dargestellt, wird aus diesen Gründen im Rahmen des vor-<br />
/ 81
82 / 4 Schienenverkehr<br />
liegenden Projektes die <strong>volkswirtschaftliche</strong> Bedeutung <strong>von</strong> meteorologischen Informati-<br />
onen im Verkehr im Zusammenhang mit Law<strong>in</strong>en, Überschwemmungen und Erdrutschen<br />
nicht behandelt und deswegen auch <strong>in</strong> den folgenden Kapiteln nicht wieder aufgenom-<br />
men.<br />
4.6.3 Wirkung auf die Wirtschaftlichkeit – Aussagen der befragten Unternehmen<br />
Über die Auswirkung <strong>von</strong> meteorologischen Informationen auf die Wirtschaftlichkeit ha-<br />
ben wir unterschiedliche Aussagen erhalten.<br />
SBB und BLS waren der Me<strong>in</strong>ung, dass e<strong>in</strong> betriebswirtschaftlicher <strong>Nutzen</strong> vorhanden<br />
sei, dieser aber als marg<strong>in</strong>al e<strong>in</strong>gestuft werden muss. Würden meteorologische Informa-<br />
tionen fehlen, wäre dies aus Sicht des e<strong>in</strong>en Unternehmens mit m<strong>in</strong>imalen Anpassungen<br />
der betrieblichen Abläufe zu bewältigen, die für das Betriebsergebnis kaum relevant sei-<br />
en. Das andere Unternehmen sah sich nicht <strong>in</strong> der Lage e<strong>in</strong>zuschätzen, wie viele zusätz-<br />
lichen Ressourcen durch das Fehlen der Wetterprognosen benötigt würden, war aber der<br />
Ansicht, dass das Fehlen nicht im Betriebsergebnis, sondern eher bei der Qualität spür-<br />
bar wäre (vgl. Kapitel 4.6.4).<br />
Anders wurde das Fehlen <strong>von</strong> Wetterprognosen durch die RhB Infrastruktur bewertet, die<br />
wie oben beschrieben aufgrund der topographischen Gegebenheiten ungleich stärker als<br />
BLS und SBB mit Schnee konfrontiert ist. Die Strecken der RhB liessen sich ohne Wet-<br />
terprognosen nur mit e<strong>in</strong>em deutlichen höheren Aufwand so zuverlässig offen halten wie<br />
dies heute der Fall ist. <strong>Der</strong> zusätzliche Aufwand wäre vor allem durch Falschauslösungen<br />
<strong>von</strong> W<strong>in</strong>terdienste<strong>in</strong>sätzen bed<strong>in</strong>gt, die heute weitgehend vermieden werden können. Die<br />
Mehraufwendungen ohne verlässliche Prognosen werden <strong>von</strong> den Verantwortlichen sehr<br />
grob auf CHF 0.25 Mio. geschätzt, wenn die Strecken gemäss dem heute vorhandenen<br />
Standard offen gehalten werden sollen.<br />
4.6.4 Wirkung auf die Qualität der Leistungserbr<strong>in</strong>gung – Aussagen der befragten<br />
Unternehmen<br />
Auch zur Wirkung der meteorologischen Informationen auf die Qualität der Leistungs-<br />
erbr<strong>in</strong>gung waren die Angaben unterschiedlich.<br />
Bei der RhB wäre ohne Wetterprognosen und ohne den E<strong>in</strong>satz zusätzlicher Mittel <strong>von</strong><br />
e<strong>in</strong>em spürbaren Qualitätsrückgang auszugehen, da die rechtzeitige Schneeräumung je<br />
nach Wetterverhältnissen und Schneemengen für die Offenhaltung der Strecken relevant<br />
ist. Auch ist das Netz der RhB überwiegend e<strong>in</strong>gleisig, so dass sich Verzögerungen deut-<br />
lich stärker auswirken als auf den zweigleisigen Strecken <strong>von</strong> SBB und BLS.<br />
Die Auswirkungen bei der SBB und der BLS wären deutlich ger<strong>in</strong>ger. <strong>Der</strong> e<strong>in</strong>e Konzern<br />
sieht kaum Auswirkungen, der andere geht <strong>von</strong> e<strong>in</strong>er Zunahme <strong>von</strong> Verspätungen an<br />
Tagen mit starkem Schneefall <strong>in</strong> der Grössenordnung <strong>von</strong> 3 bis 10 M<strong>in</strong>uten aus.<br />
Ke<strong>in</strong>es der drei Unternehmen konnte die hypothetische Zunahme <strong>von</strong> Verspätungsm<strong>in</strong>u-<br />
ten oder die Zunahme der Anzahl verspäteter Züge quantifizieren.
4.7 Eisenbahnverkehrsunternehmen ohne eigene Infrastruktur<br />
4.7.1 Arbeitsweise und der E<strong>in</strong>fluss des Wetters – Aussagen des befragten<br />
Unternehmens<br />
Nebst den Eisenbahnverkehrsunternehmen mit eigener Infrastruktur wurde auch e<strong>in</strong> Eis-<br />
bahnverkehrsunternehmen ohne eigene Infrastruktur <strong>in</strong> die Analyse mit e<strong>in</strong>bezogen, wel-<br />
ches Gütertransportdienstleistungen <strong>in</strong> der Schweiz und im grenznahen Ausland anbie-<br />
tet. Das Unternehmen hat ke<strong>in</strong> eigenes Rollmaterial, sondern kauft dieses <strong>in</strong>klusive Per-<br />
sonal bei anderen Bahnverkehrsunternehmen e<strong>in</strong>. Se<strong>in</strong> Kerngeschäft ist dementspre-<br />
chend die Disposition. <strong>Der</strong> E<strong>in</strong>zelwagenladungsverkehr bewegt sich dabei <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em rela-<br />
tiv starren, fahrplanähnlichem System, da die e<strong>in</strong>zelnen Wagen oder Kompositionen <strong>von</strong><br />
verschiedenen Versendern an den Sammelbahnhöfen zusammengefasst werden müs-<br />
sen. Beim Ganzzugsverkehr kann etwas besser auch auf spontane Kundenwünsche e<strong>in</strong>-<br />
gegangen werden. Grundsätzlich hat aber der getaktete Personenverkehr immer Vorrang<br />
vor dem Güterverkehr.<br />
Obwohl es ke<strong>in</strong>e eigene Infrastruktur besitzt, wird das Unternehmen ebenfalls durch die<br />
<strong>in</strong> Kapitel 4.1 aufgeführten Wetterereignisse bee<strong>in</strong>trächtigt. Besonders häufig müssen<br />
Massnahmen wegen durch Laubfall und Nässe reduzierter Adhäsion ergriffen werden. In<br />
diesen Fällen werden zusätzliche Loks e<strong>in</strong>gesetzt, entweder auf der ganzen Strecke oder<br />
punktuell bei Steigungen. An vier bis fünf Tagen pro Jahr treten Probleme wegen<br />
Schneefall auf: Mit Schnee gefüllte oder gefrorene Weichen verursachen Verspätungen<br />
und vereiste Leitungsanschlüsse machen Probleme beim Rangieren. E<strong>in</strong> bis zweimal pro<br />
Jahr führen Stürme zu beschädigten Fahrleitungen oder anderen E<strong>in</strong>schränkungen.<br />
Insgesamt ist das Wetter beim befragten Gütertransportunternehmen ohne eigene Infra-<br />
struktur für schätzungsweise 20 bis 25% aller auftretenden Störungen verantwortlich.<br />
4.7.2 Verwendung <strong>von</strong> meteorologischen Informationen – Aussagen des befragten<br />
Unternehmens<br />
Obwohl das Wetter die Arbeit des befragten Unternehmens relativ stark bee<strong>in</strong>flusst, ver-<br />
wendet es ke<strong>in</strong>e meteorologischen Informationen. Zum e<strong>in</strong>en seien Wetterereignisse und<br />
Störungen zu wenig stark an e<strong>in</strong>ander gebunden: Schnee und Stürme können, müssen<br />
jedoch nicht zu Beh<strong>in</strong>derungen führen. Dies hängt e<strong>in</strong>erseits <strong>von</strong> der genauen Ausprä-<br />
gung und dem Ort des Auftretens ab, andererseits vom Verhalten der Infrastrukturbetrei-<br />
ber. Aus diesem Grund lohnen sich Präventivmassnahmen und die Nutzung meteorologi-<br />
scher Informationen nicht.<br />
Die durch Laub verursachten Adhäsionsprobleme lassen sich auf Basis der Wetterprog-<br />
nosen alle<strong>in</strong> ohneh<strong>in</strong> nicht antizipieren, so dass auch hier der Zusammenhang <strong>von</strong> Wet-<br />
tervorhersage und Störung nicht direkt gegeben ist.<br />
/ 83
84 / 4 Schienenverkehr<br />
4.8 Komb<strong>in</strong>ierter Verkehr<br />
4.8.1 Arbeitsweise und der E<strong>in</strong>fluss des Wetters – Aussagen des befragten<br />
Unternehmens<br />
Das befragte Unternehmen ist als Operator im komb<strong>in</strong>ierten europäischen Verkehr tätig.<br />
Beim komb<strong>in</strong>ierten Verkehr wird der Hauptlauf zwischen den Verladeterm<strong>in</strong>als, <strong>in</strong> denen<br />
Waren <strong>von</strong> LKW auf Eisenahnwagons umgeladen werden, auf der Schiene durchgeführt.<br />
<strong>Der</strong> Vor- und Nachlauf vom Versender zum Quellterm<strong>in</strong>al und vom Zielterm<strong>in</strong>al zum<br />
Empfänger wird über die Strasse durchgeführt. Dies lohnt sich vor allem für Distanzen im<br />
europäischen Raum, teilweise aber auch für kürzere Strecken, wenn mit dem so genann-<br />
ten «Nachtsprung» die Waren trotz Nachtfahrverbot der LKW weitertransportiert werden<br />
können.<br />
Das <strong>von</strong> uns <strong>in</strong>terviewte Unternehmen betreibt e<strong>in</strong>erseits eigene Term<strong>in</strong>als, auch <strong>in</strong> der<br />
Schweiz, und bietet andererseits Transportdienstleistungen <strong>von</strong> Term<strong>in</strong>al zu Term<strong>in</strong>al an,<br />
wobei der eigentliche Transport wiederum an Eisenbahnverkehrsunternehmen ausgela-<br />
gert wird. Die Kunden s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> der Regel ebenfalls Transportunternehmungen, die ihrer-<br />
seits für die Anlieferung an den Quell- und die Abholung der Waren vom Zielterm<strong>in</strong>al<br />
verantwortlich s<strong>in</strong>d.<br />
Wetterereignisse s<strong>in</strong>d für rund 10% aller Störungen des normalen Betriebes verantwort-<br />
lich, wobei Schnee und Sturm die häufigsten Störungsverursacher s<strong>in</strong>d. Seltener s<strong>in</strong>d<br />
Überschwemmungen und Erdrutsche. Diese Zahlen beziehen sich auf den gesamten<br />
europäischen Raum, schliessen also auch Stürme an Nordsee- und Atlantik e<strong>in</strong>, wo Wa-<br />
ren <strong>von</strong> Schiffen auf die Schiene verladen werden.<br />
4.8.2 Verwendung <strong>von</strong> meteorologischen Informationen – Aussagen des befragten<br />
Unternehmens<br />
Das befragte Unternehmen verwendet frei zugängliche Wetterprognosen. Diese werden<br />
aber <strong>in</strong> erster L<strong>in</strong>ie dazu verwendet, die Kunden <strong>in</strong> Newslettern darauf h<strong>in</strong>zuweisen, dass<br />
wetterbed<strong>in</strong>gte Störungen auftreten könnten. Des Weiteren können sich die Disponenten<br />
dank der Prognosen auf eventuelle wetterbed<strong>in</strong>gte Schwierigkeiten e<strong>in</strong>stellen, proaktive<br />
Massnahmen werden aber nicht ergriffen.<br />
4.8.3 Wirkung auf die Wirtschaftlichkeit – Aussagen des befragten Unternehmens<br />
Wie auch beim anderen befragte Gütertransportunternehmen werden auf Basis <strong>von</strong> Wet-<br />
terprognosen ke<strong>in</strong>e proaktiven Massnahmen ergriffen, sondern es wird erst gehandelt,<br />
wenn die Störungen tatsächlich auftreten. <strong>Der</strong> Grund ist auch hier, dass Wetterprognosen<br />
und Störungen sowie Wetterereignisse und Störungen nicht deutlich genug mite<strong>in</strong>ander<br />
verknüpft s<strong>in</strong>d. Auch wenn e<strong>in</strong> Orkan vorausgesagt ist, bleibt unklar, ob und wo genau<br />
Streckenblockierungen auftreten und wie schnell diese wieder behoben se<strong>in</strong> werden.<br />
Ebenso kann Schnee zu Beh<strong>in</strong>derungen führen, muss aber nicht. H<strong>in</strong>zu kommt auch hier,
dass die Infrastrukturbetreibenden e<strong>in</strong>en wesentlichen E<strong>in</strong>fluss auf die Dauer der Störung<br />
haben. Aus diesem Grund haben meteorologische Informationen ke<strong>in</strong>en E<strong>in</strong>fluss auf die<br />
Wirtschaftlichkeit des befragten Unternehmens.<br />
4.8.4 Wirkung auf die Qualität der Leistungserbr<strong>in</strong>gung – Aussagen des befragten<br />
Unternehmens<br />
Die Verwendung <strong>von</strong> Wetterprognosen bee<strong>in</strong>flusst die Qualität der Leistungserbr<strong>in</strong>gung<br />
des befragten Unternehmens nur <strong>in</strong>sofern, als dass die Kunden frühzeitig über mögliche<br />
Störungen <strong>in</strong>formiert werden. Da wie unter 4.8.3 beschrieben aus betriebswirtschaftlichen<br />
Gründen bei wetterbed<strong>in</strong>gten Störungen nur reaktiv und nicht proaktiv gehandelt wird,<br />
wirkt sich die Verwendung <strong>von</strong> Wetterprognosen nicht weiter auf die Qualität der Leis-<br />
tungserbr<strong>in</strong>gung aus.<br />
4.9 Schadensvermeidung durch meteorologische Information<br />
Von allen befragten Eisenbahnverkehrsunternehmen und -Infrastrukturunternehmen hat<br />
nur die RhB angeben, dass Wetterprognosen helfen, dass Unfallrisiko ger<strong>in</strong>g zu halten.<br />
Ohne Prognosen könnten die Lokführer weniger gut vor Law<strong>in</strong>en und Murgängen gewarnt<br />
werden. Zusätzlich würden tendenziell mehr Entgleisungen durch das Auffahren <strong>in</strong><br />
Schneeverwehungen auftreten. E<strong>in</strong>e Quantifizierung der durch heute durch Wetterprog-<br />
nosen vermiedenen Schäden war jedoch nicht möglich.<br />
4.10 Würdigung<br />
Die Interviews mit den verschiedenen Unternehmen haben gezeigt, dass für die Erfas-<br />
sung des <strong>Nutzen</strong>s <strong>von</strong> meteorologischen Informationen zwischen Bahnen <strong>in</strong> verschiede-<br />
nen geographischen Lagen unterschieden werden muss: Verwendung und <strong>Nutzen</strong> <strong>von</strong><br />
Wetterprognosen unterscheidet sich deutlich zwischen alp<strong>in</strong>en und nicht-alp<strong>in</strong>en Regio-<br />
nen. In beiden Fällen s<strong>in</strong>d es jedoch <strong>in</strong> erster L<strong>in</strong>ie die Infrastrukturabteilungen bzw.<br />
-betreiber<strong>in</strong>nen, welche meteorologische Informationen nutzen. Für die Eisenbahnver-<br />
kehrsunternehmen im Personen- oder Güterverkehr lohnt sich die Auslösung <strong>von</strong> (Prä-<br />
ventiv-)Massnahmen aufgrund <strong>von</strong> Wetterprognosen <strong>in</strong> der Regel nicht.<br />
Nicht-alp<strong>in</strong>e Regionen<br />
<strong>Der</strong> Grossteil des Schweizer Schienennetzes liegt <strong>in</strong> nicht-alp<strong>in</strong>en Regionen. Mit e<strong>in</strong>er<br />
Ausnahme nutzen alle im nicht-alp<strong>in</strong>en Raum tätigen Eisenbahnverkehrs- und Infrastruk-<br />
turunternehmen meteorologische Informationen, meist <strong>in</strong> Form <strong>von</strong> frei zugänglichen<br />
Prognosen im Internet. In e<strong>in</strong>em Fall ist e<strong>in</strong> kostenpflichtiges Produkt abonniert. Die<br />
<strong>volkswirtschaftliche</strong>n <strong>Nutzen</strong> müssen <strong>in</strong> nicht-alp<strong>in</strong>en Regionen aber als ger<strong>in</strong>g e<strong>in</strong>gestuft<br />
werden:<br />
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86 / 4 Schienenverkehr<br />
— Für den Personen- und Gütertransport werden Wetterprognosen zwar durch die<br />
Disponenten und die Leitstellen genutzt. Entweder werden aber aus betriebswirt-<br />
schaftlichen Gründen ke<strong>in</strong>e proaktiven Massnahmen aufgrund der Wetterprognosen<br />
ergriffen, oder aber die betrieblichen Abläufe könnten mit m<strong>in</strong>imalem zusätzlichen<br />
Aufwand an e<strong>in</strong>e Situation ohne Prognosen angepasst werden. Über die resultieren-<br />
den Qualitätse<strong>in</strong>bussen s<strong>in</strong>d sich die Unternehmen nicht e<strong>in</strong>ig, <strong>in</strong> jedem Fall s<strong>in</strong>d die-<br />
se aber ger<strong>in</strong>g. Die Me<strong>in</strong>ungen reichen <strong>von</strong> «ke<strong>in</strong>e Auswirkungen» bis zu häufigeren<br />
Verspätungen an Tagen mit grossflächigem, sehr starkem Schneefall <strong>von</strong> drei bis<br />
zehn M<strong>in</strong>uten.<br />
— Im Infrastrukturbereich ist der <strong>Nutzen</strong> der meteorologischen Information ebenfalls<br />
ger<strong>in</strong>g. Bei Unwettern und Stürmen s<strong>in</strong>d die Wetterprognosen und die Notwendigkeit<br />
der E<strong>in</strong>sätze nicht eng genug verknüpft: Es ist zum Beispiel nicht vorhersehbar, ob<br />
und wo genau im Falle <strong>von</strong> Unwettern Bäume auf die Schiene fallen. Im Bereich des<br />
W<strong>in</strong>terdienstes hängt der <strong>Nutzen</strong> der Prognosen <strong>von</strong> der konkreten Arbeitsweise der<br />
Unternehmen ab. Unternehmen, welche die W<strong>in</strong>terdienste<strong>in</strong>sätze ohneh<strong>in</strong> nur auf-<br />
grund der Situation auf den Strecken auslösen, welche so gut wie rund um die Uhr<br />
<strong>von</strong> Lokführer und Streckenwärtern gemeldet werden kann, ziehen ke<strong>in</strong>en <strong>Nutzen</strong> aus<br />
den Wetterprognosen. Unternehmen, welche die Wetterprognosen nutzen, um das<br />
Personal <strong>in</strong> Bereitschaft zu versetzten, haben e<strong>in</strong>en <strong>Nutzen</strong>, aber auch bei diesen<br />
Unternehmen erfolgt der effektive E<strong>in</strong>satz aufgrund der Situationen auf den Strecken.<br />
Da das betreffende Personal nicht ausschliesslich für den W<strong>in</strong>terdienst e<strong>in</strong>gesetzt<br />
wird, konnte der <strong>Nutzen</strong> der frühzeitigen Bereitschaftsauslösung vom betreffenden<br />
Bahnunternehmen nicht quantifiziert werden.<br />
Insgesamt lässt sich sagen, dass das Bahnsystem <strong>in</strong> den nicht-alp<strong>in</strong>en Regionen der<br />
Schweiz sehr viel weniger sensibel auf Schnee, Eis, Starkregen und Stürme reagiert als<br />
das Strassennetz. Gleichzeitig ist, ausser bei Schnee, sehr schwierig vorauszusehen, ob<br />
und wo genau Störungen des Fahrbetriebes auftreten. Deswegen ist plausibel, dass auf<br />
Wetterprognosen abgestütztes Handeln zur Verh<strong>in</strong>derung des Auftretens <strong>von</strong> wetterbe-<br />
d<strong>in</strong>gten Störungen nicht notwendig oder nicht möglich ist.<br />
Alp<strong>in</strong>e Regionen, <strong>in</strong>sbesondere Bergstrecken<br />
Anders als <strong>in</strong> den nicht-alp<strong>in</strong>en Regionen haben Wetterprognosen für Bahnen, die alp<strong>in</strong>e<br />
Landschaften und <strong>in</strong>sbesondre Bergstrecken bedienen, e<strong>in</strong>en grösseren <strong>Nutzen</strong>. Dies ist<br />
durch die Topographie, die grösseren Schneemengen und die stärkeren W<strong>in</strong>de bed<strong>in</strong>gt,<br />
welche dazu führen, dass zur Offenhaltung der Strecken vor dem ersten Zug sehr häufig<br />
die Räumung mit Pflügen oder Schneeschleudern notwendig ist. Von den im Rahmen<br />
dieser Studie befragten Unternehmen gilt dies nur für die RhB. Zusätzlich ist während der<br />
Nacht nicht wie auf den Strecken anderer Bahnen ohneh<strong>in</strong> regelmässig Personal unter-<br />
wegs, welches die Schneesituation melden könnte. Die Planung der Räumungse<strong>in</strong>sätze<br />
erfolgt deswegen auf Basis der prognostizierten Schneemengen.
4.11 Zusammenfassung<br />
Tabelle 27 fasst die Ergebnisse für den Bereich Schienenverkehr zusammen. Für die<br />
Verwendung und den <strong>Nutzen</strong> <strong>von</strong> meteorologischen Informationen ist e<strong>in</strong>erseits ent-<br />
scheidend, ob e<strong>in</strong> Bahnunternehmen e<strong>in</strong>e eigenen Schienen<strong>in</strong>frastruktur besitzt, da wet-<br />
terbed<strong>in</strong>gte Betriebsstörungen zum Grossenteil die Schienen<strong>in</strong>frastruktur und nicht das<br />
Rollmaterial betreffen. 45 Andererseits ist entscheidend, wie stark das Bahnunternehmen<br />
mit grossen Schneemengen und allenfalls Law<strong>in</strong>en konfrontiert ist. Dies hängt <strong>in</strong> der<br />
Schweiz da<strong>von</strong> ab, ob es im alp<strong>in</strong>en oder nicht alp<strong>in</strong>en Raum tätig ist.<br />
<strong>Nutzen</strong>dimension<br />
[Mio. CHF/a]<br />
Akteur(gruppe)<br />
Eisenbahnkonzerne- & unternehmen<br />
mit eigener Infrastruktur<br />
Nicht-alp<strong>in</strong>e Regionen<br />
Volkswirtschaftlicher <strong>Nutzen</strong>, welcher der Akteur/die Akteurgruppe durch die<br />
Verwendung <strong>von</strong> meteorologischen Informationen bewirkt<br />
Vermiedene<br />
Staatsausgaben<br />
Ger<strong>in</strong>g,<br />
nicht quantifizierbar<br />
Zusätzliche<br />
Wertschöpfung<br />
Ger<strong>in</strong>g,<br />
nicht quantifizierbar<br />
Alp<strong>in</strong>e Regionen 0.14 - 0.18 0.17 - 0.22<br />
Eisenbahnverkehrsunternehmen<br />
ohne eigene Infrastruktur<br />
Vermiedene<br />
Schadenskosten<br />
Ke<strong>in</strong> Effekt<br />
Nicht e<strong>in</strong>schätzbar,<br />
nicht quantifizierbar<br />
Ke<strong>in</strong> Effekt Ke<strong>in</strong> Effekt Ke<strong>in</strong> Effekt<br />
Komb<strong>in</strong>ierter Verkehr Ke<strong>in</strong> Effekt Ke<strong>in</strong> Effekt<br />
Summe der quantitativ fassbaren<br />
Effekte<br />
Vermiedene<br />
<strong>in</strong>dividuelle Reisezeiten<br />
/ 87<br />
Nicht e<strong>in</strong>schätzbar,<br />
nicht quantifizierbar<br />
Hoch, nicht quantifizierbar<br />
Nicht e<strong>in</strong>schätzbar,<br />
nicht quantifizierbar<br />
0.14 - 0.18 0.17 - 0.22 - -<br />
Tabelle 27: Übersicht zu den Ergebnissen im Bereich Schienenverkehr während des normalen Fahrbetriebes.<br />
Die Ergebnisse gelten nicht während meteorologischer Extremereignisse wie grossflächige Erdrutsch-<br />
oder Law<strong>in</strong>engefahrgefahr sowie Überschwemmungssituationen Die Angaben zur E<strong>in</strong>schätzbarkeit<br />
und Quantifizierbarkeit beziehen sich immer auf die <strong>in</strong> der vorliegenden Studie angewendete<br />
Methodik.<br />
Staatsausgaben und Wertschöpfung<br />
In nicht-alp<strong>in</strong>en Regionen hat meteorologische Information ke<strong>in</strong>en E<strong>in</strong>fluss auf die Wirt-<br />
schaftlichkeit <strong>von</strong> Bahnkonzernen oder -unternehmen und damit auch ke<strong>in</strong>e Auswirkun-<br />
gen auf die Ausgaben der öffentlichen Hand oder auf die Wertschöpfung. Bei der im alpi-<br />
nen Raum tätigen RhB lässt sich h<strong>in</strong>gegen feststellen, dass der Betriebsaufwand durch<br />
das Fehlen <strong>von</strong> meteorologischer Information im Vergleich zu heute sehr grob geschätzt<br />
um ca. 0.25 Mio. CHF/a steigen würde, sollten alle Strecken gemäss dem heutigen Stan-<br />
dard offen gehalten werden. Dies ist im Verhältnis zum gesamten Betriebsaufwand der<br />
RhB <strong>von</strong> rund 300 Mio. CHF/s relativ wenig.<br />
45 Zwar muss das Rollmaterial bei Frost und Schneefall teilweise anders gewartet werden, jedoch kann dies im W<strong>in</strong>ter standardmässig<br />
und ohne die Hilfe <strong>von</strong> meteorologischen Informationen <strong>in</strong> die betrieblichen Abläufe <strong>in</strong>tegriert werden. Schneeräumen<br />
oder das Heizen <strong>von</strong> Weichen ist h<strong>in</strong>gegen erst im Ereignisfall möglich. Werden trockene Weichen geheizt, trocknet<br />
das Schmiermittel aus und die Weichen verklemmen.
88 / 4 Schienenverkehr<br />
Die RhB ist nicht die e<strong>in</strong>zige Bahn im alp<strong>in</strong>en Raum. Nebst dem <strong>von</strong> ihr befahrenen Stre-<br />
ckennetz, das 384 Streckenkilometer umfasst, liegen <strong>in</strong> der Schweiz noch m<strong>in</strong>destens<br />
418 weitere Bahnstreckenkilometer <strong>in</strong> ähnlichen Höhenlagen wie das Netz der RhB, die<br />
<strong>von</strong> mehreren kle<strong>in</strong>eren Bahnunternehmen befahren werden. 46 Die Angaben der RhB<br />
lassen sich jedoch nicht e<strong>in</strong>s zu e<strong>in</strong>s auf andere alp<strong>in</strong>e Bahnen übertragen 47 , da der für<br />
die Offenhaltung notwendige Aufwand nicht nur <strong>von</strong> der Höhenlage und der Streckenlän-<br />
ge abhängt, sondern auch vom lokalen Gelände und Klima: Die Exponiertheit der Strecke<br />
und die W<strong>in</strong>dverhältnisse spielen für die Kosten der Offenhaltung e<strong>in</strong>e wesentliche Rolle.<br />
Bei der RhB fällt beispielsweise die Bern<strong>in</strong>astrecke <strong>von</strong> St. Moritz nach Tirano überpro-<br />
portional stark <strong>in</strong>s Gewicht, da dort wegen Schneeverwehungen deutlich mehr Schleu-<br />
dere<strong>in</strong>sätze notwendig s<strong>in</strong>d als auf dem übrigen Netz. Wir verzichten deswegen auf e<strong>in</strong>e<br />
detaillierte Hochrechnung der Angaben der RhB auf andere im alp<strong>in</strong>en Raum tätigen<br />
Bahnunternehmen. Wiederum sehr grob lässt sich anhand der Streckenkilometer jedoch<br />
sagen, dass die Offenhaltung im gesamten alp<strong>in</strong>en Raum <strong>in</strong>kl. RhB-Streckennetz ohne<br />
Wetterprognosen zusätzlich rund 0.3 bis 0.4 Mio. CHF pro Jahr kosten dürfte. In jedem<br />
Fall s<strong>in</strong>d die Effekte aber alles <strong>in</strong> allem relativ kle<strong>in</strong>.<br />
Aufgrund der teilstaatlichen F<strong>in</strong>anzierung der Bahnen führen die bei Bahnen dank Wet-<br />
terprognosen e<strong>in</strong>gesparten Ressourcen (vgl. 4.6.3) e<strong>in</strong>erseits zu Wertschöpfungseffek-<br />
ten, andererseits zu tieferen Staatsausgaben. Die vermiedenen Staatsausgaben können<br />
auf Basis des Anteils der staatlichen F<strong>in</strong>anzierung bestimmt werden. Die RhB f<strong>in</strong>anziert<br />
sich zu ca. 45% aus Mitteln der öffentlichen Hand. 48 Unter der Annahme, dass die F<strong>in</strong>an-<br />
zierungsanteile bei den übrigen im alp<strong>in</strong>en Raum tätigen Bahnen ähnlich s<strong>in</strong>d, Somit<br />
müsste die öffentliche Hand rund ca. 135'000 bis 180'000 CHF/a mehr für die F<strong>in</strong>anzie-<br />
rung der Bahnen ausgeben, um ohne meteorologische Informationen dasselbe Leis-<br />
tungsniveau zu erhalten. Gleichzeitig wäre die Wertschöpfung der alp<strong>in</strong>en Bahnen um ca.<br />
165'000 bis 220'000 CHF/a ger<strong>in</strong>ger.<br />
Schadenskosten<br />
Bei Bahnstrecken im Mittelland und <strong>in</strong> den Voralpen bee<strong>in</strong>flussen Wetterprognosen we-<br />
der die E<strong>in</strong>tretenswahrsche<strong>in</strong>lichkeit <strong>von</strong> Personen- oder Sachschäden noch die erwarte-<br />
ten Schadenshöhen. In alp<strong>in</strong>en Regionen senken Wetterprognosen <strong>in</strong> Komb<strong>in</strong>ation mit<br />
Law<strong>in</strong>enprognosen die Wahrsche<strong>in</strong>lichkeit, auf Schneeverwehungen oder kle<strong>in</strong>ere Lawi-<br />
nenkegel aufzufahren, da Strecken rechtzeitig gesperrt und Law<strong>in</strong>en gegebenenfalls ge-<br />
sprengt werden können. E<strong>in</strong>e Quantifizierung <strong>von</strong> durch meteorologische Information<br />
vermiedenen Schäden war aber nicht möglich, da derartige Unfälle so selten vorkommen,<br />
dass Erfahrungswerte fehlen, auf Basis derer haltbare quantitative Abschätzungen mög-<br />
lich gewesen wären.<br />
46 MGB, MOB; TPC, TPF, CJ<br />
47 Diese Ansicht wurde auch <strong>von</strong> der RhB vertreten.<br />
48 Geschäftsbericht 2009, Mittelwert der Jahre 2008 und 2009.
Individuelle Reisezeiten<br />
Meteorologische Informationen verbessern die Pünktlichkeit der Bahnen: Im Mittelland<br />
und den Voralpen nur an e<strong>in</strong>igen wenigen Tagen mit sehr starken Schneefällen und <strong>in</strong><br />
ger<strong>in</strong>gem Masse, <strong>in</strong> den Alpen an mehrerer Tage im W<strong>in</strong>ter und deutlicher, wobei hier<br />
auch Zugsausfälle ohne Prognosen häufiger wären. E<strong>in</strong>e Quantifizierung dieser durch<br />
meteorologische Informationen vermiedenen Verspätungsm<strong>in</strong>uten war jedoch nicht mög-<br />
lich, da e<strong>in</strong>e Schätzung der Anzahl zusätzlich auftretender Verspätungen <strong>von</strong> allen be-<br />
fragten Bahnunternehmen als re<strong>in</strong> spekulativ und damit nicht zulässig beurteilt wurde.<br />
E<strong>in</strong>erseits führt Schneefall je nach lokaler Schneemenge und Schneekonsistenz zu ganz<br />
unterschiedlichen Störungen, andererseits kommen viele betriebliche Faktoren h<strong>in</strong>zu,<br />
durch die Verspätungen entweder aufgeholt oder verstärkt werden können.<br />
4.12 Vergleich mit <strong>in</strong>ternationalen Studien<br />
Es konnten vergleichsweise wenige Studien gefunden werden, die den <strong>Nutzen</strong> <strong>von</strong> mete-<br />
orologischen Informationsprodukten im Schienenverkehrsbereich analysieren. Im Fol-<br />
genden werden zwei neuere Studien beschrieben.<br />
Hautala und Leviänkangas (2007), Leviänkangas et al. (2007)<br />
Leviänkangas et al. 2007 bewerten den <strong>Nutzen</strong> meteorologischer Informationen für den<br />
Schienenverkehr <strong>in</strong> Kroatien, <strong>in</strong>dem die Resultate <strong>von</strong> Hautala und Leviankängas (2007)<br />
für den f<strong>in</strong>nischen Schienenverkehr auf Kroatien umgerechnet werden. So wird für F<strong>in</strong>n-<br />
land der potentielle <strong>Nutzen</strong> <strong>von</strong> meteorologischen Informationen im Schienenverkehr mit<br />
0.5 Mio. € pro Jahr bewertet, <strong>in</strong> Kroatien mit 0.15 Mio. € pro Jahr. <strong>Der</strong> <strong>Nutzen</strong> entsteht<br />
durch vermiedene Verspätungsm<strong>in</strong>uten, wobei die Bewertung nach Angaben der Autoren<br />
als «Best Guess» zu verstehen ist. Auf Basis früherer Studien wurde geschätzt, dass<br />
20% aller Verspätungen «irgendwie mit dem Wetter zusammenhängen» und <strong>von</strong> diesen<br />
im besten Fall etwa die Hälfte dank meteorologischen Informationen verh<strong>in</strong>dert werden<br />
könnte.<br />
In der Schweiz liegt der Anteil der wetterbed<strong>in</strong>gten Störungen bei ca. 2% bis 10%. Auch<br />
wenn dies nicht direkt abgefragt wurde, unterstützen die im Rahmen dieser Studie zu-<br />
sammengetragenen Aussagen der Vertreter/<strong>in</strong>nen <strong>von</strong> Eisenbahnverkehrsunternehmen<br />
und Schienen<strong>in</strong>frastrukturbetreiber<strong>in</strong>nen die These nicht, dass die Hälfte dieser wetter-<br />
bed<strong>in</strong>gten Störungen zu verh<strong>in</strong>dern wäre. Inwiefern sich aber der heutige E<strong>in</strong>satz <strong>von</strong><br />
meteorologischen Informationen <strong>in</strong> F<strong>in</strong>nland und Kroatien <strong>von</strong> dem <strong>in</strong> der Schweiz unter-<br />
scheidet, wurde im Rahmen der vorliegenden Arbeit nicht ermittelt.<br />
Rossetti (2007)<br />
<strong>Der</strong> Autor analysiert den Zusammenhang <strong>von</strong> Wetter und Eisenbahnunfällen und<br />
-vorfällen <strong>in</strong> den USA: Zwischen 2005 und 2010 habe sich <strong>in</strong> den USA ca. 40'000 Unfäl-<br />
le/Vorfälle ereignet, <strong>von</strong> denen knapp 2.2% (861) wetterbed<strong>in</strong>gt waren. Anhand dieser<br />
Unfälle zeigt der Autor Verbesserungsmöglichkeiten <strong>in</strong> der Nutzung <strong>von</strong> meteorologi-<br />
schen Informationen im Schienenverkehr der USA auf und plädiert dafür, dass meteoro-<br />
/ 89
90 / 4 Schienenverkehr<br />
logische Informationsprodukte entwickelt werden, die auf die Bedürfnisse des Schienen-<br />
verkehrs ausgerichtet s<strong>in</strong>d.<br />
Die Vertreter/<strong>in</strong>nen <strong>von</strong> Schweizer Eisenbahnverkehrsunternehmen und Schienen<strong>in</strong>fra-<br />
strukturbetreiber<strong>in</strong>nen haben <strong>in</strong> den <strong>von</strong> uns geführten Interviews weder Wetter als e<strong>in</strong>e<br />
relevante Unfallursache e<strong>in</strong>gestuft, noch e<strong>in</strong>en Zusammenhang zwischen Sicherheit und<br />
Wetter oder Sicherheit und meteorologischen Informationen bestätigt. Somit kommt un-<br />
sere Studie zu anderen Schlüssen als Rossetti (2007). Die <strong>in</strong> unserer Studie im Vergleich<br />
zu Rossetti (2007) völlig andere Bewertung des Zusammenhangs <strong>von</strong> Wetter, meteorolo-<br />
gischer Information und Sicherheit können wir nicht erklären. Es ist jedoch anzunehmen,<br />
dass klimatische Unterschiede zwischen der Schweiz und den USA e<strong>in</strong>e Rolle spielen.<br />
Die USA s<strong>in</strong>d im Gegensatz zur Schweiz relativ häufig <strong>von</strong> Schneestürmen, Tornados<br />
oder Hurrikans betroffen, die e<strong>in</strong> hohes Schadenspotential besitzen. Gleichzeitig s<strong>in</strong>d die<br />
US-amerikanischen Distanzen eher mit europäischen als mit schweizerischen Massstä-<br />
ben vergleichbar. Ebenso könnten Unterschiede im baulichen und betrieblichen Unterhalt<br />
der Schienennetze und beim Rollmaterial zusätzliche erklärende Faktoren für die unter-<br />
schiedliche Bewertung des Zusammenhags zwischen Wetter und Unfällen se<strong>in</strong>.<br />
Fazit<br />
Bei der Sichtung der Literatur konnten ke<strong>in</strong>e Studien aus dem <strong>in</strong>ternationalen Raum ge-<br />
funden werden, die für die Schweiz relevant wären. Die Aussagen <strong>von</strong> Hautala und Levi-<br />
änkangas (2007) sowie Leviänkangas et al. (2007) basieren nur auch sehr groben Ab-<br />
schätzungen. Die betrachtete Studie <strong>von</strong> Rossetti (2007) liefert empirisch fundierte Aus-<br />
sagen zu den USA, diese lassen sich aber nicht auf die Schweiz übertragen. Zu unter-<br />
schiedlich s<strong>in</strong>d geographische Gegebenheiten, Wetter sowie mit hoher Wahrsche<strong>in</strong>lich-<br />
keit auch Schienennetz und Bahnbetrieb, wobei letzteres im Rahmen der vorliegenden<br />
Studie nicht überprüft wurde.
5 Aviatik<br />
Die Aviatik ist e<strong>in</strong>e komplex organisierter Branche, <strong>in</strong> welchem die e<strong>in</strong>zelnen Akteure,<br />
auch über die Landesgrenzen h<strong>in</strong>aus, stark vernetzt und <strong>von</strong>e<strong>in</strong>ander abhängig s<strong>in</strong>d.<br />
Ausserdem weist die Aviatik aus Sicherheitsüberlegungen und aufgrund zahlreicher <strong>in</strong>-<br />
ternationaler Abkommen e<strong>in</strong>e hohe Regulierungsdichte auf. Bei den Flugwetter<strong>in</strong>formati-<br />
onen spiegelt sich diese Situation <strong>in</strong> den komplexen Informations- und F<strong>in</strong>anzströmen<br />
wider, die aufgrund <strong>von</strong> meteorologischen Dienstleistungen fliessen. Wie Figur 12 zeigt,<br />
verlaufen die F<strong>in</strong>anzströme dabei nicht deckungsgleich mit den Informationsströmen.<br />
«F<strong>in</strong>anz- und Dienstleistungsströme <strong>in</strong> der Aviatik»<br />
Flugunfalluntersuchung<br />
Passagiere<br />
<strong>MeteoSchweiz</strong><br />
Flughäfen Airl<strong>in</strong>es<br />
Flugsicherung BAZL<br />
F<strong>in</strong>anzströme<br />
Privater Flugverkehr<br />
Dienstleistungsströme<br />
/ 91<br />
econcept<br />
Figur 12: Übersicht über die F<strong>in</strong>anz- und Dienstleistungsströme <strong>in</strong> der Aviatik. Bei den Flugwetter<strong>in</strong>formationen<br />
spiegelt sich die komplexe Organisation und die hohe Regelungsdichte der Aviatik <strong>in</strong> den Informations-<br />
und F<strong>in</strong>anzströmen wider, die aufgrund <strong>von</strong> meteorologischen Dienstleistungen fliessen.<br />
<strong>MeteoSchweiz</strong> stellt die Kosten zur Bereitstellung <strong>von</strong> meteorologischen Informationen<br />
für den gewerblichen Flugverkehr zu hundert Prozent der Flugsicherung <strong>in</strong> Rechnung.<br />
Diese Kosten belaufen sich auf rund 20 Millionen CHF pro Jahr (Skyguide 2011). Die<br />
Flugsicherung gibt die Kosten an die Flughäfen und die Airl<strong>in</strong>es weiter, welche diese<br />
schliesslich auf die Passagiere abwälzen.<br />
Meteorologische Informationen, welche <strong>MeteoSchweiz</strong> für den privaten Flugverkehr be-<br />
reitstellt, werden zum grössten Teil durch das Bundesamt für Zivilluftfahrt (BAZL) ent-
92 / 5 Aviatik<br />
schädigt, der private Flugverkehr bezieht e<strong>in</strong>zig e<strong>in</strong>ige kostenpflichtige Dienstleistungen<br />
direkt <strong>von</strong> <strong>MeteoSchweiz</strong>. Die Dienstleistungen für die Flugunfalluntersuchungsbehörde<br />
(Büro für Flugunfalluntersuchung) werden nach Aufwand direkt verrechnet.<br />
5.1 Meteorologische Informationen <strong>in</strong> der Aviatik<br />
In der heutigen Praxis produziert jedes Land für se<strong>in</strong> Hoheitsgebiet Flugwetter<strong>in</strong>formatio-<br />
nen («hoheitliche Flugwetterprodukte») und stellt diese allen anderen Ländern zur Nut-<br />
zung zur Verfügung. So entsteht, ohne f<strong>in</strong>anzielle Ausgleichszahlungen, e<strong>in</strong> weltweites<br />
Netz <strong>von</strong> Flugwetter<strong>in</strong>formationen. Die hoheitlichen Flugwetterprodukte s<strong>in</strong>d <strong>von</strong> der In-<br />
ternational Civil Aviation Organisation (ICAO) klar def<strong>in</strong>iert und müssen so den entspre-<br />
chenden Standards folgen. Zu diesen Produkten gehören <strong>in</strong>sbesondere:<br />
— Aktuelle Wettermeldungen und Wettervorhersagen für Flughäfen und Luftraum<br />
— Warnungen vor gefährlichen Wetterersche<strong>in</strong>ungen<br />
— Individuelle Beratung der <strong>in</strong>teressierten Kreise, <strong>in</strong>sbesondere der Flugzeugbesatzun-<br />
gen und der Flugsicherung<br />
Für die hoheitlichen Flugwetterprodukte hat <strong>MeteoSchweiz</strong> e<strong>in</strong>en gesetzlich festgelegten<br />
Leistungsauftrag und ist somit die e<strong>in</strong>zige Anbieter<strong>in</strong> <strong>in</strong> der Schweiz. Sie liefert Informati-<br />
onen an die Flugsicherung Skyguide, die Flughäfen und die Airl<strong>in</strong>es. Daneben liefert sie<br />
Informationen für den privaten Flugverkehr und archiviert die Daten des Flugwetters zur<br />
Unfallaufklärung.<br />
Im Rahmen der S<strong>in</strong>gle European Sky Initiative der EU wird möglicherweise auch <strong>in</strong> der<br />
Schweiz die Bereitstellung <strong>von</strong> hoheitlichen Flugwetter<strong>in</strong>formationen e<strong>in</strong>em geregelten<br />
Wettbewerb unterstellt. Deshalb ist <strong>MeteoSchweiz</strong> schon heute, auch im Aviatikbereich,<br />
e<strong>in</strong>em <strong>in</strong>direkten Wettbewerbsdruck ausgesetzt.<br />
Nebst den hoheitlichen Flugwetterprodukten nutzen die Akteure <strong>in</strong> der Aviatik weitere<br />
meteorologische Informationen:<br />
— Allgeme<strong>in</strong>e Wetterberichte und Prognosen aus verschiedensten frei verfügbaren<br />
Quellen, hauptsächlich im Internet<br />
— Informationen <strong>von</strong> spezialisierten Datenprovidern und kostenpflichtigen Meteo-<br />
Portalen im Internet<br />
— Informationen der WAFC (World Area Forecast Centres) <strong>in</strong> London und Wash<strong>in</strong>gton.<br />
Diese erstellen und verbreiten unter der Aufsicht der ICAO globale meteorologische<br />
Informationen für die Aviatik, <strong>in</strong>sbesondere zu W<strong>in</strong>d, Temperaturen und zu signifikan-<br />
ten Wetterereignissen. Die Informationen der WAFC werden teilweise <strong>von</strong> Meteo-<br />
Schweiz aufbereitet und <strong>in</strong> der Schweiz vertrieben.
5.2 Analyserahmen und Akteure<br />
Die Analyse der Aviatik im Rahmen der vorliegenden Studie beschränkt sich auf den ge-<br />
werblichen L<strong>in</strong>ien- und Charterflugverkehr schweizerischer Unternehmen. Ausländische<br />
Unternehmen werden nicht berücksichtigt, da die Auswirkungen auf die schweizerische<br />
Volkswirtschaft im Vordergrund stehen. Die wichtigsten Akteure s<strong>in</strong>d dabei e<strong>in</strong>erseits die<br />
Airl<strong>in</strong>es und die Flughäfen sowie andererseits die Flugsicherung (Air Traffic Control,<br />
ATC), welche für das Management des Luftraumes zuständig ist. Staatliche Behörden<br />
s<strong>in</strong>d ebenfalls relevante Akteure. Dazu zählen <strong>in</strong> der Schweiz das Bundesamt für Zivilluft-<br />
fahrt (BAZL) als nationaler Regulator sowie das Büro für Flugunfalluntersuchung (BFU)<br />
als unabhängige Unfalluntersuchungsbehörde. <strong>Der</strong> nicht-gewerbliche Teil des zivilen<br />
Flugverkehrs sowie der militärische Flugverkehr werden <strong>in</strong> dieser Studie nicht berück-<br />
sichtigt. Auch wenn Flüge mit Helikoptern rund 21% aller gewerblichen Flugbewegungen<br />
ausmachen (BFS 2010) werden Helikopterflüge und Helikopterunternehmen <strong>in</strong> dieser<br />
Studie nicht berücksichtigt, da die <strong>volkswirtschaftliche</strong> Bedeutung vergleichsweise ger<strong>in</strong>g<br />
ist. Dies zeigt sich beispielsweise daran, dass nur 0.2% der Passagiere mit Helikoptern<br />
transportiert werden (BFS 2010). Ebenfalls aufgrund der volkswirtschaftlich ger<strong>in</strong>gen<br />
Bedeutung werden gewerbliche Flüge ausserhalb des L<strong>in</strong>ien- und Charterflugverkehrs<br />
(z.B. Foto- oder Rettungsflüge mit Flächenflugzeugen) <strong>in</strong> der vorliegenden Studie nicht<br />
berücksichtigt.<br />
In der Schweiz gibt es drei Landesflughäfen (Zürich, Genf und Basel-Mulhouse 49 ), zehn<br />
Regionalflugplätze sowie fünf zivil mitbenutzte Militärflugfelder (BFS 2010). Des Weiteren<br />
existieren 46 Flugfelder, welche <strong>in</strong> erster L<strong>in</strong>ie für den privaten Luftverkehr sowie zur<br />
Ausbildung genutzt werden. Daneben gibt es 23 Heliports sowie e<strong>in</strong>ige Gebirgslandeplät-<br />
ze (über 1100 Meter) für Helikopter und Flächenflugzeuge. Rund 95% der direkten Wert-<br />
schöpfung aus der Luftfahrt entsteht auf den Landesflughäfen (INFRAS 2006). Die drei<br />
Landesflughäfen haben ausserdem im Jahr 2009 etwa 99% aller Passagiere (gewerbli-<br />
cher Flugverkehr, ohne Helikopter, ohne Transitpassagiere) befördert, wobei knapp 60%<br />
dieser Passagiere den Flughafen Zürich und 30% den Flughafen Genf benutzten (BFS<br />
2010). Aus diesen Gründen berücksichtigt die vorliegende Studie zur <strong>Nutzen</strong>erfassung<br />
e<strong>in</strong>zig die drei Landesflughäfen.<br />
5.2.1 Airl<strong>in</strong>es<br />
Im Jahr 2009 waren 86 aktive Flugbetriebe <strong>von</strong> Schweizer Unternehmen registriert, da-<br />
<strong>von</strong> waren 11 Flugbetriebe im L<strong>in</strong>ien- und Charterfluggeschäft tätig (BFS 2010). Auf den<br />
schweizerischen Flughäfen wurden 2009 im gewerblichen Flugverkehr rund 37 Millionen<br />
Passagiere (ohne Transitpassagiere) transportiert und rund 400’000 Flugbewegungen<br />
durchgeführt. Schweizer Fluggesellschaften führten dabei knapp die Hälfte aller Bewe-<br />
49 <strong>Der</strong> Flughafen Basel-Mulhouse bef<strong>in</strong>det sich auf französischem Territorium und bezieht deshalb die Flugwetterdienstleis-<br />
tungen nicht <strong>von</strong> <strong>MeteoSchweiz</strong> sondern <strong>von</strong> Météo-France (vgl. Kapitel 5.1).<br />
/ 93
94 / 5 Aviatik<br />
gungen aus und haben etwas mehr als die Hälfte der Passagiere transportiert. Die Swiss<br />
ist die wichtigste Airl<strong>in</strong>e <strong>in</strong> der Schweiz und führte 2009 37% aller Bewegungen und 75%<br />
der Bewegungen schweizerischer Fluggesellschaften durch (BFS 2010). Die Airl<strong>in</strong>es las-<br />
sen sich weiter h<strong>in</strong>sichtlich ihres Betriebskonzeptes differenzieren: Netzwerk-Carrier ver-<br />
fügen über e<strong>in</strong> dichtes Streckennetz und über e<strong>in</strong>en oder mehrere Hubs (Netzwerkkno-<br />
ten). Dadurch haben Netzwerk-Carrier typischerweise viele Umsteigepassagiere und<br />
können e<strong>in</strong> breites Dienstleistungsangebot anbieten. Im Gegensatz dazu fliegen Po<strong>in</strong>t-to-<br />
Po<strong>in</strong>t-Carrier hauptsächlich <strong>von</strong> e<strong>in</strong>em Punkt zum anderen, ohne Umsteigemöglichkeiten<br />
<strong>in</strong>nerhalb des gleichen Unternehmens.<br />
5.2.2 Flugsicherung<br />
Die Flugsicherung <strong>in</strong> der Schweiz wird durch das Unternehmen Skyguide im Auftrag des<br />
Bundes durchgeführt. Skyguide ist e<strong>in</strong>e nicht gew<strong>in</strong>norientierte Aktiengesellschaft, die<br />
nahezu vollständig im Besitz des Bundes ist. Als e<strong>in</strong>ziges Unternehmen <strong>in</strong> Europa betreut<br />
Skyguide sowohl den zivilen als auch den militärischen Luftverkehr. Skyguide f<strong>in</strong>anziert<br />
sich vollständig durch Gebühren, welche sie für ihre Dienstleistungen erhebt. Die Zu-<br />
ständigkeitsbereiche der nationalen Flugsicherungen <strong>in</strong> Europa s<strong>in</strong>d funktional e<strong>in</strong>geteilt.<br />
Wie Figur 13 zeigt, liegt <strong>in</strong>sgesamt etwa 40% des Zuständigkeitsbereiches <strong>von</strong> Skyguide<br />
im angrenzenden Ausland.<br />
«Luftraum <strong>in</strong> der Zuständigkeit <strong>von</strong> Skyguide»<br />
Figur 13: Luftraum <strong>in</strong> der Zuständigkeit <strong>von</strong> Skyguide (Beige und Blau). Quelle: Homepage Skyguide<br />
Skyguide kontrolliert pro Jahr ungefähr 1.15 Millionen Flüge; im Jahr 2009 waren 62%<br />
da<strong>von</strong> Transitflüge. Die Aufgabe <strong>von</strong> Skyguide ist es, alle Flüge möglichst sicher und<br />
pünktlich abzuwickeln. Die Leistungen <strong>von</strong> Skyguide werden laufend gemessen und aus-<br />
gewertet. Trotz des regulierten Marktes steht das Unternehmen <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er <strong>in</strong>direkten Kon-<br />
kurrenzsituation und wird neben den Kosten für die Flugsicherung vor allem an der
Pünktlichkeit der Flüge gemessen. 2010 wurden rund 96% aller Flüge durch Skyguide<br />
pünktlich 50 abgefertigt.<br />
5.2.3 Landesflughäfen<br />
Die direkte wirtschaftliches Bedeutung («Economic Impact») der Landesflughafen lässt<br />
sich an der Beschäftigung und an der Wertschöpfung der Unternehmen auf den Flughä-<br />
fen messen. Die drei Landesflughäfen wiesen im Jahr 2004 e<strong>in</strong>e Beschäftigung <strong>von</strong> rund<br />
30’000 Vollzeitäquivalenten (VZÄ) aus und generierten e<strong>in</strong>e direkte Wertschöpfung (Um-<br />
satz m<strong>in</strong>us Vorleistungen) <strong>von</strong> rund 4.8 Milliarden CHF (Infras 2006). Die direkt mit dem<br />
Flugbetrieb zusammenhängenden Produktionsbereiche («Airl<strong>in</strong>e-related») machten dabei<br />
den grössten Anteil aus (vgl. Tabelle 28 und Tabelle 29).<br />
VZÄ Total VZÄ Airport-related VZÄ Airl<strong>in</strong>e-related VZÄ Retail, Gastro<br />
Flughafen Zürich 18’010 (20’140) 2’970 (3’780) 11’950 (13’710) 3’090 (2’650)<br />
Flughafen Genf 6’600 1’940 3’630 1’030<br />
Flughafen Basel-Mulhouse 4’830 6'20 3’840 370<br />
Tabelle 28: Beschäftigungszahlen der Landesflughäfen im Jahr 2004, <strong>in</strong> Vollzeitäquivalenten. Aktualisierung<br />
der Daten für das Jahr 2008 <strong>in</strong> den Klammern. Quellen: Infras 2006, Infras 2009.<br />
Direkte<br />
Wertschöpfung<br />
Total<br />
Direkte<br />
Wertschöpfung<br />
Airport-related<br />
Direkte<br />
Wertschöpfung<br />
Airl<strong>in</strong>e-related<br />
Direkte<br />
Wertschöpfung<br />
Retail, Gasto<br />
Flughafen Zürich 3’081 (5’100) 800 (1’540) 1’969 (3’110) 312 (450)<br />
Flughafen Genf 1’059 481 455 123<br />
Flughafen Basel-Mulhouse 652 118 496 38<br />
Tabelle 29: Direkte Wertschöpfung der Landesflughäfen im Jahr 2004, <strong>in</strong> Mio. CHF. Aktualisierung der Daten<br />
für das Jahr 2008 <strong>in</strong> den Klammern. Quellen: Infras 2006, Infras 2009<br />
Die wirtschaftliche Bedeutung ist aber ke<strong>in</strong>eswegs mit dem <strong>volkswirtschaftliche</strong>n <strong>Nutzen</strong><br />
gleichzusetzen. Volkswirtschaftlich relevant ist nur der durch den Flughafen generierte<br />
Zusatznutzen, d.h. e<strong>in</strong> Vergleich des <strong>volkswirtschaftliche</strong>n <strong>Nutzen</strong>s <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Szenario mit<br />
Flughafen gegenüber e<strong>in</strong>em Szenario ohne Flughafen.<br />
5.2.4 Übersicht über die Akteure<br />
Tabelle 30 zeigt e<strong>in</strong>en Überblick über die berücksichtigten Akteure. Bei den Airl<strong>in</strong>es wur-<br />
de e<strong>in</strong> Netzwerk-Carrier und e<strong>in</strong> Po<strong>in</strong>t-to-Po<strong>in</strong>t Carrier ausgewählt. Zusammen wickeln<br />
die beiden Unternehmen rund 40% aller Flugbewegungen im L<strong>in</strong>ien- und Charterverkehr<br />
ab.<br />
50 Die Pünktlichkeit wird im Zusammenhang mit der Leistung <strong>von</strong> Flugsicherungsunternehmen basierend auf dem Flugplan<br />
und nicht auf dem Flugfahrplan berechnet. <strong>Der</strong> Flugplan wird <strong>von</strong> der Flugbesatzung offiziell e<strong>in</strong>gereicht und berücksichtigt<br />
die aktuelle Situation im Luftraum (Kapazität, Wetter, Verfügbarkeit der Flughäfen usw.). Deshalb kann der Flugplan<br />
erheblich vom durch die Airl<strong>in</strong>es publizierten Fahrplan abweichen.<br />
/ 95
96 / 5 Aviatik<br />
Anzahl schweizerische Unternehmen<br />
/ Akteure<br />
Anzahl befragte Unternehmen<br />
/ Akteure<br />
Airl<strong>in</strong>es im L<strong>in</strong>ien- und Charterverkehr 11 2<br />
Flugsicherung 1 1<br />
Flugunfalluntersuchungsbehörde 1 1<br />
Landesflughäfen 3 1<br />
Tabelle 30: Übersicht über die befragten Akteure <strong>in</strong> der Aviatik. Bei den Airl<strong>in</strong>es wurde sowohl e<strong>in</strong> Netzwerk-<br />
Carrier und als auch e<strong>in</strong> Po<strong>in</strong>t-to-Po<strong>in</strong>t Carrier ausgewählt. Zusammen wickeln die beiden Unternehmen<br />
rund 40% aller Flugbewegungen im L<strong>in</strong>ien- und Charterverkehr ab.<br />
5.3 Wirkungsmodell<br />
<strong>Der</strong> <strong>Nutzen</strong> der <strong>Meteorologie</strong> <strong>in</strong> der Aviatik fällt <strong>in</strong> erster L<strong>in</strong>ie als zusätzliche Wertschöp-<br />
fung bei den Airl<strong>in</strong>es und den Landesflughäfen, sowie <strong>in</strong> Form <strong>von</strong> vermiedenen Verspä-<br />
tungskosten bei den Reisenden an. Zusätzlich besteht e<strong>in</strong> <strong>Nutzen</strong> <strong>in</strong> der Vermeidung <strong>von</strong><br />
Unfällen im Flugverkehr und auf den Flughäfen. Im Rahmen dieser Untersuchung konn-<br />
ten h<strong>in</strong>gegen ke<strong>in</strong>e H<strong>in</strong>weise zur Wirkung <strong>von</strong> meteorologischen Informationen auf den<br />
Ressourcene<strong>in</strong>satz für staatliche Tätigkeiten sowie auf den E<strong>in</strong>fluss auf die Wirtschaft-<br />
lichkeit der Flugsicherung gefunden werden. Figur 14 stellt den Wirkungsmechanismus<br />
<strong>von</strong> meteorologischen Informationen im Detail dar.<br />
Folgende Wirkungen <strong>von</strong> meteorologischen Informationen lassen sich <strong>in</strong> der Aviatik un-<br />
terscheiden:<br />
— Wirkungen auf die Qualität der Leistungserbr<strong>in</strong>gung<br />
— Wirkungen auf die Wirtschaftlichkeit der Akteure<br />
Die Wirkung der Qualität der Leistungserbr<strong>in</strong>gung e<strong>in</strong>zelner Akteure auf die Qualität des<br />
Gesamtsystems lässt sich nicht isolieren. Die Qualität des Gesamtsystems hat aber zwei-<br />
fellos e<strong>in</strong>en E<strong>in</strong>fluss auf die Schadenswahrsche<strong>in</strong>lichkeit und auf das Ausmass der Ver-<br />
spätungen im Luftverkehr.
«Die Wirkung <strong>von</strong> meteorologischen Informationen <strong>in</strong> der Aviatik»<br />
<strong>Meteorologie</strong><br />
Figur 14: Wirkungsmodell Aviatik<br />
Qualität<br />
staatlicher<br />
Regulierung<br />
Qualität der<br />
Flugsicherung<br />
Qualität der<br />
Flughafen<strong>in</strong>frastruktur<br />
Qualität der<br />
kommerziellen<br />
Aviatik<br />
Wirtschaftlichkeit<br />
Flugsicherung<br />
Wirtschaftlichkeit<br />
Airl<strong>in</strong>es<br />
Wirtschaftlichkeit<br />
Flughafenbetreiber<strong>in</strong><br />
Ressourcene<strong>in</strong>satz<br />
für staatliche<br />
Regulierung<br />
Schadenswahrsche<strong>in</strong>lichkeit<br />
Verspätungen<br />
im Flugverkehr<br />
Schadenskosten<br />
<strong>in</strong>dividuelle<br />
Reisezeitkosten<br />
Wertschöpfung<br />
Staatsausgaben<br />
/ 97<br />
econcept
98 / 5 Aviatik<br />
5.4 Flugsicherung Skyguide<br />
5.4.1 Verwendung <strong>von</strong> meteorologischen Informationen<br />
Die maximal verfügbare Kapazität im Luftraum und an den Flughäfen wird nur unter op-<br />
timalen meteorologischen Bed<strong>in</strong>gungen erreicht. Weicht das Wetter <strong>von</strong> diesen Bed<strong>in</strong>-<br />
gungen ab, s<strong>in</strong>kt die Kapazität sowohl im Luftraum wie auch an den Flughäfen. <strong>Der</strong> E<strong>in</strong>-<br />
fluss des Wetters auf die Kapazität ist <strong>in</strong> den tieferen Schichten des Luftraumes und bei<br />
den An- und Abflügen besonders ausgeprägt. <strong>Der</strong> obere Luftraum (Transitbereich) ist<br />
h<strong>in</strong>gegen weniger stark betroffen. Die Flugsicherung def<strong>in</strong>iert für jeden Zeitpunkt im<br />
Flugbetrieb e<strong>in</strong>e bestimmte Anzahl <strong>von</strong> Transit-, An- und Abflügen pro Stunde (Durch-<br />
satz). Je schlechter die Wetterverhältnisse s<strong>in</strong>d, desto kle<strong>in</strong>er ist der Durchsatz.<br />
Basierend auf den angemeldeten Flugbewegungen wird bereits am Vortag der optimale<br />
Durchsatz durch Simulationen des Flugbetriebes berechet. Die Flugsicherung meldet<br />
diesen anschliessend an die Central Flow Management Unit (CFMU) <strong>von</strong> Eurocontrol.<br />
Die CFMU teilt, basierend auf den Angaben aller europäischen Flugsicherungen, den<br />
Airl<strong>in</strong>es Zeitfenster (Slots) für ihre geplanten Flugbewegungen zu. Diese Berechnung<br />
basiert auf e<strong>in</strong>er hypothetischen Schönwettersituation und berücksichtigt meteorologi-<br />
sche E<strong>in</strong>flüsse nicht. Tritt schlechtes Wetter e<strong>in</strong>, müssen die e<strong>in</strong>zelnen Flugüberwa-<br />
chungsorganisationen darauf reagieren. In der Praxis geschieht dies durch e<strong>in</strong>e Anpas-<br />
sung der Ab- und Anflugverfahren und durch die Veränderung des Durchsatzes.<br />
Für jeden Flughafen existieren verschiedene An- und Abflugverfahren, welche auf die<br />
unterschiedlichen Wettersituationen ausgerichtet s<strong>in</strong>d (vgl. Figur 15 für e<strong>in</strong> Beispiel). Die<br />
Verfahren unterscheiden sich sowohl geographisch (verwendete Piste, Anflug- / Abflug-<br />
richtung, verwendete Warteräume) als auch technisch (verwendetes Instrumentenlande-<br />
verfahren, benötigte Ausrüstung der Flugzeuge). <strong>Der</strong> Wechsel <strong>von</strong> e<strong>in</strong>em zum anderen<br />
Verfahren ist immer mit e<strong>in</strong>em grossen Aufwand verbunden und reduziert, zum<strong>in</strong>dest<br />
zeitweise, die Kapazität des Flughafens deutlich. Meteorologische Prognosen werden<br />
verwendet, um vorausschauend das richtige An- und Abflugverfahren zu planen und die<br />
Airl<strong>in</strong>es entsprechend frühzeitig zu <strong>in</strong>formieren. Diese «Weichenstellung» geschieht noch<br />
bevor der Flugverkehr morgens beg<strong>in</strong>nt. Wird die «Weiche» aufgrund fehlender oder<br />
falscher Prognosen nicht richtig gestellt, entstehen sofort Verspätungen <strong>von</strong> 30 bis 60<br />
M<strong>in</strong>uten, die sich über den ganzen Tag weiterziehen können.<br />
In e<strong>in</strong>em Service-Level-Agreement zwischen Skyguide und <strong>MeteoSchweiz</strong> ist geregelt,<br />
welche meteorologischen Informationen im Bereich der Flugsicherung verwendet werden.<br />
Dies s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> erster L<strong>in</strong>ie die hoheitlichen Flugwetterprodukte nach ICAO-Standard sowie<br />
berechnete Prognosen aus numerischen Modellen und Messdaten. Ausserdem wird im<br />
E<strong>in</strong>zelfall <strong>von</strong> Skyguide telefonisch Beratung <strong>in</strong> Anspruch genommen.
«An- und Abflugrouten am Flughafen Zürich»<br />
Figur 15: An- und Abflugrouten für den Flughafen Zürich (Quelle: Homepage Skyguide).<br />
/ 99
100 / 5 Aviatik<br />
5.4.2 Wirkung auf die Qualität der Leistungserbr<strong>in</strong>gung – Aussagen <strong>von</strong> Skyguide<br />
Meteorologische Informationen haben e<strong>in</strong>e Wirkung auf die Qualität der Leistungserbr<strong>in</strong>-<br />
gung. Dabei lassen sich folgende Wirkungsmechanismen differenzieren:<br />
Optimales Kapazitätsmanagement<br />
Meteorologische Informationen helfen der Flugsicherung, sich auf kapazitätsreduzierende<br />
Störungen des Flugbetriebes rechtzeitig und adäquat vorzubereiten und diese möglichst<br />
effizient abzuwickeln. Je genauer das Ausmass, die Dauer und der Zeitpunkt der wetter-<br />
bed<strong>in</strong>gten Störung im Voraus bekannt s<strong>in</strong>d, desto besser s<strong>in</strong>d die <strong>von</strong> der Flugsicherung<br />
verfügten Massnahmen den effektiven meteorologischen Bed<strong>in</strong>gungen angepasst. Damit<br />
wird sichergestellt, dass die unter den vorherrschenden Bed<strong>in</strong>gungen grösstmöglichste<br />
Kapazität erreicht wird. An zwei Beispielen lässt sich dies illustrieren:<br />
— Wenn die Flugsicherung den Durchsatz bei den Flughäfen zu früh oder zu stark<br />
senkt, resultiert daraus e<strong>in</strong>e künstliche Kapazitätsreduktion. Weil sich die Airl<strong>in</strong>es auf<br />
den verfügten, tiefen Durchsatz e<strong>in</strong>gestellt haben und die Flugbewegungen entspre-<br />
chend angepasst s<strong>in</strong>d, führt auch e<strong>in</strong>e kurzfristige Erhöhung des verfügten Durchsat-<br />
zes nur verzögert zur Erhöhung der Anzahl An- und Abflüge.<br />
— Wenn der verfügte Durchsatz zu hoch ist, muss die Flugsicherung, sobald das Ereig-<br />
nis e<strong>in</strong>tritt, kurzfristig Massnahmen ergreifen, um die Sicherheit nicht zu gefährden.<br />
Die dadurch ausgelösten kurzfristigen Änderungen können zu e<strong>in</strong>er massiven Stö-<br />
rung des Flugbetriebes führen.<br />
Ähnliche Effekte treten auch im Zusammenhang mit der Anpassung <strong>von</strong> An- und Abflug-<br />
verfahren auf. Zusammenfassend lässt sich also sagen, dass der Flugverkehr nur träge<br />
auf Änderungen der Rahmenbed<strong>in</strong>gungen reagieren kann. Dank der Verwendung <strong>von</strong><br />
meteorologischen Informationen lassen sich wetterbed<strong>in</strong>gte Störungen antizipieren. Da-<br />
durch ist e<strong>in</strong>e vorausschauende Steuerung des Systems möglich, was unnötige Kapazi-<br />
tätsverluste verh<strong>in</strong>dert.<br />
Weil der publizierte Fahrplan der Airl<strong>in</strong>es auf e<strong>in</strong>e Situation ohne meteorologische Stö-<br />
rungen ausgerichtet ist, führen wetterbed<strong>in</strong>gte Störungen <strong>in</strong> der Regel zu zusätzlichen<br />
Verspätungen und / oder zu Ausfall <strong>von</strong> Flügen. Die Kosten <strong>von</strong> Verspätungen fallen aber<br />
typischerweise bei den Kunden der Flugsicherung (Airl<strong>in</strong>es) an. Die Flugsicherung ver-<br />
liert nur E<strong>in</strong>nahmen (Gebühren), wenn Flüge gar nicht durchgeführt oder auf e<strong>in</strong>en aus-<br />
ländischen Flughafen umgeleitet werden.<br />
Die Flugsicherung Skyguide schätzt, dass aufgrund der beschriebenen Effekte ohne me-<br />
teorologische Informationen die Kapazität der Flughäfen <strong>in</strong> der Schweiz im Jahresdurch-<br />
schnitt rund 30% tiefer wäre als heute. Konkret heisst dies, dass nur noch etwa 70% der<br />
heutigen Ab- und Anflüge durchgeführt werden könnten. Die Auswirkungen auf den obe-<br />
ren Luftraum (Transitkapazität) lassen sich nicht abschätzen, der Effekt ist aber wahr-<br />
sche<strong>in</strong>lich weniger ausgeprägt, da der Wettere<strong>in</strong>fluss dort generell kle<strong>in</strong>er ist. Es ist da-<br />
<strong>von</strong> auszugehen, dass die Airl<strong>in</strong>es die Dichte der Flugfahrpläne der tieferen Kapazität
des Luftraumes anpassen würden. Insofern ist wahrsche<strong>in</strong>lich eher <strong>von</strong> e<strong>in</strong>er Reduzie-<br />
rung der Flugbewegungen als <strong>von</strong> e<strong>in</strong>em tieferen Pünktlichkeitsniveau auszugehen.<br />
Erhöhung der Sicherheit<br />
Die Verwendung <strong>von</strong> meteorologischen Informationen durch die Flugsicherung führt zu<br />
e<strong>in</strong>em höheren Sicherheitsniveau <strong>in</strong> der Aviatik. Diese Aussage stützt sich auf zwei Ar-<br />
gumente:<br />
— Meteorologische Informationen verbessern die Entscheidungsgrundlage der Lots<strong>in</strong>-<br />
/ 101<br />
nen und Lotsen und führen so zu besseren Entscheidungen («better <strong>in</strong>formed decisi-<br />
ons»). Ohne meteorologische Informationen wäre der Flugbetrieb öfter <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Si-<br />
cherheits-Grenzbereich, <strong>in</strong> dem Unfälle wahrsche<strong>in</strong>licher s<strong>in</strong>d.<br />
— Gleichzeitig reduzieren meteorologische Informationen den Stress der Lots<strong>in</strong>nen und<br />
Lotsen, weil weniger unerwartete Situationen auftreten. Dies wirkt sich positiv auf das<br />
Sicherheitsniveau aus.<br />
Trotz diesen positiven Wirkungen auf die Sicherheit muss bedacht werden, dass ohne<br />
meteorologische Informationen die Sicherheitsmargen erhöht würden und dass sich die<br />
Akteure ohne meteorologische Informationen möglicherweise auch vorsichtiger verhalten<br />
würden. Die befragten Akteure schätzen aber die positive Wirkung <strong>von</strong> meteorologischen<br />
Informationen auf die Sicherheit als sehr relevant e<strong>in</strong>. E<strong>in</strong>e Quantifizierung des Effektes<br />
ist aber nicht möglich. Die Schadenswahrsche<strong>in</strong>lichkeit ist <strong>von</strong> so vielen verschiedenen<br />
Faktoren abhängig, dass sich die Wirkung <strong>von</strong> meteorologischen Informationen nicht<br />
isoliert analysieren lässt. Ausserdem s<strong>in</strong>d, gemessen an den Flugbewegungen, Unfälle <strong>in</strong><br />
der kommerziellen Aviatik sehr seltene Ereignisse, was die statistische Auswertung <strong>von</strong><br />
Unfallereignissen äusserst problematisch macht.<br />
Optimierungspotential<br />
Gemäss den E<strong>in</strong>schätzungen <strong>von</strong> Skyguide werden meteorologische Informationen im<br />
Bereich der Flugsicherung heute nicht zweckmässig genug verwendet:<br />
— In der Planung der Kapazität, die später als Basis für die Slot-Zuteilung dient, werden<br />
meteorologische Informationen nicht berücksichtigt. Dies führt dazu, dass anschlies-<br />
send viele kurzfristige Korrekturen nötig s<strong>in</strong>d.<br />
— Die Nutzer/<strong>in</strong>nen <strong>von</strong> meteorologischen Informationen bei der Flugsicherung s<strong>in</strong>d <strong>in</strong><br />
der Regel nicht an meteorologischen Informationen an sich, sondern an den Auswir-<br />
kungen des Wetters auf die Kapazität <strong>in</strong>teressiert. Wetter<strong>in</strong>formationen sollten daher<br />
automatisch <strong>in</strong> Kapazitäts<strong>in</strong>formationen umgesetzt werden, bevor sie den Nut-<br />
zer/<strong>in</strong>nen zur Verfügung gestellt werden. Dies würde den Nutzer/<strong>in</strong>nen die Interpreta-<br />
tion <strong>von</strong> Wetter<strong>in</strong>formationen ersparen und zusätzlich zu e<strong>in</strong>er konstanteren Umset-<br />
zung <strong>von</strong> Wetter<strong>in</strong>formationen <strong>in</strong> Kapazitäts<strong>in</strong>formationen führen. Die heute durch die<br />
Regulierung vorgegebenen Flugwetterprodukte s<strong>in</strong>d aber für e<strong>in</strong>e solche Weiterver-<br />
arbeitung nicht gut geeignet.
102 / 5 Aviatik<br />
— Sowohl die Flugsicherung als auch die Airl<strong>in</strong>es machen sich Gedanken über die Ka-<br />
pazität im Luftraum und an den Flughäfen. Die Berechungsmethoden und die ver-<br />
wendeten Informationen s<strong>in</strong>d aber sehr unterschiedlich, was dazu führt, dass die bei-<br />
den Akteure oft unterschiedliche Erwartungen über die Kapazitätsentwicklung haben.<br />
Dies kann zu Problemen und Unstimmigkeiten führen.<br />
Gemäss den Aussagen <strong>von</strong> Skyguide könnte durch e<strong>in</strong>e bessere Verwendung <strong>von</strong> mete-<br />
orologischen Informationen die verfügbare Kapazität im Luftraum der Schweiz und an<br />
den Flughäfen um bis zu 10% erhöht werden.<br />
5.4.3 Wirkung auf die Wirtschaftlichkeit – Aussagen <strong>von</strong> Skyguide<br />
Meteorologische Informationen wirken im Bereich der Flugsicherung vor allem auf die<br />
Qualität der Leistungserbr<strong>in</strong>gung und nicht auf die Wirtschaftlichkeit der Flugsicherung an<br />
sich. Aufgrund der Gebührenstruktur <strong>von</strong> Skyguide und der Marktregulierung führt e<strong>in</strong>e<br />
schlechtere Leistungsqualität auch nicht zwangsläufig zu e<strong>in</strong>er tieferen Wirtschaftlichkeit.<br />
Es lässt sich aber festhalten, dass die Flugsicherungserträge <strong>von</strong> Skyguide bei e<strong>in</strong>er<br />
tieferen Kapazität auf den schweizerischen Flughäfen s<strong>in</strong>ken würden. Die Erträge aus<br />
dem Flugsicherungsgeschäft <strong>von</strong> heute rund 350 Millionen CHF (Skyguide 2011) würden<br />
aber nicht parallel zur Anzahl An- und Abflügen s<strong>in</strong>ken, weil sich die Anzahl der Transit-<br />
flüge nicht so stark verändern würde. Ausserdem ist völlig unklar, wie sich die Kosten-<br />
struktur der Flugsicherung verändern würde. Es gibt demnach ke<strong>in</strong>e stichhaltigen Argu-<br />
mente für oder gegen e<strong>in</strong>en positiven Effekt <strong>von</strong> Wetter<strong>in</strong>formationen auf die Wirtschaft-<br />
lichkeit der Flugsicherung.<br />
5.5 Airl<strong>in</strong>es<br />
5.5.1 Verwendung <strong>von</strong> meteorologischen Informationen<br />
Meteorologische Informationen spielen im Alltag der Mitarbeiter/<strong>in</strong>nen <strong>von</strong> Airl<strong>in</strong>es e<strong>in</strong>e<br />
wichtige Rolle, da die betrieblichen Abläufe e<strong>in</strong>er Airl<strong>in</strong>e stark <strong>von</strong> meteorologischen<br />
Phänomenen bee<strong>in</strong>flusst werden. Dies gilt nicht nur <strong>in</strong> besonders anspruchsvollen Wet-<br />
tersituationen, sondern auch <strong>in</strong> der täglichen Arbeit. Bei den Airl<strong>in</strong>es lassen sich folgende<br />
Primärnutzer <strong>von</strong> meteorologischen Informationen identifizieren:<br />
— E<strong>in</strong>satzleitstelle (ELS): Hauptaufgabe der ELS ist die Disposition und die Überwa-<br />
chung der Flugzeuge. Dabei müssen der publizierte Fahrplan, die effektive Auslas-<br />
tung, die verfügbare Kapazität sowie viele weitere Faktoren berücksichtigt werden.<br />
Die ELS verfügt über die Flugzeuge, solange diese am Boden s<strong>in</strong>d und entscheidet,<br />
ob e<strong>in</strong> Flug durchgeführt wird oder nicht. Die ELS ist auch, <strong>in</strong> Zusammenarbeit mit<br />
anderen Akteuren <strong>in</strong>nerhalb der Airl<strong>in</strong>e, für das Management <strong>von</strong> Ausnahmesituatio-<br />
nen («Irregularity Handl<strong>in</strong>g») zuständig und trifft dazu die nötigen operationellen Ent-<br />
scheidungen.
— Flight Dispatch (FD): Hauptaufgabe des FD ist die Erstellung <strong>von</strong> Flugplänen (Rou-<br />
/ 103<br />
tenselektion, Berechnung <strong>von</strong> Treibstoffmenge und Abfluggewicht, usw.), die den ge-<br />
setzlichen Rahmenbed<strong>in</strong>gungen 51 und den <strong>in</strong>ternen Sicherheitsweisungen entspre-<br />
chen. <strong>Der</strong> Flugplan wird unter anderem aufgrund der aktuellen und der erwarteten<br />
Wettersituation am Ausgangsflughafen, am Zielflughafen, an den Ausweichflughäfen<br />
und entlang der Route festgelegt. Nebst meteorologischen Informationen fliessen<br />
weitere Faktoren wie die Ausrüstung und der technische Zustand 52 der Flugzeuge<br />
sowie Lande- und Überflugsrechte <strong>in</strong> die Entscheidungen e<strong>in</strong>. Das FD ist überdies für<br />
die Koord<strong>in</strong>ation mit Skyguide, für die saisonale Routendef<strong>in</strong>ition und für das Mana-<br />
gement der Überflugbewilligungen zuständig.<br />
— Cockpit-Crew: Sobald die Türen des Flugzeuges geschlossen s<strong>in</strong>d, hat die Cockpit-<br />
Crew (Pilot/<strong>in</strong> und Co-Pilot/<strong>in</strong>) die Hoheit über das Flugzeug und ist für alle Entschei-<br />
dungen verantwortlich.<br />
Die genaue betriebliche Organisation der genannten Funktionen ist je nach Airl<strong>in</strong>e unter-<br />
schiedlich. Bei kle<strong>in</strong>eren Unternehmen werden Funktionen des FD und der ELS zusam-<br />
mengefasst und durch die gleiche Abteilung bearbeitet. Die technischen Rahmenbed<strong>in</strong>-<br />
gungen, beispielsweise die Möglichkeit der Kommunikation zwischen ELS und Cockpit-<br />
Crew, bee<strong>in</strong>flussen überdies, welche Aufgaben <strong>von</strong> den e<strong>in</strong>zelnen Mitarbeiter/<strong>in</strong>nen<br />
übernommen werden.<br />
5.5.2 Relevante meteorologische Aspekte<br />
Die <strong>Meteorologie</strong> ist für jede Airl<strong>in</strong>e absolut zentral. Dies hat sich <strong>in</strong> den letzten Jahrzehn-<br />
ten trotz technischem Fortschritt nicht wesentlich verändert, <strong>in</strong>sbesondere weil die Kom-<br />
plexität und damit die Anfälligkeit des ganzen Systems im selben Mass zugenommen<br />
haben wie die technischen Möglichkeiten zum Umgang mit dem Wetter. Für die Airl<strong>in</strong>es<br />
s<strong>in</strong>d <strong>in</strong>sbesondere folgende meteorologischen Aspekte relevant:<br />
— «Upper-Air W<strong>in</strong>ds» (UAW). Richtung und Stärke der W<strong>in</strong>de <strong>in</strong> den höheren Luft-<br />
schichten haben e<strong>in</strong>en massiven E<strong>in</strong>fluss auf Reisezeit und den Treibstoffverbrauch.<br />
Bei Überseeflügen kann dies zu Unterschieden <strong>in</strong> der Reisezeit <strong>von</strong> bis zu e<strong>in</strong>er<br />
Stunde führen. Aufgrund der Prognose der UAW wird die optimale Flugroute berech-<br />
net und die mögliche Zuladung sowie die nötige Treibstoffmenge def<strong>in</strong>iert.<br />
— Prognose der Wettersituation auf allen relevanten Punkten entlang der Route, <strong>in</strong>sbe-<br />
sondere auf den Ausweich- und Zielflughäfen. Entscheidend ist, ob e<strong>in</strong> Flughafen<br />
zum Zeitpunkt der möglichen Benutzung (d.h. <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Zeitdauer <strong>von</strong> bis zu 14h) an-<br />
51 Die gesetzlichen Rahmenbed<strong>in</strong>gungen werden durch schweizerisches Recht (Luftfahrtgesetz, Luftfahrtverordnung) und<br />
durch <strong>in</strong>ternationales Recht (Abkommen über die <strong>in</strong>ternationale Zivilluftfahrt, bilaterale Luftverkehrsabkommen) def<strong>in</strong>iert.<br />
Die für die Airl<strong>in</strong>es betriebsrechtlich relevanten Grundlagen s<strong>in</strong>d grösstenteils <strong>in</strong> der EU-OPS geregelt. Dieses europäische<br />
Regelwerk, welches <strong>von</strong> der Schweiz übernommen worden ist, beschreibt detailliert die technischen und organisatorischen<br />
Vorgaben, an die sich die Airl<strong>in</strong>es, beispielsweise bei der Routenplanung, halten müssen. Interne Sicherheitsanweisungen<br />
können strenger se<strong>in</strong> als die EU-OPS, dürfen dieser aber nicht widersprechen.<br />
52 Wenn e<strong>in</strong>zelne Systeme nicht funktionieren, kann e<strong>in</strong> Flugzeug unter bestimmten Umständen nicht e<strong>in</strong>gesetzt werden.<br />
Beispielsweise führt e<strong>in</strong>e defekte Enteisungsanlage dazu, dass das Flugzeug für Flüge <strong>in</strong> kalte Regionen nicht e<strong>in</strong>gesetzt<br />
werden kann. Flüge <strong>in</strong> wärmere Gebiete können aber, unter Umständen, noch möglich se<strong>in</strong>.
104 / 5 Aviatik<br />
geflogen werden könnte oder nicht. Um e<strong>in</strong>e Route fliegen zu können, muss das<br />
Flugzeug <strong>in</strong> jedem Moment Ausweichflughäfen zur Verfügung haben, welche bei-<br />
spielsweise bei e<strong>in</strong>em technischen Problem angeflogen werden könnten. Gibt es kei-<br />
ne Wetterprognose zu e<strong>in</strong>em bestimmten Flughafen, kann dieser nicht <strong>in</strong> die Planung<br />
aufgenommen und muss als geschlossen betrachtet werden.<br />
— Detaillierte meteorologische Informationen über den Wetterzustand am Abflugort<br />
(Luftdruck, Temperatur, Niederschläge, Bodenw<strong>in</strong>d, Taupunkt, Eisglätte, usw.). Diese<br />
s<strong>in</strong>d für die Sicherheit sowie für die Startleistung des Flugzeuges (max. mögliches<br />
Abfluggewicht) entscheidend. Ausserdem bestimmen meteorologische Grössen, ob<br />
e<strong>in</strong> Deic<strong>in</strong>g und/oder e<strong>in</strong> Antiic<strong>in</strong>g 53 vor dem Start nötig ist oder nicht.<br />
— Besondere Wetterereignisse («significant weather») wie beispielsweise Wirbelstürme,<br />
Nebel, Schnee oder Vereisungsgefahr.<br />
— Saisonale Entwicklungen (klimatologische Informationen) zur Vorplanung der Routen.<br />
Für die Planung der Flüge werden vor allem die hoheitlichen Flugwetterprodukte nach<br />
ICAO-Standard und Informationen der WAFC verwendet. Allenfalls fliessen auch andere<br />
meteorologische Informationen e<strong>in</strong>. Die Airl<strong>in</strong>es dürfen sich aber, aus rechtlichen Grün-<br />
den, bei der Planung e<strong>in</strong>es Fluges nur auf bestimmte Flugwetterprodukte abstützen, un-<br />
abhängig da<strong>von</strong>, ob weitere, möglicherweise bessere Informationen verfügbar s<strong>in</strong>d. Viele<br />
meteorologische Informationen fliessen direkt <strong>in</strong> die Routenplanungssoftware der Airl<strong>in</strong>es<br />
e<strong>in</strong> und werden <strong>von</strong> der Software bei der Auswahl der optimalen Route automatisch be-<br />
rücksichtigt.<br />
Die Cockpit-Crews verwenden, ergänzend zu den hoheitlichen Flugwetterprodukten, je<br />
nach Bedarf andere Wetter<strong>in</strong>formationsquellen (TV, Zeitungen, Internet usw.).<br />
5.5.3 Referenzzustand und Analyseansatz<br />
Wie <strong>in</strong> Kapitel 2.4 beschrieben, verwendet die vorliegende Studie zur Messung des Nut-<br />
zens <strong>von</strong> meteorologischen Informationen den Vergleich zwischen der heutigen Nutzung<br />
und e<strong>in</strong>er hypothetischen Referenzsituation ohne meteorologische Informationen. Dies<br />
erwies sich, aufgrund der ersten Gesprächen mit den Akteuren, im Bereich der Airl<strong>in</strong>es<br />
als nicht zweckmässig. Ohne meteorologische Informationen wäre e<strong>in</strong> Flugbetrieb <strong>in</strong> der<br />
Art wie er heute durchgeführt wird schlicht unvorstellbar. <strong>Der</strong> Referenzzustand «ke<strong>in</strong>e<br />
Wetter<strong>in</strong>formationen» würde zu e<strong>in</strong>em völlig neuen und unbekannten Betriebskonzept für<br />
Airl<strong>in</strong>es führen. Daher ist e<strong>in</strong>e «ceteris paribus» Analyse mit dem Referenzzustandes<br />
«ke<strong>in</strong>e Wetter<strong>in</strong>formationen» nicht zweckmässig. Um dennoch e<strong>in</strong>e Aussage zum <strong>Nutzen</strong><br />
<strong>von</strong> meteorologischen Informationen machen zu können, wurde e<strong>in</strong> zusätzlicher Refe-<br />
renzzustand und e<strong>in</strong> zusätzlicher Analyseansatz e<strong>in</strong>geführt:<br />
53 E<strong>in</strong> Flugzeug muss aus Sicherheitsgründen (Gewicht, Aerodynamik) vor dem Start <strong>von</strong> Eis und Schnee befreit werden.<br />
Dieser Vorgang wird als Deic<strong>in</strong>g bezeichnet. Im Unterschied dazu bezeichnet der Begriff Antiic<strong>in</strong>g technische Massnahmen<br />
am Flugzeug (z.B. das Heizen <strong>von</strong> stark exponierten Teilen) die das Vereisen des Flugzeuges verh<strong>in</strong>dern.
— Zusätzlicher Analyseansatz «quantitatives Modell»: <strong>Der</strong> im Rahmen dieser Studie<br />
/ 105<br />
allgeme<strong>in</strong> verwendete semi-quantitativer Ansatz mit Hochrechnung mehrerer Fallbei-<br />
spiele wurde für die <strong>Nutzen</strong>analyse im Bereich der Airl<strong>in</strong>es mit e<strong>in</strong>em, auf e<strong>in</strong>em for-<br />
malen Entscheidungsmodell basierenden, quantitativen Ansatz ergänzt.<br />
— Zusätzlicher Referenzzustand «schlechte Qualität»: Nebst dem Referenzzustand<br />
«ke<strong>in</strong>e Wetter<strong>in</strong>formationen» wurde e<strong>in</strong> zusätzlicher Zustand mit schlechterer Qualität<br />
der meteorologischen Information als Referenz verwendet (Referenzzustand<br />
«schlechte Qualität»). Das Qualitätsniveau wurde dabei so gewählt, dass e<strong>in</strong> Flugbe-<br />
trieb im heutigen S<strong>in</strong>n noch möglich ist. <strong>Der</strong> Referenzzustand «schlechte Qualität»<br />
wurde <strong>von</strong> den Flugwetterspezialisten bei <strong>MeteoSchweiz</strong> genau beschrieben und den<br />
Airl<strong>in</strong>es <strong>in</strong> schriftlicher Form vor den Interviews zur Verfügung gestellt (siehe Anhang<br />
A-3). Dieser Referenzzustand ermöglicht e<strong>in</strong>e Erfassung aller <strong>Nutzen</strong>komponenten,<br />
das Ausmass des Nutzes wird aber systematisch unterschätzt. Letzteres weil der Nut-<br />
zen nicht als Differenz zwischen dem <strong>Nutzen</strong>niveau ohne Wetter<strong>in</strong>formationen und<br />
dem aktuellen <strong>Nutzen</strong>niveau gemessen wird, sondern als Differenz zwischen dem<br />
<strong>Nutzen</strong>niveau mit schlechteren Wetter<strong>in</strong>formationen und dem aktuellen <strong>Nutzen</strong>ni-<br />
veau.<br />
Verwendete Ansatz-Referenz-Komb<strong>in</strong>ationen<br />
Tabelle 31 zeigt die im Rahmen dieser Studie verwendeten Ansatz-Referenz-<br />
Komb<strong>in</strong>ationen:<br />
— Wie im Kapitel 5.4 beschrieben geht die Flugsicherung bei fehlenden meteorologi-<br />
schen Informationen (Referenzzustand «ke<strong>in</strong>e Wetter<strong>in</strong>formationen») <strong>von</strong> e<strong>in</strong>em Ka-<br />
pazitätsrückgang im unteren Luftraum der Schweiz um etwa 30% aus. Basierend auf<br />
diesen Aussagen wurden die Airl<strong>in</strong>es gefragt, welche Auswirkungen e<strong>in</strong>e solche Ka-<br />
pazitätsreduktion für sie haben würde. Da e<strong>in</strong>e tiefere Luftraumkapazität das Be-<br />
triebskonzept der Airl<strong>in</strong>es nicht grundsätzlich <strong>in</strong> Frage stellt, konnten die Airl<strong>in</strong>es die<br />
Folgen beschreiben. Die Konzentration auf den Kapazitätsaspekt blendet jedoch alle<br />
anderen <strong>Nutzen</strong>komponenten aus.<br />
— Parallel dazu wurden die Airl<strong>in</strong>es mit e<strong>in</strong>er Qualitätsreduktion der meteorologischen<br />
Information konfrontiert (hierfür wurde der Referenzzustand «schlechte Qualität»<br />
verwendet) und nach den Auswirkungen dieser hypothetischen Situation gefragt. Im<br />
Gegensatz zur vorgängig beschriebenen Kapazitätsreduktion umfasst die Qualitäts-<br />
reduktion mehr <strong>Nutzen</strong>komponenten, das Ausmass des <strong>Nutzen</strong>s wird aber unter-<br />
schätzt.<br />
— Das quantitative Modell «TAF Zürich» verwendet den Referenzzustand «ke<strong>in</strong>e Wet-<br />
ter<strong>in</strong>formationen», umfasst also das ganze Ausmass des <strong>Nutzen</strong>s, konzentriert sich<br />
aber auf e<strong>in</strong>e Teilmenge der meteorologischen Informationen. Dies ermöglicht relativ<br />
präzise, quantitative Aussagen zum <strong>Nutzen</strong> der Flughafenwetterprognose am Flugha-<br />
fen Zürich. Alle anderen <strong>Nutzen</strong>komponenten werden ausgeblendet.
106 / 5 Aviatik<br />
semi-quantitativer Ansatz:<br />
Hochrechnung <strong>von</strong> Fallbeispielen<br />
quantitativer Ansatz:<br />
formales Entscheidungsmodell<br />
Referenzzustand:<br />
ke<strong>in</strong>e meteorologischen<br />
Informationen verfügbar<br />
Referenzzustand:<br />
schlechtere Qualität der<br />
meteorologischen Informationen<br />
Kapazitätsreduktion Qualitätsreduktion<br />
Quantitatives Modell «TAF Zürich»<br />
Tabelle 31: Im Rahmen der vorliegenden Studie im Kapitel Aviatik verwendete Komb<strong>in</strong>ationen <strong>von</strong> Referenzzuständen<br />
und Ansätzen.<br />
Die parallele Verwendung der beschriebenen Methoden ermöglicht e<strong>in</strong>e differenzierte<br />
Analyse und e<strong>in</strong>e Annäherung an den tatsächlichen <strong>Nutzen</strong> aus verschiedenen Perspek-<br />
tiven.<br />
5.5.4 Aussagen der befragten Unternehmen zur Wirkung auf die Wirtschaftlichkeit<br />
Meteorologische Informationen wirken über verschiedene Kanäle auf die Wirtschaftlich-<br />
keit der Airl<strong>in</strong>es.<br />
Routenplanung<br />
Durch den E<strong>in</strong>satz <strong>von</strong> W<strong>in</strong>dprognosen ist es möglich, die Flugdauer und den Treibstoff-<br />
verbrauch auf verschiedenen Routen genau 54 zu prognostizieren, dadurch kann die er-<br />
tragsoptimale Route ausgewählt werden. In erster L<strong>in</strong>ie geschieht dies über die M<strong>in</strong>imie-<br />
rung des Treibstoffverbrauchs, <strong>in</strong>dem die mitzunehmende Treibstoffmenge der erwarte-<br />
ten Flugdauer angepasst wird. <strong>Der</strong> wirtschaftliche Effekt ist bei Langstreckenflügen be-<br />
sonders gross, da zum Transport e<strong>in</strong>er zusätzlichen Tonne Treibstoff auf e<strong>in</strong>em Lang-<br />
streckenflug bis zu 250kg Treibstoff nötig s<strong>in</strong>d. Zusätzlich kann, bei entsprechender<br />
Nachfrage und ger<strong>in</strong>gerer Betankung, mehr Fracht mitgenommen werden.<br />
Meteorologische Prognosen s<strong>in</strong>d e<strong>in</strong>e zw<strong>in</strong>gende Voraussetzung für die Routenplanung<br />
an sich, da ohne Prognosen über die Verfügbarkeit der (Ausweich-) Flughäfen zum Zeit-<br />
punkt der eventuellen Nutzung ke<strong>in</strong> Flug geplant werden kann. Die berücksichtigten Airli-<br />
nes s<strong>in</strong>d sich e<strong>in</strong>ig, dass ohne Prognosen über den Wetterzustand entlang der Route und<br />
im Zielgebiet ke<strong>in</strong>e Flüge unter den aktuellen Bed<strong>in</strong>gungen (erwartetes Sicherheitsni-<br />
veau, Sicherheitsbestimmungen) durchgeführt werden könnten. Diese Aussage wurde<br />
vom Büro für Flugunfalluntersuchung und <strong>von</strong> der Flugsicherung bestätigt.<br />
Mit schlechteren meteorologischen Informationen, so wie sie im Referenzzustand<br />
«schlechte Qualität» beschrieben s<strong>in</strong>d, wäre e<strong>in</strong>e Routenplanung unter den aktuellen<br />
Bed<strong>in</strong>gungen möglich. Schon heute gibt es weltweit gesehen sehr unterschiedliche Prog-<br />
nosequalitäten im Bereich der Flughafenwettervorhersagen. Solange die Prognosen nicht<br />
völlig falsch s<strong>in</strong>d, können die Airl<strong>in</strong>es damit umgehen. Sie müssten aber bei schlechteren<br />
meteorologischen Informationen konservativer planen, d.h. mehr Treibstoff mitnehmen 55 .<br />
54 Die Prognose der Flugdauer ist heute sehr präzise, der Fehler bei e<strong>in</strong>em 6-stündigen Flug liegt unter 5 M<strong>in</strong>uten. Ohne<br />
meteorologische Informationen wäre der Fehler, gemäss den Aussagen der befragten Akteure, im Bereich <strong>von</strong> Stunden.<br />
55 Die Auswirkungen auf den Flugbetrieb s<strong>in</strong>d unterschiedlich, je nach dem, ob e<strong>in</strong>e meteorologische Prognose zu positiv<br />
oder zu negativ ist. Bei zu negativen Prognosen (das Wetter ist besser als erwartet) wird unnötigerweise zusätzlicher
Auch die unpräziseren Prognosen der Upper Air W<strong>in</strong>ds würden e<strong>in</strong>e konservativere Pla-<br />
nung erfordern, weil die Flugdauer weniger genau prognostiziert werden könnte. Nebst<br />
den höheren Treibstoffkosten, könnten die schlechteren meteorologischen Informationen<br />
zu Ertragsausfällen führen, wenn wegen des zusätzlichen Treibstoffs weniger Fracht<br />
und/oder weniger Passagiere mitgenommen werden könnten. E<strong>in</strong>e Quantifizierung der<br />
zusätzlichen Kosten und der Ertragsausfälle ist aber nicht möglich.<br />
Verspätungskosten<br />
Zwischen 2005 und 2009 machten wetterbed<strong>in</strong>gte Verspätungen 39-46% aller Flughafen-<br />
Verspätungen aus (Eurocontrol 2010). Durch die Nutzung <strong>von</strong> Wetter<strong>in</strong>formationen kann<br />
e<strong>in</strong> Teil der wetterbed<strong>in</strong>gten Verspätungen vermieden werden (vgl. Kapitel 5.4). Die Airli-<br />
nes haben aber nur beschränkt die Möglichkeit, auf die Entstehung <strong>von</strong> Verspätungen<br />
e<strong>in</strong>zuwirken, da das Management des Luftraums durch die Flugsicherung durchgeführt<br />
wird. Trotzdem tragen die Airl<strong>in</strong>es und die Kunden der Airl<strong>in</strong>es den grössten Teil der Kos-<br />
ten <strong>von</strong> Verspätungen.<br />
Durch Verspätungen entstehen bei den Airl<strong>in</strong>es taktische und strategische Kosten (vgl.<br />
Eurocontrol 2004): Die taktischen Kosten umfassen alle direkt durch die Verspätung aus-<br />
gelösten Kosten wie beispielsweise der zusätzlich verbrauchte Treibstoff durch Wartezei-<br />
ten <strong>in</strong> der Luft und am Boden, die zusätzlich benötigten Personal- und Flugzeugstunden,<br />
die Betreuung und Kompensation <strong>von</strong> verspäteten Passagieren sowie der Verlust an Re-<br />
putation. Strategische Kosten h<strong>in</strong>gegen entstehen durch die vorausschauende Berück-<br />
sichtigung <strong>von</strong> Verspätungen <strong>in</strong> der Planung beispielsweise durch die E<strong>in</strong>führung <strong>von</strong><br />
Pufferzeiten.<br />
Die Höhe der Verspätungskosten ist <strong>von</strong> verschiedensten, sich gegenseitig bee<strong>in</strong>flussen-<br />
den, Faktoren abhängig. Aus diesem Grund konnte ke<strong>in</strong>e der befragten Unternehmungen<br />
e<strong>in</strong>e Aussage zur Höhe <strong>von</strong> Verspätungskosten machen. Generell lassen sich aus den<br />
Aussagen der Akteure folgende Thesen aufstellen:<br />
— Bei e<strong>in</strong>em Netzwerk-Carrier entstehen höhere Kosten als bei e<strong>in</strong>em Punkt-zu-Punkt-<br />
Carrier.<br />
— Je grösser der Anteil an Umsteigepassagieren auf e<strong>in</strong>em Flug ist, desto grösser s<strong>in</strong>d<br />
die Kosten e<strong>in</strong>er Verspätung.<br />
— Flughäfen mit Nachtflugverbot generieren höhere Verspätungskosten als Flughäfen<br />
/ 107<br />
ohne Nachtflugverbot. Mit Nachtflugverbot können Verspätungen dazu führen, dass<br />
Reserve-Treibstoff mitgenommen, um auf mögliche Verzögerungen durch das schlechte Wetter vorbereitet zu se<strong>in</strong>. <strong>Der</strong><br />
Transport des zusätzlichen Gewichtes führt direkt zu Mehrkosten. Bei zu positiven Prognosen (das Wetter ist schlechter<br />
als erwartet) wird ke<strong>in</strong> zusätzlicher Treibstoff mitgenommen, auch wenn dies möglicherweise nötig wäre. Es entstehen dabei<br />
für die Airl<strong>in</strong>e ke<strong>in</strong>e direkten Kosten, solange das Gesamtsystem auf e<strong>in</strong>e solche Fehlplanung reagieren kann (z.B.<br />
durch e<strong>in</strong>e prioritäre Abfertigung <strong>von</strong> Flugzeugen ohne genügende Reserve durch die Flugsicherung). S<strong>in</strong>d aber viele Flüge<br />
gleichzeitig betroffen, kann das Gesamtsystem nicht mehr reagieren und es entstehen zusätzliche Kosten, beispielsweise<br />
durch das Umleiten <strong>von</strong> Flügen auf andere Flughäfen. Ausserdem nimmt das Sicherheitsniveau ab. Aus diesen<br />
Gründen ist anzunehmen, dass, falls die Airl<strong>in</strong>es und die Piloten um die schlechtere Qualität der meteorologischen Informationen<br />
wüssten, die Planung im Durchschnitt konservativer würde und im Vergleich zu heute häufiger zusätzliche Treibstoffreserven<br />
mitgenommen würden.
108 / 5 Aviatik<br />
die letzten Flüge nicht oder nur mit e<strong>in</strong>er ger<strong>in</strong>gen Auslastung durchgeführt werden<br />
können. Passagiere müssen <strong>in</strong> diesem Fall <strong>in</strong> Hotels untergebracht werden, was zu<br />
erheblichen Zusatzkosten führen kann.<br />
— Je komplexer die Flugverb<strong>in</strong>dungen, desto höher die Kosten, welche durch Verspä-<br />
tungen ausgelöst werden.<br />
Es existiert ke<strong>in</strong>e, <strong>in</strong> der Airl<strong>in</strong>e-Branche allgeme<strong>in</strong> akzeptierte, Kostenschätzung für e<strong>in</strong>e<br />
Verspätungsm<strong>in</strong>ute. Eurocontrol geht da<strong>von</strong> aus, dass jede Verspätungsm<strong>in</strong>ute (bei Ver-<br />
spätungen <strong>von</strong> über 15 M<strong>in</strong>uten) im Durchschnitt 72 Euro taktische Kosten bei den Airli-<br />
nes verursacht (Eurocontrol 2004). Die tatsächlichen Kosten s<strong>in</strong>d aber je nach Airl<strong>in</strong>e und<br />
je nach Flugverb<strong>in</strong>dung und Tageszeit sehr unterschiedlich.<br />
Irregularity Handl<strong>in</strong>g<br />
Wetterphänomene führen nicht nur zu Verspätungen, sondern können auch zu anderen<br />
Problemen wie beispielsweise Umleitungen, Flugabbrüche, Annullierungen oder unge-<br />
wollten Tankstops führen. <strong>Der</strong> Umgang mit diesen Ausnahmesituationen wird als «Irregu-<br />
larity Handl<strong>in</strong>g» bezeichnet. Meteorologische Informationen können die Kosten beim «Ir-<br />
regularity Handl<strong>in</strong>g» reduzieren. Dies lässt sich am besten an zwei Beispielen illustrieren:<br />
— Beispiel Nebel: Wenn die Airl<strong>in</strong>e genau weiss, wann sich der Nebel am Zielflughafen<br />
auflöst, kann das Flugzeug am Ausgangsflughafen warten statt umzukehren oder ei-<br />
ne Zwischenlandung (Tankstopp) e<strong>in</strong>legen zu müssen.<br />
— Beispiel Schneefall: Wenn die Airl<strong>in</strong>e weiss, dass es am Morgen und gegen Abend<br />
stark schneit aber über Mittag weniger, können die Flüge über Mittag konzentriert<br />
durchgeführt werden, was die Anzahl annullierter Flüge reduziert.<br />
Generell gilt: Je besser die Airl<strong>in</strong>e über das kommende Wetter <strong>in</strong>formiert ist, desto kle<strong>in</strong>er<br />
s<strong>in</strong>d die Kosten, die durch «Irregularity Handl<strong>in</strong>g» auftreten. E<strong>in</strong>e Schätzung der durch<br />
die meteorologischen Informationen <strong>in</strong>duzierte Kostenersparnis ist aber <strong>in</strong> ke<strong>in</strong>em Fall<br />
möglich.<br />
Netzwerkeffekte<br />
Die <strong>in</strong> den vorherigen Kapiteln beschriebenen Effekte gelten sowohl für Netzwerk- als<br />
auch für Po<strong>in</strong>t-to-Po<strong>in</strong>t-Carrier. E<strong>in</strong> Teil des <strong>Nutzen</strong>s <strong>von</strong> meteorologischen Informationen<br />
entsteht aber nur durch die spezifischen Organisationsstrukturen der Netzwerk-Carrier. In<br />
der Schweiz betrifft dies <strong>in</strong>sbesondere die Airl<strong>in</strong>e Swiss.<br />
Für die Swiss ist der Flughafen Zürich das wichtigste Drehkreuz (Hub) im Streckennetz.<br />
Passagiere fliegen mit Zubr<strong>in</strong>ger-Flügen nach Zürich und steigen dort <strong>in</strong> grössere Flug-<br />
zeuge um, die sie zu den Enddest<strong>in</strong>ationen br<strong>in</strong>gen. Diese «Hub-and-Spokes» genannte<br />
Strategie ermöglicht den E<strong>in</strong>satz <strong>von</strong> grösseren, wirtschaftlicheren Flugzeugen und führt<br />
zu Kostenersparnissen durch die Bündelung der Leistungen am Boden. Langstreckenflü-<br />
ge lassen sich so viel wirtschaftlicher durchführen und somit günstiger anbieten. Rund<br />
65% der gesamten Verkehrsleistung im Luftverkehr werden nach dem «Hub-and-<br />
Spokes» System abgewickelt (DBR 2006). In Europa zählen London-Heathrow, Paris
CDG, Frankfurt, Amsterdam und Madrid zu den grossen Hubs (Mega-Hubs). Daneben<br />
gibt es e<strong>in</strong>e Reihe <strong>von</strong> Sekundär-Hubs, die sowohl als Zubr<strong>in</strong>gerflughafen für Mega-Hubs<br />
als auch als eigenständiger Hub fungieren. <strong>Der</strong> Flughafen Zürich ist e<strong>in</strong> klassischer Se-<br />
kundär-Hub. Gemäss den Aussagen der betroffenen Akteure können Langstreckenver-<br />
b<strong>in</strong>dungen ab Zürich nur angeboten werden, weil die Passagiere mit bis zu 30 verschie-<br />
denen Zubr<strong>in</strong>gerflügen (Mittel- und Kurzstrecke) nach Zürich geflogen werden. <strong>Der</strong><br />
schweizerische Markt ist alle<strong>in</strong>e zu kle<strong>in</strong>, um die Langstreckenflüge zu füllen. Ab Zürich<br />
könnten ohne Umsteigepassagiere nur etwa zwei bis drei Langstreckenverb<strong>in</strong>dungen<br />
angeboten werden.<br />
Damit e<strong>in</strong> Flughafen e<strong>in</strong>e Hub-Funktion wahrnehmen kann, müssen folgende Vorausset-<br />
zungen erfüllt se<strong>in</strong>:<br />
— E<strong>in</strong> Netzwerk-Carrier muss den Flughafen als Hub verwenden (strategischer Ent-<br />
scheid der Airl<strong>in</strong>e)<br />
— <strong>Der</strong> Flughafen muss genügend Kapazität für alle Zubr<strong>in</strong>ger-Flüge aufweisen<br />
— <strong>Der</strong> Flughafen muss sehr zuverlässig se<strong>in</strong>, da Probleme (Verspätungen, Annullierun-<br />
gen usw.) am Hub zu hohen Kosten für den Netzwerk-Carrier führen<br />
<strong>Der</strong> Flughafen Zürich erfüllt diese Voraussetzungen <strong>in</strong> der aktuellen Situation und kann<br />
deshalb auch als Hub verwendet werden. Die im Referenzzustand «schlechte Qualität»<br />
def<strong>in</strong>ierte Qualitätsreduktion würde aber, gemäss den Aussagen der betroffenen Airl<strong>in</strong>e,<br />
die Zuverlässigkeit des Flughafens so stark bee<strong>in</strong>trächtigen, dass dieser nicht mehr als<br />
Hub verwendet werden könnte. Diese Aussage stützt sich darauf, dass <strong>in</strong> Zürich die Wet-<br />
tersituation, <strong>in</strong>sbesondere im Herbst und W<strong>in</strong>ter (Nebel, Schnee), oft relativ kritisch ist.<br />
Dieser Standortnachteil kann aber unter anderem durch gute meteorologische Prognosen<br />
verkle<strong>in</strong>ert werden. Insofern s<strong>in</strong>d, gemäss den Aussagen, vor allem die lokalen Flugwet-<br />
terprodukte (Flughafenwetterzustand und Flughafenwetterprognose) entscheidend für die<br />
Eignung <strong>von</strong> Zürich als Hub.<br />
E<strong>in</strong>e massive Kapazitätsreduktion würde, gemäss den Aussagen, dazu führen, dass die<br />
Langstreckenflüge zu wenig ausgelastet und somit nicht wirtschaftlich betrieben werden<br />
könnten. Somit ist, trotz unterschiedlicher Wirkungsmechanismen, der Effekt der Kapazi-<br />
tätsreduktion und der Qualitätsreduktion identisch: Die Hub-Funktion würde auf andere<br />
Flughäfen verlagert (z.B. München oder Frankfurt im Fall der Swiss).<br />
5.5.5 Aussagen der befragten Unternehmen zur Wirkung auf die Qualität der<br />
Leistungserbr<strong>in</strong>gung<br />
Unfallwahrsche<strong>in</strong>lichkeit<br />
Die Verwendung <strong>von</strong> meteorologischen Informationen führt zu besseren Entscheidungen,<br />
zu weniger kritischen Situationen und zu e<strong>in</strong>em kle<strong>in</strong>eren Stressniveau bei der Flugzeug-<br />
besatzung und beim Bodenpersonal. Insgesamt lassen die Aussagen der Airl<strong>in</strong>es den<br />
Schluss zu, dass das Sicherheitsniveau dank meteorologischen Informationen höher ist.<br />
/ 109<br />
Diese Aussagen wurden durch das Büro für Flugunfalluntersuchung bestätigt. Die be-
110 / 5 Aviatik<br />
rücksichtigten Akteure waren aber nicht <strong>in</strong> der Lage, die Wirkung auf die Unfallwahr-<br />
sche<strong>in</strong>lichkeit abzuschätzen.<br />
Verspätungen<br />
<strong>Der</strong> Zusammengang zwischen meteorologischer Information und Verspätungen wurde<br />
ausführlich im Kapitel 5.4 beschrieben.<br />
5.5.6 Würdigung der Aussagen<br />
Alle berücksichtigten Akteure s<strong>in</strong>d sich <strong>in</strong> der E<strong>in</strong>schätzung der Wirkung <strong>von</strong> meteorolo-<br />
gischen Informationen grundsätzlich e<strong>in</strong>ig. Meteorologische Informationen s<strong>in</strong>d e<strong>in</strong>e not-<br />
wendige Voraussetzung für den Betrieb jeder Airl<strong>in</strong>e. Wären diese Informationen <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er<br />
schlechteren Qualität als heute verfügbar, hätte dies e<strong>in</strong>en wesentlichen E<strong>in</strong>fluss auf die<br />
Wirtschaftlichkeit der Airl<strong>in</strong>es und auf das Sicherheitsniveau des Flugverkehrs. E<strong>in</strong>e<br />
Quantifizierung der Effekte ist durch die Akteure nicht oder nur sehr beschränkt möglich.<br />
Dies ist nachvollziehbar, da meteorologische Informationen <strong>in</strong> fast allen Bereichen der<br />
Airl<strong>in</strong>es e<strong>in</strong>e zentrale Rolle spielen und verschiedenste wirtschaftlichkeitsrelevante Fakto-<br />
ren bee<strong>in</strong>flussen. Ausserdem hat sich für die Airl<strong>in</strong>es die Frage nie gestellt, ob meteoro-<br />
logische Informationen verwendet werden sollen oder nicht; es fehlen daher die Grundla-<br />
gen, um diese Frage quantitativ zu beantworten. Für jeden Teilaspekt müsste e<strong>in</strong> quanti-<br />
tatives Modell entwickelt werden. Für den Teilaspekt des E<strong>in</strong>flusses der Flughafenwetter-<br />
prognose auf Treibstoff- und Ausweichkosten am Flughafen Zürich wurde im Rahmen der<br />
vorliegenden Studie e<strong>in</strong> solches Modell entwickelt (vgl. Kapitel 5.6).<br />
Gesamtwirtschaftlicher Effekt <strong>von</strong> Verspätungen<br />
Weniger Verspätungen führen nicht nur zur Verbesserung der Wirtschaftlichkeit e<strong>in</strong>zelner<br />
Airl<strong>in</strong>es, sondern haben auch e<strong>in</strong>en positiven Effekt auf die Wirtschaftlichkeit des Ge-<br />
samtsystems Luftfahrt und auf die Reisezeit der Passagiere. E<strong>in</strong>e Quantifizierung dieser<br />
Effekte ist aber nicht möglich.<br />
<strong>Der</strong> Flughafen Zürich als Hub<br />
Da die Swiss als e<strong>in</strong>ziger Netzwerk-Carrier am Flughafen Zürich rund 60% der Flugbe-<br />
wegungen abwickelt, hätte e<strong>in</strong>e Verlagerung der Hub-Funktion <strong>in</strong>s Ausland e<strong>in</strong>e zweifa-<br />
che Wirkung:<br />
— Wirkung auf die Wirtschaftlichkeit der Airl<strong>in</strong>e: Es kann da<strong>von</strong> ausgegangen werden,<br />
dass die Verlagerung der Hub-Funktion e<strong>in</strong>en wesentlichen E<strong>in</strong>fluss auf die Swiss<br />
hätte. E<strong>in</strong> mögliches Szenario wäre die Überführung der Langstreckenverb<strong>in</strong>dungen<br />
<strong>in</strong> die Lufthansa und die Weiterführung e<strong>in</strong>er «geschrumpften» Swiss als Po<strong>in</strong>t-to-<br />
Po<strong>in</strong>t Carrier mit Basis Zürich. Dies ist aber nur e<strong>in</strong>e Hypothese, die tatsächlichen<br />
Auswirkungen auf das Unternehmen s<strong>in</strong>d offen und <strong>von</strong> vielen unternehmens<strong>in</strong>ternen<br />
Faktoren abhängig. E<strong>in</strong>e <strong>volkswirtschaftliche</strong> Bewertung des Effektes kann im Rah-<br />
men dieser Studie deshalb nicht durchgeführt werden.<br />
— Wirkung auf den Flughafen Zürich sowie auf die Standortattraktivität der Region Zü-<br />
rich und der Schweiz: Diese Thematik wird im Kapitel 5.7.5 analysiert.
5.6 Quantitatives Modell «TAF Zürich»<br />
Um e<strong>in</strong>e quantitative Aussage über den <strong>Nutzen</strong> der <strong>Meteorologie</strong> im Bereich der Aviatik<br />
machen zu können, wurde im Rahmen dieser Studie für die Flughafenwetterprognose<br />
(Term<strong>in</strong>al Aerodrome Forecast, TAF) am Flughafen Zürich e<strong>in</strong> quantitatives <strong>Nutzen</strong>mo-<br />
dell entwickelt. Das im Folgenden beschriebene Modell basiert auf den Arbeiten <strong>von</strong><br />
Leigh, Drake und Thampapillai aus dem Jahr 1995 (Leigh 1995 sowie Leigh et al. 1995).<br />
Diese Arbeiten analysieren den wirtschaftlichen <strong>Nutzen</strong> des TAF am Beispiel der Flugge-<br />
sellschaft Qantas am Flughafens Sydney. Für europäische Flughäfen existiert, gemäss<br />
unserem Wissen, ke<strong>in</strong>e vergleichbare Studie. Da sich die organisatorischen, geographi-<br />
schen und meteorologischen Bed<strong>in</strong>gungen <strong>in</strong> Zürich wesentlich <strong>von</strong> denjenigen <strong>in</strong> Syd-<br />
ney unterscheiden, musste die Methodik <strong>von</strong> Leigh et al. erweitert und an die lokalen<br />
Verhältnisse angepasst werden, <strong>in</strong>sbesondere wurde das tatsächliche Entscheidungs-<br />
verhalten der Nutzer/<strong>in</strong>nen des Flughafens Zürich (Airl<strong>in</strong>es resp. Pilot/<strong>in</strong>nen) durch Be-<br />
fragungen ermittelt und modelliert. Bei der Anpassung wurden wir durch die im Rahmen<br />
dieser Studie berücksichtigten Akteure unterstützt.<br />
Da das hier entwickelte quantitative Modell nur den wirtschaftlichen Effekt e<strong>in</strong>es e<strong>in</strong>zel-<br />
nen Flugwetterproduktes (TAF) berücksichtigt, ist der ausgewiesene <strong>Nutzen</strong> nur e<strong>in</strong> Teil<br />
des Gesamtnutzens der <strong>Meteorologie</strong> im Bereich der Aviatik. Die Wahl des TAF als Un-<br />
tersuchungsgegenstand basiert auf folgenden Überlegungen:<br />
— Die Bereitstellung des TAF ist e<strong>in</strong>e Kernaufgabe <strong>von</strong> <strong>MeteoSchweiz</strong> im Bereich des<br />
Flugwetters.<br />
— Das TAF lässt sich nicht e<strong>in</strong>fach durch Informationen aus dem Ausland kompensie-<br />
/ 111<br />
ren, da für die Prognose lokal verfügbare Messstationen nötig s<strong>in</strong>d. <strong>MeteoSchweiz</strong><br />
unterhält zu diesem Zweck am Flughafen Zürich e<strong>in</strong> <strong>in</strong>tensives Mess- und Beobach-<br />
tungssystem.<br />
— <strong>Der</strong> <strong>Nutzen</strong> des TAF lässt sich, im Vergleich zu anderen <strong>Nutzen</strong>komponenten <strong>in</strong> der<br />
Aviatik, gut isolieren.<br />
— Durch die bei <strong>MeteoSchweiz</strong> verfügbare Verifikation der TAF-Prognosen ist e<strong>in</strong>e gute<br />
Datenbasis für Analysen vorhanden.<br />
5.6.1 Modellbeschreibung<br />
Das Modell berücksichtigt nur Flüge nach Zürich («<strong>in</strong>bound») und modelliert das Ent-<br />
scheidungsverhalten der Airl<strong>in</strong>es unter unterschiedlichen Bed<strong>in</strong>gungen. Bei der Flugpla-<br />
nung hat das erwartete Wetter am Zielflughafen e<strong>in</strong>en entscheidenden E<strong>in</strong>fluss auf die<br />
mitgenommene Menge Treibstoff. Wird ungünstiges Wetter erwartet, nehmen die Airl<strong>in</strong>es<br />
tendenziell mehr Treibstoff mit, um auf mögliche Probleme (mehrfacher Abbruch der Lan-<br />
dung, Warteschleifen, Verspätungen usw.) besser reagieren zu können. Diese zusätzli-<br />
che Menge Treibstoff wird hier als Schlechtwetterreserve bezeichnet. Die Schlechtwetter-<br />
reserve wird e<strong>in</strong>erseits aus Sicherheitsgründen mitgenommen, andererseits aber auch
112 / 5 Aviatik<br />
um wirtschaftlichen Schäden vorzubeugen. Hat e<strong>in</strong> Flugzeug zu wenig Reserve mitge-<br />
nommen, muss der Flug möglicherweise abgebrochen oder auf e<strong>in</strong>en anderen Flughafen<br />
umgeleitet werden, was <strong>in</strong> jedem Fall zu zusätzlichen Kosten führen würde. In diesem<br />
S<strong>in</strong>n kann die Mitnahme der zusätzlichen Schlechtwetterreserve als Versicherung be-<br />
trachtet werden. Die «Versicherungsprämie» ist <strong>in</strong> diesem Fall gleich den Kosten des<br />
zusätzlich verbrauchten Treibstoffes, der für den Transport der Reserve nötig ist. 56<br />
Entscheidungsverhalten der Airl<strong>in</strong>e<br />
Vor dem Start entscheidet die Airl<strong>in</strong>e (Flight Dispatch und Cockpit-Crew), ob e<strong>in</strong>e zusätz-<br />
liche Schlechtwetterreserve mitgenommen werden soll oder nicht. Die Entscheidung der<br />
Airl<strong>in</strong>e lässt sich <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Entscheidungsbaum (Figur 16) darstellen:<br />
1. Die Airl<strong>in</strong>e entscheidet basierend auf der TAF-Wetterprognose, ob e<strong>in</strong>e<br />
Schlechtwetterreserve mitgenommen werden soll oder nicht. Die Schlechtwetter-<br />
reserve wird nur mitgenommen, wenn das TAF ungünstiges Wetter prognostiziert.<br />
2. Bei der Ankunft <strong>in</strong> Zürich können zwei verschiedene Wetterzustände e<strong>in</strong>treten:<br />
Das Wetter ist ungünstig (z.B. Gewitter, Schnee, Nebel, schlechte Sicht) oder das<br />
Wetter ist günstig (ke<strong>in</strong>e negativen Wettere<strong>in</strong>flüsse). Die Wahrsche<strong>in</strong>lichkeit des<br />
E<strong>in</strong>tretens der beiden Varianten ist unabhängig vom Entscheid der Airl<strong>in</strong>e.<br />
3. Ist das Wetter günstig kann <strong>in</strong> jedem Fall gelandet werden, egal ob die Reserve<br />
mitgenommen wurde oder nicht. Ist das Wetter ungünstig wird die Cockpit-Crew<br />
trotzdem e<strong>in</strong>e Landung versuchen, was manchmal klappt und manchmal nicht.<br />
Wenn das Landen nicht klappt, muss auf e<strong>in</strong>en Ausweichflughafen gelandet wer-<br />
den. Die Wahrsche<strong>in</strong>lichkeit, dass e<strong>in</strong>e Landung am Zielflughafen gel<strong>in</strong>gt, hängt<br />
da<strong>von</strong> ab, ob die Schlechtwetterreserve mitgenommen wurde oder nicht. Mit<br />
Schlechtwetterreserve ist die Wahrsche<strong>in</strong>lichkeit landen zu können p; ohne<br />
Schlechtwetterreserve ist die Wahrsche<strong>in</strong>lichkeit q.<br />
56 Die Kosten der Reserve selbst s<strong>in</strong>d nicht Teil der Versicherungsprämie, da die Reserve nicht zw<strong>in</strong>gend verbraucht wird.
«Entscheidungsbaum Modell TAF Zürich»<br />
p<br />
Landen<br />
Wetter<br />
ungünstig<br />
Reserve<br />
mitgenommen<br />
1-p<br />
Ausweichen<br />
ja Schlechtwetter<br />
Reserve<br />
ne<strong>in</strong><br />
Wetter<br />
günstig<br />
Landen<br />
q<br />
Landen<br />
Wetter<br />
ungünstig<br />
Reserve nicht<br />
mitgenommen<br />
1-q<br />
Ausweichen<br />
Wetter<br />
günstig<br />
Landen<br />
/ 113<br />
econcept<br />
Figur 16: Entscheidungsbaum der Airl<strong>in</strong>es: p ist die Wahrsche<strong>in</strong>lichkeit, dass bei erwartet ungünstigem<br />
Wetter gelandet werden kann und q die Wahrsche<strong>in</strong>lichkeit, dass bei unerwartet ungünstigem<br />
Wetter gelandet werden kann.<br />
Kostenfolgen<br />
Für die Airl<strong>in</strong>e können folgende Kosten entstehen:<br />
— Kosten D: Muss der Flug auf dem Ausweichflughafen landen, entstehen zusätzliche<br />
Kosten im Umfang <strong>von</strong> D.<br />
— Kosten C2: Das Mitführen der Schlechtwetterreserve verursacht zusätzliche Kosten<br />
im Umfang <strong>von</strong> C2.<br />
Wie Tabelle 32 zeigt, s<strong>in</strong>d die Kostenfolgen für die Airl<strong>in</strong>e <strong>von</strong> ihrer Entscheidung<br />
(Schlechtwetterreserve mitnehmen oder nicht) und vom tatsächlichen Wetter (günstig<br />
oder ungünstig) abhängig. Die Kosten C1 und L lassen sich aus den Kosten C2 und D<br />
sowie den Wahrsche<strong>in</strong>lichkeiten p und q ableiten. Dabei gelten folgende Zusammenhän-<br />
ge:<br />
C1 = C2 + (1-p) × D (1)<br />
L = (1-q) × D (2)
114 / 5 Aviatik<br />
Schlechtwetterreserve<br />
mitgenommen<br />
Tatsächliches Wetter ungünstig C1 L<br />
Tatsächliches Wetter günstig C2 0<br />
Schlechtwetterreserve<br />
nicht mitgenommen<br />
Tabelle 32: Die Kostenfolgen für die Airl<strong>in</strong>e <strong>von</strong> ihrer Entscheidung (Schlechtwetterreserve mitnehmen oder<br />
nicht) und vom tatsächlichen Wetter (günstig oder ungünstig) abhängig.<br />
Relative Frequenzen<br />
Im Modell ist die Entscheidung der Airl<strong>in</strong>e nur <strong>von</strong> der Wetterprognose abhängig: Wird<br />
ungünstiges Wetter prognostiziert nimmt die Airl<strong>in</strong>e die Schlechtwetterreserve mit, an-<br />
sonsten nicht.<br />
Die Komb<strong>in</strong>ation <strong>von</strong> Prognose (TAF) und tatsächlichem Wetter mit jeweils zwei Ausprä-<br />
gungen resultiert <strong>in</strong> vier verschiedenen Komb<strong>in</strong>ationsmöglichkeiten. Die relativen Fre-<br />
quenzen (f11, f21, f12, f22) dieser Komb<strong>in</strong>ationen lassen sich <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Kont<strong>in</strong>genztabelle<br />
(Tabelle 33) darstellen.<br />
Tatsächliches Wetter<br />
ungünstig<br />
Tatsächliches Wetter<br />
günstig<br />
Prognose:<br />
Wetter ungünstig<br />
f11<br />
Prognose:<br />
Wetter günstig<br />
Total<br />
f21 f01<br />
f12 f22 f02<br />
Total f10 f20 1<br />
Tabelle 33: Kont<strong>in</strong>genztabelle der relativen Frequenzen der vier Komb<strong>in</strong>ationsmöglichkeiten<br />
5.6.2 Wirtschaftlicher <strong>Nutzen</strong> des TAF<br />
<strong>Der</strong> wirtschaftliche <strong>Nutzen</strong> des TAF für die Airl<strong>in</strong>e wird als Differenz zwischen den erwar-<br />
teten Kosten mit TAF (ECMIT) und den erwarteten Kosten ohne TAF (ECOHNE) def<strong>in</strong>iert.<br />
Erwartete Kosten mit TAF<br />
Die erwarteten Kosten mit TAF für die Airl<strong>in</strong>e ergeben sich aus der Multiplikation der Kos-<br />
tenfolgen (Tabelle 32) mit der Kont<strong>in</strong>genztabelle (Tabelle 33).<br />
ECMIT = f11×C1 + f12×C2 + f21×L (3)
Erwartete Kosten ohne TAF<br />
Fehlt das TAF, kennen die Airl<strong>in</strong>es das erwartete Wetter <strong>in</strong> Zürich nicht und müssen sich<br />
entsprechend vorsichtig verhalten und immer e<strong>in</strong>e Schlechtwetterreserve mitnehmen.<br />
Ausserdem erfordern die <strong>in</strong>ternationalen Regeln, dass <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em solchen Fall nicht nur e<strong>in</strong><br />
Ausweichflughafen, sondern zwei Ausweichflughäfen <strong>in</strong> die Planung aufgenommen wer-<br />
den müssen 57 , was die Mitnahme <strong>von</strong> zusätzlichem Treibstoff erfordert. Das Mitführen<br />
des zusätzlichen Treibstoffes für den zweiten Ausweichflughafen führt zu zusätzlichen<br />
Kosten im Umfang <strong>von</strong> A. Die erwarteten Kosten ohne TAF s<strong>in</strong>d demnach:<br />
ECOHNE = f01×C1 + f02×C2 + A (4)<br />
Wirtschaftlicher <strong>Nutzen</strong> des TAF<br />
<strong>Der</strong> wirtschaftliche <strong>Nutzen</strong> des TAF (EV) ist somit die Differenz zwischen Gleichung (4)<br />
und Gleichung (3):<br />
EV = ECOHNE - ECMIT (5)<br />
Da sich die Kostenfolgen je nach Dauer des Fluges und je nach verwendetem Flugzeug-<br />
typ unterscheiden, wird EV für jede «<strong>in</strong>bound»-Flugverb<strong>in</strong>dung (resp. für e<strong>in</strong>e Gruppe<br />
ähnlicher Flugverb<strong>in</strong>dungen) e<strong>in</strong>zeln ermittelt. Anhand der Anzahl Landungen <strong>in</strong> Zürich<br />
pro Jahr kann daraus der Gesamtnutzen des TAF für die Airl<strong>in</strong>e berechnet werden.<br />
5.6.3 Datengrundlage<br />
Daten der Airl<strong>in</strong>es<br />
Die beiden im Rahmen der Studie berücksichtigten Airl<strong>in</strong>es lieferten Schätzungen der<br />
verschiedenen betrieblichen Kostenfolgen, des Treibstoffpreises sowie der Wahrsche<strong>in</strong>-<br />
lichkeiten p und q. Ausserdem standen uns detaillierte Angaben zum Fahrplan und zur<br />
Frequenz der Landungen <strong>in</strong> Zürich zur Verfügung. Die Flugverb<strong>in</strong>dungen wurden nach<br />
der Flugdauer <strong>in</strong> bis zu vier verschiedene Kategorien pro Airl<strong>in</strong>e e<strong>in</strong>geteilt. In jeder Kate-<br />
gorie wurden anschliessend, anhand e<strong>in</strong>es <strong>in</strong> dieser Kategorie verwendeten Flugzeug-<br />
typs, die betrieblichen Kostenfolgen durch die Airl<strong>in</strong>e geschätzt. Die direkt <strong>von</strong> der Flug-<br />
dauer abhängigen Kostenkomponenten (Treibstoffkosten) wurden <strong>in</strong>nerhalb der Katego-<br />
rie zusätzlich mit der effektiven Flugdauer skaliert, um e<strong>in</strong>e grössere Genauigkeit zu er-<br />
reichen.<br />
Die Wahrsche<strong>in</strong>lichkeiten, trotz ungünstigem Wetter landen zu können, wurden <strong>von</strong> den<br />
befragten Akteuren auf p=0.9999 (erwartet ungünstig) und q=0.9984 (unerwartet ungüns-<br />
tig) geschätzt. Diese Angaben basieren auf folgenden Überlegungen:<br />
/ 115<br />
57 Wir vernachlässigen <strong>in</strong> diesem Modell die Möglichkeit der Airl<strong>in</strong>es, e<strong>in</strong>e Planung ohne Ausweichflughafen aber mit zusätzlicher<br />
Zeitreserve durchzuführen. Dieses «ADNAR» genannte Spezial-Verfahren kommt nur bei Flügen unter 6 Stunden<br />
und bei gewissen meteorologischen Bed<strong>in</strong>gungen zur Anwendung. Aus den Daten der Airl<strong>in</strong>es hat sich gezeigt, dass der<br />
wirtschaftliche Unterschied zwischen ADNAR-Verfahren und Standard-Verfahren, relativ zu den anderen Effekten, kle<strong>in</strong> ist.
116 / 5 Aviatik<br />
— Erwartet ungünstiges Wetter: In diesem Fall kommt es praktisch nie zu e<strong>in</strong>er Diversion,<br />
weil die Airl<strong>in</strong>es gut vorbereitet s<strong>in</strong>d und die Schlechtwetterreserve, beispielsweise für<br />
längere Warteschlaufen, verwenden können.<br />
— Unerwartet ungünstiges Wetter: Auch <strong>in</strong> diesem Fall haben die Airl<strong>in</strong>es e<strong>in</strong>ige Optionen,<br />
da sie <strong>in</strong> jedem Fall, auch ohne explizite Schlechtwetterreserve, Reservetreibstoff dabei<br />
haben und diese e<strong>in</strong>setzen können. Ausserdem kann die Cockpit-Crew mit e<strong>in</strong>em<br />
«Commitment to Land», d.h. mit der Bekundung <strong>in</strong> jedem Fall <strong>in</strong> Zürich landen zu wollen,<br />
auch die für die Benutzung des Ausweichflughafens vorgesehene Reserve verwenden.<br />
Erst wenn das Wetter sehr viel schlechter als erwartet ist, steigt die Wahrsche<strong>in</strong>lichkeit<br />
für e<strong>in</strong>e Ausweichlandung deutlich an.<br />
Setzt man die Werte für p und q <strong>in</strong> das Modell e<strong>in</strong>, s<strong>in</strong>d die Anzahl der Ausweichlandungen<br />
im Modell und <strong>in</strong> der Realität <strong>in</strong> der gleichen Grössenordnung. Dies Verifikation bestätigt die<br />
Angaben der befragten Akteure zu den Wahrsche<strong>in</strong>lichkeiten p und q.<br />
Um der Bedeutung des Treibstoffpreises Rechnung zu tragen, wurde <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Szenarioanaly-<br />
se (siehe Kapitel 5.6.4) der Effekt <strong>von</strong> unterschiedlichen Treibstoffpreisen auf den <strong>Nutzen</strong><br />
des TAF analysiert. Im Basisszenario gehen wir <strong>von</strong> e<strong>in</strong>em Treibstoffpreis <strong>von</strong> 1.08 CHF / kg<br />
aus.<br />
Meteorologische Daten<br />
Die meteorologischen Daten basieren auf der Überprüfung der TAF-Prognosen (TAF-<br />
Verifikation) zwischen dem 1. April 2008 und dem 31. März 2010, welche <strong>von</strong> Meteo-<br />
Schweiz im Rahmen des Qualitätsmanagements standardmässig durchgeführt wird. Weil<br />
die TAF-Verifikation auf e<strong>in</strong>zelnen meteorologischen Parametern beruht und die zur Ver-<br />
fügung stehende Datengrundlage ke<strong>in</strong>e komb<strong>in</strong>ierten Auswertungen zuliess, basieren die<br />
meteorologischen Inputs auf der TAF-Verifikation des Parameters «Sicht» 58 . Die Wahl<br />
der Sicht als Leitparameter ist meteorologisch begründet, weil verschiedenste Wetter-<br />
phänomene e<strong>in</strong>en E<strong>in</strong>fluss auf die Sicht haben. Ausserdem ist die aktuelle Prognosequa-<br />
lität für diesen Parameter schlechter als für andere, was das Resultat der Schätzung be-<br />
lastbarer macht. Tabelle 34 zeigt die aus der TAF-Verifikation ermittelten relativen Fre-<br />
quenzen.<br />
58 E<strong>in</strong>e Komb<strong>in</strong>ation der Auswertungsresultate <strong>von</strong> verschiedenen E<strong>in</strong>zelparametern ist nicht möglich, da diese nicht unab-<br />
hängig s<strong>in</strong>d.
Tatsächliches Wetter<br />
ungünstig<br />
Tatsächliches Wetter<br />
günstig<br />
Prognose:<br />
Wetter ungünstig<br />
Prognose:<br />
Wetter günstig<br />
Total<br />
/ 117<br />
0.0796 0.0493 0.1289<br />
0.1266 0.7444 0.8711<br />
Total 0.2062 0.7938 1.0000<br />
Tabelle 34: Kont<strong>in</strong>genztabelle mit den durch die TAF-Verifikation ermittelten relativen Frequenzen<br />
5.6.4 Resultate<br />
Tabelle 35 fasst die Resultate des quantitativen Modells für die zwei berücksichtigten<br />
Airl<strong>in</strong>es zusammen. Die Berechnung basiert auf e<strong>in</strong>em Treibstoffpreis <strong>von</strong> 1.08 CHF / kg<br />
und den Angaben der Airl<strong>in</strong>es zum aktuellen Flugfahrplan.<br />
Airl<strong>in</strong>e 1<br />
(Netzwerk-Carrier)<br />
Airl<strong>in</strong>e 2<br />
(Po<strong>in</strong>t-to-Po<strong>in</strong>t-Carrier)<br />
Flüge bis 6 h Dauer 4.77 Mio. CHF/a 0.287 Mio. CHF/a<br />
Flüge ab 6 h Dauer 8.42 Mio. CHF/a Ke<strong>in</strong>e Flüge<br />
Total 13.19 Mio. CHF/a 0.287 Mio. CHF/a<br />
Tabelle 35: <strong>Nutzen</strong> des TAF am Flughafen Zürich für die beiden berücksichtigten Airl<strong>in</strong>es (Mio. CHF pro Jahr).<br />
Die Berechnungen basieren auf e<strong>in</strong>em Treibstoffpreis <strong>von</strong> 1.08 CHF / kg und auf den Angaben der<br />
Airl<strong>in</strong>es zum aktuellen Flugfahrplan.<br />
Die Auswertung des <strong>Nutzen</strong>s pro Landung zeigt e<strong>in</strong>deutig, dass der <strong>Nutzen</strong> des TAF mit<br />
der Flugdauer überproportional zunimmt (vgl. Figur 17).
118 / 5 Aviatik<br />
«<strong>Nutzen</strong> pro Landung nach Flugdauer»<br />
2000<br />
1500<br />
1000<br />
500<br />
0<br />
CHF 73<br />
CHF 195<br />
CHF 961<br />
CHF 1'780<br />
bis 3h bis 6h bis 10h ab 10h<br />
econcept<br />
Figur 17: <strong>Nutzen</strong> (CHF) des TAF pro Landung nach Flugdauer (Durchschnittswert für die beiden berücksichtigten<br />
Airl<strong>in</strong>es). <strong>Der</strong> <strong>Nutzen</strong> nimmt überproportional mit der Flugdauer zu.<br />
Folgende Resultate konnten durch die Auswertung des quantitativen Modells somit bes-<br />
tätigt werden:<br />
— Die Verfügbarkeit des TAF am Flughafen Zürich führt zu e<strong>in</strong>em relevanten wirtschaft-<br />
lichen Effekt bei den Airl<strong>in</strong>es, der für alle analysierten Flugverb<strong>in</strong>dungen positiv ist.<br />
— <strong>Der</strong> positive wirtschaftliche Effekt ist bei Langstreckenflügen besonders ausgeprägt,<br />
da die Treibstoffkosten hier besonders <strong>in</strong>s Gewicht fallen.<br />
Szenarien<br />
Das Modell basiert e<strong>in</strong>erseits auf Datenauswertungen (Flugfahrpläne, TAF-Verifikation)<br />
und andererseits auf E<strong>in</strong>schätzungen der befragten Akteure. Folgende Parameter wurden<br />
h<strong>in</strong>sichtlich ihres E<strong>in</strong>flusses auf das Endresultat und auf die Varianz der Angaben der<br />
Airl<strong>in</strong>es überprüft.<br />
Modellparameter Varianz bei den<br />
Angaben der Akteure<br />
1 Kostenfolgen e<strong>in</strong>er Ausweichlandung gross kle<strong>in</strong><br />
2 Wahrsche<strong>in</strong>lichkeiten p und q kle<strong>in</strong> gross<br />
3 Umfang der Schlechtwetterreserve kle<strong>in</strong> gross<br />
4 Umfang der Treibstoffreserve für den zweiten Ausweichflughafen mittel mittel<br />
5 Verbrauch mittel gross<br />
E<strong>in</strong>fluss auf<br />
den <strong>Nutzen</strong><br />
Tabelle 36: E<strong>in</strong>schätzung der <strong>von</strong> den Akteuren geschätzten Modellparametern h<strong>in</strong>sichtlich ihres E<strong>in</strong>flusses<br />
auf das Endresultat und h<strong>in</strong>sichtlich der Varianz der Angaben der Akteure.<br />
Basierend auf dieser E<strong>in</strong>schätzung (vgl. Tabelle 36) wurde e<strong>in</strong> M<strong>in</strong>imal- resp. e<strong>in</strong> Maxi-<br />
malszenario def<strong>in</strong>iert, welches die nutzenm<strong>in</strong>imierende resp. die nutzenmaximierende<br />
Komb<strong>in</strong>ation der Parameter 1, 4 und 5 enthält. Die im Szenario «plausibel» verwendeten<br />
Werte reflektieren die unserer Me<strong>in</strong>ung nach plausibelste Parameterkomb<strong>in</strong>ation. Die<br />
nachfolgende Tabelle fasst die so erhaltenen Resultate zusammen:
119<br />
«m<strong>in</strong>imal» «plausibel» «maximal»<br />
Airl<strong>in</strong>e 1 10.27 Mio. CHF/a 13.19 Mio. CHF/a 15.70 Mio. CHF/a<br />
Airl<strong>in</strong>e 2 0.285 Mio. CHF/a 0.287 Mio. CHF/a 0.288 Mio. CHF/a<br />
Tabelle 37: <strong>Nutzen</strong> des TAF am Flughafen Zürich (Mio. CHF pro Jahr). Szenarienanalyse für Airl<strong>in</strong>e 1 und<br />
Airl<strong>in</strong>e 2.<br />
Nebst den durch die Akteure geschätzten Modellparametern s<strong>in</strong>d der Treibstoffpreis und<br />
die Prognosequalität für das Endresultat sehr relevant.<br />
Veränderung des Treibstoffpreises<br />
<strong>Der</strong> Preis des verwendeten Treibstoffes (Keros<strong>in</strong> / «Jet Fuel A1») ist eng mit dem Erdöl-<br />
preis verknüpft und weist deshalb e<strong>in</strong>e grosse Varianz auf (vgl. Figur 18). Nebst dem<br />
Erdölpreis s<strong>in</strong>d auch Kursschwankungen für den effektiv zu bezahlenden Preis entschei-<br />
dend. <strong>Der</strong> dieser Studie zugrundeliegende Preis <strong>von</strong> 1.08 CHF/kg basiert e<strong>in</strong>erseits auf<br />
den E<strong>in</strong>schätzungen der befragten Akteure und andererseits auf dem aktuellen (April<br />
2011) Preis gemäss IATA-Preisbarometer 59 für Europa. Die Angaben der Airl<strong>in</strong>es decken<br />
sich <strong>in</strong> etwa mit dem <strong>von</strong> der IATA publizierten Preis.<br />
«Treibstoffpreisentwicklung 1990-2010»<br />
450<br />
400<br />
350<br />
300<br />
250<br />
200<br />
150<br />
100<br />
50<br />
0<br />
1990 1991 1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010<br />
Figur 18: Indexierte Treibstoffpreise (1990=100) für «Jet Fuel A1» zwischen 1990 und 2010. Quelle: EIA.<br />
econcept<br />
Tabelle 38 zeigt die Auswirkungen <strong>von</strong> möglichen Schwankungen des Treibstoffpreises<br />
auf den ausgewiesenen <strong>Nutzen</strong> des TAF am Flughafen Zürich. Die Berechungen basie-<br />
ren auf dem Szenario «plausibel». Die Preisveränderung um -20% resp. um +40% ent-<br />
sprechen etwa den stärksten Preisausschlägen <strong>in</strong> den letzen 5 Jahren.<br />
59 «International Air Transport Association» (http://www.iata.org, 15.4.2011)
120 / 5 Aviatik<br />
Treibstoffpreis «m<strong>in</strong>us 20%» Treibstoffpreis «aktuell» Treibstoffpreis «plus 40%»<br />
Treibstoffpreis 0.86 CHF/kg 1.08 CHF/kg 1.51 CHF/kg<br />
<strong>Nutzen</strong> Airl<strong>in</strong>e 1 10.53 Mio. CHF/a 13.19 Mio. CHF/a 18.52 Mio. CHF/a<br />
<strong>Nutzen</strong> Airl<strong>in</strong>e 2 0.228 Mio. CHF/a 0.287 Mio. CHF/a 0.405 Mio. CHF/a<br />
Tabelle 38: Analyse des Treibstoffpreiseffektes auf den <strong>Nutzen</strong> des TAF am Flughafen Zürich, basierend auf<br />
dem Szenario «plausibel»<br />
Viele Analysten gehen da<strong>von</strong> aus, dass der Erdölpreis und somit auch der Treibstoffpreis<br />
<strong>in</strong> Zukunft steigen werden (vgl. z.B. EIA 2010). Dies würde zu e<strong>in</strong>er Erhöhung des Nut-<br />
zens der <strong>Meteorologie</strong> führen. Dieser Entwicklung steht aber die Tendenz zu effizienteren<br />
Flugzeugen entgegen. Welcher Effekt stärker ist, lässt sich nicht im Rahmen dieser Un-<br />
tersuchung klären. Das Ziel der vorliegenden Studie ist, den aktuellen <strong>Nutzen</strong> der Meteo-<br />
rologie abzuschätzen. Aus diesem Grund gehen wir im Folgenden <strong>von</strong> e<strong>in</strong>em Treibstoff-<br />
preis <strong>von</strong> 1.08 CHF / kg aus.<br />
Veränderung der Prognosequalität<br />
E<strong>in</strong>e Veränderung der meteorologischen Prognosequalität hat e<strong>in</strong>en E<strong>in</strong>fluss auf den<br />
<strong>Nutzen</strong> des TAF. Die Simulation verschiedener Prognosequalitäten zeigte folgende Re-<br />
sultate:<br />
— Resultat 1: Steigt der Anteil der «zu negativen» Prognosen, s<strong>in</strong>kt der <strong>Nutzen</strong> für die<br />
Airl<strong>in</strong>es.<br />
— Resultat 2: Steigt der Anteil der «zu positiven» Prognosen, steigt der <strong>Nutzen</strong> für die<br />
Airl<strong>in</strong>es.<br />
— Resultat 3: Die Wirkung <strong>von</strong> «zu negativen» Prognosen auf den Gesamtnutzen ist<br />
stärker als die Wirkung <strong>von</strong> «zu positiven» Prognosen.<br />
Das erste Resultat ist <strong>in</strong>tuitiv verständlich. <strong>Der</strong> Grund für das zweite Resultat liegt <strong>in</strong> der<br />
folgenden Eigenschaft des Modells: Das hier vorgestellte Modell dient zur Analyse des<br />
aktuellen <strong>Nutzen</strong>s, es berücksichtigt deshalb den Zusammenhang zwischen der Wahr-<br />
sche<strong>in</strong>lichkeit q und dem Anteil der «zu positiven» Prognosen nicht. Es ist aber anzu-<br />
nehmen, dass die Wahrsche<strong>in</strong>lichkeit q mit dem Anteil der «zu positiven» Prognosen<br />
s<strong>in</strong>kt, was e<strong>in</strong>en negativen Effekt auf den <strong>Nutzen</strong> hätte. Je nach Stärke dieses Effektes<br />
ist nicht auszuschliessen, dass Resultat 2 und Resultat 1 identisch s<strong>in</strong>d.<br />
Durch die Erweiterung des Modells mit e<strong>in</strong>er dynamischen Komponente, liessen sich die<br />
oben beschriebenen dynamischen Effekte (Zusammenhang zwischen der Wahrsche<strong>in</strong>-<br />
lichkeit q und dem Anteil der «zu positiven» Prognosen) ebenfalls modellieren und so die<br />
Wirkung e<strong>in</strong>er Verschlechterung oder e<strong>in</strong>er Verbesserung der meteorologischen Dienst-<br />
leistungen auf den <strong>Nutzen</strong> abschätzen. So könnte beispielsweise die Frage beantwortet<br />
werden, wie viel zusätzlicher <strong>Nutzen</strong> e<strong>in</strong>e Verbesserung der TAF Qualität generieren<br />
würde.
5.7 Landesflughäfen<br />
Nebst der Flugsicherung und den Airl<strong>in</strong>es s<strong>in</strong>d die Landesflughäfen die dritte untersuchte<br />
Akteurgruppe im Bereich Aviatik.<br />
5.7.1 Verwendung <strong>von</strong> meteorologischen Informationen<br />
Die Landesflughäfen verwenden meteorologische Informationen zur Optimierung der<br />
betrieblichen Abläufe und zur Sicherstellung e<strong>in</strong>es zuverlässigen und sicheren Flugha-<br />
fenbetriebes. Meteorologische Informationen werden dabei durch verschiedene Stellen<br />
<strong>in</strong>nerhalb der Flughafenorganisation verwendet (Betriebsaufsicht, W<strong>in</strong>terdienst, Anbieter<br />
<strong>von</strong> Deic<strong>in</strong>g/Antiic<strong>in</strong>g usw.). Generell können zwei Verwendungszwecke unterschieden<br />
werden:<br />
— Auslösen <strong>von</strong> Warnungen: Starkw<strong>in</strong>de bee<strong>in</strong>trächtigen den Flugbetrieb und können<br />
/ 121<br />
e<strong>in</strong> Sicherheitsrisiko für die Mitarbeiter/<strong>in</strong>nen am Boden darstellen. Das Gleiche gilt<br />
für Blitze<strong>in</strong>schläge <strong>in</strong> stehende Flugzeuge: Diese können zu schweren Unfällen füh-<br />
ren, wenn Personen zum Zeitpunkt des E<strong>in</strong>schlages am Flugzeug tätig s<strong>in</strong>d. Meteoro-<br />
logische Informationen werden deshalb genutzt, um bei Starkw<strong>in</strong>den und bei Blitzge-<br />
fahr die Mitarbeiter/<strong>in</strong>nen zu warnen. Im Fall <strong>von</strong> erwarteten Blitzschlägen auf dem<br />
Flughafengelände wird e<strong>in</strong> sogenannter «Handl<strong>in</strong>g-Stopp» ausgesprochen, d.h. <strong>in</strong><br />
dieser Zeit werden ke<strong>in</strong>e Flugzeuge am Boden abgefertigt, das Landen und Starten<br />
ist aber weiterh<strong>in</strong> erlaubt.<br />
— Rechtzeitiges und zweckmässiges Aufbieten <strong>von</strong> Ressourcen: Dies betrifft vor allem<br />
den W<strong>in</strong>terdienst, der für die Schneeräumung und für die Flächenenteisung 60 zustän-<br />
dig ist.<br />
Welche meteorologischen Informationen konkret verwendet werden, ist je nach Verwen-<br />
dungszweck und Flughafen unterschiedlich.<br />
5.7.2 Wirkung auf die Wirtschaftlichkeit - Aussagen der Akteure<br />
Die volkswirtschaftlich relevanten Auswirkungen <strong>von</strong> meteorologischen Informationen <strong>in</strong><br />
Bezug auf die Wirtschaftlichkeit der Landesflughäfen s<strong>in</strong>d <strong>in</strong>sbesondere im W<strong>in</strong>terdienst<br />
gross. Bei der übrigen Nutzung <strong>von</strong> meteorologischen Informationen s<strong>in</strong>d die Effekte vor<br />
allem im Bereich der Sicherheit anzusiedeln (vgl. Kapitel 5.7.3).<br />
W<strong>in</strong>terdienst am Flughafen<br />
E<strong>in</strong>en relevanten Effekt auf die Wirtschaftlichkeit des Flughafens entfalten meteorologi-<br />
sche Informationen im Bereich des W<strong>in</strong>terdienstes. <strong>Der</strong> W<strong>in</strong>terdienst sichert die Verfüg-<br />
barkeit der Betriebsflächen des Flughafens im W<strong>in</strong>ter und ermöglicht so e<strong>in</strong>en sicheren<br />
und zuverlässigen Flughafenbetrieb. Die Tätigkeit im W<strong>in</strong>terdienst ist <strong>in</strong> der Regel mit<br />
e<strong>in</strong>er Doppelfunktion verbunden, vergleichbar mit der Betriebsfeuerwehr. Alle Mitarbei-<br />
60 <strong>Der</strong> Begriff Flächenenteisung wird für die Enteisung <strong>von</strong> Bodenflächen verwendet. Die Enteisung <strong>von</strong> Flugzeugen wird als<br />
Deic<strong>in</strong>g bezeichnet.
122 / 5 Aviatik<br />
ter/<strong>in</strong>nen des W<strong>in</strong>terdienstes üben e<strong>in</strong>e «reguläre» Tätigkeit am Flughafen aus und wer-<br />
den bei Bedarf zum E<strong>in</strong>satz im W<strong>in</strong>terdienst aufgeboten. Ausserhalb der normalen Be-<br />
triebszeiten wird mit e<strong>in</strong>er Pikettorganisation sichergestellt, dass die nötigen personellen<br />
Ressourcen auf Abruf bereit s<strong>in</strong>d. Nebst den eigenen Mitarbeiter/<strong>in</strong>nen unterstützen am<br />
untersuchten Landesflughafen auch externe Dienstleister den W<strong>in</strong>terdienst.<br />
Durch meteorologische Prognosen können die für die E<strong>in</strong>satzart (Flächenenteisung,<br />
Schneeräumung, komb<strong>in</strong>ierter E<strong>in</strong>satz) adäquaten Ressourcen <strong>in</strong> der richtigen Menge<br />
rechtzeitig aufgeboten werden. Dies betrifft <strong>in</strong>sbesondere die E<strong>in</strong>sätze <strong>in</strong> der Nacht, aus-<br />
serhalb der Betriebszeiten des Flughafens. Ausserhalb der Betriebszeiten muss mit e<strong>in</strong>er<br />
Vorlaufzeit <strong>von</strong> 1.5 Stunden vor dem E<strong>in</strong>satzbeg<strong>in</strong>n gerechnet werden. Ohne meteorolo-<br />
gische Informationen müssten daher entweder im W<strong>in</strong>ter ständig Ressourcen auf dem<br />
Flughafen bereitstehen, um im Bedarfsfall aktiv zu werden, oder man nähme an Schnee-<br />
tagen zusätzliche Betriebsstörungen <strong>in</strong> Kauf, weil die Ressourcen erst aufgeboten wür-<br />
den, sobald das störende Ereignis (z.B. Schnee, Eisglätte) auftritt.<br />
Da der Druck auf den Flughafen, e<strong>in</strong>en reibungslosen Betrieb sicherzustellen <strong>von</strong> allen<br />
Seiten gross ist, gehen die Verantwortlichen des berücksichtigten Landesflughafens da-<br />
<strong>von</strong> aus, dass ohne meteorologische Informationen e<strong>in</strong> grösserer Aufwand für den W<strong>in</strong>-<br />
terdienst betrieben und nicht zusätzliche Betriebsstörungen <strong>in</strong> Kauf genommen würden.<br />
<strong>Der</strong> zusätzliche Aufwand, der ohne meteorologische Informationen betrieben werden<br />
müsste, würde im W<strong>in</strong>terdienst zu folgenden Effekten führen:<br />
— Es gäbe bedeutend mehr E<strong>in</strong>sätze als heute, weil mehr präventiv gearbeitet würde.<br />
Beispielsweise würde <strong>in</strong> vielen Situationen im W<strong>in</strong>ter präventiv Enteisungsmittel aus-<br />
gebracht, um das gefährliche Vereisen der für den Flugbetrieb kritischen Flächen<br />
(Pisten, Rollwege, Standplätze) zu verh<strong>in</strong>dern. Diese E<strong>in</strong>sätze können heute dank der<br />
Verwendung <strong>von</strong> meteorologischen Prognosen weitgehend vermieden werden. Die<br />
Verantwortlichen des W<strong>in</strong>terdienstes gehen da<strong>von</strong> aus, dass es ohne meteorologi-<br />
sche Informationen zu rund dreimal mehr E<strong>in</strong>satzstunden als heute kommen würde.<br />
— Durch die zusätzlichen E<strong>in</strong>satzstunden müsste der Personalbestand des W<strong>in</strong>terdiens-<br />
tes aufgestockt werden. Man bräuchte, gemäss den Aussagen der Akteure, etwa 1/3<br />
mehr eigenes Personal, um e<strong>in</strong>en Schichtbetrieb während den W<strong>in</strong>termonaten auf-<br />
bauen zu können. Dies weil statt heute zwei, drei Personen pro Funktion nötig wären.<br />
Weil das «eigene» Personal immer e<strong>in</strong>e Doppelfunktion hat und der W<strong>in</strong>terdienst nur<br />
ergänzend zur eigentlichen Tätigkeit am Flughafen ausgeübt wird, müssten dadurch<br />
aber nicht unbed<strong>in</strong>gt im selben Umfang zusätzliche Personen e<strong>in</strong>gestellt werden; e<strong>in</strong><br />
Teil der zusätzlichen E<strong>in</strong>satzstunden würde <strong>in</strong> Überzeit geleistet. Es entstünden aber<br />
<strong>in</strong> jedem Fall Mehrkosten durch die Ausbildung und Ausrüstung der zusätzlichen Mit-<br />
arbeiter/<strong>in</strong>nen.<br />
Die zusätzlich benötigten Ressourcen wären vor allem Personalressourcen und Ressour-<br />
cen für Betriebsmittel (Enteiserflüssigkeit, Treibstoff). <strong>Der</strong> Masch<strong>in</strong>enpark h<strong>in</strong>gegen<br />
müsste nicht wesentlich ausgebaut werden, da sich die Spitzenbelastung, auf die der<br />
Masch<strong>in</strong>enpark heute ausgerichtet ist, ohne meteorologische Informationen nicht erhö-
hen würde. Weil für diese Studie ke<strong>in</strong>e betriebs<strong>in</strong>ternen Kostenansätze der Flughäfen<br />
verfügbar waren, lassen die Aussagen der befragten Akteure direkt ke<strong>in</strong>e quantitative<br />
<strong>Nutzen</strong>schätzung zu. E<strong>in</strong>e Schätzung des <strong>Nutzen</strong>s, basierend auf verfügbaren Kostenan-<br />
sätzen anderer Quellen, ist <strong>in</strong> Kapitel 5.7.4 enthalten.<br />
5.7.3 Wirkung auf die Qualität der Leistungserbr<strong>in</strong>gung - Aussagen der Akteure<br />
Verspätungen und Betriebsunterbrüche<br />
Das Fehlen <strong>von</strong> meteorologischen Informationen würde, ausser an Tagen die W<strong>in</strong>ter-<br />
dienst erfordern, nicht generell zu relevant mehr Verspätungen oder zu zusätzlichen Be-<br />
triebsunterbrüchen führen.<br />
An den Tagen, die W<strong>in</strong>terdienst erfordern (ca. 20-30 pro Jahr) ist h<strong>in</strong>gegen da<strong>von</strong> auszu-<br />
gehen, dass es zu längeren Verspätungen als heute kommen würde. Dies auch unter der<br />
im Abschnitt 5.7.2 beschriebenen Annahme, dass der W<strong>in</strong>terdienst aufgestockt würde.<br />
Ohne meteorologische Informationen zum Verlauf des Ereignisses kann das Aufgebot<br />
und der E<strong>in</strong>satz weniger optimal an die tatsächlichen Gegebenheiten angepasst werden.<br />
Dadurch würden die Verspätungen an den «W<strong>in</strong>terdienst-Tagen» länger als heute. Die<br />
Akteure gehen aber da<strong>von</strong> aus, dass die Verspätungen nicht zu zusätzlichen Ausfällen<br />
<strong>von</strong> Flügen führen würden. Grob geschätzt könnten die Verspätungen an «schlimmen»<br />
Tagen statt durchschnittlich 30 M<strong>in</strong>uten neu 1-2 Stunden betragen. Diese Schätzung<br />
lässt sich aber nicht überprüfen, da die effektiven Verspätungen vom Verhalten aller Ak-<br />
teure (Airl<strong>in</strong>es, andere Flughäfen, Flugsicherung) abhängig s<strong>in</strong>d und es somit nicht mög-<br />
lich ist, den Effekt <strong>von</strong> meteorologischen Informationen isoliert zu quantifizieren.<br />
Schadenswahrsche<strong>in</strong>lichkeit<br />
Gemäss den Aussagen, würde das Sicherheitsniveau beim Betrieb des Flughafens ohne<br />
meteorologische Informationen s<strong>in</strong>ken. Dies betrifft vor allem die Blitzwarnungen und den<br />
bodengebundenen Verkehr:<br />
— Bei fehlenden Blitz-Prognosen würde der «Handl<strong>in</strong>g-Stopp» erst verfügt, sobald die<br />
ersten Anzeichen für Blitze sichtbar wären.<br />
— Durch die fehlende Wetterprognose würde es wahrsche<strong>in</strong>lich vermehrt zu Strassen-<br />
/ 123<br />
unfällen auf dem Flughafen kommen, weil e<strong>in</strong>erseits die Qualität des W<strong>in</strong>terdienstes<br />
tendenziell s<strong>in</strong>ken würde und weil andererseits die Verkehrsteilnehmenden weniger<br />
gut <strong>in</strong>formiert und somit weniger vorsichtig wären.<br />
5.7.4 Würdigung der Resultate<br />
Die Aussagen der verschiedenen Akteure am berücksichtigten Flughafen s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> sich<br />
stimmig und ergeben e<strong>in</strong> klares Bild der Situation. Allerd<strong>in</strong>gs lassen sich die Resultate<br />
nur bed<strong>in</strong>gt auf die anderen Landesflughäfen übertragen, weil sich die Flughäfen h<strong>in</strong>-<br />
sichtlich ihrer Infrastruktur und den Bedürfnissen der Kunden erheblich unterscheiden.
124 / 5 Aviatik<br />
W<strong>in</strong>terdienst am Flughafen<br />
Uns liegen ke<strong>in</strong>e genauen Zahlen zu den Kosten des W<strong>in</strong>terdienstes an den Landesflug-<br />
häfen vor. Beim berücksichtigten Flughafen wurden <strong>in</strong> den letzen 5 Jahren im Durch-<br />
schnitt etwa 10’600 Stunden W<strong>in</strong>terdienst pro Jahr geleistet, da<strong>von</strong> etwa 7’800 Stunden<br />
im E<strong>in</strong>satz und der Rest als Bereitschaftszeit. Folgt man den Angaben der W<strong>in</strong>terdienste,<br />
müssten ohne meteorologische Informationen dreimal mehr E<strong>in</strong>satzstunden als heute<br />
geleistet werden, was e<strong>in</strong>em Zusatzaufwand <strong>von</strong> rund 15’600 Stunden 61 pro Jahr ent-<br />
sprechen würde. Es liegen uns ke<strong>in</strong>e Angaben zu den variablen betrieblichen Kosten<br />
(Aufwand für Person und Masch<strong>in</strong>e) pro E<strong>in</strong>satzstunde vor. Ausgehend <strong>von</strong> den Angaben<br />
anderer, ebenfalls im W<strong>in</strong>terdienst tätigen Akteuren und den durch das ASTRA 62 publi-<br />
zierten E<strong>in</strong>satzkosten im W<strong>in</strong>terdienst gehen wir für e<strong>in</strong>e grobe Schätzung der Zusatzkos-<br />
ten <strong>von</strong> e<strong>in</strong>em Ansatz <strong>von</strong> 90.00 CHF pro Stunde und Person (<strong>in</strong>kl. Gerätschaften) aus.<br />
Damit wäre der <strong>Nutzen</strong> aus der Verwendung <strong>von</strong> meteorologischen Informationen im<br />
W<strong>in</strong>terdienst des berücksichtigten Flughafens rund CHF 1.4 Mio. pro Jahr. Diese Kosten-<br />
schätzung enthält ke<strong>in</strong>e Kosten für die Aus- und Weiterbildung der zusätzlich benötigten<br />
Mitarbeiter/<strong>in</strong>nen und berücksichtigt nur die Veränderung der E<strong>in</strong>satzzeit.<br />
Weitere Effekte<br />
Die Nutzung <strong>von</strong> meteorologischen Informationen durch die Flughäfen reduziert wahr-<br />
sche<strong>in</strong>lich Verspätungen der Flüge und dadurch die Reisezeitkosten der Passagiere so-<br />
wie die Verspätungskosten für die Airl<strong>in</strong>es. E<strong>in</strong>e Quantifizierung dieses Effektes ist aber<br />
aufgrund der vorliegenden Untersuchungsresultate nicht möglich.<br />
Ebenfalls positiv wirken sich meteorologische Informationen auf die betriebliche Sicher-<br />
heit der Landesflughäfen aus. Ob und wie viele Unfälle aber tatsächlich verh<strong>in</strong>dert wer-<br />
den können, lässt sich nicht quantifizieren.<br />
5.7.5 Hub-Funktion des Flughafens Zürich<br />
Die Aussagen der berücksichtigten Akteure im Bereich Airl<strong>in</strong>es, Landesflughäfen und<br />
Flugsicherung lassen den Schluss zu, dass e<strong>in</strong> Fehlen <strong>von</strong> meteorologischen Informatio-<br />
nen den Betrieb des Flughafens Zürich als Hub <strong>in</strong> Frage stellen würde. Insbesondere die<br />
<strong>in</strong>terviewten Airl<strong>in</strong>es konnten plausibel darlegen, dass gute meteorologische Informatio-<br />
nen e<strong>in</strong>e nötige Voraussetzung für die Hub-Funktion des Flughafens Zürich s<strong>in</strong>d (siehe<br />
auch Kapitel 5.5).<br />
<strong>Der</strong> Flughafen Zürich hat zweifelsohne e<strong>in</strong>e grosse wirtschaftliche Bedeutung: Er bietet<br />
e<strong>in</strong>e Beschäftigung <strong>von</strong> rund 20'000 Vollzeitäquivalenten an und generiert e<strong>in</strong>e direkte<br />
Wertschöpfung <strong>von</strong> 5.1 Milliarden CHF pro Jahr (Infras 2009). Basierend auf den durch<br />
die Netzwerk-Carrier generierten Passagierzahlen, würde der Verlust der Hub-Funktion<br />
e<strong>in</strong>e Reduktion der wirtschaftlichen Bedeutung des Flughafens Zürich <strong>in</strong> der Grössenord-<br />
nung <strong>von</strong> 20-40% (1.02 – 2.04 Mrd. CHF direkte Wertschöpfung, 4000-8000 Vollzeitäqui-<br />
valenten) auslösen. Diese Reduktion der wirtschaftlichen Bedeutung ist aber nicht dem<br />
61 Heute werden 7’800 Stunden pro Jahr geleistet, neu wären es 23’400. Die Differenz beträgt 15’600 Stunden pro Jahr<br />
62 Bundesamt für Strassen (ASTRA)
<strong>volkswirtschaftliche</strong>n <strong>Nutzen</strong> der Hub-Funktion gleichzusetzen, da die freigewordenen<br />
Ressourcen <strong>in</strong>nerhalb der Volkswirtschaft für andere Tätigkeiten e<strong>in</strong>gesetzt werden kön-<br />
nen. Volkswirtschaftlich relevant ist nur der durch die Hub-Funktion des Flughafens gene-<br />
rierte Zusatznutzen, d.h. e<strong>in</strong> Vergleich des <strong>volkswirtschaftliche</strong>n <strong>Nutzen</strong>s <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Szena-<br />
rio mit Hub gegenüber e<strong>in</strong>em Szenario ohne Hub. E<strong>in</strong>e solche <strong>volkswirtschaftliche</strong> Kos-<br />
ten-<strong>Nutzen</strong>-Analyse liegt für den Flughafen Zürich nicht vor und lässt sich im Rahmen<br />
dieser Studie auch nicht erarbeiten. Aufgrund der verfügbaren Erkenntnisse lassen sich<br />
aber mögliche volkswirtschaftlich relevante Folgen des Verlusts der Hub-Funktion be-<br />
schreiben:<br />
— Die kle<strong>in</strong>ere Anzahl <strong>von</strong> Direktflügen reduziert den persönlichen <strong>Nutzen</strong> der Airl<strong>in</strong>e-<br />
/ 125<br />
Passagiere, da diese längere Reisezeiten und zusätzliche Zwischenstopps <strong>in</strong> Kauf<br />
nehmen müssen.<br />
— Als kle<strong>in</strong>e Volkswirtschaft mit starker <strong>in</strong>ternationalen Verflechtung und e<strong>in</strong>er bedeu-<br />
tenden Exportwirtschaft profitiert die Schweiz besonders <strong>von</strong> der grenzüberschreiten-<br />
den Arbeitsteilung. Gute Verkehrsverb<strong>in</strong>dungen, hierzu zählt auch die Verfügbarkeit<br />
<strong>von</strong> Direktflügen zu aussereuropäischen Dest<strong>in</strong>ationen, erleichtern e<strong>in</strong>e funktionie-<br />
rende Arbeitsteilung und s<strong>in</strong>d für die Schweiz deshalb wichtig. Insbesondere im H<strong>in</strong>-<br />
blick auf die Direkt<strong>in</strong>vestitionen ausländischer Unternehmen <strong>in</strong> der Schweiz ist die<br />
Anzahl <strong>von</strong> Direktverb<strong>in</strong>dungen <strong>von</strong> und nach Zürich wichtig, da diese Unternehmen<br />
beim Investitionsentscheid stark auf die verkehrstechnische Erschliessung achten<br />
(Schips 2005). Für den OECD-Raum lässt sich e<strong>in</strong> Zusammengang zwischen Direkt-<br />
<strong>in</strong>vestitionen und der Verfügbarkeit <strong>von</strong> Interkont<strong>in</strong>entalflügen statistisch nachweisen<br />
(Graf et al. 2000).<br />
— Geschäftlich genutzte Flugverb<strong>in</strong>dungen werden <strong>in</strong>sbesondere <strong>von</strong> hoch- und<br />
höchstqualifizierten Mitarbeiter/<strong>in</strong>nen <strong>in</strong> Anspruch genommen. Dies führt dazu, dass<br />
der Zugang zu guten Flugverb<strong>in</strong>dungen bei der Ansiedlung <strong>von</strong> Head Offices beson-<br />
ders wichtig ist (Laesser und Wittmer 2006). Ähnliche Überlegungen können auch <strong>in</strong><br />
Bezug auf die Bedeutung <strong>von</strong> Direktflugverb<strong>in</strong>dungen für die F<strong>in</strong>anzbranche gemacht<br />
werden. E<strong>in</strong>e Beziehung zwischen der Wirtschaftsstruktur und der Angebotsverände-<br />
rung <strong>von</strong> Flugverb<strong>in</strong>dungen über die Zeit konnte aber nicht nachgewiesen werden<br />
(Laesser und Wittmer 2006).<br />
— Durch die Hub-Funktion des Flughafens Zürich werden wesentlich mehr Flüge<br />
durchgeführt als dies ohne Hub der Fall wäre, was die durch den Flugverkehr verur-<br />
sachten <strong>volkswirtschaftliche</strong>n Kosten (z.B. Fluglärm) erhöht.<br />
Basierend auf den verfügbaren Informationen lässt sich die Frage nach den volkswirt-<br />
schaftlichen Auswirkungen der Hub-Funktion nicht umfassend beantworten. Es ist aber<br />
da<strong>von</strong> auszugehen, dass sich die Verfügbarkeit <strong>von</strong> direkten Interkont<strong>in</strong>entalflügen posi-<br />
tiv auf die Ansiedlung <strong>von</strong> mult<strong>in</strong>ationalen Unternehmen, (regionalen) Head Offices aus-<br />
ländischer Firmen und <strong>in</strong>ternational ausgerichteten Schweizer Unternehmen auswirkt und<br />
dass sich dadurch auch die Mitarbeiter/<strong>in</strong>nen dieser Unternehmen tendenziell im Gross-<br />
raum Zürich niederlassen. Unter der Annahme, dass dies relativ wertschöpfungs<strong>in</strong>tensive
126 / 5 Aviatik<br />
und überdurchschnittlich produktive Unternehmen resp. Unternehmensbereiche sowie<br />
überdurchschnittlich produktive Mitarbeiter/<strong>in</strong>nen s<strong>in</strong>d, kann <strong>von</strong> e<strong>in</strong>em positiven Effekt<br />
der Hub-Funktion auf die Durchschnittsproduktivität ausgegangen werden. Diesem po-<br />
tenziellen <strong>volkswirtschaftliche</strong>n <strong>Nutzen</strong> s<strong>in</strong>d aber die zusätzlichen <strong>volkswirtschaftliche</strong>n<br />
Kosten e<strong>in</strong>es Hub-Flughafens, im Vergleich zu e<strong>in</strong>em re<strong>in</strong>en Zubr<strong>in</strong>gerflughafen, entge-<br />
genzusetzten. Zur Klärung des Netto-Effekts wären weitgehende Untersuchungen der<br />
Kosten- und <strong>Nutzen</strong>aspekte nötig. Es kann da<strong>von</strong> ausgegangen werden, dass sowohl bei<br />
der Bewertung der Kosten als auch bei der Bewertung des <strong>Nutzen</strong>s grosse Interpretati-<br />
onsspielräume vorhanden s<strong>in</strong>d.<br />
5.8 Hochrechnungen<br />
5.8.1 Airl<strong>in</strong>es<br />
Meteorologische Informationen haben e<strong>in</strong>e bedeutende Wirkung auf die Wirtschaftlichkeit<br />
der Airl<strong>in</strong>es. Ausserdem wirken meteorologische Informationen auf die Pünktlichkeit der<br />
Flüge und dadurch zusätzlich auf die <strong>in</strong>dividuellen Reisezeitkosten der Passagiere 63 . Die<br />
berücksichtigten Airl<strong>in</strong>es konnten aber die Wirkung meteorologischer Informationen we-<br />
der auf die Wirtschaftlichkeit noch auf die Pünktlichkeit der Flüge quantifizieren. Somit ist<br />
e<strong>in</strong>e Hochrechnung des <strong>Nutzen</strong>s aus den geführten Interviews <strong>in</strong> diesem Bereich nicht<br />
möglich, auch wenn e<strong>in</strong> <strong>Nutzen</strong> zweifelsfrei vorhanden ist.<br />
5.8.2 Quantitatives Modell «TAF Zürich»<br />
In e<strong>in</strong>em ersten Schritt wurden die Resultate der Airl<strong>in</strong>e 1 und Airl<strong>in</strong>e 2 auf den gesamten<br />
Flugverkehr <strong>von</strong> schweizerischen Unternehmen am Flughafen Zürich hochgerechnet.<br />
Dies bildete die Grundlage für die weitere Hochrechung auf alle Landesflughäfen.<br />
Die direkt aus dem Modell stammenden Resultate basieren auf den aktuellen<br />
(2010/2011) Flugfahrplänen der Airl<strong>in</strong>e 1 und 2. Auf Basis der beiden Flugpläne wurde<br />
der durchschnittliche <strong>Nutzen</strong> pro Landung für die Fluggesellschaften berechnet (vgl. Ka-<br />
pitel 5.6). Um den <strong>Nutzen</strong> des TAF auch für die restlichen Flüge <strong>von</strong> schweizerischen<br />
Airl<strong>in</strong>es am Flughafen Zürich und an den anderen Landesflughäfen zu schätzen, wurden<br />
die für die beiden Airl<strong>in</strong>es ermittelten Werte mithilfe der Verkehrszahlen 2009 (BFS 2010)<br />
auf den gesamten Flughafen Zürich und auf die anderen Landesflughäfen hochgerech-<br />
net. Damit wurde implizit die Annahme getroffen, dass die Kosten pro Landung im Jahr<br />
2009 und 2010 gleich waren.<br />
Die beiden Airl<strong>in</strong>es, deren Flugfahrpläne <strong>in</strong> das Modell e<strong>in</strong>gespeist wurden, machen am<br />
Flughafen Zürich über 95% aller Landungen schweizerischer Unternehmen im Charter-<br />
und L<strong>in</strong>ienverkehr aus. <strong>Der</strong> ermittelte Wert für den Flughafen Zürich ist demnach zu über<br />
63 Verspätungen führen auch bei den Airl<strong>in</strong>es zu Kosten, diese s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> den Wirtschaftlichkeitsüberlegungen bereits enthalten.
95% direkt durch das Modell gestützt 64 . Für die Flughäfen Genf und Basel h<strong>in</strong>gegen exis-<br />
tiert ke<strong>in</strong> vergleichbares Modell zur Schätzung des <strong>Nutzen</strong>s des TAF. Die für diese Flug-<br />
häfen ermittelten Werte basieren deshalb auf der Hochrechung des <strong>Nutzen</strong>s am Flugha-<br />
fen Zürich.<br />
Zu den Flughäfen Genf und Basel werden im Vergleich zu Zürich weniger Langstrecken-<br />
flüge durchgeführt, wie aus der durchschnittlichen Flugdistanz ersichtlich ist (vgl. Tabelle<br />
39). Bei der Hochrechnung des für den Flughafen Zürich ermittelten <strong>Nutzen</strong>s auf alle<br />
Landesflughäfen wurde dies berücksichtigt, da der <strong>Nutzen</strong> pro Landung bei Langstre-<br />
ckenflügen wesentlich höher ist als bei Kurz- und Mittelstreckenflügen.<br />
/ 127<br />
Flughafen Zürich Flughafen Genf Flughafen Basel<br />
Durchschnittliche Flugdistanz (km) 1’451 1’016 721<br />
Anzahl Landungen schweizerischer Unternehmen 65'779 23'373 8'253<br />
Tabelle 39: Durchschnittliche Flugdistanz (km) und Anzahl Landungen schweizerischer Unternehmen im L<strong>in</strong>ien-<br />
oder Charterverkehr an den drei Landesflughäfen im Jahr 2009. Quelle: BFS 2010.<br />
Für die Schätzung des <strong>Nutzen</strong>s für schweizerische Airl<strong>in</strong>es an den Flughäfen Genf und<br />
Basel wurde deshalb der <strong>Nutzen</strong> pro Landung mit der durchschnittlichen Flugdistanz des<br />
jeweiligen Flughafens gewichtet. Die aus der Hochrechnung gewonnenen Werte für die<br />
im Kapitel 5.6.4 def<strong>in</strong>ierten Szenarien «m<strong>in</strong>imal», «plausibel» und «maximal» s<strong>in</strong>d <strong>in</strong><br />
Tabelle 40 ersichtlich.<br />
«m<strong>in</strong>imal» «plausibel» «maximal»<br />
Flughafen Zürich 10.75 Mio. CHF/a 13.81 Mio. CHF/a 16.50 Mio. CHF/a<br />
Flughafen Genf 2.67 Mio. CHF/a 3.44 Mio. CHF/a 4.11 Mio. CHF/a<br />
Flughafen Basel 0.67 Mio. CHF/a 0.86 Mio. CHF/a 1.03 Mio. CHF/a<br />
Alle Landesflughäfen 14.09 Mio. CHF/a 18.10 Mio. CHF/a 21.64 Mio. CHF/a<br />
Tabelle 40: Hochrechnung des wirtschaftlichen <strong>Nutzen</strong>s des TAF für die schweizerischen Airl<strong>in</strong>es an allen<br />
Landesflughäfen (Mio. CHF pro Jahr). Die Hochrechung basiert auf der Anzahl Landungen <strong>von</strong><br />
schweizerischen Unternehmen im L<strong>in</strong>ien- und Charterflugverkehr im Jahr 2009 und der durchschnittlichen<br />
Flugdistanz der Landesflughäfen.<br />
Vergleicht man die Anzahl Landungen mit der Verteilung des <strong>Nutzen</strong>s, stellt man fest,<br />
dass am Flughafen Zürich überproportional viel <strong>Nutzen</strong> anfällt (Figur 19). Dies ist e<strong>in</strong>e<br />
Folge der Unterschiede im Dest<strong>in</strong>ationsportfolio der drei Landesflughäfen.<br />
64 Für die restlichen Landungen (
128 / 5 Aviatik<br />
«Überproportionaler <strong>Nutzen</strong> des TAF am Flughafen Zürich»<br />
100%<br />
80%<br />
60%<br />
40%<br />
20%<br />
0%<br />
Anzahl Landungen 2009 Wirtschaftlicher <strong>Nutzen</strong> TAF für Airl<strong>in</strong>e<br />
Fughafen Basel<br />
Fughafen Genf<br />
Fughafen Zürich<br />
econcept<br />
Figur 19: Über ¾ des wirtschaftlichen <strong>Nutzen</strong>s des TAF für die schweizerischen Airl<strong>in</strong>es fällt am Flughafen<br />
Zürich an. Dies entspricht e<strong>in</strong>em überproportionalen Anteil und ist <strong>in</strong> der grösseren Bedeutung<br />
<strong>von</strong> Langstrecken am Flughafen Zürich begründet.<br />
5.8.3 Landesflughäfen<br />
Basierend auf den vorliegenden Erkenntnissen aus Kapitel 5.7 lassen sich bei den Lan-<br />
desflughäfen nur für den Teilaspekt «W<strong>in</strong>terdienst» quantitative Aussagen zum volkswirt-<br />
schaftlichen <strong>Nutzen</strong> machen. <strong>Der</strong> direkte <strong>Nutzen</strong> <strong>von</strong> meteorologischen Informationen im<br />
W<strong>in</strong>terdienst am berücksichtigten Flughafen ist etwa 1.4 Mio. CHF pro Jahr. Da bei den<br />
anderen Landesflughäfen ke<strong>in</strong>e Befragungen gemacht worden s<strong>in</strong>d, wird dieser <strong>Nutzen</strong><br />
als M<strong>in</strong>imalnutzen bezeichnet. Da jedoch nicht da<strong>von</strong> auszugehen ist, dass an den ande-<br />
ren Landesflughäfen ke<strong>in</strong> <strong>Nutzen</strong> durch meteorologische Informationen im W<strong>in</strong>terdienst<br />
generiert wird, wurde die <strong>Nutzen</strong>schätzung für den berücksichtigten Flughafen anhand<br />
der Flugbewegungen auf die anderen Landesflughäfen hochgerechnet. Dieses Szenario<br />
wird als «maximal» bezeichnet, da die anderen Landesflughäfen im Vergleich zum be-<br />
rücksichtigten Flughafen e<strong>in</strong>e weniger komplizierte Betriebsstruktur aufweisen und da-<br />
durch wahrsche<strong>in</strong>lich weniger <strong>von</strong> den meteorologischen Informationen im W<strong>in</strong>terdienst<br />
profitieren können. Um dieser Tatsache Rechnung zu tragen, wurde im Szenario «plausi-<br />
bel» der <strong>volkswirtschaftliche</strong> <strong>Nutzen</strong> <strong>von</strong> meteorologischen Informationen im W<strong>in</strong>terdienst<br />
mit e<strong>in</strong>em subjektiven Komplexitätsfaktor gewichtet. Dieser Faktor ist für den berücksich-<br />
tigten Flughafen 1.0 und für die anderen Landesflughäfen 0.5. Tabelle 41 weist den so<br />
hochgerechneten <strong>volkswirtschaftliche</strong>n <strong>Nutzen</strong> <strong>von</strong> meteorologischen Informationen im<br />
W<strong>in</strong>terdienst für die Szenarien «m<strong>in</strong>imal», «plausibel» und «maximal» aus.
<strong>Nutzen</strong> <strong>von</strong> meteorologischen<br />
Informationen im W<strong>in</strong>terdienst<br />
/ 129<br />
«m<strong>in</strong>imal» «plausibel» «maximal»<br />
1.40 Mio. CHF/a 1.93 Mio. CHF/a 2.45 Mio. CHF/a<br />
Tabelle 41: <strong>Nutzen</strong> <strong>von</strong> meteorologischen Informationen für den W<strong>in</strong>terdienst <strong>in</strong> Mio. CHF pro Jahr für alle<br />
drei Landesflughäfen. Das Szenario «m<strong>in</strong>imal» umfasst nur den berücksichtigten Flughafen und<br />
geht bei den anderen <strong>von</strong> ke<strong>in</strong>em <strong>Nutzen</strong> aus. In den Szenarien «plausibel» und «maximal» wurde<br />
der <strong>Nutzen</strong> für alle Landesflughäfen anhand der Flugbewegungen hochgerechnet. Das Szenario<br />
«plausibel» berücksichtigt ausserdem die Komplexität der e<strong>in</strong>zelnen Flughäfen, <strong>in</strong>dem der <strong>Nutzen</strong><br />
<strong>von</strong> meteorologischen Informationen durch e<strong>in</strong>en subjektiven Komplexitätsfaktor gewichtet<br />
wurde.<br />
5.9 Zusammenfassung<br />
Die Ergebnisse der vorliegenden Studie im Bereich Aviatik lassen sich folgendermassen<br />
zusammenfassen:<br />
Vermiedene<br />
Staatsausgaben<br />
Zusätzliche<br />
Wertschöpfung<br />
Vermiedene<br />
Schadenskosten<br />
Flugsicherung Ke<strong>in</strong> Effekt hoch,<br />
nicht quantifizierbar<br />
Airl<strong>in</strong>es 18.10 Mio. CHF/a nicht e<strong>in</strong>schätzbar,<br />
nicht quantifizierbar<br />
Landesflughäfen 1.93 Mio. CHF/a ger<strong>in</strong>g,<br />
nicht quantifizierbar<br />
Summe der quantifizierbaren<br />
Effekte<br />
20.03 Mio. CHF/a<br />
Vermiedene<br />
<strong>in</strong>dividuelle<br />
Reisezeiten<br />
hoch,<br />
nicht quantifizierbar<br />
hoch,<br />
nicht quantifizierbar<br />
ger<strong>in</strong>g,<br />
nicht quantifizierbar<br />
Tabelle 42: Volkswirtschaftlicher <strong>Nutzen</strong> <strong>von</strong> meteorologischen Informationen <strong>in</strong> der Aviatik, Zusammenfassung<br />
aller Resultate des Kapitels. Bei den quantitativen Angaben werden die plausibelsten Werte<br />
ausgewiesen.<br />
5.9.1 Staatsausgaben und Wertschöpfung<br />
In der vorliegenden Untersuchung konnten ke<strong>in</strong>e Anhaltspunkte gefunden werden, dass<br />
meteorologische Informationen auf die Höhe der Staatsausgaben <strong>in</strong> der Aviatik e<strong>in</strong>en<br />
wesentlichen E<strong>in</strong>fluss haben. Meteorologische Informationen haben jedoch e<strong>in</strong>e Wirkung<br />
auf die Wirtschaftlichkeit der meisten Akteure <strong>in</strong> der Aviatik:<br />
— Bei den Airl<strong>in</strong>es ist die positive Wirkung meteorologischer Informationen auf die Wirt-<br />
schaftlichkeit sehr ausgeprägt. <strong>Der</strong> <strong>Nutzen</strong> entsteht <strong>in</strong>sbesondere bei der Optimie-<br />
rung der Routenplanung, bei der Vermeidung <strong>von</strong> unnötigen Treibstoffreserven, beim<br />
«Irregularity Handl<strong>in</strong>g» und bei der Vermeidung <strong>von</strong> taktischen und strategischen<br />
Verspätungskosten. Aufgrund der Komplexität des Systems und weil die Frage für die<br />
Airl<strong>in</strong>es an sich nicht relevant ist, waren die berücksichtigten Unternehmen nicht <strong>in</strong><br />
der Lage, das Ausmass des <strong>Nutzen</strong>s quantitativ abzuschätzen. Die qualitative Argu-
130 / 5 Aviatik<br />
mentation lässt aber e<strong>in</strong>en hohen <strong>Nutzen</strong> vermuten. Flughafenwetterprognosen (TAF)<br />
s<strong>in</strong>d für die Airl<strong>in</strong>es e<strong>in</strong> sehr wichtiges Arbeits<strong>in</strong>strument. <strong>Der</strong> Gesamtnutzen der me-<br />
teorologischen Informationen ist für die Airl<strong>in</strong>es m<strong>in</strong>destens so gross wie der wirt-<br />
schaftliche <strong>Nutzen</strong> des TAF. Für den Fall des Flughafens Zürich konnte der <strong>Nutzen</strong><br />
des TAF durch die Modellierung des Entscheidungsverhaltens der Airl<strong>in</strong>es auf 10.75<br />
bis 16.50 Mio. CHF pro Jahr geschätzt werden. Basierend auf den Landungen im<br />
Jahr 2009 und e<strong>in</strong>em distanzgewichteten <strong>Nutzen</strong> pro Landung erfolgte die Hochrech-<br />
nung des <strong>Nutzen</strong>s auf die übrigen Landesflughäfen. <strong>Der</strong> so ermittelte Gesamtnutzen<br />
für alle Flughäfen liegt zwischen 14.09 und 21.64 Mio. CHF pro Jahr. <strong>Der</strong> plausibelste<br />
Wert ist 18.10 Mio. CHF pro Jahr.<br />
— Bei den Landesflughäfen ist die positive Wirkung auf die Wirtschaftlichkeit im Teilbe-<br />
reich «W<strong>in</strong>terdienst» ebenfalls ausgeprägt. Dank meteorologischen Informationen<br />
können die W<strong>in</strong>terdienste<strong>in</strong>sätze effizienter geplant und durchgeführt werden. Durch<br />
die Fallanalyse bei e<strong>in</strong>em Landesflughafen konnte der <strong>Nutzen</strong> im Bereich des W<strong>in</strong>ter-<br />
dienstes für alle Landesflughäfen auf 1.4 bis 2.45 Mio. CHF pro Jahr geschätzt wer-<br />
den. <strong>Der</strong> plausibelste Wert liegt bei 1.93 Mio. CHF pro Jahr.<br />
— Für die Flugsicherung h<strong>in</strong>gegen ist der E<strong>in</strong>fluss <strong>von</strong> meteorologischen Informationen<br />
auf die Wirtschaftlichkeit nicht relevant. Dies liegt <strong>in</strong>sbesondere an der Bemessungs-<br />
grundlage der Gebühren.<br />
Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass sich der durch diese Studie quantifizierbare<br />
<strong>Nutzen</strong> <strong>von</strong> meteorologischen Informationen im H<strong>in</strong>blick auf die Wirtschaftlichkeit auf<br />
15.49 bis 24.09 Mio. CHF pro Jahr beläuft. <strong>Der</strong> plausibelste Wert ist 20.03 Mio. CHF pro<br />
Jahr (Tabelle 43).<br />
«m<strong>in</strong>imal» «plausibel» «maximal»<br />
Modell TAF 14.09 Mio. CHF/a 18.10 Mio. CHF/a 21.64 Mio. CHF/a<br />
W<strong>in</strong>terdienst 1.40 Mio. CHF/a 1.93 Mio. CHF/a 2.45 Mio. CHF/a<br />
Total 15.49 Mio. CHF/a 20.03 Mio. CHF/a 24.09 Mio. CHF/a<br />
Tabelle 43: Volkswirtschaftlicher <strong>Nutzen</strong> der Wirtschaftlichkeitssteigerungen, die durch die Verwendung <strong>von</strong><br />
meteorologischen Informationen <strong>in</strong> der Aviatik ausgelöst werden.<br />
5.9.2 Schadenskosten<br />
Meteorologische Informationen bee<strong>in</strong>flussen <strong>in</strong> allen Bereichen der Aviatik (Airl<strong>in</strong>es,<br />
Flughäfen, Flugsicherung) die Sicherheit des Flugbetriebes. Insbesondere führen meteo-<br />
rologische Informationen dazu, dass die beteiligten Personen wie beispielsweise Pi-<br />
lot/<strong>in</strong>nen oder Fluglotsen/Fluglots<strong>in</strong>nen, besser auf meteorologische Schwierigkeiten vor-<br />
bereitet s<strong>in</strong>d und dass es daher seltener zu Stresssituationen kommt. Weil Unfälle häufig<br />
<strong>in</strong> Stresssituationen geschehen, ist da<strong>von</strong> auszugehen, dass die Unfallwahrsche<strong>in</strong>lichkeit<br />
durch die Nutzung <strong>von</strong> meteorologischen Informationen tendenziell s<strong>in</strong>kt. Diese Aussage<br />
wurde durch die beteiligten Akteure mehrheitlich gestützt. E<strong>in</strong>ige Akteure gehen h<strong>in</strong>ge-<br />
gen da<strong>von</strong> aus, dass sich das Sicherheitsniveau nicht wesentlich ändern würde, weil sich
die betroffenen Personen und Unternehmen vorsichtiger verhalten und beispielsweise<br />
grössere Sicherheitsmargen e<strong>in</strong>planen würden. Dies hätte unter Umständen e<strong>in</strong>e Erhö-<br />
hung der Betriebskosten für die Airl<strong>in</strong>es zu Folge.<br />
5.9.3 Individuelle Reisezeiten<br />
Es muss bei den <strong>in</strong>dividuellen Reisezeiten da<strong>von</strong> ausgegangen werden, dass diese mit<br />
schlechteren oder nicht verfügbaren meteorologischen Informationen steigen würden.<br />
Ähnlich wie bei den Schadenskosten kann der tatsächliche <strong>Nutzen</strong> aber nicht aufgrund<br />
der im Rahmen dieser Studie durchgeführten Erhebungen quantifiziert werden. Es kann<br />
aber da<strong>von</strong> ausgegangen werden, dass der <strong>Nutzen</strong> im Bereich der <strong>in</strong>dividuellen Reisezei-<br />
ten, aufgrund der vielen betroffenen Passagiere, e<strong>in</strong>e wesentliche <strong>Nutzen</strong>komponente<br />
darstellt.<br />
5.10 Vergleich mit <strong>in</strong>ternationalen Studien<br />
Die <strong>in</strong>ternational verfügbare Literatur zum <strong>volkswirtschaftliche</strong>n <strong>Nutzen</strong> der <strong>Meteorologie</strong><br />
im Aviatikbereich kann grob <strong>in</strong> zwei Kategorien e<strong>in</strong>geteilt werden: E<strong>in</strong>erseits existieren<br />
generische Studien zum <strong>Nutzen</strong> der <strong>Meteorologie</strong>, <strong>in</strong>nerhalb derer die Aviatik als Branche<br />
gesamthaft analysiert wird. Andererseits entstanden <strong>in</strong> den letzen Jahren e<strong>in</strong>ige Studien,<br />
die sich mit e<strong>in</strong>em Teilbereich der Verwendung <strong>von</strong> meteorologischen Informationen<br />
ause<strong>in</strong>andersetzten. Letztere s<strong>in</strong>d oft sehr spezifische Analysen e<strong>in</strong>es bestimmten mete-<br />
orologischen Produktes oder e<strong>in</strong>es bestimmten Problemfeldes (z.B. Verspätungen).<br />
Generische Studien zum <strong>Nutzen</strong> der <strong>Meteorologie</strong><br />
Hautala und Leviäkangas (2007) sowie Leviäkangas und Hautala (2009) 65 schätzen den<br />
<strong>Nutzen</strong> der f<strong>in</strong>nischen <strong>Meteorologie</strong> <strong>in</strong> der Aviatik auf 54 Mio. Euro pro Jahr. Da<strong>von</strong> ent-<br />
fällt der grösste Teil des <strong>Nutzen</strong>s (46 Mio. Euro pro Jahr) auf die Verh<strong>in</strong>derung <strong>von</strong> Flug-<br />
unfällen. Bei den Flughäfen schätzen die Autoren den <strong>Nutzen</strong> der <strong>Meteorologie</strong> auf 3<br />
Mio. Euro pro Jahr und bei den Airl<strong>in</strong>es (Treibstoffe<strong>in</strong>sparungen) auf 4 Mio. Euro pro<br />
Jahr. Die Resultate basieren <strong>in</strong> erster L<strong>in</strong>ie auf der Skalierung <strong>von</strong> Resultaten ausländi-<br />
scher Studien (beispielsweise Pra<strong>in</strong>o und Tre<strong>in</strong>ish 2005, Anaman et al. 1997 oder Leigh<br />
1995) auf f<strong>in</strong>nische Grössenverhältnisse.<br />
Die Schätzung der verh<strong>in</strong>derten Schadenskosten basieren Hautala und Leviäkangas auf<br />
der Annahme, dass die Abnahme wetterbed<strong>in</strong>gter Unfälle <strong>in</strong> den letzten 40 Jahren zu<br />
e<strong>in</strong>em Drittel auf die Verwendung <strong>von</strong> meteorologischen Informationen zurückzuführen<br />
ist. Daraus schliessen sie, dass dank meteorologischen Informationen alle 2 Jahre e<strong>in</strong><br />
gravierender Flugunfall verh<strong>in</strong>dert werden konnte. Diese Resultate liessen sich durch die<br />
im Rahmen unserer Studie durchgeführten Untersuchungen und Gespräche jedoch nicht<br />
bestätigen.<br />
/ 131<br />
65 Leviäkangas und Hautala (2009) ist die englischsprachige Zusammenfassung <strong>von</strong> der nur auf F<strong>in</strong>nisch verfügbaren Publikation<br />
Hautala und Leviäkangas (2007). Leviäkangas und Hautala (2009) enthält ke<strong>in</strong>e detaillierten Angaben zum Vorgehen<br />
der Autoren.
132 / 5 Aviatik<br />
Die <strong>von</strong> Leviäkangas et al. (2007) durchgeführte Untersuchung zum <strong>Nutzen</strong> des kroati-<br />
schen meteorologischen Dienstes schätzt den <strong>Nutzen</strong> im Bereich der Aviatik auf 6 Mio.<br />
Euro pro Jahr (1 Mio. Treibstoffe<strong>in</strong>sparungen, 5 Mio. verh<strong>in</strong>derte Schadenskosten). Die<br />
Resultate basieren mehrheitlich auf e<strong>in</strong>er Anpassung der f<strong>in</strong>nischen Studie <strong>von</strong> Hautala<br />
und Leviäkangas auf die kroatischen Verhältnisse.<br />
Spezifische Studien zum <strong>Nutzen</strong> der <strong>Meteorologie</strong> <strong>in</strong> der Aviatik<br />
Im Folgenden werden exemplarisch e<strong>in</strong>ige <strong>in</strong>teressante <strong>in</strong>ternationale Studien beschrie-<br />
ben, die Teilaspekte der Aviatik im Bezug auf die Verwendung und den <strong>Nutzen</strong> <strong>von</strong> me-<br />
teorologischen Informationen analysieren. Diese Untersuchungen stützen sich mehr oder<br />
weniger ausschliesslich auf aufwändige quantitative Analysen und numerische Modelle.<br />
— Leigh (1995) sowie Leigh, Drake und Thampapillai (1995) analysieren den <strong>Nutzen</strong><br />
des TAF für die <strong>in</strong>ternationalen Flüge der Fluggesellschaft Qantas am Flughafen<br />
Sydney. <strong>Der</strong> Wert des TAF wurde <strong>von</strong> den Autoren auf m<strong>in</strong>destens 6.9 Mio. AUD1995<br />
pro Jahr geschätzt (entspricht 10.20 Mio. AUD2010 66 resp. 9.67 Mio. CHF2010). E<strong>in</strong>e<br />
sehr grobe Schätzung der Autoren geht <strong>von</strong> e<strong>in</strong>em <strong>Nutzen</strong> <strong>von</strong> 24.18 Mio. CHF2010 für<br />
alle Airl<strong>in</strong>es im Jahr 1995 aus 67 . Korrigiert man diesen Wert mit der Entwicklung der<br />
Passagierzahlen der <strong>in</strong>ternationalen Flüge am Flughafen Sydney 68 ergibt sich e<strong>in</strong><br />
<strong>Nutzen</strong> <strong>von</strong> 31.84 Mio. CHF2010 pro Jahr für alle <strong>in</strong>ternationalen Flüge am Flughafen<br />
Sydney im Jahr 2010 69 . Die Arbeiten <strong>von</strong> Leigh, Drake und Thampapillai bildeten die<br />
Grundlage des quantitativen Modells «TAF Zürich». E<strong>in</strong> direkter Vergleich der Resul-<br />
tate ist jedoch nicht möglich, da e<strong>in</strong>erseits die betrieblichen und meteorologischen<br />
Voraussetzungen <strong>in</strong> Sydney und <strong>in</strong> Zürich sehr unterschiedlich s<strong>in</strong>d und andererseits<br />
weil zwischen den Studien 15 Jahre liegen, <strong>in</strong> denen sich die technischen und be-<br />
trieblichen Bed<strong>in</strong>gungen <strong>in</strong> der Aviatik und <strong>in</strong> der <strong>Meteorologie</strong> wesentlich verändert<br />
haben.<br />
— Kle<strong>in</strong>, Kavoussi und Lee (2009) berechneten anhand e<strong>in</strong>er Computersimulation die<br />
Auswirkungen der wetterbed<strong>in</strong>gten Flug-Verspätungen <strong>in</strong> den USA im Jahr 2000.<br />
Durch e<strong>in</strong>e Monetarisierung der Verspätungen (53 US$ pro M<strong>in</strong>ute resp. 10’000 US$<br />
pro Flug) schätzen die Autoren, dass für die Airl<strong>in</strong>es <strong>in</strong> den USA durch wetterbed<strong>in</strong>g-<br />
ten Verspätungen Kosten im Umfang <strong>von</strong> 330 bis 450 US$ pro Jahr entstehen.<br />
— E<strong>in</strong>e andere Studie aus den USA schätzt die Gesamtkosten <strong>von</strong> wetterbed<strong>in</strong>gten Ver-<br />
spätungen <strong>in</strong> den USA im Jahr 2000 auf 4.2 Milliarden US$. Da<strong>von</strong> wären schät-<br />
zungsweise 1.3 Milliarden US$ (30%) durch perfekte Prognosen vermeidbar (Tre<strong>in</strong>ish<br />
und Pra<strong>in</strong>o 2005).<br />
66 Quelle: Reserve Bank of Australia<br />
67 Gemäss Leigh, Drake und Thampapillai (1995) führte Qantas 1994 rund 40% aller <strong>in</strong>ternationalen Flüge nach Australien<br />
durch. Unter der Annahme, dass dies auch für den Flughafen Sydney zutreffend ist, ergibt sich e<strong>in</strong> <strong>Nutzen</strong> <strong>von</strong> 24.18 Mio.<br />
CHF2010 für alle <strong>in</strong>ternationalen Flüge zum Flughafen Sydney.<br />
68 Quelle: Flughafen Sydney, Historic Traffic Data, www.sydneyairport.com.au/SACL/Historical-Traffic.html (21.4.2011).<br />
69 Basierend auf der Entwicklung der historischen Daten 2000 bis 2009 wurde das Passagieraufkommen aus <strong>in</strong>ternationalen<br />
Flügen für die Jahre 2010 und 1995 auf 10.8 resp. 8.2 Mio. PAX/a geschätzt.
— E<strong>in</strong>e Untersuchung <strong>von</strong> Allan, Gaddy und Evans (2001) analysiert die E<strong>in</strong>führung<br />
Fazit<br />
/ 133<br />
e<strong>in</strong>es <strong>in</strong>tegrierten Wettersystems («Integrated Term<strong>in</strong>al Weather System», ITWS) für<br />
die New Yorker Flughäfen. Das ITWS soll gemäss den Autoren durch verh<strong>in</strong>derte<br />
Verspätungen jährliche E<strong>in</strong>sparungen <strong>von</strong> rund 150 Mio. US$ e<strong>in</strong>br<strong>in</strong>gen.<br />
Die Analyse <strong>von</strong> <strong>in</strong>ternationalen Studien im Umfeld der Aviatik zeigt das aus den Befra-<br />
gungen bekannte Bild: Das Gesamtsystem Aviatik ist so kompliziert, dass, trotz teilweise<br />
sehr grossem Aufwand, nur e<strong>in</strong>zelne Teilaspekte des <strong>Nutzen</strong>s der <strong>Meteorologie</strong> quantita-<br />
tiv analysiert werden können.<br />
Es ist ausserdem anzumerken, dass die vorliegenden Resultate aus dem Ausland nicht<br />
generell auf die Schweiz skalierbar s<strong>in</strong>d, da die meteorologischen, geographischen und<br />
betriebswirtschaftlichen Rahmenbed<strong>in</strong>gungen sehr unterschiedlich s<strong>in</strong>d. Dies gilt <strong>in</strong>sbe-<br />
sondere für die Aviatik, die <strong>in</strong> der Schweiz und <strong>in</strong> Europa viel kle<strong>in</strong>räumiger organisiert ist<br />
als beispielsweise <strong>in</strong> den USA oder <strong>in</strong> Australien. Wenn auch die Resultate der hier prä-<br />
sentierten ausländischen Studien nicht direkt auf die Schweiz übertragbar s<strong>in</strong>d, so kön-<br />
nen die verwendeten Methoden durchaus als Grundlage für Studien <strong>in</strong> der Schweiz ver-<br />
wendet werden. Dies wurde beispielsweise im Rahmen der vorliegenden Studie mit dem<br />
quantitativen Modell «TAF Zürich» erfolgreich gemacht.
6 Elektrizitätswirtschaft<br />
Meteorologische Phänomene bee<strong>in</strong>flussen alle Akteure der Elektrizitätswirtschaft, weil<br />
sowohl die Produktion, der Verbrauch als auch der Transport <strong>von</strong> Strom wesentlich <strong>von</strong><br />
meteorologischen Grössen abhängig s<strong>in</strong>d. Überdies spielt die Elektrizitätswirtschaft bei<br />
der Regulierung <strong>von</strong> Flüssen und Seen e<strong>in</strong>e gewisse Rolle, da die Stauanlagen zur<br />
Stromerzeugung auch für diesen Zweck e<strong>in</strong>gesetzt werden können.<br />
Durch den Zubau <strong>von</strong> Produktionskapazitäten im Bereich der erneuerbaren Energien,<br />
<strong>in</strong>sbesondere bei W<strong>in</strong>d und Photovoltaik, nimmt die Bedeutung des Wetters für die Elekt-<br />
rizitätswirtschaft tendenziell zu und damit auch die Bedeutung <strong>von</strong> meteorologischen<br />
Informationen für die Elektrizitätswirtschaft.<br />
6.1 Meteorologische Informationen <strong>in</strong> der Elektrizitätswirtschaft<br />
Das Ausmass der Verwendung und der genutzte Detaillierungsgrad <strong>von</strong> meteorologi-<br />
schen Informationen s<strong>in</strong>d <strong>in</strong>nerhalb der Elektrizitätswirtschaft sehr unterschiedlich. Insge-<br />
samt lässt sich aber sagen, dass vor allem folgende Informationen genutzt werden:<br />
— Kurzfristige Prognosen <strong>von</strong> meteorologischen Grössen wie Temperatur, Niederschlä-<br />
ge, W<strong>in</strong>dgeschw<strong>in</strong>digkeit, W<strong>in</strong>drichtung und Globalstrahlung für die nächsten Tage.<br />
— Mittelfristige Prognosen der genannten Parameter bis zu zwei Wochen.<br />
— E<strong>in</strong>schätzung der langfristigen meteorologischen Entwicklung <strong>in</strong> e<strong>in</strong>zelnen Gebieten,<br />
/ 135<br />
<strong>in</strong>sbesondere h<strong>in</strong>sichtlich der Art und Menge <strong>von</strong> Niederschlägen (Schnee oder Re-<br />
gen) und der damit verbundenen Entwicklung der Gletscher und Abflussregimes.<br />
Die Schweiz ist durch die zentrale geographische Lage, durch die Verfügbarkeit <strong>von</strong> rela-<br />
tiv grossen Produktions- und Speicherkapazitäten im Bereich der Wasserkraft sowie<br />
durch den länderübergreifenden Elektrizitätsmarkt eng mit Europa verknüpft. Im Gegen-<br />
satz zu anderen Branchen s<strong>in</strong>d daher auch meteorologische Informationen über das eu-<br />
ropäische Ausland <strong>von</strong> Bedeutung für schweizerische Unternehmen. Dies gilt <strong>in</strong>sbeson-<br />
dere für die grossen Energiemärkte Deutschland, Italien und Frankreich.<br />
6.2 Analyserahmen und Akteure<br />
<strong>Der</strong> Analyserahmen der vorliegenden Studie umfasst <strong>in</strong> erster L<strong>in</strong>ie Energieversorgungs-<br />
unternehmen (EVU) <strong>in</strong> der Schweiz. Um e<strong>in</strong>e möglichst komplette Analyse vornehmen zu<br />
können, wurden die EVU sowohl h<strong>in</strong>sichtlich ihrer Grösse als auch h<strong>in</strong>sichtlich ihres Tä-<br />
tigkeitsbereiches ausgewählt. Insbesondere umfasst die vorliegende Studie die folgenden<br />
Tätigkeitsbereiche <strong>von</strong> Energieversorgungsunternehmen:
136 / 6 Elektrizitätswirtschaft<br />
— Stromproduktion aus Speicher- und Pumpspeicherkraftwerken<br />
— Stromproduktion aus Flusskraftwerken<br />
— Stromproduktion aus Photovoltaik- und W<strong>in</strong>dkraftanlagen<br />
— Stromhandel zum preisoptimalen E<strong>in</strong>satz der eigenen Assets (Kraftwerke, Speicher-<br />
kapazitäten, langfristige Liefer- und Abnahmeverträge). Dieser Handel wird auch als<br />
«Asset-based Trad<strong>in</strong>g» bezeichnet.<br />
— Handel mit auf dem Strompreis aufgebauten F<strong>in</strong>anzgeschäften (Strom-<strong>Der</strong>ivate 70 ) zur<br />
Erzielung e<strong>in</strong>er Handelsmarge<br />
— Stromvertrieb und Betrieb der eigenen Versorgungsnetze<br />
Insgesamt wurden drei grosse Stromverbundunternehmen mit mehr als 10’000 GWh<br />
Produktion pro Jahr, sowie drei mittelgrosse, vor allem regional tätige EVU befragt. Er-<br />
gänzend wurden die nationale Netzbetreiber<strong>in</strong> Swissgrid und weitere Akteure 71 berück-<br />
sichtigt.<br />
Anzahl Unternehmen/Akteure<br />
<strong>in</strong> der Schweiz<br />
Anzahl befragte Unternehmen/Akteure<br />
<strong>in</strong> der Schweiz<br />
Grosse Stromverbundunternehmen 3 3<br />
Regionale Energieversorgungsunternehmen ca. 23 3<br />
Netzbetreibergesellschaften 1 1<br />
Weitere Akteure - 2<br />
Tabelle 44: Übersicht über die befragten Akteure der Elektrizitätswirtschaft. Quelle: «<strong>Der</strong> Schweizer Stromkuchen»,<br />
avenirsuisse 2010.<br />
Die grossen Stromverbundunternehmen weisen e<strong>in</strong> sehr differenziertes Produktionsport-<br />
folio im In- und Ausland auf und s<strong>in</strong>d sowohl im Asset-based Trad<strong>in</strong>g wie auch im Handel<br />
mit Strom-<strong>Der</strong>ivaten tätig. Sie liefern e<strong>in</strong>en grossen Teil des produzierten Stroms nicht<br />
direkt an Endverbraucher, sondern sie beliefern andere, meist kle<strong>in</strong>ere EVU.<br />
Die Gruppe der mittelgrossen, regionalen EVU ist ausgesprochen heterogen. Die produ-<br />
zierte Strommenge ist unter 10’000 GWh pro Jahr und das Produktionsportfolio ist <strong>in</strong> der<br />
Regel weniger differenziert. Ausserdem wird <strong>in</strong> dieser Gruppe der Stromhandel haupt-<br />
sächlich zur Deckung des Bedarfs der eigenen Kunden und zum Verkauf <strong>von</strong> Überkapa-<br />
zität getätigt.<br />
70 <strong>Der</strong>ivate s<strong>in</strong>d abgeleitete F<strong>in</strong>anzgeschäfte, deren Wert durch den Preis des zugrundeliegenden Produktes bee<strong>in</strong>flusst wird.<br />
Bei Strom-<strong>Der</strong>ivaten ist das zugrundeliegende Produkt immer Strom. <strong>Der</strong>ivate s<strong>in</strong>d meistens Term<strong>in</strong>geschäfte, beispielsweise<br />
Futures, Forwards, Optionen oder Swaps. Bei der Erfüllung <strong>von</strong> Strom-<strong>Der</strong>ivaten wird aber nicht das zugrundeliegende<br />
Produkt geliefert, sondern <strong>in</strong> der Regel e<strong>in</strong> f<strong>in</strong>anzieller Ausgleich getätigt.<br />
71 E<strong>in</strong>e staatliche Stelle, sie sich mit Schadensmanagement befasst und e<strong>in</strong> Dienstleister <strong>in</strong> der Elektrizitätsbranche.
6.3 Wirkungsmodell<br />
<strong>Der</strong> <strong>Nutzen</strong> der <strong>Meteorologie</strong> <strong>in</strong> der Elektrizitätswirtschaft fällt <strong>in</strong> erster L<strong>in</strong>ie als zusätzli-<br />
che Wertschöpfung bei den Elektrizitätsversorgungsunternehmen an. Daneben besteht<br />
der <strong>Nutzen</strong> der <strong>Meteorologie</strong> aus der Vermeidung <strong>von</strong> Schäden wie beispielsweise Über-<br />
schwemmungen oder Stromausfällen. Im Rahmen dieser Untersuchung konnten h<strong>in</strong>ge-<br />
gen ke<strong>in</strong>e stichhaltigen H<strong>in</strong>weise zur Wirkung <strong>von</strong> meteorologischen Informationen auf<br />
die Wirtschaftlichkeit der nationalen Netzbetreiber<strong>in</strong> gefunden werden (vgl. Kapitel 6.5).<br />
Figur 20 stellt die Wirkung <strong>von</strong> meteorologischen Informationen im Detail dar. Es lassen<br />
sich <strong>in</strong> der Elektrizitätswirtschaft folgende Wirkungsmechanismen unterscheiden:<br />
— Wirkungen auf die Qualität der Leistungserbr<strong>in</strong>gung. Die Qualität der Leistungs-<br />
/ 137<br />
erbr<strong>in</strong>gung aller Akteure hat e<strong>in</strong>en E<strong>in</strong>fluss auf die Schadenswahrsche<strong>in</strong>lichkeit und<br />
somit letztlich auf die Schadenskosten.<br />
— Wirkungen auf die Wirtschaftlichkeit der Akteure<br />
— Wirkungen auf den Ressourcene<strong>in</strong>satz bei der staatlichen Schadensvorsorge. Unter<br />
staatlicher Schadensvorsorge versteht man <strong>in</strong> diesem Zusammenhang die Bemühun-<br />
gen staatlicher Stellen, durch geeignete Präventions- und Notfallmassnahmen das<br />
E<strong>in</strong>treten <strong>von</strong> Schaden zu verh<strong>in</strong>dern und / oder die Folgen e<strong>in</strong>es Schadenereignis-<br />
ses zu m<strong>in</strong>imieren.
138 / 6 Elektrizitätswirtschaft<br />
« Die Wirkung <strong>von</strong> meteorologischen Informationen <strong>in</strong> der Elektrizitätswirtschaft»<br />
<strong>Meteorologie</strong><br />
Figur 20: Wirkungsmodell Elektrizitätswirtschaft<br />
Qualität<br />
staatliche<br />
Schadensvorsorge<br />
Qualität<br />
Netzbetrieb<br />
Qualität<br />
Kraftwerksbetrieb<br />
Wirtschaftlichkeit<br />
Elekrtizitätsunternehmen<br />
Wirtschaftlichkeit<br />
Netzbetreiber<strong>in</strong><br />
Ressourcene<strong>in</strong>satz<br />
für staatliche<br />
Schadensvorsorge<br />
Schadenswahrsche<strong>in</strong>lichkeit<br />
Schadenskosten<br />
Wertschöpfung<br />
Staatsausgaben<br />
econcept
6.4 Energieversorgungsunternehmen (EVU)<br />
Die Produktion, der Transport und der Vertrieb <strong>von</strong> Strom weisen e<strong>in</strong>ige Besonderheiten<br />
auf, welche im Zusammenhang mit der Nutzung <strong>von</strong> meteorologischen Informationen<br />
relevant s<strong>in</strong>d:<br />
— Strom lässt sich nicht lagern, d.h. es muss zu jeder Zeit gleichviel Strom produziert<br />
/ 139<br />
werden wie verbraucht wird. Dies wird als Gleichgewicht der E<strong>in</strong>- und Ausspeisungen<br />
im Stromnetz bezeichnet. Zusätzlich muss zur gleichen Zeit die nötige Transportka-<br />
pazität im Stromnetz vorhanden se<strong>in</strong>.<br />
— Strom wird im Tages- und Jahresverlauf sehr unregelmässig nachgefragt.<br />
— Die Schweiz ist e<strong>in</strong>e Regelzone (RZ). Das heisst, dass <strong>in</strong>nerhalb der Schweiz e<strong>in</strong><br />
Gleichgewicht <strong>von</strong> E<strong>in</strong>- und Ausspeisungen im Stromnetz sichergestellt werden muss.<br />
Stromlieferungen zwischen EVU werden im Normalfall nach e<strong>in</strong>em Fahrplan durchge-<br />
führt, welcher am Vortag def<strong>in</strong>iert wird. Um die Abweichungen zwischen dem Fahr-<br />
plan und der tatsächlich nachgefragten resp. produzierten Strommenge auszuglei-<br />
chen und so Verbrauch und Produktion im Gleichgewicht zu halten, wird seitens des<br />
Netzbetreibers Regelleistung 72 e<strong>in</strong>gesetzt.<br />
— Innerhalb der Regelzone Schweiz gibt es rund 130 aktive Bilanzgruppen (BG) 73 . E<strong>in</strong>e<br />
BG umfasst e<strong>in</strong>e beliebige Anzahl <strong>von</strong> Händlern, Erzeugern, Lieferanten und End-<br />
verbrauchern. Alle E<strong>in</strong>speise- resp. Entnahmestellen <strong>in</strong> der Schweiz müssen e<strong>in</strong>er<br />
BG zugeordnet se<strong>in</strong>. Die BG ist dafür verantwortlich, dass <strong>in</strong>nerhalb der Gruppe mög-<br />
lichst jederzeit e<strong>in</strong> Gleichgewicht zwischen E<strong>in</strong>- und Ausspeisungen sichergestellt<br />
wird.<br />
— Das Höchstspannungsnetz <strong>in</strong> der Schweiz wird <strong>von</strong> der nationalen Netzbetreiber<strong>in</strong><br />
Swissgrid betrieben. Diese erstellt aus den Meldungen der Bilanzgruppen den Fahr-<br />
plan für den nächsten Tag. Um Abweichungen vom Fahrplan abzufangen und das<br />
System stabil zu halten, kann Swissgrid auf Regelleistung zurückgreifen. Diese soge-<br />
nannte Systemdienstleistung wird <strong>von</strong> Swissgrid ausgelöst, aber <strong>von</strong> EVU zur Verfü-<br />
gung gestellt, welche über flexible Produktionskapazitäten verfügen (z.B. Speicher-<br />
kraftwerke).<br />
72 Die Differenz zwischen Fahrplan und «Ist» auf dem Abrechnungsmarkt wird als Ausgleichsenergie bezeichnet. Regelleistung<br />
(unpräzise auch Regelenergie genannt) ist die, für die Stabilisierung des Netzes durch den Netzbetreiber benötigte<br />
Leistung auf dem Beschaffungsmarkt. Die Begriffe Regelenergie, Regelleistung und Ausgleichsenergie werden <strong>in</strong> Gesprächen<br />
oft unpräzise verwendet, was zu Verwirrungen führen kann.<br />
73 Quelle: http://www.swissgrid.ch, «Liste der aktiven Bilanzgruppen» (18.03.2011).
140 / 6 Elektrizitätswirtschaft<br />
Stromhandel<br />
Strom kann, bei genügend Transportkapazität, <strong>in</strong>nerhalb des europäischen Verbundsys-<br />
tems gehandelt werden. <strong>Der</strong> Stromhandel kann h<strong>in</strong>sichtlich der Fristigkeit differenziert<br />
werden (vgl. Tabelle 45).<br />
Bezeichnung Fristigkeit<br />
Intra-Day Bis 15 M<strong>in</strong>uten vor der Lieferung<br />
Spot (auch Day-Ahead) Bis am Tag vor der Lieferung<br />
Term<strong>in</strong>kontrakte Tage bis Jahre vor der Lieferung<br />
Post Schedul<strong>in</strong>g Am Tag nach der Lieferung<br />
Tabelle 45: Stromhandel nach Fristigkeit. <strong>Der</strong> schweizerische Stromhandel wird teilweise über die European<br />
Energy Exchange (EEX) abgewickelt.<br />
E<strong>in</strong>e Besonderheit im Strommarkt ist das «Post Schedul<strong>in</strong>g», d.h. der Handel am Tag<br />
nach der Lieferung. Dieser Mechanismus wird angewendet, wenn zur selben Zeit zwei<br />
Handelspartner den jeweiligen Fahrplan <strong>in</strong> unterschiedlicher Richtung nicht e<strong>in</strong>halten<br />
können. Statt das beide Ausgleichsenergiezahlungen an Swissgrid leisten müssen (der<br />
e<strong>in</strong>e für e<strong>in</strong>e zu hohe Ausspeisung, der andere für e<strong>in</strong>e zu hohe E<strong>in</strong>speisung <strong>in</strong>s Netz),<br />
kann im Nachh<strong>in</strong>e<strong>in</strong> e<strong>in</strong> Handelsgeschäft abgewickelt werden. In der Schweiz bietet die<br />
Firma OMPEX e<strong>in</strong>e entsprechende Handelsplattform an.<br />
Produktionstechnologien und Kraftwerkstypen<br />
Im Rahmen dieser Studie werden Produktionstechnologien berücksichtigt, welche direkt<br />
oder <strong>in</strong>direkt <strong>von</strong> meteorologischen Grössen abhängig s<strong>in</strong>d. Diese s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> Tabelle 46 zu-<br />
sammengefasst.<br />
Produktionstechnologie Relevante Kraftwerkstypen Produktion <strong>in</strong> der Schweiz<br />
im Jahr 2008 (GWh)<br />
Wasserkraft<br />
Speicherkraftwerke 20’873<br />
Laufwasserkraftwerke 16’686<br />
W<strong>in</strong>d W<strong>in</strong>dkraftwerke 19<br />
Sonne Photovoltaikanlagen 34<br />
Thermische Energie 74<br />
Kernkraftwerke 26’132<br />
Konventionell-thermische Kraftwerke 14<br />
Tabelle 46: Kraftwerkstypen und Stromproduktion <strong>in</strong> der Schweiz im Jahr 2008 aus Produktionstechnologien,<br />
die <strong>von</strong> meteorologischen Grössen direkt oder <strong>in</strong>direkt abhängig s<strong>in</strong>d. Quelle: Schweizerische<br />
Elektrizitätsstatistik 2009 (BFE 2010).<br />
Entscheidend für die Relevanz e<strong>in</strong>er Produktionstechnologie ist nebst der produzierten<br />
Menge Strom vor allem die maximale Leistung (Erzeugungskapazität) der Kraftwerke. Bei<br />
Laufwasserkraftwerken (LKW), W<strong>in</strong>dkraft- und Photovoltaikanlagen (PV) s<strong>in</strong>d die variab-<br />
len Kosten der Produktion ger<strong>in</strong>g. Ist die Leistung dieser Produktionskapazitäten relativ<br />
zu den anderen Kraftwerkstypen bedeutsam, dann können diese Kraftwerke unter opti-<br />
malen Produktionsbed<strong>in</strong>gungen e<strong>in</strong>en massgeblichen E<strong>in</strong>fluss auf den Marktpreis aus-<br />
74 Die Leistung <strong>von</strong> thermischen Kraftwerken ist auch <strong>von</strong> der Kühlleistung abhängig. Diese wird bei flusswassergekühlten<br />
Kraftwerken <strong>von</strong> der Wassertemperatur und bei luftgekühlten Kraftwerken <strong>von</strong> der Lufttemperatur bee<strong>in</strong>flusst.
üben. Produktionsanlagen mit tiefen variablen Kosten werden sonst als Grundlast-<br />
Kraftwerke e<strong>in</strong>gesetzt, welche bei Lastschwankungen erst als letzte vom Netz genommen<br />
werden. Im Gegensatz zu konventionellen thermischen Grundlastkraftwerken schwankt<br />
die Produktion <strong>von</strong> LKW, W<strong>in</strong>d-, und PV-Anlagen mit den Wetterverhältnissen und erhöht<br />
die Volatilität des Leistungsangebotes. Sie werden aber m<strong>in</strong>destens bisher bei e<strong>in</strong>em<br />
Leistungsüberangebot nicht h<strong>in</strong>untergeregelt, weil sie tiefe variable Produktionskosten<br />
aufweisen. Dabei s<strong>in</strong>d die im Ausland <strong>in</strong>stallierten Erzeugungskapazitäten für schweizeri-<br />
sche EVU besonders wichtig, da für die Preisentwicklung die europäische Gesamtsituati-<br />
on mitentscheidend ist.<br />
Exemplarisch zeigen Tabelle 47 und Tabelle 48 die Erzeugungskapazität und die Stro-<br />
merzeugung für verschiedene Kraftwerkstypen <strong>in</strong> Deutschland und der Schweiz. W<strong>in</strong>d-<br />
kraftwerke und Photovoltaikanlagen weisen, im Vergleich zu anderen Technologien, rela-<br />
tiv zur erzeugten Strommenge e<strong>in</strong> hohes Leistungsangebot auf (vergleichsweise tiefe<br />
Jahresnutzungsdauer der Höchstleistung), was <strong>in</strong>sbesondere <strong>in</strong> Deutschland aus der<br />
Statistik ersichtlich ist. Dies bedeutet, dass W<strong>in</strong>d- und Photovoltaikanlagen unter optima-<br />
len meteorologischen Umständen, trotz ger<strong>in</strong>gem Anteil an der Gesamtproduktion, zeit-<br />
weise sehr viel Strom produzieren. In solchen Situationen bee<strong>in</strong>flussen diese Kraftwerke<br />
den Strompreis erheblich, da sie dann e<strong>in</strong>e grosse Menge Strom e<strong>in</strong>speisen. Die regula-<br />
torischen Bed<strong>in</strong>gungen <strong>in</strong> Deutschland verschärfen dabei die resultierende Problematik:<br />
Durch e<strong>in</strong>e gesetzlich vorgeschriebene Abnahmeverpflichtung können W<strong>in</strong>d- und Solar-<br />
stromproduzenten, unabhängig <strong>von</strong> der aktuellen Nachfrage, e<strong>in</strong>e beliebige Menge W<strong>in</strong>d-<br />
und Solarstrom <strong>in</strong>s Netz e<strong>in</strong>speisen. Dies führt dazu, dass bei guten Produktionsbed<strong>in</strong>-<br />
gungen (viel W<strong>in</strong>d, viel Sonne) und relativ ger<strong>in</strong>ger Stromnachfrage die Strompreise (auf<br />
der Grosshandelsstufe) zum Teil massiv s<strong>in</strong>ken. Daraus kann gefolgert werden, dass<br />
meteorologische Informationen für die Stromproduzenten und Händler zur Abschätzung<br />
des zukünftigen Strompreises und zur Optimierung des E<strong>in</strong>satzes der Produktionskapazi-<br />
täten wichtig s<strong>in</strong>d und daher potenziell e<strong>in</strong>en wirtschaftlichen <strong>Nutzen</strong> für EVU generieren.<br />
Produktionstechnologie Kraftwerkstypen Stromerzeugungskapazität <strong>in</strong><br />
Deutschland 2009 (GW)<br />
/ 141<br />
Bruttostromerzeugung <strong>in</strong><br />
Deutschland 2009 (TWh)<br />
Wasserkraft Wasserkraftwerke 10.3 24.7<br />
W<strong>in</strong>d W<strong>in</strong>dkraftwerke 25.8 38.6<br />
Sonne Photovoltaikanlagen 9.8 6.6<br />
Thermische Energie<br />
Kernkraftwerke 21.5 134.9<br />
Konventionellthermische<br />
Kraftwerke<br />
79.7 341.9<br />
Tabelle 47: Stromerzeugungskapazität <strong>in</strong> GW und Stromerzeugung <strong>in</strong> TWh/a verschiedener Kraftwerkstypen<br />
<strong>in</strong> Deutschland im Jahr 2009. Quelle: Gesamtausgabe der Energiedaten, Datensammlung des<br />
BMWi (BMWi 2011).
142 / 6 Elektrizitätswirtschaft<br />
Produktionstechnologie Kraftwerkstypen Stromerzeugungskapazität<br />
<strong>in</strong> der Schweiz 2008 (GW)<br />
Stromerzeugung<br />
<strong>in</strong> der Schweiz 2008 (TWh)<br />
Wasserkraft Wasserkraftwerke 7.7 37.5<br />
Thermische Energie Kernkraftwerke 3.2 26.1<br />
Weitere Konventionellthermische<br />
Kraftwerke,<br />
W<strong>in</strong>dkraftwerke, Photovoltaikanlagen<br />
0.4 0.07<br />
Tabelle 48: Stromerzeugungskapazität <strong>in</strong> GW und Stromerzeugung <strong>in</strong> TWh/a verschiedener Kraftwerkstypen<br />
<strong>in</strong> der Schweiz im Jahr 2008. In der Schweiz machen, im Gegensatz zu Deutschland, W<strong>in</strong>dkraftwerke<br />
und Photovoltaikanlagen nur e<strong>in</strong>en marg<strong>in</strong>alen Anteil der Gesamtleistung aus. Deshalb s<strong>in</strong>d<br />
für die erzeugte Strommenge aus diesen Produktionstechnologien, resp. den daraus entstehenden<br />
E<strong>in</strong>fluss auf den Strompreis, vor allem die meteorologischen Gegebenheiten <strong>in</strong> Deutschland<br />
relevant. Quelle: Schweizerische Elektrizitätsstatistik 2009 (BFE 2010).<br />
6.4.1 Relevante meteorologische Aspekte<br />
Aufgrund der geführten Interviews lässt sich festhalten, dass verschiedene meteorologi-<br />
sche Aspekte e<strong>in</strong>en relevanten E<strong>in</strong>fluss auf berücksichtigten EVU haben 75 . Tabelle 49<br />
zeigt e<strong>in</strong>e Übersicht über diese relevanten Aspekte.<br />
Meteorologischer Aspekt Relevantes geographisches Gebiet Auswirkung auf die schweizerischen EVU<br />
Temperatur<br />
Vertriebsgebiet des EVU Last (Stromverbrauch) im Vertriebsgebiet<br />
Produktionsstandort KKW Maximal mögliche Produktion <strong>von</strong> Kernkraftwerken<br />
(aufgrund der Kühlleistung)<br />
Europa (<strong>in</strong>sbesondere Deutschland<br />
und Frankreich)<br />
Strompreis und Strompreiserwartungen<br />
Globalstrahlung (Bewölkung, Vertriebsgebiet des EVU Last (Stromverbrauch) im Vertriebsgebiet<br />
Helligkeit) Produktionsstandort Photovoltaik Produktionspotenzial Photovoltaik, Strom-<br />
(Schweiz oder Ausland)<br />
preis und Strompreiserwartungen<br />
Niederschläge (Menge und Form<br />
des Niederschlages)<br />
E<strong>in</strong>zugsgebiet Wasserkraftstandorte<br />
(Schweiz oder Ausland)<br />
W<strong>in</strong>d Vor allem Nord-Deutschland und<br />
Dänemark (Standorte grosser W<strong>in</strong>dkraftanlagen)<br />
Produktionspotenzial Wasserkraft, Strompreis<br />
und Strompreiserwartungen<br />
Produktionspotenzial W<strong>in</strong>dkraftanlagen,<br />
Strompreis und Strompreiserwartungen<br />
Tabelle 49: Relevante meteorologische Aspekte für Elektrizitätsversorgungsunternehmen, gemäss Angaben<br />
der Interviewpartner.<br />
Auf der Produktionsseite ist <strong>in</strong> der Schweiz vor allem die Menge und Form der Nieder-<br />
schläge relevant, da etwa 60% des produzierten Stromes aus Wasserkraftwerken stammt<br />
(BFS 2010). Im angrenzenden Ausland, <strong>in</strong>sbesondere <strong>in</strong> Deutschland, s<strong>in</strong>d auf der Pro-<br />
duktionsseite zusätzlich W<strong>in</strong>d und Sonnene<strong>in</strong>strahlung wichtig, da dort relevante Produk-<br />
tionskapazitäten <strong>in</strong> den Bereichen W<strong>in</strong>denergie und Photovoltaik vorhanden s<strong>in</strong>d.<br />
Für die Höhe des Stromverbrauchs s<strong>in</strong>d nebst anderen, wetterunabhängigen Faktoren<br />
die Temperatur und die Helligkeit massgeblich. Dies gilt nicht nur für die Schweiz son-<br />
dern für alle massgeblichen Länder. Aufgrund des hohen Anteils <strong>von</strong> Elektroheizungen<br />
75 Die vorliegende Studie berücksichtigt nur EVU, die eigene Produktionskapazitäten aufweisen. Die meisten im Rahmen<br />
dieser Studie analysierten <strong>Nutzen</strong> <strong>von</strong> meteorologischen Informationen treten bei den übrigen EVU (Verteilwerken) nicht<br />
oder nur <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em sehr ger<strong>in</strong>gen Ausmass auf.
eagiert <strong>in</strong>sbesondere die Stromnachfrage <strong>in</strong> Frankreich stark auf Temperaturverände-<br />
rungen.<br />
Tabelle 49 zeigt, dass meteorologische E<strong>in</strong>flüsse sowohl auf die Stromnachfrage wie<br />
auch auf das Stromangebot wirken und somit auch immer den Marktpreis bee<strong>in</strong>flussen.<br />
Die Wirkungsrichtung ist aber ke<strong>in</strong>eswegs e<strong>in</strong>deutig. Beispielsweise führen höhere Tem-<br />
peraturen im W<strong>in</strong>ter zu e<strong>in</strong>em tieferen Stromverbrauch (kle<strong>in</strong>erer Heizbedarf) und somit<br />
tendenziell zu tieferen Strompreisen. Im Sommer h<strong>in</strong>gegen führen höhere Temperaturen<br />
zu e<strong>in</strong>em höheren Stromverbrauch und zu höheren Strompreisen (grösserer Kühlbedarf).<br />
Nicht nur die Wirkungsrichtung sondern auch die Relevanz meteorologischer Grössen ist<br />
nicht absolut sondern relativ zur aktuellen Situation. Es gibt Situationen, bei welchen das<br />
Wetter äusserst wichtig ist (z.B. im Herbst, wenn Speicherseen fast voll s<strong>in</strong>d) und Situati-<br />
onen, bei denen das Wetter praktisch ke<strong>in</strong>e Rolle spielt. <strong>Der</strong> E<strong>in</strong>fluss des Wetters hat <strong>in</strong><br />
den letzten Jahren tendenziell zugenommen, da Produktionskapazitäten im Bereich der<br />
erneuerbaren Energien h<strong>in</strong>zugefügt worden s<strong>in</strong>d. In Deutschland alle<strong>in</strong>e s<strong>in</strong>d dies etwa<br />
20 GW W<strong>in</strong>dkraft und 6 GW Photovoltaik (BAU 2010).<br />
In diesem Abschnitt wurde gezeigt, dass meteorologische Phänomene e<strong>in</strong>e relevante<br />
Wirkung auf Stromangebot und Stromnachfrage ausüben können und dass die EVU sich<br />
dieser Wirkung bewusst s<strong>in</strong>d. Damit ist aber der <strong>Nutzen</strong> <strong>von</strong> meteorologischen Informati-<br />
onen noch nicht erwiesen. Vielmehr ist zu analysieren, welche meteorologischen Infor-<br />
mationen <strong>von</strong> den EVU verwendet werden und welche Effekte aus der Verwendung die-<br />
ser Informationen bei den EVU entstehen.<br />
6.4.2 Verwendung <strong>von</strong> meteorologischen Informationen<br />
Alle <strong>in</strong>terviewten EVU verwenden meteorologische Informationen <strong>in</strong> der e<strong>in</strong>en oder ande-<br />
ren Form zur Optimierung der Betriebsabläufe und zur Steigerung der Wirtschaftlichkeit.<br />
Das Ausmass und die Systematik der Verwendung s<strong>in</strong>d dabei <strong>von</strong> Unternehmen zu Un-<br />
ternehmen aber sehr unterschiedlich. Folgende Faktoren bee<strong>in</strong>flussen die Verwendung<br />
<strong>von</strong> meteorologischen Informationen und die e<strong>in</strong>gesetzten Produkte massgeblich:<br />
— Funktion und Ausbildung der direkten Nutzer/<strong>in</strong>nen: Verfügen die Personen <strong>in</strong>nerhalb<br />
/ 143<br />
des Unternehmens über meteorologisches Know-how, so werden tendenziell mehr<br />
re<strong>in</strong> meteorologische Informationen e<strong>in</strong>gesetzt. Gibt es ke<strong>in</strong> <strong>in</strong>ternes Know-how wer-<br />
den vor allem Informationen <strong>von</strong> Datenprovidern e<strong>in</strong>gesetzt, die meteorologische In-<br />
formationen <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er aufbereiteten Form anbieten.<br />
— Grösse und Ausrichtung des Unternehmens: Grössere Unternehmen tendieren dazu,<br />
mehr Informationen zu verwenden und diese systematischer e<strong>in</strong>zusetzen als kle<strong>in</strong>ere.<br />
In Unternehmen, die Handel mit Strom-<strong>Der</strong>ivaten betreiben, werden meteorologische<br />
Informationen stärker verwendet als <strong>in</strong> anderen Unternehmen.<br />
— Verfügbarkeit e<strong>in</strong>er ständigen Überwachung und Produktionsbegleitung im Unter-<br />
nehmen. Ist die Leitstelle oder e<strong>in</strong>e ähnliche Abteilung während 24 Stunden und sie-<br />
ben Tage <strong>in</strong> der Woche besetzt, kann besser und schneller auf Veränderungen rea-
144 / 6 Elektrizitätswirtschaft<br />
giert werden und die Abhängigkeit <strong>von</strong> genauen meteorologischen Prognosen nimmt<br />
ab.<br />
Allgeme<strong>in</strong> werden meteorologische Informationen heute mehr verwendet als noch vor<br />
e<strong>in</strong>igen Jahren und die Verwendung wird <strong>in</strong> Zukunft tendenziell zunehmen. Diese E<strong>in</strong>-<br />
schätzung beruht auf zwei Argumenten: E<strong>in</strong>erseits führt die staatliche Förderung und der<br />
dadurch ausgelöste Ausbau <strong>von</strong> Produktionskapazitäten bei erneuerbaren Energien zu<br />
e<strong>in</strong>er höheren Abhängigkeit <strong>von</strong> meteorologischen E<strong>in</strong>flussgrössen. Andererseits verlangt<br />
die Entkopplung <strong>von</strong> Netzbetreibern und EVU im Zuge der <strong>Der</strong>egulierung des schweizeri-<br />
schen Energiemarktes genauere Prognosen der Stromnachfrage und des Stromangebo-<br />
tes. Die nationale Netzbetreiber<strong>in</strong> Swissgrid schafft organisatorische und f<strong>in</strong>anzielle An-<br />
reize, um die Marktteilnehmer zu genaueren Fahrplanmeldungen zu motivieren. So wer-<br />
den beispielsweise die Daten zum Stromverbrauch <strong>von</strong> Swissgrid nicht mehr <strong>in</strong> Echtzeit<br />
zur Verfügung gestellt, sondern erst am folgenden Tag bekannt gegeben. Dadurch wird<br />
e<strong>in</strong> Ausgleich <strong>von</strong> Fehlprognosen (Nachregulierung) <strong>in</strong>nerhalb der Bilanzgruppen er-<br />
schwert. Zusätzlich hat Swissgrid ab Mitte 2009 die Ausgleichsenergie wesentlich ver-<br />
teuert, <strong>in</strong>dem sie die entsprechenden Umrechnungsfaktoren («Alpha-Faktoren») ange-<br />
passt hat (Swissgrid 2009).<br />
Verwendete meteorologische Produkte<br />
Die verschiedenen EVU verwenden unterschiedliche meteorologische Produkte, je nach<br />
den Bedürfnissen der Nutzer/<strong>in</strong>nen <strong>in</strong>nerhalb des Unternehmens. Diese Produkte s<strong>in</strong>d:<br />
— Kostenpflichtige Informationen <strong>von</strong> spezialisierten Datenprovidern für die Energiewirt-<br />
schaft wie beispielsweise das Produkt «Po<strong>in</strong>tCarbon» der Firma Reuters oder das<br />
«Energieservice-Portal» der Firma Meteomedia. Diese Produkte enthalten e<strong>in</strong>erseits<br />
re<strong>in</strong> meteorologische Informationen wie Temperaturprognosen oder Niederschlags-<br />
prognosen <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er für die Nutzer/<strong>in</strong>nen verständlichen Form (Graphiken, Diagramme<br />
usw.). Andererseits enthalten sie aber auch aggregierte und durch Analyse-Teams <strong>in</strong>-<br />
terpretierte Angaben zu Preisen, Preiserwartungen, Stromnachfrage und Stromange-<br />
bot <strong>in</strong> welchen meteorologische Informationen nur e<strong>in</strong>en Teil <strong>von</strong> mehreren Inputfak-<br />
toren darstellen.<br />
— Teilweise frei verfügbare Informationen wie globale Wettermodelle (ECMWF 76 -Modell,<br />
GFS 77 ), regionale Wettermodelle, Wetterprognosen, Wetterportale im Internet und<br />
Radarbilder. Je nach Unternehmen werden bis zu 10 verschiedene, frei verfügbare<br />
Quellen parallel verwendet.<br />
— Kostenpflichtige <strong>in</strong>dividuelle Beratung, beispielsweise per Telefon, durch unterneh-<br />
mensexterne Meteorologen/<strong>in</strong>nen im Bedarfsfall<br />
76 Das «European Centre for Medium-Range Weather Forecasts» ist e<strong>in</strong>e <strong>in</strong>ternationale Organisation mit Sitz <strong>in</strong> Grossbritannien<br />
und wird <strong>von</strong> 34 Ländern, darunter auch die Schweiz, f<strong>in</strong>anziell und materiell (beispielsweise mit Messdaten) unterstützt.<br />
Das ECMWF produziert e<strong>in</strong> numerisches Modell zur mittelfristigen Wetterprognose (Quelle: <strong>MeteoSchweiz</strong>, persönliche<br />
Kommunikation) welches frei im Internet verfügbar ist.<br />
77 Das «Global Forecast System» ist e<strong>in</strong> numerisches Modell zur globalen Wetterprognose. GFS wird <strong>von</strong> der «National<br />
Oceantic and Atmospheric Adm<strong>in</strong>istration» (NOAA) <strong>in</strong> den USA betrieben und ist frei im Internet verfügbar (Quelle:<br />
http://www.noaa.gov (13.03.2011)).
— Kostenpflichtige Wettermodelle wie beispielsweise das COSMO-Modell <strong>von</strong> Meteo-<br />
Schweiz<br />
— Messdaten (eigene Messungen der EVU und Messdaten des Messdatennetzes <strong>von</strong><br />
<strong>MeteoSchweiz</strong>)<br />
— Kostenpflichtige und kostenlose Produkte, welche meteorologische Informationen<br />
/ 145<br />
komb<strong>in</strong>iert mit anderen Informationen enthalten, aber nicht spezifisch für die Ener-<br />
giewirtschaft konzipiert s<strong>in</strong>d (z.B. Zu- und Abflussprognosen <strong>von</strong> Gewässern).<br />
— Nebst den bewusst verwendeten meteorologischen Informationen werden Informatio-<br />
nen auch unbewusst verwendet, <strong>in</strong>sbesondere durch die lokalen Kraftwerksbetreiber.<br />
Generell lässt sich sagen, dass <strong>in</strong> allen <strong>in</strong>terviewten Unternehmen meteorologische In-<br />
formationen verwendet werden. Die Verwendung sche<strong>in</strong>t aber generell noch wenig sys-<br />
tematisch und folgt eher den Vorlieben und Bedürfnissen der Nutzer/<strong>in</strong>nen und nicht ei-<br />
ner klar def<strong>in</strong>ierten Unternehmensstrategie. Die meisten Gesprächsteilnehmenden gehen<br />
da<strong>von</strong> aus, dass <strong>in</strong> der Verwendung <strong>von</strong> meteorologischen Informationen noch viel unge-<br />
nutztes Potential liegt, <strong>in</strong>sbesondere im Bereich der Produktionsprognose. Man kann also<br />
da<strong>von</strong> ausgehen, dass die Nutzung <strong>von</strong> meteorologischen Informationen <strong>in</strong> Zukunft zu-<br />
nimmt und dass die Nutzung professionalisiert wird.<br />
Die EVU s<strong>in</strong>d im Kern nicht an Wetter<strong>in</strong>formationen <strong>in</strong>teressiert, sondern sie möchten<br />
wissen, welche Auswirkungen das Wetter auf ihre betriebliche Tätigkeit und auf das Ver-<br />
halten der Mitbewerber hat bzw. <strong>in</strong> Zukunft haben wird. Hierzu s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> den berücksichtig-<br />
ten EVU zwei Strategien feststellbar: Die e<strong>in</strong>en Unternehmen bauen Stellen oder Abtei-<br />
lungen mit eigenem meteorologischem Know-how auf und beziehen meteorologische<br />
«Rohdaten» auf dem Markt oder <strong>von</strong> frei verfügbaren Quellen. Andere Unternehmen la-<br />
gern das meteorologische Know-how aus und greifen auf Anbieter zurück, die meteorolo-<br />
gische Informationen mit Spezialwissen aus der Energiewirtschaft komb<strong>in</strong>ieren und ferti-<br />
ge Entscheidungs<strong>in</strong>strumente zur Verfügung stellen.<br />
Optimierung mit meteorologischen Informationen<br />
Alle <strong>in</strong>terviewten Unternehmen verwenden meteorologische Informationen als Unterstüt-<br />
zung bei der Erstellung <strong>von</strong> Produktions-, Preis- und Lastprognosen. Mit e<strong>in</strong>er Produkti-<br />
onsprognose schätzen die EVU die <strong>in</strong> den nächsten Stunden bis Tagen zu erwartende<br />
Produktion ab. Bei Wasser-, W<strong>in</strong>d- und Solarkraftwerken spielen hierfür meteorologische<br />
Informationen e<strong>in</strong>e entschiedene Rolle. Es wird zwischen Produktionserwartung und Pro-<br />
duktionspotenzial unterschieden. Als Produktionserwartung wird die Strommenge be-<br />
zeichnet, welche auf alle Fälle produziert werden wird, als Produktionspotenzial die<br />
Strommenge, welche bei Bedarf produziert werden kann.<br />
Die EVU müssen im Voraus möglichst genau wissen, wie viel Strom ihre Kunden nach-<br />
fragen resp. konsumieren werden. Hierfür benötigen die EVU e<strong>in</strong>e Lastprognose für das<br />
eigene Vertriebsgebiet, welche unter anderem auf meteorologischen Informationen wie
146 / 6 Elektrizitätswirtschaft<br />
Temperatur und Globalstrahlung basiert. Die Lastprognose wird je nach EVU <strong>in</strong>house<br />
erstellt oder bei spezialisierten Anbietern zugekauft.<br />
Nicht zuletzt s<strong>in</strong>d meteorologische Informationen e<strong>in</strong> wichtiger Bestandteil der kurzfristi-<br />
gen Preisprognose für die nächsten Tage, da meteorologische Grössen sowohl die Nach-<br />
frage wie auch das Angebot <strong>in</strong> der Schweiz und <strong>in</strong> Europa bee<strong>in</strong>flussen.<br />
Aufgrund der Preis-, Produktions- und Lastprognose optimieren die EVU täglich den E<strong>in</strong>-<br />
satz des Kraftwerkportfolios. E<strong>in</strong>e erwartete Nachfrage kann beispielsweise, je nach<br />
Preis, entweder durch eigene Produktion oder durch Zukaufen <strong>von</strong> Strom auf dem freien<br />
Markt gedeckt werden.<br />
6.4.3 Aussagen der befragten Unternehmen zur Wirkung auf die Wirtschaftlichkeit<br />
Meteorologische Informationen bee<strong>in</strong>flussen <strong>in</strong> verschiedener Weise die Wirtschaftlich-<br />
keit <strong>von</strong> Elektrizitätsversorgungsunternehmen. Gemäss den Aussagen der berücksichtig-<br />
ten EVU lassen sich die Wirkungen wie folgt differenzieren.<br />
M<strong>in</strong>imierung <strong>von</strong> Fahrplanabweichungen<br />
Meteorologische Informationen verbessern die Zuverlässigkeit der Lastprognosen, wel-<br />
che <strong>von</strong> den EVU oder <strong>von</strong> externen Dienstleistern erstellt werden. Lastprognosen kön-<br />
nen auch ohne meteorologische Daten, basierend auf den historischen Verbrauchszahlen<br />
vergleichbarer Tage, erstellt werden. Gemäss Schätzungen der berücksichtigten EVU<br />
wäre die durchschnittliche Abweichung bei den Lastprognosen ohne meteorologische<br />
Informationen aber um 1 bis 3 Prozentpunkte schlechter als heute. Diese Schätzung<br />
wurde durch e<strong>in</strong>en unabhängigen Dienstleister bestätigt, der Lastprognosen erstellt.<br />
Durch e<strong>in</strong>e schlechtere Lastprognose können weniger präzise Fahrplanmeldungen an<br />
Swissgrid gemacht werden, was zu grösseren Fahrplanabweichungen führen kann. Dies<br />
hat zur Folge, dass die EVU durch das E<strong>in</strong>setzen <strong>von</strong> flexibler Produktion- oder Pumpka-<br />
pazität, respektive durch den Verkauf oder den Kauf <strong>von</strong> Strom über den Intraday-Handel<br />
die Abweichung nachregeln müssen. Gel<strong>in</strong>gt dies nicht, beispielsweise weil ke<strong>in</strong>e flexib-<br />
len Produktionskapazitäten vorhanden s<strong>in</strong>d oder weil die Abweichung vom Fahrplan nicht<br />
beobachtet werden kann, wird Ausgleichsenergie <strong>von</strong> Swissgrid bezogen. Sowohl die<br />
Nachregelung als auch der Bezug <strong>von</strong> Ausgleichsenergie <strong>von</strong> Swissgrid führen zu höhe-<br />
ren Kosten, die sich negativ auf die Wirtschaftlichkeit der EVU auswirken:<br />
— <strong>Der</strong> Bezug <strong>von</strong> Ausgleichsenergie <strong>von</strong> Swissgrid ist rund 30% teurer als der entspre-<br />
chende Spot-Preis.<br />
— Durch die Nachregelung werden vorhandene Produktionspotentiale (z.B. gespeicher-<br />
tes Wasser) unter Umständen zu früh e<strong>in</strong>gesetzt und stehen somit nicht mehr zur<br />
Spitzenlastproduktion zur Verfügung.<br />
— Im Intraday-Handel entstehen im Vergleich zum Spot-Handel hohe adm<strong>in</strong>istrative<br />
Kosten, da dieser nicht über standardisierte Plattformen, sondern häufig per Telefon<br />
abgewickelt wird.
— Kurzfristig verfügbare Produktionsanlagen s<strong>in</strong>d häufig kosten<strong>in</strong>tensiver als andere<br />
/ 147<br />
Anlagen (z.B. ist e<strong>in</strong> Ölkraftwerk pro produzierte Strome<strong>in</strong>heit teurer als e<strong>in</strong> Kohle-<br />
kraftwerk). Dies gilt aber für Speicherkraftwerke <strong>in</strong> der Schweiz nicht <strong>in</strong> jedem Fall.<br />
E<strong>in</strong>e Quantifizierung dieser <strong>Nutzen</strong> ist aber für die EVU nicht oder nur ungenau möglich.<br />
Die berücksichtigten EVU begründen dies wie folgt:<br />
— Meteorologische Informationen unterstützen viele Entscheidungen, sie s<strong>in</strong>d aber <strong>in</strong><br />
der Regel nur e<strong>in</strong>e <strong>von</strong> mehreren Grundlagen im Entscheidungsprozess. Es ist des-<br />
halb sehr schwierig, den Effekt der meteorologischen Informationen zu isolieren.<br />
— Das Ausmass der Regelmöglichkeiten <strong>in</strong>nerhalb der Bilanzgruppe ist stark <strong>von</strong> der<br />
Auslastung der Produktionsanlagen und vom verfügbaren Produktionsportfolio ab-<br />
hängig.<br />
— Das Ausmass der Ausgleichsmöglichkeiten und die Höhe der Kosten im Intraday-<br />
Handel ist abhängig <strong>von</strong> der Marktsituation <strong>in</strong> der Regelzone (RZ) Schweiz und <strong>in</strong> der<br />
eigenen Bilanzgruppe (BG). Sowohl <strong>in</strong> der RZ als auch <strong>in</strong> der BG kann, unabhängig<br />
<strong>von</strong>e<strong>in</strong>ander, e<strong>in</strong> Überangebot oder e<strong>in</strong>e Übernachfrage vorherrschen. S<strong>in</strong>d RZ und<br />
BG nicht <strong>in</strong> derselben Marktsituation, ist die Nachregelung relativ e<strong>in</strong>fach und günstig;<br />
herrscht aber sowohl <strong>in</strong> der RZ wie <strong>in</strong> der BG die gleiche Marktsituation, ist es<br />
schwierig e<strong>in</strong>en Handelspartner zu f<strong>in</strong>den und die Preise s<strong>in</strong>d entsprechend hoch.<br />
— Fehler <strong>in</strong> der Prognose können sich gegenseitig aufheben oder verstärken. Wenn<br />
sowohl die Produktions- als auch die Lastprognose falsch s<strong>in</strong>d, die Richtung der Feh-<br />
ler aber entgegengesetzt, so ist der Effekt der falschen Prognose kle<strong>in</strong>; ist aber die<br />
Richtung der Fehler gleich, addieren sich die Fehler.<br />
— Das Ausmass des «Post-Schedul<strong>in</strong>gs» ist stark abhängig vom Verhalten der anderen<br />
Marktteilnehmer. Das «Post-Schedul<strong>in</strong>g» kann, gemäss Aussagen e<strong>in</strong>es Interview-<br />
partners, je nach Situation bis zu 50% der Regel- und Ausgleichsenergie abfangen.<br />
Trotz dieser Schwierigkeiten haben drei der sechs befragten EVU Schätzungen zum<br />
Ausmass des <strong>Nutzen</strong>s <strong>von</strong> meteorologischen Informationen h<strong>in</strong>sichtlich der M<strong>in</strong>imierung<br />
<strong>von</strong> Fahrplanabweichungen gemacht. E<strong>in</strong> Stromverbundunternehmen schätzt den <strong>Nutzen</strong><br />
<strong>von</strong> meteorologischen Informationen für sich auf etwa e<strong>in</strong>e halbe Million CHF pro Jahr.<br />
E<strong>in</strong> mittelgrosses, regionales EVU schätzt den <strong>Nutzen</strong> auf 3000 € pro Tag 78 , aber nur <strong>in</strong><br />
den W<strong>in</strong>termonaten. Dies würde e<strong>in</strong>em durchschnittlichen <strong>Nutzen</strong> <strong>von</strong> rund 360'000 CHF<br />
pro Jahr entsprechen 79 . E<strong>in</strong> weiteres mittelgrosses EVU schätzt, dass durch den zusätzli-<br />
chen adm<strong>in</strong>istrativen Aufwand im Intraday-Handel e<strong>in</strong>e zusätzliche 100%-Stelle im Un-<br />
ternehmen geschaffen werden müsste. E<strong>in</strong>e grobe Schätzung des <strong>Nutzen</strong>s über alle EVU<br />
<strong>in</strong> der Schweiz ist im Kapitel 6.4.6 enthalten.<br />
78 Die Schätzung kam zustande, <strong>in</strong>dem das Unternehmen die Prognosequalität für den Parameter Temperatur mit oder ohne<br />
meteorologische Informationen abgeschätzt hat. Diese Temperaturdifferenz wurde anschliessend durch das Unternehmen<br />
grob <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e Last-Differenz umgerechnet. Durch Multiplizieren der daraus resultierenden Strommenge mit e<strong>in</strong>er geschätzten<br />
Preisdifferenz zwischen Ausgleichs- und Spotenergiepreis schätzte das Unternehmen den Effekt auf etwa 3000 € pro<br />
Tag im W<strong>in</strong>ter.<br />
79 Angenommener CHF/€ Kurs: 1.3.
148 / 6 Elektrizitätswirtschaft<br />
M<strong>in</strong>imierung <strong>von</strong> Speicherverlusten<br />
Die Speicherstrategien 80 <strong>von</strong> Stauseen basieren <strong>in</strong> der Regel auf historischen Zuflussda-<br />
ten und nicht auf meteorologischen Prognosen. S<strong>in</strong>d die Speicherseen aber fast voll,<br />
spielen Niederschlagsprognosen e<strong>in</strong>e wichtige Rolle, um den Überlauf des Sees und<br />
somit den Verlust <strong>von</strong> Wasser für die Stromproduktion zu verh<strong>in</strong>dern. Werden starke<br />
Niederschläge erwartet, so kann der Pegelstand durch präventive Produktion reduziert<br />
und die zusätzlichen Wassermassen gespeichert werden. Auch wenn der präventiv pro-<br />
duzierte Strom zu e<strong>in</strong>em ungünstigen Zeitpunkt verkauft werden muss, ist dies besser als<br />
Wasser ungenutzt überfliessen zu lassen. Die Vermeidung <strong>von</strong> solchen Überläufen hat<br />
e<strong>in</strong>e positive Wirkung auf die Wirtschaftlichkeit der EVU.<br />
Ob und wann e<strong>in</strong>e solche Situation e<strong>in</strong>tritt, ist <strong>von</strong> Speichersee zu Speichersee sehr un-<br />
terschiedlich. Entscheidend ist das Verhältnis zwischen E<strong>in</strong>zugsgebiet und Fassungs-<br />
vermögen e<strong>in</strong>erseits und zwischen Abfluss bei voller Produktion und maximal möglichem<br />
Zufluss andererseits. Bei kle<strong>in</strong>eren Speicheranlagen und/oder relativ grossen E<strong>in</strong>zugsge-<br />
bieten kann bereits e<strong>in</strong> heftiges Gewitter den See zum Überlaufen br<strong>in</strong>gen, bei anderen<br />
Anlagen kommt diese Situation praktisch nie vor. E<strong>in</strong>ige Seen erreichen nur e<strong>in</strong>mal pro<br />
Jahr, typischerweise im Herbst, das maximale Stauniveau, andere Seen werden mehr-<br />
mals pro Jahr gefüllt.<br />
Jede Stauanlage hat e<strong>in</strong>en «grünen Bereich» zwischen dem maximalen und dem m<strong>in</strong>i-<br />
malen Pegelstand, <strong>in</strong> dem die Produktion möglich aber nicht zw<strong>in</strong>gend ist. In diesem Be-<br />
reich s<strong>in</strong>d Preise und Preiserwartungen für die Produktion entscheidend. Ausserhalb des<br />
«grünen Bereichs» s<strong>in</strong>d andere Faktoren ausschlaggebend. Die Grösse des «grünen<br />
Bereichs» ist sowohl <strong>von</strong> anlage- und unternehmensspezifischen Faktoren als auch <strong>von</strong><br />
der anzuwendenden Gesetzgebung (Restwassermengen) und den Konzessionsbestim-<br />
mungen abhängig.<br />
Wetterprognosen werden <strong>in</strong> den verschiedenen EVU unterschiedlich systematisch zur<br />
Prävention <strong>von</strong> Überläufen verwendet. Häufig wird bei kritischen Situationen das Wetter<br />
laufend beobachtet, sei es lokal durch die Kraftwerksbetreiber oder <strong>in</strong> der Leitstelle mit<br />
Hilfe <strong>von</strong> Niederschlagsradarbildern.<br />
Die Aussagen der EVU lassen sich wie folgt zusammenfassen: Es kann Situationen ge-<br />
ben, wo meteorologische Informationen e<strong>in</strong>e präventive Produktion auslösen und somit<br />
zur Verh<strong>in</strong>derung <strong>von</strong> Verlusten durch überlaufendes Wasser beitragen. Wie hoch dieser<br />
<strong>Nutzen</strong> für die EVU konkret ist, konnte jedoch ke<strong>in</strong>es der berücksichtigten Unternehmen<br />
abschätzen. E<strong>in</strong>erseits s<strong>in</strong>d die f<strong>in</strong>anziellen Auswirkungen je nach Marktsituation (Ange-<br />
bot, Nachfrage, Marktpreis) völlig unterschiedlich und lassen deshalb ke<strong>in</strong>e allgeme<strong>in</strong>en<br />
Aussagen zu. Andererseits können die befragten Unternehmen nur begrenzt oder gar<br />
nicht abschätzen, wie viel Überlauf sich durch meteorologische Informationen überhaupt<br />
vermeiden lässt. Dies liegt <strong>in</strong>sbesondere daran, dass bei fehlenden Wetterprognosen<br />
andere Instrumente verwendet würden, die meteorologische Informationen, zum<strong>in</strong>dest<br />
80 Die Speicherstrategie e<strong>in</strong>es Stausees def<strong>in</strong>iert, welcher Pegelstand im zeitlichen Verlauf wann erreicht werden soll.
teilweise, ersetzen können (z.B. Zuflussmessungen <strong>in</strong> Echtzeit, Persistenzprognosen 81 ,<br />
Wetterbeobachtung durch Kraftwerkspersonal, persönliche Erfahrung des Kraftwerkper-<br />
sonals).<br />
Planung <strong>von</strong> Unterhaltsarbeiten<br />
Durch meteorologische Prognosen lassen sich Unterhaltsarbeiten bei Flusswasserkraft-<br />
werken so legen, dass möglichst wenig Wasser ungenutzt abgeleitet werden muss. Kon-<br />
kret betrifft dies kurze Unterhaltsarbeiten während e<strong>in</strong>iger Tage an e<strong>in</strong>zelnen Turb<strong>in</strong>en.<br />
Während dieser Zeit kann das Kraftwerk nur e<strong>in</strong>en Teil der normalen Wassermenge ver-<br />
arbeiten. Fallen diese Revisionsarbeiten <strong>in</strong> e<strong>in</strong>en Zeitraum mit Niedrigwasser und ohne<br />
nennenswerte Niederschläge ist der Verlust für das EVU kle<strong>in</strong>er als sonst. E<strong>in</strong> befragtes<br />
EVU schätzt den durch die Nutzung <strong>von</strong> meteorologischen Prognosen entstandenen Nut-<br />
zen für drei kle<strong>in</strong>e bis mittlere Flusswasserkraftwerke geme<strong>in</strong>sam auf etwa 100’000 CHF<br />
pro Jahr.<br />
Preisoptimaler E<strong>in</strong>satz <strong>von</strong> Produktionspotentialen<br />
Laut den Aussagen e<strong>in</strong>iger EVU entsteht e<strong>in</strong> weiterer betriebswirtschaftlicher <strong>Nutzen</strong> <strong>von</strong><br />
meteorologischen Informationen daraus, dass dank Wetterprognosen e<strong>in</strong> grösserer Anteil<br />
der Produktion der Speicherkraftwerke zu höheren Preisen, d.h. wenn die Nachfrage<br />
gross ist, verkauft werden kann als ohne meteorologische Informationen. Somit ist der<br />
durchschnittliche Erlös pro verkaufte Strome<strong>in</strong>heit höher.<br />
Um die vorhandenen Produktionspotentiale möglichst preisoptimal e<strong>in</strong>setzen zu können,<br />
wird die Produktion, soweit dies technisch und organisatorisch möglich ist, anhand <strong>von</strong><br />
Preisprognosen geplant. Meteorologische Informationen verbessern die Preisprognose<br />
und können somit dazu beitragen, die Produktionspotentiale preisoptimal e<strong>in</strong>zusetzen.<br />
Konkret bedeutet dies beispielsweise, dass die EVU mit dem Verwenden des gespeicher-<br />
ten Wassers zuwarten, wenn e<strong>in</strong>e Kältewelle im W<strong>in</strong>ter erwartet wird, da diese die Preise<br />
tendenziell steigen lässt.<br />
Stromhandel<br />
Ob sich das allgeme<strong>in</strong>e Fehlen <strong>von</strong> meteorologischen Informationen im Zusammenhang<br />
mit dem Stromhandel negativ auf die Wirtschaftlichkeit der schweizerischen EVU auswir-<br />
ken würde, ist nicht klar. Insbesondere die Akteure, die sich <strong>in</strong>tensiv mit der Frage des<br />
Stromhandels ause<strong>in</strong>andersetzten, stellen den positiven Effekt <strong>von</strong> meteorologischen<br />
Informationen aus folgenden Gründen <strong>in</strong> Frage:<br />
— <strong>Der</strong> Strommarkt ist kompetitiv: Entscheidend ist daher nicht die absolute Informati-<br />
/ 149<br />
onsqualität, sondern über welche Informationen das EVU relativ zu den Mitbewerbern<br />
verfügt. Falls es generell ke<strong>in</strong>e meteorologischen Informationen gäbe, würden alle<br />
Marktteilnehmer über schlechtere Preismodelle verfügen; relativ zue<strong>in</strong>ander wären<br />
die Modelle aber nach wie vor gleich gut und die Erträge deshalb nicht wesentlich<br />
anders als heute.<br />
81 Bei der Persistenzprognose wird da<strong>von</strong> ausgegangen, dass sich das Wetter nicht verändert, sondern so bleibt wie es<br />
aktuell ist.
150 / 6 Elektrizitätswirtschaft<br />
— Ohne meteorologische Informationen würden die Preise die tatsächlichen Gegeben-<br />
heiten im Markt weniger gut widerspiegeln und Angebot und Nachfrage müssten viel<br />
kurzfristiger ausgeglichen werden als heute. Da<strong>von</strong> könnten jene Unternehmen profi-<br />
tieren, welche – relativ zu den anderen Marktteilnehmenden – über e<strong>in</strong> flexibles Pro-<br />
duktionsportfolio verfügen (z.B. Speicher- und Pumpspeicherkraftwerke). Schweizer<br />
EVU haben e<strong>in</strong>en vergleichsweise hohen Anteil an Speicher- und Pumpspeicher-<br />
kraftwerken. Unter Umständen würde also das Fehlen <strong>von</strong> meteorologischen Informa-<br />
tionen zu e<strong>in</strong>em positiven Effekt auf die Wirtschaftlichkeit schweizerischer EVU füh-<br />
ren, auch wenn die gesamtwirtschaftlichen Effekte, m<strong>in</strong>destens auf europäischer<br />
Ebene, negativ wären.<br />
Weitere Effekte auf die Wirtschaftlichkeit<br />
E<strong>in</strong>ige EVU erwähnten noch weitere Effekte <strong>von</strong> meteorologischen Informationen auf die<br />
Wirtschaftlichkeit, ohne diese quantifizieren zu können:<br />
— Meteorologische Gutachten werden zur Abschätzung des Produktionspotentials bei<br />
Kraftwerkserneuerungen oder Neubauten verwendet. Dies betrifft <strong>in</strong>sbesondere<br />
W<strong>in</strong>dkraftwerke, Wasserkraftwerke (Zuflusserwartungen, Wirkung <strong>von</strong> Klimaverände-<br />
rungen) und Kernkraftwerke (Kühlpotential).<br />
— Durch meteorologische Prognosen kann die Nachfrage zuverlässiger prognostiziert<br />
werden. Ohne diese Informationen könnte unerwartet e<strong>in</strong>e grosse Last auftreten, wel-<br />
che nur durch sehr teure, kurzfristig verfügbare Kraftwerke (z.B. Ölkraftwerke) be-<br />
dient werden kann.<br />
6.4.4 Aussagen der befragten Unternehmen zur Wirkung auf die Qualität der<br />
Leistungserbr<strong>in</strong>gung<br />
Meteorologische Informationen können im Bereich der EVU nicht nur die Wirtschaftlich-<br />
keit bee<strong>in</strong>flussen, sondern sie wirken sich auch auf die Qualität der Leistungserbr<strong>in</strong>gung<br />
aus. Dies betrifft e<strong>in</strong>erseits die Versorgungssicherheit <strong>in</strong> der Schweiz und die Sicherheit<br />
der schweizerischen Anlagen zur Stromerzeugung und zum Stromtransport und anderer-<br />
seits die Verh<strong>in</strong>derung <strong>von</strong> Überschwemmungsschäden durch den E<strong>in</strong>satz <strong>von</strong> Stauanla-<br />
gen zum Abflussmanagement im Krisenfall.<br />
Versorgungssicherheit<br />
Durch meteorologische Informationen können Angebot und Nachfrage besser prognosti-<br />
ziert werden, was sich stabilisierend auf den Strommarkt auswirkt. Sowohl die Wahr-<br />
sche<strong>in</strong>lichkeit e<strong>in</strong>er Fehlplanung als auch das Ausmass der Fehlplanung nähme ohne<br />
meteorologische Prognosen zu. Dadurch wäre es schwieriger, das permanente Gleich-<br />
gewicht der E<strong>in</strong>- und Ausspeisungen im Stromnetz sicherzustellen. Dies würde sich ne-<br />
gativ auf die Versorgungssicherheit auswirken und das Risiko <strong>von</strong> ungeplanten Lastab-<br />
würfen oder <strong>von</strong> Stromausfällen erhöhen.
Sicherheit der Stauanlagen und der Versorgungsnetze<br />
Die EVU verwenden, aufgrund gesetzlicher Bestimmungen, meteorologische Informatio-<br />
nen bei der Überwachung ihrer Stauanlagen. Im Bereich der Übertragungsnetze werden<br />
meteorologische Informationen <strong>von</strong> den EVU aber kaum e<strong>in</strong>gesetzt.<br />
Verh<strong>in</strong>derung <strong>von</strong> Schäden durch Überschwemmungen<br />
Die EVU verwenden meteorologische Prognosen nicht gezielt zur Verh<strong>in</strong>derung <strong>von</strong><br />
Schäden durch Überschwemmungen. Solange die Konzessionsbestimmungen e<strong>in</strong>gehal-<br />
ten werden, besteht für die EVU auch ke<strong>in</strong>e Schadensersatzpflicht. Meteorologische In-<br />
formationen entfalten <strong>in</strong> diesem Bereich dennoch e<strong>in</strong>en <strong>volkswirtschaftliche</strong>n <strong>Nutzen</strong><br />
durch ihren E<strong>in</strong>satz im Schadensmanagement sowie <strong>in</strong> der Schadensprävention durch<br />
die zuständigen öffentlichen Behörden (siehe Abschnitt 6.6).<br />
6.4.5 Würdigung der Resultate aus der Befragung der EVU<br />
Meteorologische Informationen bee<strong>in</strong>flussen zweifellos die Wirtschaftlichkeit und die<br />
Qualität der Leistungserbr<strong>in</strong>gung der EVU. Ob dies e<strong>in</strong>en volkswirtschaftlich relevanten<br />
Effekt auslöst, muss im E<strong>in</strong>zelnen geklärt werden. Andererseits können aber, auch wenn<br />
für die EVU ke<strong>in</strong> unternehmerischer <strong>Nutzen</strong> respektive ke<strong>in</strong>e unternehmerischen Kosten<br />
entstehen, e<strong>in</strong> <strong>volkswirtschaftliche</strong>r <strong>Nutzen</strong> beziehungsweise <strong>volkswirtschaftliche</strong> Kosten<br />
durch meteorologische Informationen ausgelöst werden.<br />
Am e<strong>in</strong>deutigsten ist die Sachlage bei der M<strong>in</strong>imierung <strong>von</strong> Wasserüberläufen. Diese<br />
führen direkt zu volkswirtschaftlich relevanten Ressourcene<strong>in</strong>sparungen, da das Wasser<br />
ke<strong>in</strong>en <strong>Nutzen</strong> generiert, wenn es ungebraucht überfliesst.<br />
Fahrplanabweichungen haben zwei Effekte zur Folge: E<strong>in</strong>erseits führen sie aufgrund der<br />
nötigen Nachregulierung zu zusätzlichem Aufwand bei den EVU und andererseits bewir-<br />
ken Fahrplanabweichungen e<strong>in</strong>en höheren Konsum <strong>von</strong> Systemdienstleistungen und<br />
können das Ausfallrisiko erhöhen. Unter der Annahme, dass die Preiszuschläge für Aus-<br />
gleichsenergie den zusätzlichen Kosten für das Netzmanagement und die Bereitstellung<br />
der Systemdienstleistungen entsprechen, kann die Reduzierung beider Effekte als Res-<br />
sourcene<strong>in</strong>sparungen <strong>in</strong>terpretiert werden. Gleiches gilt auch für die «weiteren Effekte»<br />
<strong>von</strong> meteorologischen Informationen, die im Wesentlichen die Betriebskosten der EVU<br />
reduzieren.<br />
Wenn meteorologische Informationen genutzt werden, um Preisprognosen zu erstellen,<br />
s<strong>in</strong>d die <strong>volkswirtschaftliche</strong>n Auswirkungen weniger e<strong>in</strong>deutig. Verlässliche Preisprogno-<br />
sen führen pr<strong>in</strong>zipiell dazu, dass die Preiserwartungen die zukünftigen Knappheiten im<br />
Markt korrekt aufzeigen. Dies hat unterschiedliche Effekte auf die Spot- und Intraday-<br />
Preise:<br />
— Die Spot-Preise werden volatiler, da sie auf erwartete Wettersituationen reagieren.<br />
/ 151<br />
Ohne meteorologische Informationen würden die Preise ke<strong>in</strong>e Reaktion auf zukünfti-<br />
ge Wetterereignisse zeigen und wären somit stabiler.
152 / 6 Elektrizitätswirtschaft<br />
— Die Intraday-Preise werden weniger volatil, da die für den Spot-Preis ausschlagge-<br />
bende Nachfrage-Angebots-Komb<strong>in</strong>ation häufiger zutrifft als ohne meteorologische<br />
Informationen. Ausserdem s<strong>in</strong>kt das Volumen des Intraday-Handels, da weniger kurz-<br />
fristig gehandelt werden muss.<br />
Für den Halter e<strong>in</strong>es flexibel e<strong>in</strong>setzbaren Produktionspotentials, beispielsweise e<strong>in</strong>es<br />
gefüllten Speichersees, haben die beiden Effekte gegensätzliche Auswirkungen. E<strong>in</strong>er-<br />
seits kann das vorhandene Potential auf dem Spot-Markt unter Berücksichtigung der er-<br />
höhten Volatilität preisoptimaler e<strong>in</strong>gesetzt werden, andererseits ist die Gew<strong>in</strong>nmarge im<br />
Intraday-Handel durch die weniger starken Schwankungen kle<strong>in</strong>er. Es lässt sich daher<br />
aus der vorliegenden Untersuchung nicht schliessen, welcher Effekt für die schweizeri-<br />
schen EVU überwiegt. Es lässt sich aber festhalten, dass e<strong>in</strong>e präzise Preisprognose zu<br />
e<strong>in</strong>em stabileren, weniger nervösen Markt mit <strong>in</strong>sgesamt weniger heftigen Preisaus-<br />
schlägen nach oben oder nach unten führt. Dies kann e<strong>in</strong>en volkswirtschaftlich positiven<br />
Effekt haben, da e<strong>in</strong> stabiler und berechenbarer Markt das Risiko <strong>von</strong> unerwarteten Über-<br />
oder Unterkapazitäten reduziert. Dadurch s<strong>in</strong>kt das Risiko <strong>von</strong> Ausfällen oder <strong>von</strong> uner-<br />
warteten Lastabwürfen, was <strong>in</strong>sgesamt zu Ressourcene<strong>in</strong>sparungen führt.<br />
«<strong>Nutzen</strong> <strong>von</strong> meteorologischen Informationen bei den EVU»<br />
Planung<br />
Unterhalt<br />
Präventive<br />
Produktion<br />
weniger<br />
Wasserüberläufe<br />
Lastprognose<br />
Meteorologische Informationen<br />
Produktionsprognose<br />
weniger<br />
Fahrplanabweichungen<br />
weniger<br />
Aufwand<br />
weniger<br />
Ausgleich<br />
tiefere Kosten<br />
für Stabilität<br />
Ressourcene<strong>in</strong>sparungen<br />
weitere<br />
Effekte<br />
weniger<br />
Aufwand<br />
volatilerer<br />
Spot-Preis<br />
weniger<br />
volatiler<br />
Intraday-Preis<br />
Gesamteffekt<br />
unklar<br />
Preisprognose<br />
Figur 21: Volkswirtschaftlich relevanter <strong>Nutzen</strong> <strong>von</strong> meteorologischen Informationen bei EVU<br />
stabilerer<br />
Markt<br />
weniger<br />
Ausfälle<br />
econcept
Beim Handel mit F<strong>in</strong>anzprodukten (Strom-<strong>Der</strong>ivaten), der durch die EVU betrieben wird,<br />
ist der <strong>volkswirtschaftliche</strong> <strong>Nutzen</strong> <strong>von</strong> meteorologischen Informationen nicht belegt, da <strong>in</strong><br />
diesem Bereich nur die relative Verfügbarkeit und Qualität <strong>von</strong> meteorologischen Infor-<br />
mationen entscheidend ist. Das allgeme<strong>in</strong>e Fehlen <strong>von</strong> meteorologischen Informationen<br />
hätte <strong>in</strong> diesem Zusammenhang mit grosser Wahrsche<strong>in</strong>lichkeit ke<strong>in</strong>en volkswirtschaftlich<br />
relevanten Effekt.<br />
6.4.6 Hochrechnung<br />
Basierend auf den quantitativen Aussagen der berücksichtigten EVU lässt sich der Nut-<br />
zen <strong>von</strong> meteorologischen Informationen für den Teilbereich «M<strong>in</strong>imierung <strong>von</strong> Fahrplan-<br />
abweichungen» hochrechnen. Wir verwenden hierfür die Angabe der EVU, wonach die<br />
Lastprognose ohne Wetter<strong>in</strong>formationen im Jahresdurchschnitt 1-3 Prozentpunkte<br />
schlechter wäre als heute.<br />
Ist die Lastprognose zu tief, bezieht das EVU die zusätzlich benötigte Energie als Aus-<br />
gleichsenergie über Swissgrid, ist die Lastprognose h<strong>in</strong>gegen zu hoch, muss das EVU<br />
die überschüssige Energie als Ausgleichsenergie über Swissgrid absetzen. In diesem<br />
Szenario gehen wir da<strong>von</strong> aus, dass die EVU ke<strong>in</strong>e Möglichkeit zur Nachregelung haben.<br />
Dies trifft für kle<strong>in</strong>ere und mittlere EVU <strong>in</strong> der Regel zu, da die geplante Stromproduktion<br />
<strong>in</strong> der Regel nicht laufend angepasst wird (z.B. ke<strong>in</strong>e «24h/7Tage Überwachung»). Auch<br />
für grössere EVU wird die Nachregelung immer schwieriger: Im Rahmen des neuen Bi-<br />
lanzgruppensystems <strong>in</strong> der Schweiz s<strong>in</strong>d die effektiven Verbrauchszahlen für die EVU<br />
bewusst nicht mehr <strong>in</strong> Echtzeit verfügbar, sondern erst am Folgetag, was e<strong>in</strong>e aktive<br />
Nachregelung erschwert oder verunmöglicht. Die Nachregelungsmöglichkeiten der EVU<br />
wurden bewusst reduziert, um diese zu präziseren Lastprognosen zu motivieren. Präzise<br />
Lastprognosen helfen das Gesamtsystem stabiler zu machen, was sowohl gesamtwirt-<br />
schaftlich (Ausfallsicherheit) als auch für die EVU (tiefere Kosten für Netzregulierung)<br />
positiv ist. Die relativ neue Möglichkeit, durch nachträgliche Kontrakte zwischen Bezü-<br />
gern und Lieferanten <strong>von</strong> Ausgleichsenergie die Kosten zu senken («post-schedul<strong>in</strong>g»)<br />
wurde h<strong>in</strong>gegen <strong>in</strong> die Hochrechnung <strong>in</strong>tegriert.<br />
Die konkreten f<strong>in</strong>anziellen Auswirkungen der schlechteren Prognose auf die EVU s<strong>in</strong>d<br />
da<strong>von</strong> abhängig, <strong>in</strong> welchem Zustand sich die Bilanzgruppe relativ zur Regelzone bef<strong>in</strong>-<br />
det, d.h. ob die Ausgleichsenergie stabilisierend oder destabilisierend wirkt. In jedem Fall<br />
ist das EVU aber f<strong>in</strong>anziell schlechter gestellt, als wenn es die korrekten Mengen Strom<br />
auf dem Spotmarkt gekauft oder verkauft hätte. Tabelle 50 zeigt die Ausgleichsenergie-<br />
kosten als Zu- resp. Abschlag vom Spotpreis <strong>in</strong> den vier möglichen Zustands-<br />
Komb<strong>in</strong>ationen <strong>von</strong> Regelzone und Bilanzgruppe. Die Werte für die Korrekturfaktoren α1<br />
bis α4 s<strong>in</strong>d <strong>von</strong> Swissgrid wie folgt festgelegt worden (Swissgrid 2009 und Swissgrid<br />
2011): α1= α4 = 1.3, α2 = α3 = 0.7. Überdies wird <strong>in</strong> Tabelle 50 <strong>von</strong> e<strong>in</strong>em durchschnittli-<br />
chen Regelarbeitskosten-Zuschlag (RAZuschlag) resp. Regelarbeitskosten-Abschlag (RAAb-<br />
schlag) <strong>von</strong> jeweils +/-20% ausgegangen (OPMPEX 2011).<br />
/ 153
154 / 6 Elektrizitätswirtschaft<br />
Bilanzgruppe (BG)<br />
«short»<br />
(Unterdeckung)<br />
«long»<br />
(Überdeckung)<br />
Regelzone (RZ)<br />
«short» (Unterdeckung) «long»(Überdeckung)<br />
EVU bezieht Energie und zahlt:<br />
(BG wirkt destabilisierend)<br />
PSpot × RAZuschlag × α1<br />
PSpot × 1.2 × 1.3<br />
Zuschlag: 56% auf PSpot<br />
EVU liefert Energie und erhält:<br />
(BG wirkt stabilisierend)<br />
PSpot × α2<br />
PSpot × 0.7<br />
Abschlag: 30% auf PSpot<br />
EVU bezieht Energie und zahlt:<br />
(BG wirkt stabilisierend)<br />
PSpot × α4<br />
PSpot × 1.3<br />
Zuschlag: 30% auf PSpot<br />
EVU liefert Energie und erhält:<br />
(BG wirkt destabilisierend)<br />
PSpot × RAAbschlag × α3<br />
PSpot × 0.8 × 0.7<br />
Abschlag: 44% auf PSpot<br />
Tabelle 50: Ausgleichsenergiekosten <strong>in</strong> der Schweiz. Die Werte für die Korrekturfaktoren α1 bis α4 s<strong>in</strong>d <strong>von</strong><br />
Swissgrid festgelegt worden. <strong>Der</strong> durchschnittliche Regelarbeitskosten-Zuschlag (RAZuschlag) resp.<br />
Regelarbeitskosten-Abschlag (RAAbschlag) ist +/- 20%. <strong>Der</strong> Preis PSpot bezeichnet den jeweiligen<br />
Day-Ahead-Preis (SwissIX Preis). Quellen: Swissgrid 2009, Swissgrid 2011 und OPMPEX 2011.<br />
Zur Hochrechung treffen wir folgende Annahmen:<br />
— Annahme 1: <strong>Der</strong> Prognosefehler ist über die Zeit uniform verteilt, d.h. <strong>in</strong> 50% der Zeit<br />
führt der Prognosefehler zu e<strong>in</strong>er Unterdeckung <strong>in</strong> der BG und <strong>in</strong> 50% der Zeit zu ei-<br />
ner Überdeckung.<br />
— Annahme 2: <strong>Der</strong> Zustand der RZ ist unabhängig vom Zustand der BG.<br />
Diese Annahmen lassen e<strong>in</strong>e Hochrechung des <strong>Nutzen</strong>s der meteorologischen Informati-<br />
onen zu. Zur Bestimmung der Ausgleichsenergiezu- und Abschläge wurden die <strong>von</strong><br />
Swissgrid veröffentlichten Ausgleichsenergiekosten für jede Viertelstunde im Jahr 2010<br />
ausgewertet (vgl. Tabelle 51). Zusätzlich wurden alle Viertelstunden im Jahr 2010 <strong>in</strong> zwei<br />
Gruppen aufgeteilt, je nach dem ob <strong>in</strong> dieser Viertelstunde die Regelzone Schweiz<br />
«short» oder «long» war.
Preise für Ausgleichsenergie (ct/kWh), Mittelwerte<br />
RZ short RZ long<br />
Anteil Viertelstunden<br />
im Jahr 2010<br />
/ 155<br />
BG long BG short BG long BG short RZ short RZ long<br />
Januar 2010 3.97 9.24 2.57 6.07 74% 26%<br />
Februar 2010 4.13 9.33 2.87 6.72 66% 34%<br />
März 2010 4.31 9.94 2.76 6.93 60% 40%<br />
April 2010 3.40 8.16 2.43 5.89 49% 51%<br />
Mai 2010 3.07 7.31 2.18 5.16 66% 34%<br />
Juni 2010 3.16 8.08 2.02 4.81 77% 23%<br />
Juli 2010 3.42 8.07 2.26 5.30 69% 31%<br />
August 2010 2.99 6.94 1.93 4.65 62% 38%<br />
September 2010 3.50 8.27 2.38 5.53 63% 37%<br />
Oktober 2010 4.17 10.06 3.04 7.38 71% 29%<br />
November 2010 4.15 9.75 2.64 6.64 61% 39%<br />
Dezember 2010 4.46 10.68 3.21 7.69 70% 30%<br />
Jan.-Dez. 2010 3.73 8.82 2.52 6.06 66% 34%<br />
Tabelle 51: Auswertung der Ausgleichsenergiepreise <strong>in</strong> Eurocent pro Kilowattstunde und des Zustandes der<br />
Regelzone Schweiz für das Jahr 2010.<br />
Basierend auf den Daten aus Tabelle 51 lässt sich e<strong>in</strong>erseits die Verteilung des Regelzo-<br />
nenzustandes ableiten (während 66% der Zeit «short», während 34% der Zeit «long»)<br />
und andererseits lässt sich, basierend auf den prozentualen Zu- resp. Abschlägen aus<br />
Tabelle 50, e<strong>in</strong> durchschnittlicher Preiszuschlag/Preisabschlag berechnen. Tabelle 52<br />
zeigt diese Berechnung.<br />
Durchschnittlicher Preis für Ausgleichsenergie im<br />
Jahr 2010 (€ / MWh)<br />
Durchschnittlicher Preis für Ausgleichsenergie im<br />
Jahr 2010 (CHF / MWh)<br />
RZ short RZ long<br />
BG long BG short BG long BG short<br />
37.28<br />
€/MWh<br />
48.46<br />
CHF/MWh<br />
88.20<br />
€/MWh<br />
114.66<br />
CHF/MWh<br />
25.25<br />
€/MWh<br />
32.82<br />
CHF/MWh<br />
60.64<br />
€/MWh<br />
78.83<br />
CHF/MWh<br />
Zuschlag resp. Abschlag % (vgl. Tabelle 50) 30% 56% 44% 30%<br />
Zuschlag resp. Abschlag im Jahr 2010 (CHF / MWh) 11.18<br />
CHF/MWh<br />
Aus den Preisen bei BG «long» und BG «short»<br />
gemittelter Zuschlag resp. Abschlag im Jahr 2010<br />
(CHF / MWh)<br />
41.16<br />
CHF/MWh<br />
10.03<br />
CHF/MWh<br />
26.17 CHF/MWh 14.11 CHF/MWh<br />
Anteil Regelzonenzustand im Jahr 2010 66% 33%<br />
Gewichteter durchschnittlicher Zuschlag resp. Abschlag<br />
im Jahr 2010 (CHF / MWh)<br />
22.03 CHF/MWh<br />
18.19<br />
CHF/MWh<br />
Tabelle 52: Berechung des gewichteten durchschnittlichen Zuschlag resp. Abschlag für Ausgleichsenergie im<br />
Jahr 2010 <strong>in</strong> CHF pro MWh (Annahme: 1 Euro = 1.3 CHF).<br />
Gemäss den Angaben der berücksichtigten EVU lassen sich durchschnittlich etwa 50%<br />
der Ausgleichsenergieflüsse durch nachträgliche Kontrakte («post-schedul<strong>in</strong>g») auffan-<br />
gen und lösen somit ke<strong>in</strong>e Ausgleichsenergiezahlungen über Swissgrid aus. Für die fol-
156 / 6 Elektrizitätswirtschaft<br />
gende Hochrechnung gehen wir <strong>von</strong> e<strong>in</strong>em Gesamtstromverbrauch <strong>in</strong> der Schweiz <strong>von</strong><br />
57’500 GWh pro Jahr aus (BFE 2010).<br />
Szenario «1%» Szenario «2%» Szenario «3%»<br />
Verbrauch Schweiz im Jahr 2009 (GWh) 57’000 57’000 57’000<br />
Zusätzlicher Prognosefehler (Prozentpunkte) ohne meteorologische<br />
Informationen<br />
1% 2% 3%<br />
Durchschnittlicher Anteil «post-schedul<strong>in</strong>g» 50% 50% 50%<br />
Zusätzlicher Prognosefehler (GWh) ohne meteorologische<br />
Informationen im Jahr 2009<br />
Gewichteter durchschnittlicher Zuschlag resp. Abschlag<br />
im Jahr 2010 (CHF / MWh)<br />
Jährlicher <strong>Nutzen</strong> meteorologischer Information im<br />
Bezug auf die M<strong>in</strong>imierung <strong>von</strong> Fahrplanabweichungen<br />
bei den EVU<br />
288 575 863<br />
22.03 22.03 22.03<br />
6.33 Mio. CHF/a 12.66 Mio. CHF/a 19.00 Mio. CHF/a<br />
Tabelle 53: Hochrechnung des jährlichen <strong>Nutzen</strong>s <strong>von</strong> meteorologischen Informationen im Bezug auf die<br />
M<strong>in</strong>imierung <strong>von</strong> Fahrplanabweichungen bei den EVU. Quellen: BFE 2010, Interviews mit EVU,<br />
eigene Berechnungen. <strong>Der</strong> plausibelste Wert liegt unserer Me<strong>in</strong>ung nach zwischen 6.33 und 12.66<br />
Mio. CHF pro Jahr (vgl. nachfolgenden Text).<br />
Die Resultate aus der Tabelle 53 konnten anhand der Aussagen der beiden EVU, welche<br />
für den <strong>Nutzen</strong> <strong>von</strong> meteorologischen Informationen im Bezug auf die M<strong>in</strong>imierung der<br />
Fahrplanabweichungen e<strong>in</strong>e quantitative Aussage gemacht haben, plausibilisiert werden.<br />
Zu diesem Zweck wurden die beiden Angaben (500’000 resp. 360’000 CHF/Jahr), an-<br />
hand der durch die beiden EVU <strong>in</strong> der Schweiz vertriebenen Strommenge, auf den Ge-<br />
samtverbrauch der Schweiz hochgerechnet. Die so gewonnenen Resultate liegen <strong>in</strong> ei-<br />
nem Fall mit 7.1 Mio. CHF pro Jahr zwischen dem Szenario «1%» und dem Szenario<br />
«2%» und <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Fall mit 3.5 Mio. CHF pro Jahr deutlich unter dem Szenario «1%».<br />
Dies erweitert den <strong>Nutzen</strong>bereich auf 3.5 bis 19 Mio. CHF pro Jahr.<br />
<strong>Der</strong> unterste Wert der Hochrechung (3.5 Mio. CHF/a) basiert auf den Angaben e<strong>in</strong>es<br />
Stromverbundunternehmens. Grosse EVU können mit Prognosefehlern tendenziell bes-<br />
ser umgehen als kle<strong>in</strong>ere EVU. Wir gehen daher da<strong>von</strong> aus, dass der unterste Wert der<br />
Hochrechnung weniger plausibel ist. Ebenso gehen wir da<strong>von</strong> aus, dass das Szenario<br />
«3%» den effektiven <strong>Nutzen</strong> überschätzt, da die Mehrheit der befragten Unternehmen<br />
den zusätzlichen Prognosefehler auf e<strong>in</strong> bis zwei Prozentpunkte schätzte. <strong>Der</strong> plausible<br />
Wert für den <strong>Nutzen</strong> der meteorologischen Informationen im Bereich der M<strong>in</strong>imierung <strong>von</strong><br />
Fahrplanabweichungen liegt unserer Me<strong>in</strong>ung nach deshalb zwischen 6.33 und 12.66<br />
Mio. CHF pro Jahr. Dieser <strong>Nutzen</strong> wird mit den tendenziell steigenden Strompreisen<br />
wahrsche<strong>in</strong>lich <strong>in</strong> Zukunft grösser se<strong>in</strong>.<br />
<strong>Der</strong> <strong>in</strong> diesem Kapitel hochgerechnete <strong>Nutzen</strong> <strong>von</strong> meteorologischen Informationen ent-<br />
spricht nur e<strong>in</strong>em Teil des Gesamtnutzens meteorologischer Informationen für die EVU.<br />
Die 6.33 und 12.66 Mio. CHF pro Jahr s<strong>in</strong>d deshalb als M<strong>in</strong>imalnutzen zu betrachten.<br />
Daneben gibt es <strong>in</strong> der Elektrizitätswirtschaft noch andere <strong>volkswirtschaftliche</strong> <strong>Nutzen</strong><br />
<strong>von</strong> meteorologischen Informationen. Auf diese wird <strong>in</strong> den folgenden Kapitel e<strong>in</strong>gegan-<br />
gen.
6.5 Nationale Netzgesellschaft Swissgrid<br />
Die nationale Netzgesellschaft Swissgrid ist verantwortlich für den sicheren, zuverlässi-<br />
gen und wirtschaftlichen Betrieb des schweizerischen Höchstspannungsnetzes. Überdies<br />
nimmt sie Aufgaben bei der Koord<strong>in</strong>ation und der Abrechnung im europäischen Ver-<br />
bundsnetz ENTSO-E wahr. <strong>Der</strong> Stromtransport im schweizerischen Höchstspannungs-<br />
netz geschieht überwiegend durch freistehende Übertragungsleitungen, welche mehrheit-<br />
lich ungeschützt der Witterung ausgesetzt s<strong>in</strong>d. <strong>Der</strong> Stromtransport wird daher durch<br />
folgende meteorologischen Grössen und Ereignisse bee<strong>in</strong>flusst:<br />
Meteorologische Grössen und Ereignisse E<strong>in</strong>fluss auf den Stromtransport<br />
Temperatur Transportkapazität der Leitungen:<br />
– Je belasteter die Leitungen, desto höher s<strong>in</strong>d die Transportverluste<br />
und die Leiterseiltemperatur.<br />
– Die Leitungen dürfen nicht zu warm werden, weil sonst die mechanische<br />
Festigkeit kle<strong>in</strong>er wird und die Leitungen zu stark<br />
durchhängen.<br />
Beide Effekte haben zur Folge, dass die zulässige Transportkapazität<br />
mit steigender Umgebungstemperatur um bis zu 30% s<strong>in</strong>kt.<br />
Zusätzlich bee<strong>in</strong>flusst die Temperatur den Stromverbrauch und somit<br />
die benötigte Transportkapazität.<br />
W<strong>in</strong>d, Sonnene<strong>in</strong>strahlung, Niederschläge E<strong>in</strong>fluss auf die Stromproduktion und dadurch auf die benötigte<br />
Transportkapazität<br />
Vereisungen, Gewitter (Blitze), Law<strong>in</strong>enniedergänge,<br />
Starkw<strong>in</strong>de<br />
Können zu Leitungsausfällen führen.<br />
Tabelle 54: Relevante meteorologische Grössen und Ereignisse für den Stromtransport im Höchstspannungsnetz<br />
<strong>in</strong> der Schweiz (Quelle: Interview Swissgrid)<br />
6.5.1 Aussagen zur Verwendung und zum <strong>Nutzen</strong> <strong>von</strong> meteorologischen<br />
Informationen<br />
Aktuell werden <strong>von</strong> Swissgrid nur Temperaturmessdaten und Temperaturprognosen sys-<br />
tematisch verwendet. Die Mitarbeiter/<strong>in</strong>nen benützen im Bedarfsfall zusätzlich allgeme<strong>in</strong><br />
verfügbare meteorologische Informationen.<br />
Auch wenn meteorologische Grössen e<strong>in</strong>en wesentlichen E<strong>in</strong>fluss auf die Tätigkeit <strong>von</strong><br />
Swissgrid haben, werden Wetter<strong>in</strong>formationen kaum systematisch verwendet, weil sich<br />
das Netzmanagement nur sehr schlecht auf meteorologische Ereignisse vorbereiten<br />
kann. Anders gesagt s<strong>in</strong>d die Auswirkungen <strong>von</strong> e<strong>in</strong>em erwarteten oder <strong>von</strong> e<strong>in</strong>em uner-<br />
warteten Ereignis ähnlich. Swissgrid kann sich aber trotzdem vorstellen, dass <strong>in</strong> Zukunft<br />
Blitzortungs- und Niederschlagsradardaten direkt im Leitsystem sichtbar gemacht wer-<br />
den. Dies würde die Fehlersuche bei e<strong>in</strong>em Leitungsausfall erheblich vere<strong>in</strong>fachen.<br />
Swissgrid erstellt, ähnlich wie die EVU, auch Last- und Produktionsprognosen. Diese<br />
werden aber vor allem zur langfristigen Planung des Transportbedarfs verwendet und<br />
deshalb spielen meteorologische Prognosen dabei ke<strong>in</strong>e Rolle.<br />
/ 157
158 / 6 Elektrizitätswirtschaft<br />
Wirkung auf die Wirtschaftlichkeit <strong>von</strong> Swissgrid<br />
Die Wirtschaftlichkeit <strong>von</strong> Swissgrid wird durch die Verwendung <strong>von</strong> meteorologischen<br />
Informationen nicht <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em relevanten Ausmass bee<strong>in</strong>flusst.<br />
Wirkung auf die Qualität der Leistungserbr<strong>in</strong>gung<br />
<strong>Der</strong> zuverlässige und sichere Betrieb des Höchstspannungsnetzes <strong>in</strong> der Schweiz wird<br />
immer komplexer, <strong>in</strong>sbesondere weil die Anzahl der Marktteilnehmer aufgrund der Libe-<br />
ralisierung zunimmt und weil durch den vermehrten E<strong>in</strong>satz <strong>von</strong> W<strong>in</strong>d- und Solarenergie<br />
die Produktionsschwankungen zunehmen. Für den reibungslosen Betrieb des Höchst-<br />
spannungsnetzes ist die Leiterseiltemperatur e<strong>in</strong>e wichtige Komponente, da sie die<br />
Transportkapazität wesentlich bee<strong>in</strong>flusst. Prognosen der Temperatur auf Leiterhöhe<br />
können daher die Qualität der Leistungserbr<strong>in</strong>gung erhöhen und werden <strong>von</strong> Swissgrid<br />
auch entsprechend e<strong>in</strong>gesetzt. Die effektive Leiterseiltemperatur ist aber <strong>von</strong> sehr vielen<br />
Faktoren abhängig (Aussentemperatur, Ausrichtung und Beschaffenheit der Leitung,<br />
W<strong>in</strong>dgeschw<strong>in</strong>digkeit, Luftfeuchtigkeit usw.), so dass die Temperaturprognosen nur er-<br />
gänzend zur Echtzeitüberwachung mit Sensoren e<strong>in</strong>gesetzt werden. E<strong>in</strong>e quantitative<br />
Aussage über den <strong>Nutzen</strong> <strong>von</strong> meteorologischen Informationen kann aufgrund dieser<br />
Informationen nicht gemacht werden. Es muss aber angenommen werden, dass der Nut-<br />
zen, relativ zu anderen E<strong>in</strong>flussgrössen, kle<strong>in</strong> ist.<br />
6.6 Schadensmanagement<br />
Wie <strong>in</strong> Kapitel 6.4.4 beschrieben, verwenden Elektrizitätsversorgungsunternehmen (EVU)<br />
meteorologische Informationen nicht gezielt und direkt zur Verh<strong>in</strong>derung <strong>von</strong> Schäden<br />
durch Überschwemmungen. Die EVU stellen aber mit ihren Stauanlagen Infrastruktur zur<br />
Verfügung, welche im Ereignisfall zur Verh<strong>in</strong>derung <strong>von</strong> Schäden e<strong>in</strong>gesetzt werden<br />
kann.<br />
Die Rahmenbed<strong>in</strong>gungen und die Pflichten der EVU im Zusammenhang mit Über-<br />
schwemmungen s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> den Konzessionen für die e<strong>in</strong>zelnen Wasserkraftwerke def<strong>in</strong>iert.<br />
Im Regelfall führen die EVU die <strong>von</strong> den Behörden verfügte Massnahme (z.B. Erhöhung<br />
oder Reduzierung der Abflussmenge) operativ durch. Je nach Konzessionsbed<strong>in</strong>gungen<br />
erhalten die EVU Entschädigungen, wenn sie Wasser ungenutzt abfliessen lassen müs-<br />
sen.<br />
Staatliche Stellen verwenden meteorologische Informationen gezielt zur Verbesserung<br />
des Schadensmanagements im Ereignisfall. Dabei ist <strong>in</strong>sbesondere die Seeregulierung<br />
relevant: Durch das Rückhalten <strong>von</strong> Wasser im Seebecken können weiter flussabwärts<br />
Überschwemmungen verh<strong>in</strong>dert oder reduziert werden. Wird jedoch zu viel Wasser im<br />
See zurückgehalten, kann dies zu e<strong>in</strong>em See-Hochwasser mit massiven Schäden führen.<br />
In dieser Situation ist es entscheidend zu wissen, wie sich die Niederschläge entwickeln<br />
werden. Bei Flusswasserkraftwerken h<strong>in</strong>gegen ist die Rückhaltekapazität zu kle<strong>in</strong>, als<br />
dass diese zum pro-aktiven Schadensmanagement e<strong>in</strong>gesetzt werden könnten.
Ausserdem vere<strong>in</strong>fachen und präzisieren meteorologische Informationen die tägliche<br />
Lagebeurteilung im Krisenfall durch die zuständigen Behörden und ermöglichen so e<strong>in</strong>e<br />
adäquate Information der Bevölkerung.<br />
6.6.1 <strong>Nutzen</strong> <strong>von</strong> meteorologischen Informationen - Aussagen der befragten<br />
Akteure<br />
E<strong>in</strong> System zum Krisenmanagement bei Starkniederschlägen und drohenden Über-<br />
schwemmungen wäre auch ohne meteorologische Information denkbar, aber es wäre<br />
schlechter. Meteorologische Prognosen ermöglichen <strong>in</strong>sbesondere e<strong>in</strong> pro-aktives Scha-<br />
densmanagement im Ereignisfall. Dies lässt sich am Beispiel der Hochwasserereignisse<br />
2005 und 2007 im Kanton Zürich zeigen.<br />
Beispiel Hochwasserereignisse 2005 und 2007 im Kanton Zürich<br />
Ohne meteorologische Informationen wäre es sowohl 2005 als auch 2007 zu ke<strong>in</strong>er Re-<br />
gulierung des Zürichsees gekommen, d.h. man hätte die Abflussmenge nicht reduziert.<br />
Dies weil man ohne meteorologische Modellprognosen nicht gewusst hätte, wie viel Nie-<br />
derschlag noch zu erwarten ist. Die Behörden hätten deshalb Reservekapazität im See<br />
geschaffen, um e<strong>in</strong> mögliches See-Hochwasser zu verh<strong>in</strong>dern. Dank den Niederschlags-<br />
prognosen wussten die Behörden aber, dass die noch zu erwartende Menge Wasser<br />
kle<strong>in</strong> ist. Gemäss den Aussagen der befragten Akteure ist es wahrsche<strong>in</strong>lich, dass ohne<br />
Seeregulierung sowohl 2005 im Limmattal als auch 2007 im Kanton Aargau (Region Döt-<br />
t<strong>in</strong>gen und Kl<strong>in</strong>gnau) die Schäden durch Überschwemmungen bedeutend grösser gewe-<br />
sen wären.<br />
E<strong>in</strong>e konkrete Schätzung der durch den E<strong>in</strong>satz <strong>von</strong> meteorologischen Informationen<br />
verh<strong>in</strong>derten Schäden ist aber nicht möglich, da sich der Effekt <strong>von</strong> e<strong>in</strong>zelnen Massnah-<br />
men oder Informationen nicht isolieren lässt. Ausserdem ist e<strong>in</strong>e f<strong>in</strong>anzielle Schätzung<br />
äusserst schwierig, da bis heute ke<strong>in</strong>e Risikokarte für das betroffene Gebiet existiert.<br />
Dies erklärt auch, wieso ke<strong>in</strong>e wissenschaftlichen Untersuchungen zum E<strong>in</strong>fluss <strong>von</strong> me-<br />
teorologischen Prognosen auf die Schadenssumme <strong>von</strong> Hochwasserereignissen existie-<br />
ren. Diese Frage müsste im Rahmen e<strong>in</strong>er unabhängigen Studie geklärt werden.<br />
6.7 Zusammenfassung<br />
Die Ergebnisse der vorliegenden Studie im Bereich Elektrizitätswirtschaft lassen sich<br />
folgendermassen zusammenfassen:<br />
/ 159
160 / 6 Elektrizitätswirtschaft<br />
Energieversorgungsunternehmen<br />
Nationale Netzgesellschaft<br />
Vermiedene<br />
Staatsausgaben<br />
Schadensmanagement nicht e<strong>in</strong>schätzbar,<br />
nicht quantifizierbar<br />
Summe der quantifizierbaren<br />
Effekte<br />
Zusätzliche<br />
Wertschöpfung<br />
Vermiedene<br />
Schadenskosten<br />
6.33 - 12.66 Mio. CHF/a nicht e<strong>in</strong>schätzbar,<br />
nicht quantifizierbar<br />
Ke<strong>in</strong> Effekt ger<strong>in</strong>g,<br />
nicht quantifizierbar<br />
6.33 - 12.66 Mio. CHF/a<br />
hoch,<br />
nicht quantifizierbar<br />
Tabelle 55: Volkswirtschaftlicher <strong>Nutzen</strong> <strong>von</strong> meteorologischen Informationen <strong>in</strong> der Elektrizitätswirtschaft,<br />
Zusammenfassung aller Resultate des Kapitels. Bei den quantitativen Angaben werden die plausibelsten<br />
Werte ausgewiesen.<br />
6.7.1 Staatsausgaben<br />
Es konnten ke<strong>in</strong>e Anhaltspunkte gefunden werden, dass meteorologische Informationen<br />
im Bereich der Elektrizitätswirtschaft auf die Höhe der Staatsausgaben e<strong>in</strong>en wesentli-<br />
chen E<strong>in</strong>fluss ausüben. Zwar verursacht die Nutzung meteorologischer Informationen<br />
zusätzliche Aufwendungen (z.B. Personalressourcen zur Interpretation der Wettermodel-<br />
le), dafür senken die dadurch vermiedenen Schadenskosten wiederum die Staatsausga-<br />
ben (vgl. auch Kapitel 6.7.3).<br />
6.7.2 Wertschöpfung<br />
Die Zunahme der Wertschöpfung durch die Nutzung <strong>von</strong> meteorologischen Informationen<br />
wird im Bereich der Elektrizitätswirtschaft vor allem durch die Erhöhung der Wirtschaft-<br />
lichkeit bei den Elektrizitätsversorgungsunternehmen erzielt. Diese resultiert <strong>in</strong>sbesonde-<br />
re <strong>in</strong> den folgenden Teilbereichen:<br />
— M<strong>in</strong>imierung <strong>von</strong> Fahrplanabweichungen<br />
— M<strong>in</strong>imierung <strong>von</strong> Speicherverlusten<br />
— Optimale Planung <strong>von</strong> Unterhaltsarbeiten<br />
— Preisoptimaler E<strong>in</strong>satz <strong>von</strong> Produktionspotentialen<br />
Für den Teilbereich «M<strong>in</strong>imierung <strong>von</strong> Fahrplanabweichungen» wurde der <strong>Nutzen</strong> <strong>von</strong><br />
meteorologischen Informationen, bei den aktuellen Strompreisen, auf 6.3 bis 12.7 Mio.<br />
CHF pro Jahr geschätzt. Mit tendenziell steigenden Strompreisen ist da<strong>von</strong> auszugehen,<br />
dass dieser <strong>Nutzen</strong> <strong>in</strong> Zukunft eher grösser wird.<br />
Für die anderen Teilbereiche konnten ke<strong>in</strong>e quantitativen Schätzungen gemacht werden,<br />
da die berücksichtigten Unternehmen die Wirkungen <strong>von</strong> meteorologischen Informationen<br />
nicht isolieren konnten. Es ist aber da<strong>von</strong> auszugehen, dass die Verwendung und somit<br />
auch der <strong>Nutzen</strong> <strong>von</strong> meteorologischen Informationen durch den Ausbau der Produkti-<br />
onskapazitäten bei den neuen erneuerbaren Energien (W<strong>in</strong>d, Sonne) <strong>in</strong> Europa tenden-
ziell zunehmen werden. E<strong>in</strong>erseits hat das Wetter e<strong>in</strong>en grösseren E<strong>in</strong>fluss auf die Pro-<br />
duktionsmenge und andererseits nimmt die Bedeutung <strong>von</strong> regelbaren Kapazitäten zu.<br />
Letzteres kann für die schweizerischen Produzenten, die über dafür geeignete Anlagen<br />
verfügen, Marktvorteile mit sich br<strong>in</strong>gen.<br />
6.7.3 Schadenskosten<br />
Schäden durch Überschwemmungen<br />
Die Akteure der Elektrizitätswirtschaft verwenden meteorologische Informationen nicht<br />
gezielt und direkt zur Verh<strong>in</strong>derung <strong>von</strong> Schäden durch Überschwemmungen. Die EVU<br />
stellen aber mit ihren Stauanlagen e<strong>in</strong>e Infrastruktur zur Verfügung, welche im Ereignis-<br />
fall zur Verh<strong>in</strong>derung <strong>von</strong> Schäden e<strong>in</strong>gesetzt werden kann. Die Schadenvorsorge und<br />
das Schadensmanagement werden durch die zuständigen Behörden (Bund, Kantone)<br />
geplant und koord<strong>in</strong>iert. Die EVU führen die <strong>von</strong> den Behörden verfügten Massnahmen<br />
(z.B. Erhöhung oder Reduzierung der Abflussmenge) operativ durch.<br />
Die Nutzung <strong>von</strong> meteorologischen Informationen verbessert sowohl Schadensvorsorge<br />
als auch das Schadensmanagement. Meteorologische Prognosen lassen <strong>in</strong>sbesondere<br />
pro-aktive Seeregulierungen zu, was Schäden durch Überschwemmungen flussabwärts<br />
verh<strong>in</strong>dern kann. Zur Quantifizierung der durch die Nutzung <strong>von</strong> meteorologischen Infor-<br />
mationen verh<strong>in</strong>derten Schäden wären weitergehende Untersuchungen zu den e<strong>in</strong>zelnen<br />
Hochwasserereignissen nötig, was jedoch ausserhalb des Rahmens der vorliegenden<br />
Studie liegt. Es ist aber da<strong>von</strong> auszugehen, dass e<strong>in</strong> wesentlicher <strong>Nutzen</strong> im Bereich der<br />
Schadensverh<strong>in</strong>derung bei Hochwasser vorhanden ist.<br />
Schäden durch Stromausfälle<br />
Meteorologische Informationen erleichtern die Abschätzung des zukünftigen Strom-<br />
verbrauchs und der zukünftigen Stromproduktion und erleichtern so die Abstimmung <strong>von</strong><br />
E<strong>in</strong>- und Ausspeisungen bzw. <strong>von</strong> Produktion und Nachfrage im Stromnetz. Diese Ab-<br />
stimmung ist Voraussetzung für die Stabilität und Zuverlässigkeit der Stromversorgung.<br />
Mit der zunehmenden Bedeutung der neuen erneuerbaren Energien (W<strong>in</strong>d, Sonne), de-<br />
ren Produktion stärker <strong>von</strong> meteorologischen Parametern abhängig ist, nimmt auch die<br />
Bedeutung <strong>von</strong> meteorologischen Prognosen zur Sicherstellung der Netzstabilität zu.<br />
Auch hier konnten im Rahmen der vorliegenden Studien ke<strong>in</strong>e quantitativen Aussagen<br />
zum <strong>Nutzen</strong> gemacht werden. Es ist aber da<strong>von</strong> auszugehen, dass e<strong>in</strong> <strong>Nutzen</strong> vorhanden<br />
ist.<br />
6.8 Vergleich mit <strong>in</strong>ternationalen Studien<br />
Auch im Elektrizitätsbereich lässt sich die <strong>in</strong>ternational verfügbare Literatur <strong>in</strong> generische<br />
Studien zum <strong>Nutzen</strong> der <strong>Meteorologie</strong> und spezifische Studien zu e<strong>in</strong>zelnen Teilberei-<br />
chen der Verwendung <strong>von</strong> meteorologischen Informationen differenzieren. Beim Ver-<br />
/ 161<br />
gleich mit <strong>in</strong>ternationaler Literatur muss aber beachtet werden, dass die Elektrizitätswirt-
162 / 6 Elektrizitätswirtschaft<br />
schaft <strong>in</strong> der Schweiz e<strong>in</strong>ige Besonderheiten aufweist, die das Übertragen <strong>von</strong> Resultaten<br />
erschweren. Dies s<strong>in</strong>d <strong>in</strong>sbesondere:<br />
— Hoher Anteil der Wasserkraft an der Gesamtstromproduktion.<br />
— Relativ viele Speicherkraftwerke. Dadurch kurzfristig verfügbare Stromproduktionspo-<br />
tentiale, die höhere Preise ermöglichen.<br />
— Fossil-thermische Kraftwerke (Öl, Kohle) haben für die <strong>in</strong>ländische Produktion <strong>in</strong> der<br />
Schweiz praktisch ke<strong>in</strong>e Bedeutung.<br />
Generische Studien zum <strong>Nutzen</strong> der <strong>Meteorologie</strong><br />
Die generischen Studien zum <strong>Nutzen</strong> der <strong>Meteorologie</strong> werden meist durch nationale<br />
meteorologische Dienste erarbeitet und bieten e<strong>in</strong>en groben Überblick über den volks-<br />
wirtschaftlichen <strong>Nutzen</strong> der <strong>Meteorologie</strong>.<br />
— Hautala und Leviäkangas (2007) schätzen den <strong>Nutzen</strong> der f<strong>in</strong>nischen <strong>Meteorologie</strong> im<br />
Bereich Energie auf 10 Mio. Euro pro Jahr. Da<strong>von</strong> entfällt jedoch die Hälfte auf die<br />
Optimierung der Torfproduktion zur Energiegew<strong>in</strong>nung, e<strong>in</strong>e Technologie, die <strong>in</strong> der<br />
Schweiz ke<strong>in</strong>e Bedeutung hat. Die Autoren schätzen den <strong>Nutzen</strong> <strong>von</strong> meteorologi-<br />
schen Informationen im Bereich Stromausfälle und Netzsicherheit auf 2 Mio. Euro pro<br />
Jahr. E<strong>in</strong>erseits weil durch Vorsichtsmassnahmen lokale Stromausfälle verh<strong>in</strong>dert<br />
werden können und andererseits weil meteorologische Informationen helfen, mögli-<br />
che Fehlerquellen (Blitzschlag, Sturmschäden usw.) schneller geographisch e<strong>in</strong>zu-<br />
grenzen. Im Bereich der Produktionsprognosen schätzen die Autoren den <strong>Nutzen</strong> auf<br />
3 Mio. Euro pro Jahr.<br />
— Die <strong>von</strong> Leviäkangas et al. (2007) durchgeführte Untersuchung zum <strong>Nutzen</strong> des kroa-<br />
tischen meteorologischen Dienstes schätzt den <strong>Nutzen</strong> im Bereich der Energiegew<strong>in</strong>-<br />
nung auf 2 Mio. Euro pro Jahr.<br />
Spezifische Studien zum <strong>Nutzen</strong> der <strong>Meteorologie</strong><br />
Im Folgenden werden exemplarisch e<strong>in</strong>ige <strong>in</strong>teressante <strong>in</strong>ternationale Studien beschrie-<br />
ben, die Teilaspekte der Elektrizitätsproduktion <strong>in</strong> Bezug auf die Verwendung und den<br />
<strong>Nutzen</strong> <strong>von</strong> meteorologischen Informationen analysieren.<br />
— Teisberg, Weiher und Khotanzad (2005) untersuchten den <strong>Nutzen</strong> <strong>von</strong> 24h-<br />
Temperaturvorhersagen beim Kraftwerkse<strong>in</strong>satz zur Elektrizitätsgew<strong>in</strong>nung <strong>in</strong> den<br />
USA. Ihre Publikation ist e<strong>in</strong>e Erweiterung <strong>von</strong> Hobbs et al. (1999) und basiert auf ei-<br />
ner Simulation <strong>von</strong> verschiedenen Kraftwerkportfolios <strong>in</strong> den USA. Es wird da<strong>von</strong><br />
ausgegangen, dass kurzfristig verfügbare Produktionse<strong>in</strong>heiten (z.B. Gaskraftwerk<br />
ohne Kraft-Wärme-Kopplung) höhere Produktionskosten aufweisen als E<strong>in</strong>heiten mit<br />
e<strong>in</strong>er langen Vorlaufzeit (z.B. Kohlekraftwerke). Dies hat zur Folge, dass die Produk-<br />
tionskosten mit steigendem Lastprognosefehler ebenfalls steigen, wie folgende Bei-<br />
spiele illustrieren:
163<br />
– S<strong>in</strong>d die Lastprognosen zu tief, werden weniger Produktionse<strong>in</strong>heiten als nötig<br />
hochgefahren. Die unerwartet hohe Last kann anschliessend nur durch kurzfristig<br />
verfügbare E<strong>in</strong>heiten gedeckt werden, die relativ teurer s<strong>in</strong>d.<br />
– S<strong>in</strong>d die Lastprognosen h<strong>in</strong>gegen zu hoch, werden Produktionse<strong>in</strong>heiten mit lan-<br />
ger Vorlaufzeit unnötigerweise hochgefahren. Die dabei entstehenden Kosten wä-<br />
ren durch bessere Lastprognosen vermeidbar.<br />
Teisberg, Weiher und Khotanzad kommen zum Schluss, dass die Stromerzeuger <strong>in</strong><br />
den USA pro Jahr 166 Mio. USD2005 durch die Nutzung <strong>von</strong> 24h-<br />
Temperaturvorhersagen e<strong>in</strong>sparen. Die <strong>von</strong> den Autoren geltend gemachten E<strong>in</strong>spa-<br />
rungen treffen vor allem auf den Produktionsanlagenmix und die Bewirtschaftungs-<br />
weise der Kraftwerkskapazitäten <strong>in</strong> den USA zu. In der Schweiz laufen die Grundlast-<br />
kraftwerke (KKW und Laufwasserkraftwerke) durch und werden nicht <strong>in</strong> Abhängigkeit<br />
der Last hoch- und runtergefahren. Ausserdem ist die Produktion aus fossil-<br />
thermischen Anlagen <strong>in</strong> der Schweiz, im Gegensatz zu den USA, praktisch irrelevant.<br />
Deshalb lassen sich die Resultate der Studie nicht auf die Schweiz übertragen.<br />
— Roulston et al. (2003) kommen zum Schluss, dass mittelfristige Wetterprognosen<br />
e<strong>in</strong>en erheblichen wirtschaftlichen E<strong>in</strong>fluss auf die W<strong>in</strong>dkraftwerkbetreiber haben. Für<br />
die lokale Stromproduktion hat die W<strong>in</strong>dkraft <strong>in</strong> der Schweiz im Moment ke<strong>in</strong>e rele-<br />
vante Bedeutung. Ob sich die Resultate <strong>von</strong> Roulston et al. auf schweizerische Ver-<br />
hältnisse übertragen liessen, kann somit erst geklärt werden, wenn <strong>in</strong> der Schweiz die<br />
W<strong>in</strong>dkraftproduktion e<strong>in</strong>e gewisse Bedeutung erlangt hat. Es ist aber wahrsche<strong>in</strong>lich,<br />
dass auch <strong>in</strong> der Schweiz durch die Verwendung <strong>von</strong> mittelfristige Wetterprognosen<br />
die Wirtschaftlichkeit <strong>von</strong> W<strong>in</strong>dkraftanlagen erhöht werden kann.<br />
— Hamlet et al. (2002) untersuchten den <strong>Nutzen</strong> <strong>von</strong> verbesserten langfristigen Abfluss-<br />
Fazit<br />
prognosen im E<strong>in</strong>zugsgebiet des Columbia Rivers (Nordwesten der USA). Insbeson-<br />
dere <strong>in</strong> Jahren mit überdurchschnittlichem Abfluss konnten wesentliche <strong>Nutzen</strong> der<br />
verbesserten Prognosemethode festgestellt werden. Die Autoren schätzen den Nut-<br />
zen der meteorologischen Informationen auf 153 Mio. USD2002 pro Jahr. Das E<strong>in</strong>-<br />
zugsgebiet des Columbia Rivers ist rund 16-mal so gross wie die Schweiz und die<br />
hydrologischen Bed<strong>in</strong>gungen s<strong>in</strong>d nicht vergleichbar. Auf e<strong>in</strong>e Skalierung der Resul-<br />
tate <strong>von</strong> Hamlet et al. auf die Schweiz muss deshalb ebenfalls verzichtet werden.<br />
Die Analyse der <strong>in</strong>ternational verfügbaren Literatur im Bereich der Elektrizitätswirtschaft<br />
lässt den Schluss zu, dass e<strong>in</strong> wissenschaftliches und ökonomisches Interesse an der<br />
Forschung zum Thema vorhanden ist. Die <strong>in</strong>ternationalen Studien bestätigen das Resul-<br />
tat, dass meteorologische Informationen e<strong>in</strong>e wirtschaftlich relevante Wirkung <strong>in</strong> dieser<br />
Branche ausüben können. Es muss aber betont werden, dass sich <strong>in</strong>sbesondere die aus<br />
den USA stammenden Untersuchungen nicht auf die Schweiz skalieren lassen. Die e<strong>in</strong>-<br />
gesetzten Produktionstechnologien (vgl. die oben beschriebenen Besonderheiten der<br />
schweizerischen Elektrizitätswirtschaft) sowie die geographischen Gegebenheiten s<strong>in</strong>d<br />
hierfür zu unterschiedlich.
7 <strong>Der</strong> <strong>volkswirtschaftliche</strong> <strong>Nutzen</strong> der <strong>Meteorologie</strong> <strong>in</strong> der<br />
Schweiz – Verkehr und Energie<br />
7.1 <strong>Der</strong> <strong>Nutzen</strong> der <strong>Meteorologie</strong><br />
Mit der vorliegenden Studie wurde der <strong>Nutzen</strong> <strong>von</strong> meteorologischen Informationen <strong>in</strong><br />
den Wirtschaftsbereichen Verkehr und Energie analysiert, wobei im Bereich Energie der<br />
Fokus auf der Elektrizitätswirtschaft lag. Dabei wurden die <strong>Nutzen</strong>dimensionen<br />
Staatsausgaben, Wertschöpfung, Schadenskosten und <strong>in</strong>dividuelle Reisekosten betrach-<br />
tet. Mit e<strong>in</strong>er Vielzahl <strong>von</strong> Interviews, ergänzt durch umfangreiche Recherchen, wurde die<br />
Verwendung <strong>von</strong> meteorologischen Informationen und die E<strong>in</strong>schätzungen der <strong>Nutzen</strong>-<br />
den über deren Effekte auf die betrachteten <strong>Nutzen</strong>dimensionen erhoben. Für die Airl<strong>in</strong>es<br />
wurde zusätzlich e<strong>in</strong> quantitatives Entscheidungsmodell konstruiert. In den vorangehen-<br />
den Berichtskapiteln werden das Vorgehen und die Ergebnisse für jede untersuchte<br />
Branche detailliert beschrieben.<br />
Tabelle 56 gibt e<strong>in</strong>e Übersicht zu den Ergebnissen <strong>in</strong> allen Branchen und für die vier be-<br />
trachteten <strong>Nutzen</strong>dimensionen. Bei der Interpretation der Ergebnisse ist Folgendes zu<br />
beachten:<br />
— Die unter den vier <strong>Nutzen</strong>dimensionen aufgeführten Ergebnisse gelten jeweils ceteris<br />
/ 165<br />
paribus. Sie geben die ohne meteorologische Informationen 82 zusätzlich notwendigen<br />
Staatsausgaben bzw. verlorene Wertschöpfung an, unter der Vorraussetzung, dass<br />
(annähernd) dasselbe Leistungsniveau erreicht wird. Die zusätzlich zu erwartenden<br />
Schadenskosten und Reisezeitkosten h<strong>in</strong>gegen gelten unter der Vorraussetzung,<br />
dass für die Leistungserbr<strong>in</strong>gung ke<strong>in</strong>e zusätzlichen Ressourcen e<strong>in</strong>gesetzt werden.<br />
— Von den vier <strong>Nutzen</strong>dimensionen lassen sich nur Staatsausgaben und Wertschöp-<br />
fung addieren.<br />
— In jedem Wirtschaftsbereich konnten nur e<strong>in</strong>e begrenzte Anzahl <strong>von</strong> Akteuren und<br />
Anwendungsbereichen meteorologischer Informationen betrachtet werden. <strong>Der</strong> mit<br />
der vorliegenden Studie erhobene <strong>Nutzen</strong> der <strong>Meteorologie</strong> für die Wirtschaftsberei-<br />
che Verkehr und Elektrizitätswirtschaft ist also nur als Teil des Gesamtnutzens und<br />
<strong>in</strong>sofern als e<strong>in</strong> M<strong>in</strong>imum zu verstehen.<br />
— Aufgrund der angewendeten Methodik des Hochrechnens <strong>von</strong> Fallbeispielen auf gan-<br />
ze Branchen oder Gruppen <strong>von</strong> staatlichen Leistungserbr<strong>in</strong>genden bestehen ziemlich<br />
grosse Unsicherheitsbereiche. Dies trifft <strong>in</strong>sbesondere auf die Strassentransportun-<br />
ternehmen zu, bei denen die Anzahl durchgeführten Interviews <strong>in</strong> Relation zur Diver-<br />
sität und Grösse der Branche relativ ger<strong>in</strong>g ist.<br />
82 Im Bereich Aviatik wurde teilweise als Referenzzustand schlechtere meteorologische Informationen verwendet.
166 / 7 <strong>Der</strong> <strong>volkswirtschaftliche</strong> <strong>Nutzen</strong> der <strong>Meteorologie</strong> <strong>in</strong> der Schweiz – Verkehr und Energie<br />
— Die adäquate Interpretation <strong>von</strong> meteorologischen Informationen durch die Akteure ist<br />
je nach Verwendung anspruchsvoll und aufwendig. Wird der im Rahmen dieser Stu-<br />
die erhobene <strong>Nutzen</strong> den Kosten der <strong>Meteorologie</strong> gegenüber gestellt, müssen auch<br />
die bei den Akteuren anfallenden Kosten berücksichtigt werden.<br />
Alles <strong>in</strong> allem vermeiden meteorologische Informationen Staatsausgaben <strong>in</strong> der Grös-<br />
senordnung <strong>von</strong> m<strong>in</strong>destens 52.7 bis 56.6 Mio. CHF/a, wobei dieser Betrag ausschliess-<br />
lich auf den Verkehrbereich zurückgeht und zu grossen Teilen durch die Verwendung <strong>von</strong><br />
Wetterprognosen im Strassenw<strong>in</strong>terdienst und im öffentlichen Strassenverkehr entsteht.<br />
E<strong>in</strong> kle<strong>in</strong>er Teil entsteht im öffentlichen Schienenverkehr im alp<strong>in</strong>en Raum. Im öffentli-<br />
chen Verkehr sowie beim Schadensmanagement im Bereich Elektrizitätswirtschaft beste-<br />
hen weitere staatsausgabenrelevante <strong>Nutzen</strong>, die im Rahmend er vorliegenden Studie<br />
jedoch nicht quantifiziert werden konnten.<br />
Nebst den vermiedenen Staatsausgaben konnte e<strong>in</strong> wertschöpfungsrelevanter <strong>Nutzen</strong><br />
<strong>von</strong> meteorologischen Informationen <strong>in</strong> der Grössenordnung <strong>von</strong> 39.8 bis 56.7 Mio.<br />
CHF/a identifiziert werden. Dieser entsteht vor allem im öffentlichen Strassenverkehr<br />
und bei den Airl<strong>in</strong>es. Kle<strong>in</strong>ere Anteile entstehen bei als Drittleister im W<strong>in</strong>terdienst 83 täti-<br />
gen Transportunternehmen, beim Flughafenw<strong>in</strong>terdienst sowie beim öffentlichen Schie-<br />
nenverkehr im alp<strong>in</strong>en Raum. E<strong>in</strong> weiterer relevanter Anteil entsteht im Bereich Elektrizi-<br />
tätswirtschaft bei den Energieversorgungsunternehmen. Weitere wertschöpfungsrelevan-<br />
te Effekte <strong>von</strong> meteorologischen Informationen konnten zwar identifiziert aber nicht quan-<br />
tifiziert werden. Relevant dürften diese Effekte vor allem im Bereich öffentlicher Verkehr<br />
und bei den Bautransportunternehmen se<strong>in</strong>.<br />
In den <strong>Nutzen</strong>dimensionen Schadenskosten und <strong>in</strong>dividuelle Reisezeitkosten konnten<br />
aus unterschiedlichen Gründen 84 <strong>in</strong> den verschiedenen Wirtschaftsbereichen ke<strong>in</strong>e Effek-<br />
te <strong>von</strong> meteorologischen Informationen quantifiziert und monetär bewertet werden. Even-<br />
tuell relevante <strong>Nutzen</strong> bestehen bei den Strassenw<strong>in</strong>terdiensten, im öffentlichen Verkehr<br />
auf Strasse und Schiene, bei der Flugsicherung und bei den Airl<strong>in</strong>es sowie im Scha-<br />
densmanagement der Elektrizitätswirtschaft.<br />
Insgesamt weist die vorliegende Studie e<strong>in</strong>en quantifizierbaren <strong>volkswirtschaftliche</strong>n Nut-<br />
zen der <strong>Meteorologie</strong> <strong>in</strong> den Wirtschaftsbereichen Verkehr und Energie <strong>in</strong> der Grössen-<br />
ordnung <strong>von</strong> rund 93 bis 113 Mio. CHF/a aus. Aufgrund des begrenzten Analyserahmens<br />
und der Vielzahl <strong>von</strong> nicht quantifizierbaren Effekten ist dieser Wert als M<strong>in</strong>imalwert für<br />
den tatsächlichen <strong>Nutzen</strong> <strong>von</strong> meteorologischen Informationen <strong>in</strong> diesen Wirtschaftsbe-<br />
reichen zu verstehen.<br />
83 nur National- und Kantonsstrassen<br />
84 Die Betrachtung der <strong>in</strong>dividuellen Reisekosten <strong>in</strong>nerhalb der vorliegenden Studie war ursprünglich nicht vorgesehen. Da<br />
sich aber bei den ersten Interviews im Strassenverkehrsbereich gezeigt hat, dass die Akteure diese <strong>Nutzen</strong>dimension als<br />
relevant erachten, wurde sie nachträglich noch <strong>in</strong> das Projekt aufgenommen. Im weiteren Projektverlauf hat sich jedoch<br />
gezeigt, dass mit den <strong>in</strong>sgesamt zur Verfügung stehenden Mitteln e<strong>in</strong>e Quantifizierung dieser <strong>Nutzen</strong>dimension nicht möglich<br />
se<strong>in</strong> würde. Mit e<strong>in</strong>em entsprechenden Mehraufwand wäre dies aber mit hoher Wahrsche<strong>in</strong>lichkeit zum<strong>in</strong>dest teilweise<br />
möglich.
<strong>Nutzen</strong>dimension<br />
[Mio. CHF/a]<br />
Akteur(-gruppe)<br />
Volkswirtschaftlicher <strong>Nutzen</strong>, welcher der Akteur/die Akteurgruppe durch die<br />
Verwendung <strong>von</strong> meteorologischen Informationen bewirkt<br />
Vermiedene<br />
Staatsausgaben<br />
Zusätzliche<br />
Wertschöpfung<br />
Vermiedene<br />
Schadenskosten<br />
Vermiedene<br />
<strong>in</strong>dividuelle<br />
Reisekosten<br />
STRASSENVERKEHR 52.6 - 56.4 13.3 - 23.7 - -<br />
W<strong>in</strong>terdienste (National- &<br />
Kantonsstrassen <strong>in</strong>kl. Drittleister)<br />
Nationales<br />
Verkehrsmanagement<br />
Gütertransportunternehmen<br />
Stückguttransport<br />
Lebensmittelgrossverteilern<br />
(nur e<strong>in</strong>e Warengrp.)<br />
Treibstofftransporte<br />
Bautransporte<br />
Öffentlicher Strassenverkehr<br />
In Agglomerationen und<br />
Städten<br />
41.8 2.4 - 8.5<br />
Nicht e<strong>in</strong>schätzbar,<br />
nicht quantifizierbar<br />
Ke<strong>in</strong> Effekt Ke<strong>in</strong> Effekt Ke<strong>in</strong> Effekt<br />
Hoch,<br />
nicht quantifizierbar<br />
Ger<strong>in</strong>g,<br />
nicht quantifizierbar<br />
Ke<strong>in</strong> Effekt<br />
0.11 - 0.57 Ke<strong>in</strong> Effekt<br />
Ger<strong>in</strong>g,<br />
nicht quantifizierbar<br />
Hoch,<br />
nicht quantifizierbar<br />
Hoch,<br />
nicht quantifizierbar<br />
Ger<strong>in</strong>g, nicht quantifizierbar<br />
Ke<strong>in</strong> Effekt<br />
Ke<strong>in</strong> Effekt<br />
Im peripheren Raum 10.8 - 14.6 10.8 - 14.6 Ke<strong>in</strong> Effekt<br />
/ 167<br />
Nicht e<strong>in</strong>schätzbar,<br />
nicht quantifizierbar<br />
Nicht e<strong>in</strong>schätzbar,<br />
nicht quantifizierbar<br />
Nicht e<strong>in</strong>schätzbar,<br />
nicht quantifizierbar<br />
Hoch,<br />
nicht quantifizierbar<br />
SCHIENENVERKEHR 0.14 - 0.18 0.17 - 0.22 - -<br />
Eisenbahnunternehmen mit<br />
eigener Infrastruktur<br />
Nicht-alp<strong>in</strong>e Regionen<br />
Ger<strong>in</strong>g, nicht quantifizierbar<br />
Ger<strong>in</strong>g, nicht quantifizierbar<br />
Alp<strong>in</strong>e Regionen 0.14 - 0.18 0.17 - 0.22<br />
Eisenbahnverkehrsunternehmen<br />
ohne eigene Infrastruktur<br />
Ke<strong>in</strong> Effekt<br />
Nicht e<strong>in</strong>schätzbar,<br />
nicht quantifizierbar<br />
Ke<strong>in</strong> Effekt Ke<strong>in</strong> Effekt Ke<strong>in</strong> Effekt<br />
Komb<strong>in</strong>ierter Verkehr Ke<strong>in</strong> Effekt Ke<strong>in</strong> Effekt<br />
Nicht e<strong>in</strong>schätzbar,<br />
nicht quantifizierbar<br />
Hoch,<br />
nicht quantifizierbar<br />
Nicht e<strong>in</strong>schätzbar,<br />
nicht quantifizierbar<br />
AVIATIK 20.03 - -<br />
Flugsicherung Ke<strong>in</strong> Effekt<br />
Hoch,<br />
nicht quantifizierbar<br />
Airl<strong>in</strong>es 18.10 (1) Nicht e<strong>in</strong>schätzbar,<br />
nicht quantifizierbar<br />
Landesflughäfen 1.93 Ger<strong>in</strong>g,<br />
nicht quantifizierbar<br />
ELEKTRIZITÄTSWIRSCHAFT - 6.3 - 12.7 -<br />
Energieversorgungsunternehmen<br />
Nationale Netzgesellschaft Ke<strong>in</strong> Effekt<br />
Schadensmanagement<br />
Summe aller quantitativ fassbaren<br />
Effekte<br />
Nicht e<strong>in</strong>schätzbar,<br />
nicht quantifizierbar<br />
6.3 - 12.7<br />
Nicht e<strong>in</strong>schätzbar,<br />
nicht quantifizierbar<br />
Ger<strong>in</strong>g, nicht quantifizierbar<br />
Hoch, nicht quantifizierbar<br />
Hoch,<br />
nicht quantifizierbar<br />
Hoch,<br />
nicht quantifizierbar<br />
Ger<strong>in</strong>g,<br />
nicht quantifizierbar<br />
52.7 - 56.6 39.8 - 56.7 - -<br />
Tabelle 56: <strong>Der</strong> <strong>volkswirtschaftliche</strong> <strong>Nutzen</strong> der <strong>Meteorologie</strong> – Verkehr und Elektrizitätswirtschaft. Plausible<br />
Werte. Durchgestrichene Zellen weisen darauf h<strong>in</strong>, dass die <strong>Nutzen</strong>dimensionen beim entsprechenden<br />
Akteur nicht relevant s<strong>in</strong>d. (1) <strong>Nutzen</strong> TAF-Zürich ankommende Flüge.
168 / 7 <strong>Der</strong> <strong>volkswirtschaftliche</strong> <strong>Nutzen</strong> der <strong>Meteorologie</strong> <strong>in</strong> der Schweiz – Verkehr und Energie<br />
7.2 Kosten-<strong>Nutzen</strong>-Überlegungen<br />
Das Bundesamt für <strong>Meteorologie</strong> <strong>MeteoSchweiz</strong> weist e<strong>in</strong> Jahresbudget <strong>von</strong> rund 80 Mio.<br />
CHF auf. <strong>Der</strong> im Rahmen der vorliegenden Studie quantifizierte <strong>volkswirtschaftliche</strong> Nut-<br />
zen <strong>in</strong> den betrachteten Wirtschaftsbereichen <strong>von</strong> rund 93 bis 113 Mio. CHF/a alle<strong>in</strong> ist<br />
also bereits grösser als das Jahresbudget <strong>von</strong> <strong>MeteoSchweiz</strong>. Bei Kosten-<strong>Nutzen</strong>-<br />
Überlegungen ist allerd<strong>in</strong>gs Folgendes zu beachten:<br />
— E<strong>in</strong> Teil des im Rahmen der vorliegenden Studie quantifizierten <strong>volkswirtschaftliche</strong>n<br />
<strong>Nutzen</strong>s wird durch andere Anbieter meteorologischer Produkte generiert, die zwar<br />
meist Daten <strong>von</strong> <strong>MeteoSchweiz</strong> beziehen, diese jedoch teilweise mit Wetterdaten zu-<br />
sätzlicher Messstationen, anderer nationaler Wetterdienste oder weiteren Daten aus<br />
anderen Bereichen 85 komb<strong>in</strong>ieren.<br />
— Nicht nur die Produktion meteorologischer Produkte verursacht Kosten, sondern auch<br />
ihre Verwendung <strong>in</strong> den Unternehmen und staatliche Stellen.<br />
Sowohl die Kosten der übrigen Produzenten <strong>von</strong> meteorologischen Produkten wie auch<br />
die Kosten, die bei den Nutzer/<strong>in</strong>nen anfallen, müssen bei e<strong>in</strong>er Kosten-<strong>Nutzen</strong>-Analyse<br />
der <strong>Meteorologie</strong> <strong>in</strong> der Schweiz ebenfalls berücksichtigt werden. Beides wurde aber im<br />
Rahmen der vorliegenden Studie nicht erhoben. Aufgrund des begrenzten Analyserah-<br />
mens der vorliegenden Studie und der Vielzahl <strong>von</strong> nicht quantifizierbaren <strong>Nutzen</strong> lässt<br />
sich jedoch schliessen, dass der <strong>volkswirtschaftliche</strong> Gesamtnutzen der <strong>Meteorologie</strong><br />
summiert über alle Bereiche der Volkswirtschaft e<strong>in</strong> Vielfaches des hier für die Wirt-<br />
schaftsbereiche Verkehr und Energie ausgewiesenen <strong>Nutzen</strong>s <strong>von</strong> 93 bis 113 Mio.<br />
CHF/a se<strong>in</strong> dürfte. Somit übersteigt der <strong>Nutzen</strong> des schweizerischen staatlichen Wetter-<br />
dienstes <strong>MeteoSchweiz</strong> mit hoher Wahrsche<strong>in</strong>lichkeit se<strong>in</strong>e Kosten deutlich.<br />
85 (z.B. Verkehrsaufkommen, Zeitreihen der <strong>in</strong>teressierenden Grösse)
Anhang<br />
A-1 Strassenwetter-Produkte<br />
Bei den Strassenwetterprognosen werden je nach Produkt Angaben zu verschiedenen<br />
Parametern (wie z.B. Bodentemperaturen oder Niederschlagsmenge) an den Kunden<br />
verschickt, <strong>in</strong> der Regel e<strong>in</strong>- bis zweimal pro Tag. Die räumliche wie die zeitliche Auflö-<br />
sung s<strong>in</strong>d dabei sehr unterschiedlich und variieren mit dem Preis. Die räumliche Auflö-<br />
sung reicht <strong>von</strong> ortsgenauen Prognosen bis zu grob unterteilten Regionen, <strong>in</strong> welchen<br />
mehrere Kantone zusammengefasst werden. Die zeitliche Auflösung s<strong>in</strong>d Intervalle <strong>von</strong><br />
<strong>in</strong> der Regel 3 oder 6 Stunden. Üblicherweise s<strong>in</strong>d die Informationen <strong>in</strong> tabellarischer<br />
Form dargestellt und werden per Fax oder E-Mail übermittelt. <strong>MeteoSchweiz</strong> bietet aber<br />
auch die Möglichkeit an, alle Produkte über e<strong>in</strong> Programm («MeteoSoft») zu beziehen.<br />
Zudem arbeitet <strong>MeteoSchweiz</strong> mit der Firma Boschung zusammen, welche e<strong>in</strong>e eigene<br />
Software mit dem Namen SWIS («Strassenzustands- und Wetter-Informationssystem»)<br />
betreibt, die grafische Darstellungen der Wetterprognosen erlaubt. Preislich gibt es im<br />
Bereich der Strassenwetterprognosen sehr grosse Unterschiede, die Kosten für Stras-<br />
senwetterprognosen reichen <strong>von</strong> 360 CHF pro Halbjahr bis 5’500 CHF pro Strassen-<br />
dienstsaison (entspricht 5 Monaten).<br />
/ 169
170 / A-1 Strassenwetter-Produkte<br />
Unternehmen Produkte Informationen Form Preis<br />
<strong>MeteoSchweiz</strong><br />
Meteomedia<br />
Regionale<br />
Strassenwetter-<br />
prognose<br />
Wetter für Strasse,<br />
Bau und Unterhalt<br />
Strassenzustandsprognose<br />
Bewölkung<br />
Lufttemperatur<br />
Bodentemperatur<br />
Taupunkt<br />
W<strong>in</strong>dstärke und -richtung<br />
Niederschlagsmenge<br />
Niederschlagsart<br />
Schneefallgrenze<br />
Strassenzustand<br />
M<strong>in</strong>imum- / Maximumtemperatur<br />
Himmelsbedeckung<br />
Niederschlagsmenge<br />
Schneefallgrenze<br />
Mögl. Strassengefahren (Glatteis,<br />
Schneeglätte, Eisglätte, Reifglätte,<br />
Nebel)<br />
Dreimal täglich aufdatierte Textprognose<br />
zum vorausgesagten<br />
Strassenzustand <strong>in</strong> den kommenden<br />
18-24 Stunden<br />
Meteosoft System Aktuelle Niederschlagsradarbilder<br />
auf Strassenkarte überlagert<br />
Radarvorhersagen bis 2 h<br />
Bild aktuelle Schneefallgrenze<br />
Lokale Niederschlagsprognose 2h<br />
Messdaten SMN-Netz<br />
Aktuelle Warnmeldungen<br />
Strassenwetter-<br />
Gefahren<strong>in</strong>fo<br />
Warnmeldungen 1–2 Stunden im<br />
voraus für Kle<strong>in</strong>regionen bei Nassschnee<br />
> 5 cm (Alpen >20 cm),<br />
Schneeglätte > 1 cm,<br />
Glatteis durch vereisenden Regen<br />
oder Nebelregen,<br />
verbreitet auftretende Eisglätte<br />
Unwetterwarnungen Detaillierte Warnumeldungen im<br />
Falle <strong>von</strong> Schneefall > 10/15 cm <strong>in</strong><br />
den Niederungen; >50/100 cm <strong>in</strong><br />
den Bergen; Vereisender Regen <strong>in</strong><br />
drei Stufen sowie Sturm- und<br />
Gewitterwarnungen<br />
Tabellarisch;<br />
Per Fax, E-Mail oder<br />
onl<strong>in</strong>e bzw. über<br />
MeteoSoft oder<br />
SWIS, mit unterschiedlicherräumlicher<br />
und zeitlicher<br />
Auflösung.<br />
Tabellarisch;<br />
Per Fax, E-Mail,<br />
onl<strong>in</strong>e oder über<br />
MeteoSoft.<br />
In Textform, onl<strong>in</strong>e<br />
oder per Mail<br />
Onl<strong>in</strong>e Datenabruf mit<br />
Serversoftware oder<br />
übers Internet<br />
760 bis<br />
5’500 CHF (pro<br />
Saison)<br />
360 CHF(für 6<br />
Monate).<br />
Kostenlos, per Mail<br />
50 CHF pro Saison<br />
CHF 740 pro Jahr<br />
und Arbeitsplatz<br />
In Textform; Kostenlos bis -.60<br />
Per E-Mail, Fax, SMS CHF je Meldung (je<br />
oder onl<strong>in</strong>e nach Form und<br />
Produkt)<br />
In Textform Kostenlos, allenfalls<br />
Per E-Mail, Fax, SMS Übermittlungskosten<br />
oder onl<strong>in</strong>e<br />
Radarbilder Aktuelles Niederschlagsradar Onl<strong>in</strong>e Kostenlos<br />
W<strong>in</strong>terdienst-<br />
Wettervorhersagen<br />
Gefahrenparameter:<br />
Reifglätte<br />
Gefrierende Nässe<br />
Glatteisregen<br />
Schneeglätte<br />
Bodenfrost<br />
Wetterparameter:<br />
Neuschneemenge<br />
Schneefallgrenze<br />
Niederschlagsmenge<br />
Höchst- / Tiefsttemperatur<br />
Bodentemperatur<br />
Mittelw<strong>in</strong>d<br />
W<strong>in</strong>drichtung<br />
Radarbilder Aktuelles Niederschlagsradar<br />
Niederschlagsradar-Vorhersage<br />
Tabellarisch;<br />
Per E-Mail oder Fax<br />
499 Euro (E-Mail)<br />
bzw.<br />
529 Euro<br />
(Fax)<br />
pro Saison<br />
Onl<strong>in</strong>e Kostenlos
Unwetterwarnungen Detaillierte Warnmeldungen: Textform<br />
Schneefall / Vereisender Regen/<br />
Strassenglätte / Starkregen /<br />
Gewitter<br />
Niederschlagssummenkarten kurzund<br />
mittelfristig<br />
Per E-Mail<br />
Meteotest Meteomail<br />
Temperaturen (Max./M<strong>in</strong>.)<br />
Professional: Luftfeuchtigkeit<br />
Prognosen für Stras- Luftdruckverlauf<br />
se, Bau und Unterhalt Bewölkungsgrad<br />
Niederschlagsverlauf<br />
Niederschlagsmenge<br />
W<strong>in</strong>dverhältnisse<br />
Schneefallgrenze/Nullgradgrenze<br />
SF Meteo Wetter-Alarm Warnungen bei Wetterphänomenen<br />
mit Schadenspotential:<br />
Sturm/ Starkschneefall/ Starkregen/<br />
Grossflächige Glätte/ Gewitter<br />
und Hagel<br />
Tabellarisch,<br />
Per E-Mail oder Fax<br />
Textform<br />
Per SMS<br />
Kostenlos<br />
/ 171<br />
Von 250 bis 607<br />
Euro pro Jahr und<br />
Arbeitsplatz<br />
Preis auf Anfrage<br />
Kostenlos<br />
Tabelle 57: Relevante Strassenwetterprodukte der führenden Schweizer Meteo-Unternehmen. Stand: Sommer<br />
2010. Quelle: Homepages der verschiedenen Anbieter. SWIS: Strassenwetter<strong>in</strong>formationssystem<br />
der Firma Boschung, die auch Glatteiswarnsysteme vertreibt.<br />
Unwetterwarnungen<br />
Auch im Bereich der Unwetterwarnungen gibt es Unterschiede zwischen den Angeboten.<br />
Meteotest ist <strong>in</strong> diesem Bereich nicht tätig, Meteomedia aber macht <strong>MeteoSchweiz</strong> den <strong>in</strong><br />
der Produktgruppe 1 festgesetzten Warnauftrag streitig. Beide Unternehmen bieten e<strong>in</strong>en<br />
kostenlosen Warnservice an. Dieser besteht <strong>in</strong> beiden Fällen aus e<strong>in</strong>er Karte mit relativ<br />
grob e<strong>in</strong>geteilten Gebieten, die anhand e<strong>in</strong>er Gefahrenskala klassiert werden. Im kosten-<br />
pflichtigen Angebot hat <strong>MeteoSchweiz</strong> e<strong>in</strong> spezialisiertes Produkt namens «Strassenwet-<br />
ter-Gefahren<strong>in</strong>fo», bei welchem kurzfristige Warnungen (sprich ca. 2 Stunden vor dem<br />
E<strong>in</strong>treten) für Strassenbenutzer versendet werden. Meteomedia bietet dagegen ke<strong>in</strong>e<br />
spezialisierten Warnungen für den Strassenverkehr an, sondern wartet im kostenpflichti-<br />
gen Bereich mit e<strong>in</strong>er umfassenden Unwetterzentrale auf.<br />
Für den Strassendienst genutzte <strong>MeteoSchweiz</strong>-Produkte<br />
Die Nationalstrassendienste, welche bei <strong>MeteoSchweiz</strong> Kunde s<strong>in</strong>d, nutzen <strong>in</strong> der Regel<br />
die relativ teure «Regionale Strassenwetterprognose» (vgl. auch Kapitel 3.1), die sie über<br />
die die Software SWIS (Strassenwetter-Informationssystem) der Firma Boschung, über<br />
die Software MeteoSoft (der Firmen MeteoSoft, MeteoRadar und <strong>MeteoSchweiz</strong>) oder als<br />
Fax oder E-Mail <strong>in</strong> tabellarischer Form beziehen.<br />
Die kantonalen Strassendienste, welche bei <strong>MeteoSchweiz</strong> Kunde s<strong>in</strong>d, nutzen <strong>in</strong> der<br />
Regel das im Vergleich zum Produkt «Regionale Strassenwetterprognose» günstigere<br />
Produkt «Wetter für Strasse, Bau und Unterhalt» (vgl. auch Kapitel 3.1). Dieses erhalten<br />
sie entweder als Fax oder E-Mail <strong>in</strong> tabellarischer Form oder über die Software Meteo-<br />
Soft.
172 / A-1 Strassenwetter-Produkte<br />
Kle<strong>in</strong>e bis mittlere Geme<strong>in</strong>den beziehen <strong>in</strong> der Regel ke<strong>in</strong>e Strassenwetterprodukte <strong>von</strong><br />
<strong>MeteoSchweiz</strong>, nach Me<strong>in</strong>ung <strong>von</strong> <strong>MeteoSchweiz</strong> zum grossen Teil aus Kostengründen.<br />
Ausserdem wird teilweise die Auslösung zur Räumung mit dem kantonalen Strassen-<br />
dienst koord<strong>in</strong>iert. Grössere Geme<strong>in</strong>den oder Städte beziehen das Produkt «Wetter für<br />
Strasse, Bau und Unterhalt» (vgl. auch Kapitel 3.1) als Fax oder E-Mail <strong>in</strong> tabellarischer<br />
Form oder über die Software MeteoSoft.
A-2 Verwendete statistische Daten<br />
A-2.1 Strassenverkehrsunfälle<br />
Anzahl Autobahn Autostrasse Hauptstrasse Nebenstrasse Andere<br />
Strasse<br />
1992 3'045 282 15'039 8'419 380 27'165<br />
1993 2'803 359 13'941 8'158 351 25'612<br />
1994 2'957 321 13'952 8'568 357 26'155<br />
1995 3'156 322 13'327 8'145 294 25'244<br />
1996 2'584 287 12'062 7'971 277 23'181<br />
1997 2'768 294 12'229 7'939 220 23'450<br />
1998 3'141 276 12'918 8'143 281 24'759<br />
1999 3'574 319 13'403 8'316 269 25'881<br />
2000 3'505 313 13'599 8'182 308 25'907<br />
2001 3'699 331 13'512 8'377 318 26'237<br />
2002 3'549 277 13'492 7'992 340 25'650<br />
2003 3'177 292 13'449 7'945 332 25'195<br />
2004 3'184 312 12'896 7'273 351 24'016<br />
2005 2'657 256 12'168 7'629 321 23'031<br />
2006 2'715 254 11'935 7'429 372 22'705<br />
2007 2'905 285 12'197 7'248 331 22'966<br />
2008 2'647 206 11'134 6'916 383 21'286<br />
2009 2'656 277 10'489 6'727 333 20'482<br />
Mittelwert 3'040 292 12'875 7'854 323 24'385<br />
Standardabweichung 297 26 879 434 33 1'551<br />
Tabelle 58: Verkehrsunfälle mit Personenwagen. Quelle: Bundesamt für Statistik: Statistik der Strassenverkehrsunfälle.<br />
Total<br />
/ 173
174 / A-2 Verwendete statistische Daten<br />
Prozent Autobahn Autostrasse Hauptstrasse Nebenstrasse Andere Strasse<br />
1992 11% 1% 55% 31% 1% 100%<br />
1993 11% 1% 54% 32% 1% 100%<br />
1994 11% 1% 53% 33% 1% 100%<br />
1995 13% 1% 53% 32% 1% 100%<br />
1996 11% 1% 52% 34% 1% 100%<br />
1997 12% 1% 52% 34% 1% 100%<br />
1998 13% 1% 52% 33% 1% 100%<br />
1999 14% 1% 52% 32% 1% 100%<br />
2000 14% 1% 52% 32% 1% 100%<br />
2001 14% 1% 51% 32% 1% 100%<br />
2002 14% 1% 53% 31% 1% 100%<br />
2003 13% 1% 53% 32% 1% 100%<br />
2004 13% 1% 54% 30% 1% 100%<br />
2005 12% 1% 53% 33% 1% 100%<br />
2006 12% 1% 53% 33% 2% 100%<br />
2007 13% 1% 53% 32% 1% 100%<br />
2008 12% 1% 52% 32% 2% 100%<br />
2009 13% 1% 51% 33% 2% 100%<br />
Mittelwert 12% 1% 53% 32% 1% 100%<br />
Standardabweichung<br />
(Prozentpunkte)<br />
Total<br />
0.82% 0.09% 0.76% 0.80% 0.17% 0.00%<br />
Tabelle 59: Verkehrsunfälle mit Personenwagen, Anteile der verschiedenen Strassenarten. Quelle: Bundesamt<br />
für Statistik: Statistik der Strassenverkehrsunfälle.
A-3 Referenzzustand Aviatik<br />
A-3.1 Schnee und schlechte Sicht<br />
A-3.1.1 Effektiv e<strong>in</strong>getroffenes / beobachtetes Wetter<br />
170525Z 1706/1812 22008G25KT 2500 –SN SCT008 BKN014 TEMPO 1706/1711 0600<br />
+SN VV006 BECMG 1711/1713 25006KT 8000 NSW SCT015 BKN028 BECMG<br />
1715/1717 32004KT 9999 SCT018 BKN030 TEMPO 1719/1812 3000 SHSN BKN014=<br />
A-3.1.2 TAF mit heutiger Qualität<br />
170525Z 1706/1812 20006KT 3000 –SN SCT010 BKN020 TEMPO 1706/1710 1000 SN<br />
VV008 TEMPO 1706/1710 27012G25KT 1500 BLSN BKN010 BECMG 1710/1713<br />
28008KT 9999 NSW BNK030 PROB40 TEMPO 1718/1812 3000 SHSN BKN013=<br />
A-3.1.3 TAF mit schlechterer Qualität<br />
170525Z 1706/1812 20004KT NSW SCT010 BKN020 TEMPO 1706/1820 5000 SN<br />
PROB30 TEMPO 1706/1715 27012G25KT 1500 SHSN BKN010 BECMG 1715/1718<br />
28008KT 8000 NSW BNK040 PROB30 TEMPO 1718/1812 5000 SN BKN015=<br />
A-3.2 Nebel<br />
A-3.2.1 Effektiv e<strong>in</strong>getroffenes / beobachtetes Wetter<br />
170525Z 1718/1824 VRB02KT CAVOK BECMG 1722/1724 8000 MIFG NSC BECMG<br />
1724/1802 5000 BECMG 1802/1804 0400 FG VV002 BECMG 1809/1810 2904KT 0800<br />
BKN002 BCMG 1810/1812 9999 FEW008 BECMG 1812/1814 CAVOK<br />
A-3.2.2 TAF mit heutiger Qualität<br />
170525Z 1718/1824 VRB02KT CAVOK BECMG 1722/1724 8000 MIFG NSC BECMG<br />
1724/1802 5000 BECMG 1802/1804 1000 BCFG TEMPO 1804/1810 0200 FG VV002<br />
BECMG 1810/1812 30003KT 1500 BKN002 BCMG 1812/1814 9999 SCT006 BECMG<br />
1814/1816 CAVOK<br />
A-3.2.3 TAF mit schlechterer Qualität<br />
170525Z 1718/1824 VRB02KT CAVOK BECMG 1722/1724 8000 MIFG NSC PROB40<br />
TEMPO 1802/1810 1000 BCFG BECMG 1810/1814 CAVOK<br />
/ 175
176 / A-3 Referenzzustand Aviatik<br />
A-3.3 TAF mit Gewitter<br />
A-3.3.1 Effektiv e<strong>in</strong>getroffenes / beobachtetes Wetter<br />
170525Z 1706/1812 VRB02KT CAVOK BECMG 1712/1714 25004KT FEW020 SCT100<br />
BECMG 1714/1716 26008KT 6000 SHRA BKN020 TEMPO 1716/1720 26012G25KT<br />
1000 +TSRA BKN020CB BECMG 1720/1722 VRB03KT CAVOK<br />
A-3.3.2 TAF mit heutiger Qualität:<br />
170525Z 1706/1812 VRB02KT CAVOK PROB40 TEMPO1715/1722 27006KT 8000<br />
SHRA BKN020 PROB30 TEMPO 1715/1722 26012G25KT 5000 TS BKN020CB BECMG<br />
1722/1724 VRB03KT CAVOK<br />
A-3.3.3 TAF mit schlechterer Qualität:<br />
170525Z 1706/1812 VRB02KT CAVOK<br />
A-3.4 Upper Air W<strong>in</strong>ds<br />
Auf Langstreckenflügen müssen aufgrund e<strong>in</strong>er schlechteren Prognosequalität 15% mehr<br />
Head- oder Rückenw<strong>in</strong>dkomponenten als prognostiziert erwartet werden.
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