Elektrodynamik und Optik - Fachbereich Physik der Universität ...
Elektrodynamik und Optik - Fachbereich Physik der Universität ...
Elektrodynamik und Optik - Fachbereich Physik der Universität ...
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
Skript zur Vorlesung<br />
‚Experimentalphysik 2 für Biologen <strong>und</strong> Chemiker’<br />
<strong>Elektrodynamik</strong> <strong>und</strong> <strong>Optik</strong><br />
(Version SoSe 2007)<br />
Axel Blau<br />
TU Kaiserslautern<br />
FB <strong>Physik</strong>
2 Experimentalphysik 2 für Biologen & Chemiker<br />
Vorbemerkung<br />
Dieses Skript ist als Vorlage für eigene Notizen zu verstehen. In diesem Sinne<br />
darf es nicht als Buch- o<strong>der</strong> gar Vorlesungsersatz missverstanden werden; es<br />
soll lediglich das Folgen <strong>der</strong> Vorlesung erleichtern <strong>und</strong> insbeson<strong>der</strong>e den<br />
(zugegebenermaßen nicht leicht leserlichen) Tafelanschrieb ergänzen.<br />
Außerdem ist dieses Skript „im Werden“ begriffen, d.h. es wird im Laufe des<br />
Semesters Än<strong>der</strong>ungen unterworfen sein <strong>und</strong> an <strong>der</strong> ein o<strong>der</strong> an<strong>der</strong>en Stelle<br />
noch Fehler aufweisen. Sie können sich an dem Verbesserungsprozess aktiv<br />
beteiligen! Ihre Korrektur- <strong>und</strong> Ergänzungsvorschläge sind sehr willkommen!<br />
Richten Sie sie einfach per E-Mail an blau@physik.uni-kl.de. Gegen<br />
Semesterende werden Sie dann Gelegenheit haben, die aktualisierte<br />
Gesamtversion zu kopieren.
<strong>Elektrodynamik</strong> 3<br />
Inhalt<br />
5 <strong>Elektrodynamik</strong> 7<br />
5.1 Elektrostatik 7<br />
5.1.1 Elektrische Ladungen <strong>und</strong> Coulombgesetz 7<br />
5.1.2 Elektrisches Feld 12<br />
5.1.3 Elektrischer (Kraft-)Fluss 14<br />
5.1.4 Gauß’scher Satz 16<br />
5.1.5 Elektrostatisches Potenzial <strong>und</strong> elektrische Spannung 17<br />
5.1.6 Erzeugung von hohen Spannungen durch Ladungstransport im van de Graaff Generator 20<br />
5.1.7 Erzeugung von hohen Spannungen im Tierreich 21<br />
5.1.8 Influenz in Leitern im elektrischen Feld 21<br />
5.1.9 Kondensatoren <strong>und</strong> Kapazität 22<br />
5.1.9.1 Parallelschaltung von Kondensatoren 25<br />
5.1.9.2 Hintereinan<strong>der</strong>schaltung (= Serienschaltung) von Kondensatoren 26<br />
5.1.9.3 Dielektrika 27<br />
5.1.10 Elektrischer Dipol, Polarisation <strong>und</strong> Suszeptibilität 28<br />
5.1.10.1 An<strong>der</strong>e Möglichkeiten <strong>der</strong> Ladungstrennung: Piezo- <strong>und</strong> pyroelektrischer Effekt 34<br />
5.2 Ströme 36<br />
5.2.1 Mikroskopisches Modell des Stromflusses 37<br />
5.2.2 Wi<strong>der</strong>stand <strong>und</strong> Ohm’sches Gesetz 38<br />
5.2.3 Strom-Spannungs-Kennlinien 39<br />
5.2.4 Supraleiter 40<br />
5.2.5 Variable Wi<strong>der</strong>stände: Potentiometer 41<br />
5.2.6 Mikroskopische Betrachtung von Leitungsvorgängen 42<br />
5.2.7 Halbleiter 43<br />
5.2.8 Elektrische Leitung in Flüssigkeiten 44<br />
5.2.9 Elektrische Leitung in Gasen 45<br />
5.2.10 Elektrische Leistung <strong>und</strong> Joule’sche Wärme 47<br />
5.2.11 Ströme in verzeigten Stromkreisen – Kirchhoff’sche Regeln <strong>und</strong> Berechnung des<br />
Gesamtwi<strong>der</strong>stands 47<br />
5.2.11.1 Erste Kirchhoff’sche Regel: Knotenregel 47<br />
5.2.11.2 Zweite Kirchhoff’sche Regel: Maschenregel 48<br />
5.2.11.3 Gesamtwi<strong>der</strong>stand bei Reihenschaltung (= Serienschaltung) von Wi<strong>der</strong>ständen49<br />
5.2.11.4 Gesamtwi<strong>der</strong>stand bei Parallelschaltung von Wi<strong>der</strong>ständen 49<br />
5.2.11.5 Wheatston’sche Brückenschaltung zur Messung von unbekannten Wi<strong>der</strong>ständen50<br />
5.2.12 Chemische Strom- <strong>und</strong> Spannungsquellen 51<br />
5.2.12.1 Biologische Spannungserzeugung 51<br />
5.2.12.2 Elektrochemische Zellen 51<br />
5.2.12.3 Batterien <strong>und</strong> Brennstoffzellen 52<br />
5.2.12.4 Klemmspannung <strong>und</strong> Innenwi<strong>der</strong>stand einer Spannungsquelle 54<br />
5.2.12.5 Strom- <strong>und</strong> Spannungsmessung 54<br />
5.3 Magnetostatik 55<br />
5.3.1 Die Ursachen des magnetischen Feldes sind bewegte Ladungen 57<br />
5.3.2 Das Biot-Savart’sche Gesetz beschreibt das Magnetfeld um einen stromdurchflossenen<br />
Leiter 58<br />
5.3.3 Das Ampère’sches Durchflutungsgesetz ist das magnetische Analogon zum Gauß’schen<br />
Satz in <strong>der</strong> Elektrostatik 59<br />
5.3.4 Das Magnetfeld im Zentrum einer Leiterschleife ist direkt proportional zum Strom <strong>und</strong><br />
umgekehrt proportional zum Radius <strong>der</strong> Schleife 59<br />
5.3.5 Das Magnetfeld im Inneren einer Spule ist homogen: die magnetischen Feldlinien verlaufen<br />
dort parallel 60<br />
5.3.6 Arten von Magnetfel<strong>der</strong>n 60<br />
5.3.7 Kraftwirkung eines Magnetfeldes auf eine bewegte Ladung 61<br />
5.3.8 Bewegung einer Punktladung im Magnetfeld 62<br />
5.3.9 Massenspektrometer 63<br />
5.3.10 Wien’sches Geschwindigkeitsfilter 64<br />
5.3.11 Hall-Effekt 64
4 Experimentalphysik 2 für Biologen & Chemiker<br />
5.3.12 Drehmoment auf Leiterschleifen <strong>und</strong> Magnete: Elektromotor 67<br />
5.3.13 Die Einheit <strong>der</strong> Stromstärke, das Ampere, ist über die Kraftwirkung zweier paralleler gera<strong>der</strong><br />
Leiter definiert 68<br />
5.3.14 Magnetischer Fluss 69<br />
5.3.15 Maxwell-Gleichungen für zeitlich konstante Fel<strong>der</strong> 69<br />
5.4 Magnetodynamik 71<br />
5.4.1 Magnetische Induktion 71<br />
5.4.2 Induktionsspannung <strong>und</strong> Faraday’sches Gesetz 72<br />
5.5 Magnetismus in Materie 75<br />
5.5.1 Materie im Magnetfeld 75<br />
5.5.2 Magentisches Dipolmoment eines Elektrons: das Bohr’sche Magneton 75<br />
5.5.3 Magnetisierung 77<br />
5.5.4 Magnetische Suszeptibilität 77<br />
5.5.5 Diamagnetismus 78<br />
5.5.6 Paramagnetismus 78<br />
5.5.7 Ferromagnetismus 79<br />
5.6 Wechselstrom <strong>und</strong> Drehstrom 81<br />
5.6.1 Erzeugung von Wechselstrom durch eine sich drehende Spule im Magnetfeld 81<br />
5.6.2 Ein Drehstrom hat eine höhere Leistungsdichte 84<br />
5.6.3 Transformatoren wandeln Wechselspannungen ohne Leistungsverlust von einer<br />
Eingangsspannung in eine (an<strong>der</strong>e) Ausgangsspannung 85<br />
5.7 Elektrische Bauelemente in Gleich- <strong>und</strong> Wechselstromkreisen 87<br />
5.7.1 Ein- <strong>und</strong> Abschaltvorgänge in Gleichstromkreisen 87<br />
5.7.1.1 Wi<strong>der</strong>stand beim An- <strong>und</strong> Abschalten einer Gleichspannungsquelle 87<br />
5.7.1.2 Kondensator beim An- <strong>und</strong> Abschalten einer Gleichspannungsquelle 88<br />
5.7.1.3 Spule beim An- <strong>und</strong> Abschalten einer Gleichspannungsquelle 88<br />
5.7.2 Gleichstromwi<strong>der</strong>stände versch. Bauelemente in Gleichstromkreisen 89<br />
5.7.2.1 Ohm’scher Wi<strong>der</strong>stand bei Gleichstrom 89<br />
5.7.2.2 Wi<strong>der</strong>stand eines Kondensators bei Gleichstrom 89<br />
5.7.2.3 Wi<strong>der</strong>stand einer Spule bei Gleichstrom 89<br />
5.7.3 Wechselstromwi<strong>der</strong>stände = Impedanzen versch. Bauelemente in Wechselstromkreisen 89<br />
5.7.3.1 Ohm’scher Wechselstromwi<strong>der</strong>stand 89<br />
5.7.3.2 Wechselstromwi<strong>der</strong>stand eines Kondensators 90<br />
5.7.3.3 Wechselstromwi<strong>der</strong>stand einer Spule 91<br />
5.7.4 Verschaltung von Wechselstromwi<strong>der</strong>ständen 91<br />
5.8 Halbleiterbauelemente: Dioden (<strong>und</strong> Transistoren) 93<br />
5.9 Thermische Effekte in Leitern 94<br />
5.9.1 Erzeugung einer Thermospannung als Folge des Seebeck-Effektes 94<br />
5.9.2 Der Peltier-Effekt ist die Umkehrung <strong>der</strong> thermoelektrischen Spannungserzeugung 96<br />
6 Elektromagnetische Schwingungen <strong>und</strong> Wellen – Überleitung zur<br />
<strong>Optik</strong> 97<br />
6.1 Elektromagnetische Schwingungen <strong>und</strong> Wellen 97<br />
6.1.1 Harmonische Schwingung in einem geschlossenen LC-Schwingkreis 97<br />
6.1.2 Gedämpfte harmonische Schwingung in einem LCR-Kreis 100<br />
6.1.3 Erzwungene gedämpfte harmonische Schwingung in einem LCR-Kreis 100<br />
6.1.4 Vergleich zwischen mechanischen <strong>und</strong> elektromagnetischen Größen 101<br />
6.1.5 Gekoppelte Schwingkreise verhalten sich wie gekoppelte mechanische Pendel 101<br />
6.1.6 Abstrahlung transversaler elektromagnetischer Wellen von einem offenen Schwingkreis:<br />
Hertz’scher Dipol 102<br />
6.1.7 Stehende elektromagnetische Wellen bilden sich im Dipol aus, wenn dessen Länge ein<br />
Vielfaches <strong>der</strong> halben Wellenlänge <strong>der</strong> EM-Welle beträgt. 104<br />
6.1.8 Ablösen <strong>der</strong> elektromagnetischen Wellen vom Dipol 105<br />
6.1.9 Kategorisierung elektromagnetischer Wellen nach ihrer Frequenz bzw. Wellenlänge 108<br />
6.1.10 Durchdringungsvermögen <strong>und</strong> Absorption von elektromagnetischen Wellen 113<br />
6.1.11 Reflexion <strong>und</strong> Interferenz elektromagnetischer Wellen 114<br />
6.1.12 Brechung von elektromagnetischen Wellen 115<br />
6.1.13 Prisma 116<br />
6.1.14 (Innere) Totalreflexion 116
<strong>Elektrodynamik</strong> 5<br />
6.1.15 Polarisation elektromagnetischer Wellen 118<br />
6.1.15.1 Polarisation durch Reflexion – Brewster’sches Gesetz 121<br />
6.1.15.2 Polarisation durch Absorption 121<br />
6.1.15.3 Polarisation durch Streuung 122<br />
6.1.16 Optische Aktivität 124<br />
6.1.17 Dispersion 124<br />
6.1.18 Beschreibung des Wellencharakters von Licht 125<br />
6.1.19 Interferenz zeitlich <strong>und</strong> räumlich kohärenter elektromagnetischer Wellen 125<br />
6.1.20 Interferenz an dünnen Schichten 127<br />
6.1.21 Beugung 130<br />
6.1.22 Beugung <strong>und</strong> Interferenz an Mehrfachspalten 132<br />
6.1.23 Dispersion an Beugungsgittern 133<br />
6.1.24 Interferenz bei Reflexion (am Beispiel einer CD bzw. DVD) 133<br />
6.1.25 Streuung ist u.a. verantwortlich für das Himmelsblau <strong>und</strong> Abendrot 134<br />
6.2 Geometrische <strong>Optik</strong> mit Lichtstrahlen 136<br />
6.2.1 Das Licht als Teilchen (Photon) 136<br />
6.2.2 Schatten 137<br />
6.2.3 Optische Abbildung durch Reflexion: Spiegel 137<br />
6.2.3.1 Planspiegel 138<br />
6.2.3.2 Hohlspiegel 139<br />
6.2.4 Optische Abbildung durch Brechung: Linsen 140<br />
6.2.4.1 Brechung an einer gekrümmten Fläche 140<br />
6.2.4.2 Dünne Linsen 141<br />
6.2.4.3 Zusammenfassung <strong>der</strong> Eigenschaften von Linsen 145<br />
6.2.5 Linsenfehler 146<br />
6.2.5.1 Sphärische Aberration 146<br />
6.2.5.2 Chromatische Aberration 147<br />
6.2.5.3 Koma 147<br />
6.2.5.4 Astigmatismus (Punktlosigkeit) 147<br />
6.2.6 Linsenfehler beim Auge 148<br />
6.2.6.1 Kurzsichtigkeit 148<br />
6.2.6.2 Weitsichtigkeit 149<br />
6.2.6.3 Astigmatismus durch Hornhautverkrümmung (Stabsichtigkeit) 149<br />
6.2.6.4 Vergrößerung in Abhängigkeit vom Sehwinkel 149<br />
6.2.7 Lupe 150<br />
6.3 Linsensysteme 150<br />
6.3.1 Mikroskop 150<br />
6.3.1.1 Auflösungsvermögen des Mikroskops 151<br />
6.3.2 Fernrohre (Teleskope) 152<br />
6.4 Temperaturstrahlung 154<br />
6.5 Röntgenstrahlung 157<br />
6.6 Radioaktivität 159<br />
6.6.1 Strahlenbelastung <strong>und</strong> biologische Wirkung 160
6 Experimentalphysik 2 für Biologen & Chemiker<br />
Organisatorisches<br />
• Übungsgruppenverteilung: Bitte melden Sie sich auf <strong>der</strong> Internetseite<br />
http://www.physik.uni-kl.de/BiologenChemiker/ für eine Übungsgruppe an.<br />
Sollten Sie Ihre Gruppe im Laufe des Semesters wechseln wollen, dann<br />
melden Sie sich bitte um, damit Ihr Platz in <strong>der</strong> alten Übungsgruppe Ihren<br />
Kommilitonen zur Verfügung steht. Sollten Sie sich entscheiden, nicht<br />
mehr an den Übungen teilzunehmen, dann wären wir Ihnen dankbar, sich<br />
von den Übungen abzumelden (Wahl von Gruppe 0). Das gestattet das<br />
Nachrücken Ihrer noch nicht untergekommenen Kommilitonen.<br />
• Informieren Sie sich auf <strong>der</strong> o.g. Internetseite auch rechtzeitig zu den<br />
Klausur- <strong>und</strong> Praktikumsterminen, insbeson<strong>der</strong>e zu den Anmeldefristen!<br />
Beachten Sie, dass sich alle Chemiker, Lebensmittelchemiker <strong>und</strong><br />
Wirtschaftsingenieure IMMER auch ZUSÄTZLICH auf <strong>der</strong> Internetseite<br />
des <strong>Fachbereich</strong>s Chemie innerhalb strenger Fristen anmelden müssen:<br />
https://chempruef.chemie.unikl.de/Pruefungen/Anmeldung/pruefanmeld.php<br />
• Die Vorlesung <strong>und</strong> die Übungsst<strong>und</strong>en am Dienstag, den 1. Mai. fallen<br />
aus (Feiertag). Die Pfingstwoche zwischen dem 28.05. – 01.06. ist<br />
ebenfalls vorlesungs- <strong>und</strong> übungsfrei. Übungen, die auf sonstige<br />
Feiertage fallen, werden nachgeholt. Ihr Übungsbetreuer wird dazu einen<br />
Termin mit Ihnen vereinbaren.<br />
• Wie im letzten Semester haben Sie Gelegenheit, durch eigenständiges<br />
Lösen <strong>und</strong> Vorrechnen von Übungsaufgaben Bonuspunkte zu sammeln,<br />
mit denen Sie Ihr Klausurergebnis aufwerten können. Nehmen Sie also<br />
die Gelegenheit wahr, sich in den Übungen zu engagieren. Versuchen Sie<br />
dabei, Ihren Kommilitonen die Lösungen so darzustellen, wie Sie sie<br />
selbst ebenfalls am leichtesten verstehen würden. Sie werden feststellen,<br />
dass Sie sich damit (als „Nebeneffekt“) automatisch bestens auf Klausur<br />
<strong>und</strong> Praktikum vorbereiten.<br />
• Wie immer können <strong>und</strong> sollten Sie während <strong>der</strong> Vorlesung <strong>und</strong><br />
insbeson<strong>der</strong>e in den Übungen Fragen stellen, falls Konzepte unklar<br />
geblieben sind. Seien Sie daran erinnert, dass es keine dummen Fragen<br />
gibt, lediglich dumme Antworten.<br />
• In diesem Semester werden wir alles besprechen, was mit Ladungen zu<br />
tun hat (<strong>und</strong> <strong>Optik</strong>). Sie werden sehen, dass trotz vieler neuer Konzepte<br />
sich einige davon denen in <strong>der</strong> Mechanik ähneln <strong>und</strong> hin <strong>und</strong> wie<strong>der</strong><br />
sogar direkte Vergleiche angestellt werden können (z.B. Coulomb- vs.<br />
Gravitationskraft)<br />
Allgemeine Bemerkung zu diesem Skript<br />
Zur Erinnerung – fett gedruckte Variablen deuten den Vektorcharakter dieser<br />
Variablen an.
<strong>Elektrodynamik</strong> 7<br />
V01 Coulombkraft<br />
5 <strong>Elektrodynamik</strong><br />
Die <strong>Elektrodynamik</strong> (o<strong>der</strong> auch Elektromagnetismus genannt) ist <strong>der</strong><br />
Oberbegriff, <strong>der</strong> alle elektrischen <strong>und</strong> magnetischen Phänomene<br />
zusammenfasst. Selbst das Licht <strong>und</strong> optische Phänomene lassen sich darüber<br />
beschreiben. Diese Phänomene werden Gegenstand dieser zweiten Vorlesung<br />
sein.<br />
Außer <strong>der</strong> Gravitation haben alle Kräfte, denen wir im Alltag begegnen,<br />
einen einzigen Ursprung: den Elektromagnetismus.<br />
Elektromagnetische Kräfte<br />
• sind verantwortlich für die gesamte Strukturbildung <strong>der</strong> Materie im<br />
Größenbereich von einigen Nanometern (Atome, Moleküle) bis zu<br />
einigen Metern (Mensch, direkte Umgebung des Menschen).<br />
• bestimmen die meisten physikalischen, sämtliche chemischen <strong>und</strong> den<br />
größten Teil <strong>der</strong> biologischen Erscheinungen.<br />
5.1 Elektrostatik<br />
Elektrostatik: Lehre von Phänomenen, die durch ruhende elektrische Ladungen<br />
verursacht werden:<br />
Einzelladung q (positiv o<strong>der</strong> negativ),<br />
Q = n· q (Gesamt-)Ladungsmenge Q aus n Einzelladungen q (mit n ∈Ν),<br />
elektrisches Feld E,<br />
elektrisches Potenzial ϕ (phi),<br />
elektrostatische Energie Eel, stat..<br />
5.1.1 Elektrische Ladungen <strong>und</strong> Coulombgesetz<br />
Der Begriff Elektrizität stammt von ‚elektron’, dem griechischen Wort für<br />
Bernstein, <strong>der</strong> nach Reibung Fe<strong>der</strong>n <strong>und</strong> Stroh anzieht.<br />
Beobachtung:<br />
Werden Kunststoffstäbe (o<strong>der</strong> Bernstein o<strong>der</strong> Luftballons) mit einem Katzenfell<br />
gerieben, so<br />
• zieht <strong>der</strong> Stab/Bernstein/Luftballon Papierschnipsel an<br />
• stoßen sich zwei geriebene Kunststoffstäbe ab.<br />
Diese Erscheinung wird Reibungselektrizität genannt.<br />
Ex.x Styroporschnipsel<br />
bleiben am<br />
Kunststoffhandschuh<br />
hängen.<br />
Ex.x Wolle o<strong>der</strong><br />
Katzenfell lädt<br />
Kunststoffstab durch<br />
Reibung auf. Glasstab<br />
<strong>und</strong> Seide führen zu<br />
entgegengesetzter<br />
Ladung.<br />
PVC <strong>und</strong> Samt o<strong>der</strong> Glas<br />
<strong>und</strong> Seide ergeben eine<br />
entgegengesetzte<br />
Ladung im Vergleich zu<br />
Plexiglas <strong>und</strong> Katzenfell.<br />
E1.13 Person im E-Feld<br />
(Cartoons, „man ist wie<br />
elektrisiert“)<br />
E1.1 Kräfte zwischen<br />
Ladungen (Elektrometer<br />
= Elektroskop)
Berührung des<br />
Elektrometers mit einem<br />
trockenen Holzstab:<br />
keine Än<strong>der</strong>ung bzw.<br />
einem nassen Holzstab:<br />
Entladung<br />
8 Experimentalphysik 2 für Biologen & Chemiker<br />
Interpretation des Versuches:<br />
• Es werden zwei verschiedene Arten von Ladungen postuliert:<br />
positive ( + , ⊕ ) (z.B. Positronen, Protonen,<br />
Kationen)<br />
negative ( - , Θ ) (z.B. Elektronen, Anionen)<br />
Die elektrische Ladung ist wie die Masse eine f<strong>und</strong>amentale<br />
Eigenschaft <strong>der</strong> Materie. Bis heute lässt sich die Frage nach <strong>der</strong><br />
eigentlichen Natur <strong>der</strong> elektrischen Ladung nicht beantworten (das<br />
gleiche gilt auch für die Masse). Ladungen q sind immer in (nicht weiter<br />
teilbaren) Portionen <strong>der</strong> Größe ±e quantisiert, wobei<br />
e = 1,60·10 -19 C (Coulomb) (Charles Coulomb, 1736-1806)<br />
Das Coulomb ist keine SI-Einheit. (Sie wird über eine an<strong>der</strong>e SI-Einheit,<br />
das Ampère, die Einheit <strong>der</strong> Stromstärke, eine <strong>der</strong> 7 Basisgrößen (m,<br />
kg, s, A, K, mol, cd) des SI-Systems, definiert; es gilt:<br />
1 C = 1 A·s;<br />
(später genauere Definition dazu).<br />
• Durch Austausch von Elektronen zwischen zwei Gegenständen wird <strong>der</strong><br />
eine Gegenstand positiv <strong>und</strong> <strong>der</strong> an<strong>der</strong>e in gleichem Maße negativ<br />
geladen. Es kommt also nicht zu einer Ladungserzeugung, son<strong>der</strong>n<br />
lediglich zu einem Ladungsaustausch: die elektrische Gesamtladung<br />
bleibt in einem abgeschlossenen 1 System erhalten, d.h. Ladungen<br />
können we<strong>der</strong> erzeugt noch vernichtet, wohl aber getrennt werden.<br />
• Eine gleiche Anzahl an positiven <strong>und</strong> negativen Ladungen neutralisiert<br />
sich.<br />
• Es gibt Materialien, auf o<strong>der</strong> in denen sich Ladungen frei bewegen <strong>und</strong><br />
ausbreiten können, sog. elektrische Leiter, (z.B. Metalle, wässrige<br />
(salzhaltige) Lösungen, heiße Gase, ...) <strong>und</strong> Materialien, auf denen<br />
Ladungen am Ort <strong>der</strong> Erzeugung sitzen bleiben (d.h. an einzelne Atome<br />
o<strong>der</strong> <strong>der</strong>en nähere Umgebung geb<strong>und</strong>en sind), d.h. elektrisch nichtleitende<br />
Materialien, sog. Isolatoren (Kunststoffe, Glas, Porzellan (siehe<br />
Überlandleitungen), trockenes Holz, Luft, ...).<br />
• Sind Ladungen getrennt, so stoßen sich gleichnamige Ladungen<br />
(gleiches Vorzeichen) ab, wogegen sich ungleichnamige<br />
(entgegengesetztes Vorzeichen) anziehen. (Es gilt also nicht: „gleich zu<br />
gleich gesellt sich gern“, son<strong>der</strong>n „Unterschiede ziehen sich an“.)<br />
Offenbar wirkt zwischen den Ladungsträgern (Stab bzw. Luftballon <strong>und</strong><br />
Papierschnipsel) eine (anziehende bzw. abstoßende) Kraft:<br />
1 „abgeschlossen“ heißt: we<strong>der</strong> Energieaustausch noch Materieaustausch mit <strong>der</strong> Umgebung<br />
außerhalb des Systems; „geschlossen“ heißt: Energieaustausch mit <strong>der</strong> Umgebung ist erlaubt,<br />
Materieaustausch dagegen nicht.
<strong>Elektrodynamik</strong> 9<br />
Ladung 1 Ladung 2<br />
¯ → ← Θ<br />
F1 = -F2<br />
← ¯ ¯ →<br />
-F1 = F2<br />
← Θ Θ →<br />
3. Newton’sches Axiom: actio = reactio<br />
Beachten Sie: Kräfte sind vektorielle Größen. Wie erklären Sie sich also<br />
die Vorzeichen?<br />
• Ladungstrennung (in einem elektrischen Leiter) durch elektrostatische<br />
Influenz: Werden Ladungen (z.B. mittels eines geladenen<br />
Kunststoffstabes) in die Nähe eines elektrischen Leiters gebracht (ohne<br />
diesen zu berühren), dann verschieben/verteilen sich die Ladungen des<br />
Leiters in dem Leiter so, dass sich zur äußeren Ladung ungleichnamige<br />
Ladungen auf die äußere Ladung zubewegen, gleichnamige Ladungen<br />
dagegen von ihr wegbewegen.<br />
• Die Erde kann als unendlich großer Leiter angesehen werden, <strong>der</strong><br />
negative Ladungen, d.h. Elektronen, zur Verfügung stellt.<br />
Influenz von Ladungen (links) <strong>und</strong> die Erde als Lieferant neg. Ladungen (rechts). Quelle:<br />
Staudt 2, Abb. 6.3, S.13<br />
Von welchen Größen hängt die zwischen den Ladungen wirkende Kraft<br />
ab?<br />
Influenzversuch: 1.<br />
Ladungsverschiebung in<br />
zwei sich berührenden,<br />
jeweils an Elektroskope<br />
angeschlossenen Kugeln<br />
mit einem geladenen<br />
Plastikstab, 2. Trennen<br />
<strong>der</strong> Kugeln, 3A. Erdung<br />
<strong>der</strong> Kugeln:<br />
Elektroskopausschlag<br />
verschwindet nur bei<br />
einer Kugel; 3B<br />
Zusammenführen <strong>der</strong><br />
Kugeln:<br />
Elektroskopausschlag<br />
verschwindet in beiden<br />
Kugeln.<br />
E1.4 Coulomb’sches<br />
Gesetz: Torsionswaage<br />
(vgl. Cavendish<br />
Experiment zur<br />
Bestimmung <strong>der</strong><br />
Gravitation!)
10 Experimentalphysik 2 für Biologen & Chemiker<br />
Coulomb’sche Torsionswaage zur Kraftmessung zwischen Ladungen: Die Kraft zwischen<br />
den beiden gleichnamigen <strong>und</strong> damit sich gegenseitig abstoßenden Ladungen bewirkt ein<br />
Drehmoment M = L x F, |M| = L·F·sinα, das den Stab so weit dreht, bis das rücktreibende<br />
Drehmoment des verdrillten Fadens (dessen Torsionskonstante D bekannt ist; siehe P1 V14<br />
o<strong>der</strong> Tipler Kap. 12.5 S. 399: M = -D·α) gleich –M wird. Wird <strong>der</strong> Verdrillungswinkel α für<br />
verschiedene Abstände r12 <strong>der</strong> beiden Ladungen gemessen, ergibt sich eine umgekehrte<br />
Proportionalität zwischen F <strong>und</strong> r 2 . Wird bei festem Abstand r12 die Ladungsmenge variiert,<br />
so kann die direkte Proportionalität <strong>der</strong> Kraft zu den Ladungsmengen nachgewiesen<br />
werden. (Vgl.auch Cavendish-Experiment!) Quelle: Demtrö<strong>der</strong> 2 Abb. 1.3 S.2<br />
Beobachtung: Die Kraft zwischen den Ladungen Q1 <strong>und</strong> Q2 ist<br />
mit<br />
1. direkt proportional zum Produkt <strong>der</strong> beiden Ladungen <strong>und</strong><br />
2. umgekehrt proportional zum Quadrat des Abstands r12 zwischen den<br />
beiden Ladungen.<br />
ε<br />
1 Q ⋅Q<br />
F = F = ⋅ ⋅r<br />
ˆ Coulomb’sches Kraftgesetz<br />
1 2<br />
12 C( oulomb)<br />
4⋅π<br />
⋅ε0<br />
2<br />
r12<br />
12<br />
N A ⋅s<br />
= 8.854·10 ( )<br />
V kg⋅m 2 4<br />
0<br />
-12<br />
2 entspricht<br />
3<br />
als Influenzkonstante o<strong>der</strong> elektrische Feldkonstante<br />
(in SI-Einheiten); r12: Abstand <strong>der</strong> Ladungsschwerpunkte zueinan<strong>der</strong>; r ˆ12 :<br />
Einheitsvektor, <strong>der</strong> die Richtung <strong>der</strong><br />
Elementarladung, Qi = n·qi: Gesamtladung.<br />
resultierenden Kraft angibt. qi:<br />
Woran erinnert Sie die Coulomb-Kraft? Vergleichen Sie diesen Ausdruck für die<br />
Coulomb-Kraft mit dem Ausdruck für die Gravitationskraft FG!<br />
m1⋅m2 F ̂<br />
G = F12 = G⋅<br />
⋅r<br />
12 Gravitationskraft <strong>der</strong> Masse m1 auf die Masse m2.<br />
2<br />
r<br />
(Die Ladung q in <strong>der</strong> Elektrostatik entspricht also gewissermaßen <strong>der</strong> Masse m in<br />
<strong>der</strong> Mechanostatik.)<br />
Weitere wichtige Eigenschaften von Ladungen:<br />
• Ladungen sind immer an Masseteilchen geb<strong>und</strong>en. Wichtigste Träger<br />
von Ladungen sind Elektronen (neg.), Protonen (pos.) <strong>und</strong> Ionen, d.h.<br />
Atome o<strong>der</strong> Moleküle mit Elektronenüberschuss (negativ, Anionen) o<strong>der</strong><br />
Elektronenmangel (positiv, Kationen). (Außerdem gibt es noch geladene<br />
Elementarteilchen, die kurzlebig sind.)<br />
2 Das Volt ‚V’ ist die Einheit für die elektrische Spannung. Sie wird in V03 besprochen.<br />
2
<strong>Elektrodynamik</strong> 11<br />
• Die Ladung q + = +e des Protons (Positronen) <strong>und</strong> q - = –e des Elektrons<br />
sind gleich groß <strong>und</strong> die kleinste bisher beobachtbare Ladungsmenge,<br />
die „frei“ vorkommen kann. (Ausnahme sind Quarks als Urbausteine <strong>der</strong><br />
Atome, die die Ladung 1/3 e bzw. 2/3 e haben, aber nach heutiger<br />
Erkenntnis nicht als freie Teilchen existieren.)<br />
• Man kann aber Ladungen räumlich trennen <strong>und</strong> so isolieren (z.B.<br />
Ionisation von Wasserstoff, Ionisation von Luftmolekülen bei einer<br />
Blitzentladung)<br />
• Ladungen lassen sich transportieren:<br />
Ladungstransport ist immer an Massetransport gekoppelt<br />
Ladungstransport heißt ‚elektrischer Strom’ (dazu später mehr)<br />
Beispiele alltägliche Phänomene, bei denen Ihnen Ladungen begegnen:<br />
• Statische Aufladung des Wollpullovers beim Streifen <strong>der</strong> Haare<br />
• Elektrische Ladungen in <strong>der</strong> Natur? Blitzentladung, Polarlichter (siehe<br />
Essay im Tipler, S. 905), ...<br />
• Elektrische Ladungen in <strong>der</strong> Biologie? Nervenzellen (auch elektrischer<br />
Aal), Herzzellen, Bauchspeicheldrüse (beta-Zellen); Elektrolyte im Blut,<br />
Zell-Zell-Adhäsion: unter physiologischen Bedingungen negativ<br />
geladene Glykoproteine können an positiv geladene Ankersubstanzen in<br />
<strong>der</strong> Extrazellularmatrix binden, ....<br />
• Elektrische Ladungen in <strong>der</strong> Chemie? Alle Salze bestehen aus Ionen,<br />
Redox-Reaktionen: Batterien, Korrosionserscheinungen, ...<br />
• Reinigung <strong>der</strong> Luft von Staub- <strong>und</strong> Rußpartikeln in Abgasfiltern durch<br />
negatives Aufladen <strong>der</strong> Partikel <strong>und</strong> <strong>der</strong>en Abscheidung an einer positiv<br />
geladenen Staubsammelplatte (s. dazu auch Kapitel 5.1.6: Erzeugung<br />
hoher Spannungen)<br />
E1.2 Löffelversuche<br />
E1.3 Ladungstransport in<br />
Wassertropfen
Ex.x Geladener<br />
Plastikstab lenkt<br />
Wasserstrahl ab<br />
(Ursache? Siehe<br />
Dipoleigenschaft von<br />
Wasser)<br />
12 Experimentalphysik 1 für Biologen & Chemiker<br />
V02 Elektrisches Feld<br />
Wie<strong>der</strong>holung<br />
• Wir haben den Begriff <strong>der</strong> Ladungen kennen gelernt. Es gibt positive <strong>und</strong><br />
negative Ladungen. Gleichnamige Ladungen stoßen sich ab,<br />
ungleichnamige ziehen sich an.<br />
• Ladungen lassen sich gegenseitig neutralisieren, aber nicht vernichten.<br />
Bei Neutralisation sind sie lediglich gepaart, lassen sich aber wie<strong>der</strong><br />
auseinan<strong>der</strong> reißen.<br />
• Das kleinste im Alltag frei vorkommende Ladungsquant ist das Elektron<br />
(bzw. das Positron) mit einem Ladungswert von e = 1,60·10 -19 C.<br />
• Die Wechselwirkungskräfte zwischen Ladungen lassen sich über das sog.<br />
Coulomb’sche Gesetz beschreiben. Die Kraft ist demnach prop. zum<br />
Produkt <strong>der</strong> Ladungen <strong>und</strong> umgekehrt prop. zum Quadrat des Abstands<br />
<strong>der</strong> Ladungen.<br />
• Ladungen sind immer an Materie geb<strong>und</strong>en.<br />
• Es gibt Materialien, in denen Ladungen frei beweglich sind (elektr. Leiter<br />
<strong>und</strong> auch „Halbleiter“) <strong>und</strong> welche, in denen die Ladungen sich nicht<br />
bewegen können (Isolatoren).<br />
5.1.2 Elektrisches Feld<br />
Die Ladungen müssen sich nicht berühren, um eine Kraft aufeinan<strong>der</strong> auszuüben<br />
(ebenso wie bei <strong>der</strong> Gravitation). Wie wird also die Kraftwirkung übermittelt?<br />
Jede Ladung qi erzeugt ein sog. elektrisches Kraftfeld (kurz elektrisches Feld)<br />
E, das von einer an<strong>der</strong>en Ladung qj ‚gespürt’ 3 wird, <strong>und</strong> das sich in jedem<br />
Abstand rij um die Ladung qi messen lässt. (Die Ausbreitungsgeschwindigkeit<br />
dieser Wirkung ist (nach <strong>der</strong> allgem. Relativitätstheorie) endlich <strong>und</strong> damit auf die<br />
Lichtgeschwindigkeit im Vakuum, c = 2,997 924 58 · 10 8 m·s -1 , begrenzt)<br />
Die sog. elektrische Feldstärke E in einem Punkt P, in dem sich eine positive<br />
Probeladung q0 + (entspräche also qj) befindet, ist definiert als die Kraft F, die in<br />
Gegenwart einer Ladung Q auf diese Probeladung q0 + wirkt, dividiert durch die<br />
Probeladung q0 + :<br />
= F<br />
E Definition <strong>der</strong> elektrischen Feldstärke E mit q0 + > 0.<br />
q 0<br />
+<br />
In Worten: Elektrische Feldstärke gleich Kraft pro Ladung.<br />
N<br />
mit <strong>der</strong> Einheit [ E ] = =<br />
C<br />
kg⋅m 2<br />
s<br />
A⋅s .<br />
Mit Hilfe des Coulomb-Gesetzes ergibt sich also für die Feldstärke E in <strong>der</strong><br />
Umgebung einer Ladung Q:<br />
3 Sie erkennen an diesem sprachlichen Ausweichmanöver schon, dass mit dem Begriff „Kraftfeld“<br />
zwar das Phänomen gut beschrieben werden kann, die eigentliche Übermittlung <strong>der</strong> Kraftwirkung<br />
aber nicht wirklich erklärt wurde. Eine solche Erklärung steht noch aus. Dies trifft auch auf das<br />
Gravitationsfeld zu.
<strong>Elektrodynamik</strong> 13<br />
F 1 Q<br />
E = = ⋅ ⋅r<br />
ˆ<br />
2<br />
q 4 ⋅π ⋅ε<br />
r<br />
+<br />
0<br />
0<br />
Einschub: (Wird wie<strong>der</strong> ein Vergleich zur Gravitation angestellt, so ergäbe sich<br />
für die sog. Gravitationsfeldstärke G* in <strong>der</strong> Umgebung einer Masse<br />
FG<br />
m1<br />
m1 <strong>der</strong> Ausdruck G* = = G ⋅ ⋅r<br />
̂ . G* ist <strong>der</strong> Einheit nach nichts<br />
2<br />
m2 r<br />
an<strong>der</strong>es als eine Gravitationsbeschleunigung. Dies können Sie<br />
überprüfen, wenn Sie für m1 die Erdmasse <strong>und</strong> für r den mittleren<br />
Erdradius einsetzen. Dann wird G* = g = 9,81 N/kg = 9,81 m/s, die<br />
Erdbeschleunigung in Erdnähe!)<br />
Das elektrische Feld E ist damit ein ortsabhängiger Vektor, <strong>der</strong> radial von<br />
positiven Ladungen ausgeht (sog. Quellen des elektrischen Feldes) <strong>und</strong><br />
senkrecht auf negativen Ladungen (sog. Senken des elektrischen Feldes)<br />
endet.<br />
Die Ausbreitung des elektrischen Feldes E um eine Ladung lässt sich über sog.<br />
Feldlinien darstellen. Sie stehen immer senkrecht auf <strong>der</strong> geladenen<br />
Oberfläche <strong>und</strong> berühren o<strong>der</strong> schneiden sich nie.<br />
Positive Ladungen q + sind<br />
Quellen des elektrischen Feldes<br />
E; die Feldlinien starten auf<br />
positiven Ladungen <strong>und</strong> zeigen<br />
radial von ihnen weg.<br />
Negative Ladungen q - sind<br />
Senken des elektrischen Feldes<br />
E; die Feldlinien enden radial auf<br />
negativen Ladungen.<br />
Quelle: Demtrö<strong>der</strong> 2 Abb. 1.8a,b<br />
S. 6<br />
Feldlinien stehen senkrecht auf<br />
Leitern. Verlaufen die Feldlinien<br />
gleichmäßig verteilt parallel<br />
zueinan<strong>der</strong>, wird von einem<br />
homogenen Feld gesprochen.<br />
Quelle: Staudt 2 Abb. 6.9 S.19<br />
Die gestrichelten Linien deuten sog. Äquipotenziallinien (2D) bzw. Äquipotenzialflächen (3D) an. Auf<br />
ihnen ist die Feldliniendichte jeweils gleich. Bewegt man sich auf diesen Linien bzw. Flächen, so muss<br />
dafür keine Kraft aufgewendet werden.<br />
Feldlinienverlauf zwischen zwei ungleichnamigen <strong>und</strong> zwei gleichnamigen Ladungen bzw. zwei<br />
ungleichnamigen Ladungen unterschiedlicher Ladungsstärke.<br />
Quelle: Staudt 2 Abb. 6.8, S.18; Tipler Abb. 19.8 S. 655<br />
E1.5 Feldlinien Grieß auf<br />
Öl: Punktladungen<br />
(Ursache für Ausrichtung<br />
des Grießes? Siehe<br />
Dipoleigenschaften)
E1.12 Faraday Käfig<br />
14 Experimentalphysik 1 für Biologen & Chemiker<br />
Sind mehrere Punktladungen vorhanden, so lassen sich die auf sie wirkenden<br />
Kräfte F = q · E vektoriell addieren.<br />
Weitere Eigenschaften von Ladungen <strong>und</strong> <strong>der</strong> durch sie verursachten E-Fel<strong>der</strong>:<br />
• Im Inneren eines Leiters befinden sich keine Nettoladungen, lediglich in<br />
einer dünnen Schicht auf <strong>der</strong> Leiteroberfläche. Daher ist im Inneren von<br />
Leitern das E-Feld Null.<br />
• Auf <strong>der</strong> Innenfläche eines Leiterhohlraumes befinden sich keine<br />
Ladungen (trotzdem es dort auch eine Oberfläche gibt). Daher ist in<br />
einem Leiterhohlraum das elektrische Feld Null: Faraday’scher Käfig.<br />
(Michael Faraday, 1791-1867)<br />
Feldfrei im<br />
Innern!<br />
Frage: Warum sind Sie im<br />
Inneren eines Fahrzeugs vor<br />
Blitzschlag geschützt? Muss die<br />
Karosserie aus Metall sein o<strong>der</strong><br />
wären Sie auch in einer<br />
Kunststoffkarosserie geschützt?<br />
Liegen die Punktladungen sehr dicht, so liegt eine quasi kontinuierliche<br />
Ladungsverteilung mit einer räumlich ausgedehnten Ladungsdichte vor. Diese<br />
Ladungsverteilung im Volumen V, die sog. Raumladungsdichte ρ, ist definiert<br />
als Gesamtladung Q pro Volumen:<br />
Q<br />
ρ = .<br />
V<br />
Entsprechend kann eine Flächenladungsdichte σ als Gesamtladung Q (= Zahl<br />
<strong>der</strong> Einzelladungen q) pro Fläche A:<br />
Q<br />
σ = .<br />
A<br />
Elektrostatik in Natur <strong>und</strong> Technik – Beispiele: elektrisches Feld <strong>der</strong> Erde (im<br />
zeitlichen Mittel trägt die Erde eine negative Ladung von Q = -6·10 5 C); Gewitter,<br />
elektrostatische Staubfilter, elektrostat. Farbbeschichtungen, elektrostat.<br />
Laserdrucker <strong>und</strong> Kopierer.<br />
5.1.3 Elektrischer (Kraft-)Fluss<br />
Die Feldliniendichte wird definiert durch die Zahl <strong>der</strong><br />
Feldlinien, die eine ebene Fläche senkrecht durchstoßen,<br />
dividiert durch die Größe <strong>der</strong> Fläche (Normierung).<br />
Zahl <strong>der</strong> Feldliniendurch A⊥<br />
E<br />
E ∝ Feldliniendichte =<br />
A<br />
Es zeigt sich, dass die Feldliniendichte in Gebieten groß<br />
ist, in denen auch <strong>der</strong> Betrag <strong>der</strong> elektrischen Feldstärke,<br />
|E|, groß ist. Damit ist die Feldliniendichte ein Maß für den<br />
Betrag <strong>der</strong> Feldstärke in einem bestimmten Gebiet.
<strong>Elektrodynamik</strong> 15<br />
Man beobachtet, dass die Feldliniendichte an Leiterspitzen beson<strong>der</strong>s hoch ist<br />
<strong>und</strong> damit auch die Feldstärke E.<br />
Der Begriff „Fluss“ ist allgemein als Skalarprodukt einer Fläche mit einem die<br />
Fläche durchdringenden Feld definiert:<br />
„Fluss“ = Fläche(nvektor) · Feldvektor<br />
Der Begriff „Fluss“ ist insofern etwas irreführend, da er keinen Teilchenfluss<br />
beschreibt, son<strong>der</strong>n lediglich die Zahl <strong>der</strong> Feldlinien, die durch eine Fläche treten.<br />
Da an einem Skalarprodukt immer zwei Vektoren<br />
beteiligt sein müssen, die Fläche A allerdings an<br />
sich kein Vektor ist, wird ein sog. Flächenvektor A<br />
definiert als Produkt aus ebener Fläche A <strong>und</strong><br />
Normaleneinheitsvektor ˆn , <strong>der</strong> senkrecht auf <strong>der</strong><br />
Fläche A steht <strong>und</strong> den Betrag 1 hat:<br />
A= A ⋅n.<br />
ˆ<br />
Damit lässt sich <strong>der</strong> sog. elektrische Fluss Φel als<br />
Skalarprodukt aus elektrischem Feld E <strong>und</strong><br />
Flächenvektor A für die ebene Fläche A definieren:<br />
Φel = E · A = |E| · |A| · cos ∠(E, A).<br />
Quelle: Tipler, Abb. 19.11, S.656<br />
Allgemein gilt für ein infinitesimal kleines Flächenelement dA (das damit eben<br />
sein kann, selbst wenn die Gesamtoberfläche nicht eben ist):<br />
dΦel = E · dA<br />
o<strong>der</strong> eine beliebig geformte, d.h. nicht mehr notwendigerweise ebene Oberfläche<br />
aus vielen kleinen Flächenelementen dA:<br />
Φ = E ⋅dA.<br />
el<br />
∫<br />
A<br />
E1.5 Feldlinien Grieß auf<br />
Öl: Punktladungen<br />
(Ursache für Ausrichtung<br />
des Grießes? Siehe<br />
Dipoleigenschaften)<br />
E1.29 Elektrische Mühle
16 Experimentalphysik 1 für Biologen & Chemiker<br />
V03 Gauß, Spannung, Kondensator<br />
Wie<strong>der</strong>holung<br />
• Wir haben das elektrische Feld E als Quotienten aus Coulombkraft Fc <strong>und</strong><br />
Ladungsmenge q kennen gelernt. Das elektrische Feld ist eine<br />
Vektorgröße, die immer radial von positiven Ladungen ausgeht <strong>und</strong><br />
senkrecht auf negativen Ladungen endet. Daher heißen positive<br />
Ladungen auch Quellen des elektrischen Feldes <strong>und</strong> negative Ladungen<br />
Senken des Elektrischen Feldes.<br />
• In <strong>der</strong> Elektrostatik gibt es keine geschlossenen elektrischen Feldlinien<br />
(wohl aber in <strong>der</strong> <strong>Elektrodynamik</strong>; kommt später). Zudem berühren o<strong>der</strong><br />
überkreuzen sich die von einzelnen (positiven) Ladungen ausgehenden<br />
Feldlinien nie.<br />
• Elektrische Fel<strong>der</strong> sind an Leiterspitzen immer beson<strong>der</strong>s hoch.<br />
• Ladungen sammeln sich immer an <strong>der</strong> äußeren Oberfläche von<br />
elektrischen Leitern (wie z.B. Metallen). Das Innere, auch Hohlräume o<strong>der</strong><br />
Oberflächen in geschlossenen Hohlräumen metallischer Leiter sind immer<br />
feldfrei (Faraday Käfig).<br />
• Wir haben die Raumladungsdichte <strong>und</strong> die Flächenladungsdichte als<br />
Quotient aus Ladungsmenge pro Volumen bzw. pro Fläche kennen<br />
gelernt.<br />
• Und schließlich haben wir den elektrischen Fluss (groß Phi) besprochen<br />
als Skalarprodukt aus elektrischem Feld <strong>und</strong> einem sog. Flächenvektor.<br />
Der el. Fluss ist letztlich ein Maß für die Zahl <strong>der</strong> elektrischen Feldlinien,<br />
die durch eine Fläche A durchtreten.<br />
5.1.4 Gauß’scher Satz<br />
Wird eine geschlossene Kugeloberfläche A = 4·π·r 2 betrachtet, die sich aus<br />
infinitesimal kleinen Flächenelementen dA zusammensetzen lässt, <strong>und</strong> die eine<br />
Gesamtladungsmenge Q konzentrisch umhüllt, dann ergibt sich mit <strong>der</strong><br />
Gleichung für E für den elektrischen Fluss 4 :<br />
1 Q Q<br />
Φ el = E⋅ A= ⋅ ⋅r ⋅ ⋅ ⋅ ⋅n=<br />
,<br />
4 ⋅π ⋅ε<br />
ε<br />
2 ˆ 4 π r ˆ<br />
2<br />
0 r<br />
0<br />
wegen rˆ⋅n=r ˆ ˆ ⋅ nˆ ⋅ cos(0 ° ) = 1, weil rˆ� nˆ.<br />
Dies ist <strong>der</strong> Gauß’sche Satz, <strong>der</strong> allgemein über das geschlossene<br />
(Kreis-) Integral des elektrischen Feldes E über alle infinitesimal kleinen<br />
Flächenvektoren dA formuliert wird (da alle Flächenelemente zusammengesetzt<br />
die geschlossene Oberfläche, z.B. die oben diskutierte Kugelfläche, ergeben):<br />
Q<br />
Φ el = � E⋅ dA=<br />
,<br />
ε<br />
∫ A<br />
4 Ein ‚Fluss’ ist ganz allgemein als Skalarprodukt einer Fläche mit einem die Fläche<br />
durchdringenden Feld definiert.<br />
0
<strong>Elektrodynamik</strong> 17<br />
Der Gauß’sche Satz besagt, dass<br />
<strong>der</strong> elektrische Fluss durch eine<br />
geschlossene Fläche gleich <strong>der</strong><br />
darin enthaltenen Ladung ist.<br />
Der Gauss’sche Satz ist eine<br />
allgemeine Formel zur Berechnung<br />
elektrischer Fel<strong>der</strong>. (Das<br />
Coulomb’sche Gesetzte kann als ein<br />
Spezialfall des Gauß’schen Satzes<br />
betrachtet werden.) Er gilt allgemein<br />
für geschlossene Flächen beliebiger<br />
Form (also nicht nur für Kugeln) um<br />
eine Ladungsmenge Q = n·q. D.h.<br />
Der elektrische Fluss durch eine geschlossene Oberfläche hängt we<strong>der</strong> von <strong>der</strong><br />
Form <strong>der</strong> Oberfläche noch von <strong>der</strong> Ladungsverteilung, d.h. <strong>der</strong><br />
Raumladungsdichte ρ ab, son<strong>der</strong>n einzig von <strong>der</strong> Gesamtladung Q innerhalb <strong>der</strong><br />
(umhüllenden geschlossenen Ober-) Fläche.<br />
Ist dieses Integral ungleich Null, dann befinden sich im umschlossenen Volumen<br />
Quellen (Φel > 0) o<strong>der</strong> Senken (Φel < 0) <strong>der</strong> Feldlinien, also positive o<strong>der</strong> negative<br />
Ladungen. Ist das Integral gleich Null, dann treten ebenso viele Feldlinien in die<br />
Fläche ein wie aus ihr heraus.<br />
5.1.5 Elektrostatisches Potenzial <strong>und</strong> elektrische Spannung<br />
Zur Erinnerung aus <strong>der</strong> Mechanik:<br />
(1) Kräfte o<strong>der</strong> Kraftfel<strong>der</strong>, <strong>der</strong>en geschlossenes Wegintegral (d.h. die Arbeit) Null<br />
ist, hatten wir in <strong>der</strong> Mechanik ‚konservativ’ genannt. (Nicht-konservative Kräfte<br />
waren z.B. Reibungskräfte).<br />
W = ∫� Fds = 0<br />
(2) Die potenzielle Energie hatten wir als die sog. Lageenergie kennen gelernt.<br />
Wird ein Gegenstand <strong>der</strong> Masse m um die Höhe Δh angehoben, so geht die an<br />
<strong>der</strong> Masse gegen die Schwerkraft FG geleistete Arbeit W in potenzielle Energie<br />
Epot über, d.h. die potenzielle Energie än<strong>der</strong>t sich um den Betrag<br />
ΔEpot = m·g·Δh.<br />
Wird <strong>der</strong> Gegenstand anschließend wie<strong>der</strong> fallen gelassen, dann leistet die<br />
Gravitationskraft FG über die Fallhöhe Δh die Beschleunigungsarbeit<br />
W = FG ·Δh = -ΔEpot = -m·g·Δh,<br />
die zu einer Verringerung <strong>der</strong> potenziellen Energie führt.<br />
Allgemein hatten wir die durch eine Kraft F verursachte Verschiebung eines<br />
Gegenstands um eine infinitesimal kleine Strecke ds über<br />
zum Ausdruck gebracht.<br />
dE(pot) = -F·ds<br />
Das Gleiche gilt für die Energien in elektrostatischen Fel<strong>der</strong>n. Die Kraft F, die ein<br />
elektrisches Feld E auf eine Punktladung q (auch Probeladung genannt) ausübt,<br />
ist<br />
F = q ⋅E<br />
.
Zeichnung!<br />
18 Experimentalphysik 1 für Biologen & Chemiker<br />
Wird solch eine Probeladung in einem elektrischen Feld E um ds verschoben, so<br />
gilt für die Än<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> elektrostatischen potenziellen Energie:<br />
dEpot = -F·ds = -q·E·ds.<br />
Die Än<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> potenziellen Energie dEpot pro Ladungseinheit q wird definiert<br />
als Potenzialdifferenz dϕ (phi):<br />
dEpot<br />
dϕ : = =−E⋅ds q<br />
Die Potenzialdifferenz zwischen zwei Punkten P1 <strong>und</strong> P2 wird auch Spannung U<br />
genannt:<br />
ϕ ϕ ϕ Δ<br />
= − =Δ = =−∫⋅ 2 Epot<br />
U 2 1<br />
E ds<br />
q<br />
In Worten: Die Spannung ist die Differenz <strong>der</strong> beiden potenziellen Energien einer<br />
Ladung q an zwei verschiedenen Orten 1 <strong>und</strong> 2 im Abstand s12, geteilt durch die<br />
Ladung selbst. Damit entspricht U <strong>der</strong> Energie (z.B. in Form von Verschiebe-<br />
Arbeit), die beim Verschieben <strong>der</strong> Ladung vom Ausgangspunkt an den Endpunkt<br />
geleistet werden muss bzw. frei wird (je nachdem, an welchem Ort Epot größer<br />
ist), geteilt durch die Ladung selbst.<br />
Die Spannung U wird also erhöht (erniedrigt), wenn eine positive (negative)<br />
Ladung q entgegengesetzt zu den elektrischen Feldlinien transportiert wird.<br />
Elektrische Feldlinien zeigen also in Richtung abnehmenden elektrischen<br />
Potenzials.<br />
Eine positiv geladene Elektrode wird Anode (+) genannt, eine negativ geladene<br />
Elektrode heißt Kathode (-).<br />
Bisher haben wir nur von <strong>der</strong> Potenzialdifferenz gesprochen, <strong>der</strong> Differenz<br />
zwischen zwei Potenzialen. Was ist aber das Potenzial an sich? Es ist<br />
mathematisch gesehen einfach das Integral <strong>der</strong> Potenzialdifferenz mit dem Trick,<br />
den Punkt P1 ins Unendliche zu verlegen. Da die Wechselwirkungskraft F<br />
zwischen zwei Ladungen (Coulombkraft) gegen Null geht, wenn sich die beiden<br />
Ladungen unendlich weit voneinan<strong>der</strong> entfernen, geht auch die potenzielle<br />
Energie Epot gegen Null, Epot(∞) = 0. Wird also eine Ladung aus dem Unendlichen<br />
an den Ort P2 = r gebracht, gilt:<br />
r r r<br />
F 1 1 E W<br />
ϕ =−∫E ⋅ ds =−∫ ⋅ ds =− ⋅ ⋅ d =− ⋅ E =− =<br />
q q ∫F<br />
s<br />
q q q<br />
∞ ∞ ∞<br />
1<br />
r<br />
pot<br />
∞<br />
pot, r ∞→r<br />
Das Potenzial ϕ ist also die Arbeit, die aufgebracht werden muss, um eine<br />
Ladung q aus dem Unendlichen an den Punkt r zu bringen, dividiert durch den<br />
Betrag <strong>der</strong> Ladung q.
<strong>Elektrodynamik</strong> 19<br />
Gebiete, in denen sich das Potenzial nicht<br />
än<strong>der</strong>t, d.h. in denen dϕ = 0 ist, heißen<br />
Aquipotenziallinien (2D) o<strong>der</strong><br />
Äquipotenzialflächen (3D). Diese<br />
Äquipotenziallinien/flächen stehen senkrecht<br />
auf den E-Feldlinien, denn nur eine Bewegung<br />
ds ⊥ E führt zu<br />
dϕ =−E⋅ds =− E ⋅ ds ⋅cos(<br />
∡Eds<br />
, )<br />
=− E ⋅ ds ⋅ cos(90 ° )<br />
= 0.<br />
(Äquipotenziallinien sind vergleichbar mit Höhenlinien in einer topographischen<br />
Landkarte. Wenn Sie entlang einer Höhenlinie wan<strong>der</strong>n, müssen Sie we<strong>der</strong><br />
bergauf noch bergab laufen. Damit än<strong>der</strong>t also sich Ihre potenzielle Energie<br />
nicht; Sie verrichten also keine ‚Höhenarbeit’.)<br />
Die Einheit für die Spannung ist (potenzielle) Energie (Joule) pro Ladung<br />
(Coulomb). Dieser Quotient hat die Bezeichnung Volt (V) erhalten:<br />
J kg⋅m U = 1V = 1Volt = 1 = 1 3<br />
C A⋅s [ ]<br />
2<br />
(Allessandro Volta, 1745-1827)<br />
Einschub: Die Definition lässt sich über folgende Analogie aus <strong>der</strong> Mechanik<br />
veranschaulichen: Wasser in einem Wasserturm hat eine umso höhere<br />
potenzielle Energie (Lageenergie), je höher <strong>der</strong> Wasserturm ist. Daher fließt auch<br />
das Wasser aus einer Röhre am Fuße des Wasserturms umso schneller (hat<br />
also eine höhere kinetische Energie), je höher <strong>der</strong> Wasserturm ist. Aus dem<br />
gleichen Gr<strong>und</strong> ist auch <strong>der</strong> Wasserdruck am Fuße des Turms umso höher, je<br />
höher <strong>der</strong> Wasserturm ist. Ebenso verhält es sich mit <strong>der</strong> Spannung, die umso<br />
größer ist, je höher die potenzielle Energie <strong>der</strong> Ladung ist.<br />
Umgekehrt kann aus <strong>der</strong> Definition für die Spannung gefolgert werden, dass eine<br />
Ladung, die eine Potenzialdifferenz U durchläuft, eine Än<strong>der</strong>ung ihrer<br />
(potenziellen) Energie erfährt:<br />
Δ E = q⋅ U<br />
( pot )<br />
Man definiert eine neue Energieeinheit, das Elektronenvolt (eV), als die<br />
(kinetische) Energie, die ein Elektron gewinnt, wenn es eine Spannung von<br />
U = 1 V durchfällt 5 :<br />
1 eV = 1,602·10 -19 C · 1 V = 1,602·10 -19 J (Joule)<br />
5 Der Begriff „durchfallen“ kann durchaus wörtlich genommen werden. So wie eine Masse aufgr<strong>und</strong><br />
<strong>der</strong> Gravitationskraft im Schwerefeld <strong>der</strong> Erde die Höhendifferenz Δh entlang <strong>der</strong> Kraftfeldlinien<br />
„durchfällt“, d.h. auf die Erde „fällt“, so fällt z.B. eine negative Ladung antiparallel zu den<br />
elektrischen Feldlinien auf eine positive Ladung zu. Zuvor mussten natürlich die beiden Ladungen<br />
erst einmal voneinan<strong>der</strong> getrennt werden. Dazu musste eine Arbeit verrichtet werden, um die neg.<br />
Ladung von <strong>der</strong> positiven zu entfernen <strong>und</strong> an einen Punkt „P“ zu bringen. Diese Arbeit wurde als<br />
potenzielle Energie ΔEpot (in <strong>der</strong> Ladung) gespeichert <strong>und</strong> führte zur Ausbildung <strong>der</strong> Spannung U<br />
(einer Potenzialdifferenz). Wird die negative Ladung am Ort „P“ nun losgelassen, wird sie sich<br />
natürlich wie<strong>der</strong> mit <strong>der</strong> positiven Ladung neutralisieren wollen. D.h. sie wird auf die positive<br />
Ladung „zufallen“, was nichts an<strong>der</strong>es heißt, als dass sie sich auf die positive Ladung zubewegt.<br />
Die dabei zurückgelegte „Distanz“ dieser Bewegung wird über die Angabe <strong>der</strong> Spannung zum<br />
Ausdruck gebracht, weil kein besseres Maß zur Verfügung steht.
E. 1.7 Ladungstransport<br />
van de Graaff<br />
(Beim letzten Mal<br />
umständlicher manueller<br />
Ladungstransport über<br />
Kugeln.)<br />
20 Experimentalphysik 1 für Biologen & Chemiker<br />
5.1.6 Erzeugung von hohen Spannungen durch Ladungstransport im van<br />
de Graaff Generator<br />
Die Eigenschaft von Leitern, Ladungen an ihren äußeren Oberflächen zu<br />
sammeln, lässt sich zur Erzeugung hoher elektrischer Fel<strong>der</strong> durch<br />
Ladungstransport ausnutzen.<br />
Van de Graaff Generator (Robert<br />
Jemison van de Graaff, 1901-1967):<br />
Über scharfe Leiterspitzen (hohe<br />
Feldstärke!) werden (entwe<strong>der</strong><br />
positive o<strong>der</strong> negative) Ladungen auf<br />
ein Band aus isolierendem Material<br />
aufgesprüht <strong>und</strong> ins Innere einer<br />
leitenden Kugel transportiert. Dort<br />
werden sie über einen Leiterkamm<br />
wie<strong>der</strong> eingesammelt <strong>und</strong> auf das<br />
Innere <strong>der</strong> Leiterkugel geleitet.<br />
(Umgekehrt lassen sich auch<br />
Ladungen über den Kamm von <strong>der</strong><br />
Oberfläche abziehen/abrechen.)<br />
Aufgr<strong>und</strong> <strong>der</strong> Influenz werden diese<br />
Ladungen sofort auf die Außenfläche<br />
<strong>der</strong> Kugel gedrängt, so dass das<br />
Innere immer feldfrei bleibt. An Luft<br />
lassen sich Spannungen von über<br />
10 5 V erreichen; darüber kommt es<br />
zum ‚Durchschlag’, d.h. zur<br />
Blitzentladung. An Luft beträgt die<br />
kritische Durchbruchfeldstärke<br />
Ekrit ~ 2·10 6 V·m -1 .<br />
Positives Aufladen einer leitenden Kugeloberfläche<br />
durch „Abziehen“ von Elektronen. Quelle: Demtrö<strong>der</strong><br />
2 Abb. 1.31, S. 19<br />
Anwendung zur Luftionisation in elektrostatischen Staub- bzw. Rußfiltern:<br />
Beim Elektrofilter werden durch eine raumbegrenzte Gasentladung freie Ladungsträger in Form von<br />
Stickstoffionen in die Filtergasse eingebracht. Diese laden die Ruß- o<strong>der</strong> Staubpartikeln statisch auf. Das<br />
zur Ladungsträgererzeugung dienende elektrische Feld treibt die geladenen Teilchen dann von <strong>der</strong> als<br />
Kathode wirkenden Sprühelektrode weg. Die Partikel lagern sich schließlich auf <strong>der</strong> als<br />
Nie<strong>der</strong>schlagselektrode (auch: Abscheideelektrode) bezeichneten Anode an <strong>und</strong> bleiben aufgr<strong>und</strong> ihrer<br />
Ladung dort haften. Sie können mechanisch durch Klopfen entfernt werden.<br />
The most basic precipitator contains a row of thin wires, and followed by a stack of large flat metal plates,<br />
with the plates typically spaced about 1 cm apart. The air stream flows through the spaces between the<br />
wires, and then passes through the stack of plates. A negative voltage of several thousand volts is applied<br />
between wire and plate. If the applied voltage is high enough an electric discharge ionizes the air aro<strong>und</strong><br />
the electrodes. Negative ions flow to the plates and charge the gas-flow particles. The ionized particles,<br />
following the negative electric field created by the power supply, move to the gro<strong>und</strong>ed plates. Particles<br />
build up on the collection plates and form a layer. The layer does not collapse, thanks to electrostatic
<strong>Elektrodynamik</strong> 21<br />
pressure (given from layer resistivity, electric field, and current flowing in the collected layer).<br />
Quellen: Wikipedia: „Electrostatic precipitator“ bzw. Elektrofilter; Bloomfield: How things work, S. 265.<br />
5.1.7 Erzeugung von hohen Spannungen im Tierreich<br />
Wie ist es einem elektrischen Fisch möglich, Spannungen von mehreren h<strong>und</strong>ert<br />
Volt zu erzeugen, da biologische Spannungen über Nervenzellmembranen doch<br />
höchstens ca. 100 mV betragen können?<br />
Der Zitteraal verfügt über sog. “Elektroplax”-<br />
Zellen, Nervenzellen, die nur einseitig<br />
innerviert sind. Bei Erregung lässt sich damit<br />
nur eine Seite <strong>der</strong> Zelle umpolen<br />
(depolarisieren). Im Ruhefall sind diese<br />
Zellen innen negativ geladen<br />
(URuhe = -90 mV). Regt sich <strong>der</strong> Zitteraal auf,<br />
polt sich die eine Seite auf<br />
UErregung = +40 mV) um. Dann herrscht über<br />
<strong>der</strong> Zelle zwischen den beiden<br />
ungleichnamig geladenen Seiten eine<br />
Spannung von 130 mV. Da mehrere tausend<br />
dieser Zellen wie Knopfzellbatterien<br />
übereinan<strong>der</strong> gestapelt sind, können<br />
Spannungen von mehreren h<strong>und</strong>ert Volt<br />
erzeugt werden. (Der Strom ist allerdings<br />
vergleichsweise gering (Kapitel 5.2).)<br />
5.1.8 Influenz in Leitern im elektrischen Feld<br />
Wir hatten schon festgestellt, dass das<br />
Innere eines Leiters feldfrei ist <strong>und</strong> sich alle<br />
Ladungen and <strong>der</strong> äußeren<br />
Leiteroberfläche sammeln. Dasselbe gilt,<br />
wenn ein Leiter in ein äußeres elektrisches<br />
Feld gebracht wird. Dann wirkt auf die<br />
Ladungen q so lange eine Kraft F = q·E, die<br />
die Ladungen verschiebt, bis durch die<br />
Verschiebung ein Gegenfeld aufgebaut ist,<br />
das das äußere Feld gerade kompensiert.<br />
Diese Ladungsverschiebung hatten wir als<br />
Influenz kennen gelernt. Das Innere von<br />
Leitern ist daher selbst im äußeren<br />
elektrischen Feld nach wie vor feldfrei; die<br />
Ladungen sitzen an <strong>der</strong> Oberfläche des<br />
Leiters.<br />
Quelle: Rawn, Biochemistry, Fig. 32-11, S.<br />
1058<br />
Quelle: Demtrö<strong>der</strong> 2 Abb. 1.27a, S.17
E1.35 Aufladung einer<br />
geerdeten<br />
Kondensatorplatte durch<br />
Influenz<br />
22 Experimentalphysik 1 für Biologen & Chemiker<br />
5.1.9 Kondensatoren <strong>und</strong> Kapazität<br />
Eine Anordnung aus zwei entgegengesetzt geladenen Leiterflächen wird<br />
Kondensator genannt. Wird auf eine <strong>der</strong> beiden Flächen die Ladung +Q<br />
aufgebracht, wird es auf <strong>der</strong> zweiten, ursprünglich ungeladenen Leiterfläche<br />
durch Influenz zu einer Ladungstrennung kommen (mittleres Bild). Wird diese<br />
zweite Leiterplatte ‚geerdet’, fließen die Ladungen +Q von dieser ab; sie behält<br />
lediglich die negativen Ladungen –Q (rechtes Bild).<br />
Das elektrische Feld E zwischen den Leiterplatten ist proportional zur Ladung Q<br />
(s. Definition des elektrischen Flusses weiter oben):<br />
Q<br />
E =<br />
ε ⋅ A .<br />
Die Spannung U, die durch die Ladungstrennung über die Distanz d erzeugt<br />
wurde, ist<br />
d<br />
∫<br />
U = E⋅ ds = E⋅d .<br />
0<br />
Einsetzen <strong>der</strong> ersten Gleichung in die zweite Gleichung ergibt für die Beziehung<br />
zwischen <strong>der</strong> Spannung U <strong>und</strong> <strong>der</strong> Ladungsmenge Q:<br />
o<strong>der</strong><br />
o<br />
ε ⋅ A<br />
d<br />
o Q = ⋅U<br />
Q = C⋅ U<br />
(o<strong>der</strong> besser zu merken: Q = U ⋅ C (QUC wie „Kuss“; umgekehrt geht’s auch <strong>und</strong><br />
ist fast realistischer: CUQ wie „Zuck“)<br />
mit <strong>der</strong> Kapazität C eines Plattenkondensators im Vakuum o<strong>der</strong> an Luft:<br />
o A ε ⋅<br />
C = .<br />
d<br />
Allgemein ist die Kapazität C damit definiert als<br />
: Q<br />
C = .<br />
U
<strong>Elektrodynamik</strong> 23<br />
D.h. die Kapazität eines Plattenkondensators, d.h. seine Fähigkeit, Ladungen zu<br />
sammeln, ist umso größer, je größer die Plattenoberflächen A sind <strong>und</strong> je kleiner<br />
ihr Abstand d zueinan<strong>der</strong> ist, bzw. allgemein je größer die auf den<br />
Kondensatorplatten gesammelte Ladung Q pro angelegter Spannung U zwischen<br />
den Kondensatorplatten ist.<br />
Die Ladungsmenge Q nimmt also<br />
zu.<br />
• mit zunehmen<strong>der</strong> geometrischer (Abmessungen) o<strong>der</strong> realer (z.B. durch<br />
Oberflächenrauhigkeit zusätzlich erzeugter) Fläche <strong>der</strong> Platten,<br />
• mit abnehmendem Abstand zwischen den Platten, <strong>und</strong><br />
• mit zunehmen<strong>der</strong> angelegter Spannung U<br />
Die Einheit <strong>der</strong> Kapazität ist<br />
C<br />
C = = F = Farad (Michael Faraday, 1791-1867)<br />
V<br />
[ ] 1 1 1<br />
Im Plattenkondensator mit zwei parallelen Kondensatorplatten im Abstand d<br />
zueinan<strong>der</strong> gilt also für den Betrag des durch die Spannung U erzeugten<br />
elektrischen Feldes E:<br />
U ⎛ Q ⎞<br />
E =<br />
d<br />
⎜= C⋅d ⎟<br />
⎝ ⎠ .<br />
Ein Touchpad ist eine berührungsempfindliche Fläche, die in Notebooks meistens unterhalb <strong>der</strong> Tastatur<br />
eingebaut ist. Es gibt unterschiedliche Prinzipien für dessen Funktionsweise; mo<strong>der</strong>ne Touchpads<br />
verwenden die elektrische Kapazität, um die Position des Fingers auf <strong>der</strong> Oberfläche des Pads zu<br />
ermitteln <strong>und</strong> somit den Ort des Cursors auf dem Bildschirm (Desktop) zu bestimmen. Dies kann durch<br />
verschiedene Bauweisen geschehen. Üblicherweise besteht die Oberfläche aus einer Anordnung von<br />
vertikalen <strong>und</strong> horizontalen Elektroden, die ein Gitter bilden. Dieses Gitter ist mit einer isolierenden<br />
Schutzschicht überzogen die dafür sorgt das man die Elektroden nicht berührt <strong>und</strong> <strong>der</strong> Finger gut über die<br />
Oberfläche gleitet. Unterhalb dieses Gitters sitzt ein Schaltkreis <strong>der</strong> ständig die Kapazität zwischen den<br />
Elektroden misst. Kommt man nun mit dem Finger, <strong>der</strong> ebenfalls eine Art Elektrode ist, in die Nähe dieser<br />
Anordnung, wird das Elektrische Feld (Elektrostatik) <strong>und</strong> dadurch auch die Kapazität zwischen den<br />
Elektroden verän<strong>der</strong>t, diese Än<strong>der</strong>ung wird von dem Schaltkreis ausgewertet <strong>und</strong> als Cursorposition an<br />
den Computer weitergeleitet. Dies erklärt auch warum man auf den Mauszeiger nur mit dem Finger<br />
Einfluss nehmen kann, nicht jedoch mit dicken Handschuhen o<strong>der</strong> Stiften <strong>und</strong> weshalb die Stärke des<br />
ausgeübten Druckes nicht einflussnehmend auf den Cursor ist. Quelle: Wikipedia<br />
Die Arbeit (Energie), die aufgebracht werden muss, um einen anfänglich<br />
ungeladenen Kondensator aufzuladen, d.h. um so viele Ladungen Q von einer<br />
E1.23 Kondensator, d-<br />
Abhängigkeit: Messung<br />
<strong>der</strong> Ladungsmenge auf<br />
Kondensatorplatten
24 Experimentalphysik 1 für Biologen & Chemiker<br />
auf die an<strong>der</strong>e Platte zu transportieren, bis eine gewisse Spannung U zwischen<br />
den Platten erzeugt wurde, beträgt:<br />
Q<br />
wegen Epot = U⋅ q <strong>und</strong> U = .<br />
C<br />
Q Q<br />
q Q<br />
W = dW = ⋅ dq = ⋅ = ⋅C⋅U 2<br />
1 1 2<br />
∫ ∫ ,<br />
0 0C<br />
2 C 2<br />
Diese zum Laden des Kondensators aufzuwendende Arbeit entspricht also <strong>der</strong> in<br />
diesem Kondensator gespeicherten Energie.<br />
Die von diesem Kondensator lieferbare (schon aus <strong>der</strong> Mechanik bekannte)<br />
Leistung (P = Arbeit pro Zeit) entspricht also<br />
W C⋅U P = =<br />
t 2 ⋅ t<br />
Beispiel: Bei <strong>der</strong> Elektroschocktherapie werden kurzzeitig (ca. 2 ms) hohe<br />
Spannungspulse (U = 5000 V) benötigt, um einen Patienten wie<strong>der</strong>zubeleben.<br />
Um solch ein Wie<strong>der</strong>belebungsgerät auch in einem Krankenwagen mit einem<br />
Nie<strong>der</strong>volt-Stromnetz (12 V) betreiben zu können, bedient man sich des Tricks,<br />
Kondensatoren mit einer hohen Kapazität (ca. 70 µF) langsam aufzuladen. Die in<br />
den Kondensatoren aufgr<strong>und</strong> <strong>der</strong> Ladungstrennung gespeicherte Energie kann<br />
auf Knopfdruck kurzfristig frei gegeben werden. Dazu werden zwei flexible<br />
Elektroden auf die Brust des Patienten gepresst, zwischen denen sich <strong>der</strong><br />
Kondensator entladen kann. In einem auf 5000 V aufgeladenen Kondensator mit<br />
einer Kapazität von 70 µF wäre also eine elektrische Energie von 875 J<br />
gespeichert. Wird sie in 2 Millisek<strong>und</strong>en freigesetzt, so beträgt die elektrische<br />
Leistung 100 kW, die die maximale Leistung <strong>der</strong> Autobatterie bei weitem<br />
übersteigt. Auch bei <strong>der</strong> Blitz- <strong>und</strong> Stroboskopfotografie kommt die gleiche<br />
Technik zur Anwendung. (Überprüfen Sie die Rechnung, indem Sie die Werte in<br />
die obigen beiden Gleichungen einsetzen.)<br />
2<br />
.
<strong>Elektrodynamik</strong> 25<br />
V04 Verschaltung von Kondensatoren, Dielektrika, Dipol<br />
Wie<strong>der</strong>holung<br />
• Wir haben den Gauß’schen Satz kennen gelernt, <strong>der</strong> eine Aussage über<br />
den elektrischen Fluss durch eine geschlossene Oberfläche um eine darin<br />
eingeschlossene Ladung macht. Das Skalarprodukt aus Feldstärkevektor<br />
E <strong>und</strong> Flächenvektor A ist nichts an<strong>der</strong>es als <strong>der</strong> Quotient aus Ladung Q<br />
<strong>und</strong> Influenzkonstante ε0.<br />
• Als elektrische Spannung U hatten wir die Differenz zwischen zwei<br />
Potenzialen ϕ kennen gelernt, die <strong>der</strong> Quotient aus Energiedifferenz E<br />
<strong>und</strong> Ladung q ist: U = Energie ΔE / Ladung q. Wir hatten die Differenz <strong>der</strong><br />
potenziellen Energie Epot betrachtet. Da sich allerdings Energien<br />
ineinan<strong>der</strong> überführen lassen <strong>und</strong> alle Energien über den<br />
Energieerhaltungssatz in Verbindung stehen, kann jede an<strong>der</strong>e Form <strong>der</strong><br />
Energie betrachtet werden. Außerdem hatten wir eine zweite Beziehung<br />
zwischen <strong>der</strong> Spannung <strong>und</strong> dem elektrischem Feld gef<strong>und</strong>en:<br />
U = Elektrisches Feld E · Abstand d.<br />
• Um einige Situationen in <strong>der</strong> Elektrostatik <strong>und</strong> <strong>der</strong> noch zu<br />
besprechenden <strong>Elektrodynamik</strong> besser beschreiben zu können, hatten wir<br />
eine neue Energieeinheit, das Elektronenvolt (eV) eingeführt: 1 eV<br />
entsprechen einer (recht kleinen) Energiemenge von 1,602·10 -19 Joule.<br />
• Wir hatten gesehen, dass elektrische Fel<strong>der</strong> in Materialien zu<br />
Ladungsverschiebungen führen können; dieses Phänomen wird Influenz<br />
genannt.<br />
• Wir hatten dann den Aufbau von Plattenkondensatoren besprochen, zwei<br />
parallel im Abstand d zueinan<strong>der</strong> angeordneten elektrisch leitenden<br />
Platten. Wird auf eine Platte eine Ladung Q aufgebracht, so induziert das<br />
von ihnen ausgehende elektrische Feld eine Ladungstrennung in <strong>der</strong><br />
gegenüberliegenden Platte.<br />
• Normalerweise wird eine Spannung U an die beiden Platten angelegt. Die<br />
Ladungsmenge Q <strong>und</strong> Spannung U sind über die Kapazität C miteinan<strong>der</strong><br />
verknüpft. Die Kapazität eines Plattenkondensators ist proportional zur<br />
Fläche <strong>der</strong> Kondensatorplatten <strong>und</strong> umgekehrt proportional zu <strong>der</strong>en<br />
Abstand zueinan<strong>der</strong>.<br />
5.1.9.1 Parallelschaltung von Kondensatoren<br />
Werden zwei Kondensatoren <strong>der</strong> Kapazität<br />
C1 <strong>und</strong> C2 parallel an eine<br />
Spannungsquelle angeschlossen, liegt an<br />
beiden die gleiche Spannung U (also<br />
Potenzialdifferenz) an, d.h. U1 = U2 = U.<br />
D.h., sowohl die obere Platte von C1 als<br />
auch die obere Platte von C2 liegen auf<br />
dem Potenzial ϕa, wogegen die unteren<br />
Platten <strong>der</strong> beiden Kondensatoren jeweils<br />
auf gleichem Potenzial ϕb liegen. Damit<br />
sammelt sich auf dem Kondensator C1 die<br />
Ladungsmenge<br />
Q1 = C1·U<br />
an <strong>und</strong> auf dem Kondensator C2 die<br />
Ladungsmenge<br />
In sog. Ersatzschaltkreisen (unteres Bild) wird<br />
ein Kondensator mit <strong>der</strong> Kapazität Ci über zwei<br />
parallele Striche dargestellt. Quelle: Tipler Abb.<br />
21.10 S. 733<br />
E1.6 Ablenkung von<br />
Elektronen im E-Feld
26 Experimentalphysik 1 für Biologen & Chemiker<br />
Q2 = C2·U.<br />
(Beachten Sie, dass die durch die Spannung U erzeugte Ladungsmenge +Qi auf<br />
<strong>der</strong> oberen Platte eines jeden Kondensators i eine gleich große, aber<br />
entgegengesetzte Ladungsmenge –Qi induziert. Dieses Prinzip ist auf beliebig<br />
viele hintereinan<strong>der</strong> geschaltete Kondensatoren anwendbar.)<br />
Damit ergibt sich für die Gesamtladungsmenge Qges auf beiden Kondensatoren<br />
Qges = Q1 + Q2 = C1 · U + C2 · U =(C1 + C2) · U = Cparallel · U<br />
→ Cpar = ∑ Ci<br />
.<br />
i<br />
In Worten: Die Gesamtkapazität Cpar aus i parallel zueinan<strong>der</strong> geschalteten<br />
Kondensatoren ist die Summe <strong>der</strong>er Einzelkapazitäten Ci.<br />
5.1.9.2 Hintereinan<strong>der</strong>schaltung (= Serienschaltung) von Kondensatoren<br />
Bei Hintereinan<strong>der</strong>schaltung von<br />
Kondensatoren mit unterschiedlicher<br />
Kapazität C1 <strong>und</strong> C2 ist die Spannung<br />
über das Gesamtsystem wie<strong>der</strong> U,<br />
d.h. die Differenz zwischen den<br />
beiden Potenzialen ϕa <strong>und</strong> ϕb: U = ϕa -<br />
ϕb.<br />
Allerdings sind die Teilspannungen U1<br />
<strong>und</strong> U2 über den beiden<br />
Kondensatoren nicht mehr identisch,<br />
wohl aber die Ladungsmengen Q1 <strong>und</strong><br />
Q2 (trotz unterschiedlicher Kapazität<br />
<strong>der</strong> beiden Kondensatoren!). Warum?<br />
Quelle: Tipler Abb. 21.12 S. 734<br />
Weil die Ladungsmenge +Q, die durch die Spannung U auf <strong>der</strong> oberen Platte von<br />
Kondensator 1 erzeugt wurde, eine gleich große, aber entgegengesetzte Ladung<br />
–Q auf <strong>der</strong> gegenüberliegenden Platte induziert. Diese Platte steht wie<strong>der</strong>um in<br />
direktem Kontakt mit <strong>der</strong> oberen Kondensatorplatte von Kondensator 2, <strong>und</strong><br />
erzeugt dort, ebenfalls durch Influenz, eine gleich große, aber zur Ladung auf <strong>der</strong><br />
unteren Platte von Kondensator 1 entgegengesetzte Ladungsmenge +Q<br />
(trotzdem die Kapazität C2 des unteren Kondensators nicht gleich <strong>der</strong> Kapazität<br />
C1 des oberen Kondensators ist). Nach demselben Prinzip wird letztlich auf <strong>der</strong><br />
unteren Platte von Kondensator 2 die Ladungsmenge –Q induziert. (Dieses<br />
Prinzip ist auf beliebig viele hintereinan<strong>der</strong> geschaltete Kondensatoren<br />
anwendbar.)<br />
Da also <strong>der</strong> Betrag <strong>der</strong> Ladungsmenge |Q| auf allen Kondensatorplatten gleich<br />
groß ist, gilt für die Spannung am ersten Kondensator:<br />
Für den Kondensator 2 erhalten wir:<br />
Q<br />
U1<br />
= ϕa − ϕc<br />
= .<br />
C<br />
U<br />
2<br />
Q<br />
= ϕc − ϕb<br />
= .<br />
C<br />
Da die Summe <strong>der</strong> Teilspannungen U1 + U2 die Gesamtspannung U ergeben<br />
muss, ergibt sich:<br />
1<br />
2
<strong>Elektrodynamik</strong> 27<br />
!<br />
Q Q ⎛ 1 1 ⎞ 1<br />
U = ϕa − ϕb = U1+ U2 = ( ϕa − ϕc) + ( ϕc − ϕb)<br />
= + = Q⋅ ⎜ + ⎟=<br />
Q⋅<br />
C1 C2 ⎝C1 C2 ⎠ C<br />
1 1<br />
→ =∑ .<br />
Cser i Ci<br />
In Worten: Der Kehrwert <strong>der</strong> Gesamtkapazität Cser aus i seriell verschalteten<br />
Kondensatoren ist die Summe <strong>der</strong> Kehrwerte ihrer Einzelkapazitäten Ci.<br />
Frage: Für jeden Kondensator gibt es eine Maximalspannung, oberhalb <strong>der</strong> es zu<br />
einem elektrischen Durchschlag zwischen den Kondensatorplatten kommt.<br />
Nehmen wir an, wir hätten eine Spannungsversorgung, die 100 V liefert, <strong>und</strong><br />
zwei Kondensatoren, die bei 60 V durchschlagen. Wie können Sie die<br />
Kondensatoren mit <strong>der</strong> Spannungsquelle verschalten? Werden in allen Fällen die<br />
Kondensatoren zerstört?<br />
Bei Parallelschaltung wirkt auf beide Kondensatoren die Gesamtspannung U = 100 V, bei <strong>der</strong> Serienschaltung wird die Gesamtspannung dagegen auf beide Kondensatoren gleichmäßig aufgeteilt, wobei dann in diesem<br />
Beispiel an jedem Kondensator Uteil = 50 V anlägen. Bei Parallelschaltung käme es also zum Durchschlag (Zerstörung) bei<strong>der</strong> Kondensatoren, bei <strong>der</strong> seriellen Verschaltung blieben dagegen beide intakt.<br />
5.1.9.3 Dielektrika<br />
Beobachtung: Wird zwischen zwei aufgeladene Kondensatorplatten, die nicht<br />
mehr mit <strong>der</strong> Spannungsquelle verb<strong>und</strong>en sind (d.h. auf die keine weiteren<br />
Ladungen mehr nachfließen können), ein volumenfüllen<strong>der</strong> Nichtleiter<br />
eingebracht, dann sinkt die Spannung zwischen den Kondensatorplatten um den<br />
Faktor εr. In solch einer Anordnung heißt das nicht-leitende Material<br />
‚Dielektrikum’; <strong>der</strong> dimensionslose Faktor εr wird relative<br />
Dielektrizitätskonstante o<strong>der</strong> Dielektrizitätszahl genannt. Er ist eine<br />
Materialkonstante.<br />
Da sich die Ladungsmenge Q nicht geän<strong>der</strong>t haben kann, d.h. Q = C · U = const.,<br />
<strong>und</strong> die Spannung um den Faktor εr abgenommen hat, muss sich die Kapazität<br />
des Kondensators um gerade diesen Faktor εr erhöht haben:<br />
A A<br />
Cmit Dielektrikum = εr ⋅ CVakuum<br />
= εr ⋅ε0⋅ = ε ⋅ .<br />
d d<br />
Die Dielektrizitätszahl für Vakuum ist demnach<br />
εr, Vakuum = 1, die von Luft liegt nahe bei Eins (s.<br />
Tabelle).<br />
Da die elektrische Feldstärke E proportional zur<br />
Spannung U ist, also |E| ∝ U, sinkt auch sie um<br />
den Faktor εr. Die effektive, im Dielektrikum<br />
herrschende elektrische Feldstärke Eeff ergibt sich<br />
damit zu:<br />
1 Q E<br />
E ˆ<br />
mit Dielektrikum = Eeff = ⋅ ⋅r=<br />
.<br />
4 ⋅π ⋅ε ⋅ε<br />
ε<br />
r 0<br />
2<br />
r<br />
vak<br />
r<br />
mit Evak: äußeres elektrisches Feld ohne<br />
Dielektrikum, d.h. wenn Vakuum zwischen den<br />
Kondensatorplatten herrscht.<br />
Dielektrika mit hoher Dielektrizitätskonstante<br />
gestatten es, sehr kleine Kondensatoren mit<br />
großer Kapazität zu bauen.<br />
Wie kommt es zu dieser Feldvermin<strong>der</strong>ung?<br />
Genau wie bei <strong>der</strong> Influenz in elektrischen Leitern<br />
(z.B. Metallen) werden im äußeren elektrischen<br />
seriell<br />
Relative statische Dielektrizitätszahl<br />
einiger Stoffe bei 20°C. Quelle:<br />
Demtrö<strong>der</strong> 2, Tab. 1.1, S. 23<br />
.<br />
E1.23 & E1.17<br />
Dielektrika im<br />
Kondensator
E1.16 Induzierter Dipol:<br />
Graphitbälle mit<br />
verbindendem<br />
Metallbügel<br />
Ex.xx Ablenkung des<br />
Wasserstrahls mit<br />
geladenem Isolator;<br />
Ausrichtung <strong>der</strong><br />
Grießkörner im E-Feld<br />
E1.16 Permanenter<br />
Dipol: Graphitbälle über<br />
Isolator getrennt; einer<br />
aufgeladen<br />
28 Experimentalphysik 1 für Biologen & Chemiker<br />
Feld E Ladungen im Dielektrikum verschoben.<br />
5.1.10 Elektrischer Dipol, Polarisation <strong>und</strong> Suszeptibilität<br />
Da aber in Isolatoren die Ladungsträger, d.h. die Elektronen, nicht frei beweglich<br />
sind, son<strong>der</strong>n an den Atomkern geb<strong>und</strong>en sind, können sie nicht wie bei den<br />
Leitern an den Rand des Materials wan<strong>der</strong>n, son<strong>der</strong>n nur innerhalb des Atoms<br />
o<strong>der</strong> Moleküls verschoben werden.<br />
D.h. die positiven<br />
Ladungsschwerpunkte S + innerhalb<br />
eines Moleküls o<strong>der</strong> Atoms fallen in<br />
Gegenwart eines elektrischen Feldes E<br />
nicht mehr mit den negativen<br />
Ladungsschwerpunkten S - zusammen.<br />
Man spricht von <strong>der</strong> sog. Polarisierung,<br />
die einen sog. induzierten<br />
elektrischen Dipol erzeugt (lat.<br />
inducere: herbeiführen).<br />
Ein elektrischer Dipol besteht aus einem<br />
Paar gleich großer, aber<br />
ungleichnamiger Ladungen, die im<br />
Abstand d miteinan<strong>der</strong> (leitend)<br />
verb<strong>und</strong>enen sind:<br />
Polarisation durch<br />
Verschiebung <strong>der</strong><br />
Ladungsschwerpunkte<br />
in einem Atom o<strong>der</strong><br />
Molekül. Quelle:<br />
Demtrö<strong>der</strong> 2, Abb.<br />
1.40, S. 24<br />
Elektrischer Dipol aus<br />
zwei<br />
entgegengesetzten<br />
aber gleichgroßen<br />
Ladungen im Abstand<br />
d mit dem<br />
Dipolmoment µ, das<br />
von – nach + zeigt.<br />
Das sog. elektrische Dipolmoment µel zwischen zwei Ladungen q + <strong>und</strong> q - wird<br />
definiert als:<br />
µ = q ⋅d<br />
.<br />
el<br />
Das Dipolmoment ist eine vektorielle Größe <strong>und</strong> zeigt von <strong>der</strong> negativen zur<br />
positiven Ladung (vgl. Richtung des Elektrischen Feldes E, das von + nach –<br />
zeigt).<br />
Dei Einheit des elektrischen Dipolmoments ist das Debye:<br />
[µ] = 1 D = 3,3356 · 10 -30 C · m (Peter Debye, 1884-1966, nie<strong>der</strong>ländischer<br />
<strong>Physik</strong>er)<br />
Frage: In welchem Abstand d befinden sich damit ein Elektron <strong>und</strong> ein Positron<br />
zueinan<strong>der</strong>, wenn das Dipolmoment µ genau ein Debye groß ist?<br />
Es gibt auch permanente Dipole, in denen die Ladungen ohne Einwirkung eines<br />
äußeren elektrischen Feldes bereits im Molekül aufgr<strong>und</strong> <strong>der</strong> unterschiedlichen<br />
Elektronegativitäten <strong>der</strong> Atome getrennt vorliegen. Für Moleküle mit solch einem<br />
permanenten Dipolmoment liegt µ meist im Bereich von 0 - 12 Debye.
<strong>Elektrodynamik</strong> 29<br />
Molekül µ in<br />
Debye<br />
Molekül µ in<br />
Debye<br />
HJ 0,38 HF 1,9<br />
HBr 0,74 NaCl 8,5<br />
H2S 0,92 KF 8,6<br />
PF3 1,025 KI 9,24<br />
HCl 1,03 KCl 10,27<br />
NH3 1,46 KBr 10,41<br />
H2O 1,844 CsCl 10,42<br />
Permanente Dipole richten sich im<br />
elektrischen Feld E aus, da auf sie ein<br />
Drehmoment M wirkt, die durch die Kraft F<br />
des elektrischen Feldes E auf die Ladungen<br />
q vermittelt wird:<br />
M = r × F = r × q⋅ E = q⋅<br />
r × E = µ × E<br />
Das Drehmoment ist dann am größten, wenn<br />
<strong>der</strong> Dipolmomentvektor µel <strong>und</strong> <strong>der</strong><br />
elektrische Feldvektor E senkrecht<br />
μ E .<br />
aufeinan<strong>der</strong> stehen: Mmax für el ⊥<br />
el<br />
Quelle: Tipler, Abb. 18.24, S. 637<br />
Erläuterung: M = µ ⋅ E ⋅sin(<br />
∡ µ , E)<br />
wird dann am größten, wenn <strong>der</strong> Sinus<br />
el el<br />
gleich Eins wird. Wenn also ∡ ( µ el , E)<br />
= 90°<br />
o<strong>der</strong> ∡ ( µ el , E)<br />
= 270°<br />
, dann wird<br />
sin90°= 1 bzw. sin270°=− 1 <strong>und</strong> damit M maximal (bzw. minimal, was aber<br />
nichts an<strong>der</strong>es heißt, als dass das Drehmoment dann in die entgegengesetzte<br />
Drehrichtung wirkt).<br />
Da jedes System eine Minimierung seiner potenziellen Energie Epot anstrebt,<br />
richten sich die Dipole im elektrischen Feld nur so lange aus, bis sie antiparallel<br />
zu den elektrischen Feldlinien zu liegen kommen. Überprüfung: Mit<br />
Epot, Dipol = q · U = F · d <strong>und</strong> F = q · E ergibt sich:<br />
E = q⋅ U =−q⋅E ⋅ d =−µ ⋅ E = µ ⋅ E ⋅cos(<br />
∡ µ , E)<br />
pot el el el<br />
Für einen Winkel von 180°, d.h. wenn µel <strong>und</strong> E antiparallel stehen, wird <strong>der</strong><br />
cos 180° gleich -1 <strong>und</strong> damit die potenzielle Energie minimal. Dann wirkt<br />
übrigens auch kein Drehmoment M mehr, weil <strong>der</strong> Sinus von 0° bzw. 180° Null<br />
ist.<br />
E1.16 Permanenter<br />
Dipol: Ausrichtung <strong>der</strong><br />
Graphitbälle im E-Feld
E1.21 Dielektrische<br />
Flüssigkeit wird durch E-<br />
Feld polarisiert <strong>und</strong><br />
gegen die Schwerkraft in<br />
das E-Feld gezogen<br />
30 Experimentalphysik 1 für Biologen & Chemiker<br />
Permanente Dipolmomente <strong>und</strong> Ladungsschwerpunkte S +/- einiger Moleküle. Die Dipolmomente µi <strong>der</strong><br />
einzelnen Bindungen addieren sich vektoriell zu einem Gesamtdipolmoment µ auf. Das symmetrische<br />
lineare CO2-Molekül hat kein resultierendes permanentes Dipolmoment, da sich die beiden<br />
entgegengesetzt gleichgroßen Dipolmomente <strong>der</strong> beiden C=O-Doppelbindungen gegenseitig<br />
kompensieren. Quelle: Demtrö<strong>der</strong> 2, Abb. 1.51, S. 32<br />
Die Vektorsumme aller Dipolmomente (induziert o<strong>der</strong> permanent) in N Molekülen<br />
pro Volumeneinheit V wird Polarisation P genannt:<br />
1<br />
P = ⋅∑µ<br />
el, i.<br />
V<br />
Damit ist auch die Polarisation ein Vektor.<br />
Die Polarisation erzeugt nur an den Stirnflächen des Dielektrikums<br />
Oberflächenladungen, da sich im Inneren des Dielektrikums die<br />
entgegengesetzten Ladungen benachbarter induzierter Dipole jeweils<br />
kompensieren können.<br />
Das äußere elektrische Feld E<br />
verringert sich in einem<br />
Dielektrikum aufgr<strong>und</strong> von<br />
Polarisationserscheinungen.<br />
i<br />
Die durch das äußere elektrische Feld erzeugte Polarisation im<br />
Dielektrikum führt zu Oberflächenladungen auf den Stirnflächen des<br />
Dielektrikums in einem Randbereich <strong>der</strong> Dicke d. Quelle: Demtrö<strong>der</strong> 2,<br />
Abb. 1.39 <strong>und</strong> 1.41, S. 24f.<br />
Die so erzeugte Flächenladungsdichte σpol aus induzierten Dipolen hängt mit <strong>der</strong><br />
Polarisation wie folgt zusammen:
<strong>Elektrodynamik</strong> 31<br />
σ<br />
pol<br />
Qpol Qpol ⋅d Qpol ⋅d<br />
µ<br />
P<br />
= = = = =<br />
A A⋅d V V<br />
Da sich im Inneren eines Dielektrikums durch die Polarisation ein<br />
Polarisationsfeld Epol aufbaut, das sich mithilfe des Gauß’schen Satzes<br />
über die Beziehung<br />
Q<br />
E⋅ A= ε<br />
Qpol<br />
P = = ε0⋅E<br />
A<br />
beschreiben lässt, <strong>und</strong> das dem äußeren elektrischen Feld Evak entgegen gesetzt<br />
ist, herrscht im Inneren des Dielektrikums ein kleineres effektives elektrisches<br />
Feld Eeff, das sich aus <strong>der</strong> Überlagerung von Evak <strong>und</strong> Epol ergibt:<br />
vak<br />
Eeff Evak Epol E vak<br />
.<br />
ε0εr 0<br />
pol<br />
= − = − = E P<br />
(Letztere Beziehung wurde bei <strong>der</strong> Einführung <strong>der</strong> Dielektrika besprochen.)<br />
Damit ergibt sich nach einfacher Umformung eine Beziehung zwischen<br />
Polarisation P <strong>und</strong> effektiver Feldstärke Eeff:<br />
P = ε ⋅( ε −1) ⋅ E = ε ⋅χ ⋅E<br />
.<br />
0 r eff 0 eff<br />
Die Größe χ = ( ε − 1) (chi) heißt dielektrische Suszeptibilität <strong>und</strong> soll nur <strong>der</strong><br />
r<br />
Vollständigkeit halber genannt werden, da sie sich statt εr häufig in<br />
Tabellenwerken finden lässt. Sie ist ein Maß für die „Empfindlichkeit“ des<br />
Materials gegenüber dem effektiven Feld, seine atomaren Dipole auszurichten.<br />
Um das Feld Evak auszuzeichnen, das von freien, d.h. „wahren“ Ladungen<br />
erzeugt wird (im Unterschied zu dem (Gegen-)Feld, das durch<br />
Verschiebung/Umorientierung von Ladungen entsteht), wird die sog.<br />
dielektrische Verschiebung D eingeführt:<br />
D: = ε ⋅E<br />
vak .<br />
0<br />
(D.h.: Die Quellen des elektrischen Feldes sind die Ladungen, die Ursache für<br />
die Ladungsverschiebung ist die elektrischen Feldstärke E.)<br />
.
32 Experimentalphysik 1 für Biologen & Chemiker<br />
Die influenzierte<br />
Flächenladungsdichte σ (s.a. V02)<br />
ist gleich dem Betrag <strong>der</strong><br />
elektrischen Verschiebungsdichte<br />
|D|:<br />
ΔQ<br />
σ = = D .<br />
ΔA<br />
Bei induzierten Dipolen wirkt <strong>der</strong><br />
Verschiebung d <strong>der</strong><br />
Ladungsschwerpunkte, d.h. <strong>der</strong><br />
Ladungstrennung eine<br />
rücktreibende Kraft –F entgegen,<br />
die proportional zur Auslenkung d<br />
ist (analog zum Hook’schen<br />
Gesetz in <strong>der</strong> Mechanik). Es ergibt<br />
sich damit eine Proportionalität<br />
von d ∝ E. Für das Dipolmoment<br />
folgt daraus für nicht allzu große<br />
Feldstärken (E ≤ 10 5 V/cm):<br />
µ = α · E<br />
Quelle: (Hering, Martin, Stohrer, „<strong>Physik</strong> für Ingenieure“)<br />
mit <strong>der</strong> Polarisierbarkeit α. Sie ist eine für die Atome <strong>und</strong> Moleküle des<br />
jeweiligen Dielektrikums charakteristische Größe.<br />
Plattenkondensator mit Luftspalten <strong>und</strong> Dielektrikum. Schematische Darstellung <strong>der</strong> drei elektrischen<br />
Feldgrößen. Quelle: Bergmann, Schäfer, "Lehrbuch <strong>der</strong> Experimentalphysik II", Abb. 13.5
<strong>Elektrodynamik</strong> 33<br />
V05 Piezoeffekt, Strom, Wi<strong>der</strong>stand<br />
Wie<strong>der</strong>holung<br />
• Wir haben die resultierende Kapazität bei <strong>der</strong> Parallel- <strong>und</strong><br />
Reihenschaltung von Kondensatoren berechnet. Bei Parallelanordnung<br />
summieren sich die Einzelkapazitäten, bei Serienanordnung addieren sich<br />
die Kehrwerte <strong>der</strong> Einzelkapazitäten zum Kehrwert <strong>der</strong> Gesamtkapazität.<br />
Bei einer Mischung von Parallel- <strong>und</strong> Reihenschaltung lassen sich diese<br />
beiden Vorgehensweisen kombinieren.<br />
• Wir haben im Experiment gesehen, dass sich die Kapazität eines<br />
Kondensators vergrößert, wenn wir zwischen die Kondensatorplatten ein<br />
nicht-leitendes Material einbringen, ein sog. Dielektrikum. Je nach<br />
Polarisierbarkeit dieses Materials lässt sich die Kapazität um den Faktor<br />
εr, die sog. Dielektrizitätszahl, erhöhen.<br />
• Ladungsverschiebungen in einem Molekül führen zu einem sog. Dipol.<br />
Solch ein Dipol kann entwe<strong>der</strong> durch Anlegen eines äußeren elektr.<br />
Feldes induziert werden <strong>und</strong> zu einem „induzierten Dipolmoment“ führen<br />
o<strong>der</strong> durch ein molekülinternes elektrisches Feld aufgr<strong>und</strong> <strong>der</strong><br />
unterschiedlichen Elektronegativitäten <strong>der</strong> Atome im Molekül zu einem<br />
permanentem Dipol führen. Solche Dipole sind durch das Dipolmoment,<br />
dem Produkt aus Ladung mal Abstand, gekennzeichnet <strong>und</strong> richten sich<br />
in einem äußeren elektrischen Feld aus, das ein Drehmoment solange an<br />
ihnen wirken lässt, bis die potenzielle Energie für die Dipolausrichtung ein<br />
(relatives) Minimum angenommen hat.<br />
5.1.10.1 An<strong>der</strong>e Möglichkeiten <strong>der</strong> Ladungstrennung: Piezo- <strong>und</strong> pyroelektrischer<br />
Effekt<br />
Wie im ersten Semester angedeutet,<br />
hat jede Substanz Fe<strong>der</strong>eigenschaften,<br />
selbst wenn sie sehr hart ist; sie lässt<br />
sich also stauchen <strong>und</strong> dehnen. Bei<br />
einigen Kristallen wie z.B. Turmalin,<br />
Quarz <strong>und</strong> Seignette Salz zeigen sich<br />
bei Stauchung (z.B. durch<br />
mechanischen Druck) <strong>und</strong> Dehnung<br />
o<strong>der</strong> bei Temperaturän<strong>der</strong>ungen, die<br />
eine Volumen- <strong>und</strong> damit<br />
Dichteän<strong>der</strong>ung zur Folge haben,<br />
positive <strong>und</strong> negative elektrische<br />
Ladungen auf bestimmten<br />
Kristallflächen. Die mechanische<br />
Erscheinung wird piezoelektrischer<br />
Effekt, die temperaturabhängige<br />
Erscheinung pyroelektrischer Effekt<br />
genannt.<br />
Kristallgitter ohne Symmetriezentrum: Bei einer<br />
Krafteinwirkung F in <strong>der</strong> eingezeichneten Richtung<br />
fällt <strong>der</strong> gemeinsame Schwerpunkt <strong>der</strong> drei<br />
Anionen nicht mehr mit dem Schwerpunkt <strong>der</strong> drei<br />
Kationen zusammen. Das Gitter ist nun nach<br />
außen hin geladen.<br />
Quelle: http://gammesfeld.de/piezoeffekt/<br />
Beide haben allerdings die gleiche Ursache: eine Deformation des Kristalls,<br />
einmal mechanisch, das an<strong>der</strong>e Mal durch eine temperaturbedingte<br />
Volumenän<strong>der</strong>ung.<br />
Das gemeinsame Kennzeichen dieser Kristalle ist, dass alle eine o<strong>der</strong> mehrere<br />
polare Achsen (polare Symmetrie) besitzen. Bei einer polaren Achse sind<br />
vor<strong>der</strong>es <strong>und</strong> hinteres Ende nicht vertauschbar, d.h. bei einer 180°-Drehung um
34 Experimentalphysik 1 für Biologen & Chemiker<br />
eine zur polaren Achse senkrecht stehende Achse kommen die Atome im Kristall<br />
nicht wie<strong>der</strong> zur Deckung.<br />
Piezoelektrischer Effekt: Die Oberflächenladung ist zur Längenän<strong>der</strong>ung Δl<br />
proportional:<br />
ΔQ~ Δ l (Piezo)<br />
Pyroelektrischer Effekt: Die Oberflächenladung ist zur Temperaturän<strong>der</strong>ung ΔT<br />
proportional:<br />
ΔQ~ ΔT<br />
(Pyro)<br />
Anwendungen des Piezoeffektes: Raster-Tunnel-Mikroskop (STM; scanning<br />
tunneling microscope), Raster-Kraft-Mikroskop (SFM; scanning force<br />
microscope), Feuerzeug, Beschleunigungssensoren, Drucksensoren in<br />
Automotoren, ...<br />
Funktionsprinzip eines Rasterkraftmikroskops (atomic<br />
force microscope: AFM), das die atomare Auflösung<br />
einer Oberflächenstruktur gestattet. Dabei kommt ein<br />
Piezokristall zur Feinpositionierung <strong>der</strong> Abtastspitze<br />
zum Einsatz. Die Abtastspitze (auch Cantilever<br />
genannt), eine kleine Pyramide aus Silizium auf einem<br />
Siliziumhebelarm (Länge ca. 0,1 µm), wird über die zu<br />
untersuchende Probe geführt. Die Verbiegung des<br />
Hebelarms als Folge <strong>der</strong> Oberflächenstrukturierung<br />
lenkt einen auf den Hebelarm projizierten Lichtstrahl<br />
(z.B. aus einem Laser) in eine an<strong>der</strong>e Richtung. Die<br />
Richtungsän<strong>der</strong>ung wird über einen Photodetektor<br />
quantifiziert. Sie ist proportional zur Verbiegung des<br />
Hebelarms <strong>und</strong> damit proportional zu den<br />
Höhenän<strong>der</strong>ungen <strong>der</strong> Probenoberfläche.<br />
5.2 Ströme<br />
Die Abbildung zeigt fadenförmige<br />
Kollagenmoleküle, die sich auf bioaktiven<br />
Oberflächen ansammeln. Auf dem eingefügten<br />
Bild ist ein einzelnes Kollagenmolekül zu<br />
erkennen, das mittels Rasterkraftmikroskopie<br />
aufgenommen wurde.<br />
Wenn wir Licht einschalten, verbinden wir die Glühbirne mit den Polen einer<br />
Spannungsquelle, zwischen denen eine Potenzialdifferenz besteht. Durch diese<br />
Potenzialdifferenz beginnt im Glühfaden die elektrische Ladung zu fließen -<br />
genau wie <strong>der</strong> Wasserdruck das Wasser in einem Gartenschlauch strömen lässt,<br />
sobald wir den Hahn aufdrehen. Je<strong>der</strong> Fluss von elektrischer Ladung ist ein<br />
elektrischer Strom. Hierbei haben wir normalerweise das Bild von einem Draht<br />
vor Augen, in dem Ladungsträger fließen. Es gibt jedoch auch an<strong>der</strong>e Beispiele,<br />
etwa den Elektronenstrahl in einer Fernsehröhre o<strong>der</strong> den Zonenstrahl in einem<br />
Teilchenbeschleuniger.
<strong>Elektrodynamik</strong> 35<br />
Beispiel: Bild- o<strong>der</strong><br />
Kathodenstrahlröhre [engl.<br />
cathode ray tube, Abk. CRT], ist<br />
eine <strong>der</strong> Bil<strong>der</strong>zeugung dienende<br />
Elektronenstrahlröhre, die aus den<br />
folgenden drei Gr<strong>und</strong>komponenten<br />
besteht: 1.)<br />
Elektronenstrahlerzeugung<br />
zwischen Glühkathode <strong>und</strong> Anode<br />
mit Durchtrittsloch, 2.) magnetische<br />
<strong>und</strong> elektrische Strahlablenkung<br />
<strong>und</strong> 3.) mit Leuchtmittel<br />
beschichteter Leuchtschirm.<br />
Umgeben werden die Bauteile<br />
dieser Komponenten von einem<br />
evakuierten Glaskolben, um<br />
Kollisionen <strong>der</strong> Elektronen mit<br />
Gasmolekülen zu vermeiden.<br />
Quelle: Bibliographisches Institut & F. A. Brockhaus<br />
AG, 2005<br />
Elektronen werden von einer elektrischen Hochspannung (etwa U = 50 V bis<br />
50 kV) zwischen Kathode <strong>und</strong> Anode beschleunigt, sodass sich ein<br />
Elektronenstrahl bildet.<br />
Betrachtet werden soll ein Abschnitt <strong>der</strong> Länge l eines Leitermaterials. Wenn im<br />
Zeitintervall Δt die Ladungsmenge ΔQ durch seinen Querschnitt A durchtritt, dann<br />
wird die Stromstärke I definiert als:<br />
: Q Δ<br />
I = .<br />
Δ t<br />
Sie wird in Ampère (A), d.h. einer <strong>der</strong> 7 SI-Basiseinheiten, gemessen:<br />
[I] = 1 A = 1 Ampère = 1 C·s -1 (André Marie Ampère, 1775 - 1836)<br />
Historisch bedingt weist die technische<br />
Stromrichtung von + nach -, d.h.<br />
anscheinend bewegen sich positive<br />
Ladungsträger. In Metallen sind<br />
dagegen Elektronen die<br />
Ladungsträger, d.h. <strong>der</strong> Ladungsfluss<br />
geht von – nach + <strong>und</strong> damit gegen die<br />
technische Stromrichtung. In<br />
Elektrolytlösungen (z.B. Salzlösungen)<br />
wird <strong>der</strong> Strom durch beide<br />
Ladungsträger, d.h. positive Ionen<br />
(Kationen) als auch negative Ionen<br />
(Anionen) (<strong>und</strong> evt. Elektronen)<br />
erzeugt.<br />
In <strong>der</strong> Chemie finden sich solche<br />
Elektrolytlösungen z.B. in Batterien<br />
o<strong>der</strong> werden bei <strong>der</strong> elektrochemischen<br />
Beschichtung von Metallen eingesetzt.<br />
In <strong>der</strong> Biologie sind bei <strong>der</strong> sog.<br />
Elektrophorese, die zur Trennung von<br />
Protein- o<strong>der</strong> DNA-Gemischen<br />
eingesetzt wird, geladene Proteine<br />
o<strong>der</strong> DNA-Fragmente die<br />
Agarose-Gel-Elektrophorese: Albumin (ganz<br />
rechts) wan<strong>der</strong>t am schnellsten im elektrischen<br />
Feld; es zeigen sich 5 deutliche Fraktionen.<br />
Ergebnisse einer Agarose-Gel Serumeiweiß-<br />
Elektrophorese von 20 Proben.<br />
Quelle:<br />
http://www.med4you.at/laborbef<strong>und</strong>e/techniken/
36 Experimentalphysik 1 für Biologen & Chemiker<br />
Ladungsträger, die allerdings kaum<br />
zum Stromfluss beitragen.<br />
elektrophorese/lbef_elektrophorese.htm.<br />
Die Elektrophorese kann als „unvollständige Elektrolyse“ betrachtet werden, bei<br />
<strong>der</strong> die Ionen (geladenen Proteine) nicht bis zur Elektrode kommen.<br />
5.2.1 Mikroskopisches Modell des Stromflusses<br />
Für die folgenden Überlegungen wird Ihnen die erste Abbildung im Kapitel 5.2<br />
noch einmal nützlich sein. Wird ein kleines Volumenelement V = l · A = vd · Δt · A<br />
des Leiters betrachtet, in dem die Ladungsträgerdichte N(V) = n/V beträgt, dann<br />
befinden sich darin n Ladungsträger q (Elektronen), die in <strong>der</strong> Zeiteinheit Δt mit<br />
<strong>der</strong> Driftgeschwindigkeit vd durch die Fläche A treten werden. D.h. die<br />
Gesamtladungsmenge ΔQ, die pro Zeiteinheit durch die Fläche A tritt, lässt sich<br />
nun alternativ über<br />
n<br />
⋅q⋅vd ⋅Δt ⋅A<br />
ΔQ<br />
I = = V<br />
= N( V) ⋅q⋅vd ⋅A<br />
Δt Δt<br />
zum Ausdruck bringen.<br />
Typische Ladungsträgerdriftgeschwindigkeiten<br />
liegen in <strong>der</strong><br />
Größenordnung von vd = 0,01 mm/s,<br />
sind also sehr klein.<br />
Quelle: Tipler, Abb. 22.2, S. 748<br />
Weiterhin abbremsend wirken zudem Stöße <strong>der</strong> driftenden Elektronen mit<br />
an<strong>der</strong>en Atomen o<strong>der</strong> Molekülen im Leiter, da sich diese in <strong>der</strong> Regel ebenfalls<br />
thermisch um eine Ruheposition statistisch bewegen (analog zur Brown’schen<br />
Molekularbewegung).<br />
Frage: Wieso geht das Licht dennoch sofort an, obwohl Lichtschalter <strong>und</strong><br />
Glühbirne mehre Meter Kabel verbinden? Tipp: Vergleichen Sie die Situation mit<br />
dem Wasserfluss in einem Gartenschlauch, wenn dieser leer o<strong>der</strong> bereits gefüllt<br />
ist. Braucht das Wasser in beiden Fällen gleich lang, ehe es aus dem an<strong>der</strong>en<br />
Ende des Schlauches nach Aufdrehen des Wasserhahns austritt?<br />
5.2.2 Biologische Wirkung von elektrischen Strömen<br />
Die biologische “Wirksamkeit” eines Stromflusses durch den menschlichen<br />
Körper hängt von mehreren Faktoren ab:<br />
• Größe des Stromes<br />
• Dauer des Stromflusses<br />
• Körperteil, durch den <strong>der</strong> Strom fließt<br />
Schließen wir zunächst einen Stromfluss direkt durch das Herz aus: Fühlbar wird<br />
ein Strom, wenn er um die 1 mA groß ist. Einige wenige mA rufen schon<br />
Schmerzen hervor, können aber eine ges<strong>und</strong>e Person nicht ernsthaft verletzen.<br />
Ab ca. 10 mA kann <strong>der</strong> Strom einen Muskelkrampf auslösen. Ein Loslassen <strong>der</strong><br />
spannungsführenden Teile ist dann schwierig o<strong>der</strong> unmöglich <strong>und</strong> es wird sehr<br />
gefährlich. Es kann zur Lähmung des Atemsystems kommen; Herz-Lungen-<br />
Wie<strong>der</strong>belebung kann hier erfolgreich sein (nach Trennung von Stromnetz<br />
natürlich!). Wenn Ströme über 70 mA durch den Körper fließen genügt <strong>der</strong><br />
durchs Herz fließende Anteil, um ein Vorhofflimmern auszulösen. Dauert dies<br />
länger an kommt es zum Herzstillstand.
<strong>Elektrodynamik</strong> 37<br />
Beenden lässt sich ein Vorhofflimmern nur schwer (bspw. mit einem Defibrillator).<br />
Die Größe des Stromes wird vom Körperwi<strong>der</strong>stand <strong>und</strong> dem<br />
Übergangswi<strong>der</strong>stand in den Körper bestimmt (s. folgende Kapitel). Der effektive<br />
Wi<strong>der</strong>stand zwischen zwei gegenüberliegenden Punkten des Körpers gemessen<br />
bei trockener Haut liegt bei 10 – 1000 kΩ. Bei feuchter Haut kann das unter 1 kΩ<br />
fallen. In unserem Stromnetz würde bei einer “gut geerdeten” Person mit einem<br />
<strong>der</strong>art geringen Wi<strong>der</strong>stand schon ein Strom von 240 mA fließen (240V, 1000Ω).<br />
Das ist fast immer tödlich.<br />
Der Sinn <strong>der</strong> Erdung von elektrischen Geräten ist gerade, zu verhin<strong>der</strong>n, dass im<br />
Falle einer defekten Isolierung eines spannungsführenden Teiles ein großer<br />
Anteil des Stromes bei Berührung über den Körper abfließen kann.<br />
Abschließend noch ein Vergleich <strong>der</strong> Wirksamkeit von Gleich- <strong>und</strong><br />
Wechselströmen. Das menschliche Körpergewebe hat kapazitive Anteile. Ein<br />
Ersatzschaltbild des Körpers ist deshalb eine Parallelschaltung eines<br />
Wi<strong>der</strong>standes mit einem Kondensator. Der Kondensator blockiert bei<br />
Gleichspannung, sobald er aufgeladen ist, einen möglichen Strompfad. Nicht so<br />
bei Wechselspannung. Wechselströme sind deshalb vergleichsweise gefährlicher<br />
als Gleichströme.<br />
Quelle: <strong>Universität</strong> Frankfurt, http://www.pi.physik.unifrankfurt.de/veranstaltungen/physik2pdfs/kapitel5.pdf
38 Experimentalphysik 1 für Biologen & Chemiker<br />
V06 Wi<strong>der</strong>stand <strong>und</strong> Leitfähigkeit<br />
Wie<strong>der</strong>holung<br />
• Wir haben den piezoelektrischen <strong>und</strong> den pyroelektrischen Effekt bei<br />
Kristallen mit polarer Achse kennen gelernt. Durch die Unsymmetrie<br />
kommt es bei Längenän<strong>der</strong>ungen (entwe<strong>der</strong> durch mechanischen<br />
Zug/Druck o<strong>der</strong> durch Temperaturausdehnung) zu einer<br />
Ladungstrennung.<br />
• Wir haben den Strom als die Ladungsmenge definiert, die pro Zeitfenster<br />
durch eine Fläche tritt. Die technische Stromrichtung weist von Plus nach<br />
Minus. Mikroskopisch betrachtet stellt man allerdings fest, dass die<br />
Elektronen die Ladungsträger sind. Daher weist die eigentliche<br />
Stromrichtung in metallischen Leitern von Minus nach Plus. In<br />
Salzlösungen tragen sowohl Kationen als auch Anionen zum<br />
Ladungstransport bei. Die SI-Einheit des Stroms ist das Ampere.<br />
• Die pro Zeiteinheit transportierbare Ladungsmenge, d.h. <strong>der</strong> Strom, ist<br />
einmal proportional zur angelegten Spannung, aber auch abhängig von<br />
<strong>der</strong> Beschaffenheit des Leiters <strong>und</strong> seinen Abmessungen. Die<br />
Proportionalitätskonstante zwischen Strom <strong>und</strong> Spannung wird<br />
Wi<strong>der</strong>stand R des Leiters genannt. Der Kehrwert des Wi<strong>der</strong>stands ist <strong>der</strong><br />
sog. Leitwert. Die Einheit des Wi<strong>der</strong>stands ist das Ohm, die des Leitwerts<br />
1/Ohm bzw. das Siemens.<br />
5.2.3 Wi<strong>der</strong>stand <strong>und</strong> Ohm’sches Gesetz<br />
Wird an einen Leiter ein elektrisches Feld angelegt <strong>und</strong> werden dann die<br />
Leiterenden miteinan<strong>der</strong> verb<strong>und</strong>en, dann bricht das elektrische Feld <strong>und</strong> die<br />
dadurch erzeugte Spannung U durch kurzzeitigen Stromfluss <strong>und</strong> nachfolgende<br />
Rekombination (Neutralisation) <strong>der</strong> influenzierten Ladungen nach kürzester Zeit<br />
zusammen.<br />
Geräte, die dennoch eine kontinuierliche Ladungstrennung gestatten <strong>und</strong> damit<br />
die Spannung U zwischen den beiden Leiterenden aufrecht erhalten können,<br />
auch wenn ein Strom fließt, heißen Spannungsquellen. (Wie Spannungsquellen<br />
aufgebaut sein können, werden wir in einer <strong>der</strong> folgenden St<strong>und</strong>en besprechen.)<br />
Für die meisten Materialien beobachtet man, dass die Stromstärke in einem<br />
kleinen Drahtstück zu <strong>der</strong> Potenzialdifferenz U zwischen den beiden Enden<br />
dieses Abschnitts proportional ist: I ∝ U.<br />
Dieses experimentelle Ergebnis ist als Ohm’sches Gesetzt bekannt:<br />
I = G · U<br />
mit <strong>der</strong> Proportionalitätskonstante G, dem sog. Leitwert mit <strong>der</strong> Einheit Siemens:<br />
[G] = 1 S = 1 Siemens = 1/Ω. (Werner von Siemens, 1816-1892)<br />
Bekannter ist das Ohm’sche Gesetz in <strong>der</strong> folgenden Form, bei <strong>der</strong> die Spannung<br />
(o<strong>der</strong> auch <strong>der</strong> Spannungsabfall 6 ) U zwischen den Enden eines Leiterabschnitts<br />
proportional zum Strom ist: U ∝ I<br />
6 Häufig heißt es: „Die Spannung fällt über dem Wi<strong>der</strong>stand ab“. Das ist vergleichbar mit dem<br />
durch Reibungskräfte verursachten Druckabfall einer realen Flüssigkeit, die innerhalb einer Röhre<br />
strömt. (Siehe dazu das Kapitel „Hydrodynamik“ aus dem 1. Semester.) Überhaupt wird die<br />
Spannung U gerne mit dem Druck p einer Flüssigkeit in <strong>der</strong> Mechanik verglichen. Das in einem
<strong>Elektrodynamik</strong> 39<br />
U = R · I<br />
mit <strong>der</strong> Proportionalitätskonstante R, dem sog. Ohm’schen Wi<strong>der</strong>stand mit <strong>der</strong><br />
Einheit Ohm: [R] = 1 Ω = 1 Ohm = 1 V · A -1 . (Georg Simon Ohm, 1789-1854)<br />
Der Ohm’sche Wi<strong>der</strong>stand R ist damit <strong>der</strong> Kehrwert des Leitwertes G:<br />
1<br />
R = .<br />
G<br />
Beispiele für Ohm’sche Wi<strong>der</strong>stände: Drähte, Glühbirnen (die nichts an<strong>der</strong>es als<br />
dünne (Wolfram-) Drähte im Vakuum sind, Heizdrähte in Herdplatten o<strong>der</strong> in<br />
Bügeleisen, Tauchsie<strong>der</strong>, ... .<br />
5.2.4 Strom-Spannungs-Kennlinien<br />
Nicht alle Materialien o<strong>der</strong> elektrischen Bauelemente haben eine lineare Strom-<br />
Spannungs-Kennlinie, wie es das Ohm’sche Gesetz für Wi<strong>der</strong>stände vorhersagt.<br />
Der elektrische Wi<strong>der</strong>stand R ist temperaturabhängig. Bei Metallen gilt in erster<br />
Näherung, dass <strong>der</strong> Wi<strong>der</strong>stand mit zunehmen<strong>der</strong> Temperatur zunimmt. Eine <strong>der</strong><br />
Ursachen ist die Zunahme <strong>der</strong> Gitterschwingungen bei Temperaturerhöhung, die<br />
zu einer Zunahme von Stößen <strong>der</strong> Ladungsträger mit den Atomen o<strong>der</strong><br />
Molekülen des Leiters führt, ein Reibungsphänomen, das einer Bremswirkung<br />
entspricht.<br />
Wasserturm gespeicherte Wasser strömt mit einem höheren Druck p aus einem Rohr am Fuße des<br />
Wasserturms, je höher <strong>der</strong> Wasserturm ist. Die Spannung U ist analog um so größer, je stärker das<br />
elektrische Feld E ist.<br />
E2.11 Lineare<br />
Wi<strong>der</strong>standskennlinie<br />
einer Glühbirne<br />
E2.19 T-Abhängigkeit<br />
des Ohm’schen<br />
Wi<strong>der</strong>stands
E2.45 Hoch-T-<br />
Supraleiter<br />
40 Experimentalphysik 1 für Biologen & Chemiker<br />
5.2.5 Supraleiter<br />
Es gibt allerdings auch Materialien, bei denen <strong>der</strong><br />
elektrische Wi<strong>der</strong>stand ab einer meist (sehr) tiefen<br />
Temperatur, <strong>der</strong> sog. Sprungtemperatur, vollständig<br />
verschwindet. Es können also unterhalb dieser<br />
Temperatur Ladungen ohne Stöße (<strong>und</strong> damit ohne<br />
Verluste) transportiert werden. Man sagt, diese<br />
Materialien werden bei diesen Temperaturen<br />
supraleitend. Solche Materialien heißen<br />
dementsprechend Supraleiter. Bisher sind noch<br />
keine Materialien gef<strong>und</strong>en worden, die bei<br />
Raumtemperatur Supraleitung zeigen.<br />
Die Ladungsmenge, die pro Zeiteinheit fließen kann,<br />
ist stark abhängig von <strong>der</strong> Geometrie des Leiters. Der<br />
Wi<strong>der</strong>stand ist umso größer,<br />
je länger die Leiterlänge l <strong>und</strong><br />
je kleiner <strong>der</strong> Leiterquerschnitt A ist:<br />
l 1 l<br />
R = ρ ⋅ = ⋅<br />
A σ A<br />
ρ ist <strong>der</strong> spezifische Wi<strong>der</strong>stand, [ρ] = Ω · m,<br />
1<br />
-1 -1 1 S<br />
σ = ist die spezifische Leitfähigkeit, [ σ ] =Ω ⋅ m = = .<br />
ρ<br />
Ω⋅m<br />
m<br />
Verlauf des Wi<strong>der</strong>stands von<br />
Quecksilber (Hg) als Funktion<br />
<strong>der</strong> Temperatur. Bei <strong>der</strong><br />
Sprungtemperatur von<br />
TC = 4,2 K fällt <strong>der</strong> Wi<strong>der</strong>stand<br />
sprunghaft ab. Quelle: Tipler,<br />
Abb. 22.6, S. 755<br />
(Nicht zu verwechseln mit <strong>der</strong> gleichnamigen Flächenladungsdichte σ aus V04!)<br />
ρ <strong>und</strong> σ sind Materialkonstanten <strong>und</strong> in Tabellenwerken zu finden.<br />
Wird (wie bei <strong>der</strong> Definition des Stroms) wie<strong>der</strong> nach den Größen gefahndet, die<br />
auf mikroskopischer Ebene die Leitfähigkeit bestimmen, dann findet sich, dass<br />
die spezifische Leitfähigkeit σ abhängig von <strong>der</strong> Ladungsträgerdichte N(V) = n/V<br />
<strong>und</strong> <strong>der</strong> Beweglichkeit u <strong>der</strong> Ladungsträger mit <strong>der</strong> Ladung q ist:<br />
σ = N ⋅q⋅ u<br />
( V)<br />
Tragen mehrere verschiedene Ladungsträger zum Ladungstransport bei (z.B. in<br />
Elektrolyten, d.h. z.B. salzhaltigen Lösungen), dann setzt sich σ aus <strong>der</strong> Summe<br />
<strong>der</strong> einzelnen Beiträge zusammen:<br />
∑<br />
σ = N ⋅q ⋅u<br />
.<br />
i<br />
( V), i i i<br />
Je stärker das elektrische Feld, desto höher wird die Driftgeschwindigkeit <strong>der</strong><br />
Ladungsträger sein. Die Beweglichkeit u ist dabei <strong>der</strong> Proportionalitätsfaktor<br />
zwischen <strong>der</strong> Driftgeschwindigkeit vd <strong>und</strong> dem elektrischen Feld E:<br />
vd= u⋅ E<br />
⎛ 1 ℓ ⎞<br />
1<br />
U = E⋅ ℓ = R⋅ I = ⎜ ⋅ ⋅ N ⋅q⋅ v A = ⋅ N ⋅ q ⋅v<br />
σ A<br />
⎟<br />
)<br />
⎝ ⎠<br />
N q u<br />
(wegen ( )<br />
Die Einheit <strong>der</strong> Beweglichkeit ist damit<br />
( V) d ( V) d<br />
( V ) ⋅ ⋅
<strong>Elektrodynamik</strong> 41<br />
[u] = 1<br />
2<br />
m<br />
.<br />
V ⋅ s<br />
Spezifische (Elektronen-) Leitfähigkeiten σ einiger Elemente bei 25°C:<br />
Material σ ·10 6<br />
[Ω -1 m -1 ] = [S/m]<br />
C Kohlenstoff (Diamant) 10 -10<br />
Si Silizium 4,35·10 -7<br />
C Kohlenstoff (Graphit, parallel zu den Schichten) 3,00<br />
Fe Eisen 10,29<br />
Al Aluminium 37,66<br />
Au Gold 42,55<br />
Cu Kupfer 59,77<br />
Ag Silber 62,89<br />
Quelle: http://www.chemie-master.de/pse/pse.php?modul=tab12<br />
Bei Festkörpern, insbeson<strong>der</strong>e bei den Metallen, gibt es eine enge Beziehung<br />
zwischen elektrischer Leitfähigkeit <strong>und</strong> Wärmeleitfähigkeit. Gute elektrische<br />
Leiter sind im Allgemeinen auch gute Wärmeleiter.<br />
Die Abhängigkeit des Wi<strong>der</strong>stands von<br />
den Abmessungen lässt sich z.B. in<br />
Dehnmessstreifen nutzen (Än<strong>der</strong>ung<br />
des Querschnitts A <strong>und</strong> <strong>der</strong> Länge l bei<br />
Zug bzw. Stauchung). In eine Membran<br />
eingebaut lassen sich so z.B. leicht<br />
Drücke o<strong>der</strong> kleine Stellwege messen.<br />
5.2.6 Variable Wi<strong>der</strong>stände: Potentiometer<br />
Dehnungsmessstreifen (DMS) zur Messung von<br />
Längen- <strong>und</strong> Querschnittsän<strong>der</strong>ungen am<br />
Wi<strong>der</strong>standsdraht<br />
Die Abhängigkeit des Wi<strong>der</strong>stands von den Abmessungen des Leiters lässt sich<br />
ebenfalls nutzen, um sog. Spannungsteiler o<strong>der</strong> Potentiometer, d.h. variable<br />
Wi<strong>der</strong>stände zu bauen:<br />
Für die Spannungen U bzw. Ux gelten nach dem<br />
Ohm’schen Gesetz:<br />
ℓ<br />
U = R⋅ I = ρ ⋅ ⋅I<br />
bzw.<br />
A<br />
x<br />
Ux = Rx ⋅ I = ρ ⋅ ⋅ I .<br />
A<br />
Division <strong>der</strong> beiden Gleichungen führt zu <strong>der</strong><br />
Beziehung:<br />
x<br />
Ux= ⋅U<br />
.<br />
ℓ<br />
Quelle: Staudt, Experimentalphysik 2<br />
E2.20<br />
Materialabhängigkeit des<br />
el. Wi<strong>der</strong>stands: Cu-Fe-<br />
Kettenglie<strong>der</strong>: Fe glüht<br />
eher als Cu<br />
E2.44<br />
Dehn(ungs)messstreifen:<br />
R abhängig von A <strong>und</strong> l.
E2.8 Potentiometer<br />
42 Experimentalphysik 1 für Biologen & Chemiker<br />
5.2.7 Mikroskopische Betrachtung von Leitungsvorgängen<br />
Auf mikroskopischer, d.h. atomarer o<strong>der</strong> molekularer Ebene zeigt sich, dass sich<br />
Elektronen nicht an einem beliebigen Ort aufhalten dürfen <strong>und</strong> sie nicht jede<br />
beliebige Energie annehmen dürfen (wie wir es für an<strong>der</strong>e Objekte des<br />
alltäglichen Lebens gewohnt sind). Vielmehr befinden sie sich in sog. Orbitalen;<br />
ihre Energie kann immer nur ein Vielfaches einer Mindestenergie sein; sie ist also<br />
„gequantelt“. In <strong>der</strong> Quantentheorie werden die Aufenthaltsräume, in denen sich<br />
die Elektronen in <strong>der</strong> Elektronenhülle eines Atoms mit 90%iger<br />
Wahrscheinlichkeit aufhalten, Atomorbitale (AO) genannt. Jedes Orbital hat eine<br />
bestimmte potenzielle Energie Epot, ein sog. „Energieniveau“. Jedes Orbital kann<br />
von maximal zwei Elektronen gleichzeitig besetzt werden (Pauli-Prinzip).<br />
Werden mehrere Atome zu Molekülen o<strong>der</strong> Festkörpern vereinigt, dann kommt<br />
es auch zu einer Wechselwirkung <strong>und</strong> energetischen Aufspaltung <strong>der</strong> einzelnen<br />
Atomorbitale in nie<strong>der</strong>-energetische „bindende“ <strong>und</strong> höher-energetische<br />
„antibindende“ Molekülorbitale (MO). Gewisse Regeln zur Befüllung <strong>der</strong><br />
Orbitale mit Elektronen (z.B. H<strong>und</strong>’sche Regel) lassen eine Aussage zu, ob es<br />
zu einer Molekülbindung kommt <strong>und</strong> wie stark diese sein wird. (Bücher <strong>der</strong><br />
anorganischen o<strong>der</strong> physikalischen Chemie werden Ihnen ein detaillierteres Bild<br />
dazu vermitteln können.)<br />
Wasserstoff <strong>und</strong> Helium haben jeweils ein sog. s-Orbital. Beim Wasserstoff ist<br />
dieses Orbital mit einem Elektron gefüllt, beim Helium mit zwei Elektronen<br />
(nachfolgend als kleine, entgegengesetzt orientierte Pfeile symbolisiert; die<br />
Pfeilrichtung symbolisiert übrigens den sog. Elektronenspin, was im<br />
mechanischen Bild dem Eigendrehimpuls eines Elektrons entspräche).<br />
MO-Schema für zwei Wasserstoffatome (H), die zu<br />
einem Wasserstoffmolekül H2 verb<strong>und</strong>en werden.<br />
Links (1s(a)) <strong>und</strong> rechts (1s(b)) in <strong>der</strong> Skizze sind<br />
die s-Atomorbitale zweier H-Atome mit ihren<br />
beiden Elektronen zu sehen. In <strong>der</strong> Mitte ist die<br />
Situation dargestellt, in <strong>der</strong> zwei H-Atome so weit<br />
angenähert werden, dass ihre Atomorbitale<br />
miteinan<strong>der</strong> wechselwirken können <strong>und</strong><br />
Molekülorbitale bilden. Es kommt dabei zu einer<br />
energetischen Aufspaltung in ein energetisch tiefer<br />
liegendes, sog. bindendes Sigma-Orbital <strong>und</strong> ein<br />
energiereicheres, sog. antibindendes Sigma-<br />
Orbital. Da zwei H-Atome insgesamt zwei<br />
Elektronen beitragen, ist das bindende<br />
Molekülorbital (MO) voll besetzt, das antibindende<br />
MO dagegen leer. Ist das antibindende Orbital mit<br />
weniger Elektronen besetzt als das bindende, dann<br />
kommt es zur Ausbildung einer Molekülbindung.<br />
Daher gehen die beiden H-Atome eine<br />
Molekülbindung zur Bildung von H2 ein.<br />
MO-Schema für zwei Heliumatome (He), die keine<br />
Molekülbindung eingehen, da bindendes <strong>und</strong><br />
antibindendes Molekülorbital mit gleicher Anzahl an<br />
Elektronen gefüllt sind.<br />
Links (1s(a)) <strong>und</strong> rechts (1s(b)) in <strong>der</strong> Skizze sind<br />
die s-Orbitale zweier He-Atome mit ihren beiden<br />
Elektronen zu sehen. In <strong>der</strong> Mitte ist die Situation<br />
dargestellt, in <strong>der</strong> zwei He-Atome so weit<br />
angenähert werden, dass ihre Orbitale miteinan<strong>der</strong><br />
wechselwirken können: Es kommt zu einer<br />
energetischen Aufspaltung in ein sog. bindendes<br />
Sigma-Orbital <strong>und</strong> ein sog. antibindendes Sigma-<br />
Orbital. Da sowohl bindendes als auch<br />
antibindendes Orbital voll besetzt sind, heben sich<br />
binden<strong>der</strong> <strong>und</strong> anti-binden<strong>der</strong> Charakter <strong>der</strong><br />
Wechselwirkung gerade gegenseitig auf. Dies<br />
erklärt, warum es kein He-Molekül gibt.
<strong>Elektrodynamik</strong> 43<br />
In ausgedehnten Festkörpern (aus<br />
vielen Atomen) verschmelzen die<br />
Molekülorbitale (MO) zu sog.<br />
„Bän<strong>der</strong>n“. Die nicht-besetzten<br />
antibindenden Molekülorbitale werden<br />
dann „Leitungsband“ genannt, die<br />
besetzten bindenden Molekülorbitale<br />
werden „Valenzband“ genannt.<br />
Übergang vom Einzelatom zum Festkörper:<br />
Erlaubte Energiezustände <strong>der</strong> Elektronen im Atom,<br />
Molekül <strong>und</strong> Festkörper. Es zeigt sich, dass die<br />
Elektronen nur diskrete Energiezustände<br />
einnehmen können, die auf einer Energieleiter<br />
angeordnet sind.<br />
In einem Festkörper stehen sehr viele Elektronen in Wechselwirkung miteinan<strong>der</strong>, was dazu<br />
führt, dass die erlaubten Energieniveaus zu Bän<strong>der</strong>n verbreitert werden, die durch verbotene<br />
Zonen getrennt sind. Quelle: Hering, Elektronik für Ingenieure, Abb. 1-53, S.59.<br />
Ob ein Festkörper ein elektrischer Leiter ist o<strong>der</strong> ein Isolator, lässt sich über den<br />
energetischen Abstand ΔE, die sog. „Bandlücke“ (eine Energiebarriere,<br />
gewissermaßen eine „verbotene“ Zone, in <strong>der</strong> sich keine Elektronen aufhalten<br />
können), zwischen Valenz- <strong>und</strong> Leitungsband entscheiden:<br />
ΔEIsolator > 5 eV ΔEHalbleiter > 0 eV ΔELeiter = 0 eV<br />
EF ist die sog. Fermi-Energie. Bei Isolatoren, Eigenhalbleitern (d.h. nicht-dotierten Halbleitern (Dotierung<br />
s.u.) wie reinem Silizium) <strong>und</strong> Metallen beschreibt sie die Energie, die genau zwischen Valenz- <strong>und</strong><br />
Leitungsband liegt.<br />
Nur wenn es freie Elektronen (bzw. Positronen) im Leitungsband (Valenzband)<br />
gibt, ist das Material elektrisch leitend.<br />
5.2.8 Halbleiter<br />
Neben den elektrisch nicht-leitenden Isolatoren <strong>und</strong> den elektrisch leitenden<br />
Metallen gibt es noch sog. „Halbleiter“ (o<strong>der</strong> „Halbmetalle“), bei denen die<br />
Bandlücke gerade so groß ist, dass sie die Elektronen aus dem Valenzband<br />
durch thermische (d.h. Wärme) o<strong>der</strong> elektromagnetische (z.B. Lichteinstrahlung)<br />
Anregung überwinden können. Unter diesen Bedingungen wird aus dem Nichtleiter<br />
ein leitendes Material, dessen elektrische Leitfähigkeit allerdings unter <strong>der</strong><br />
von Metallen liegt. Beispiele sind Silizium (Si) o<strong>der</strong> Germaniumarsenid (GeAs),<br />
aus denen mo<strong>der</strong>ne Transistoren o<strong>der</strong> Solarzellen gefertigt werden (z.B.<br />
Computerprozessoren o<strong>der</strong> Speicherbausteine).<br />
Bei reinem Si mit jeweils 4 Valenzelektronen ist die Bandlücke mit ΔE = 1,2 eV so<br />
groß, dass bei Raumtemperatur kein messbarer Strom fließt. Werden dem Si
E2.33 Wi<strong>der</strong>stand mit<br />
negativem T-<br />
Koeffizienten (NTC) bei<br />
einem Halbleiter<br />
E2.27 Stromleitung in<br />
Flüssigkeiten<br />
44 Experimentalphysik 1 für Biologen & Chemiker<br />
allerdings in geringer Menge an<strong>der</strong>e Atome beigemischt, die entwe<strong>der</strong> leicht e -<br />
abgeben (z.B. Phosphor mit 5 statt 4 Valenzelektronen) o<strong>der</strong> aufnehmen (z.B.<br />
Bor mit 3 statt 4 Valenzelektronen), dann lässt sich die Leitfähigkeit erhöhen.<br />
Man spricht von einer sog. „Dotierung“ mit Fremdatomen. Durch Dotierung kann<br />
ein Halbleiter gezielt mit negativen o<strong>der</strong> positiven Ladungsträgern ausgestattet<br />
<strong>und</strong> seine Leitfähigkeit definiert werden.<br />
Reiner Halbleiter: Der<br />
Halbleiterkristall beruht auf einem<br />
Kristallgitter aus 4-wertigen<br />
Atomen, die jeweils durch vier<br />
Elektronenpaare geb<strong>und</strong>en sind.<br />
Diese Elektronen füllen das<br />
Valenzband vollständig.<br />
n-dotierter Halbleiter: Dotierung<br />
mit 5-wertigen Atomen (z.B.<br />
Phosphor) hinterlässt im Gitter<br />
ein für die Bindung nicht<br />
erfor<strong>der</strong>liches Elektron in einem<br />
energetisch über dem<br />
Valenzband liegenden Orbital.<br />
Mit nur geringer Energie kann es<br />
ins Leitungsband angehoben<br />
werden <strong>und</strong> ist hier beweglich.<br />
Ein solches Atom nennt man<br />
einen Elektronen-Donator (lat.<br />
donare = geben). Der Kristall<br />
wird mit beweglichen negativen<br />
Ladungsträgern ausgestattet,<br />
man spricht von einer n-<br />
Dotierung. Zugleich bleibt ein<br />
positiver Atomrumpf im Gitter<br />
zurück.<br />
p-dotierter Halbleiter: Dotierung mit<br />
3-wertigen Atomen (z.B. Bor) führt zu<br />
einer ungesättigten Bindung, in <strong>der</strong><br />
ein Elektron fehlt. Dieses kann mit<br />
geringem Energieaufwand aus einer<br />
an<strong>der</strong>en Bindung gerissen werden.<br />
Ein solches Atom nennt man einen<br />
Elektronen-Akzeptor (lat. accipere =<br />
annehmen). Sein leeres Orbital liegt<br />
energetisch knapp oberhalb des<br />
Valenzbandes. Durch Füllen des<br />
Orbitals mit einem Elektron aus dem<br />
Valenzband entsteht eine negative<br />
ortsfeste Ladung. Zugleich<br />
hinterlässt das Elektron im<br />
Halbleiterkristall eine Lücke, die<br />
durch ein an<strong>der</strong>es Elektron aufgefüllt<br />
werden kann, also eine bewegliche<br />
Elektronenfehlstelle (<strong>und</strong> damit eine<br />
positive Ladung). Im Resultat hat<br />
man eine negative feste <strong>und</strong> eine<br />
positive bewegliche Ladung<br />
eingebracht. Man spricht dann von p-<br />
Dotierung.<br />
An<strong>der</strong>s als bei einem Metall nimmt <strong>der</strong> elektrische Wi<strong>der</strong>stand eines Halbleiter<br />
mit zunehmen<strong>der</strong> Temperatur ab, da mehr Elektronen die Energielücke ΔE<br />
zwischen Valenz- <strong>und</strong> Leitungsband überwinden können. Allerdings darf nicht<br />
vergessen werden, dass die Leitfähigkeit von Halbleitern auch bei höheren<br />
Temperaturen nach wie vor weit unter <strong>der</strong> von Metallen liegt.<br />
5.2.9 Elektrische Leitung in Flüssigkeiten<br />
In Flüssigkeiten übernehmen nicht freie Elektronen son<strong>der</strong>n Ionen (Kationen <strong>und</strong><br />
Anionen) den Ladungstransport.<br />
Reines Wasser zeichnet sich durch eine sehr geringe Leitfähigkeit aus, da nur<br />
sehr wenige Ionen (H + <strong>und</strong> OH - ) vorliegen. Sie steigt, wenn dem Wasser ionenbildende<br />
Salze, Säuren o<strong>der</strong> Basen hinzugefügt werden. Dementsprechend hat<br />
Meerwasser eine höhere elektrische Leitfähigkeit als Süßwasser.
<strong>Elektrodynamik</strong> 45<br />
Spezifische (Ionen-) Leitfähigkeiten σ einiger Flüssigkeiten (vgl. mit den für<br />
Metalle besprochenen σ!):<br />
Flüssigkeit Leitfähigkeit σ<br />
[µS/cm]<br />
Lösungsmittel Hexan 10 -12<br />
Destilliertes Wasser ≤ 1<br />
Regenwasser 5 - 30<br />
Gr<strong>und</strong>wasser (Süßwasser) 30 - 2000<br />
1 molare HCl ~ 10.000<br />
Meerwasser 45.000 - 55.000<br />
5.2.10 Elektrische Leitung in Gasen<br />
Gase sind typischerweise Isolatoren, außer sie werden durch thermische o<strong>der</strong><br />
Strahlungsenergie o<strong>der</strong> an<strong>der</strong>e Ladungsträger ionisiert. Ein Gas mit einem<br />
nennenswerten Anteil an freien Ladungsträgern wie Ionen, Atomrümpfen,<br />
geladenen Molekülfragmenten o<strong>der</strong> Elektronen heißt Plasma 7 . Allerdings sind<br />
Plasmen nach außen hin meist elektrisch neutral. Durch Rekombination von<br />
Elektronen mit den Ionen verschwinden die Ladungen rasch wie<strong>der</strong>.<br />
Natürliches Vorkommen von Plasma:<br />
• Sonne o<strong>der</strong> an<strong>der</strong>en Sternen, <strong>der</strong><br />
Sonnenkorona <strong>und</strong> dem Sonnenwind<br />
• Blitze<br />
• Flammen<br />
• Polarlicht<br />
• Ionosphäre<br />
• (leuchtende) Gasnebel im Weltall<br />
• Quark-Gluon-Plasma in hypothetischen<br />
Quarksternen<br />
Weil Sonne <strong>und</strong> Sterne aus Plasma bestehen,<br />
liegen über 99% aller sichtbaren Materie des<br />
Universums als Plasma vor.<br />
Künstlich erzeugte Plasmen<br />
• Beleuchtungstechnik: in Leuchtstoffröhren (Energiesparlampen),<br />
Bogenlampen, <strong>und</strong> allgemein Gasentladungslampen.<br />
7 Neben den drei vertrauten Aggregatzuständen <strong>der</strong> Materie – fest, flüssig <strong>und</strong> gasförmig – wird das<br />
Plasma häufig als vierter Aggregatzustand angesehen.<br />
E2.6 Flüssigkeitspotenziometer<br />
E2.22<br />
Gasentladungsröhre<br />
(E2.23 Geißler-Röhre)
46 Experimentalphysik 1 für Biologen & Chemiker<br />
• Halbleitertechnik: zum Plasmaätzen <strong>und</strong> zur plasmainduzierten<br />
Materialabscheidung (plasma-enhanced chemical vapor<br />
deposition: PECVD)<br />
• In <strong>der</strong> Werkstofftechnik: zur Oberflächenmodifizierung durch<br />
plasmainduzierte Materialabscheidung (PECVD <strong>und</strong><br />
Plasmapolymerisation), Oberflächenhärtung o<strong>der</strong><br />
Plasmaoxidation, z.B. Verspiegelungen, Anti-Haft-Schichten,<br />
etc.<br />
• In <strong>der</strong> Analysentechnik zum Aufschließen von<br />
Probenmaterialien (Plasmaveraschung) <strong>und</strong> in Messgeräten<br />
zum Spurennachweis von Metallen (ICP, ICP-MS)<br />
• In <strong>der</strong> Werkstoffverarbeitung beim Schweißen<br />
• In <strong>der</strong> Bildschirmtechnik im Plasmabildschirm<br />
• In <strong>der</strong> Energieforschung im Kernfusionsexperiment
<strong>Elektrodynamik</strong> 47<br />
V07 Kirchhoff’sche Regeln, Spannungsquellen, Elektrische<br />
Leistung, Elektrochemie<br />
Wie<strong>der</strong>holung<br />
• Wir haben gesehen, dass <strong>der</strong> elektrische Wi<strong>der</strong>stand eines Materials<br />
sowohl von <strong>der</strong> Art des Materials (Isolator, Halbleiter, metallischer Leiter,<br />
Ionenleiter (Elektrolyt), Plasma), als auch von seinen Abmessungen<br />
(Länge, Querschnitt) wie auch von äußeren Faktoren (Temperatur)<br />
abhängig ist. Diese Abhängigkeit lässt sich dazu nutzen, Wi<strong>der</strong>stände für<br />
verschiedene Messaufgaben einzusetzen (z.B. Temperaturmessungen,<br />
Verbiegungen, ...).<br />
• Isolatoren, Halbleiter <strong>und</strong> Leiter lassen sich mikroskopisch über das<br />
gleiche Bild von Valenz- <strong>und</strong> Leitungsband beschreiben. Diese Bän<strong>der</strong><br />
sind ursprünglich aus Atom- <strong>und</strong> Molekülorbitalen hervorgegangen.<br />
Lediglich die Energielücke zwischen diesen Bän<strong>der</strong>n bestimmt die<br />
Elektronen-Leitungseigenschaften eines Materials.<br />
5.2.11 Elektrische Leistung <strong>und</strong> Joule’sche Wärme<br />
Mit <strong>der</strong> Definition für die Leistung P = Arbeit W pro Zeit t ergibt sich aus den<br />
bisher betrachteten Beziehungen für die potenzielle Energie <strong>und</strong> den Strom 8 :<br />
2<br />
⎛ 2 ⎞<br />
W E U ⋅q<br />
q U<br />
P = = = = U ⋅ = U ⋅ I ⎜= R⋅ I = ⎟<br />
t t t t ⎝ R ⎠<br />
[P] = 1 V · A = 1 Watt = 1 W (James Watt, 1736-1819)<br />
Wie erläutert, stellt ein Leiter infolge <strong>der</strong> Zusammenstöße <strong>der</strong> Ladungsträger mit<br />
den Atomen des Leiters (Gitterbausteinen) dem elektrischen Strom I einen<br />
Wi<strong>der</strong>stand R entgegen. Eine Folge dieser Reibung ist die Erwärmung des<br />
stromdurchflossenen Leiters. Die Wärmeleistung P, die <strong>der</strong> Leiter mit dem<br />
Wi<strong>der</strong>stand R dabei aufnimmt, wird Joule’sche Wärme genannt. Beispiel: Eine<br />
Glühbirne gibt 95% <strong>der</strong> Energie in Form von Wärme ab <strong>und</strong> wandelt nur 5% in<br />
Licht.<br />
5.2.12 Ströme in verzeigten Stromkreisen – Kirchhoff’sche Regeln <strong>und</strong><br />
Berechnung des Gesamtwi<strong>der</strong>stands<br />
Elektrischen Schaltungen bestehen häufig aus einem Netzwerk von Leitern,<br />
Spannungsquellen, Wi<strong>der</strong>ständen <strong>und</strong> Kondensatoren, die sich verzweigen bzw.<br />
in Knotenpunkten zusammenlaufen können. Um die Spannungen U <strong>und</strong> Ströme I<br />
an jedem Punkt einer Schaltung berechnen zu können, helfen die zwei sog.<br />
Kirchoff’schen Regeln weiter.<br />
5.2.12.1 Erste Kirchhoff’sche Regel: Knotenregel<br />
Da<br />
• in einem Stromnetz we<strong>der</strong> Ladungen erzeugt noch vernichtet<br />
werden können (Ladungserhaltung)<br />
• <strong>und</strong> es auch nicht zu einer lokalen Ladungsanhäufung kommen<br />
kann, d.h. eine Ladung, die zu einem gegebenen Zeitpunkt zu<br />
einem Punkt des Netzes hinfließt, von dort auch wie<strong>der</strong><br />
abfließen muss,<br />
8 Vergleichen Sie dazu auch die Leistung, die von einem Kondensator erbracht werden kann (V03).
48 Experimentalphysik 1 für Biologen & Chemiker<br />
gilt:<br />
Die Summe aller Ströme, die zu einem Knoten hinfließen, ist gleich <strong>der</strong> Summe<br />
<strong>der</strong> Ströme, die von diesem Knoten wegfließen. (Knotenregel)<br />
Ankommende Ströme werden positiv gezählt, abfließende Ströme negativ.<br />
Beispiel:<br />
Mathematisch ausgedrückt:<br />
ges, hin gesweg , 0<br />
Gemäß <strong>der</strong> Kirchoff’schen Knotenregel ist <strong>der</strong> Strom I1, <strong>der</strong><br />
zum Punkt a (Knoten) hinfließt (positiv), gleich <strong>der</strong> Summe <strong>der</strong><br />
Ströme I2 + I3, die von a wegfließen (negativ). Quelle: Tipler,<br />
Abb. 23.2, S. 782<br />
∑<br />
+ I − I = <strong>und</strong> damit I = 0<br />
5.2.12.2 Zweite Kirchhoff’sche Regel: Maschenregel<br />
Die zweite Kirchhoff’sche Regel gilt für geschlossene Schleifen (Maschen)<br />
zwischen zwei Punkten, d.h. in einem geschlossenen Stromkreis. Hier muss die<br />
Summe aller erzeugten <strong>und</strong> verbrauchten Spannungen gleich sein:<br />
Beim Durchlaufen einer geschlossenen Schleife (Masche) eines Stromnetzes in<br />
einem willkürlich festgelegten Umlaufsinn ist die Summe aller Spannungen gleich<br />
null. (Maschenregel)<br />
Mathematisch ausgedrückt:<br />
O<strong>der</strong> an<strong>der</strong>s ausgedrückt:<br />
∑<br />
Masche, i<br />
U = 0<br />
In einer geschlossenen Schleife (Masche) eines Stromnetzes ist die Summe <strong>der</strong><br />
Quellenspannungen UQm gleich <strong>der</strong> Summe <strong>der</strong> Spannungsabfälle an den<br />
Wi<strong>der</strong>ständen In·Rn:<br />
∑ U = ∑ I⋅R .<br />
Qm n<br />
Masche, m Masche, n<br />
Um die Vorzeichen <strong>der</strong> Spannungen eindeutig bestimmen zu können, erweisen<br />
sich die folgenden „Neben“-Regeln als nützlich:<br />
Wi<strong>der</strong>standsregel: Durchläuft <strong>der</strong> Strom einen Wi<strong>der</strong>stand Ri in technischer<br />
Stromrichtung, dann än<strong>der</strong>t sich das Potenzial Ui dabei um –Ri · I, durchläuft er<br />
ihn entgegen <strong>der</strong> technischen Stromrichtung, so ist die Potenzialän<strong>der</strong>ung gleich<br />
+Ri · I.<br />
Spannungsregel: Bewegt man sich durch eine (ideale) Spannungsquelle Q vom<br />
Minuspol (–) zum Pluspol (+), dann ist die Potenzialän<strong>der</strong>ung UQ > 0; in<br />
Gegenrichtung ist sie UQ < 0.<br />
Beispiel:<br />
i<br />
i<br />
i
<strong>Elektrodynamik</strong> 49<br />
Die Spannungsquelle UQ1 liefere eine<br />
höhere Spannung als die<br />
Spannungsquelle UQ2. Damit ist die techn.<br />
Stromrichtung vorgegeben, d.h. <strong>der</strong> Strom<br />
I fließt im Uhrzeigersinn. Die + <strong>und</strong> -<br />
Zeichen an den Wi<strong>der</strong>ständen sollen<br />
daran erinnern, welche Seite eines jeden<br />
Wi<strong>der</strong>stands bei <strong>der</strong> gegebenen<br />
Stromrichtung auf höherem (+) bzw.<br />
niedrigerem (-) Potenzial liegen. Hinweis:<br />
<strong>der</strong> kleine Index i an den beiden<br />
Wi<strong>der</strong>ständen Ri1 <strong>und</strong> Ri2 soll darauf<br />
hinweisen, dass hier die sog.<br />
„Innenwi<strong>der</strong>stände“ <strong>der</strong> Spannungsquellen<br />
UQ1 <strong>und</strong> UQ2 gemeint sind. Darauf wird<br />
bei <strong>der</strong> Besprechung von<br />
Spannungsquellen genauer eingegangen.<br />
Verwechseln Sie das kleine i also nicht mit<br />
<strong>der</strong> Zählvariablen i in den beiden<br />
mathematischen Formulierungen <strong>der</strong><br />
Kirchhoff’schen Gesetze.<br />
Quelle: Tipler, Abb. 23.2, S. 783<br />
Beim Durchlaufen (von Punkt a aus) ergibt sich also in obiger Masche für die<br />
einzelnen Spannungsabfälle über die Wi<strong>der</strong>stände <strong>und</strong> die Durchgänge durch die<br />
beiden Spannungsquellen:<br />
−⋅ I R −I⋅R −U −I⋅R −I⋅ R + U −I⋅ R = .<br />
1 2 2 2 3 1 1 0<br />
Q i Q i<br />
5.2.12.3 Gesamtwi<strong>der</strong>stand bei Reihenschaltung (= Serienschaltung) von<br />
Wi<strong>der</strong>ständen<br />
Die Kirchhoff’sche Maschenregel gestattet jetzt eine einfache Berechnung des<br />
Gesamtwi<strong>der</strong>standes Rges in einer Serienverschaltung von einzelnen<br />
Wi<strong>der</strong>ständen Ri:<br />
o<strong>der</strong> allgemein:<br />
Mit<br />
∑ ∑<br />
U = I⋅R Qm n<br />
Masche, m Masche, n<br />
ergibt sich mit <strong>der</strong> Maschenregel:<br />
UQ - I·R1 - I·R2 = 0 bzw. daraus<br />
UQ = I·Rges = I·R1 + I·R2 = U1 + U2<br />
I·Rges = I·(R1 + R2)<br />
d.h.<br />
R = ∑ R<br />
ges, ser i<br />
i<br />
Rges = R1 + R2.<br />
5.2.12.4 Gesamtwi<strong>der</strong>stand bei Parallelschaltung von Wi<strong>der</strong>ständen<br />
Ebenso lässt sich <strong>der</strong> Gesamtwi<strong>der</strong>standes Rges in einer Parallelverschaltung<br />
von einzelnen Wi<strong>der</strong>ständen Ri durch Kombination von Knoten- <strong>und</strong> mehrmaliger
50 Experimentalphysik 1 für Biologen & Chemiker<br />
Anwendung <strong>der</strong> Maschenregel berechnen. Beachten Sie, dass es insgesamt drei<br />
geschlossene Maschen gibt: abcdefgh, abcyzfgh <strong>und</strong> dcyzfe.<br />
<strong>und</strong> ein an<strong>der</strong>es Mal für die Schleife dcyzfe:<br />
Mit <strong>der</strong> Knotenregel<br />
+I0 - I1 - I2 = 0 bzw. an<strong>der</strong>s<br />
ausgedrückt<br />
I0 = I1 + I2<br />
am Punkt A <strong>und</strong> zweimaliger<br />
Anwendung <strong>der</strong> Maschenregel, z.B.<br />
einmal für die Schleife abcdefgh:<br />
UQ = I0 · Rges = I1 · R1 o<strong>der</strong> I1 = UQ/R1<br />
UQ = 0 = I2 · R2 - I1 · R1 (weil es hier keine Spannungsquelle UQ gibt; außerdem:<br />
gemäß <strong>der</strong> Wi<strong>der</strong>standsnebenregel ist für den gewählten Umlaufsinn durch R2<br />
von – nach + das Produkt I2·R2 positiv, wogegen das Produkt I1 · R1 wegen <strong>der</strong><br />
Richtung von + nach – negativ sein muss).<br />
D.h. I2 · R2 = I1 · R1 .<br />
Damit ist also UQ ebenfalls<br />
UQ = I2 · R2 o<strong>der</strong> I2 = UQ/R2<br />
Kombination <strong>der</strong> drei Gleichungen ergibt:<br />
U U U<br />
I = = I + I = +<br />
Q Q Q<br />
0<br />
Rges 1 2<br />
R1 R2<br />
bzw. nach Division durch UQ:<br />
1 1 1<br />
= +<br />
R R R<br />
ges<br />
1 2<br />
o<strong>der</strong> allgemein:<br />
1 1<br />
= ∑<br />
R R<br />
ges, par i i<br />
5.2.12.5 Wheatston’sche Brückenschaltung zur Messung von unbekannten<br />
Wi<strong>der</strong>ständen<br />
Sir Charles Wheatstone (1802-1875)<br />
An einem regelbaren Wi<strong>der</strong>stand (Potenziometer) wird zwischen AB eine<br />
Spannung U angelegt. In <strong>der</strong> Brücke CS liegt ein Strommessgerät. R sei ein<br />
bekannter Wi<strong>der</strong>stand, Rx <strong>der</strong> gesuchte Wi<strong>der</strong>stand.
<strong>Elektrodynamik</strong> 51<br />
Wir nun <strong>der</strong> Schleifkontakt S<br />
so lange verschoben, bis <strong>der</strong><br />
Brückenstrom I verschwindet<br />
(I = 0), dann lässt sich <strong>der</strong><br />
gesuchte Wi<strong>der</strong>stand über<br />
Kombination <strong>der</strong> Knotenregel<br />
Iges = Iobenrum + Iuntenrum <strong>und</strong> die<br />
Maschenregel für ACS <strong>und</strong><br />
SCB wie folgt berechnen:<br />
Maschenregel ACS:<br />
-R·IO + R1·IU = 0<br />
Maschenregel SBC:<br />
- R2·IU + Rx·IO = 0<br />
Durch Division <strong>der</strong> beiden Gleichungen (nach Umstellung) <strong>und</strong> Berücksichtigung<br />
von R = ρ ⋅<br />
A<br />
ℓ ergibt sich:<br />
R R1<br />
1 = =<br />
R R<br />
ℓ<br />
ℓ <strong>und</strong> damit ℓ2<br />
Rx= ⋅R.<br />
ℓ<br />
x<br />
2 2<br />
5.2.13 Chemische Strom- <strong>und</strong> Spannungsquellen<br />
1<br />
Damit Strom fließen kann, müssen zunächst positive <strong>und</strong> negative Ladungen<br />
voneinan<strong>der</strong> getrennt werden, d.h. gegen die zwischen den ungleichnamigen<br />
Ladungen wirkende Coulomb-Kraft muss Arbeit geleistet werden, um eine<br />
Spannung U aufzubauen. Diese Arbeit kann durch<br />
• mechanische Energie (z.B. van de Graaff-Generator, Piezoelektrika, ...),<br />
• (bio-) chemische Energie (Zuckermetabolismus, Metallsalzbildung, ...),<br />
• Lichtenergie (sog. Photoeffekt)<br />
• Wärmeenergie (Pyroelektrika) o<strong>der</strong><br />
• Kernenergie (Zerfall von instabilen Elementen, u.a. unter<br />
Wärmeentwicklung, die zum Antrieb von Turbinen genutzt werden kann)<br />
geleistet werden.<br />
5.2.13.1 Biologische Spannungserzeugung<br />
Zum Beispiel über <strong>der</strong> Membran einer Nerven- o<strong>der</strong> Herzmuskelzelle liegt eine<br />
Spannung. Diese wird durch eine aktive Membranpumpe erzeugt, die Na + nach<br />
außen <strong>und</strong> K + nach innen transportiert. Die dazu erfor<strong>der</strong>liche Energie wird durch<br />
Hydrolyse von Adenosintriphosphat (ATP), <strong>der</strong> sog. „Energiewährung <strong>der</strong> Zelle“<br />
erzeugt.<br />
5.2.13.2 Elektrochemische Zellen<br />
In einer elektrochemischen Zelle tauchen zwei Leiter, die sog. Elektroden, in eine<br />
salzhaltige Lösung, den Elektrolyt, ein.
52 Experimentalphysik 1 für Biologen & Chemiker<br />
Taucht ein Metall in einen Elektrolyten,<br />
so gehen einige positive Metallionen M n+<br />
in Lösung <strong>und</strong> lassen n·e - (Elektronen) im<br />
Metall zurück; es baut sich also eine<br />
Spannung auf. Die Energie kommt aus<br />
<strong>der</strong> freiwilligen Ausbildung einer<br />
Hydrathülle um das Metallkation in <strong>der</strong><br />
Lösung. Diese Spannung, die<br />
Galvanispannung Δϕ genannt wird,<br />
lässt sich allerdings nicht messen.<br />
(Luigi Galvani, 1737-1798)<br />
Verschiedene Metalle haben jedoch eine<br />
unterschiedlich große Tendenz sich zu<br />
lösen. Tauchen also zwei verschiedene<br />
Elektroden in denselben Elektrolyten,<br />
kann eine Spannung zwischen ihnen<br />
gemessen werden, die <strong>der</strong> Differenz <strong>der</strong><br />
beiden Galvanispannungen entspricht.<br />
Allgemein gilt, dass freiwillig ablaufende<br />
chemische Reaktionen, bei denen<br />
Ladungen ausgetauscht werden (Redox-<br />
Reaktionen), zum Aufbau einer<br />
Spannung führen, wenn sich die beiden<br />
Teilreaktionen, die e - liefern bzw.<br />
verbrauchen, räumlich voneinan<strong>der</strong><br />
trennen lassen.<br />
Beispiel aus <strong>der</strong> Biologie: Bakterien in den Sedimenten des Meeresbodens<br />
erzeugen schwefelhaltige Verbindungen, die sich leicht oxidieren lassen.<br />
Forscher an <strong>der</strong> <strong>der</strong> <strong>Universität</strong> im argentinischen Mar del Plata haben<br />
herausgef<strong>und</strong>en, dass sich die dabei freiwerdenden Elektronen über eine im<br />
Meeresboden versenkte Graphitelektrode eingesammelt lassen. Wird diese<br />
Anode über ein Kabel mit dem Stahlgerüst einer Bohrinsel verb<strong>und</strong>en, kann die<br />
Korrosion dieses Gerüstes im Meerwasser verhin<strong>der</strong>t o<strong>der</strong> sogar rückgängig<br />
gemacht werden.<br />
Quelle: http://www.pressetext.de/pte.mc?pte=061030021<br />
Wird umgekehrt von außen eine Spannung angelegt, laufen unfreiwillige<br />
Reaktionen ab; es wird dann von Elektrolyse gesprochen.<br />
5.2.13.3 Batterien <strong>und</strong> Brennstoffzellen<br />
In Batterien werden die chemischen Ausgangsstoffe verbraucht. In<br />
Akkumulatoren (Blei-Akku (Autobatterie), NiCd-Akkus, Metallhydrid-Akkus, Li-<br />
Ionen-Akkus) können sie teilweise wie<strong>der</strong> regeneriert werden. Beides sind<br />
Systeme ohne Stoffaustausch mit <strong>der</strong> Außenwelt.
<strong>Elektrodynamik</strong> 53<br />
Bleiakkumulator: a) Aufbau des Akkumulators; b) Spannungsverlauf <strong>und</strong> chemische Reaktion beim<br />
Aufladen (A) (Anode = +Pol, Kathode = -Pol) <strong>und</strong> Entladen (E) (Anode = -Pol, Kathode = +Pol). Quelle:<br />
Demtrö<strong>der</strong> 2, Abb. 2.49, S. 69<br />
Zur Bezeichnungskonvention von Anode <strong>und</strong> Kathode:<br />
An Anoden werden Substanzen oxidiert, d.h. Elektronen treten immer in den<br />
Leiter ein, an Kathoden werden Substanzen reduziert, d.h. die Elektronen treten<br />
immer aus dem Leiter aus. Innerhalb des Stromkreises wan<strong>der</strong>n dann die an <strong>der</strong><br />
Anode eingesammelten Elektronen zur Kathode zurück. Allerdings können<br />
Anode <strong>und</strong> Kathode unterschiedliche Polaritäten annehmen, je nach dem, ob<br />
das betrachtete System Ladungen an einen Verbraucher abgeben kann (z.B.<br />
Entladung einer Batterie: Anode: -, Kathode: +) o<strong>der</strong> Ladungen einsammelt (z.B.<br />
Aufladen einer Batterie: Anode: +, Kathode: -).<br />
Prozess Oxidation einer<br />
Substanz, die<br />
Elektronen abgeben<br />
kann, sich also im<br />
reduzierten Zustand<br />
befindet (=red):<br />
Entladen einer Batterie<br />
(d.h. die Batterie ist hier<br />
ein galvan. Element)<br />
Aufladen einer Batterie<br />
(d.h. im Medium findet<br />
Elektrolyse statt)<br />
Anode Kathode<br />
red ox n e −<br />
→ + ⋅<br />
Reduktion einer<br />
Substanz, die<br />
Elektronen aufnehmen<br />
kann, sich also im<br />
oxidierten Zustand<br />
befindet (=ox):<br />
−<br />
ox + n⋅e → red<br />
- +<br />
+ -<br />
Beim Vergleich von Elektrolyse (Aufladen) <strong>und</strong> Galvanischem Element (Entladen)<br />
kehren sich nicht die Pol-Zeichen um. Jedoch än<strong>der</strong>t sich die Richtung des<br />
Elektronenflusses, also kehren sich die Vorgänge "Reduktion" <strong>und</strong> "Oxidation"<br />
um. Das gilt letztlich dann auch für die Bezeichnungen "Anode" <strong>und</strong> "Kathode".<br />
Bei wie<strong>der</strong> aufladbaren Batterien kann <strong>der</strong>selbe Pol also abwechselnd als Anode<br />
o<strong>der</strong> Kathode arbeiten, je nachdem ob die Batterie entladen o<strong>der</strong> geladen wird.
54 Experimentalphysik 1 für Biologen & Chemiker<br />
Aufbau einer Batterie (links) <strong>und</strong> eines aufladbaren 12V-Blei-Akkus, wie er beispielsweise in Autos<br />
eingesetzt wird. Quelle: Tipler S. 761<br />
Brennstoffzellen funktionieren wie Batterien. Allerdings werden bei ihnen die<br />
Reaktanden kontinuierlich zugeführt, z.B. H2 <strong>und</strong> O2, die an zwei verschiedenen<br />
Elektroden zu H + bzw. OH - reagieren, d.h. im Prinzip H2O bilden.<br />
5.2.13.4 Klemmspannung <strong>und</strong> Innenwi<strong>der</strong>stand einer Spannungsquelle<br />
Wird eine Spannungsquelle nicht belastet, d.h. fließt kein Strom, so liegt als<br />
Klemmspannung an den beiden Polen <strong>der</strong> Spannungsquelle die sog.<br />
Quellenspannung o<strong>der</strong> elektromotorische Kraft (EMK) U0 an. Jede Quelle<br />
besitzt jedoch einen Innenwi<strong>der</strong>stand, Ri, da die Ladungsträger vom Ort <strong>der</strong><br />
Trennung zu den Klemmen transportiert werden müssen. Fließt jetzt außen ein<br />
Strom über einen äußeren Wi<strong>der</strong>stand Ra (Verbraucher) ab, dann hat die für den<br />
Verbraucher zur Verfügung stehende, d.h. abgreifbare Klemmspannung UKlemm<br />
den Wert<br />
U<br />
U = U −I⋅ R = U − ⋅R<br />
Klemm 0 i 0<br />
Ri 0<br />
+ Ra<br />
i<br />
mit Rges = Ri + Ra <strong>und</strong> dem Ohm’schen Gesetz U0 = Rges·I.<br />
Ist <strong>der</strong> Innenwi<strong>der</strong>stand Ri sehr klein, dann ist UKlemm praktisch unabhängig von<br />
Ri, sonst aber nicht.
<strong>Elektrodynamik</strong> 55<br />
Wächst <strong>der</strong> Strom so weit an, dass I · Ri = U0 wird, dann liegt keine Spannung<br />
mehr an. Dies kann durch einen Kurzschluss erreicht werden, d.h. indem die<br />
beiden Pole mit einem Leiter mit verschwindend geringem Wi<strong>der</strong>stand direkt<br />
verb<strong>und</strong>en werden (nicht ausprobieren!).<br />
5.2.13.5 Strom- <strong>und</strong> Spannungsmessung<br />
Soll eine Spannung gemessen werden, dürfen auch im Messgerät keine großen<br />
Ströme fließen, d.h. das Messgerät muss einen hohen Innenwi<strong>der</strong>stand Ri<br />
haben. Voltmeter zur Spannungsmessung werden immer parallel zu einem<br />
Stromkreis angeschlossen, damit möglichst kein Strom durch das Voltmeter<br />
fließen kann, <strong>der</strong> Gesamtwi<strong>der</strong>stand des zu vermessenden Stromkreises also<br />
nicht (merklich) verän<strong>der</strong>t wird.<br />
Umgekehrt dürfen bei <strong>der</strong> Strommessung keine hohen Innenwi<strong>der</strong>stände<br />
vorliegen, die den Strom begrenzen würden. Amperemeter zur Strommessung<br />
werden immer in Serie in einen Stromkreis eingebaut, damit <strong>der</strong> Strom (d.h. alle<br />
Ladungen) durch sie hindurchfließen kann.
E3.1 Magnete <strong>und</strong> <strong>der</strong>en<br />
Eigenschaften<br />
56 Experimentalphysik 2 für Biologen & Chemiker<br />
V08 Magnetismus: Phänomenologie <strong>und</strong> Feldlinienverlauf,<br />
Kräfte in stromdurchflossenen Leitern, Hall-Effekt<br />
Wie<strong>der</strong>holung<br />
• Die von einem Strom erbrachte Leistung P ist das Produkt aus Strom <strong>und</strong><br />
Spannung.<br />
• Die beiden Kirchhoff’schen Regeln gestatten die eindeutige Berechnung<br />
von Strömen <strong>und</strong> Spannungen in Stromnetzwerken. Die Knotenregel<br />
besagt, dass an einer Verzweigung ankommende Ladungen auch wie<strong>der</strong><br />
vollständig abfließen müssen. Die Maschenregel besagt, dass in einer<br />
Stromschleife die Summe <strong>der</strong> Spannungen gleich Null sein muss. Zwei<br />
Unterregeln, die Wi<strong>der</strong>standsregel <strong>und</strong> die Spannungsquellenregel,<br />
gestatten die eindeutige Bestimmung <strong>der</strong> zu wählenden Vorzeichen beim<br />
Anwenden <strong>der</strong> Kirchhoff’schen Regeln.<br />
• Anhand <strong>der</strong> Kirchhoff’schen Regeln konnten wir die beiden Beziehungen<br />
für die Reihen- bzw. Parallelschaltung von Wi<strong>der</strong>ständen herleiten. Bei<br />
einer Reihenschaltung addieren sich die Einzelwi<strong>der</strong>stände zum<br />
Gesamtwi<strong>der</strong>stand, bei Parallelschaltung addieren sich die Kehrwerte <strong>der</strong><br />
Einzelwi<strong>der</strong>stände zum Kehrwert des Gesamtwi<strong>der</strong>stands (vgl.<br />
Verschaltung von Kondensatoren, bei denen sich die Berechnung <strong>der</strong><br />
Gesamtkapazität genau umgekehrt verhält).<br />
• Die Kirchhoff’schen Regeln gestatten es u.a. mithilfe <strong>der</strong> sog.<br />
Wheatstone’schen Brückenschaltung unbekannte Wi<strong>der</strong>stände zu<br />
bestimmen.<br />
• Es gibt verschiedene Möglichkeiten, Ladungen zu trennen, d.h.<br />
Spannungsquellen zu bauen: mechanische Trennung (van <strong>der</strong> Graaf,<br />
Rotation einer Spule in einem Generator im Magnetfeld (Besprechung in<br />
einer <strong>der</strong> folgenden St<strong>und</strong>en); chemische Redox-Reaktionen in<br />
Gegenwart von Elektroden, u.a. Brennstoffzellen; Solarzellen, Kernzerfall<br />
(zur Wärmeerzeugung)).<br />
• Wir hatten festgestellt, dass Spannungsquellen einen Innenwi<strong>der</strong>stand<br />
besitzen, <strong>der</strong> sich bei Stromfluss bemerkbar macht.<br />
• Strommessungen müssen mit einem Gerät mit geringem Innenwi<strong>der</strong>stand<br />
des Messgerätes durchgeführt werden, Spannungsmessungen mit einem<br />
sehr hohen Innenwi<strong>der</strong>stand (am besten mehrere Größenordnungen<br />
höher als <strong>der</strong> größte im Schaltkreis vorhandene Wi<strong>der</strong>stand).<br />
5.3 Magnetostatik<br />
Neben <strong>der</strong> Gravitationskraft <strong>und</strong> <strong>der</strong> elektrostatischen Kraft wirkt im Alltag eine<br />
weitere Kraft, die sowohl<br />
auftritt.<br />
• zwischen zwei Permanentmagneten, als auch<br />
• zwischen zwei elektrischen Strömen<br />
Permanentmagnete zeigen folgende Eigenschaften:<br />
• Stabmagnete haben zwei verschiedene Enden, den sog. Nord-<br />
(N) <strong>und</strong> den Südpol (S) (vgl. Ladungen: Plus- <strong>und</strong> Minuspol).<br />
• Nordpol <strong>und</strong> Südpol ziehen sich gegenseitig an, gleichnamige<br />
Pole stoßen sich ab (vgl. Ladungen: entgegengesetzte<br />
Ladungen ziehen sich an, gleichnamige stoßen sich ab).
<strong>Elektrodynamik</strong> 57<br />
Typische Bil<strong>der</strong><br />
• Hängt man einen Stabmagneten freihängend auf, dreht er sich,<br />
bis ein Ende zum (magnetischen) Nordpol <strong>der</strong> Erde zeigt.<br />
• Wird ein Pol vom Magneten abgetrennt, entstehen wie<strong>der</strong><br />
(kleinere) Stäbe mit Nord- <strong>und</strong> Südpol. Es gibt also keine<br />
isolierten magnetischen Pole (d.h. keine magnetischen<br />
Monopole) (vgl. elektrische Ladung: dort müssen Ladungen<br />
nicht immer paarweise auftreten, d.h. sie positive <strong>und</strong> negative<br />
Ladungen lassen sich voneinan<strong>der</strong> isolieren). An<strong>der</strong>s als bei<br />
elektrischen Fel<strong>der</strong>n treten magnetische Pole also nur<br />
paarweise auf; es gibt bei Magneten also keine Quellen o<strong>der</strong><br />
Senken des magnetischen Feldes.<br />
• Eisenfeilspäne verhalten sich in <strong>der</strong> Nähe eines Magneten wie<br />
die Grießkörner in <strong>der</strong> Nähe elektrischen Ladungen, d.h. sie<br />
richten sich entlang von Linien, den magnetischen Feldlinien<br />
aus.<br />
• Magnetische Feldlinien bilden immer geschlossene Schleifen.<br />
Links: Stabmagnet mit geschlossenen Magnetfeldlinien, die außerhalb des Magneten von N nach S<br />
verlaufen, innerhalb des Magneten von S nach N. Mitte: „Kuhmagnet“ mit Eisenfeilspänen, die sich<br />
entlang <strong>der</strong> magn. Feldlinien anordnen. Er wird in Kuhmägen hinabgelassen, um verschluckten<br />
scharfkantigen Eisenschrott aufzufischen, ehe er die Darmwand zerstören könnte. Rechts:<br />
Hufeisenmagnet mit geschlossenen Feldlinien. Quellen: Halliday, Kap. 29-.2; Staudt.<br />
Geschlossener Feldlinienverlauf für einen Stabmagnet (links) <strong>und</strong> einen<br />
Hufeisenmagnet (rechts): Außen zeigen die Feldlinien vom magnetischen Nord-<br />
zum Südpol; im Inneren des Magneten verlaufen sie demnach vom Südpol zum<br />
Nordpol. Im rechten Bild lässt sich erkennen, dass die magnetischen Feldlinien<br />
an den Stirnseiten parallel verlaufen. Genau wie bei elektrischen Fel<strong>der</strong>n<br />
zwischen parallelen Kondensatorplatten ist dort das magnetische Feld homogen.<br />
Bei nicht-parallelen Feldlinien (z.B. an Kanten o<strong>der</strong> Ecken) wird von einem<br />
inhomogenen Feld gesprochen.<br />
Im Jahre 1809 entdeckte Hans Christian Ørsted (1777 - 1851), dass auch<br />
elektrische Ströme von magnetischen Feldlinien umgeben sind.<br />
E3.8 Magnetfeldlinien<br />
von Permanentmagneten<br />
E3.9 Magnetfeld eines<br />
geraden Stroms
58 Experimentalphysik 1 für Biologen & Chemiker<br />
Die Magnetfeldlinien um einen<br />
geraden, stromdurchflossenen<br />
Draht sind geschlossene,<br />
konzentrische Kreise; es wird<br />
von einem Wirbelfeld<br />
gesprochen. Polt man den Strom<br />
um, än<strong>der</strong>t sich <strong>der</strong>en Drehsinn,<br />
<strong>der</strong> immer eine Rechtsschraube<br />
mit <strong>der</strong> Stromrichtung einnimmt.<br />
(Rechte-Hand-Regel: zeigt <strong>der</strong><br />
Daumen in die technische<br />
Stromrichtung I, dann geben die<br />
gekrümmten Finger die (Dreh-)<br />
Richtung <strong>der</strong> Magnetfeldlinien<br />
an.)<br />
5.3.1 Die Ursachen des magnetischen Feldes sind bewegte Ladungen<br />
Elektrische Ströme, d.h. bewegte Ladungen, sind die alleinige Quelle <strong>der</strong><br />
magnetischen Fel<strong>der</strong>. Der Magnetismus von Permanentmagneten kann auf<br />
molekulare Ringströme im Material zurückgeführt werden.<br />
Ursache für das elektrische Feld E sind also die ruhenden Ladungen, wogegen<br />
bewegte Ladungen (zusätzlich) ein Magnetfeld B erzeugen. Ein Vergleich <strong>der</strong><br />
Beträge von E- <strong>und</strong> B-Fel<strong>der</strong>n ergibt sich sehr ähnelnde Ausdrücke:<br />
E-Feld B-Feld<br />
E<br />
F<br />
q<br />
F<br />
B =<br />
q⋅v E<br />
B<br />
=<br />
Der Betrag des E-Feldes ist definiert über die Kraft,<br />
die im E-Feld einer an<strong>der</strong>en Ladung auf eine<br />
ruhende Probeladung q wirkt.<br />
Der Betrag des B-Feldes ist definiert über die Kraft,<br />
die auf eine mit <strong>der</strong> Geschwindigkeit v im<br />
Magnetfeld B bewegte Probeladung q wirkt.<br />
Das Magnetfeld B am Punkt P, d.h. im Abstand r einer sich mit <strong>der</strong><br />
Geschwindigkeit v bewegenden Ladung q beträgt:<br />
µ q ⋅ v × rˆ<br />
4 ⋅πr<br />
0 B = ⋅ <strong>und</strong><br />
2<br />
µ<br />
4 ⋅π<br />
q ⋅ v ⋅ rˆ⋅sinθ<br />
0 B = ⋅<br />
.<br />
2<br />
Darin ist µ0 die sog. Permeabilität des<br />
Vakuums (o<strong>der</strong> auch magnetische<br />
Feldkonstante) mit µ0 = 4·π·10 -7 V·s·A -1 ·<br />
m -1<br />
r<br />
Das magnetische Feld zeigt senkrecht in die<br />
Papierebene hinein (Kreuzsymbol). Quelle:<br />
Tipler, Abb. 25.1, S. 844
<strong>Elektrodynamik</strong> 59<br />
r r<br />
(zur Wie<strong>der</strong>holung) r= ˆ =<br />
r r<br />
<strong>der</strong> Radius-Einheitsvektor <strong>der</strong> die Richtung des<br />
Abstands r zum betrachteten Punkt P hat, aber dessen Betrag Eins ist, r= ˆ 1.<br />
Bei genauer Betrachtung entdecken Sie, dass <strong>der</strong> Ausdruck für B dem<br />
Coulomb’schen Gesetz für das elektrische Feld E ähnelt:<br />
1 q<br />
E = ⋅ ⋅r<br />
ˆ . 2<br />
4 ⋅π ⋅ε<br />
r<br />
0<br />
Beachten Sie jedoch: Während das elektrische Feld (für eine positive Ladung)<br />
radial von <strong>der</strong> Punktladung zum Punkt P zeigt, also in Richtung des<br />
Verbindungsvektors r, steht das Magnetfeld senkrecht zu r <strong>und</strong> senkrecht zur<br />
Bewegungsrichtung <strong>der</strong> Ladung, (die bei Leitern mit <strong>der</strong> Richtung eines<br />
Stromelements übereinstimmt (s.u.)).<br />
Über die Gleichung für B werden folgende Eigenschaften des Magnetfeldes<br />
deutlich:<br />
• Der Betrag von B ist <strong>der</strong> Ladung q <strong>und</strong> dem Betrag <strong>der</strong> Geschwindigkeit v<br />
proportional <strong>und</strong> än<strong>der</strong>t sich umgekehrt proportional zum Quadrat des<br />
Abstandes r von <strong>der</strong> Ladung.<br />
• In Richtung <strong>der</strong> Bewegung hat das Magnetfeld den Betrag Null. An<br />
an<strong>der</strong>en Punkten im Raum ist es proportional zu sin θ, also sin(∠v, r),<br />
d.h. dem Sinus des Winkels θ zwischen dem Geschwindigkeitsvektor v<br />
<strong>und</strong> dem Vektor r.<br />
• B steht (infolge <strong>der</strong> Definition des Kreuzproduktes) senkrecht auf dem<br />
Geschwindigkeitsvektor v <strong>und</strong> auch senkrecht auf dem Vektor r. Seine<br />
Richtung erhält man durch die Rechte-Hand-Regel (v: Daumen, r:<br />
Zeigefinger; resultierendes B: Mittelfinger; alle drei Finger stehen<br />
senkrecht zueinan<strong>der</strong>). Frage: Steht dies im Wi<strong>der</strong>spruch zur<br />
Beobachtung geschlossener Magnetfeldlinien um ein Leiterelement?<br />
Zeigen Sie für verschiedene Punkte P, dass die Magnetfeldlinien<br />
tatsächlich ein Wirbelfeld bilden.<br />
5.3.2 Das Biot-Savart’sche Gesetz beschreibt das Magnetfeld um einen<br />
stromdurchflossenen Leiter<br />
Zuvor wurde das Magnetfeld von freibeweglichen,<br />
d.h. sich z.B. im Vakuum<br />
bewegenden Ladungen beschrieben. Da<br />
bei einer bewegten Ladungsmenge dq, die<br />
sich in einem Leiterelement <strong>der</strong> Länge dℓ<br />
um genau diese Strecke dℓ in <strong>der</strong> Zeit dt<br />
fortbewegt, das Produkt dq·v auch als<br />
r<br />
dldq r r<br />
dq⋅ v = dq⋅ = ⋅ dl = I⋅dl dt dt<br />
geschrieben werden kann, lässt sich die<br />
Än<strong>der</strong>ung des Magnetfeldes B allerdings<br />
auch schreiben als:<br />
Ein Elektromagnet hebt <strong>und</strong> transportiert<br />
Metallschrott. Quelle: Halliday, Abb. 29-1, S.<br />
808
60 Experimentalphysik 1 für Biologen & Chemiker<br />
r<br />
µ ˆ<br />
0 I⋅ dl×<br />
r<br />
dB=<br />
⋅ <strong>und</strong><br />
2<br />
4 ⋅πr<br />
r<br />
µ I⋅ dl⋅<br />
rˆ⋅sinθ<br />
0 dB<br />
= ⋅<br />
.<br />
2<br />
4 ⋅π<br />
r<br />
Diese Gleichung ist auch als das Biot-<br />
Savart’sche Gesetz bekannt. (Jean-<br />
Baptiste Biot, 1774-1862, franz. <strong>Physik</strong>er<br />
<strong>und</strong> Mathematiker; Felix Savart, 1791-<br />
1841, franz. Arzt <strong>und</strong> <strong>Physik</strong>er).<br />
Quelle: Tipler, Abb. 25.5, S. 848<br />
5.3.3 Das Ampère’sches Durchflutungsgesetz ist das magnetische<br />
Analogon zum Gauß’schen Satz in <strong>der</strong> Elektrostatik<br />
Wird ein unendlich langer gera<strong>der</strong> Leiter betrachtet, durch den <strong>der</strong> Strom I fließt,<br />
dann bilden die magnetischen Feldlinien konzentrische Kreise um diesen Leiter.<br />
Wird nun das Wegintegral entlang eines solchen Kreises um I gebildet, so ergibt<br />
sich mit dem Biot-Savart’schen Gesetz (im Abstand R vom Leiter):<br />
µ I<br />
2⋅πR<br />
0<br />
�B⋅ ds = �B⋅ds⋅ cos(0 ° ) = B�⋅ ds = B⋅ ds = � ⋅ ⋅2⋅π⋅ R <strong>und</strong> damit<br />
∫ ∫ ∫ ∫<br />
� ∫ B⋅ d s = µ 0 ⋅I<br />
für eine beliebige geschlossene Kurve<br />
Ampère’sches Durchflutungsgesetz, Ampère’sches Verkettungsgesetz<br />
µ 0 I<br />
Hinweis: Die Herleitung des Ausdrucks B = ⋅ für das Magnetfeld eines<br />
2 ⋅π<br />
R<br />
langen, geraden, stromdurchflossenen Leiters lässt sich in Lehrbüchern<br />
nachschlagen.<br />
5.3.4 Das Magnetfeld im Zentrum einer Leiterschleife ist direkt<br />
proportional zum Strom <strong>und</strong> umgekehrt proportional zum Radius <strong>der</strong><br />
Schleife<br />
Mit Hilfe des Biot-Savart’schen Gesetzes lässt sich das Magnetfeld B im Zentrum<br />
einer kreisförmigen Leiterschleife mit dem Radius R (also im<br />
Schleifenmittelpunkt) berechnen:<br />
r<br />
µ 0 I⋅dl⋅sinθ µ 0 I r µ 0 I<br />
B = �∫ dB = ∫� ⋅ = ⋅ ⋅ d = ⋅ 2 2 2<br />
4⋅π R 4⋅π R ∫ l�<br />
4⋅π R<br />
µ 0 ⋅I<br />
⋅2⋅π ⋅ R = ,<br />
2⋅R<br />
da <strong>der</strong> Winkel θ zwischen I · dℓ <strong>und</strong> ˆr bzw. R für jedes Stromelement dℓ eines<br />
kreisförmigen Leiters immer 90° beträgt, so dass sinθ immer gleich Eins ist; das<br />
Kreisintegral über alle Stromelemente <strong>der</strong> Länge dℓ entspricht zudem genau dem<br />
Umfang 2·π·R <strong>der</strong> Leiterschleife.
<strong>Elektrodynamik</strong> 61<br />
Die Magnetfel<strong>der</strong>, die von den einzelnen<br />
Stromelementen I· dℓ erzeugt werden, zeigen alle in<br />
Richtung <strong>der</strong> Ringachse, die hier mit <strong>der</strong> x-Achse<br />
zusammenfällt. Quelle: Tipler, Abb. 25.6, S. 848<br />
Magnetfeldlinien eines stromdurchflossenen<br />
Ringes sind über Eisenfeilspäne sichtbar<br />
gemacht. Die zentrale Feldlinie liegt auf <strong>der</strong><br />
Ringachse. Quelle: Tipler, Abb. 25.8, S. 850<br />
5.3.5 Das Magnetfeld im Inneren einer Spule ist homogen: die<br />
magnetischen Feldlinien verlaufen dort parallel<br />
Im Inneren einer langen<br />
Zylin<strong>der</strong>spule <strong>der</strong> Länge ℓ mit<br />
insgesamt N Windungen (d.h. N<br />
einzelnen Leiterschleifen), die von<br />
einem Strom I durchflossen wird,<br />
ergibt sich das Magnetfeld B zu<br />
N<br />
B = µ 0 ⋅ ⋅ I = µ 0 ⋅n⋅I ,<br />
l<br />
wobei n die sog.<br />
Windungszahldichte genannt wird.<br />
(Herleitung siehe Tipler o<strong>der</strong><br />
Staudt.) Die Spule spielt in <strong>der</strong><br />
Magnetostatik die gleiche Rolle wie<br />
<strong>der</strong> Plattenkondensator in <strong>der</strong><br />
Elektrostatik: beide erzeugen im<br />
Innenbereich ein homogenes Feld<br />
(erkennbar an den parallelen<br />
Feldlinien).<br />
Quelle: Tipler, Abb. 25.11, S. 852<br />
5.3.6 Arten von Magnetfel<strong>der</strong>n<br />
So wie das elektrische Feld E die Kraftwirkung zwischen zwei ruhenden<br />
Ladungen vermittelt, so wird durch das sog. Magnetfeld B (auch magnetisches<br />
Feld, magnetische Induktion o<strong>der</strong> magnetische Flussdichte genannt) die<br />
Kraftwirkung zwischen zwei (o<strong>der</strong> mehreren) bewegten Ladungen vermittelt (wir<br />
werden in 5.3.13 sehen, dass über dieses Phänomen die elektrische<br />
Stromstärke, das Ampere, definiert wurde.)<br />
Das Magnetfeld B beschreibt das gesamte herrschende Feld, d.h. alle Ströme,<br />
die zur Fel<strong>der</strong>zeugung beitragen; das können sog. „freie Ströme“ in Leitern o<strong>der</strong><br />
im Vakuum sein o<strong>der</strong> aber „geb<strong>und</strong>ene (Kreis- o<strong>der</strong> Ring-)ströme“ in<br />
Permanentmagneten o<strong>der</strong> in magnetisierter Materie, ... (Diese Anteile werden an<br />
späterer Stelle noch einmal erläutert.)<br />
E3.10 Magnetfeldlinien in<br />
einer Spule
E3.2 Leiterschaukel<br />
62 Experimentalphysik 1 für Biologen & Chemiker<br />
Daneben gibt es noch die sog. magnetische Feldstärke H (auch magnetische<br />
Erregung genannt), die allein die durch die „freien Ströme“ erzeugten<br />
Magnetfel<strong>der</strong> beschreibt.<br />
B <strong>und</strong> H stehen in folgen<strong>der</strong> Beziehung:<br />
B = µ · H = µr · µ0 · H<br />
mit<br />
µ : Permeabilität<br />
µr : Permeabilitätszahl; ist für die meisten Materialien eine Konstante <strong>und</strong><br />
lediglich bei den sog. Ferromagnetika (die werden später noch erklärt)<br />
variabel. Man schreibt es im letzteren Fall danns häufig als µr = f(H), um ihre<br />
Abhängigkeit von <strong>der</strong> magnet. Feldstärke zu kennzeichnen.<br />
<strong>und</strong><br />
µ0 = 4·π·10 -7 V·s·A -1 · m -1 , <strong>der</strong> schon oben erwähnten Permeabilität des<br />
Vakuums bzw. magnetischen Feldkonstante<br />
wobei gilt:<br />
µ<br />
μ r = .<br />
µ<br />
0<br />
5.3.7 Kraftwirkung eines Magnetfeldes auf eine bewegte Ladung<br />
An<strong>der</strong>erseits lässt sich auch beobachten, dass ein Magnetfeld B seinerseits eine<br />
Kraft F auf eine bewegte Ladung q ausübt, die sowohl von <strong>der</strong> Größe als auch<br />
von <strong>der</strong> Geschwindigkeit v <strong>der</strong> Ladung abhängt.<br />
Weiterführende Experimente würden folgende Resultate ergeben:<br />
F ∝ q ; die Kraft auf eine negative Ladung –q ist <strong>der</strong> Kraft auf eine positive<br />
Ladung q entgegengerichtet, wenn sich beide Ladungen mit <strong>der</strong>selben<br />
Geschwindigkeit bewegen.<br />
F ∝ v : die Kraft ist <strong>der</strong> Geschwindigkeit v <strong>der</strong> Ladung proportional<br />
F ⊥ B <strong>und</strong> F ⊥ v : Die Kraft wirkt senkrecht zum Magnetfeld <strong>und</strong> senkrecht zur<br />
Geschwindigkeit <strong>der</strong> Ladung.<br />
F ∝ sin(∠v, B) : Die Kraft ist proportional zum Sinus des Zwischenwinkels<br />
zwischen <strong>der</strong> Geschwindigkeit v <strong>und</strong> dem Magnetfeld B.<br />
Zusammenfassen lassen sich diese Beobachtungen in <strong>der</strong><br />
Gleichung für die sog. Lorentz-Kraft (Hendrik Antoon<br />
Lorentz, 1853 – 1928, nie<strong>der</strong>ländischer Mathematiker <strong>und</strong><br />
<strong>Physik</strong>er):<br />
o<strong>der</strong> betragsmäßig<br />
F = q ⋅ v × B<br />
L<br />
F = q ⋅ v ⋅ B ⋅sin( ∠vB<br />
, ) .<br />
L<br />
Alle drei Vektoren stehen<br />
senkrecht aufeinan<strong>der</strong>.<br />
Sie folgen <strong>der</strong> Rechte-<br />
Hand-Regel.<br />
Es handelt sich wie<strong>der</strong> um ein Kreuzprodukt, das <strong>der</strong> Rechte-Hand-Regel folgt<br />
(v: Daumen, B: Zeigefinger; resultierende Lorentzkraft F: Mittelfinger; alle drei<br />
Finger stehen senkrecht zueinan<strong>der</strong>).<br />
Daraus ergibt sich als Einheit für B das Tesla (nach Auflösen auf B):
<strong>Elektrodynamik</strong> 63<br />
N s N V ⋅s<br />
[ B] = 1 ⋅ = = = 1T = 1Tesla<br />
.<br />
2<br />
C m A⋅m m<br />
Das Erdmagnetfeld hat die Größenordung von 10 -4 T. Eine weit verbreitete<br />
historische Einheit ist das Gauß (G). Die Umrechnung in Tesla ist 1 T = 10 4 G.<br />
Über die bereits oben genannte Beziehung B = µr · µ0 · H ergibt sich als Einheit<br />
für die magnetische Feldstärke H:<br />
[ ] 1 A<br />
H = .<br />
m<br />
Auch hier lässt sich die Kraft bewegter Ladungen in einem Leiterabschnitt ℓ über<br />
die Stromstärke I über den bereits oben verwendeten Zusammenhang q·v = I·ℓ<br />
beschreiben. Damit ergibt sich die Lorenzkraft eines Magnetfeldes auf einen<br />
stromdurchflossenen Leiter:<br />
r<br />
F = I ⋅ l × B<br />
o<strong>der</strong> für ein infinitesimal kurzes Drahtstück <strong>der</strong> Länge dℓ:<br />
r<br />
dF = I⋅ dl<br />
× B.<br />
L<br />
L<br />
Ein weiterer wichtiger Unterschied zwischen elektrischen <strong>und</strong> magnetischen<br />
Fel<strong>der</strong>n ist also die Richtung <strong>der</strong> Kraftwirkung:<br />
Die Kraft, die ein elektrisches Feld auf eine Ladung ausübt, wirkt längs <strong>der</strong><br />
Feldlinien, während die Kraft eines Magnetfeldes nur auf eine bewegte Ladung<br />
wirkt, <strong>und</strong> zwar senkrecht zum Feld <strong>und</strong> zur Bewegungsrichtung.<br />
5.3.8 Bewegung einer Punktladung im Magnetfeld<br />
Ein wichtiges Merkmal <strong>der</strong> Kraft, die ein Magnetfeld auf eine sich durch das Feld<br />
bewegende Ladung ausübt, ist, dass sie nur senkrecht zur Bewegungsrichtung<br />
wirkt. Daher wird zwar die Richtung, nicht aber <strong>der</strong> Betrag <strong>der</strong> Geschwindigkeit<br />
eines geladenen Teilchens geän<strong>der</strong>t. Das Magnetfeld leistet somit keine Arbeit<br />
an einem Teilchen <strong>und</strong> hat keinen Einfluss auf seine kinetische Energie.<br />
(Erinnern Sie sich an die Zentripetalkraft, für die das gleiche galt.)<br />
Bewegt sich eine Ladung q genau senkrecht zu<br />
einem homogenen Magnetfeld B, dann beschreibt<br />
die Ladung eine Kreisbahn. Offenbar stellt die<br />
Lorentzkraft FL also genau die Zentripetalkraft FZp<br />
zur Verfügung, die die Ladung auf <strong>der</strong> Kreisbahn<br />
hält:<br />
2<br />
m⋅v FZp = = q⋅v ⋅ B = FL.<br />
r<br />
Daraus ergibt sich <strong>der</strong> Radius <strong>der</strong> Kreisbahn durch<br />
Umstellung zu:<br />
m⋅v r = .<br />
q⋅B Quelle: Tipler, Abb. 24.9, S. 818<br />
Die Zeit T, die die Ladung für einen Bahnumlauf (d.h. einen Kreisumfang)<br />
benötigt, ist über den Dreisatz (bzw. die Definition für die Geschwindigkeit: ein<br />
Kreisumfang pro Umlaufzeit T) <strong>und</strong> Einsetzen des für r gef<strong>und</strong>enen Ausdrucks:<br />
E3.4 Kraftwirkung<br />
zwischen zwei parallelen<br />
stromdurchflossenen<br />
Leitern vs. senkrecht<br />
zueinan<strong>der</strong><br />
angeordneten Leitern<br />
E3.6 Fadenstrahlrohr
64 Experimentalphysik 1 für Biologen & Chemiker<br />
Die Umlauffrequenz<br />
ist also unabhängig vom Bahnradius.<br />
5.3.9 Massenspektrometer<br />
2⋅π ⋅r 2⋅π<br />
⋅m<br />
T = = .<br />
v q⋅B 1 q⋅B ν = =<br />
T 2 ⋅π ⋅m<br />
In einem Massenspektrometer lassen sich<br />
die Ladungs- zu Masseverhältnisse q/m von<br />
Ionen bekannter Ladungen finden, indem<br />
<strong>der</strong> Radius ihrer Flugbahn in einem<br />
homogenen magnetischen Feld B<br />
gemessen wird. Zunächst werden dazu alle<br />
zu detektierende Ionen durch eine<br />
vorgegebene Spannung U auf die<br />
kinetische Energie<br />
gebracht.<br />
1<br />
2<br />
2<br />
Ekin = ⋅m⋅ v = q⋅ U<br />
Treten sie in ein homogenes Magnetfeld B<br />
ein, dann beschreiben sie dort, wie im<br />
vorangegangenen Abschnitt erläutert, je<br />
nach Masse <strong>und</strong> Geschwindigkeit eine<br />
Kreisbahn mit dem Radius r. Das<br />
Magnetfeld B sortiert die Ionen also nach<br />
ihren Impulsen p = m·v.<br />
Das Magnetfeld zeigt senkrecht aus <strong>der</strong><br />
Papierebene heraus. Quelle: Tipler, Abb.<br />
24.16, S. 824<br />
Durch Ausmessen des Bahnradius r lässt sich also das Ladungs- zu<br />
Masseverhältnis q/m bestimmen:<br />
Durch Einsetzen von<br />
erhält man:<br />
q⋅r ⋅B<br />
v = in<br />
m<br />
q v<br />
= .<br />
m r ⋅B<br />
1<br />
2<br />
q 2⋅U<br />
=<br />
m B ⋅r<br />
2<br />
⋅m⋅ v = q⋅ U <strong>und</strong> Auflösen nach q/m<br />
2 2<br />
So lassen sich also durch Variation von B o<strong>der</strong> U die unterschiedlichen Massen<br />
in den Detektor am Punkt P2 leiten.<br />
Eine Ionenselektion lässt sich auch im elektrischen Feld E durchführen. Dort<br />
müssen Zentripetalkraft <strong>und</strong> Coulombkraft gleich sein, um die Ladung auf einer<br />
Kreisbahn mit dem Radius r zu halten:<br />
2<br />
m⋅v FZp = = q⋅ E = FC<br />
.<br />
r<br />
Daraus folgt für den Radius <strong>der</strong> Kreisbahn:<br />
.
<strong>Elektrodynamik</strong> 65<br />
2<br />
r = =<br />
q⋅E E<br />
2<br />
m⋅v ⋅U<br />
mit U als Plattenspannung des Spektrometers <strong>und</strong> E als elektrische Feldstärke.<br />
Im elektrischen Feld erfolgt also eine Energie–Selektion.<br />
Beson<strong>der</strong>s gute Massentrennung wird erzielt, wenn beide Fel<strong>der</strong> in sog.<br />
doppelfokussierenden Massenspektrometern eingesetzt werden.<br />
5.3.10 Wien’sches Geschwindigkeitsfilter<br />
Tritt ein positiv geladenes Teilchen<br />
+q von links in eine nebenskizzierte<br />
Feldanordnung aus gekreuztem E-<br />
<strong>und</strong> B-Feld ein, so wirkt die<br />
elektrische Kraft q·E nach unten<br />
<strong>und</strong> die magnetische Kraft q·v x B<br />
nach oben. Die Kräfte heben sich<br />
gerade dann auf, wenn<br />
q·E = q·v x B, d.h. die<br />
Geschwindigkeit v gerade<br />
E<br />
v =<br />
B<br />
ist. Damit durchqueren alle Teilchen dieser Geschwindigkeit dieses Gebiet ohne<br />
Ablenkung, egal welche Masse o<strong>der</strong> Ladung sie besitzen.<br />
5.3.11 Hall-Effekt<br />
Mikroskopisch betrachtet wirkt die Lorentzkraft auf die bewegten Ladungsträger,<br />
die Elektronen, die diese Kraft auf das Leitermaterial übertragen. Die Elektronen<br />
werden also in Richtung einer Seite des Leiters in Richtung Leiteroberfläche<br />
beschleunigt. Die daraus resultierende Ladungstrennung (Elektronen vs. pos.<br />
Ionenrümpfe) in einem stromdurchflossenen Leiter wird Hall-Effekt genannt.<br />
Über den Hall-Effekt lassen sich eindeutig die Elektronen als die eigentlichen<br />
Ladungsträger von Strömen identifizieren (<strong>und</strong> nicht etwa positive Ladungen):<br />
Hall-Effekt in einem Metallstreifen: Das Magnetfeld B zeigt in die Papierebene<br />
(Kreuze). Sowohl auf positive Ladungsträger +q (a), die sich von links nach<br />
rechts bewegen, als auch auf negative Ladungsträger –q (b), die sich mit <strong>der</strong><br />
Driftgeschwindigkeit vd von rechts nach links bewegen, übt das Magnetfeld eine<br />
nach oben gerichtete Lorentzkraft FL aus (Rechte-Hand-Regel). Dies führt zu<br />
einer Ladungstrennung, die ihrerseits eine Akkumulation von Ladungen auf <strong>der</strong><br />
Streifenoberfläche zur Folge hat: Die Potenzialdifferenz zwischen oberem <strong>und</strong><br />
unterem Rand des Streifens ist die sog. Hall-Spannung UH
66 Experimentalphysik 1 für Biologen & Chemiker<br />
F q ⋅v ⋅B I⋅B I⋅B U = E⋅ b= ⋅ b = ⋅ b = v ⋅B⋅ b = = A ⋅<br />
q q N q d d<br />
L<br />
H<br />
( V)<br />
⋅ ⋅<br />
H<br />
Erläuterung: Bei <strong>der</strong> mikroskopischen Betrachtung des Stromflusses hatten wir<br />
gesehen, dass sich <strong>der</strong> Strom I über I = N( V) ⋅q⋅vd ⋅ A ausdrücken lässt. Für<br />
einen Metallstreifen <strong>der</strong> Breite b <strong>und</strong> Dicke d ist die Querschnittsfläche A = d · b.<br />
Das Vorzeichen von UH gibt Auskunft darüber, ob q eine positive o<strong>der</strong> negative<br />
Ladung ist. Experimentell wird festgestellt, dass UH < 0 ist <strong>und</strong> damit q = -e ist,<br />
d.h. die Elektronen übernehmen den Ladungstransport in elektrischen Strömen!<br />
AH ist die sog. Hall-Konstante (o<strong>der</strong> auch Hall-Koeffizient). Die AH eines<br />
metallischen Leiters ist eine <strong>der</strong> wichtigsten Materialkenngrößen.<br />
Aus <strong>der</strong> gemessenen Hall-Spannung eines Materials kann auf die Leitfähigkeit σ,<br />
die Elektronenbeweglichkeit u, die Hall-Konstante AH o<strong>der</strong> die<br />
Ladungsträgerdichte N(V) zurück geschlossen werden:<br />
A<br />
H<br />
1 u<br />
= = . (Siehe dazu auch V06.)<br />
N ⋅e<br />
σ<br />
( V)
<strong>Elektrodynamik</strong> 67<br />
V09 Magnetismus: Definition des Ampère, Magnetischer Fluss<br />
<strong>und</strong> Lenz’sche Regel<br />
Wie<strong>der</strong>holung<br />
• Wir hatten eine weitere, uns im Alltag begegnende Wechselwirkung<br />
kennen gelernt, den Magnetismus. Im Gegensatz zu elektrischen Fel<strong>der</strong>n<br />
haben Magnetfel<strong>der</strong> geschlossene statt offene Feldlinien, Nord- <strong>und</strong><br />
Südpol statt positive <strong>und</strong> negative Ladung. Magnete können außerdem<br />
keine Monopole sein (d.h. Nord- <strong>und</strong> Südpol treten immer paarweise auf,<br />
egal wie klein <strong>der</strong> (Permanent-)Magnet wird.<br />
• Wir hatten ein dem Coulomb’schen Gesetz zur Berechnung <strong>der</strong> Kraft bzw.<br />
des elektrischen Feldes E in einem Abstand r von einer Punktladung<br />
analoges Gesetz zur Berechnung des Magnetfeldes B an einem<br />
beliebigen Ort kennen gelernt, das sog. Biot-Savart’sche Gesetz. Das<br />
gestattete uns, Magnetfel<strong>der</strong> im Inneren von Leiterschleifen o<strong>der</strong> Spulen<br />
zu berechnen.<br />
• Im Inneren von Spulen herrscht ein homogenes Magnetfeld, erkennbar an<br />
dem parallelen Verlauf <strong>der</strong> magnetischen Feldlinien, die sich durch<br />
Eisenspäne sichtbar machen lassen.<br />
• Das Magnetfeld B setzt sich aus verschiedenen Anteilen zusammen: <strong>der</strong><br />
magnetischen Feldstärke H, die durch freie Ladungsströme in Leitern<br />
verursacht wird, <strong>und</strong> dem durch geb<strong>und</strong>ene Kreisströme in<br />
Permanentmagneten o<strong>der</strong> magnetisierter Materie verursachte Feld.<br />
• Bewegte Ladungen können nicht nur Magnetfel<strong>der</strong> erzeugen, son<strong>der</strong>n<br />
ihrerseits von Magnetfel<strong>der</strong>n in ihrer Bewegung beeinflusst werden. Die<br />
verantwortliche Kraft ist die sog. Lorentzkraft, die immer senkrecht zur<br />
Bewegungsrichtung <strong>und</strong> senkrecht zum Magnetfeld wirkt.<br />
• Dieses Phänomen lässt sich nutzen, um Ladungen kontrolliert<br />
abzulenken, wie wir am Beispiel des Fadenstrahlrohres, des<br />
Massenspektrometers o<strong>der</strong> des Wien’schen Geschwindigkeitsfilters<br />
gesehen haben.<br />
• In einem Massenspektrometer werden positive Ionen in einem senkrecht<br />
zur Flugrichtung <strong>der</strong> Ionen orientierten Magnetfeld auf Kreisbahnen<br />
gezwungen <strong>und</strong> können so nach ihrem Impuls bzw. ihrer Geschwindigkeit<br />
sortiert werden.<br />
• Schließlich hatten wir den Hall-Effekt kennen gelernt. Über den Hall-Effekt<br />
lassen sich eindeutig die Elektronen als die eigentlichen Ladungsträger<br />
von Strömen identifizieren (<strong>und</strong> nicht etwa positive Ladungen).
E3.18<br />
Stromdurchflossene<br />
Drehspule im perm.<br />
Magnetfeld<br />
68 Experimentalphysik 2 für Biologen & Chemiker<br />
5.3.12 Drehmoment auf Leiterschleifen <strong>und</strong> Magnete: Elektromotor<br />
Betrachtung <strong>der</strong> auf eine<br />
stromdurchflossene Leiterschleife im<br />
homogenen Magnetfeld wirkenden<br />
Lorentzkräfte:<br />
F1 = -F2<br />
F3 = -F4<br />
d.h. die Nettokräfte sind Null. In <strong>der</strong><br />
Aufsicht wird allerdings erkennbar,<br />
dass F3 <strong>und</strong> F4 ein Drehmoment M<br />
auf die Schleife ausüben, falls <strong>der</strong><br />
Flächennormaleneinheitsvektor<br />
<strong>der</strong> Leiterschleife nicht parallel o<strong>der</strong><br />
antiparallel zu den Magnetfeldlinien B<br />
zeigt:<br />
M = r × F (Kraftarm kreuz Kraft)<br />
a a<br />
M = ⋅F3 ⋅ sinα + ⋅F4 ⋅sinα<br />
2 2<br />
a a<br />
= ⋅I⋅b⋅B⋅ sinα + ⋅I⋅b⋅B⋅sinα 2 2<br />
= I⋅a⋅b⋅B⋅sinα = I⋅A⋅B⋅sinα ˆn<br />
In <strong>der</strong> Aufsicht erscheint die Leiterschleife zudem Ähnlichkeit mit einem<br />
elektrischen Dipol µel = q · d zu haben (vgl. V04); sie verhält sich ja in diesem Fall<br />
auch ähnlich: wie sich ein elektrischer Dipol im elektrischen Feld ausrichtet,<br />
richtet sich eine stromdurchflossene Leiterschleife im magnetischen Feld so aus,<br />
dass das Drehmoment Null wird. Daher liegt es nahe, ein magnetisches<br />
Dipolmoment eines ebenen Kreisstromes I zu definieren:<br />
µmag := I · A<br />
wobei A= A ⋅n<br />
ˆ <strong>der</strong> Flächenvektor ist (den<br />
wir schon bei <strong>der</strong> Besprechung des<br />
Gauß’schen Gesetzes kennen gelernt hatten<br />
(V02)).<br />
Damit lässt sich das Drehmoment M, das in<br />
einem homogenen statischen Feld B auf<br />
einen ebenen Kreisstrom I mit dem<br />
magnetischen Dipolmoment µmag wirkt, auch<br />
folgen<strong>der</strong>maßen ausdrücken:<br />
M = µ mag × B mit dem Betrag M = µ mag ⋅B⋅ sinα<br />
.<br />
Auch ein Stabmagnet verhält sich im homogenen Magnetfeld genau wie eine<br />
stromdurchflossene Leiterschleife: Es wirkt ein Drehmoment, das versucht, den<br />
Magneten in Feldrichtung zu drehen.<br />
Zum Vergleich: das Drehmoment auf einen elektrischen Dipol war:<br />
M = µ el × E .
<strong>Elektrodynamik</strong> 69<br />
Hinweis: Verwechseln Sie das magnetische Moment µmag nicht mit <strong>der</strong><br />
Permeabilität µ <strong>und</strong> <strong>der</strong> Permeabilitätszahl µr.<br />
Anwendungen: Elektromotor, Drehspulgalvanometer, ...<br />
Das Funktionsprinzip eines Elektromotors beruht auf dem durch die Lorentzkräfte verursachten Drehmoment<br />
einer (Wechsel-) stromdurchflossenen Leiterschleife in einem homogenen statischen Magnetfeld B. Quelle:<br />
Tipler, Abb. 26.21, S.889<br />
In einem Elektromotor befindet sich eine drehbar gelagerte Leiterschleife in<br />
einem homogenen Magnetfeld B. Fließt durch die Leiterschleife <strong>der</strong> Strom I, dann<br />
wirkt auf sie so lange ein Drehmoment M, bis das magnetische Dipolmoment µmag<br />
(das in die gleiche Richtung wie <strong>der</strong> Flächenvektor A <strong>der</strong> Schleife zeigt) parallel<br />
zum B-Feld steht. In diesem Moment wird <strong>der</strong> Strom durch einen Kommutator<br />
(Polwen<strong>der</strong>) umgepolt, woraufhin sich das Moment <strong>der</strong> Schleife schlagartig um<br />
180° dreht <strong>und</strong> damit eine Fortsetzung <strong>der</strong> Drehung <strong>der</strong> Leiterschleife zur Folge<br />
hat.<br />
5.3.13 Die Einheit <strong>der</strong> Stromstärke, das Ampere, ist über die Kraftwirkung<br />
zweier paralleler gera<strong>der</strong> Leiter definiert<br />
Da Ströme I Magnetfel<strong>der</strong> B erzeugen,<br />
Magnetfel<strong>der</strong> ihrerseits aber<br />
Lorentzkräfte F auf die Ladungen<br />
ausüben, müssen sich zwei gerade <strong>und</strong><br />
parallel zueinan<strong>der</strong> angeordnete Leiter<br />
gegenseitig anziehen, wenn sie in<br />
gleicher Richtung von Strömen<br />
durchflossen werden bzw. gegenseitig<br />
abstoßen, wenn die Stromrichtung<br />
antiparallel ist:<br />
FL,2 = q2<br />
⋅ v2 × B1<br />
r<br />
= I2<br />
⋅Δ l2<br />
× B1<br />
r r<br />
= I2 ⋅Δl2 ⋅B1 ( da B1<br />
⊥Δl2)<br />
r µ 0 ⋅I1<br />
= I2<br />
⋅Δl2 ⋅<br />
2 ⋅π ⋅R<br />
µ 0 I<br />
Hinweis: Die Herleitung des Ausdrucks B = ⋅ für das Magnetfeld eines<br />
2 ⋅π<br />
R<br />
langen, geraden, stromdurchflossenen Leiters lässt sich in Lehrbüchern<br />
nachschlagen.<br />
Die Lorentzkraft FL,2 pro Längenelement Δl2 beträgt demnach:<br />
E3.21<br />
Drehspulgalvanometer<br />
E3.4 Kraftwirkung<br />
zwischen zwei parallelen<br />
stromdurchflossenen<br />
Leitern vs. senkrecht<br />
zueinan<strong>der</strong><br />
angeordneten Leitern
E4.2 Induktion durch<br />
Stabmagnet <strong>und</strong> Spule<br />
70 Experimentalphysik 2 für Biologen & Chemiker<br />
F µ I ⋅ I<br />
= 2 ⋅ ⋅<br />
Δ 2 4 ⋅πR<br />
r l<br />
L,2<br />
0 1 2<br />
.<br />
Die gleiche Überlegung lässt sich für die Lorentzkraft im Leiter 1 durchführen.<br />
Anhand dieser Gleichung lässt sich die Einheit für die Stromstärke nun genau<br />
definieren:<br />
Wenn in zwei geradlinigen, parallelen, sehr langen Leitern, die einen Abstand<br />
von 1 m voneinan<strong>der</strong> haben, Ströme gleicher Stärke fließen, dann ist <strong>der</strong> Strom<br />
in jedem <strong>der</strong> beiden Leiter genau 1 Ampere (1 A), wenn die Kraft pro<br />
Einheitslänge (1 m) zwischen den Leitern 2 · 10 -7 N/m beträgt.<br />
5.3.14 Magnetischer Fluss<br />
Entsprechend zum elektrischen Fluss Φel = E · A<br />
(homogene Fläche) bzw. Φ el = E ⋅dA<br />
(beliebig geformte Oberfläche) (siehe V02) wird<br />
für B <strong>der</strong> magnetische Fluss o<strong>der</strong> auch<br />
Induktionsfluss Φmag definiert:<br />
Φ : = B⋅dA. mag<br />
∫<br />
A<br />
Handelt es sich um eine Spule mit <strong>der</strong><br />
Windungszahl N, dann haben wir N gleiche<br />
Flächenelemente dA. D.h. die Gleichung muss<br />
in diesem Fall mit N multipliziert werden:<br />
Φ : = N⋅ B⋅dA ∫<br />
mag, Spule mit NWindungen<br />
Die Einheit des Magnetischen Flusses ist das Weber (Wb):<br />
2<br />
[ Φ mag ] = 1T ⋅ m = 1Wb<br />
.<br />
5.3.15 Maxwell-Gleichungen für zeitlich konstante Fel<strong>der</strong><br />
Die bisherigen Beobachtungen zu den Eigenschaften elektrischer <strong>und</strong><br />
magnetischer Fel<strong>der</strong> lassen sich in den vier sog. Maxwell-Gleichungen <strong>der</strong><br />
Elektro- <strong>und</strong> Magnetostatik (d.h. für zeitl. konstante Fel<strong>der</strong>) zusammenfassen:<br />
(James Clerk Maxwell, 1831-1879, Schottischer <strong>Physik</strong>er)<br />
M1<br />
M2<br />
M3<br />
M4<br />
Q<br />
Φ el, geschl. Fläche = � ∫E<br />
⋅ dA=<br />
ε<br />
A<br />
0<br />
A<br />
∫<br />
A<br />
Das elektrostatische Feld ist ein Quellenfeld<br />
(Gauß’scher Satz)<br />
Ugeschl. Weg = ∫ E ⋅ ds<br />
= 0 Das elektrische (o<strong>der</strong> besser elektrostatische)<br />
� Feld E ist wirbelfrei, d.h. in <strong>der</strong> Elektrostatik gibt<br />
s<br />
keine geschlossenen elektrischen Feldlinien.<br />
∫ B⋅ d s = µ 0 ⋅I<br />
Das Magnetfeld ist ein Wirbelfeld<br />
�<br />
s<br />
� ∫<br />
Φ = ⋅ =<br />
mag, geschl. Fläche B<br />
A<br />
dA<br />
0<br />
(Ampère’sches Durchflutungsgesetz).<br />
Das Magnetfeld besitzt keine Quellen (d.h. <strong>der</strong><br />
Induktionsfluss durch eine geschlossene Fläche<br />
ist immer gleich Null, da immer gleich viele<br />
Feldlinien durch die Fläche ein <strong>und</strong> austreten).
<strong>Elektrodynamik</strong> 71<br />
Sind die E- <strong>und</strong> B-Fel<strong>der</strong> aus den Maxwell-Gleichungen berechnet worden, dann<br />
lässt sich die Kraft angeben, die auf eine mit <strong>der</strong> Geschwindigkeit v bewegte<br />
Ladung in diesen Fel<strong>der</strong>n wirkt:<br />
F = q⋅ E + ( q⋅<br />
v × B )<br />
Zudem lässt sich über die spezielle Relativitätstheorie folgen<strong>der</strong> Zusammenhang<br />
herleiten:<br />
1<br />
ε 0 ⋅ µ 0 = 2<br />
c<br />
mit c = 2,997 924 58 · 10 8 m·s -1 : Lichtgeschwindigkeit im Vakuum; <strong>und</strong> die bereits<br />
genannten Feldkonstanten: ε0: elektrische Feldkonstante (des Vakuums),<br />
[ε0] = A·s/(V·m); µ0: magnetische Feldkonstante (des Vakuums); [µ0] = V·s/(A·m).<br />
Anmerkung: Wir werden diesen Zusammenhang noch einmal in <strong>der</strong> <strong>Optik</strong> zur<br />
Bestimmung des sog. Brechungsindex=optische Dichte eines Materials<br />
aufgreifen.
72 Experimentalphysik 2 für Biologen & Chemiker<br />
V10 Magnetodynamik<br />
Wie<strong>der</strong>holung<br />
• Werden Leiterschleifen, in denen ein Strom fließt, einem homogenen<br />
Magnetfeld ausgesetzt, dann wirkt auf sie ein durch die Lorentzkraft<br />
bedingtes Drehmoment, das die Schleifenfläche senkrecht zum<br />
Magnetfeld ausrichtet, d.h. <strong>der</strong> Flächennormalenvektor auf <strong>der</strong> Schleife<br />
zeigt damit in Richtung <strong>der</strong> Magnetfeldlinien. Dies gestattete es uns,<br />
einen Elektromotor o<strong>der</strong> ein Drehspulgalvanometer zu bauen.<br />
• Auch auf zwei parallele stromdurchflossene Leiter wirken anziehende<br />
Lorentzkräfte. Dabei werden die erfor<strong>der</strong>lichen Magnetfel<strong>der</strong> von den<br />
Strömen selbst erzeugt. Über diese Anziehungskraft ist die Einheit <strong>der</strong><br />
Stromstärke, das Ampère, definiert.<br />
• Der sog. magn. Fluss ist analog zum elektrischen Fluss, den wir als<br />
gauß’schen Satz kennen gelernt hatten, als Zahl <strong>der</strong> magnetischen<br />
Feldlinien definiert multipliziert mit <strong>der</strong> Fläche, durch die sie<br />
hindurchtreten.<br />
• Die Aussagen <strong>der</strong> Elektrostatik <strong>und</strong> <strong>der</strong> Magnetostatik ließen sich in den 4<br />
sog. Maxwell’schen Gleichungen zusammenfassen; <strong>der</strong>en Kernaussagen<br />
sind: Elektrostatische Fel<strong>der</strong> sind wirbelfreie Quellenfel<strong>der</strong>; Magnetfel<strong>der</strong><br />
sind quellenfreie Wirbelfel<strong>der</strong>.<br />
5.4 Magnetodynamik<br />
5.4.1 Magnetische Induktion<br />
Wir hatten gesehen, dass ein Strom, <strong>der</strong> durch einen Draht fließt, ein Magnetfeld<br />
erzeugt. Umgekehrt kann ein Magnetfeld einen Strom erzeugen, d.h. Ladungen<br />
in eine gerichtete Bewegung versetzen, allerdings nur, wenn sich B zeitlich<br />
än<strong>der</strong>t.<br />
Bisweilen kann man beim Herausziehen eines Netzsteckers einen kleinen<br />
Funken beobachten. Bevor <strong>der</strong> Netzstecker herausgezogen wird, erzeugt <strong>der</strong> im<br />
Kabel fließende Strom ein Magnetfeld, das konzentrisch das Kabel umgibt. Beim<br />
Herausziehen des Netzsteckers wird dieser Strom abrupt unterbrochen. Das<br />
zusammenbrechende Magnetfeld erzeugt eine Spannung, die dem<br />
Zusammenbrechen des Stroms entgegenwirkt, was sich dann in Form des<br />
überspringenden Funkens bemerkbar macht. Ist das Magnetfeld auf null<br />
zurückgegangen, so wird selbstverständlich auch keine Spannung mehr erzeugt.<br />
Spannungen <strong>und</strong> Ströme, die durch die Verän<strong>der</strong>ung von Magnetfel<strong>der</strong>n<br />
entstehen, bezeichnet man als Induktionsspannungen <strong>und</strong> Induktionsströme.<br />
Den Vorgang selbst nennt man magnetische Induktion. Die Größe <strong>der</strong><br />
Induktionsspannung hängt nicht von <strong>der</strong> absoluten Größe des magnetischen<br />
Flusses ab, son<strong>der</strong>n nur von <strong>der</strong> Geschwindigkeit, mit <strong>der</strong> er sich zeitlich än<strong>der</strong>t.<br />
Anmerkung: Sie sehen, dass <strong>der</strong> Begriff <strong>der</strong> Geschwindigkeit allgemein zu<br />
verstehen ist als Än<strong>der</strong>ung einer Größe pro Zeiteinheit. Es muss also nicht immer<br />
die Strecke ds sein, die pro Zeiteinheit dt zurückgelegt wird.
<strong>Elektrodynamik</strong> 73<br />
5.4.2 Induktionsspannung <strong>und</strong> Faraday’sches Gesetz<br />
Experimentell lässt sich zeigen, dass in einem<br />
zeitlich verän<strong>der</strong>lichen Magnetfeld dB/dt in<br />
einer Leiterschleife eine Spannung erzeugt<br />
wird. D.h. jede Än<strong>der</strong>ung des magnetischen<br />
Flusses Φmag durch eine Leiterschleife induziert<br />
(lat. inducere: herbeiführen) eine Spannung Uind<br />
in dieser Schleife, <strong>der</strong>en Stärke proportional zur<br />
Än<strong>der</strong>ung des Flusses Φ mag /dt <strong>und</strong> diesem<br />
entgegen gerichtet ist.<br />
dΦd U = E ⋅ ds =− =− B⋅dA ind<br />
mag<br />
∫<br />
Schleife dt dt ∫<br />
A<br />
Faraday’sches Induktionsgesetz<br />
Die wesentliche Erkenntnis ist, dass ein sich<br />
än<strong>der</strong>ndes Magnetfeld B von einem<br />
quellenfreien elektrischen Wirbelfeld umgeben<br />
ist.<br />
Sind N Leiterschleifen hintereinan<strong>der</strong> als Spule<br />
angeordnet, dann ist die induzierte Spannung<br />
auch N-mal so groß.<br />
Ein sich zeitlich än<strong>der</strong>ndes Magnetfeld B<br />
(zeigt in Papierebene hinein) erzeugt<br />
eine induzierte Spannung U, <strong>der</strong>en<br />
elektrisches Feld in<br />
Gegenuhrzeigerrichtung zeigt. Da sich<br />
positive Ladungen immer entlang <strong>der</strong> E-<br />
Feldlinien bewegen <strong>und</strong> die techn.<br />
Stromrichtung I für pos. Ladungen gilt,<br />
zeigt I ebenfalls in<br />
Gegenuhrzeigerrichtung. (Das neg.<br />
Vorzeichen kehrt also die Rechte-Hand-<br />
Regel um.) Die beschriebenen<br />
Richtungen kehrten sich um, wenn das<br />
Magnetfeld aus <strong>der</strong> Papierebene<br />
herauszeigte. Quelle: Tipler, Abb. 26.5,<br />
S. 879<br />
Eine Spannung wird immer induziert, egal, ob die Leiterschleife offen ist (dann ist<br />
die Spannung an <strong>der</strong>en Enden messbar) o<strong>der</strong> geschlossen. Ein Induktionsstrom<br />
kann natürlich nur dann fließen, wenn die Leiterschleife geschlossen ist (o<strong>der</strong> in<br />
einer offenen Schleife nur dann, wenn sich das B Feld periodisch, d.h. mit einer<br />
sin o<strong>der</strong> cos-Funktion än<strong>der</strong>t. Dazu mehr bei <strong>der</strong> Besprechung von Antennen).<br />
Statt das Magnetfeld zu än<strong>der</strong>n, gestattet es das Faraday-Gesetz auch, die<br />
Leiterschleifenfläche dA zeitlich zu än<strong>der</strong>n.<br />
a) Diese kann sich zum einen durch Än<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> relativen Orientierung von<br />
B-Feld <strong>und</strong> Flächenvektor dA zueinan<strong>der</strong> durch Klappen o<strong>der</strong> Drehen von<br />
α auf β än<strong>der</strong>n, d.h. durch Verstellen des Zwischenwinkels zwischen den<br />
beiden Vektoren B <strong>und</strong> dA. Wie aus <strong>der</strong> Abbildung ersichtlich, än<strong>der</strong>t sich<br />
damit <strong>der</strong> effektive Flächenanteil, <strong>der</strong> senkrecht zum Magnetfeld steht,<br />
von A zu A⊥.<br />
(Erinnern Sie sich daran, dass in<br />
einem Skalarprodukt <strong>der</strong><br />
Zwischenwinkel <strong>der</strong> beiden<br />
Vektoren im cos auftaucht.) Wir<br />
werden auf die Berechnung <strong>der</strong><br />
induzierten Spannung bei <strong>der</strong><br />
Besprechung von Wechselstrom-<br />
Generatoren als Umkehrung<br />
eines Elektromotors noch zu<br />
sprechen kommen.<br />
b) Alternativ lässt sich die Fläche durch Verschiebung eines Leiterbügels<br />
vergrößern o<strong>der</strong> verkleinern, wie die folgende Skizze veranschaulicht:
74 Experimentalphysik 2 für Biologen & Chemiker<br />
Wird <strong>der</strong> Bügel mit <strong>der</strong><br />
Geschwindigkeit v über die<br />
Leiterschleife durch das B-<br />
Feld gezogen, werden die<br />
Elektronen in dem Bügel mit<br />
<strong>der</strong> Geschwindigkeit v<br />
senkrecht zum B-Feld<br />
transportiert. Nach <strong>der</strong><br />
Rechte-Hand-Regel<br />
beschleunigt die Lorentz-Kraft<br />
FL=−e⋅ ( v × B ) also die Elektronen senkrecht zur Bewegung des Bügels<br />
<strong>und</strong> senkrecht zum B-Feld (wegen Vektorprodukt!), was eine zusätzliche<br />
Bewegung <strong>der</strong> Elektronen längs des Bügels zur Folge hat. Aus dieser<br />
Kraft resultiert eine Ladungstrennung, also eine induzierte Spannung Uind,<br />
<strong>der</strong>en elektrisches Feld die Elektronenbewegung hemmt. Das<br />
Gleichgewicht ist dann erreicht, wenn die bremsende Coulombkraft FE<br />
gleich <strong>der</strong> antreibenden Lorentz-Kraft FL ist: FE = FL, also e·E = e·v·B.<br />
E = Uind/b ist dabei die elektrische Feldstärke im Metall. Daraus folgt:<br />
Uind = b⋅v ⋅ B.<br />
Mithilfe von v = dx/dt folgt:<br />
dx db ( ⋅ x) dA<br />
Uind = b⋅ ⋅ B = ⋅ B = ⋅ B<br />
dt dt dt<br />
Zusammenfassung <strong>der</strong> Beobachtungen:<br />
Induktionsvorgänge. Quelle: Hering, Martin, Stohrer, „<strong>Physik</strong> für Ingenieure“, Abb. 4-118<br />
D.h. an<strong>der</strong>s als in <strong>der</strong> Elektrostatik, in <strong>der</strong> das zweite Maxwell’sche Gesetz<br />
besagt, dass die Spannung U entlang einer geschlossenen Kurve (Schleife)<br />
immer gleich Null ist, d.h. das durch ruhende Ladungen q erzeugt EQelle ein<br />
‚konservatives’ Quellenfeld ist, verhält sich in <strong>der</strong> Magnetodynamik das<br />
elektrische Wirbelfeld EWirbel einer induzierten Spannung nicht-konservativ, d.h.<br />
die induzierte Spannung Uind ist ungleich Null.<br />
Das negative Vorzeichen bedeutet Folgendes:<br />
Die durch Induktion erzeugten Fel<strong>der</strong>, Kräfte <strong>und</strong> Ströme sind stets so gerichtet,<br />
dass sie dem die Induktion einleitenden Vorgang (d.h. <strong>der</strong> Ursache <strong>der</strong> Induktion)<br />
entgegenwirken.
<strong>Elektrodynamik</strong> 75<br />
Dieses Prinzip ist als Lenz’sche Regel bekannt. (Heinrich Lenz, 1804 – 1865,<br />
deutscher <strong>Physik</strong>er)<br />
Bewegt sich <strong>der</strong> Stabmagnet auf den leitenden Ring zu, so fließt aufgr<strong>und</strong> <strong>der</strong> induzierten Spannung<br />
Uind ein Strom Iind in <strong>der</strong> eingezeichneten Richtung. Dieser Strom erzeugt seinerseits ein Magnetfeld<br />
(gestrichelt gezeichnet), das <strong>der</strong> magn. Flusszunahme im Ring entgegenwirkt, die ja durch die<br />
Annäherung des Magneten hervorgerufen wird.<br />
Die Lenz’sche Regel folgt aus dem Energieerhaltungssatz. (Ansonsten würde ein<br />
leichtes Anstoßen eines Stabmagneten in Richtung Ring den Magneten zum<br />
Ring hin automatisch beschleunigen, wobei gleichzeitig ein immer größerer<br />
Stromfluss erzeugt würde.)<br />
So wie in diesem Bild schießen wir heute unsere Raumfahrtmissionen ins All. Falls wir eines Tags<br />
beginnen sollten, Bergbau auf dem Mond o<strong>der</strong> auf Asteroiden zu betreiben, wo wir keine Treibstoffquellen<br />
für solche konventionellen Raketen haben, werden wir effizientere Methoden brauchen.<br />
Elektromagnetische Abschussrampen könnten eine Lösung sein. Eine Induktionsschleu<strong>der</strong> (rechts) o<strong>der</strong><br />
eine sog. „elektromagnetische Kanone“ kann heute schon ein Projektil innerhalb einer Millisek<strong>und</strong>e aus<br />
<strong>der</strong> Ruhe auf eine Geschwindigkeit von 10 km/s (36000 km/h) beschleunigen. Quelle: Halliday, Kapitel 30;<br />
Demtrö<strong>der</strong>, Abb. 4.10, S. 121.<br />
Wird <strong>der</strong> Induktionsstrom innerhalb eines Leiters (<strong>und</strong> nicht in einem Stromkreis)<br />
erzeugt, wird von Wirbelströmen gesprochen. Die dort erzeugte Joule’sche<br />
Wärme ist so groß, dass sehr viel mechanische Energie ‚verbraucht’ wird.<br />
Anwendung: Wirbelstrombremse, Schwingungsdämpfung bei empfindlichen<br />
Waagen, Induktionsherde.<br />
E4.20 Induktionspendel<br />
E4.11<br />
Induktionsschleu<strong>der</strong>
Internetinfos:<br />
http://www.schuelerlexiko<br />
n.de/SID/5a50998cb99a<br />
0e5c3498f6e1b3a52ab0/l<br />
exika/physek2/cont/cont0<br />
400/cont0407/full.htm<br />
E4.14<br />
Wirbelstrombremse<br />
76 Experimentalphysik 2 für Biologen & Chemiker<br />
Da B-Fel<strong>der</strong> über den Raum wirken, lässt sich über die zeitliche Än<strong>der</strong>ung des B-<br />
Feldes einer Spule in einer zweiten Spule einen Strom/eine Spannung<br />
induzieren. Dies lässt sich z.B. in Transformatoren ausnutzen (s. V12).<br />
Unterschieden wird zwischen gegenseitiger Induktion (zwischen zwei Spulen)<br />
<strong>und</strong> Selbstinduktion (z.sB. innerhalb einer Spule, in <strong>der</strong> ein zeitlich nichtkonstanter<br />
Strom ein zeitlich nicht-konstantes Magnetfeld aufbaut, das<br />
seinerseits in <strong>der</strong>selben Spule eine Gegenspannung induziert <strong>und</strong> damit den<br />
Stromfluss behin<strong>der</strong>t (s.a. An- <strong>und</strong>-Abschaltvorgänge in einer <strong>der</strong> nächsten<br />
Vorlesungen; Wechselstrom in Spulen)).<br />
Um nicht jedes Mal das Integral Φ mag = B⋅dA berechnen zu müssen, wird<br />
je<strong>der</strong> (Spulen-) Anordnung eine skalare Größe, die Induktivität L zugeordnet, die<br />
auch Selbstinduktionskoeffizient genannt wird:<br />
∫ A<br />
Φ mag = B⋅ dA = L⋅I , wodurch<br />
Uind L<br />
dt<br />
∫ A<br />
dI<br />
=− ⋅ wird.<br />
Die Induktivität einer eng gewickelten Zylin<strong>der</strong>spule ist direkt proportional zum<br />
Quadrat <strong>der</strong> Windungszahldichte n (Zahl <strong>der</strong> Windungen pro Länge l ) <strong>und</strong> dem<br />
Volumen A· l :<br />
2<br />
L = µ 0 ⋅n ⋅A⋅ l = const<br />
Die Einheit <strong>der</strong> Induktivität ist das Henry (H) (Joseph Henry, 1797 –1878,<br />
amerikanischer Wissenschaftler)<br />
V ⋅ s<br />
[ L] = 1 = 1H<br />
.<br />
A<br />
.
<strong>Elektrodynamik</strong> 77<br />
V11 Magnetismus in Materie<br />
Wie<strong>der</strong>holung<br />
• Wir hatten gesehen, dass sich (gemäß des Faraday’schen<br />
Induktionsgesetzes) durch zeitlich verän<strong>der</strong>nde Magnetfel<strong>der</strong> in<br />
geschlossenen Leiterspulen Spannungen <strong>und</strong> Ströme induzieren können.<br />
Sie wirken gemäß <strong>der</strong> Lenz’schen Regel ihrer Ursache entgegen. Die die<br />
Spannung erzeugenden elektrischen Fel<strong>der</strong> sind hier (in <strong>der</strong><br />
<strong>Elektrodynamik</strong>), an<strong>der</strong>s als in <strong>der</strong> Elektrostatik, Wirbelfel<strong>der</strong>.<br />
5.5 Magnetismus in Materie<br />
5.5.1 Materie im Magnetfeld<br />
Wie beim Einbringen von Materie (Dielektrikum) in ein elektrisches Feld E (z.B.<br />
Kondensator) wird auch ein Magnetfeld B durch Materie beeinflusst. Das B-Feld<br />
einer Spule wird z.B. durch das Einbringen von Eisen (Fe) ins Innere <strong>der</strong> Spule<br />
vergrößert, es gilt<br />
BMaterie = μr · BVakuum = μr · μ0 · HVakuum<br />
mit<br />
H: magnetische Feldstärke (also das durch freie Ströme erzeugte Magnetfeld),<br />
μ0 Permeabilität des Vakuums bzw. magnetischen Feldkonstante <strong>und</strong><br />
μr: relative Permeabilität <strong>und</strong> (s.a. V08 <strong>und</strong> V09), die definiert ist als<br />
Induktivität einer Ringspulemit Material L<br />
µ r : = = .<br />
Induktivität einer RingspuleimVakuum L<br />
Wie in V04 <strong>und</strong> V10 gesehen, werden sowohl im elektrischen Feld (elektrische)<br />
als auch im Magnetfeld (magnetische) Dipolmomente induziert <strong>und</strong> permanente<br />
Dipole ausgerichtet.<br />
5.5.2 Magentisches Dipolmoment eines Elektrons: das Bohr’sche<br />
Magneton<br />
Woher kommen die magnetischen Dipolmomente in Materie, wenn diese doch<br />
eigentlich durch Kreisströme (in Leiterschleifen) erzeugt werden?<br />
Im Rahmen des Bohr’schen Atommodells bewegen sich die Elektronen auf<br />
Kreisbahnen um den Atomkern. Diese Bewegung, die häufig über den sog.<br />
Bahndrehimpuls beschrieben wird, verleiht ihnen ein magnetisches<br />
Dipolmoment. (Zusätzlich hat jedes Elektron ein eigenes magnetisches Moment,<br />
das mit seinem sog. Spin (Eigendrehimpuls) verb<strong>und</strong>en ist.)<br />
In abgeschlossenen Schalen gibt es genauso viele e - , die rechts wie links herum<br />
um den Kern umlaufen, so dass nach außen kein permanentes Dipolmoment<br />
sichtbar ist; dieses tritt allerdings bei ungepaarten Elektronen auf.<br />
Für den Strom eines einzelnen e - auf einer Bahn mit Radius R, einer<br />
2 ⋅π⋅R Geschwindigkeit v = , einer Umlaufzeit T <strong>und</strong> einer Masse me gilt:<br />
T<br />
−e −e⋅v I = = .<br />
T 2 ⋅π⋅R vak<br />
E3.23<br />
Magnetfeldverstärkung<br />
durch Eisen
78 Experimentalphysik 1 für Biologen & Chemiker<br />
Jedes Elektron hat klassisch gesehen damit einen<br />
Drehimpuls (Bahndrehimpuls) ur<br />
l = R x p = R x m · v<br />
o<strong>der</strong> betragsmäßig l = R · m · v (für v ⊥ R) (s. <strong>Physik</strong><br />
1). Damit ergibt sich für das magnetische Dipolmoment<br />
µmag eines Elektrons mit <strong>der</strong> Ladung q = -e:<br />
μmag<br />
−e⋅v 2⋅π⋅ R<br />
−e 2⋅m −e<br />
2⋅m<br />
o<strong>der</strong> vektoriell<br />
2<br />
= I⋅ A= ⋅π⋅ R = ⋅v ⋅R⋅ m = ⋅<br />
µ<br />
mag<br />
e ur<br />
=− ⋅l<br />
.<br />
2 ⋅ m<br />
Das Postulat stabiler Elektronenbahnen führt zu einer<br />
Quantisierung des Bahndrehimpulses ur<br />
l , <strong>der</strong> nur ein<br />
Vielfaches <strong>der</strong> Größe h = h/(2·π) sein kann. Das<br />
magnetische Dipolmoment<br />
ur<br />
eines Elektrons mit dem<br />
Bahndrehimpuls l = h wird auch Bohr’sche<br />
Magneton µB genannt <strong>und</strong> hat den Betrag<br />
e h e<br />
µ B = ⋅ = ⋅ = ⋅ A⋅m 2⋅m 2⋅π2⋅m −24<br />
2<br />
h 9,273 10 ,<br />
wobei h = 6,626 075 5 · 10 -34 J·s das Planck’sche<br />
Wirkungsquantum ist.<br />
Frage: Überprüfen Sie anhand <strong>der</strong> Einheiten von l <strong>und</strong><br />
h, ob die Gleichsetzung von Drehimpuls <strong>und</strong><br />
Wirkungsquantum statthaft ist.<br />
l<br />
Ein Elektron bewegt sich mit <strong>der</strong><br />
Tangentialgeschwindigkeit v auf<br />
einer Kreisbahn im Abstand R<br />
um den positiven Atomkern <strong>und</strong><br />
hat daher einen Bahndrehimpuls<br />
ur<br />
l , <strong>der</strong> als Vektor senkrecht aus<br />
<strong>der</strong> Papierebene zeigt.<br />
Quelle: Tipler, Abb. 27.2, S.917<br />
Der Zusammenhang zwischen <strong>der</strong> magnetischen Größe µmag <strong>und</strong> <strong>der</strong><br />
mechanischen Größe ur<br />
l heißt magneto-mechanischer Parallelismus.<br />
Der Quotient aus beiden Größen<br />
µ mag e<br />
γ l = r =−<br />
l 2 ⋅ m<br />
wird magnetogyrisches o<strong>der</strong> gyromagnetisches Verhältnis (hier des<br />
Elektrons) genannt.<br />
Für den Spin eines jeden e - gilt analog:<br />
µ e<br />
= ,<br />
s m<br />
mag<br />
γ =−<br />
wobei sich experimentell ergibt, dass γ doppelt so groß wie im Fall des<br />
Bahndrehimpulses ist. Allgemein lässt sich dieser Zusammenhang formulieren<br />
als<br />
mit den g-Faktoren gl = 1 <strong>und</strong> gs = 2.<br />
µ e<br />
γ = =−g⋅ L 2 ⋅ m
<strong>Elektrodynamik</strong> 79<br />
5.5.3 Magnetisierung<br />
1<br />
Wie im elektrischen Feld die Polarisation P = ⋅∑µ<br />
el, i (s.a. V04) wird hier die<br />
V i<br />
Magnetisierung M eingeführt als Vektorsumme aller magnetischen Dipolmomente<br />
(induziert o<strong>der</strong> permanent) pro Volumeneinheit V:<br />
mit <strong>der</strong> Einheit [M] = 1 A<br />
m .<br />
5.5.4 Magnetische Suszeptibilität<br />
1<br />
M = ⋅∑µ<br />
V<br />
Die von den atomaren Strömen in Materie herrührende Magnetisierung M ist <strong>der</strong><br />
an<strong>der</strong>e Anteil an <strong>der</strong> Gesamtmagnetisierung B (neben <strong>der</strong> von den „freien<br />
Strömen“ (in Leitern) herrührenden magnetischen Feldstärke H, die wir in V09<br />
beschrieben hatten). D.h. B = µ · H = µr · µ0 · H lässt sich jetzt formulieren über<br />
0<br />
i<br />
mag, i<br />
( ) µ B = H + M .<br />
Experimentell zeigt sich (für nicht allzu großes H), dass M ∝ H ist.<br />
M = χ ⋅H<br />
mag<br />
mit <strong>der</strong> magnetischen Suszeptibilität χ mag (lat. suscipere: annehmen,<br />
übernehmen), einer Materialkonstanten als Proportionalitätsfaktor. Ihr Wert<br />
nimmt in <strong>der</strong> Regel mit steigen<strong>der</strong> Temperatur ab. Daraus ergibt sich also<br />
<strong>und</strong><br />
B = µ ⋅µ ⋅ H= µ ( H + χ ⋅ H) = µ (1 + χ ) ⋅H<br />
r 0 0 mag 0 mag<br />
µ = 1+<br />
χ .<br />
r mag<br />
Das magnetische Verhalten aller Stoffe lässt sich über die magnetische<br />
Suszeptibilität χ mag in fünf Kategorien einteilen, von denen drei genauer<br />
besprochen werden:<br />
Typ Beispiel Suszeptibilität<br />
Diamagnete Silber, Blei, Kupfer χ m < 0<br />
Paramagnete Luft, Platin, Aluminium χ m > 0<br />
}<br />
Ferromagnete Eisen, Kobalt, Nickel χ m > 0<br />
Ferrimagnete χ m > 0 }<br />
Antiferromagnete χ m ~ 0<br />
⏐χ⏐ > 1<br />
E3.28<br />
Magnetisierung/Entmagnetisierung<br />
E3.30 Ferro., Para- <strong>und</strong><br />
Diamagneten im<br />
Magnetfeld
80 Experimentalphysik 1 für Biologen & Chemiker<br />
Magnetisierungsverhalten <strong>und</strong> magnetische<br />
Suszeptibilität einiger Stoffe. Quelle: Demtrö<strong>der</strong>, Abb.<br />
3.42 <strong>und</strong> Tab. 3.2, S. 104<br />
Es lässt sich feststellen, dass in diamagnetischen Materialien nur gepaarte e -<br />
vorkommen, in para- <strong>und</strong> ferromagnetischen ungepaarte (= perm. magnetische<br />
Dipolmomente).<br />
5.5.5 Diamagnetismus<br />
Da keine permanenten magnetischen Dipolmomente vorhanden sind, werden<br />
diese offensichtlich gem. <strong>der</strong> Lenz’schen Regel induziert. Da demnach induzierte<br />
Magnetfel<strong>der</strong> den äußeren Fel<strong>der</strong>n immer entgegengesetzt sind, ist χ m < 0. χ m<br />
≠ f (T).<br />
5.5.6 Paramagnetismus<br />
Atome paramagnetischer Stoffe besitzen permanente magnetische<br />
Dipolmomente, die aber ohne äußeres Feld statistisch verteilt sind, so dass die
<strong>Elektrodynamik</strong> 81<br />
äußere Magnetisierung 0 ist. Im äußeren Feld wirkt aber ein Drehmoment, das<br />
die Dipole teilweise parallel zum Feld ausrichtet, so dass das B-Feld vergrößert<br />
wird.<br />
Es gilt: χ m ∼ 1<br />
T (Curie-Gesetz)<br />
5.5.7 Ferromagnetismus<br />
χ m ist hier sehr groß. Wird das Material im B-Feld magnetisiert, kann dieses<br />
später abschaltet werden, wobei eine Magnetisierung bestehen bleibt<br />
(Remanenz MR).<br />
Man benötigt das B-Feld BK<br />
(Koerzitivkraft) in<br />
entgegengesetzter Richtung<br />
zur Entmagnetisierung. Eine<br />
solche Kurve, die<br />
unterschiedliche Werte je<br />
nach Richtung <strong>der</strong><br />
Verän<strong>der</strong>ung zeigt, heißt<br />
Hysteresekurve (von gr.<br />
hysteros: später, hinterher).<br />
MR: Remanenzmagnetisierung, Ba: äußeres Magnetfeld, BK:<br />
Koerzitivfeldstärke. Quelle: Demtrö<strong>der</strong>, Abb. 3.46, S.106<br />
Die Magnetisierung hängt also nicht in einfacher Weise vom äußeren Magnetfeld<br />
Ba ab, son<strong>der</strong>n von <strong>der</strong> Vorgeschichte des Materials. Erklärung: In<br />
Ferromagneten gibt es mikroskopische Bereiche, die Weiß’schen Bezirke, in<br />
denen alle atomaren Dipolmomente durch eine hohe Wechselwirkung parallel<br />
zueinan<strong>der</strong> ausgerichtet sind. Ohne Feld sind diese Bereiche zunächst statistisch<br />
in ihrer Orientierung. Legt man ein Feld an, dann „springen“ alle magnetischen<br />
Momente eines Bezirks gleichzeitig in Magnetfeldrichtung.<br />
Die von <strong>der</strong> Kurve umschlossene Fläche ist proportional zur Energie, die in dem<br />
irreversiblen Prozess <strong>der</strong> Magnetisierung bzw. Entmagnetisierung als Wärme<br />
umgewandelt wird. Ist sie klein, d.h. tritt nur geringe Wärmeentwicklung auf, wird<br />
das Material ‚magnetisch weich’ bezeichnet (z.B. Weicheisen im Transformator,<br />
s.a. V14), an<strong>der</strong>nfalls ‚magnetisch hart’ (z.B. die Legierung Alnico 5 in<br />
Festplatten, wo eine hohe Remanenz wünschenswert ist).<br />
Diese Ordnung ist stark<br />
temperaturabhängig. Oberhalb <strong>der</strong><br />
sog.paramagnetischen Curie-<br />
Temperatur Tc sind deshalb alle<br />
Ferromagneten paramagnetisch, da die<br />
statistische Temperaturbewegung die<br />
ausrichtende Wechselwirkung<br />
übersteigt.<br />
χ m =<br />
C<br />
T - T<br />
mit <strong>der</strong> Materialkonstanten C (Curie-<br />
Konstante, [C] = 1 K).<br />
C<br />
Elektronenspins im Ferromagnet a) im<br />
„entmagnetisierten“ Zustand bzw. bei hohen<br />
Temperaturen T > TC; b) mit äußerem Magnetfeld<br />
<strong>und</strong> nach dessen Abschalten unterhalb <strong>der</strong><br />
Sättigung. Quelle: Demtrö<strong>der</strong>, Abb. 3.51, S.109<br />
E3.24 Weiß'sche Bezirke<br />
E3.25 Barkhausen-Effekt<br />
E3.33 Curie-Punkt mit<br />
Nadelerhitzung
82 Experimentalphysik 1 für Biologen & Chemiker<br />
In Antiferromagneten sind zwei<br />
Kristallgitter so ineinan<strong>der</strong> gebaut, dass<br />
immer zwei Spins <strong>und</strong> damit zwei<br />
magnetische Momente antiparallel<br />
gerichtet sind. Dies trifft auch auf<br />
Ferrimagnete zu; allerdings<br />
kompensieren sich hier die<br />
magnetischen Momente nicht<br />
vollständig.<br />
Antiferromagnet<br />
Ferrimagnet
<strong>Elektrodynamik</strong> 83<br />
V12 Trafos<br />
Wie<strong>der</strong>holung<br />
• Das magnetische Dipolmoment eines einzelnen Elektrons lässt sich über<br />
das sog. Bohr’sche Magneton beschreiben. Dieses magnetische Moment<br />
ist über den sog. g-Faktor direkt proportional zum Bahndrehimpuls des<br />
Elektrons auf <strong>der</strong> ersten Bahn um das Proton im Wasserstoffatom im<br />
Bohr’schen Atommodell.<br />
• Ähnlich wie sich Dielektrika in elektrischen Fel<strong>der</strong>n polarisieren lassen,<br />
können Stoffe auch magnetisiert werden. Bei Ferroelektrika bleibt diese<br />
Magnetisierung auch nach Abschalten des äußeren Magnetfeldes<br />
erhalten. Die Magnetisierung M ist die Summe <strong>der</strong> magnetischen<br />
Dipolmomente dividiert durch das Substanzvolumen.<br />
• Diese Magnetisierung ist proportional zur durch Ströme in Spulen<br />
erzeugten magnetischen Feldstärke H. Die Proportionalitätskonstante ist<br />
die sog. magnetische Suszeptibilität χ (lat. suscipere: annehmen;<br />
angenommenes / übernommenes Magnetfeld). Je höher die<br />
Suszeptibilität, desto leichter ist das Material magnetisierbar.<br />
Diamagnetische Stoffe wi<strong>der</strong>setzen sich einer Magnetisierung; sie haben<br />
negative Suszeptibilitäten.<br />
• Oberhalb <strong>der</strong> Curie-Temperatur verhin<strong>der</strong>t die thermische Energie die<br />
konzertierte Ausrichtung <strong>der</strong> magnetischen Dipolmomente in<br />
Ferroelektrika. Die Weiß’schen Bezirke lösen sich auf, das<br />
Ferroelektrikum verliert infolge seine Magnetisierung.<br />
• Werden Leiterschleifen, in denen ein Strom fließt, einem homogenen<br />
Magnetfeld ausgesetzt, dann wirkt auf sie ein durch die Lorentzkraft<br />
bedingtes Drehmoment, das die Schleifenfläche senkrecht zum<br />
Magnetfeld ausrichtet, d.h. <strong>der</strong> Flächennormalenvektor auf <strong>der</strong> Schleife<br />
zeigt damit in Richtung <strong>der</strong> Magnetfeldlinien. Dieses Phänomen hatten wir<br />
genutzt, um z. B. Elektromotoren zu bauen. Wir werden heute sehen,<br />
dass wir auch umgekehrt vorgehen können. Wenn wir eine Leiterschleife<br />
im Magnetfeld mechanisch drehen, sollten sich Ladungen in Bewegung<br />
setzen, d.h. es lassen sich Ströme induzieren.<br />
5.6 Wechselstrom <strong>und</strong> Drehstrom<br />
5.6.1 Erzeugung von Wechselstrom durch eine sich drehende Spule im<br />
Magnetfeld<br />
Nach dem Faraday’schen Gesetz war die in einem sich än<strong>der</strong>nden Magnetfeld in<br />
einer Leiterschleife erzeugte Induktionsspannung (s.a. V11):<br />
dΦd U = E ⋅ ds =− =− B⋅dA. ind<br />
mag<br />
∫<br />
Schleife dt dt ∫<br />
A<br />
Wird zur Vereinfachung ein planare Leiterschleifenfläche A bzw. ihr<br />
Flächenvektor A betrachtet (d.h. also A= dA= A⋅n),<br />
ˆ so ist aus <strong>der</strong> Ableitung<br />
im Faraday-Gesetz unter Berücksichtigung <strong>der</strong> Produktregel <strong>der</strong><br />
Differenzialrechnung ersichtlich, dass sich eine Spannung entwe<strong>der</strong> durch<br />
Än<strong>der</strong>ung des Magnetfeldes dB<br />
bei zeitlich konstantem Flächenvektor A<br />
dt<br />
∫<br />
A
E4.21<br />
Wechselstromgenerator<br />
84 Experimentalphysik 2 für Biologen & Chemiker<br />
<strong>und</strong>/o<strong>der</strong> durch zeitliche Än<strong>der</strong>ung des Flächenvektors dA<br />
<strong>und</strong> zeitlich<br />
dt<br />
konstantem Magnetfeld B erzeugt werden kann:<br />
U<br />
ind<br />
d( B⋅A) ⎛dB dA<br />
⎞<br />
=− =−⎜ ⋅ A+ ⋅B<br />
⎟.<br />
dt ⎝ dt dt ⎠<br />
Zeitlich verän<strong>der</strong>liche Bs ließen sich durch Drehung von Permanentmagneten<br />
erzeugen, zeitlich verän<strong>der</strong>liche As durch Drehung <strong>der</strong> Leiterschleifen; letzteres<br />
ist technisch einfacher zu realisieren <strong>und</strong> entspricht genau <strong>der</strong> Anordnung, die wir<br />
schon bei Elektromotoren kennen gelernt hatten; lediglich die Operationsweise ist<br />
umgekehrt: statt einen Strom durch die Leiterschleife zu schicken, um eine<br />
mechanische Drehbewegung <strong>der</strong> Schleife zu erzeugen, wird durch eine<br />
mechanische Drehung <strong>der</strong> Schleife (z.B. Wasserrä<strong>der</strong> am Wasserfall,<br />
Dampfturbine (über Kohle o<strong>der</strong> Kernkraft), Windrä<strong>der</strong>) ein Strom in <strong>der</strong> Schleife<br />
induziert.<br />
Das Funktionsprinzip eines Generators beruht auf dem durch das Drehen einer Leiterschleife mit einer<br />
Winkelgeschwindigkeit ω in einem homogenen Magnetfeld B erzeugten Induktionsstrom, wie er durch das<br />
Faraday’sche Gesetz beschrieben wird. Quelle: Tipler, Abb. 26.21, S.889<br />
Eine sich mit <strong>der</strong> Winkelgeschwindigkeit ω in einem zeitlich konstanten<br />
(Permanent-) Magnetfeld B drehende Leiterschleife induziert eine sinusförmige<br />
ϕ<br />
Wechselspannung U~ <strong>der</strong> Frequenz ω= , die sich an den beiden Enden <strong>der</strong><br />
t<br />
Leiterschleife abgreifen lässt:<br />
Quelle: Großes Buch <strong>der</strong> <strong>Physik</strong>, compact Verlag, S. 283
<strong>Elektrodynamik</strong> 85<br />
U<br />
~, ind<br />
d(<br />
B⋅A) =−<br />
dt<br />
dB dA<br />
=− ⋅A− ⋅B<br />
dt dt<br />
dA dB<br />
= − ⋅ B ( für B = const., also = 0)<br />
dt dt<br />
dA ( ⋅B⋅cos α )<br />
=−<br />
dt<br />
dA ( ⋅B⋅cos( ω⋅t)) α<br />
=− ( wegenω<br />
= )<br />
dt t<br />
= A⋅B⋅ω⋅sin( ω⋅t)<br />
( wegen innerer Ableitung)<br />
= U ⋅sin( ω⋅ t) ( mitU = U = A⋅B⋅ ω = const. für Leiterschleife<br />
0 0 max<br />
bzw. U0 = N ⋅A⋅B⋅ωfür eineSpulemitNWindungen)<br />
Liegt diese an einem Wi<strong>der</strong>stand R an, so fließt (gemäß dem Ohm’schen Gesetz<br />
U = R·I) <strong>der</strong> Wechselstrom (im Englischen AC für “alternating current” im<br />
Gegensatz zum Gleichstrom DC für “direct current”)<br />
I~ = I0 · sin (ω·t).<br />
In unserem Stromnetz beträgt die Frequenz <strong>der</strong> Wechselspannung<br />
Sie besitzt damit die Kreisfrequenz<br />
ω<br />
ν = = 50 Hz .<br />
2 ⋅π<br />
( )<br />
ω = 2⋅π ⋅ ν = 314 rad<br />
.<br />
s<br />
Die Periode (Schwingungsdauer) T für eine Schwingung beträgt demnach<br />
Die Leistung ist<br />
Für den Mittelwert gilt<br />
T T<br />
2⋅π 1<br />
T = = = 20 ms .<br />
ω ν<br />
P = U ⋅ I = U0 · I0 · sin 2 (ω·t).<br />
1 1 2 1 2⋅π<br />
Pt () = ⋅∫Ut () ⋅ Itdt () = ⋅∫U0 ⋅I0 ⋅sin (ω ⋅ t) = ⋅U0 ⋅ I0 ( mitT = ) .<br />
T T<br />
2<br />
ω<br />
0 0<br />
Wechselstrom <strong>und</strong> Wechselspannung (hier als cos-<br />
statt sin-Funktion, d.h. um 90° phasenverschoben)<br />
Mittlere Leistung des Wechselstroms bzw. <strong>der</strong><br />
Wechselspannung. Quelle: Demtrö<strong>der</strong> Abb. 5.9<br />
<strong>und</strong> 5.11, S. 140f.
86 Experimentalphysik 2 für Biologen & Chemiker<br />
U0<br />
I0<br />
Ein von einer Gleichspannung U = = erzeugter Gleichstrom I = = hätte die<br />
2<br />
2<br />
gleiche mittlere Leistung wie <strong>der</strong> Wechselstrom U~ mit den Amplituden U0 <strong>und</strong> I0.<br />
Diese Werte werden deshalb Effektivwerte genannt. Unsere Netzspannung hat<br />
Ueff= 220 V, d.h. U0 = 220 V⋅ 2 = 311 V.<br />
Wird am Kollektor <strong>der</strong> Leiterschleife (o<strong>der</strong> Spule) im richtigen Augenblick (d.h.<br />
wenn A || B) umgepolt, dann wird eine pulsierende Gleichspannung (‚gleich’ für<br />
gleiches Vorzeichen) erzeugt. Auch (Halbleiter-) Dioden erzeugen<br />
Gleichspannungen, da sie Ströme nur in einer Richtung durchlassen (mehr zu<br />
Dioden in einer folgenden St<strong>und</strong>e).<br />
Kollektor an einer Leiterschleife (Draufsicht, links) <strong>und</strong> dadurch erzeugte pulsierende Gleichspannung<br />
(rechts) Quelle: Demtrö<strong>der</strong> Abb. 5.2, S. 136.<br />
5.6.2 Ein Drehstrom hat eine höhere Leistungsdichte<br />
Quelle: Staudt, Abb. 6.98, S. 102.<br />
Werden 3 gleiche Spulen (R, S, T-Spulen), die auf einer gemeinsamen Achse um<br />
120° versetzt montiert sind, im homogenen B-Feld rotiert, werden in je<strong>der</strong> <strong>der</strong><br />
Spulen Wechselspannungen erzeugt, die eine Phasendifferenz von 120° bzw.<br />
240° zueinan<strong>der</strong> haben:<br />
UR = U0 sin ω·t<br />
US = U0 sin (ω·t – 120°)<br />
UT = U0 sin (ω·t – 240°) = U0 sin (ω·t + 120°)<br />
Drehstrom muss in 3 Leitungen transportiert werden. Es wird eine höhere<br />
elektrische Leistung erzielt.
<strong>Elektrodynamik</strong> 87<br />
5.6.3 Transformatoren wandeln Wechselspannungen ohne<br />
Leistungsverlust von einer Eingangsspannung in eine (an<strong>der</strong>e)<br />
Ausgangsspannung<br />
Da einige elektronische Geräte nicht mit 220 V arbeiten, son<strong>der</strong>n niedrigere o<strong>der</strong><br />
höhere Spannungen benötigen, muss die Netzspannung gewandelt werden.<br />
Der Transformator nutzt die Tatsache aus, dass eine von Wechselstrom<br />
durchflossene Spule in einer dicht benachbarten Spule eine Wechselspannung<br />
induziert. Die Spule, die von <strong>der</strong> zu transformierenden Spannung versorgt wird,<br />
wird Primärspule bezeichnet, die an<strong>der</strong>e als Sek<strong>und</strong>ärspule. Beide Wicklungen<br />
können als Primär- <strong>und</strong> Sek<strong>und</strong>ärspule fungieren.<br />
Funktionsweise: Der Wechselstrom in <strong>der</strong> Primärspule erzeugt ein sich<br />
periodisch än<strong>der</strong>ndes Magnetfeld, das den das Magnetfeld verstärkenden<br />
Eisenkern periodisch (um-)magnetisiert (Magnetfeld <strong>und</strong> magnetischer Fluss<br />
Φmag im Inneren einer Spule: V10; Magnetisierung: V11).<br />
Der Eisenkern überträgt gleichzeitig<br />
das sich mit <strong>der</strong> Wechselstromfrequenz<br />
ω än<strong>der</strong>nde Magnetfeld B ins Innere<br />
<strong>der</strong> Sek<strong>und</strong>ärwicklung, wo es nach<br />
dem Faraday’schen Gesetz (V10) in<br />
dieser eine Wechselspannung U~,ind<br />
<strong>und</strong> damit einen Wechselstrom I~,ind<br />
induziert.<br />
Quelle: Staudt, Abb. 6.116, S.121<br />
Da beide Spulen nicht direkt miteinan<strong>der</strong> verb<strong>und</strong>en sind, kann auch kein Strom<br />
zwischen ihnen fließen. Im Transformator wird Energie bzw. Leistung zwischen<br />
den beiden Spulen über das sich än<strong>der</strong>nde Magnetfeld im Eisenkern transportiert<br />
<strong>und</strong> nicht etwa elektrische Ladung!<br />
Zur Vermeidung von Wirbelstromverlusten besteht <strong>der</strong> Eisenkern aus<br />
voneinan<strong>der</strong> isolierten <strong>und</strong> verklebten Eisenblechen.<br />
Überlegen Sie sich, in welcher Ebene/Schnittfläche des Eisenkerns Wirbelströme<br />
auftreten könnten.<br />
Da das Magnetfeld durchs Zentrum <strong>der</strong> Spule geht (entlang <strong>der</strong> Zylin<strong>der</strong>achse <strong>der</strong> Spule), <strong>und</strong> Uind dann am größten ist, wenn B <strong>und</strong> Flächennormalenvektor parallel stehen (Uind prop. zum Skalarprodukt B·A =<br />
B·A·cos(∠B,A), wird <strong>der</strong> maximal induzierbare Wirbelstrom in <strong>der</strong> Ebene einer Leiterschleife <strong>der</strong> Spule fließen; in dieser Ebene sind die Eisenbleche jedoch verklebt, d.h. ihr elektrischer Kontakt ist unterbrochen <strong>und</strong> damit <strong>der</strong><br />
Wirbelstrom unterb<strong>und</strong>en..<br />
Weitere Ursachen für Verluste sind die Erwärmung <strong>der</strong> Spulen durch ihren<br />
ohmschen Wi<strong>der</strong>stand, ihre Induktivität (induktiven Wi<strong>der</strong>stand) sowie die<br />
magnetische Hysterese des Kerns. Wir wollen diese Verluste vernachlässigen<br />
<strong>und</strong> von einem idealen Transformator mit 100 Prozent Wirkungsgrad ausgehen.<br />
(Reale Transformatoren haben Wirkungsgrade von etwa 90 bis 95 Prozent.)<br />
Die in <strong>der</strong> Sek<strong>und</strong>ärspule erzeugte Spannung U2 ist eine Funktion des<br />
Verhältnisses <strong>der</strong> Wicklungszahlen zwischen Primär- <strong>und</strong> Sek<strong>und</strong>ärspule:<br />
Für den Strom gilt:<br />
N2<br />
U~,2, ind =−U~,1 ⋅<br />
N .<br />
N1<br />
I~,2, ind =−I~,1 ⋅<br />
N .<br />
Das Minus-Zeichen resultiert aus <strong>der</strong> Tatsache, dass die induzierte Spannung<br />
bzw. <strong>der</strong> induzierte Strom in <strong>der</strong> Sek<strong>und</strong>ärspule um 180° (d.h. um π) gegenüber<br />
2<br />
1
E4.16 Trafo<br />
(Spannungsverhältnisse)<br />
E4.19<br />
Hoernerblitzableiter<br />
E4.17 Hochstromtrafo<br />
88 Experimentalphysik 2 für Biologen & Chemiker<br />
<strong>der</strong> Spannung bzw. dem Strom in <strong>der</strong> Primärspule verschoben ist, wenn beide<br />
Spulen in gleichem Drehsinn gewickelt sind.<br />
Ist N1 < N2 (bei gleichem<br />
Spulenquerschnitt A), dann<br />
wird die Primärspannung U1<br />
‚hochtransformiert’ (links).<br />
Da <strong>der</strong> Energieerhaltungssatz<br />
gelten muss, kann in <strong>der</strong><br />
Sek<strong>und</strong>ärspule zwar eine<br />
höhere Spannung U2 > U1<br />
abgegriffen werden; es steht<br />
aber nur ein kleinerer Strom<br />
zur Verfügung I2 < I1.<br />
Für N1 > N2 (rechts) gilt das Gegenteil: Die Primärspannung U1 wird<br />
‚runtertransformiert’; in <strong>der</strong> Sek<strong>und</strong>ärspule fließt bei kleinerer Spannung<br />
U2 < U1 , allerdings ein größerer Strom I2 > I1.<br />
Die beiden Hauptvorteile <strong>der</strong><br />
Wechselspannung sind:<br />
• Leichte <strong>und</strong> weitgehend verlustfreie<br />
Umtransformierung von einer<br />
Spannung in eine beliebige an<strong>der</strong>e.<br />
• Weitgehend verlustfreier Transport<br />
als ‚Hochspannung’ (typ. U = 500 kV)<br />
über weite Entfernungen durch Kabel<br />
mit nicht allzu großem<br />
Leiterquerschnitt: P = U · I, d.h. bei<br />
hoher Spannung U kann <strong>der</strong> Strom I<br />
klein sein, um dieselbe Leistung von<br />
einem Ort zum an<strong>der</strong>en zu<br />
übertragen. Kleine Ströme I heißt<br />
aber auch wenig Reibungswärme in<br />
einem sehr langen Leiter<br />
(Überlandkabel). Am Empfängerort<br />
kann die Spannung schließlich<br />
wie<strong>der</strong> auf 220 V runtertransformiert<br />
werden, wodurch wie<strong>der</strong> ein hoher<br />
Strom zur Verfügung steht.<br />
Quelle: Bloomfield, How Things Work, Abb.<br />
9.2.6-8, S. 309f
Computersimulation<br />
Transformator: Än<strong>der</strong>ung<br />
<strong>der</strong><br />
Windungsverhältnisse<br />
<strong>und</strong> res. Spannungen.<br />
90 Experimentalphysik 2 für Biologen & Chemiker<br />
V13 Schaltvorgänge <strong>und</strong> Wechselstromwi<strong>der</strong>stände<br />
Wie<strong>der</strong>holung<br />
• Das Faraday’sche Gesetz sagt voraus, dass sich Ströme in<br />
Leiterschleifen sowohl durch sich än<strong>der</strong>nde Magnetfel<strong>der</strong> als auch durch<br />
Bewegung <strong>der</strong> Leiterschleife in einem konstanten Magnetfeld induzieren<br />
lassen. Damit lassen sich in einem Generator, also einer Spule, die in<br />
einem Magnetfeld rotiert, Ströme erzeugen.<br />
• Wechselspannungen lassen sich mit Hilfe von Transformatoren leicht<br />
erhöhen o<strong>der</strong> absenken. Die Kombination aus Biot-Savart’schem Gesetz<br />
<strong>und</strong> Faraday-Gesetz führt zu einer Leistungsübertragung zwischen zwei<br />
Spulen über einen Kern aus magnetisierbarem Material (i.d.R. Eisen).<br />
5.7 Elektrische Bauelemente in Gleich- <strong>und</strong> Wechselstromkreisen<br />
5.7.1 Ein- <strong>und</strong> Abschaltvorgänge in Gleichstromkreisen<br />
Wie verhalten sich ein Wi<strong>der</strong>stand R, ein Kondensator mit <strong>der</strong> Kapazität C <strong>und</strong><br />
eine Spule mit <strong>der</strong> Induktivität L bei An- <strong>und</strong> Abschaltvorgängen in<br />
Gleichstromkreisen?<br />
Mittels eines Schalters lässt sich zwischen <strong>der</strong> Gleichspannungsquelle (z.B. eine<br />
Batterie) <strong>und</strong> einem Kurzschluss umschalten. Im Experiment wird eine<br />
Rechteckspannung zwischen Uaus = 0 V <strong>und</strong> Uan > 0 V an die Bauelemente<br />
angelegt, die diesen Schaltvorgang simuliert.<br />
5.7.1.1 Wi<strong>der</strong>stand beim An- <strong>und</strong> Abschalten einer Gleichspannungsquelle<br />
Strom <strong>und</strong> Spannung haben den gleichen zeitlichen Verlauf, eine Folge aus dem<br />
Ohm’schen Gesetz (U = R · I):<br />
U<br />
I = .<br />
R<br />
I än<strong>der</strong>t sich also nur dann, wenn sich auch U än<strong>der</strong>t. Ansonsten ist I unabhängig<br />
von <strong>der</strong> Zeit.
<strong>Elektrodynamik</strong> 91<br />
5.7.1.2 Kondensator beim An- <strong>und</strong> Abschalten einer Gleichspannungsquelle<br />
Beim Einschalten <strong>der</strong> Spannung fließt ein maximaler <strong>und</strong> lediglich durch R<br />
begrenzter Strom auf die Platten <strong>und</strong> lädt den Kondensator auf. Dadurch baut<br />
sich am Kondensator eine Spannung auf, die <strong>der</strong> Quellspannung <strong>und</strong> dem<br />
Ladestrom entgegenwirkt. Sobald die Gegenspannung genau <strong>der</strong> Quellspannung<br />
entspricht, werden keine weiteren Ladungen mehr auf die Platten fließen können;<br />
<strong>der</strong> Strom wird in diesem Moment auf Null abgefallen sein.<br />
Für die zeitliche Abnahme des Stroms beim Einschalten <strong>der</strong> Quellspannung, dh.<br />
beim Aufladen des Kondensators gilt:<br />
1<br />
− ⋅t<br />
RC ⋅<br />
U U<br />
IAufladung RC()<br />
t = ⋅ e = ⋅ e<br />
R R<br />
mit τRC = R·C als Zeitkonstante des RC-Gliedes. Beim Abschalten <strong>der</strong><br />
Quellspannung entlädt sich <strong>der</strong> Kondensator über den kurzgeschlossenen<br />
Stromkreis, d.h. die Ladungen fließen jetzt in Gegenrichtung wie<strong>der</strong> von ihm ab.<br />
Für den zeitlichen Verlauf Stromstärke bei diesem Entladungsprozess gilt:<br />
IEntladung(t) = -IAufladung(t).<br />
5.7.1.3 Spule beim An- <strong>und</strong> Abschalten einer Gleichspannungsquelle<br />
Nach Einschalten <strong>der</strong> Quellspannung fließt ein Strom in <strong>der</strong> Spule, <strong>der</strong> eine<br />
Spannung induziert, die gemäß <strong>der</strong> Lenz’schen Regel <strong>der</strong> Quellspannung<br />
entgegengesetzt ist (wegen Biot-Savart + Faraday: ein sich (hier gleichmäßig)<br />
än<strong>der</strong>n<strong>der</strong> Strom erzeugt ein sich än<strong>der</strong>ndes Magnetfeld, das seinerseits eine<br />
konstante Spannung induziert); <strong>der</strong> Strom wächst daher nur langsam an, bis er<br />
einen durch R vorgegebenen Sättigungswert erreicht:<br />
R t<br />
U ⎛ − ⋅t⎞ U ⎛ − ⎞<br />
L<br />
τRL<br />
IAufladung RL()<br />
t = ⋅⎜1− e ⎟=<br />
⋅⎜1−e ⎟<br />
R ⎝ ⎠ R ⎜ ⎟<br />
⎝ ⎠<br />
L<br />
mit τ RL = als Zeitkonstante des RL-Gliedes. Wird die Quellspannung<br />
R<br />
abgeschaltet, so versucht die durch die stattgef<strong>und</strong>ene Än<strong>der</strong>ung erneut<br />
induzierte Spannung (jetzt in Gegenrichtung) <strong>der</strong> Än<strong>der</strong>ung entgegenzuwirken.<br />
Die Folge ist ein langsames Absinken des Stroms auf Null:<br />
−<br />
τ<br />
t<br />
RC
92 Experimentalphysik 2 für Biologen & Chemiker<br />
U −<br />
τRL<br />
I ()<br />
Entladung RL t = ⋅ e .<br />
R<br />
Wird <strong>der</strong> Schalter schnell geöffnet (also<br />
ausgeschaltet), d.h. findet ein schneller<br />
Spannungssprung von Quellspannung auf Null statt,<br />
dann erfolgt <strong>der</strong> Abfall des Stroms nicht vom<br />
momentanen Wert I, son<strong>der</strong>n steigt kurz auf<br />
I<br />
max<br />
dI<br />
U<br />
L⋅<br />
ind = = dt .<br />
R R<br />
Diese Spannungs- <strong>und</strong> Stromspitzen können sehr groß werden <strong>und</strong> u. U.<br />
Glühbirnen zum Durchbrennen bringen.<br />
5.7.2 Gleichstromwi<strong>der</strong>stände versch. Bauelemente in Gleichstromkreisen<br />
5.7.2.1 Ohm’scher Wi<strong>der</strong>stand bei Gleichstrom<br />
Ein Ohm’scher Wi<strong>der</strong>stand R folgt dem Ohm’schen Gesetz. Sein Wi<strong>der</strong>stand ist<br />
R = U/I.<br />
5.7.2.2 Wi<strong>der</strong>stand eines Kondensators bei Gleichstrom<br />
Hat sich ein Kondensator nach Einschalten des Stromes vollständig aufgeladen,<br />
d.h. ist die durch die Ladungen auf den Kondensatorplatten erzeugte<br />
Gegenspannung so groß wie die Quellspannung geworden, dann fließt kein<br />
Strom mehr. Der Wi<strong>der</strong>stand eines Kondensators ist daher in Gleichstromkreisen<br />
unendlich groß <strong>und</strong> entspricht einem durchtrennten Kabel.<br />
5.7.2.3 Wi<strong>der</strong>stand einer Spule bei Gleichstrom<br />
Ist <strong>der</strong> Strom-Sättigungswert einer Spule nach dem Einschaltvorgang erreicht,<br />
dann hat eine Spule praktisch keinen Wi<strong>der</strong>stand mehr. Sie entspricht daher in<br />
Gleichstromkreisen einem Kurzschluss.<br />
5.7.3 Wechselstromwi<strong>der</strong>stände = Impedanzen versch. Bauelemente in<br />
Wechselstromkreisen<br />
Die Wi<strong>der</strong>stände von Kondensatoren <strong>und</strong> Spulen verhalten sich in<br />
Wechselstromkreisen an<strong>der</strong>s als in Gleichstromkreisen. Lediglich ein Ohm’scher<br />
Wi<strong>der</strong>stand zeigt bei beiden Stromtypen gleiches Verhalten. Der<br />
Wechselstromwi<strong>der</strong>stand wird auch Impedanz genannt.<br />
5.7.3.1 Ohm’scher Wechselstromwi<strong>der</strong>stand<br />
Ersatzschaltkreis für einen Ohm’schen Wi<strong>der</strong>stand<br />
an einer Wechselspannungsquelle.<br />
t<br />
Beim Wi<strong>der</strong>stand sind Wechselstrom <strong>und</strong><br />
Wechselspannung in Phase
<strong>Elektrodynamik</strong> 93<br />
Wird an einen ohm’schen Wi<strong>der</strong>stand eine Wechselspannung U~ = U0 · sin ω·t<br />
angelegt, folgt er nach wie vor dem Ohm’schen Gesetz. Anwendung <strong>der</strong><br />
Maschenregel ergibt:<br />
Auflösen nach I:<br />
~ − R = ~ − ⋅ ~ = 0<br />
U U U R I<br />
U~<br />
U0<br />
I~ = = ⋅sin( ω⋅ t) = I0 ⋅sin( ω⋅<br />
t)<br />
R R<br />
Der durch einen Ohm’schen Wi<strong>der</strong>stand fließende Strom ist außerdem immer in<br />
Phase mit <strong>der</strong> Wechselspannung über den Wi<strong>der</strong>stand.<br />
5.7.3.2 Wechselstromwi<strong>der</strong>stand eines Kondensators<br />
Ersatzschaltkreis für einen Kondensator an einer<br />
Wechselspannungsquelle.<br />
Beim Kondensator eilt <strong>der</strong> Strom <strong>der</strong> Spannung um<br />
π/2 voraus.<br />
Wird an einen Kondensator eine Wechselspannung U~ = U0 · sin ω·t angelegt,<br />
folgt nach Anwendung <strong>der</strong> Maschenregel:<br />
q<br />
U~ − UC = U~<br />
− = 0,<br />
d.h. q C U0sin( t)<br />
C<br />
ω<br />
= ⋅ ⋅ ⋅ <strong>und</strong> damit für den Strom:<br />
dq<br />
π π<br />
I~ = = ω⋅C⋅U0 ⋅cos( ω⋅ t) = ω⋅C⋅U0 ⋅sin( ω⋅ t + ) = I0 ⋅sin( ω⋅<br />
t + ) .<br />
dt<br />
2 2<br />
I = ω⋅C⋅<br />
U als maximaler Strom. D.h. <strong>der</strong> Wechselstrom eilt <strong>der</strong><br />
mit 0 0<br />
Wechselspannung um π/2 (also 90°) voraus.<br />
Sucht man eine Ähnlichkeit zum Ohm’schen Gesetz, dann lässt sich <strong>der</strong><br />
Ausdruck auch formulieren als:<br />
1<br />
U = ⋅ I = Z ⋅I<br />
ω⋅C<br />
0 0 C 0<br />
mit dem kapazitiven Wechselstromwi<strong>der</strong>stand (kapazitiven Impedanz)<br />
ZC<br />
1<br />
: = .<br />
ω⋅C
94 Experimentalphysik 2 für Biologen & Chemiker<br />
5.7.3.3 Wechselstromwi<strong>der</strong>stand einer Spule<br />
Ersatzschaltkreis für eine Spule an einer<br />
Wechselspannungsquelle.<br />
Bei <strong>der</strong> Spule hinkt <strong>der</strong> Strom <strong>der</strong> Spannung um<br />
π/2 hinterher.<br />
Wird an eine Spule eine Wechselspannung U~ = U0 · sin ω·t angelegt, folgt nach<br />
Anwendung <strong>der</strong> Maschenregel:<br />
dI<br />
U0<br />
U~ − UL = U~ − Uind = U~ −L⋅ = 0,<br />
d.h. dI = ⋅sin( ω⋅t)<br />
⋅ dt <strong>und</strong> damit für den<br />
dt<br />
L<br />
Strom:<br />
U0 U0 U0<br />
π π<br />
I~ = ⋅ sin( t) dt cos( t) sin( t ) I0 sin( t )<br />
L ∫ ω⋅ ⋅ =− ⋅ ω⋅ = ⋅ ω⋅ − = ⋅ ω⋅<br />
− .<br />
ω⋅L ω⋅L<br />
2 2<br />
1<br />
mit I0 = ⋅U0<br />
als maximaler Strom. D.h. <strong>der</strong> Wechselstrom hinkt in diesem<br />
ω⋅L<br />
Fall <strong>der</strong> Wechselspannung um π/2 (also 90°) hinterher.<br />
Sucht man wie<strong>der</strong> die Ähnlichkeit zum Ohm’schen Gesetz, dann lässt sich <strong>der</strong><br />
Ausdruck auch formulieren als:<br />
U = ω⋅L⋅<br />
I = Z ⋅ I<br />
0 0 L 0<br />
mit dem induktiven Wechselstromwi<strong>der</strong>stand (induktiven Impedanz)<br />
Z : = ω⋅<br />
L.<br />
L<br />
Hinweis: Wechselstromwi<strong>der</strong>stände lassen sich am besten in <strong>der</strong> komplexen<br />
Zahlenebene darstellen, d.h. es sind Größen mit Realteil <strong>und</strong> Imaginärteil.<br />
5.7.4 Verschaltung von Wechselstromwi<strong>der</strong>ständen<br />
Impedanzen verhalten sich bei Serien- <strong>und</strong> Parallelverschaltung wie ohm’sche<br />
Wi<strong>der</strong>stände:<br />
Reihenschaltung: Zges, ser = Z1 + Z2 + ...<br />
Parallelschaltung:<br />
1 1 1<br />
= + + ...<br />
Z Z Z<br />
ges, par 1 2<br />
Über Impedanzmessungen lassen sich z.B. Verän<strong>der</strong>ungen in <strong>der</strong> Zelladhäsion<br />
auf einem elektrisch leitfähigen Substrat verfolgen: Än<strong>der</strong>t sich <strong>der</strong> Zell-<br />
Elektrodenabstand, än<strong>der</strong>n sich gleichzeitig auch Parameter wie <strong>der</strong> elektr.<br />
Wi<strong>der</strong>stand zwischen Elektrode <strong>und</strong> Nährmedium o<strong>der</strong> die Kapazität <strong>der</strong><br />
Zellmembran.
<strong>Elektrodynamik</strong> 95<br />
V14 Dioden, Thermoelement & Peltier-Element<br />
Wie<strong>der</strong>holung<br />
• Werden Wi<strong>der</strong>stand, Kondensator <strong>und</strong> Spule in Stromkreisen betrachtet,<br />
lässt sich feststellen, dass sich ihr Strom-Spannungsverhalten<br />
unterscheidet.<br />
• Bei Ein-/Ausschaltvorgängen folgt <strong>der</strong> Strom in einem Wi<strong>der</strong>stand zeitlich<br />
genau dem Spannungsverlauf. Bei einem Kondensator ist <strong>der</strong> Stromfluss<br />
dagegen zunächst maximal <strong>und</strong> nimmt mit zunehmen<strong>der</strong> Ladung <strong>der</strong><br />
Kondensatoroberfläche (Platten) bis auf Null ab, da irgendwann die auf<br />
den Platten deponierten Ladungen eine Spannung erzeugt haben<br />
werden, die dem Betrag nach genau <strong>der</strong> angelegten Spannung entspricht.<br />
Beim Abschalten wird genau <strong>der</strong> gleiche Stromverlauf, allerdings mit<br />
entgegen gesetztem Vorzeichen beobachtet. Dieser Verlauf folgt einer e-<br />
Funktion. Im Gegensatz dazu nimmt <strong>der</strong> Strom beim Anschalten einer<br />
Spule nur langsam bis zu einem Sättigungswert zu, da die sich während<br />
des Anschaltens von Null auf einen endlichen Wert än<strong>der</strong>nde äußere<br />
Spannung in <strong>der</strong> Spule eine Induktionsspannung erzeugt, die <strong>der</strong> äußeren<br />
Spannung entgegenwirkt (Lenz’sche Regel) <strong>und</strong> damit den Stromfluss in<br />
die Spule hinein behin<strong>der</strong>t. Umgekehrt führt die durch den<br />
Abschaltprozess sich än<strong>der</strong>nde Spannung zu einer Induktionsspannung,<br />
die diesem Abschaltprozess entgegenwirkt, wodurch <strong>der</strong> Stromabfall beim<br />
Abschalten nicht sprunghaft, son<strong>der</strong>n langsam erfolgt. Diese<br />
Induktionsspannung addiert sich beim Abschalten zur Restspannung <strong>und</strong><br />
kann dabei zu Spannungsspitzen führen, denen <strong>der</strong> Verbraucher (die<br />
Spule) nicht standhält <strong>und</strong> die damit zu einer Zerstörung des<br />
Verbrauchers führen (z.B. <strong>der</strong> Glühwendel einer Glühbirne).<br />
• In Gleichstromkreisen folgt ein Wi<strong>der</strong>stand dem Ohm’schen Gesetz; ein<br />
Kondensator wirkt wie ein durchtrenntes Kabel, <strong>und</strong> eine Spule einem<br />
Kurzschluss (bei vernachlässigbarem Innenwi<strong>der</strong>stand des<br />
Spulendrahtes).<br />
• Beim Anlegen einer Wechselspannung wird beobachtet, dass sich Strom<br />
<strong>und</strong> Spannung nicht in Phase befinden müssen (d.h. zu an<strong>der</strong>en<br />
Zeitpunkten ihre jeweiligen Maxima erreichen). Dies trifft nicht für den<br />
Wi<strong>der</strong>stand zu, jedoch auf Kondensator <strong>und</strong> Spule: Bei einem<br />
Kondensator eilt <strong>der</strong> Wechselstrom <strong>der</strong> angelegten Wechselspannung um<br />
90° voraus, bei <strong>der</strong> Spule hinkt er um 90° hinterher.<br />
Computersimulation<br />
Phasenverschiebung bei<br />
R, C <strong>und</strong> L in<br />
Wechselstromkreisen
E2.14 HL-Diode<br />
96 Experimentalphysik 2 für Biologen & Chemiker<br />
5.8 Halbleiterbauelemente: Dioden (<strong>und</strong> Transistoren)<br />
Vierwertiges Silizium (wie Kohlenstoff) kann jeweils 4 Bindungen eingehen<br />
(links). Werden Fremdatome mit weniger (z.B. Bor: dreiwertig, d.h. 3<br />
Außenelektronen) o<strong>der</strong> mehr (z.B. Phosphor: fünfwertig, d.h. 5 Außenelektronen)<br />
Elektronen in das Kristallgitter eingebaut, so entstehen positiv geladene<br />
Elektronenfehlstellen (Löcher, holes) (Mitte) o<strong>der</strong> negativ geladene<br />
Elektronenüberschussstellen (rechts) im Gitter.<br />
Werden ein p- (z.B. Si dotiert mit B; Ga)<br />
<strong>und</strong> ein n-leiten<strong>der</strong> Halbleiter (z.B. Si<br />
dotiert mit P; As) in Kontakt gebracht, so<br />
diff<strong>und</strong>ieren freie Elektronen von <strong>der</strong> n-<br />
in die p-Schicht <strong>und</strong> Löcher von <strong>der</strong> p- in<br />
die n-Schicht. Dort findet jeweils<br />
Rekombination von e- <strong>und</strong> h+ (holes =<br />
Löcher) statt. Dadurch entsteht auf <strong>der</strong> p-<br />
Seite ein Überschuss an negativen, auf<br />
<strong>der</strong> n-Seite an positiven Ladungen.<br />
Keine äußere Spannung, U=UK<br />
Die so aufgebaute Kontaktspannung UK verhin<strong>der</strong>t im Gleichgewicht weitere<br />
Ladungsdiffusion. Im Kontaktbereich sind nur wenig Ladungsträger, so dass dort<br />
ein höherer Wi<strong>der</strong>stand vorliegt als im restlichen Material.<br />
Wird nun von außen eine Spannung angelegt, so kommt es stark auf die Polung<br />
<strong>der</strong> Spannung an, ob ein Strom fließen kann o<strong>der</strong> nicht:<br />
Polung <strong>der</strong> externen Spannung in Sperrrichtung:<br />
Weitere Verarmung, d.h. Ausbreitung <strong>der</strong><br />
Verarmungszone.<br />
Polung in Flussrichtung
<strong>Elektrodynamik</strong> 97<br />
Nebenstehend ist die Strom-Spannungs-<br />
Kurve einer (Halbleiter-) Diode zu sehen:<br />
In Sperrichtung (neg. U) fließt kein Strom<br />
(I=0), in Flussrichtung nimmt <strong>der</strong> Strom<br />
nicht-linear zu.<br />
Leuchtdioden: Bei manchen Materialien<br />
wird die Energie, die bei <strong>der</strong><br />
Rekombination von - mit + bei Betrieb in<br />
Flussrichtung frei wird, als Licht<br />
abgegeben.<br />
Es gibt viele weitere wichtige<br />
Bauelemente, v.a. Transistoren<br />
(‚Doppeldiode’) als Verstärker.<br />
5.9 Thermische Effekte in Leitern<br />
5.9.1 Erzeugung einer Thermospannung als Folge des Seebeck-Effektes<br />
Die Elektronen füllen das oberste besetze Band eines metallischen Leiters, das<br />
sog. Valenzband, vollständig auf (wie Wasser einen See) (s. a. V06). Die Energie<br />
an <strong>der</strong> oberen Kante dieses Bandes (d.h. <strong>der</strong> Wasserpegel) entspricht bei<br />
Metallen <strong>der</strong> sog. Fermi-Energie EF (Enrico Fermi, ital. <strong>Physik</strong>er, 1901 – 1954).<br />
(Bei Isolatoren, Eigenhalbleitern (d.h. nicht-dotierten Halbleitern wie reinem<br />
Silizium) <strong>und</strong> Metallen beschreibt EF die Energie, die genau zwischen Valenz-<br />
<strong>und</strong> Leitungsband liegt.) EF ist für jedes Material eine charakteristische Größe.<br />
Werden nun zwei Metalle mit unterschiedlichen Fermi-Energien EF,1 <strong>und</strong> EF,2 in<br />
Kontakt gebracht, dann purzeln Elektronen aus dem Material mit <strong>der</strong> höheren EF<br />
ins Material mit <strong>der</strong> kleineren EF (wie Wasser aus einem See mit höherem<br />
Wasserstand in einen See mit niedrigerem Wasserstand fließen würde). Die<br />
dabei frei werdende Energie wird i.d.R. als Wärme abgegeben. Da es sich<br />
allerdings bei Elektronen um geladene Teilchen handelt, lassen sie positive<br />
Metallatomrümpfe zurück, die ein elektrisches Feld aufbauen, das eine<br />
rücktreibende Kraft auf die ins niedrigere EF –Niveau purzelnden Elektronen<br />
ausübt. Irgendwann wird dieses Feld <strong>und</strong> seine rücktreibende Kraft die Kraft des<br />
EF –Gefälles gerade kompensieren, d.h. keine weiteren Elektronen können das<br />
Metall mit <strong>der</strong> höheren EF mehr verlassen. Das zu diesem Feld gehörende<br />
Potenzial wird auch Kontaktpotenzial UKontakt o<strong>der</strong> Volta-Potenzial genannt. In<br />
diesem Gleichgewicht liegt die neue Fermi-Energie EF, Kontakt des kombinierten<br />
Systems (irgendwo) zwischen denen <strong>der</strong> beiden isolierten Metalle.<br />
Werden zwei Metalle mit unterschiedlichen Fermi-Energien (links) in Kontakt gebracht (rechts), bildet sich<br />
die Kontaktspannung UKontakt zwischen ihnen aus. Beachten Sie, dass <strong>der</strong> Buchstabe E in dieser<br />
E2.32 thermoel. Strom
98 Experimentalphysik 2 für Biologen & Chemiker<br />
Abbildung immer die Energie <strong>und</strong> nicht das elektrische Feld meint.<br />
Gleicher Zusammenhang im Bild <strong>der</strong> „Potenzialtöpfe“, die miteinan<strong>der</strong> in Verbindung gebracht werden.<br />
Wenn die beiden Leiter einen<br />
geschlossenen Kreis bilden, so<br />
entstehen zwei gleichstarke<br />
entgegengesetzte elektrische Fel<strong>der</strong>.<br />
Da sie sich aufheben, fließt kein Strom.<br />
Was geschieht nun, wenn eine <strong>der</strong><br />
Kontaktstellen erwärmt wird?<br />
Erwärmt man ein Metall, so än<strong>der</strong>t sich<br />
die Verteilung <strong>der</strong> Elektronen im<br />
Potenzialtopf. Durch die Wärmeenergie<br />
werden sie besser verteilt. Durch<br />
Aufnahme von Wärmeenergie können<br />
Elektronen vom tieferen Potenzialtopf<br />
in den höheren gelangen. Das<br />
elektrische Feld an dieser Kontaktstelle<br />
wird kleiner.<br />
Quelle:<br />
http://www.siteware.ch/peltier/theorie.html#seebeck<br />
Die beiden elektrischen Fel<strong>der</strong> heben sich nun nicht mehr gegenseitig auf: Es<br />
fließt ein Thermostrom I (thermoelektrischer Effekt). Dieser Effekt wird auch<br />
Seebeck-Effekt genannt (Thomas Johannes Seebeck, dt. <strong>Physik</strong>er, 1770 –<br />
1831). Der erzeugte Strom wirkt seiner Ursache entgegen: Er nimmt Wärme auf<br />
<strong>der</strong> warmen Seite auf <strong>und</strong> gibt sie an <strong>der</strong> kalten Kontaktstelle wie<strong>der</strong> ab.
<strong>Elektrodynamik</strong> 99<br />
Quelle: Demtrö<strong>der</strong> 2, Abb. 2.58, S.73<br />
Quelle: Staudt, Abb. 7.55, S.209<br />
5.9.2 Der Peltier-Effekt ist die Umkehrung <strong>der</strong> thermoelektrischen<br />
Spannungserzeugung<br />
So wie sich über eine äußere<br />
Temperaturdifferenz zwischen zwei<br />
Kontaktpunkten ein abgreifbarer<br />
Strom erzeugen lässt, führt ein von<br />
außen angelegter Strom zu einem<br />
Temperaturgefälle zwischen den<br />
Kontaktpunkten.<br />
Für die Kontaktstellen än<strong>der</strong>t sich<br />
nichts. Sie werden immer noch von<br />
einem Strom durchflossen <strong>und</strong><br />
nehmen immer noch Wärme auf<br />
respektive geben welche an die<br />
Umgebung ab, auch wenn kein<br />
Temperaturgefälle besteht.<br />
Quelle:<br />
http://www.siteware.ch/peltier/theorie.html#seebeck<br />
Die Elektronen, die von <strong>der</strong> Spannungsquelle vom tieferen in den höheren<br />
Potenzialtopf gestoßen werden, nehmen ihre gewonnene potenzielle Energie in<br />
Form von Wärmeenergie auf. Diejenigen, die vom höheren Potenzial ins tiefere<br />
gelangen, geben ihre potenzielle Energie als Wärme ab.<br />
Die Menge <strong>der</strong> transportierten Wärme ist von <strong>der</strong> Anzahl <strong>der</strong> Elektronen<br />
abhängig, die die Kontaktstelle durchfließen. Jedes Elektron kann eine gewisse<br />
Wärmemenge absorbieren <strong>und</strong> wie<strong>der</strong> abgeben. Die Wärmemenge Q ist<br />
dementsprechend proportional zum fließenden Strom:<br />
ΔQ ∝ I .<br />
Δt<br />
Beachten Sie: Q ist die Wärmemenge (<strong>und</strong> nicht die Ladungsmenge).<br />
E2.35 Peltierelement
<strong>Elektrodynamik</strong> 95<br />
V14 Dioden, Thermoelement & Peltier-Element<br />
Wie<strong>der</strong>holung<br />
• Werden Wi<strong>der</strong>stand, Kondensator <strong>und</strong> Spule in Stromkreisen betrachtet,<br />
lässt sich feststellen, dass sich ihr Strom-Spannungsverhalten<br />
unterscheidet.<br />
• Bei Ein-/Ausschaltvorgängen folgt <strong>der</strong> Strom in einem Wi<strong>der</strong>stand zeitlich<br />
genau dem Spannungsverlauf. Bei einem Kondensator ist <strong>der</strong> Stromfluss<br />
dagegen zunächst maximal <strong>und</strong> nimmt mit zunehmen<strong>der</strong> Ladung <strong>der</strong><br />
Kondensatoroberfläche (Platten) bis auf Null ab, da irgendwann die auf<br />
den Platten deponierten Ladungen eine Spannung erzeugt haben<br />
werden, die dem Betrag nach genau <strong>der</strong> angelegten Spannung entspricht.<br />
Beim Abschalten wird genau <strong>der</strong> gleiche Stromverlauf, allerdings mit<br />
entgegen gesetztem Vorzeichen beobachtet. Dieser Verlauf folgt einer e-<br />
Funktion. Im Gegensatz dazu nimmt <strong>der</strong> Strom beim Anschalten einer<br />
Spule nur langsam bis zu einem Sättigungswert zu, da die sich während<br />
des Anschaltens von Null auf einen endlichen Wert än<strong>der</strong>nde äußere<br />
Spannung in <strong>der</strong> Spule eine Induktionsspannung erzeugt, die <strong>der</strong> äußeren<br />
Spannung entgegenwirkt (Lenz’sche Regel) <strong>und</strong> damit den Stromfluss in<br />
die Spule hinein behin<strong>der</strong>t. Umgekehrt führt die durch den<br />
Abschaltprozess sich än<strong>der</strong>nde Spannung zu einer Induktionsspannung,<br />
die diesem Abschaltprozess entgegenwirkt, wodurch <strong>der</strong> Stromabfall beim<br />
Abschalten nicht sprunghaft, son<strong>der</strong>n langsam erfolgt. Diese<br />
Induktionsspannung addiert sich beim Abschalten zur Restspannung <strong>und</strong><br />
kann dabei zu Spannungsspitzen führen, denen <strong>der</strong> Verbraucher (die<br />
Spule) nicht standhält <strong>und</strong> die damit zu einer Zerstörung des<br />
Verbrauchers führen (z.B. <strong>der</strong> Glühwendel einer Glühbirne).<br />
• In Gleichstromkreisen folgt ein Wi<strong>der</strong>stand dem Ohm’schen Gesetz; ein<br />
Kondensator wirkt wie ein durchtrenntes Kabel, <strong>und</strong> eine Spule einem<br />
Kurzschluss (bei vernachlässigbarem Innenwi<strong>der</strong>stand des<br />
Spulendrahtes).<br />
• Beim Anlegen einer Wechselspannung wird beobachtet, dass sich Strom<br />
<strong>und</strong> Spannung nicht in Phase befinden müssen (d.h. zu an<strong>der</strong>en<br />
Zeitpunkten ihre jeweiligen Maxima erreichen). Dies trifft nicht für den<br />
Wi<strong>der</strong>stand zu, jedoch auf Kondensator <strong>und</strong> Spule: Bei einem<br />
Kondensator eilt <strong>der</strong> Wechselstrom <strong>der</strong> angelegten Wechselspannung um<br />
90° voraus, bei <strong>der</strong> Spule hinkt er um 90° hinterher.<br />
Computersimulation<br />
Phasenverschiebung bei<br />
R, C <strong>und</strong> L in<br />
Wechselstromkreisen
E2.14 HL-Diode<br />
96 Experimentalphysik 2 für Biologen & Chemiker<br />
5.8 Halbleiterbauelemente: Dioden (<strong>und</strong> Transistoren)<br />
Vierwertiges Silizium (wie Kohlenstoff) kann jeweils 4 Bindungen eingehen<br />
(links). Werden Fremdatome mit weniger (z.B. Bor: dreiwertig, d.h. 3<br />
Außenelektronen) o<strong>der</strong> mehr (z.B. Phosphor: fünfwertig, d.h. 5 Außenelektronen)<br />
Elektronen in das Kristallgitter eingebaut, so entstehen positiv geladene<br />
Elektronenfehlstellen (Löcher, holes) (Mitte) o<strong>der</strong> negativ geladene<br />
Elektronenüberschussstellen (rechts) im Gitter.<br />
Werden ein p- (z.B. Si dotiert mit B; Ga)<br />
<strong>und</strong> ein n-leiten<strong>der</strong> Halbleiter (z.B. Si<br />
dotiert mit P; As) in Kontakt gebracht,<br />
so diff<strong>und</strong>ieren freie Elektronen von <strong>der</strong><br />
n- in die p-Schicht <strong>und</strong> Löcher von <strong>der</strong><br />
p- in die n-Schicht. Dort findet jeweils<br />
Rekombination von e- <strong>und</strong> h+ (holes =<br />
Löcher) statt. Dadurch entsteht auf <strong>der</strong><br />
p-Seite ein relativer Überschuss an<br />
negativen, auf <strong>der</strong> n-Seite an positiven<br />
Ladungen (im Vergleich zur<br />
Ausgangssituation).<br />
Keine äußere Spannung, U=UK<br />
Die so aufgebaute Kontaktspannung UK verhin<strong>der</strong>t im Gleichgewicht weitere<br />
Ladungsdiffusion. Im Kontaktbereich sind nur wenig Ladungsträger, so dass dort<br />
ein höherer Wi<strong>der</strong>stand vorliegt als im restlichen Material.<br />
Wird nun von außen eine Spannung angelegt, so kommt es stark auf die Polung<br />
<strong>der</strong> Spannung an, ob ein Strom fließen kann o<strong>der</strong> nicht:<br />
Polung <strong>der</strong> externen Spannung in Sperrrichtung:<br />
Weitere Verarmung, d.h. Ausbreitung <strong>der</strong><br />
Polung in Flussrichtung
<strong>Elektrodynamik</strong> 97<br />
Verarmungszone.<br />
Nebenstehend ist die Strom-Spannungs-<br />
Kurve einer (Halbleiter-) Diode zu sehen:<br />
In Sperrrichtung (neg. U) fließt kein<br />
Strom (I=0), in Flussrichtung nimmt <strong>der</strong><br />
Strom nicht-linear zu.<br />
Leuchtdioden (LEDs = light-emitting<br />
diodes): Bei manchen Materialien wird<br />
die Energie, die bei <strong>der</strong> Rekombination<br />
von Ө mit ⊕ bei Betrieb in Flussrichtung<br />
frei wird, als Licht abgegeben. Diese Art<br />
<strong>der</strong> Lichterzeugung ist sehr effizient, da<br />
an<strong>der</strong>s als bei konventionellen<br />
Glühlampen nur wenig Energie in Wärme<br />
überführt wird.<br />
Es gibt viele weitere wichtige Bauelemente, v.a. Transistoren (‚Doppeldiode’) als<br />
Verstärker.<br />
5.9 Thermische Effekte in Leitern<br />
5.9.1 Erzeugung einer Thermospannung als Folge des Seebeck-Effektes<br />
Die Elektronen füllen das oberste besetze Band eines metallischen Leiters, das<br />
sog. Valenzband, vollständig auf (wie Wasser einen See) (s. a. V06). Die Energie<br />
an <strong>der</strong> oberen Kante dieses Bandes (d.h. <strong>der</strong> Wasserpegel) entspricht bei<br />
Metallen <strong>der</strong> sog. Fermi-Energie EF (Enrico Fermi, ital. <strong>Physik</strong>er, 1901 – 1954).<br />
(Bei Isolatoren, Eigenhalbleitern (d.h. nicht-dotierten Halbleitern wie reinem<br />
Silizium) <strong>und</strong> Metallen beschreibt EF die Energie, die genau zwischen Valenz-<br />
<strong>und</strong> Leitungsband liegt.) EF ist für jedes Material eine charakteristische Größe.<br />
Werden nun zwei Metalle mit unterschiedlichen Fermi-Energien EF,1 <strong>und</strong> EF,2 in<br />
Kontakt gebracht, dann purzeln Elektronen aus dem Material mit <strong>der</strong> höheren EF<br />
ins Material mit <strong>der</strong> kleineren EF (wie Wasser aus einem See mit höherem<br />
Wasserstand in einen See mit niedrigerem Wasserstand fließen würde). Die<br />
dabei frei werdende Energie wird i.d.R. als Wärme abgegeben. Da es sich<br />
allerdings bei Elektronen um geladene Teilchen handelt, lassen sie positive<br />
Metallatomrümpfe zurück, die ein elektrisches Feld aufbauen, das eine<br />
rücktreibende Kraft auf die ins niedrigere EF –Niveau purzelnden Elektronen<br />
ausübt. Irgendwann wird dieses Feld <strong>und</strong> seine rücktreibende Kraft die Kraft des<br />
EF –Gefälles gerade kompensieren, d.h. keine weiteren Elektronen können das<br />
Metall mit <strong>der</strong> höheren EF mehr verlassen. Das zu diesem Feld gehörende<br />
Potenzial wird auch Kontaktpotenzial UKontakt o<strong>der</strong> Volta-Potenzial genannt. In<br />
diesem Gleichgewicht liegt die neue Fermi-Energie EF, Kontakt des kombinierten<br />
Systems (irgendwo) zwischen denen <strong>der</strong> beiden isolierten Metalle.<br />
E2.32 thermoel. Strom
98 Experimentalphysik 2 für Biologen & Chemiker<br />
Werden zwei Metalle mit unterschiedlichen Fermi-Energien (links) in Kontakt gebracht (rechts), bildet sich<br />
die Kontaktspannung UKontakt zwischen ihnen aus. Beachten Sie, dass <strong>der</strong> Buchstabe E in dieser<br />
Abbildung immer die Energie <strong>und</strong> nicht das elektrische Feld meint.<br />
Gleicher Zusammenhang im Bild <strong>der</strong> „Potenzialtöpfe“, die miteinan<strong>der</strong> in Verbindung gebracht werden.<br />
Wenn die beiden Leiter einen<br />
geschlossenen Kreis bilden, so<br />
entstehen zwei gleichstarke<br />
entgegengesetzte elektrische Fel<strong>der</strong>.<br />
Da sie sich aufheben, fließt kein Strom.<br />
Was geschieht nun, wenn eine <strong>der</strong><br />
Kontaktstellen erwärmt wird?<br />
Erwärmt man ein Metall, so än<strong>der</strong>t sich<br />
die Verteilung <strong>der</strong> Elektronen im<br />
Potenzialtopf. Durch die Wärmeenergie<br />
werden sie besser verteilt. Durch<br />
Aufnahme von Wärmeenergie können<br />
Elektronen vom tieferen Potenzialtopf<br />
in den höheren gelangen. Das<br />
elektrische Feld an dieser Kontaktstelle<br />
wird kleiner.<br />
Quelle:
<strong>Elektrodynamik</strong> 99<br />
http://www.siteware.ch/peltier/theorie.html#seebeck<br />
Die beiden elektrischen Fel<strong>der</strong> heben sich nun nicht mehr gegenseitig auf: Es<br />
fließt ein Thermostrom I (thermoelektrischer Effekt). Dieser Effekt wird auch<br />
Seebeck-Effekt genannt (Thomas Johannes Seebeck, dt. <strong>Physik</strong>er, 1770 –<br />
1831). Der erzeugte Strom wirkt seiner Ursache entgegen: Er nimmt Wärme auf<br />
<strong>der</strong> warmen Seite auf <strong>und</strong> gibt sie an <strong>der</strong> kalten Kontaktstelle wie<strong>der</strong> ab.<br />
Quelle: Demtrö<strong>der</strong> 2, Abb. 2.58, S.73<br />
Quelle: Staudt, Abb. 7.55, S.209<br />
5.9.2 Der Peltier-Effekt ist die Umkehrung <strong>der</strong> thermoelektrischen<br />
Spannungserzeugung<br />
So wie sich über eine äußere<br />
Temperaturdifferenz zwischen zwei<br />
Kontaktpunkten ein abgreifbarer<br />
Strom erzeugen lässt, führt ein von<br />
außen angelegter Strom zu einem<br />
Temperaturgefälle zwischen den<br />
Kontaktpunkten.<br />
Für die Kontaktstellen än<strong>der</strong>t sich<br />
nichts. Sie werden immer noch von<br />
einem Strom durchflossen <strong>und</strong><br />
nehmen immer noch Wärme auf<br />
respektive geben welche an die<br />
Umgebung ab, auch wenn kein<br />
Temperaturgefälle besteht.<br />
Quelle:<br />
http://www.siteware.ch/peltier/theorie.html#seebeck<br />
Die Elektronen, die von <strong>der</strong> Spannungsquelle vom tieferen in den höheren<br />
Potenzialtopf gestoßen werden, nehmen ihre gewonnene potenzielle Energie in<br />
Form von Wärmeenergie auf. Diejenigen, die vom höheren Potenzial ins tiefere<br />
gelangen, geben ihre potenzielle Energie als Wärme ab.<br />
Die Menge <strong>der</strong> transportierten Wärme ist von <strong>der</strong> Anzahl <strong>der</strong> Elektronen<br />
abhängig, die die Kontaktstelle durchfließen. Jedes Elektron kann eine gewisse<br />
Wärmemenge absorbieren <strong>und</strong> wie<strong>der</strong> abgeben. Die Wärmemenge Q ist<br />
dementsprechend proportional zum fließenden Strom:<br />
ΔQ ∝ I .<br />
Δt<br />
Beachten Sie: Q ist die Wärmemenge (<strong>und</strong> nicht die Ladungsmenge).<br />
E2.35 Peltierelement
100 Experimentalphysik 2 für Biologen & Chemiker
Elektromagnetische Schwingungen <strong>und</strong> Wellen – Überleitung zur <strong>Optik</strong> 101<br />
V15 Elektromagnetische (EM) Schwingungen <strong>und</strong> Wellen,<br />
Hertz’scher Dipol<br />
Wie<strong>der</strong>holung<br />
• Halbleiterdioden bestehen aus zwei miteinan<strong>der</strong> in Kontakt stehenden<br />
Siliziumplättchen, die jeweils mit Fremdatomen „verunreinigt“, d.h. dotiert<br />
sind. Bei einer sog. p-Dotierung (p: positiv) sind Fremdatome wie z.B.<br />
Bor ins Si-Gitter eingebaut. Verglichen zum reinen Si-Kristall fehlen also<br />
ebenso viele Elektronen wie Bor-Atome im Kristall eingebaut sind.<br />
Umgekehrt sind bei n-Dotierung (n: negativ) Fremdatome mit mehr als 4<br />
Außenelektronen ins Kristallgitter eingebaut. Es herrscht also<br />
Elektronenüberschuss. Durch Kontakt zweier unterschiedlich dotierter<br />
Kristalle lässt sich eine sog. Kontaktspannung messen.<br />
• Auch bei Kontakt zweier Metalle ist eine Kontaktspannung messbar (z.B.<br />
Silberlöffel auf Amalgam- o<strong>der</strong> Goldlegierung!)<br />
• Über den sog. Seebeck-Effekt lassen sich durch<br />
Temperaturunterschiede an Metallkontakten Thermospannungen<br />
erzeugen. Umgekehrt lassen sich beim sog. Peltier-Effekt durch<br />
Stromfluss durch Metallkontaktstellen Temperaturgradienten an diesen<br />
Kontaktstellen erzeugen.<br />
6 Elektromagnetische Schwingungen <strong>und</strong> Wellen –<br />
Überleitung zur <strong>Optik</strong><br />
Wie lassen sich Handy-, Radio- <strong>und</strong> Fernsehsignale übertragen? Was ist Licht?<br />
Worin unterscheiden sich Farben? Worin unterscheiden sich Licht, Mikrowellen<br />
<strong>und</strong> Röntgenstrahlen?<br />
Obwohl die oben genannten Begriffe <strong>und</strong> Fragen auf den ersten Blick nicht<br />
unbedingt in Beziehung stehen, haben sie doch die gleiche Ursache: das<br />
periodische Wechselspiel zwischen elektrischem <strong>und</strong> magnetischem Feld.<br />
(Elektromagnetische Schwingungen lassen sich im Ansatz genau wie<br />
mechanische Schwingungen beschreiben. Zur Wdh. siehe P1 V09 <strong>und</strong> V21.)<br />
6.1 Elektromagnetische Schwingungen <strong>und</strong> Wellen<br />
6.1.1 Harmonische Schwingung in einem geschlossenen LC-Schwingkreis<br />
Betrachten Sie einen seriellen <strong>und</strong> in sich geschlossenen Schaltkreis aus einem<br />
Kondensator <strong>der</strong> Kapazität C <strong>und</strong> einer Spule <strong>der</strong> Induktivität L, einen<br />
elektromagnetischen Schwingkreis (LC-Kreis).
102 Experimentalphysik 2 für Biologen & Chemiker<br />
Vergleich zwischen elektromagnetischem Schwingkreis <strong>und</strong> dem mechanischen Modell eines<br />
harmonischen Oszillators, realisiert durch eine schwingende Masse m, die zwischen zwei Fe<strong>der</strong>n<br />
aufgehängt ist. Quelle: Demtrö<strong>der</strong>, Abb. 6.1, S. 163<br />
a) Wird <strong>der</strong> Kondensator aufgeladen <strong>und</strong> anschließend die äußere<br />
Spannungsquelle abgeschaltet,<br />
b) so entlädt sich <strong>der</strong> Kondensator wie<strong>der</strong> durch Rekombination <strong>der</strong><br />
getrennten Ladungen; dabei fließt durch die Spule - <strong>der</strong> exponentiell<br />
abnehmende Entladestrom I (s.a. Abschaltvorgang beim RC-Kreis,<br />
V14). Dieser Strom erzeugt im Inneren <strong>der</strong> Spule ein sich zeitlich<br />
verän<strong>der</strong>liches (während <strong>der</strong> Kondensatorentladung erst zu-, dann<br />
wie<strong>der</strong> abnehmendes) Magnetfeld dB/dt, das gemäß des<br />
Faraday’schen Gesetzes <strong>und</strong> <strong>der</strong> Lenz’schen Regel eine Spannung<br />
induziert, die den Strom nach Entladen des Kondensators in die<br />
gleiche Richtung weitertreibt <strong>und</strong> damit<br />
c) den Kondensator mit <strong>der</strong> entgegengesetzten Polung wie<strong>der</strong> auflädt.<br />
Erreicht die durch diese Ladungstrennung zwischen den<br />
Kondensatorplatten erzeugte Spannung die Stärke <strong>der</strong><br />
Induktionsspannung, dann geht <strong>der</strong> Strom auf Null zurück <strong>und</strong> <strong>der</strong><br />
Ladeprozess des Kondensators durch die Spule ist beendet. Wie in a)<br />
setzt <strong>der</strong> Entladeprozess des Kondensators erneut ein, dieses Mal<br />
allerdings in Gegenrichtung <strong>und</strong> erzeugt mit seinem exponentiell<br />
abnehmenden Strom wie in b)<br />
d) ein sich zeitlich än<strong>der</strong>ndes Magnetfeld in <strong>der</strong> Spule, das wie<strong>der</strong>um
Elektromagnetische Schwingungen <strong>und</strong> Wellen – Überleitung zur <strong>Optik</strong> 103<br />
e) den Kondensator durch die Induktionsspannung in ursprünglicher<br />
Polung auflädt.<br />
Damit ist <strong>der</strong> Kreislauf geschlossen <strong>und</strong> kann sich als endlose harmonische sin-<br />
o<strong>der</strong> cos-Schwingung fortsetzen, falls es nicht zu Reibungsverlusten (z.B. durch<br />
einen Wi<strong>der</strong>stand R im LC-Kreis) kommen sollte.<br />
Die Schwingungsdauer T berechnet sich über die Kirchhoff’sche Maschenregel:<br />
UC + UL = 0<br />
mit<br />
U<br />
C<br />
Q<br />
= , <strong>der</strong> Spannung am Kondensator, <strong>und</strong><br />
C<br />
dI<br />
=− , <strong>der</strong> Faraday’schen Induktionsspannung in <strong>der</strong> Spule.<br />
ULL dt<br />
Einsetzen <strong>und</strong> Differenzierung (zeitl. Abhängigkeit) führt zu<br />
dU dU<br />
+<br />
dt dt<br />
C L<br />
2<br />
dQ 1 dI<br />
= ⋅ −L<br />
dt C dt<br />
2<br />
1 dI<br />
=−⋅ I −L<br />
2<br />
C dt<br />
= 0<br />
dQ<br />
mit dem abnehmenden Strom I =− , <strong>der</strong> anfänglich durch Entladung <strong>der</strong><br />
dt<br />
Kondensatorplatten erzeugt wird. Vereinfacht:<br />
&& 1<br />
I + ⋅ I = 0 .<br />
L⋅C Diese Differentialgleichung ist vom gleichen Typ wie die <strong>der</strong> mechanischen<br />
harmonischen Schwingung einer Fe<strong>der</strong>:<br />
k<br />
m⋅ x&&+ k⋅ x = 0 bzw. x&& + ⋅ x = 0 (Rücktreibende Kraft m·a = Fe<strong>der</strong>kraft -k·x)<br />
m<br />
mit dem Lösungsansatz It () = I0⋅sin( ω⋅ t + ϕ)<br />
<strong>und</strong> <strong>der</strong> Maximalamplitude<br />
I0 = Imax des Stromes. Einsetzen des Lösungsansatzes <strong>und</strong> anschließen<strong>der</strong><br />
Koeffizientenvergleich liefert die Thomson-Formel für die Kreisfrequenz w bzw.<br />
die Schwingungsdauer T des reinen LC-Kreises (also ohne Dämpfung R <strong>und</strong><br />
ohne äußeren Erreger) (Joseph John Thomson, brit. <strong>Physik</strong>er, Entdecker des<br />
Elektrons, 1856-1940):<br />
1<br />
= <strong>und</strong> T = 2 ⋅ ⋅ L⋅C .<br />
L⋅C 2<br />
ω π<br />
2<br />
E5.15 o<strong>der</strong> E5.8<br />
gedämpfte EM-<br />
Schwingung
Nochmal E5.15 o<strong>der</strong><br />
E5.8 gedämpfte EM-<br />
Schwingung<br />
E5.20 Erzwungene<br />
Schwingung<br />
104 Experimentalphysik 2 für Biologen & Chemiker<br />
6.1.2 Gedämpfte harmonische Schwingung in einem LCR-Kreis<br />
Da in einem Schaltkreis<br />
allerdings immer „Verluste“<br />
durch ohm’sche<br />
Wi<strong>der</strong>stände auftreten<br />
(außer Supraleiter, s.a.<br />
V06), tritt in einem solchen<br />
Schwingkreis immer eine<br />
gedämpfte Schwingung<br />
auf, d.h. R ist in Reihe zu L<br />
<strong>und</strong> C geschaltet.<br />
Analog zur Mechanik<br />
ergäbe sich <strong>der</strong> Ansatz für<br />
die DGL zu<br />
&& R 1<br />
I + ⋅ I& + ⋅ I = 0<br />
L L⋅C mit <strong>der</strong> Dämpfung R <strong>und</strong> dem Lösungsansatz<br />
LC-Schwingkreis ohne (gepunktet, R = 0) <strong>und</strong> mit (durchgehend,<br />
R > 0) zus. Wi<strong>der</strong>stand R, <strong>der</strong> zu einer Dämpfung <strong>der</strong><br />
harmonischen Schwingung im LC-Kreis führt. Wie in <strong>der</strong> Mechanik<br />
entspricht <strong>der</strong> Dämpfungsterm einer e-Funktion <strong>und</strong> repräsentiert<br />
die Einhüllende <strong>der</strong> zeitlich abnehmenden Strom-<br />
Schwingungsamplitude. Quelle: Staudt, Abb. 6.131, S.142<br />
−β⋅t It () = I0⋅e ⋅sin( ω⋅ t + ϕ)<br />
,<br />
= It () ⋅sin( ω⋅ t + ϕ)<br />
mit <strong>der</strong> Anfangsamplitude I0 des Stromes bzw. <strong>der</strong> jetzt zeitlich verän<strong>der</strong>lichen<br />
Maximalamplitude I(t) des Stromes,<br />
<strong>der</strong> Dämpfungskonstante<br />
2<br />
1 R<br />
<strong>der</strong> Kreisfrequenz ω = − = ω 2 0 −β<br />
L⋅C 4 ⋅ L<br />
2 2 2<br />
<strong>und</strong> <strong>der</strong> Eigen- o<strong>der</strong> Resonanzfrequenz ω0 =<br />
R<br />
β =<br />
2 ⋅ L<br />
1<br />
.<br />
L⋅C 6.1.3 Erzwungene gedämpfte harmonische Schwingung in einem LCR-<br />
Kreis<br />
Analog zur Mechanik lässt sich die Dämpfung einer harmonischen Schwingung<br />
durch Anlegen einer periodischen äußeren Kraft kompensieren. Bei<br />
elektromagnetischen Schwingkreisen könnte dies z.B. eine Wechselspannung<br />
Ut () = U ⋅sin( ω ⋅ t)<br />
sein.<br />
0<br />
9 R<br />
In <strong>der</strong> Mechanik war β = , d.h. die Induktivität L im LCR-Schwingkreis entspricht <strong>der</strong><br />
2 ⋅ m<br />
Masse m einer gedämpften mechanischen Schwingung.<br />
, (9)
Elektromagnetische Schwingungen <strong>und</strong> Wellen – Überleitung zur <strong>Optik</strong> 105<br />
Erzwungene Schwingung durch Einbau einer<br />
Wechselspannungsquelle U~ in einen LCR-<br />
Schwingkreis. Quelle: Staudt, Abb. 6.133, S.143.<br />
Stromamplitude I <strong>und</strong> Phase ϕ als Funktion <strong>der</strong><br />
Frequenz für eine erzwungene Schwingung in<br />
einem LCR-Kreis verhalten sich analog zur<br />
Amplitude einer mechanischen erzwungenen<br />
Fe<strong>der</strong>schwingung. Das Amplitudenmaximum ist bei<br />
<strong>der</strong> Resonanzfrequenz ω0 (s.a. Tacoma-Brücke) zu<br />
finden. Quelle: Staudt, Abb. 6.134, S.144.<br />
6.1.4 Vergleich zwischen mechanischen <strong>und</strong> elektromagnetischen Größen<br />
Werden mechanische <strong>und</strong> elektromagnetische Schwingungen miteinan<strong>der</strong><br />
verglichen, finden sich folgende Parallelen:<br />
Elektromagnetischer LC-Kreis Fe<strong>der</strong>pendel<br />
Induktivität L m Masse<br />
Ladung Q x Auslenkung<br />
Strom I v Geschwindigkeit<br />
Kehrwert <strong>der</strong><br />
Kapazität<br />
Ohm’scher<br />
Wi<strong>der</strong>stand<br />
Elektrische<br />
Energie, die im<br />
Kondensator<br />
gespeichert ist<br />
Magnetische<br />
Feldenergie <strong>der</strong><br />
stromdurchflossenen<br />
Spule<br />
1<br />
C<br />
k Fe<strong>der</strong>konstante<br />
R R Reibungskoeffizient<br />
1<br />
Eel = ⋅C⋅U 2<br />
1<br />
= ⋅Q⋅U 2<br />
2<br />
1 Q<br />
= ⋅<br />
2 C<br />
1<br />
Emag = ⋅L⋅ I<br />
2<br />
2<br />
2<br />
1<br />
Epot = ⋅k ⋅ x<br />
2<br />
1<br />
Ekin = ⋅m⋅ v<br />
2<br />
6.1.5 Gekoppelte Schwingkreise verhalten sich wie gekoppelte<br />
mechanische Pendel<br />
2<br />
2<br />
Potenzielle<br />
Energie einer<br />
gespannten Fe<strong>der</strong><br />
Kinetische Energie<br />
<strong>der</strong> bewegten<br />
Masse<br />
Zwei induktiv gekoppelte LC-Kreise verhalten sich analog zu zwei gekoppelten<br />
Fe<strong>der</strong>n/Pendeln. Wie in <strong>der</strong> Mechanik kommt es zu einer Schwebung.<br />
E5.17 gekoppelte<br />
Schwingung
106 Experimentalphysik 2 für Biologen & Chemiker<br />
Wird <strong>der</strong> Kondensator des 1.<br />
Kreises aufgeladen, fängt<br />
dieser an zu schwingen. Über<br />
die Kopplung (mittels<br />
Eisenjoch wie beim<br />
Transformator (oberes Bild)<br />
o<strong>der</strong> durch<br />
Ineinan<strong>der</strong>schieben <strong>der</strong><br />
Spulen (unteres Bild)) fängt<br />
<strong>der</strong> 2. Kreis ebenfalls an zu<br />
schwingen, wodurch dem 1.<br />
Kreis (Schwingungs-)Energie<br />
entzogen wird, bis nur noch<br />
<strong>der</strong> 2. Kreis schwingt; dann<br />
kehrt sich <strong>der</strong> Vorgang um.<br />
Quelle: Staudt 2, Abb. 6.135, S.145<br />
Schwebungen zeigen sich nur bei zwei nahe beieinan<strong>der</strong> liegenden<br />
Eigenfrequenzen. Wie bei den Fe<strong>der</strong>n sind diese dadurch charakterisiert, dass in<br />
einem Fall die Systeme (Mechanik: Masse; hier: Ströme) in Phase (ϕ = 0°) bzw.<br />
gerade in Gegenphase (ϕ = 180°) oszillieren. Die Schwebefrequenz ist wie<strong>der</strong><br />
ωSchwebung = ω2 – ω1.<br />
6.1.6 Abstrahlung transversaler elektromagnetischer Wellen von einem<br />
offenen Schwingkreis: Hertz’scher Dipol<br />
Obwohl in einem Schwingkreis hochfrequente elektromagnetische Schwingungen<br />
auftreten, ist er für eine Abstrahlung elektromagnetischer Wellen nicht geeignet;<br />
d.h. sie bleiben im Schwingkreis gefangen <strong>und</strong> können sich nicht als Radio- o<strong>der</strong><br />
Fernsehwellen im Raum ausbreiten, da sich elektrisches <strong>und</strong> magnetisches Feld<br />
fast ausschließlich im Inneren von Kondensator <strong>und</strong> Spule ausbilden. Um<br />
elektromagnetische Wellen abstrahlen zu können, wird eine Antenne benötigt,<br />
die auch „(Hertz’scher) Dipol“ genannt wird. (Mit Dipol ist nicht <strong>der</strong> elektrische<br />
µel o<strong>der</strong> magnetische µmag Dipol gemeint.) Dabei handelt es sich um einen<br />
gestreckten Leiter, <strong>der</strong> als „offener“ Schwingkreis angesehen werden kann, bei<br />
dem Kapazität C <strong>und</strong> Induktivität L nicht mehr getrennt, son<strong>der</strong>n über den<br />
ganzen Dipol gleichmäßig verteilt sind. Im gewissen Sinne ist ein solcher Dipol<br />
damit die rudimentärste bzw. abstrahierte Form eines LC-Schwingkreises.<br />
Übergang vom geschlossenen LC-Schwingkreis durch dessen Vereinfachung <strong>und</strong> Öffnung zwischen den<br />
Kondensatorplatten zu einem lang gestreckten Draht. Quellen: Demtrö<strong>der</strong>, Abb. 6-14, S170 <strong>und</strong> <strong>Physik</strong><br />
Gesamtband, S.184.<br />
Beim „Öffnen" des Kondensators <strong>und</strong> dem Übergang von den<br />
Kondensatorplatten <strong>und</strong> <strong>der</strong> Spule zu einem gestreckten Draht, dem Dipol bzw.<br />
<strong>der</strong> (Dipol-)Antenne, verringern sich Kapazität <strong>und</strong> Induktivität <strong>der</strong> Anordnung
Elektromagnetische Schwingungen <strong>und</strong> Wellen – Überleitung zur <strong>Optik</strong> 107<br />
ganz erheblich. Ein Dipol hat damit eine höhere Eigenfrequenz als <strong>der</strong> LC-<br />
Schwingkreis, aus dem man sich ihn entstanden denken kann.<br />
Än<strong>der</strong>ung des elektromagnetischen Feldverteilung beim Übergang vom LC-Schwingkreis (a) mit räumlich<br />
begrenzten elektrischen <strong>und</strong> magnetischen Fel<strong>der</strong>n über eine einzelne Leiterschleife (b) zum Dipol (c),<br />
dem offenen Schwingkreis mit Fel<strong>der</strong>n, die weit in den Raum hinausreichen (<strong>und</strong> sich vom Dipol ablösen<br />
können). Quelle: Demtrö<strong>der</strong>, Abb. 6.15, S.170.<br />
Im LC-Schwingkreis werden die Elektronen durch die Spule hindurch periodisch<br />
im Rhythmus <strong>der</strong> Hochfrequenz zwischen den Kondensatorplatten beschleunigt<br />
(a). Im Dipol schwingen die Elektronen im Rhythmus <strong>der</strong> Hochfrequenz zwischen<br />
den Dipolenden (c). Wie bei einem geschlossenen Schwingkreis tritt bei einem<br />
Dipol eine Phasenverschiebung zwischen Spannung U(t) <strong>und</strong> Stromstärke I(t) um<br />
eine viertel Periode (1/4T, was 90° o<strong>der</strong> π/2 entspricht) auf:<br />
Zeitlicher Verlauf <strong>der</strong> E <strong>und</strong> B-Fel<strong>der</strong> im Dipol. Quelle: Staudt, Abb. 6.141, S.152<br />
Nach einer viertel Periode (t = 1/4T) besteht an einem Ende des Dipols ein<br />
Elektronenüberschuss <strong>und</strong> am an<strong>der</strong>en ein Elektronenmangel. Zu diesem<br />
Zeitpunkt existiert ein starkes elektrisches Feld (c: E-Feldlinien) <strong>und</strong> damit die<br />
höchste Spannung zwischen den Enden. Der Stromfluss ist in diesem Moment<br />
Null. Im mittleren Teil des Dipols ist jeweils eine Viertelperiode später (t = 1/2T)<br />
die Stromstärke am größten. Dabei schwingen die Elektronen am stärksten: Es<br />
besteht ein starkes magnetisches Feld (d: B-Feldlinien).<br />
Damit gilt also: Die oszillierenden elektrischen E-Feldlinien <strong>und</strong> B-<br />
Magnetfeldlinien<br />
• stehen dabei immer senkrecht aufeinan<strong>der</strong> <strong>und</strong><br />
• sind im Draht um eine viertel Periode (1/4T, was 90° o<strong>der</strong> π/2<br />
entspricht) gegeneinan<strong>der</strong> phasenverschoben.
E5.25 Stehende Wellen<br />
auf einer „Lecherleitung“<br />
(zur Demonstration <strong>der</strong><br />
Schwingungstäler <strong>und</strong> –<br />
bäuche in Dipolen =<br />
Antennen)<br />
108 Experimentalphysik 2 für Biologen & Chemiker<br />
Wie lässt sich nun überhaupt eine Schwingung in<br />
einem solchen geraden Draht (dem Dipol)<br />
erzeugen? Der Dipol kann durch kapazitive o<strong>der</strong><br />
galvanische Kopplung o<strong>der</strong> durch<br />
elektromagnetische Induktion zum Schwingen<br />
angeregt werden. Im letzteren Fall wird dazu <strong>der</strong><br />
mittlere Teil des Dipols vom Magnetfeld <strong>der</strong> Spule<br />
eines separaten LC-Schwingkreises durchsetzt.<br />
Dadurch kommt es zur Energieübertragung vom<br />
Schwingkreis auf den Dipol (s.a. Faraday’sches<br />
Gesetz V11).<br />
Induktive Kopplung eines LC-<br />
Kreises an einen Dipol <strong>der</strong> Länge l.<br />
6.1.7 Stehende elektromagnetische Wellen bilden sich im Dipol aus, wenn<br />
dessen Länge ein Vielfaches <strong>der</strong> halben Wellenlänge <strong>der</strong> EM-Welle<br />
beträgt.<br />
Ganz analog zur Erzeugung<br />
stehen<strong>der</strong> Wellen auf einer Violinen-<br />
Saite, werden bei einer bestimmten<br />
Erregerfrequenz, <strong>der</strong> Eigenfrequenz<br />
ν0 des Dipols, im Dipol stehende<br />
Stromwellen erzeugt. Diese<br />
Resonanz tritt genau dann ein, wenn<br />
die halbe Wellenlänge λ/2 <strong>der</strong><br />
Erregung (o<strong>der</strong> ein n-Faches davon)<br />
genau <strong>der</strong> Länge l des Drahtes<br />
entspricht, d.h. für<br />
Erreger<br />
n<br />
2<br />
λ<br />
l = ⋅<br />
M.a.W.: Schwingt ein Dipol mit seiner<br />
Eigenfrequenz, dann hat die<br />
elektromagnetische Welle im Dipol<br />
eine Wellenlänge, die doppelt so lang<br />
wie <strong>der</strong> Dipol ist.<br />
a) y-Auslenkung einer schwingenden Saite<br />
(Mechanik) <strong>und</strong> stehende Stromwelle einer Ladungs-<br />
Schwingung in einem geraden Draht (Antenne,<br />
Dipol). Die Längen von Saite <strong>und</strong> Dipol sind dabei<br />
halb so groß wie die Wellenlänge λ. Die<br />
Stromverteilung I(z, t0) <strong>und</strong> die Spannungsverteilung<br />
U(z, t0) sind für einen Zeitpunkt t0 angegeben. b) Der<br />
Strombauch <strong>der</strong> stehenden Welle kann mit Hilfe von<br />
Glühlämpchen bestätigt werden, die in <strong>der</strong> Mitte des<br />
Dipols am hellsten leuchten, an den Enden dagegen<br />
gar nicht. Quellen: Demtrö<strong>der</strong>, Abb. 6.18, S. 172 <strong>und</strong><br />
Gesamtband <strong>Physik</strong>, S. 187.<br />
Beispiel: Abmessungen <strong>der</strong> Antenne eines Ultrakurzwellen (UKW) Radiosen<strong>der</strong>s<br />
[meist FM (frequency modulated)], <strong>der</strong> bei 92,0 MHz (gewöhnlich zwischen 88<br />
<strong>und</strong> 104 MHz) empfangen werden kann:<br />
8 m<br />
2,99⋅10 λ c<br />
= = s = 1,625 m<br />
2 2⋅ν61<br />
2⋅92,0⋅10 s<br />
mit <strong>der</strong> Beziehung c = λν ⋅ , wobei c: Lichtgeschwindigkeit, ν : Frequenz.
Elektromagnetische Schwingungen <strong>und</strong> Wellen – Überleitung zur <strong>Optik</strong> 109<br />
Quelle: Gesamtband <strong>Physik</strong>, S. 191<br />
6.1.8 Ablösen <strong>der</strong> elektromagnetischen Wellen vom Dipol<br />
Die im Dipol erzeugten (stehenden) Wellen <strong>und</strong> daran geknüpften E- bzw. B-<br />
Fel<strong>der</strong> können sich vom Dipol ablösen <strong>und</strong> in den Raum ausbreiten.<br />
Abschnüren geschlossener elektrischer Feldlinien (Wirbelfeld) vom Dipol <strong>und</strong> Ausbreitung im Raum.<br />
Ablösen <strong>der</strong> magnetischen Feldlinien vom Dipol <strong>und</strong> Ausbreitung im Raum. Quelle: <strong>Physik</strong> Gesamtband, S.<br />
184.<br />
Oszillation, Orientierung <strong>und</strong> Ablösen von E- <strong>und</strong> B-Feld. Quelle: Heywang, <strong>Physik</strong> für techn. Berufe, S.361
110 Experimentalphysik 2 für Biologen & Chemiker<br />
a) Elektromagnetische (EM) Welle, (die sich vom Dipol <strong>der</strong> Länge h <strong>und</strong> vergleichsweise kleinen Breite dx<br />
ablöst,) dargestellt durch einen (Ausbreitungs-) Strahl, den sog. Wellenvektor k, in x-Richtung <strong>und</strong> zwei<br />
Wellenfronten, die eine Wellenlänge λ voneinan<strong>der</strong> entfernt sind. Darunter dieselbe Welle als<br />
„Schnappschuss“ <strong>der</strong> beiden sinusförmig oszillierenden E- <strong>und</strong> B-Fel<strong>der</strong>, die beide senkrecht zueinan<strong>der</strong> <strong>und</strong><br />
ebenfalls senkrecht zur Ausbreitungsrichtung <strong>der</strong> Wellenfront stehen (E, B <strong>und</strong> Ausbreitungsrichtung folgen<br />
<strong>der</strong> Rechte-Hand-Regel): es handelt sich also um eine Transversalwelle (s.a. 1. Semester). Die<br />
Wellenfronten breiten sich mit <strong>der</strong> Geschwindigkeit c aus, die <strong>der</strong> Lichtgeschwindigkeit entspricht. Fernfeld:<br />
E- <strong>und</strong> B-Feld sind in weiter Entfernung zum Dipol nicht zueinan<strong>der</strong> phasenverschoben: Wellenbäuche,<br />
Nulldurchgänge <strong>und</strong> Wellentäler von E- <strong>und</strong> B-Feld fallen also zeitlich zusammen. Nahfeld: In direkter Nähe<br />
zum Dipol, d.h. beim Ablöseprozess, sind E- <strong>und</strong> B-Feld dagegen um 90° zueinan<strong>der</strong> phasenverschoben,<br />
d.h. um eine viertel Periode T zueinan<strong>der</strong> versetzt (Wellenmaxima/-minima von E-Feld fallen mit<br />
Nulldurchgängen von B-Feld (magn. Flussdichte) zusammen) (nicht gezeigt, aber analog zur Situation im<br />
Dipol selbst, wie es für die stehende Welle im Dipol diskutiert wurde). Mit zunehmendem Abstand vom Dipol<br />
verringert sich diese Phasenverschiebung, d.h. das Nahfeld geht kontinuierlich in das Fernfeld über. Quelle:<br />
Halliday, Abb. 34-5, S.971<br />
Zusammenfassend: Liegt also in einem geraden<br />
Draht (Dipol) ein zeitlich variables B-Feld vor, ist<br />
dieses von einem ebenfalls zeitlich verän<strong>der</strong>lichen<br />
E-Feld senkrecht umgeben, das wie<strong>der</strong>um von<br />
einem zeitlich verän<strong>der</strong>lichen B-Feld senkrecht<br />
umgeben ist ... → Man erhält eine sich<br />
ausbreitende Verkettung von senkrecht zueinan<strong>der</strong><br />
stehenden E- <strong>und</strong> B-Fel<strong>der</strong>n, die durch<br />
Wellengleichungen beschrieben werden →<br />
elektromagnetische (o<strong>der</strong> auch Hertz’sche)<br />
Welle.<br />
Quelle: Staudt, Abb. 6.146, S.157
Elektromagnetische Schwingungen <strong>und</strong> Wellen – Überleitung zur <strong>Optik</strong> 111<br />
P ist ein weit entfernter Punkt, in dem sich die vorbeiziehende elektromagnetische Welle (hier sind nur die<br />
Wellenberge des alternierenden B-Feldes als durchgezogene Linien dargestellt) mit einem Detektor (z.B.<br />
einer Antenne) beobachten lässt. Quelle: Halliday, Abb. 34-3, S. 969<br />
Die zugehörigen Wellengleichungen lauten:<br />
2 2<br />
∂ E 1 ∂ E<br />
= 2 2 2<br />
∂x c ∂t<br />
<strong>und</strong><br />
2 2<br />
∂ B 1 ∂ B<br />
= 2 2 2<br />
∂x c ∂t<br />
mit den Lösungen für ebene, harmonische Wellen<br />
E E k x t<br />
0 sin( ω )<br />
= ⋅ ⋅ ± ⋅ <strong>und</strong> 0<br />
wobei k <strong>der</strong> Wellenvektor<br />
B = B ⋅sin( k⋅ x ± ω ⋅ t)<br />
2 ⋅π<br />
2π<br />
k = ⋅x<br />
ˆ (mit dem Betrag k = )<br />
λ<br />
λ<br />
2 ⋅π<br />
<strong>und</strong> ω die Kreisfrequenz ω = 2 ⋅π ⋅ ν = sind.<br />
T<br />
Wie eine (ebenfalls) transversale Wasserwelle ist eine elektromagnetische Welle<br />
eine sich ausbreitende Störung, die Energie von einem Ort zu einem<br />
an<strong>der</strong>en transportiert. Im Gegensatz zu einer Wasserwelle ist die<br />
elektromagnetische Welle jedoch nicht an Materie geb<strong>und</strong>en <strong>und</strong> kann sich damit<br />
auch im Vakuum ausbreiten (z.B. Radiokommunikation zwischen Erde <strong>und</strong><br />
Satelliten im Weltraum, in dem nahezu Vakuum herrscht).<br />
Die Ausbreitungsgeschwindigkeit v0 einer EM-Welle beträgt im Vakuum (Index 0)<br />
1<br />
υ0 = = ν ⋅ λ0<br />
= c<br />
εμ<br />
0 0<br />
mit λ0: Wellenlänge im Vakuum; [λ] = 1 m,<br />
1 −1<br />
ν : Frequenz <strong>der</strong> Welle; [ ν ] = = 1s = 1Hz<br />
,<br />
s<br />
<strong>der</strong> elektrischen Feldkonstante ε<br />
A ⋅ s<br />
kg⋅m 2 4<br />
-12<br />
0 = 8.854·10<br />
3<br />
(V01),<br />
<strong>der</strong> magnetischen Feldkonstante µ0 = 4·π·10 -7 V·s·A -1 · m -1 (V08),<br />
<strong>und</strong> <strong>der</strong> Lichtgeschwindigkeit c; im Vakuum ist sie maximal:<br />
c = 2,997 924 58 · 10 8 m·s -1 .<br />
Die Ausbreitungsgeschwindigkeit v einer EM-Welle beträgt in Materie mit <strong>der</strong><br />
Dielektrizitätszahl εr <strong>und</strong> <strong>der</strong> Permeabilität µr
112 Experimentalphysik 2 für Biologen & Chemiker<br />
1 c c<br />
υ = = = ν ⋅ λ =<br />
n<br />
εεμμ r 0 r 0 εμ r r<br />
wobei n = εμ r r <strong>der</strong> sog. (materialabhängige <strong>und</strong> dimensionslose)<br />
Brechungsindex ist (dazu später mehr).<br />
6.1.9 Kategorisierung elektromagnetischer Wellen nach ihrer Frequenz<br />
bzw. Wellenlänge<br />
In Abhängigkeit von ihrer Frequenz haben elektromagnetische Wellen (o<strong>der</strong> im<br />
allgemeinen Sprachgebrauch auch „elektromagnetische Strahlung“)<br />
unterschiedliche Eigenschaften. Ihre Energie ist über die Beziehung<br />
Eelektromagn. Strahlung = h⋅ ν<br />
gegeben, wobei h das bereits beim Bohr’schen Magneton (V12) kennen gelernte<br />
Planck’sche Wirkungsquantum ist (h = 6,626 075 5 · 10 -34 J·s).<br />
Das elektromagnetische Spektrum über alle natürlich o<strong>der</strong> technisch<br />
erreichbaren Wellenlängen hat keine Lücke <strong>und</strong> setzt sich wie folgt zusammen:
Elektromagnetische Schwingungen <strong>und</strong> Wellen – Überleitung zur <strong>Optik</strong> 113<br />
Quelle: Heywang, <strong>Physik</strong> für techn. Berufe, S. 364
114 Experimentalphysik 2 für Biologen & Chemiker<br />
Für einige Bereiche des elektromagnetischen Spektrums gibt es allgemein vertraute Namen, zum Beispiel<br />
„Röntgenstrahlung" <strong>und</strong> „Radiowellen". Grob festgelegt ist die Ausdehnung dieser Regionen durch die<br />
Arbeitsbereiche spezieller Strahlungsquellen <strong>und</strong> Nachweisgeräte. Quelle: Halliday, Abb. 34-1, A.968<br />
Die in <strong>der</strong> chemischen Analytik (Spektroskopie) gebräuchlichen Einheiten zur Beschreibung<br />
elektromagnetischer Strahlung. Quelle: Göpel/Ziegler, Struktur <strong>der</strong> Materie, Abb. 1.1.7, S.24
Elektromagnetische Schwingungen <strong>und</strong> Wellen – Überleitung zur <strong>Optik</strong> 115<br />
Die Strahlung <strong>der</strong> dominanten Quelle, <strong>der</strong> Sonne, gehört zu den<br />
Rahmenbedingungen, in denen sich Leben entwickelte <strong>und</strong> denen es sich<br />
anpasste. Ständig durchdringen uns Radio- <strong>und</strong> Fernsehsignale. Mikrowellen von<br />
Radarsystemen <strong>und</strong> aus Telefonzentralen gehören ebenso zu unserer Umwelt<br />
wie die Strahlung von Glühlampen <strong>und</strong> Blitzen (sichtbare Strahlung = vis), von<br />
heißen Motorblöcken <strong>der</strong> Kraftfahrzeuge (Infrarot = IR = „Wärmestrahlung“), aus<br />
Röntgengeräten (Röntgenstrahlung) <strong>und</strong> aus Endlagerstätten radioaktiver Stoffe<br />
(gamma-Strahlung). Außerdem sind wir ständig kosmischen Strahlungen von<br />
Sternen, an<strong>der</strong>en Objekten <strong>der</strong> Galaxis <strong>und</strong> entfernteren Galaxien ausgesetzt.<br />
Auch wir selbst senden elektromagnetische Wellen ins All: Fernsehsignale, die<br />
seit den 1950er-Jahren auf <strong>der</strong> Erde ausgestrahlt werden, haben inzwischen<br />
jeglicher technisch ausgerüsteten Zivilisation, die auf irgendeinem Planeten eines<br />
<strong>der</strong> vielleicht 400 sonnennächsten Sterne leben mag, Nachricht (in allerdings<br />
sehr schwachen Signalen) von <strong>der</strong> Menschheit gebracht.<br />
Transparenz <strong>der</strong> Erdatmosphäre für elektromagnetische Strahlung: Elektromagnetische Dämpfung: die<br />
Kurve gibt den Druck (bzw. damit die Höhe) an, bei dem (<strong>der</strong>) die Intensität <strong>der</strong> externen (Sonnen- <strong>und</strong><br />
kosmischen) Strahlung auf die Hälfte ihres Wertes abgesunken ist. Quelle: Göpel/Ziegler, Struktur <strong>der</strong><br />
Materie, Abb. 3.5.6, S. 402<br />
Mikrowellen regen im Übrigen in Ihrem Mikrowellenherd die Wassermoleküle<br />
(elektrische Dipole!) zur Rotation an. Die bei <strong>der</strong> Rotation erzeugte<br />
Reibungswärme mit/an Nachbarmolekülen erzeugt die (Joule’sche) Wärme.<br />
Wasserfreie Nahrungsmittel dürften sich also im Mikrowellenherd nicht erwärmen<br />
lassen.<br />
Mit Infrarotstrahlung werden Schwingungen in Molekülen angeregt. Die<br />
Bindungen verhalten sich wie mechanische Fe<strong>der</strong>n. Diese Molekülschwingungen<br />
werden von Wärmerezeptoren in unserer Haut als Wärme wahrgenommen.<br />
Offenbar besitzen einige Insekten keine <strong>der</strong>artigen Wärmerezeptoren <strong>und</strong><br />
verbrennen an hellen (aber heißen) Lampen.
E5.38 <strong>Optik</strong> mit cm-<br />
Wellen: Absorption<br />
116 Experimentalphysik 2 für Biologen & Chemiker<br />
V16 Eigenschaften von EM-Wellen<br />
Wie<strong>der</strong>holung<br />
• Ein LC-Kreis, d.h. eine Leiterschleife aus Kondensator <strong>und</strong> Spule, wird auch<br />
elektrischer Schwingkreis genannt, da sich darin elektrisches Feld <strong>und</strong><br />
Magnetfeld abwechselnd gegenseitig erzeugen <strong>und</strong> vernichten.<br />
• Elektrische Schwingkreise verhalten sich wie Fe<strong>der</strong>pendel. Sie führen<br />
harmonische Schwingungen aus, die durch Wi<strong>der</strong>stände gedämpft sein können.<br />
Diese Dämpfung lässt sich durch eine äußere periodische Energieeinkopplung,<br />
z.B. über eine Wechselspannungsquelle, kompensieren. Diese erzwungene<br />
Schwingung zeigt die gleiche Frequenzabhängigkeit <strong>der</strong> Stromamplitude <strong>und</strong><br />
Phase wie eine erzwungene mechanische Schwingung.<br />
• Ebenso lassen sich solche elektronischen Pendel koppeln <strong>und</strong> zeigen<br />
Schwebungsphänomene.<br />
• Wir hatten schließlich gesehen, dass sich ein LC-Schwingkreis öffnen lässt <strong>und</strong><br />
immer noch zu Schwingungen angeregt werden kann, selbst wenn es sich nur<br />
noch um einen geraden Draht, einen sog. Dipol o<strong>der</strong> eine Antenne handelt.<br />
• Elektromagnetische Strahlung kann von einer Antenne abgestrahlt werden <strong>und</strong><br />
sich im Raum ausbreiten. Sie ist dazu nicht an Materie geb<strong>und</strong>en. Es handelt<br />
sich um eine Transversalwelle. Die Ausbreitungsrichtung steht senkrecht auf <strong>der</strong><br />
Auslenkung des elektrischen <strong>und</strong> magnetischen Feldvektors. Sie wird i.A. durch<br />
den Wellenvektor k beschrieben.<br />
• Die Energie elektromagnetischer Wellen beträgt E = h·ν. Es besteht zudem <strong>der</strong><br />
Zusammenhang c=λ·ν. Es sind EM-Wellen für alle Frequenzen bekannt. EM-<br />
Wellen mit Wellenlängen zwischen 400 <strong>und</strong> 800 nm sind für uns als Licht<br />
sichtbar. Dabei erscheint langwelligeres, d.h. niedriger-frequentes Licht rot <strong>und</strong><br />
kurzwelliges, d.h. hochfrequentes Licht blau.<br />
• Mikrowellen regen Moleküle zur Rotation an, Infrarotstrahlung<br />
Molekülschwingungen, vis-Strahlung hebt Elektronen in höhere Molekülorbitale<br />
an, wogegen UV-Strahlung häufig ausreicht, um ein Molekül zu ionisieren.<br />
• Ein angeregtes Elektron eines (farbigen) Moleküls kann bei Rückkehr in sein<br />
Ausgangsorbital seine Energie als Licht längerer Wellenlänge wie<strong>der</strong> abgeben.<br />
Erfolgt die Lichtabstrahlung kurz nach Anregung, wird von Fluoreszenz<br />
gesprochen; erfolgt sie erst nach Sek<strong>und</strong>en o<strong>der</strong> Minuten, wird von<br />
Phosphoreszenz gesprochen.<br />
6.1.10 Durchdringungsvermögen <strong>und</strong> Absorption von elektromagnetischen<br />
Wellen<br />
Befinden sich Holz, Glas, Keramik o<strong>der</strong><br />
Kunststoffe zwischen Sen<strong>der</strong> <strong>und</strong> Empfänger,<br />
registriert <strong>der</strong> Empfänger die<br />
elektromagnetische Strahlung. Befinden sich<br />
Eisen-, Kupfer- o<strong>der</strong> an<strong>der</strong>e Metallplatten<br />
dazwischen, dann gelangen sie nicht zum<br />
Empfänger.<br />
Elektromagnetische Wellen durchdringen<br />
Isolatoren, nicht aber Metalle.<br />
Test verschiedener Materialien auf ihre<br />
Absorptionseigenschaften<br />
elektromagnetischer Strahlung. Quelle:<br />
Gesamtband <strong>Physik</strong>, S. 188<br />
Bei sehr hohen Frequenzen (<strong>und</strong> damit Energien <strong>der</strong> Strahlung, z.B. kurzwellige<br />
Röntgen- <strong>und</strong> Gammastrahlung) werden allerdings auch Metalle teilweise<br />
durchdrungen.
Elektromagnetische Schwingungen <strong>und</strong> Wellen – Überleitung zur <strong>Optik</strong> 117<br />
Sind Materialien „durchsichtig“, heißt das nichts an<strong>der</strong>es, als dass sie nicht mit<br />
den EM-Wellen wechselwirken. D.h. diese Materialien entziehen den EM-Wellen<br />
keine Energie; die EM-Wellen werden also von diesen Materialien nicht<br />
absorbiert. Glas ist für sichtbares Licht durchsichtig, nicht aber für UV-Licht.<br />
Unser Körper ist für Röntgenstrahlen weitgehend durchsichtig. Lediglich die<br />
Knochen <strong>und</strong> Zähne absorbieren einen Teil <strong>der</strong> Strahlung.<br />
6.1.11 Reflexion <strong>und</strong> Interferenz elektromagnetischer Wellen<br />
Wie mechanische (Transversal-) Wellen können<br />
auch elektromagnetische Wellen an Objekten<br />
reflektiert werden, beson<strong>der</strong>s gut an metallischen<br />
Wänden. Dabei gilt wie in <strong>der</strong> Mechanik:<br />
Einfallswinkel = Ausfalls- bzw. Reflektionswinkel,<br />
wobei immer <strong>der</strong> Winkel bez. <strong>der</strong> Flächennormalen,<br />
d.h. dem Flächennormaleneinheitsvektor ˆn bzw.<br />
dem Lot senkrecht zur Fläche gemeint ist.<br />
Quelle: Gesamtband <strong>Physik</strong>, S.<br />
188<br />
Trifft die elektromagnetische Strahlung also senkrecht auf einen Reflektor (d.h.<br />
die Wellenausbreitungsrichtung ist parallel zu ˆn , <strong>der</strong> Einfallswinkel also 0° bez.<br />
des Flächenlots) so kann die Interferenz <strong>der</strong> einfallenden mit <strong>der</strong> reflektierten<br />
Welle<br />
führen.<br />
• zur Auslöschung (Überlagerung von Bergen mit Tälern: negative<br />
Interferenz) sowie<br />
• zur Verstärkung <strong>und</strong> Ausbildung von stehenden Wellen (Überlagerung <strong>der</strong><br />
jeweiligen Bergspitzen bzw. <strong>der</strong> Täler: positive Interferenz)<br />
Die Reflexion elektromagnetischer Wellen stellt in den verschiedenen<br />
Wellenlängenbereichen unterschiedliche Anfor<strong>der</strong>ungen an die Qualität <strong>der</strong><br />
reflektierenden Flächen. Für Radioteleskope zum Empfang von<br />
elektromagnetischen Wellen genügen wegen <strong>der</strong> großen Wellenlänge grobe<br />
Metallgitter. Im langwelligen infraroten Bereich muss die Oberfläche glatter sein.<br />
Metallplatten mit rauer Oberfläche wirken aber noch als gute Reflektoren. Im<br />
sichtbaren <strong>und</strong> ultravioletten Bereich besitzen Metallplatten <strong>und</strong> Spiegel, die die<br />
Strahlung gerichtet reflektieren sollen, eine polierte Oberfläche. Für<br />
Röntgenstrahlung <strong>und</strong> Gammastrahlung ist diese infolge des Teilchenaufbaus<br />
<strong>der</strong> Stoffe noch viel zu rau. Deshalb tritt eine Reflexion dieser sehr kurzwelligen<br />
elektromagnetischen Wellen nur bei streifendem Einfall, d.h. großen Winkeln zur<br />
Flächennormale auf. Bei einem kleineren Einfallswinkel dringen sie dagegen in<br />
die Metalle ein <strong>und</strong> durchdringen diese.<br />
E5.22 Stehende<br />
elektromagnet. Welle:<br />
Lichtintensität <strong>der</strong><br />
Glühbirne in<br />
Abhängigkeit von <strong>der</strong><br />
Entfernung <strong>der</strong><br />
Reflektionswand<br />
E5.38 <strong>Optik</strong> mit cm-<br />
Wellen: Reflexion
118 Experimentalphysik 2 für Biologen & Chemiker<br />
6.1.12 Brechung von elektromagnetischen Wellen<br />
Hertz’sche Wellen werden<br />
beim Übergang von einem<br />
Isolator in den an<strong>der</strong>en<br />
gebrochen. Quelle:<br />
Gesamtband <strong>Physik</strong>, S.189<br />
Das Foto zeigt die Reflexion <strong>und</strong><br />
Brechung eines Lichtstrahls, <strong>der</strong><br />
auf eine waagerechte Glasfläche<br />
fällt. (Der obere Teil des<br />
gebrochenen Strahls erscheint<br />
nicht deutlich.) Die untere<br />
Grenzfläche zwischen Glas <strong>und</strong><br />
Luft ist so gekrümmt, dass <strong>der</strong><br />
Strahl senkrecht darauf fällt <strong>und</strong><br />
infolge <strong>der</strong> Brechung nicht ab<br />
knickt.<br />
Schematische Darstellung von (a);<br />
bezeichnet sind <strong>der</strong> Einfallswinkel<br />
(θ1), <strong>der</strong> Reflexionswinkel (θ1’) <strong>und</strong><br />
<strong>der</strong> Brechungswinkel (θ2).<br />
Quelle: Halliday, Abb. 34-17,<br />
S.985<br />
Elektromagnetische Wellen können Isolatoren durchdringen. Beim Übergang von<br />
einem Medium in ein an<strong>der</strong>es än<strong>der</strong>n sie jedoch ihre Richtung. Wie stark diese<br />
Ablenkung ist, d.h. wie groß die Winkel θ1 <strong>und</strong> θ2 bezüglich <strong>der</strong> Flächennormalen<br />
n <strong>der</strong> Mediengrenzfläche sind, hängt vom Verhältnis <strong>der</strong> materialspezifischen<br />
dimensionslosen Brechungsindizes n1 <strong>und</strong> n2 <strong>der</strong> beiden Medien 1 <strong>und</strong> 2 ab.<br />
Der Zusammenhang wird über das sog. Snellius’sche Brechungsgesetz<br />
beschrieben:<br />
o<strong>der</strong> an<strong>der</strong>s ausgedrückt:<br />
n ⋅ sinθ = n ⋅ sinθ<br />
1 1 2 2<br />
sin θ υ c/ n n<br />
= = =<br />
sin θ υ c/ n n<br />
1 1 1 2<br />
2 2 2 1<br />
mit den Geschwindigkeiten v1 <strong>und</strong> v2 im Medium 1 bzw. Medium 2 (Zur<br />
Abhängigkeit des Brechungsindex von den Materialeigenschaften s.a. 6.1.8).<br />
Beim Übergang in ein sog. optisch dichteres Medium (n2 > n1) wird <strong>der</strong> Strahl<br />
zum Lot hin gebrochen, d.h. θ2 < θ1. θ2 wird auch Brechungswinkel genannt.
Elektromagnetische Schwingungen <strong>und</strong> Wellen – Überleitung zur <strong>Optik</strong> 119<br />
Quelle: Halliday, Tab.. 34-1, S.985<br />
Brechungsindizes spielen bei <strong>der</strong> Lichtmikroskopie eine große Rolle<br />
(Verzerrungsphänomene durch viele Materialgrenzflächen mit unterschiedlichen<br />
Brechungsindizes; bei hohen Vergrößerungen wird daher zwischen Linse (Glas)<br />
<strong>und</strong> Deckglas auf dem zu mikroskopierenden Objekt ein sog. “Immersionsöl”<br />
getropft, das den gleichen Brechungsindex wie Glas hat, <strong>und</strong> in das die Linse<br />
eintaucht).<br />
6.1.13 Prisma<br />
Beim Durchgang durch ein<br />
Prisma, dessen<br />
Querschnittsfläche ein<br />
gleichseitiges Dreieck ist, wird<br />
<strong>der</strong> Lichtstrahl zwei Mal<br />
gebrochen <strong>und</strong> erfährt dadurch<br />
eine Ablenkung um den Winkel δ.<br />
Aus <strong>der</strong> Abbildung ist ersichtlich,<br />
dass<br />
δ = α1− β1 + α2 − β2 = α1 + α2 − γ<br />
da<br />
γ = β + β<br />
wegen<br />
1 2<br />
γ + 90 − β + 90 − β = 180<br />
o o o<br />
1 2<br />
im Dreieck ABC.<br />
6.1.14 (Innere) Totalreflexion<br />
Quelle: Demtrö<strong>der</strong>, Abb. 9.18, S. 265<br />
Geht EM-Strahlung vom optisch dichteren ins optisch dünnere Medium über (z.B.<br />
Wasser o<strong>der</strong> Glas → Luft), so werden umgekehrt die Strahlen vom Eingangslot<br />
weg gebrochen. Beim kritischen Winkel θk wird θ2 gerade 90°, d.h. für θ > θc<br />
wird <strong>der</strong> Lichtstrahl nicht mehr gebrochen, son<strong>der</strong>n vollständig, d.h. total<br />
reflektiert: Totalreflexion.
O1.2 Dispersion:<br />
kontinuierliches<br />
Spektrum mit Prisma<br />
120 Experimentalphysik 2 für Biologen & Chemiker<br />
Totalreflexion in einem Aquarium. Quelle: Tipler, Abb. 30.16, S. 1035<br />
Dieses Phänomen wird in Lichtleitern ausgenutzt.<br />
Licht in einer Glasfaser fällt immer unter einem größeren Winkel θ als dem kritischen Winkel θk auf die<br />
Glaswand; es kann daher erst am Ende <strong>der</strong> Glasfaser aus dem optisch dichteren ins optisch dünnere<br />
Medium austreten. Quelle: Tipler, Abb. 30.18 <strong>und</strong> 30.19, S. 1036f<br />
6.1.15 Dispersion<br />
Wird ein Prisma mit weißem Licht bestrahlt, so zeigt sich, dass die verschiedenen<br />
Farben (= Wellenlängen bzw. Frequenzen) unterschiedlich stark gebrochen<br />
werden, d.h. das Licht wird spektral zerlegt.<br />
Der Brechungsindex n eines Stoffes (<strong>und</strong> damit seine Dielektrizitätskonstante)<br />
ist also wellenlängen- bzw. frequenzabhängig: Dispersion. Blaues (kurzwelliges)<br />
Licht wird stärker gebrochen als rotes (langwelliges) (Erklärung siehe<br />
Lehrbücher, z.B. Demtrö<strong>der</strong>, Experimentalphysik 2, S. 27f).<br />
Weißes Licht wird durch ein<br />
Glasprisma aufgr<strong>und</strong> <strong>der</strong><br />
Dispersion spektral zerlegt.<br />
Quelle: Tipler, Abb. 30.22, S.<br />
1038<br />
Bei Regen kann das Sonnenlicht in<br />
den Wassertropfen wie in einem<br />
Prisma durch Doppelbrechung <strong>und</strong><br />
Dispersion spektral zerlegt werden.<br />
Es wird ein Regenbogen sichtbar,<br />
wenn das Sonnenlicht die<br />
Regenwand von vorne bestrahlt.<br />
Quelle: Tipler, Abb. 30.27, S. 1041<br />
Hin <strong>und</strong> wie<strong>der</strong> kann sogar ein<br />
zweiter (sek<strong>und</strong>ärer)<br />
Regenbogen über dem primären<br />
Regenbogen beobachtet werden.<br />
Dessen Farbabfolge ist genau<br />
umgekehrt zu <strong>der</strong> des primären<br />
Regenbogens. Primärer <strong>und</strong><br />
sek<strong>und</strong>ärer Regenbogen sind<br />
jeweils nur unter bestimmten<br />
Winkeln zum Sonnenlicht zu<br />
sehen (42° bzw. 51°). Quelle:<br />
Tipler, Abb. 30.28, S. 1041
Elektromagnetische Schwingungen <strong>und</strong> Wellen – Überleitung zur <strong>Optik</strong> 121<br />
P2 V17 Polarisation von EM-Wellen<br />
Wie<strong>der</strong>holung<br />
• EM-Wellen lassen sich an Objekten reflektieren. Sie lassen sich allerdings<br />
auch absorbieren, wobei die damit absorbierte Energie dazu führen kann,<br />
je nach Frequenz in den Objekten Molekülrotationen, Schwingungen o<strong>der</strong><br />
Elektronenübergänge zu erzeugen.<br />
• Elektromagnetische Wellen breiten sich abhängig von <strong>der</strong> Dichte n des<br />
Ausbreitungsmediums unterschiedlich schnell in verschiedenen Medien<br />
aus. An den Grenzflächen zwischen zwei Medien kommt es zusätzlich zur<br />
sog. Brechung, <strong>der</strong> Richtungsän<strong>der</strong>ung beim Grenzflächendurchtritt. Sie<br />
lässt sich über das Snellius’sche Brechungsgesetzt beschreiben.<br />
• Trifft Licht in eine m großen Winkel (zur Flächennormale) innerhalb eines<br />
optisch dichten Mediums (großer Brechungsindex n) auf eine Grenzfläche<br />
zu einem optisch dünneren Medium (kleineres n), kann es zur<br />
Totalreflexion an dieser Grenzfläche kommen; d.h. das Licht kann das<br />
optisch dichtere Medium nicht verlassen (z.B. Lichtleiter).<br />
6.1.16 Polarisation elektromagnetischer Wellen<br />
Die von Antennen in Ausbreitungsrichtung x (allgemein: entlang des<br />
2 ⋅π<br />
Wellenvektors k = ⋅x<br />
ˆ ) abgestrahlten EM-Wellen sind linear polarisiert, d.h.<br />
λ<br />
<strong>der</strong> E-Feldvektor bzw. <strong>der</strong> B-Feldvektor zeigen immer entlang des Dipols (E)<br />
bzw. senkrecht dazu (B); beide Fel<strong>der</strong> schwingen also immer nur in einer<br />
Richtung (aber senkrecht zueinan<strong>der</strong> <strong>und</strong> senkrecht zu k). Daher wird sich die<br />
höchste Intensität des E-Anteils <strong>der</strong> EM-Welle parallel zur Dipolachse finden<br />
lassen, die höchste Intensität des B-Anteils senkrecht dazu. In Dipolrichtung (d.h.<br />
in Verlängerung des Drahtes; hier: entlang <strong>der</strong> y-Achse) findet keine Abstrahlung<br />
statt.<br />
Da Glühbirnen, Leuchtstoffröhren o<strong>der</strong> Sterne (wie unsere Sonne) nicht ein<br />
einziger ‚großer’ gerichteter LC-Schwingkreis wie ein Fernseh- o<strong>der</strong> Radiosen<strong>der</strong><br />
sind, son<strong>der</strong>n eher eine Sammlung vieler kleiner, völlig willkürlich angeordneter<br />
LC-Schwingkreise, ist sichtbares Licht normalerweise nicht polarisiert.<br />
Erläuterung: Jede lineare Elektronenoszillation (bzw. je<strong>der</strong> lineare<br />
Elektronenübergang), <strong>der</strong> zur Aussendung von elektromagnetischer Strahlung in<br />
Form von Licht führt [weil die Oszillationen mit Frequenzen <strong>der</strong> Größenordnung<br />
von 10 14 Hz erfolgen], kann zwar für sich gesehen als (einmaliger) Stromfluss<br />
entlang eines linearen Pfades {analog zur Elektronenbewegung im geraden<br />
E5.27 Hertzscher Dipol<br />
<strong>und</strong> E5.22 Stehende<br />
elektromagnet. Welle:<br />
Lichtintensität <strong>der</strong><br />
Glühbirne in<br />
Abhängigkeit vom Winkel<br />
<strong>der</strong> Empfangsantenne<br />
zur Sendeantenne<br />
E5.38 <strong>Optik</strong> mit cm-<br />
Wellen: Polarisation
122 Experimentalphysik 2 für Biologen & Chemiker<br />
Draht einer Antenne} betrachtet werden. Allerdings kann dieser Pfad für jedes<br />
lichtemittierende Atom o<strong>der</strong> Molekül beliebig im Raum orientiert sein. Es wird<br />
daher auch von ‚natürlichem Licht’ gesprochen.<br />
Links: Überlagerung <strong>der</strong> beliebig (also „statistisch“) verteilten, d.h. unpolarisierten E-Feldvektoren vieler<br />
einzelner lichtaussenden<strong>der</strong> Atome/Moleküle. Rechts: Mathematisch lässt sich das Durcheinan<strong>der</strong><br />
vereinfachen, indem jeweils die y- als auch die z-Anteile <strong>der</strong> E-Vektoren aller lichtaussendenden Atome<br />
getrennt aufaddiert werden. Damit haben wir unpolarisiertes Licht als Überlagerung zweier polarisierter<br />
Wellen ausgedrückt, <strong>der</strong>en Schwingungsebenen senkrecht aufeinan<strong>der</strong> stehen.<br />
Wird unpolarisiertes Licht als Überlagerung zweier polarisierter, senkrecht<br />
aufeinan<strong>der</strong> stehen<strong>der</strong> EM-Wellen ausgedrückt (s. Abb.), dann lassen sich<br />
folgende Fälle unterscheiden:<br />
• y- <strong>und</strong> z-Amplituden sind gleich groß: unpolarisiertes (=<br />
natürliches) Licht<br />
• y- <strong>und</strong> z- Amplituden sind nicht gleich groß: teilweise<br />
polarisiertes Licht (Zur Erzeugung siehe Brewster’sches<br />
Gesetz 6.1.16.1)<br />
π<br />
• y- <strong>und</strong> z- Amplituden sind gleich groß, aber um ϕ = (d.h. um<br />
2<br />
90°) gegeneinan<strong>der</strong> phasenverschoben: zirkular polarisiertes<br />
Licht, auch drehende Polarisation bezeichnet: Der Feldvektor E<br />
dreht sich bei Voranschreiten <strong>der</strong> Welle mit konstanter<br />
Winkelgeschwindigkeit ω um den Wellenvektor k <strong>und</strong> än<strong>der</strong>t<br />
seinen Betrag dabei nicht.<br />
(Es kann mit ‚doppelbrechenden’ Materialien (z.B. Kalkspat, CaCO3)<br />
erzeugt werden. In solchen Materialien wird das Licht in einen sog.<br />
‘ordentlichen’ <strong>und</strong> einen sog. ‘außerordentlichen’ Strahl aufgespalten<br />
(s.a. Lehrbücher <strong>der</strong> <strong>Physik</strong>). Diese beiden Strahlen sind senkrecht<br />
zueinan<strong>der</strong> polarisiert (entsprechen also genau dem oben zur Hilfe<br />
genommenen mathematischen Modell). Allerdings wan<strong>der</strong>t <strong>der</strong><br />
außerordentliche Strahl etwas langsamer durch den Kristall. (Das liegt<br />
darin begründet, dass sich die Elektronenschwingungen in solchen<br />
Materialien nicht in je<strong>der</strong> Richtung gleich gut anregen lassen. Das führt<br />
zu richtungsabhängigen Brechungsindizes; d.h. <strong>der</strong> Kristall hat dann<br />
(mind.) zwei unterschiedliche Brechungsindizes ny <strong>und</strong> nz für y- <strong>und</strong> zpolarisiertes<br />
Licht. Unter 6.1.8 hatten wir gesehen, dass die<br />
Ausbreitungsgeschwindigkeit in Materie v = c/n ist.) Wird nun das<br />
unpolarisierte Licht in einem bestimmten Winkel auf einen solchen<br />
Kristall bestimmter Dicke d gestrahlt, so dass <strong>der</strong> außerordentliche<br />
Strahl um eine viertel Periode (1/4T) später aus dem Kristall austritt (weil<br />
er etwas langsamer läuft <strong>und</strong> möglicherweise zus. einen längeren Weg<br />
zurücklegen muss), dann stehen die E-Feldvektoren von ordentlichem<br />
(y-) <strong>und</strong> außerordentlichem (z-) Strahl wegen <strong>der</strong> Doppelbrechung nicht
Elektromagnetische Schwingungen <strong>und</strong> Wellen – Überleitung zur <strong>Optik</strong> 123<br />
nur senkrecht aufeinan<strong>der</strong>, son<strong>der</strong>n diese beiden Anteile sind zusätzlich<br />
um genau 90° phasenverschoben. Es kann gezeigt werden, dass die<br />
λVak<br />
1<br />
Dicke des Kristalls genau d = ⋅<br />
sein<br />
4 n −n<br />
ordentlicher Strahl außerordentlicher Strahl<br />
λ<br />
muss (n: Brechungsindex). Es wird daher auch von sog. -Plättchen<br />
4<br />
gesprochen.<br />
Linkszirkular polarisiertes Licht: <strong>der</strong> E-Feldvektor rotiert mit <strong>der</strong> Frequenz ω = ϕ/t um den<br />
Wellenvektor k (<strong>der</strong> mit <strong>der</strong> Ausbreitungsrichtung x zusammenfällt). Quelle: Demtrö<strong>der</strong>, Abb.<br />
7.5, S. 188<br />
• y- <strong>und</strong> z- Amplituden sind nicht gleich groß <strong>und</strong> zusätzlich um<br />
π<br />
ϕ = (d.h. um 90°) gegeneinan<strong>der</strong> phasenverschoben:<br />
2<br />
elliptisch polarisiertes Licht.<br />
• Eine <strong>der</strong> beiden Amplituden (y o<strong>der</strong> z) ist Null: linear<br />
polarisiertes Licht. Lineare Polarisation lässt sich auch als<br />
Überlagerung einer links-(l-) <strong>und</strong> rechts (r-) zirkular polarisierten<br />
Welle auffassen, die gleiche Amplitude <strong>und</strong> Umlauffrequenz<br />
haben.<br />
Alternative Veranschaulichung von linear polarisiertem Licht als Überlagerung aus zwei<br />
entgegengesetzt zirkular polarisierten E-Feldvektoren gleicher Amplitude <strong>und</strong><br />
Umlauffrequenz. Quelle: Göpel/Ziegler, Struktur <strong>der</strong> Materie, Abb. 3.5.41, S. 452<br />
Die Polarisierbarkeit elektromagnetischer Wellen ist ein experimenteller Beweis<br />
dafür, dass es sich bei Lichtwellen um Transversalwellen handelt.<br />
Longitudinalwellen lassen sich nicht polarisieren.
124 Experimentalphysik 2 für Biologen & Chemiker<br />
6.1.16.1 Polarisation durch Reflexion – Brewster’sches Gesetz<br />
Wenn unpolarisiertes Licht an <strong>der</strong> Grenzfläche zwischen zwei durchsichtigen<br />
Medien (z.B. auf <strong>der</strong> Meeresoberfläche) reflektiert wird, dann ist das reflektierte<br />
Licht teilweise polarisiert. Das Ausmaß <strong>der</strong> Polarisation hängt ab vom<br />
Einfallswinkel <strong>und</strong> von den Brechzahlen <strong>der</strong> beiden Medien. Hat <strong>der</strong><br />
Einfallswinkel gerade einen solchen Wert, dass <strong>der</strong> reflektierte <strong>und</strong> <strong>der</strong><br />
gebrochene Strahl aufeinan<strong>der</strong> senkrecht stehen (Polarisationswinkel θP), so ist<br />
<strong>der</strong> reflektierte Strahl vollständig polarisiert.<br />
Mit dem Brechungsgesetz von Snellius (6.1.12) <strong>und</strong> <strong>der</strong> Randbedingung<br />
θ2= 90°−θPfür den Polarisationswinkel ergibt sich das Gesetz von Brewster<br />
(David Brewster, 1812):<br />
tan P<br />
Das elektrische Feld des einfallenden Strahls lässt<br />
sich in zwei Komponenten zerlegen, z. B. parallel<br />
(Doppelpfeile) <strong>und</strong> senkrecht (Punkte) zur<br />
Papierebene (= sog. Einfallsebene). Das reflektierte<br />
Licht ist dann senkrecht zur Einfallsebene<br />
vollständig polarisiert. Quelle: Tipler, Abb. 30.36 <strong>und</strong><br />
30.37, S. 1047f<br />
6.1.16.2 Polarisation durch Absorption<br />
n<br />
n<br />
2 θ = .<br />
1<br />
Ist bereits das einfallende Licht polarisiert, <strong>und</strong> zwar<br />
so, dass sein Vektor des elektrischen Feldes E in <strong>der</strong><br />
Einfallsebene liegt, dann wird kein Licht reflektiert,<br />
wenn <strong>der</strong> Einfallswinkel gleich dem<br />
Polarisationswinkel ΘP ist. Erklärung: Die Moleküle<br />
im dichteren Medium (Glas) oszillieren parallel zum<br />
elektrischen Feld des gebrochenen Strahls. Entlang<br />
<strong>der</strong> Oszillationsrichtung (d.h. parallel zur Antenne)<br />
kann aber keine Energie abgestrahlt (d. h. hier<br />
reflektiert) werden.<br />
Sind die Moleküle in einem Material wie bei einem Lattenzaun so ausgerichtet,<br />
dass sie nur die E-o<strong>der</strong> B-Feldvektoren einer bestimmten Orientierung<br />
durchlassen, in allen an<strong>der</strong>en Orientierungen dagegen absorbieren, dann ist das<br />
Licht ebenfalls polarisiert.<br />
Verschiedene Kristalle o<strong>der</strong> in eine Richtung gestreckte Polymerfolien haben<br />
diese Eigenschaften. Auch in Liquid-Crystall Displays (LCDs), in
Elektromagnetische Schwingungen <strong>und</strong> Wellen – Überleitung zur <strong>Optik</strong> 125<br />
Flachbildschirmen mit stäbchenförmigen Molekülen, die Flüssigkristalle bilden,<br />
wird Licht einerseits gedreht (s.a. Optische Aktivität) als auch durch Folien<br />
polarisiert.<br />
Polarisation durch Absorption: Polymer-<br />
Polarisationsfolien (Polarizer) bestehen aus<br />
gestreckten <strong>und</strong> ausgerichteten<br />
Polymermolekülen. Diese lassen wie ein<br />
Gartenzaun nur solches Licht durch, dessen E-<br />
Feldvektor in Richtung <strong>der</strong> Polymerketten zeigt.<br />
Das übrige Licht wird von den Polymersträngen<br />
absorbiert.<br />
Quelle: http://www.olympusmicro.com/primer<br />
Funktionsweise einer Flüssigkristallanzeige: Das Licht tritt<br />
durch einen Polarisationsfilter in eine Kammer definierter<br />
Höhe mit Flüssigkristallen ein. Die Moleküle in <strong>der</strong><br />
Kammer sind von sich aus so (in einem Flüssigkristall)<br />
angeordnet, dass sie die Polarisationsebene des Lichtes<br />
auf <strong>der</strong> von ihm zurückgelegten Strecke um genau 90°<br />
drehen. Sie können also durch den um 90° zum ersten<br />
Polarisationsfilter angeordneten zweiten Polarisationsfilter<br />
durchtreten. Wird nun eine Spannung an die Kammer<br />
angelegt, orientieren sich die Flüssigkristalle entlang des<br />
elektrischen Feldes neu an; die Polarisationsebene des<br />
Lichtes wird also nicht mehr gedreht <strong>und</strong> kann damit den<br />
unteren Filter nicht mehr passieren. Quelle: sharpworld.com/sc/<br />
library/lcd_e/s2_1_1e.htm<br />
Wegen <strong>der</strong> Polarisation von reflektiertem Licht schützen Sonnenbrillen mit<br />
Gläsern aus polarisierendem Material beson<strong>der</strong>s gut vor zu grellem Licht. Wenn<br />
Licht von einer horizontalen Fläche reflektiert wird, etwa einem See o<strong>der</strong> einem<br />
Schneefeld, so steht die Einfallsebene vertikal <strong>und</strong> das elektrische Feld des<br />
reflektierten Lichts hauptsächlich horizontal. Polarisierende Sonnengläser mit<br />
einer vertikalen Transmissionsachse absorbieren daher einen großen Teil des<br />
reflektierten Lichts. Ob eine Sonnenbrille polarisiert, lässt sich leicht feststellen:<br />
Man beobachtet durch sie einen reflektierten Lichtstrahl <strong>und</strong> dreht sie dann um<br />
90°. Wird nun wesentlich mehr Licht durchgelassen, dann wirkt sie polarisierend.<br />
6.1.16.3 Polarisation durch Streuung<br />
Die polarisierende Schicht auf<br />
Sonnenbrillengläsern ist vertikal<br />
ausgerichtet, wenn die Brille<br />
getragen wird. Kreuzung <strong>der</strong><br />
Polarisationsrichtungen führt zur<br />
gänzlichen Verdunklung. Quelle:<br />
Halliday, Abb. 34-15, S. 982<br />
Polarisation lässt sich auch durch Streuung an Atomen o<strong>der</strong> Molekülen<br />
beobachten. Licht, das auf ein Objekt trifft, z.B. auf ein Molekül, wird gestreut,<br />
d.h. in viele (manchmal sogar in zufällige) Richtungen wie<strong>der</strong> abgestrahlt. Ein
O2.4 Optische Aktivitaet<br />
126 Experimentalphysik 2 für Biologen & Chemiker<br />
allgemein vertrautes Beispiel ist die Streuung des Sonnenlichts an den Molekülen<br />
<strong>der</strong> Atmosphäre, wodurch <strong>der</strong> Taghimmel homogen hell erscheint.<br />
Das Sonnenlicht selbst ist unpolarisiert. Ein großer Teil des Himmelslichts<br />
hingegen ist aufgr<strong>und</strong> <strong>der</strong> Streuphänomene zumindest teilweise polarisiert.<br />
Bienen orientieren sich an <strong>der</strong> Polarisation des Himmelslichts, um zu ihren<br />
Behausungen zu finden. Die Wikinger entwickelten ein Verfahren, um auch in <strong>der</strong><br />
Polarnacht (wenn die Sonne auch am Tag nicht über den Horizont steigt) durch<br />
die Nordsee navigieren zu können: Diese frühen Seefahrer hatten einen Kristall<br />
entdeckt, den man heute Cordierit nennt <strong>und</strong> <strong>der</strong> seine Farbe än<strong>der</strong>t, wenn man<br />
ihn in polarisiertem Licht dreht. Sahen die Seeleute durch einen solchen Kristall<br />
<strong>und</strong> drehten ihn dabei um die Sichtachse, so konnten sie die Position <strong>der</strong> Sonne<br />
hinter dem Horizont bestimmen <strong>und</strong> so die Himmelsrichtungen ermitteln.<br />
6.1.17 Optische Aktivität<br />
Es gibt Stoffe, die die lineare Polarisation um einen Winkel α drehen können.<br />
Solche Stoffe, die meist sog. chirale (asymmetrische) C-Atome enthalten, heißen<br />
optisch aktiv. Da Rohrzucker optisch aktiv ist <strong>und</strong> die Rotation<br />
α = α ⋅c⋅ d<br />
0<br />
proportional zur Konzentration c ist, kann die Konzentration von Zuckerlösungen<br />
bestimmt werden (Saccharimetrie). α0 ist das (stark frequenzabhängige)<br />
spezifische Drehvermögen, d die Länge des Lichtweges in <strong>der</strong> Lösung.<br />
Quelle: Staudt, Abb. 8.46, S.250
Elektromagnetische Schwingungen <strong>und</strong> Wellen – Überleitung zur <strong>Optik</strong> 127<br />
V18 EM-Wellen: Optische Aktivität, Interferenz<br />
Wie<strong>der</strong>holung<br />
• Elektromagnetische Wellen lassen sich polarisieren, d.h. nach <strong>der</strong><br />
Schwingungsrichtung ihrer elektr. bzw. magn. Feldvektoren sortieren. Je<br />
nach Methode lässt sich linear, zirkular o<strong>der</strong> elliptisch polarisiertes Licht<br />
erhalten.<br />
6.1.18 Beschreibung des Wellencharakters von Licht<br />
Ohne den elektromagnetischen Charakter von<br />
Lichtwellen zu berücksichtigen, kann die<br />
Lichtausbreitung über ein einfaches Wellenmodell<br />
beschrieben werden. Demnach ist je<strong>der</strong> Punkt einer<br />
Wellenfront Ausgangspunkt sek<strong>und</strong>ärer kugelförmiger<br />
Elementarwellen. Der Ort <strong>der</strong> Wellenfront ist zu einer<br />
beliebigen Zeit t gegeben durch die Tangenten an alle<br />
dieser sek<strong>und</strong>ären Elementarwellen: Huygens’sches<br />
Prinzip. (Christiaan Huygens, nie<strong>der</strong>länd. <strong>Physik</strong>er,<br />
1629-1695)<br />
Fortpflanzung einer ebenen Welle im Vakuum wie sie vom<br />
Huygens’schen Prinzip erklärt wird. Quelle: Halliday, Abb. 36-1, S.<br />
1032<br />
6.1.19 Interferenz zeitlich <strong>und</strong> räumlich kohärenter elektromagnetischer<br />
Wellen<br />
Genau wie in <strong>der</strong> Mechanik (z.B. Wasser- o<strong>der</strong> Schallwellen) überlagern sich<br />
zwei Wellen (nach dem Superpositionsprinzip (Überlagerung)), wenn sie an<br />
einem Punkt zusammen treffen, ohne sich jedoch gegenseitig zu stören. Dieses<br />
Phänomen hatten wir als Interferenz kennen gelernt:<br />
Werden zwei (harmonische) Wellen mit gleicher Frequenz ν o<strong>der</strong> Wellenlänge λ<br />
addiert, dann hängt die resultierende harmonische Welle<br />
yres(,) st = y0⋅sin( ω⋅ t ± ϕres<br />
) von <strong>der</strong> Phasendifferenz Δ ϕ = ϕ2 −ϕ1<strong>der</strong> beiden sie<br />
erzeugenden Wellen y1(,) st = y0 ⋅sin( ω⋅ t ± ϕ1)<br />
<strong>und</strong> y2(,) st = y0 ⋅sin( ω⋅ t ± ϕ2)<br />
ab:<br />
• Für Δϕ = 0 o<strong>der</strong> ganzzahlige Vielfache von 2π (360°) bzw.<br />
Δs = n·λ: die beiden Wellen sind ‚in Phase’, d.h. es kommt<br />
zur konstruktiven Überlagerung; die Amplituden addieren<br />
sich. Es kann auch mathematisch gezeigt werden, dass<br />
ϕres gleich ϕ1 bzw. ϕ2 ist. Dabei wird maximale Intensität<br />
erzielt (I ∝ A 2 (Amplitudenquadrat)). Der Intensitätsbegriff<br />
ist also nicht mit <strong>der</strong> resultierenden Amplitude zu<br />
verwechseln, son<strong>der</strong>n bezeichnet die Energie, die im<br />
zeitlichen Mittel pro Zeiteinheit durch eine Einheitsfläche in<br />
Strahlungsrichtung fortschreitet.<br />
• Für Δϕ = ungeradzahlige Vielfache von π (180°)<br />
bzw. Δs = n·λ/2 wird destruktive Interferenz beobachtet,<br />
d.h. bei gleicher Amplitude kommt es zur vollständigen<br />
gegenseitigen Auslöschung <strong>der</strong> beiden Wellen.<br />
Konstruktive (=verstärkende) (a) <strong>und</strong> destruktive (=schwächende) (b) Superposition = Interferenz zweier<br />
Wellen (blau <strong>und</strong> schwarz) entlang des Weges s als Momentaufnahme zu einem bestimmten Zeitpunkt t.<br />
Die jeweils untere Welle in einem Diagramm gibt die resultierende Welle wie<strong>der</strong>. Überlagern sich wie in<br />
(b) <strong>der</strong> Wellenberg <strong>der</strong> einen Welle mit dem Wellental <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en Welle, kommt es zur gänzlichen<br />
Auslöschung <strong>der</strong> Welle. Quelle: Gesamtband <strong>Physik</strong> S. 101.<br />
Computersimulation:<br />
Spektrum <strong>und</strong><br />
Spektrallinien einiger<br />
Elemente
(O2.10 Doppelspiegel-<br />
Interferenz)<br />
(O2.15 Michelson<br />
Interferometer)<br />
128 Experimentalphysik 2 für Biologen & Chemiker<br />
Damit Interferenz detektierbar ist, müssen die miteinan<strong>der</strong> interferierenden<br />
Wellen kohärent (lat. cohaerere = zusammenhängen) sein, d.h. sie müssen über<br />
einen größeren räumlichen <strong>und</strong>/o<strong>der</strong> zeitlichen Bereich hinweg eine definierte<br />
(sich nicht än<strong>der</strong>nde) Phasenbeziehung Δϕ aufzuweisen.<br />
Das thermisch erzeugte weiße Licht einer Glühbirne<br />
ist in <strong>der</strong> Regel nicht kohärent. Die Lichtemission<br />
von einer großen Anzahl Atomen in den Drähten<br />
findet zufällig, voneinan<strong>der</strong> unabhängig <strong>und</strong> in<br />
extrem kurzen Zeitspannen statt (bis hinunter zu<br />
einer Emissionsdauer von τ = 3·10 -14 s bis<br />
3·10 -15 s). In dieser sog. Kohärenzzeit strahlt ein<br />
Atom einen Wellenzug <strong>der</strong> Länge<br />
l = c·τ = 3·10 8 m/s · 10 -14 s = 3 µm ab. Diese Länge<br />
wird auch Kohärenzlänge genannt. Bei einer<br />
Glühbirne reicht sie nicht aus, um<br />
Interferenzerscheinungen zu zeigen.<br />
Die Kohärenzzeit liegt bei Nie<strong>der</strong>druck-Gasentladungslampen bei<br />
(größenordnungsmäßig) 10 -9 s <strong>und</strong> bei Laserlicht bei bis zu 0,1 s. Laser (Abk. für<br />
Light Amplification by Stimulated Emission of Radiation) sind damit kohärent, da<br />
dort sehr viele Atome in kooperativer Weise Licht aussenden. Das Sonnenlicht ist<br />
teilweise kohärent.<br />
Die Erzeugung zweier kohärenter untereinan<strong>der</strong> interferieren<strong>der</strong> Wellen aus einer<br />
Laserquelle funktioniert am einfachsten durch Teilung einer Welle in zwei<br />
Teilwellen. Dies lässt sich z.B. durch Teilung <strong>der</strong> Wellenfront durch Spiegel o<strong>der</strong><br />
Prismen erreichen, wenn also beide Wellenzüge unterschiedlich lange Wege<br />
durchlaufen <strong>und</strong> anschließend wie<strong>der</strong> zusammengeführt werden. Alternativ teilt<br />
man einen Lichtstrahl über einen halbdurchlässigen Spiegel auf <strong>und</strong> rekombiniert<br />
die an zwei zueinan<strong>der</strong> senkrecht angeordneten (frei beweglichen) Spiegeln<br />
reflektierten Strahlen anschließend über denselben halbdurchlässigen Spiegel<br />
wie<strong>der</strong>. Diese Anordnung heißt Michelson-Interferometer. (Albert Michelson,<br />
amerikan. <strong>Physik</strong>er, 1852-1931)
Elektromagnetische Schwingungen <strong>und</strong> Wellen – Überleitung zur <strong>Optik</strong> 129<br />
Fresnel’scher Spiegelversuch zur<br />
Erzeugung von Interferenzen mit nur einer<br />
Lichtquelle L. Die an den Spiegeln S1 <strong>und</strong> S2<br />
reflektierten Telbündel scheinen von den<br />
virtuellen Lichtquellen L1 bzw. L2<br />
herzukommen. Quelle: Demtrö<strong>der</strong>, Abb. 10.5,<br />
S. 296 (Augustin-Jean Fresnel, franz.<br />
<strong>Physik</strong>er, 1788-1827)<br />
Schematische Darstellung eines Michelson-<br />
Interferometers: Eine EM-Wellenfront E (z.B. kohärentes<br />
Licht) tritt durch einen halbdurchlässigen Spiegel ST <strong>und</strong><br />
trifft auf zwei Spiegel M1 <strong>und</strong> M2. Diese können so<br />
verfahren werden, dass die reflektierten Lichtstrahlen je<br />
nach Gangunterschied Δs <strong>der</strong> reflektierten Wellen<br />
konstruktiv (Δs = n·λ) o<strong>der</strong> destruktiv (Δs = n·λ/2)<br />
interferieren. Auf dem Schirm B lässt sich demnach<br />
folgen<strong>der</strong> Intensitätsverlauf in Abhängigkeit von Δs<br />
finden:<br />
Quelle: Demtrö<strong>der</strong>, Abb. 10.11 <strong>und</strong> 10.11, S. 296f<br />
Auch die „Körnigkeit“ eines Laserpunktes auf rauen Oberflächen ist z.B. eine<br />
Folge <strong>der</strong> Interferenz.<br />
6.1.20 Interferenz an dünnen Schichten<br />
Je<strong>der</strong> kennt die farbig schillernden Strukturen einer Seifenblase, eines Ölfilms auf<br />
einer Pfütze. Diese entstehen durch Interferenz <strong>der</strong> an Vor<strong>der</strong>- <strong>und</strong> Rückseite<br />
einer dünnen Schicht gebrochenen <strong>und</strong> reflektierten Wellen.<br />
Gangunterschiede Δs bei einer<br />
planparallelen durchsichtigen Platte <strong>der</strong><br />
Dicke d (a) im reflektierten Licht <strong>und</strong> (b)<br />
im transmittierten Licht, die beide zu<br />
Interferenzerscheinungen führen<br />
können. Da <strong>der</strong> Brechungsindex n<br />
wellenlängenabhängig ist, interferieren<br />
unterschiedliche Farben konstruktiv<br />
bzw. destruktiv bei verschiedenen<br />
Einfallswinkeln α. Quelle: Demtrö<strong>der</strong>,<br />
Abb. 10.8, S. 298<br />
O2.20 Interferenz an <strong>der</strong><br />
Seifenlamelle
O2.13 Newton’sche<br />
Interferenz<br />
130 Experimentalphysik 2 für Biologen & Chemiker<br />
Wie bei mechanischen Wellen gilt für die Phase ϕ bei Reflexion:<br />
• Phasensprung von Δϕ =<br />
180° bei Reflexion an einem<br />
(optisch) dichteren Medium<br />
(d.h. mit größerem<br />
Brechungsindex n2)<br />
• keine Phasenverschiebung<br />
(Δϕ = 0°) bei Reflexion an<br />
einem (optisch) dünneren<br />
Medium (d.h. mit kleinerem<br />
Brechungsindex n2)<br />
Das Phasenverhalten elektromagnet. Wellen<br />
entspricht dem mechanischer Wellen (hier am<br />
Bsp. des Seils): (a) Kein Phasensprung einer<br />
Welle in einem optisch dichteren Medium bei<br />
Reflexion an <strong>der</strong> Grenzfläche zum optisch<br />
dünneren Medium; auch <strong>der</strong> die Grenzfläche<br />
überwindende Anteil behält die Phase bei.<br />
(b) Trifft die Welle jedoch von einem optisch dünneren Medium kommend auf eine Grenzfläche zu einem<br />
optisch dichteren Medium, kommt es zum Phasensprung von 180° (entspr. π) bei <strong>der</strong> reflektierten Welle;<br />
dagegen bleibt die Phase bei <strong>der</strong> ins optisch dichtere Medium übertretenden Welle erhalten. Quelle:<br />
Halliday, Abb. 36-13, S. 1046<br />
Interferenz an dünnen Schichten wird zur Herstellung von Farbfiltern (z.B. für die<br />
Mikroskopie genutzt): Durch übereinan<strong>der</strong> liegende dünne Schichten aus Glas<br />
wird an je<strong>der</strong> Schicht ein Teil des Lichtes reflektiert. Ist die Glasschicht gerade so<br />
dick wie die Wellenlänge (o<strong>der</strong> ein Vielfaches davon) des eingestrahlten Lichtes,<br />
dann wird das Licht ausgelöscht, wenn nicht, wird es durchgelassen. Erzielbare<br />
spektrale Bandbreite des durchgelassenen Lichtes: > 1 nm (man spricht dann<br />
auch von einem Bandpassfilter <strong>der</strong> Bandbreite von 1 nm).<br />
http://www.fluorescence.com/tutorial/int-filt.htm<br />
Interferenz liegt auch den sog. Newton’schen Ringe zu Gr<strong>und</strong>e, die sich<br />
zwischen zwei nicht perfekt aufeinan<strong>der</strong> liegenden Platten (z.B. Objektträgern,<br />
Deckgläsern) zeigen:
Elektromagnetische Schwingungen <strong>und</strong> Wellen – Überleitung zur <strong>Optik</strong> 131<br />
Kreisförmiges Interferenzmuster, das durch eine Linse auf<br />
einer ebenen Glasplatte erzeugt wird (links) Streifenförmige<br />
Interferenzmuster werden erhalten, wenn zwei Platten einen<br />
Luftkeil einschließen. Diese Art <strong>der</strong> Interferenz wird<br />
Newton’sche Ringe genannt. Quellen: Halliday, Abb. 36-<br />
34, S. 1059; Tipler, Abb. 33.4, S. 1113<br />
Beispiele sind Newton’sche Ringe, die sich<br />
zwischen den Deckgläsern von Dias bilden<br />
o<strong>der</strong> die farbigen Ringe in Öltropfen auf einer<br />
Pfütze.
O2.17 Beugung an<br />
versch. Objekten (Spalt,<br />
Gitter, ...)<br />
132 Experimentalphysik 1 für Biologen & Chemiker<br />
V19 EM-Wellen: Beugung am Spalt, Streuung<br />
Wie<strong>der</strong>holung<br />
• Wir hatten gesehen, dass sich wie in <strong>der</strong> Mechanik elektromagnetische<br />
Wellen überlagern lassen, d.h. zur Interferenz gebracht werden können.<br />
Dies kann im Extremfall bei Wellen gleicher Wellenlänge bzw. Frequenz<br />
zu einer Amplitudenverdopplung (keine Phasenverschiebung) bzw. einer<br />
gänzlichen Auslöschung (Phasenverschiebung von 180°) <strong>der</strong> Wellen<br />
führen. Dies hatten wir am Michelson-Interferometer überprüfen können.<br />
• An dünnen Schichten kann es zu konstruktiven <strong>und</strong> destruktiven<br />
Interferenzen kommen, den sog. Newton’schen Ringen. Je nach<br />
Schichtdicke <strong>und</strong> Einfallswinkel des Lichtes werden einige Frequenzen<br />
ausgelöscht, an<strong>der</strong>e dagegen verstärkt.<br />
6.1.21 Beugung<br />
Trifft eine ebene Welle auf ein Hin<strong>der</strong>nis, in dem sich eine Öffnung befindet,<br />
<strong>der</strong>en Abmessungen in <strong>der</strong> Größenordnung <strong>der</strong> Wellenlänge λ liegen (d.h.<br />
Øa ≈ λ), so breitet sich <strong>der</strong> Teil <strong>der</strong> Welle, <strong>der</strong> durch die Öffnung gelangt,<br />
dahinter im Raum kugelförmig aus – man sagt, die Welle wird an <strong>der</strong> kleinen<br />
Öffnung „herum gebogen“ o<strong>der</strong> gebeugt. Je enger die Öffnung ist, desto<br />
intensiver die Beugung. (D.h. hinter <strong>der</strong> Öffnung werden auch dort<br />
Wellenauslenkungen gef<strong>und</strong>en, wo die Welle bei geradliniger Ausbreitung<br />
eigentlich gar nicht hinkäme. Für Licht heißt das z.B., dass es an Stellen hell ist,<br />
die bei rein geradliniger Lichtausbreitung (als Licht“strahl“) gar nicht beleuchtet<br />
werden dürften.)<br />
Schematische Darstellung <strong>der</strong> Beugung von Wellen. Für eine gegebene Wellenlänge λ wird das<br />
Phänomen umso ausgeprägter, je kleiner die Spaltbreite a (als Vielfaches von λ angegeben) ist. Quelle:<br />
Halliday, Abb. 36-5, S. 1037<br />
Die Beugung ist eine wellentypische Erscheinung <strong>und</strong> gilt auch für mechanische<br />
Transversal- (z.B. Wasser-) o<strong>der</strong> Longitudinal- (z.B. Schall-) Wellen.<br />
Wird das an einer kleinen Öffnung gebeugte Licht auf einen Schirm projiziert,<br />
lassen sich kreisförmige Interferenzerscheinungen beobachten:
Elektromagnetische Schwingungen <strong>und</strong> Wellen – Überleitung zur <strong>Optik</strong> 133<br />
Links: Beugungsmuster, das an einer kreisr<strong>und</strong>en Öffnung entsteht; zu sehen ist ein Hauptmaximum <strong>und</strong><br />
mehrere ringförmige Nebenmaxima. Wird die Intensitätsverteilung entlang <strong>der</strong> nachträglich eingezeichneten<br />
gepunkteten Linie als Funktion des Quotienten aus Wellenlänge <strong>und</strong> Öffnungsbreite a aufgetragen, erhält<br />
man das rechte Diagramm. Quellen: Halliday, Abb. 37-9, S.1072; Staudt, Abb. 8.66, S. 267<br />
Die kreisförmige Öffnung enthalte eine große Zahl an Punktquellen,<br />
die Wellen gleicher Amplitude emittieren (oben). Am ersten<br />
Beugungsminimum löschen sich die Wellen <strong>der</strong>jenigen Quellenpaare<br />
aus, die voneinan<strong>der</strong> den Abstand von a/2 haben, da die<br />
Phasendifferenz Δϕ zwischen ihnen 180° beträgt (links). Quellen:<br />
Tipler, Abb. 33.20, S. 1126; Demtrö<strong>der</strong>, Abb. 10.32, S. 313.<br />
Die Intensitätsminima sind in <strong>der</strong> Intensitätsverteilung bei<br />
λ<br />
sinθ = N ⋅ mit N = 0, 1, 2, ... (Gegenkathete zu Hypotenuse)<br />
a<br />
<strong>und</strong> die Intensitätsmaxima (neben dem Hauptmaximum im Zentrum) bei<br />
(2⋅ N + 1) λ<br />
sinθ<br />
= ⋅ mit N = 1, 2, ...<br />
2 a<br />
zu finden, wobei θ <strong>der</strong> Winkel zwischen Ausbreitungsrichtung <strong>der</strong> Welle <strong>und</strong> dem<br />
auf dem Schirm beobachteten Minimum bzw. Maximum ist (s. folgende Abb.), N<br />
ist die sog. Ordnung - hier das N-te Minimum bzw. Maximum, a <strong>der</strong> Durchmesser<br />
<strong>der</strong> punktförmigen Öffnung <strong>und</strong> λ die Wellenlänge. Mit zunehmen<strong>der</strong> Ordnung<br />
nimmt die Intensität eines Maximums stark ab.<br />
Die Interferenz gebeugten Lichts wird aus folgen<strong>der</strong> Überlegung klar: Nach dem<br />
Huygens’schen Prinzip ist je<strong>der</strong> Punkt einer Wellenfront Ausgangspunkt einer<br />
neuen Elementarwelle (Kugelwelle). Diese Wellen können untereinan<strong>der</strong><br />
interferieren, so dass in gewissen Winkeln zur Ausbreitungsrichtung zwei<br />
benachbarte Wellen (bzw. Lichtstrahlen) destruktiv interferieren (Dunkelheit), in<br />
an<strong>der</strong>en Winkeln konstruktiv (helle Ringe). Destruktive Interferenz tritt also immer<br />
genau dann auf, wenn zwei benachbarte Wellenzüge genau um eine halbe
O2.17 Beugung an<br />
versch. Objekten (Spalt,<br />
Gitter, ...)<br />
134 Experimentalphysik 2 für Biologen & Chemiker<br />
Periode 1/2T bzw. um eine halbe Wellenlänge λ/2 zueinan<strong>der</strong> versetzt sind. Man<br />
spricht auch von einem Gangunterschied von Δs = λ/2 zwischen diesen beiden<br />
Wellen.<br />
6.1.22 Beugung <strong>und</strong> Interferenz an Mehrfachspalten<br />
Bei mehr als einer Öffnung bzw. einem Spalt überlagern sich Beugung <strong>und</strong><br />
Interferenz <strong>der</strong> aneinan<strong>der</strong> gereihten Beugungsbil<strong>der</strong>.<br />
Relative Lage <strong>und</strong> relative<br />
Intensitätsverteilung von<br />
kohärentem Licht, das an einem<br />
Doppel- (2 Quellen), Dreifach- (3<br />
Quellen) bzw. Vierfach- (4 Quellen)<br />
Spalt zunächst jeweils gebeugt <strong>und</strong><br />
dann zusätzlich untereinan<strong>der</strong><br />
interferieren kann. So wie bei <strong>der</strong><br />
Beugung je<strong>der</strong> Punkt <strong>der</strong><br />
Wellenfront als Lichtquelle<br />
betrachtet wurde, kann hier je<strong>der</strong><br />
Spalt als Lichtquelle fungieren.<br />
Quelle: Tipler Abb. 33.18, S. 1124<br />
Mit <strong>der</strong> genau gleichen Überlegung<br />
wie bei <strong>der</strong> Beugung lässt sich das<br />
Interferenzmuster eines<br />
Beugungsgitters mit M parallelen,<br />
im Abstand d zueinan<strong>der</strong> entfernten<br />
Spalten (d.h. punktförmigen<br />
Lichtquellen) erklären. Entspricht<br />
<strong>der</strong> Gangunterschied Δs genau<br />
einer halben Wellenlänge λ, dann<br />
kommt es (wie bei <strong>der</strong> Interferenz<br />
an einem einzigen Spalt) zur<br />
Auslöschung <strong>der</strong> an benachbarten<br />
Spalten gebeugten Wellen.<br />
Beispielhafte Intensitätsverteilung I(θ) bei einem Beugungsgitter mit acht Spalten, bei dem d/a = 2 gewählt<br />
wurde. Interferenz <strong>der</strong> an einem Spalt gebeugten Wellen (Beugungsverteilung) <strong>und</strong> Interferenz zwischen<br />
den Wellen benachbarter Spalte überlagern sich. In die zweite Interferenzordnung gelangt wegen des<br />
Beugungsminimums kein Licht.<br />
Die Intensitätsminima sind in <strong>der</strong> Intensitätsverteilung bei einem<br />
Gangunterschied Δs einer halben Wellenlänge, d.h. bei<br />
λ<br />
Δ s = N⋅ = d⋅<br />
sinθ<br />
mit N = 1, 2, ...<br />
2<br />
zu finden; entsprechend sind die Intensitätsmaxima bei
Elektromagnetische Schwingungen <strong>und</strong> Wellen – Überleitung zur <strong>Optik</strong> 135<br />
Δ s = N⋅ λ = d⋅<br />
sinθ<br />
mit N = 0, 1, 2, ...<br />
zu finden, wobei θ wie<strong>der</strong> <strong>der</strong> Winkel zwischen Ausbreitungsrichtung <strong>der</strong> Welle<br />
<strong>und</strong> dem auf dem Schirm beobachteten Minimum bzw. Maximum ist. N ist wie<strong>der</strong><br />
die sog. Ordnung, d <strong>der</strong> Abstand <strong>der</strong> Spalte bzw. feinen Gitterlinien voneinan<strong>der</strong><br />
<strong>und</strong> λ die Wellenlänge.<br />
Je mehr Spalte, desto<br />
• mehr Nebenmaxima sind zu beobachten,<br />
• schärfer sind die Hauptmaxima <strong>und</strong> desto schwächer die Nebenmaxima.<br />
6.1.23 Dispersion an Beugungsgittern<br />
Da <strong>der</strong> Beugungseffekt (wie die Brechung) wellenlängenabhängig ist, spaltet ein<br />
weißes Lichtbündel beim Durchgang durch ein Gitter in die Spektralfarben auf,<br />
<strong>und</strong> zwar stärker als beim Prisma. Dieses Phänomen wird auch<br />
Winkeldispersion genannt. Anwendung: Gitterspektrometer.<br />
6.1.24 Interferenz bei Reflexion (am Beispiel einer CD bzw. DVD)<br />
Auch die feinen Vertiefungen in einer CD wirken wie ein Beugungsgitter (bzw.<br />
Gitterspektrometer). Dadurch sind die intensiven schillernden Farben zu erklären.<br />
Die Daten werden auf <strong>der</strong> CD in einer spiralförmig von innen nach außen<br />
verlaufenden Spur von Vertiefungen (Pits) gespeichert. Das zwischen den Pits<br />
verbleibende Material heißt Land. Je<strong>der</strong> Übergang von Pit nach Land bzw.<br />
an<strong>der</strong>s herum wird als „1“ gewertet, ein gleich bleiben<strong>der</strong> Zustand als „0“.<br />
Aufgr<strong>und</strong> <strong>der</strong> geringen Größe <strong>der</strong> Pits sind sie nur unter einem<br />
Elektronenmikroskop sichtbar zu machen.<br />
Quelle: Cornelson Verlag<br />
Die Interferenzeigenschaften einer CD-ROM entstehen durch das spiegelnde<br />
Material zwischen den Pit-Spuren (Pfeile). Da die Pits zufällig verteilt sind, bildet<br />
die dazwischen verlaufende, gleichmäßig reflektierende Spirale ein ideales<br />
Reflexionsgitter mit einer Gitterkonstanten von 1,5µm.<br />
Die Erklärung <strong>der</strong> Beugung erfolgt analog zur Beugung am Strichgitter, nur dass<br />
das Licht hier reflektiert wird statt das Gitter zu durchlaufen.
136 Experimentalphysik 2 für Biologen & Chemiker<br />
Quelle: Cornelson Verlag<br />
Wenn die unter dem Winkel α reflektierten Wellen einen Gangunterschied von<br />
einer Wellenlänge haben, verstärken sie sich gegenseitig <strong>und</strong> bilden so das<br />
1. Maximum.<br />
λ<br />
Für den Beugungswinkel α ergibt sich so die Bedingung sinα<br />
= .<br />
g<br />
Ähnlich ist das irisierende (Farbton ist abhängig vom Blickwinkel) Schillern<br />
einiger Schmetterlingsflügeloberflächen zu erklären. Die Interferenz, die für die<br />
brillante blaue Farbe des Morpho-Schmetterlingflügels verantwortlich ist, findet<br />
dort an dachziegelartig angeordneten, durchscheinenden Schüppchen statt.<br />
Quelle: http://webexhibits.org/causesofcolor/15.html<br />
6.1.25 Streuung ist u.a. verantwortlich für das Himmelsblau <strong>und</strong> Abendrot<br />
Unter Streuung wird allgemein die Ablenkung eines Objekts durch<br />
Wechselwirkung mit einem lokalen an<strong>der</strong>en Objekt (Streuzentrum) verstanden.<br />
Beispiele sind die Streuung von Licht an Atomen, Molekülen o<strong>der</strong> Feinstaub in<br />
<strong>der</strong> Atmosphäre.<br />
Unterschieden wird zwischen
Elektromagnetische Schwingungen <strong>und</strong> Wellen – Überleitung zur <strong>Optik</strong> 137<br />
• elastischer Rayleigh-Streuung an<br />
Objekten, die kleiner sind als <strong>der</strong>en<br />
Wellenlänge, auch Dipol-Streuung genannt;<br />
dabei gilt, dass die Wahrscheinlichkeit <strong>der</strong><br />
Streuung proportional mit 1/λ 4 wächst:<br />
deswegen wird im sichtbaren Spektrum das<br />
blaue Licht viel stärker gestreut als das rote.<br />
Das führt zur blauen Färbung des Himmels zur Mittagszeit. Bei Sonnenuntergang<br />
erscheint <strong>der</strong> Himmel dagegen rötlich, da die Sonne tiefer am Horizont steht <strong>und</strong><br />
ihr Licht einen weiteren Weg durch die Atmosphäre zurücklegen muss. Dabei<br />
wird das blaue Licht in <strong>der</strong> äußeren Atmosphärenschicht schon vollständig<br />
herausgestreut, so dass nur noch das rote Licht das Auge erreicht. (John William<br />
Strutt, seit 1873 3. Lord Rayleigh, engl. <strong>Physik</strong>er, 1842-1919)<br />
• inelastischer Raman-Streuung an Atomen, Molekülen o<strong>der</strong> Festkörpern.<br />
(Chandrasekhara Venkata Raman, indischer <strong>Physik</strong>er, 1888-1970)<br />
• Mie-Streuung, elektromagnetische Streuung an Objekten in <strong>der</strong><br />
Größenordung <strong>der</strong> Wellenlänge, (auch Lorenz-Mie-Streuung). (Gustav<br />
Mie, deutscher <strong>Physik</strong>er, 1868-1957 <strong>und</strong> Ludvig Lorenz, dänischer<br />
<strong>Physik</strong>er, 1829-1891).<br />
Bei elastischer Streuung ist die Summe <strong>der</strong> kinetischen Energien nach dem Stoß<br />
gleich groß wie vorher, während sie sich bei inelastischen Streuungen än<strong>der</strong>t<br />
(verringert).
138 Experimentalphysik 1 für Biologen & Chemiker<br />
V20 Geometrische <strong>Optik</strong>: Spiegel, Linsen<br />
Wie<strong>der</strong>holung<br />
• Wellen lassen sich auch an Objekten beugen. Um die Beugung von Licht<br />
sichtbar machen zu können, muss das Objekt sehr klein sein, z.B. ein<br />
enger Spalt o<strong>der</strong> eine kleines Loch mit Abmessungen in <strong>der</strong><br />
Größenordnung <strong>der</strong> Wellenlänge des Lichts. Durch die Beugung kommt<br />
es ebenfalls zu Interferenzen, die sich als alternierende<br />
Intensitätsverteilung auf einem Schirm zeigt.<br />
• Dazu wurde angenommen, dass die Interferenzerscheinung aus sich<br />
überlagernden Wellen von punktförmig gedachten Lichtquellen im Spalt<br />
resultiert, die zu dem beobachteten Hell-Dunkelmuster (ringförmig bei<br />
Loch“spalt“, strichförmig bei Linienspalt) auf einem Projektionsschirm<br />
führen. Frage: Wieso sind bei einem Linienspalt nicht auch ausgedehnte<br />
Beugungsringe zu sehen?<br />
• Dieses Beugungsphänomen lässt sich mit <strong>der</strong> Interferenz mehrerer<br />
Strahlen aus unterschiedlichen, nebeneinan<strong>der</strong> angeordneten Spalten<br />
überlagern: Werden mehrere Spalte nebeneinan<strong>der</strong> in kleinem Abstand<br />
angeordnet, so können die aus ihnen austretenden (<strong>und</strong> jeweils<br />
gebeugten) Lichtwellen zusätzlich miteinan<strong>der</strong> interferieren. Dem<br />
Beugungsmuster <strong>der</strong> Einzelspalte ist also das Interferenzmuster <strong>der</strong><br />
Lichtwellen zwischen den einzelnen Spalten überlagert.<br />
• Da Licht unterschiedlicher Frequenzen (<strong>und</strong> damit Farben)<br />
unterschiedlich stark an einem Spalt gebeugt wird, kann ein Gitter benutzt<br />
werden, um einen weißen Lichtstrahl spektral aufzuspalten. (An<strong>der</strong>s als<br />
bei einem Prisma beruht <strong>der</strong> Effekt allerdings nicht auf unterschiedlichen<br />
Brechungsindizes.) Beispiel: CD, Schmetterlingsflügel.<br />
• Die Interferenz von Lichtwellen erscheint bei dünnen <strong>und</strong> durchlässigen<br />
Schichten, wie Seifenblasen, einer Ölschicht auf Wasserpfützen, auf <strong>der</strong><br />
Rückseite von CD-ROM's, auf Perlen, Vogelfe<strong>der</strong>n <strong>und</strong> auch auf<br />
Schmetterlingsflügel. Die an Vor<strong>der</strong>- <strong>und</strong> Rückseite einer durchlässigen<br />
Schicht reflektierten Lichtwellen ergeben die Interferenzfarben.<br />
• Wird Licht von kleinen Objekten (mit Abmessungen in <strong>der</strong> Größenordnung<br />
<strong>der</strong> Wellenlänge des Lichts), Molekülen o<strong>der</strong> Atomen „reflektiert“, wird von<br />
Streuung gesprochen. Drei Streuarten werden je nach Objektgröße<br />
unterschieden: Rayleigh-, Raman- <strong>und</strong> Mie-Streuung.<br />
6.2 Geometrische <strong>Optik</strong> mit Lichtstrahlen<br />
Viele Gesetze lassen sich (phänomenologisch) ableiten, ohne den<br />
Wellencharakter des Lichtes im Detail zu beachten. In <strong>der</strong> geometrischen <strong>Optik</strong><br />
wird von einer geradlinigen Ausbreitung des Lichtes ausgegangen, die sich gut<br />
eignet, um die meisten Abbildungsphänomene zu erklären.<br />
6.2.1 Das Licht als Teilchen (Photon)<br />
Licht lässt sich bei mikroskopischer Betrachtung <strong>der</strong> optischen Prozesse<br />
entwe<strong>der</strong> als Welle beschreiben (bisher besprochene Wellenoptik) o<strong>der</strong> als<br />
Teilchen, das sog. Photon. Seine Bewegung im Raum kann wie ein<br />
Materieteilchen in <strong>der</strong> Mechanik behandelt werden. Die Bewegungsrichtung lässt<br />
sich damit vektoriell beschreiben; man spricht dann auch von einem Lichtstrahl,<br />
<strong>der</strong> den (scheinbaren) Lichtweg darstellt. (Die bei <strong>der</strong> Beugung <strong>und</strong> Interferenz<br />
besprochenen Phänomene lassen sich allerdings mit Hilfe von Lichtstrahlen<br />
allein nicht erklären.)
Elektromagnetische Schwingungen <strong>und</strong> Wellen – Überleitung zur <strong>Optik</strong> 139<br />
Ein Photon ist ein Lichtquant (quantum: kleine Menge) <strong>der</strong> Energie<br />
EPhoton = h⋅ ν .<br />
Allerdings hat dieses Photon eine Ruhemasse von Null: m0,Photon = 0 kg! Nach <strong>der</strong><br />
von Einstein aufgestellten Beziehung E = m·c 2 <strong>und</strong> dem für das Photon<br />
formulierten Ausdruck <strong>der</strong> Energie hat es jedoch eine Masse ungleich Null,<br />
wenn/sobald es sich im Raum ausbreitet.<br />
Damit hat das Licht auch einen Impuls. Mit dem aus <strong>der</strong> Mechanik bekannten<br />
Ausdruck zur allgemeinen Formulierung <strong>der</strong> Energie (bzw. Arbeit)<br />
p<br />
E = F ⋅ s = ⋅ s = p⋅<br />
υ<br />
t<br />
<strong>und</strong> dem obigen Ausdruck für die Energie eines Photons<br />
c<br />
E = h⋅ ν = h⋅<br />
λ<br />
sowie <strong>der</strong> Erkenntnis, dass es sich bei <strong>der</strong> Geschwindigkeit v um die<br />
Lichtgeschwindigkeit c handeln muss, ergibt sich für den Impuls p eines Photons:<br />
E h⋅ν<br />
p = = .<br />
c c<br />
Damit lässt sich Licht im Gr<strong>und</strong>e auch benutzen, um über seinen Impuls Kräfte<br />
auf Objekte auszuüben<br />
Beispiel: Die in <strong>der</strong> Thermodynamik besprochene Lichtmühle, die sich in <strong>der</strong><br />
Restgasatmosphäre aufgr<strong>und</strong> <strong>der</strong> Brown’schen Molekularbewegung drehte, lässt<br />
sich auch im Vakuum durch Bestrahlung mit Licht hoher Intensität betreiben.<br />
Dann allerdings dreht sie sich in die Gegenrichtung. Überlegen Sie sich, warum?<br />
Licht wird in dieser Quantenoptik als Photon-Ensemble betrachtet. Das<br />
Nebeneinan<strong>der</strong> von Wellen- <strong>und</strong> Teilchen-Charakter heißt Dualität des Lichtes<br />
<strong>und</strong> ist Gegenstand <strong>der</strong> Quantenmechanik.<br />
6.2.2 Schatten<br />
Über geradlinige Lichtstrahlen lässt sich<br />
leicht erklären, dass sich hinter einem (für<br />
die betrachtete Farbe des Lichts nichttransparenten)<br />
Objekt, das von einer<br />
punktförmigen Lichtquelle bestrahlt wird,<br />
ein Schattenraum ausbildet. Er wird von<br />
den Strahlen begrenzt, die die Kanten des<br />
Objekts gerade streifen. Bei einer nichtpunktförmigen<br />
Lichtquelle ist <strong>der</strong> sog.<br />
Kernschatten von einem Halbschatten<br />
umgeben, <strong>der</strong> nach außen hin allmählich in<br />
den voll erleuchteten Raum übergeht.<br />
6.2.3 Optische Abbildung durch Reflexion: Spiegel<br />
Schattenbildung hinter einem kreisförmigen<br />
Objekt, das von einer ausgedehnten, d.h.<br />
nicht-punktförmigen Lichtquelle LQ bestrahlt<br />
wird. Es bildet sich ein Kernschatten S <strong>und</strong> ein<br />
Halbschattenraum H aus. Quelle: Staudt Abb.<br />
8.2 S.223<br />
In einer optischen Abbildung wird Licht, das von einem Punkt P1 ausgeht, in<br />
einen Punkt P2 wie<strong>der</strong> vereinigt.<br />
Ein Spiegel ist eine reflektierende Oberfläche, die so glatt ist, dass die<br />
reflektierten Lichtstrahlen (z. B. auf <strong>der</strong> Netzhaut) wie<strong>der</strong> ein Bild formen. Dabei<br />
verlaufen die Lichtstrahlen nach dem gleichen Reflexionsgesetz, wie wir es für<br />
elektromagnetische Wellen schon kennen gelernt hatten:<br />
A1.4 Radiometer =<br />
Lichtmühle mit Vakuum:<br />
Bestrahlung <strong>der</strong><br />
verspiegelten Seiten<br />
O1.23 Abbildung durch<br />
eine Linse: Ohne Linse<br />
zur Schattenprojektion<br />
geeignet
O1.21 Spiegelbild: Kerze<br />
scheint im<br />
wassergefüllten<br />
Becherglas zu stehen.<br />
140 Experimentalphysik 2 für Biologen & Chemiker<br />
Einfallswinkel = Ausfallswinkel.<br />
Eine weiße Fläche stellt, obwohl sie ebenfalls nahezu alles Licht zurückstrahlt,<br />
keinen Spiegel dar, da das Licht ungeordnet in alle Richtungen gestreut wird, so<br />
dass kein Bild entsteht.<br />
Halbdurchlässige Spiegel sind eine Fortentwicklung einer Eigenschaft, die<br />
bereits eine normale Glasscheibe besitzt: Sie ist sowohl durchsichtig als auch<br />
reflektierend. Beim halbdurchlässigen Spiegel wird auf eine Glasscheibe eine<br />
Reflexionsschicht (Silberbelag) aufgebracht, die viel dünner ist als bei einem<br />
normalen Spiegel; somit wird nur noch ein Teil des auftreffenden Lichts<br />
reflektiert, <strong>der</strong> Rest geht aber ungehin<strong>der</strong>t hindurch.<br />
Das von einem Spiegel erzeugte Abbild richtet sich nach <strong>der</strong> Beschaffenheit<br />
(plan, konkav, konvex, wellig), <strong>der</strong> Lage (oben, unten o<strong>der</strong> schräg) sowie <strong>der</strong><br />
Transparenz (halbtransparent, nicht-transparent) des Spiegels. Unter Umständen<br />
können so Zerrbil<strong>der</strong> entstehen (Spiegelkabinett auf dem Jahrmarkt).<br />
6.2.3.1 Planspiegel<br />
Wird ein realer Gegenstand AB in<br />
einem (hier ebenen = planen)<br />
Spiegel betrachtet, verlaufen die<br />
vom Gegenstand ausgehenden<br />
Strahlen nach Reflexion an <strong>der</strong><br />
Spiegeloberfläche so, als ob sie von<br />
einem gleich großen Bild (A'B’)<br />
hinter dem Spiegel kämen. Ein<br />
solches Bild heißt virtuelles Bild,<br />
weil man es nicht auf einem Schirm<br />
sieht, den man in die Ebene des<br />
virtuellen Bildes stellt.<br />
Quelle: Demtrö<strong>der</strong> 2, Abb. 9.5, S.259<br />
(Zudem lässt sich kein Objekt zwischen das virtuelle Bild <strong>und</strong> die<br />
Spiegeloberfläche stellen, das die vom virtuellen Gegenstand anscheinend<br />
ausgehenden (gestrichelten) Lichtstrahlen blockieren könnte.) Ein virtuelles Bild<br />
lässt sich jedoch durchaus auf einer Projektionsfläche abbilden, die vor dem<br />
Spiegel (o<strong>der</strong> einer Linse) steht, d.h. es kann z.B. fotografiert werden. Ein ebener<br />
Spiegel erzeugt als einziges optisches Element eine verzerrungsfreie 1:1-<br />
Abbildung.<br />
Nicht-ebene Bauweisen führen zu folgenden Verän<strong>der</strong>ungen im gespiegelten<br />
Bild:<br />
• konkav (lat. concavus: ausgehöhlt, einwärts gewölbt) gekrümmte<br />
Hohlspiegel (Kugelspiegel, Parabolspiegel): Rasierspiegel,<br />
Spiegelteleskope.<br />
• konvex (lat: convexus gewölbt, ger<strong>und</strong>et) nach außen gekrümmte<br />
Spiegel dienen z. B. als Außenspiegel an Fahrzeugen <strong>und</strong> zeigen größere<br />
Bereiche als gleich große Planspiegel.<br />
Eine weitere Anwendung sind die so genannten Reflektoren, die im<br />
Straßenverkehr (Scheinwerfer, Rückleuchte; das auf dem Tripelspiegel-Konzept<br />
basierende Katzenauge), in <strong>der</strong> Fotografie (Blitzlicht), aber auch bei <strong>der</strong><br />
Energiegewinnung (Sonnenkraftwerk) zum Einsatz kommen.
Elektromagnetische Schwingungen <strong>und</strong> Wellen – Überleitung zur <strong>Optik</strong> 141<br />
6.2.3.2 Hohlspiegel<br />
Mit Hohlspiegeln lassen sich verkleinerte o<strong>der</strong> vergrößerte Bil<strong>der</strong> erzeugen (die<br />
im Allgemeinen nicht mehr völlig verzerrungsfrei sind). Das Reflexionsgesetz gilt<br />
auch für gekrümmte Flächen, die man sich aus vielen infinitesimal kleinen<br />
ebenen Flächen zusammengesetzt vorstellen kann.<br />
Betrachtet werden soll ein Gegenstand (hier als Pfeil von A’ nach A dargestellt)<br />
im Abstand g, <strong>der</strong> sog. Gegenstandsweite, vom sog. Scheitelpunkt O des<br />
Hohlspiegels <strong>und</strong> das Spiegelbild B’B des Gegenstands in <strong>der</strong> Bildweite b. M sei<br />
<strong>der</strong> Mittelpunkt des Spiegels; bei einem Kugelspiegel (= sphärischen Spiegel) mit<br />
dem Kugelradius R entspräche er dem Kugelmittelpunkt. Die Gerade MO wird<br />
optische Achse, Hauptachse o<strong>der</strong> Symmetrieachse bezeichnet. F ist <strong>der</strong> sog.<br />
Brennpunkt im Abstand <strong>der</strong> Brennweite f vom Scheitelpunkt O des Spiegels; F<br />
ist <strong>der</strong> Punkt, auf den alle parallel zur optischen Achse einfallende Strahlen<br />
fokussiert = gebündelt (<strong>und</strong> damit „aufkonzentriert“) werden. Der Abstand FO<br />
heißt Brennweite. Im Brennpunkt ist die höchste Lichtintensität zu finden.<br />
Frage: Wo liegt <strong>der</strong> Brennpunkt eines ebenen Spiegels?<br />
(Antwort: im Unendlichen)<br />
Allgemein sind zur Konstruktion des Spiegelbildes eines Hohlspiegels folgende<br />
zwei Strahlenverläufe hinreichend:<br />
1. Ein erster Strahl verläuft parallel zur optischen Achse MO <strong>und</strong> wird daher<br />
am Spiegel so reflektiert, dass er durch den Brennpunkt F geht.<br />
2. Ein zweiter Strahl geht durch den Brennpunkt <strong>und</strong> wird daher am Spiegel<br />
so reflektiert, dass er parallel zur optischen Achse MO verläuft.<br />
Bei einem Kugelspiegel kann zusätzlich <strong>der</strong> Strahl durch den Mittelpunkt<br />
des Spiegels gewählt werden, <strong>der</strong> in sich selbst reflektiert wird.<br />
Alle drei Strahlen schneiden sich im Punkt B, dem Bildpunkt von A.<br />
Je nach Lage des Gegenstands bezüglich des Brennpunktes F ist das Bild B’B<br />
• aufrecht, vergrößert, aber virtuell (d.h. scheinbar hinter dem Spiegel „zu<br />
sehen“, dort aber in <strong>der</strong> Bildebene nicht projizierbar), nämlich wenn <strong>der</strong><br />
Gegenstand zwischen dem Brennpunkt F <strong>und</strong> dem Scheitelpunkt O liegt,<br />
d.h. g < f.<br />
• bzw. umgekehrt, verkleinert, aber reell (d.h. auf ein transparentes Papier<br />
in <strong>der</strong> Bildebene projizierbar) sichtbar, nämlich wenn <strong>der</strong> Gegenstand vor<br />
dem Brennpunkt F liegt, d.h. g > f.<br />
g > f Reelles, aber umgekehrtes <strong>und</strong> verkleinertes<br />
Spiegelbild B’B eines Gegenstandes A’A vor dem<br />
Brennpunkt F eines kugelförmigen Hohlspiegels.<br />
Zum Auffinden des Bildpunktes B in <strong>der</strong> Bildweite<br />
g < f Virtuelles, aber aufrechtes <strong>und</strong> vergrößertes<br />
Spiegelbild B’B eines zwischen dem Brennpunkt F<br />
<strong>und</strong> dem Scheitelpunkt O liegenden Gegenstands<br />
A’A. Zum Auffinden des virtuellen Bildpunktes B<br />
O1.22 Abbildung mit<br />
Hohlspiegel: Hier ist <strong>der</strong><br />
Strahlenverlauf in<br />
Gegenrichtung: B’B ist<br />
<strong>der</strong> Gegenstand<br />
(Lichtquelle in Form des<br />
Buchstabens F), <strong>der</strong><br />
vergrößert, aber<br />
umgekehrt auf die Wand<br />
projiziert wird (<strong>und</strong> damit<br />
reel ist).
O1.7 Tafeloptik: Dünne<br />
konvexe Linse,<br />
Kugellinse, konkave<br />
Linse<br />
142 Experimentalphysik 2 für Biologen & Chemiker<br />
b reichen zwei Strahlen. Quelle: Demtrö<strong>der</strong> 2,<br />
Abb.9.12 <strong>und</strong> 9.13, S. 262<br />
müssen die Strahlenverläufe bei Reflexion am<br />
Spiegel einfach durch den Spiegel verlängert werden.<br />
Für einen sphärischen Spiegel mit dem Radius R kann gezeigt werden, dass<br />
1<br />
f = R.<br />
2<br />
Außerdem sind Gegenstandsweite g, Bildweite b <strong>und</strong> Brennweite f über folgende<br />
Beziehung verknüpft:<br />
1 1 1 2<br />
+ ≈ <strong>und</strong> damit ≈ .<br />
g b f R<br />
Für Kugelspiegel ist die Brennweite f für achsenferne Strahlen kleiner als für<br />
achsennahe Strahlen. Bei einem (parabel- bzw. baseballförmigen)<br />
Parabolspiegel dagegen gehen alle parallel eintreffenden Strahlen durch einen<br />
einzigen Brennpunkt. Wird eine Lichtquelle im Brennpunkt F platziert, dann lässt<br />
sich eine gute Bündelung <strong>der</strong> Lichtstrahlen erreichen (Parabolscheinwerfer).<br />
Kugelspiegel Quelle: Demtrö<strong>der</strong> 2, Abb. 9.10 <strong>und</strong><br />
9.15, S. 261f; Staudt 2, Abb. 8.9, S. 226<br />
6.2.4 Optische Abbildung durch Brechung: Linsen<br />
Parabolspiegel <strong>und</strong> Parabolscheinwerfer<br />
Eine Linse besteht aus einem durchsichtigen Material mit n2, das auf beiden<br />
Seiten durch polierte Grenzflächen von einem an<strong>der</strong>en Material mit n1 umgeben<br />
ist. Im Folgenden sei die Umgebung Luft, d.h. n1 = 1; n2 = n. Es werden nur<br />
sphärische Grenzflächen betrachtet.<br />
6.2.4.1 Brechung an einer gekrümmten Fläche<br />
Statt einen Gegenstand durch Reflexion an Spiegeln abzubilden, wird er bei<br />
Linsen durch Brechung abgebildet.
Elektromagnetische Schwingungen <strong>und</strong> Wellen – Überleitung zur <strong>Optik</strong> 143<br />
Quelle: Demtrö<strong>der</strong> 2, Abb. 9.21, S. 266<br />
Ähnlich wie bei Spiegeln lässt sich <strong>der</strong> Bildpunkt B durch zwei Strahlenverläufe<br />
finden:<br />
1. Ein erster Strahl verläuft parallel zur optischen Achse MO <strong>und</strong> wird an <strong>der</strong><br />
Linse so gebrochen, dass er durch den Brennpunkt F2 geht.<br />
2. Ein zweiter Strahl geht durch den Krümmungsmittelpunkt M, <strong>der</strong><br />
senkrecht auf die gekrümmte Grenzfläche trifft <strong>und</strong> daher nicht gebrochen<br />
wird (0° zur Flächennormalen).<br />
Alternativ lässt sich ein dritter Strahl hinzuziehen, <strong>der</strong> durch den<br />
Brechpunkt F1 im Medium 1 geht <strong>und</strong> dadurch im Medium 2 parallel zur<br />
optischen Achse verläuft.<br />
Die drei Strahlen schneiden sich im Punkt B, dem Bildpunkt von A.<br />
Umgekehrt lassen sich auch Lichtstrahlen betrachten, die aus dem Medium 2 ins<br />
Medium 1 gebrochen werden. A ist dann das Bild von B. Der im Medium 2<br />
achsenparallel verlaufende Strahl schneidet dann die optische Achse im<br />
gegenstandsseitigen Brennpunkt F1.<br />
6.2.4.2 Dünne Linsen<br />
Als dünne Linse werden Linsen bezeichnet, in denen <strong>der</strong> maximale Abstand d<br />
<strong>der</strong> zwei Grenzflächen sehr klein ist gegen die Brennweiten f1 <strong>und</strong> f2.<br />
Es lässt sich zeigen, dass dann die beiden Brechungen an den Grenzflächen<br />
nicht separat behandelt werden müssen, son<strong>der</strong>n eine einzelne Brechung an <strong>der</strong><br />
Linsenmitte ausreicht.<br />
O1.23 Abbildung durch<br />
eine Linse
144 Experimentalphysik 2 für Biologen & Chemiker<br />
Zeichnerische Konstruktion <strong>der</strong> Abbildung eines Gegenstandpunktes A als Bildpunkt B durch eine dünne<br />
Linse. Quelle: Demtrö<strong>der</strong>, Abb. 9.26, S. 269<br />
Die Strahlkonstruktion zum Auffinden des Bildpunktes erfolgt ganz analog zu <strong>der</strong><br />
oben beschriebenen mit dem einzigen Unterschied, dass <strong>der</strong> Mittelpunktstrahl,<br />
<strong>der</strong> vorher durch den Krümmungsmittelpunkt M1 bzw. M2 verlief, jetzt durch den<br />
Achsenmittelpunkt M <strong>der</strong> Linse verläuft. Dieser Zentralstrahl wird nicht<br />
gebrochen.<br />
Wie bei <strong>der</strong> Abbildung an gekrümmten Spiegeln findet sich für den<br />
Zusammenhang zwischen Gegenstandsweite g, Bildweite b <strong>und</strong> Brennweite f <strong>der</strong><br />
folgende Zusammenhang:<br />
1 1 1<br />
+ = Abbildungsgleichung dünner (symmetrischer) Linsen<br />
g b f<br />
Die Brennweite f berechnet sich dabei über die folgende Beziehung:<br />
f<br />
1 ⎛ R ⋅R<br />
⎞ 1<br />
n R R D<br />
1 2<br />
= ⋅ ⎜ ⎟=<br />
−1⎝ 2 − 1⎠<br />
1 R<br />
bzw. f = ⋅<br />
n − 1 2<br />
für R = R1 = -R2 bei einer bikonvexen Linse mit gleichen Krümmungsradien.<br />
R wird positiv gesetzt, wenn <strong>der</strong> Krümmungsmittelpunkt auf <strong>der</strong> <strong>der</strong> Lichtquelle<br />
bzw. dem Gegenstand abgewandten Seite <strong>der</strong> Grenzfläche liegt, negativ, wenn<br />
er auf <strong>der</strong> Seite <strong>der</strong> Lichtquelle bzw. des Gegenstands liegt (s.a. Linsentypen).<br />
Der reziproke Brennweite D = 1/f einer Linse wird auch Brechkraft bezeichnet<br />
<strong>und</strong> in Dioptrien gemessen. Ihre Einheit ist [D] = 1 Dioptrie = 1 dpt = 1·m -1 .<br />
Das Verhältnis zwischen Bildgröße B’B <strong>und</strong> Gegenstandsgröße A’A wird<br />
Abbildungsmaßstab β genannt:<br />
Bildgröße BB ' b<br />
β = = =<br />
Gegenstandsgröße AA ' g<br />
<strong>und</strong> entspricht dem Verhältnis aus Bildweite b <strong>und</strong> Gegenstandsweite g.<br />
Analog zum (konkaven) Hohlspiegel wird für eine (bi)konvexe Linse ein<br />
erhalten.<br />
• reelles, verkleinertes <strong>und</strong> umgekehrtes Bild für g > f bzw. ein<br />
• virtuelles, vergrößertes <strong>und</strong> aufrechtes Bild für g < f
Elektromagnetische Schwingungen <strong>und</strong> Wellen – Überleitung zur <strong>Optik</strong> 145<br />
Objekt in F: Gegenstand <strong>und</strong> Bild liegen aufeinan<strong>der</strong>. Das Auge sieht das Bild<br />
scheinbar im Unendlichen, kann sich also ganz entspannen.
146 Experimentalphysik 2 für Biologen & Chemiker<br />
Quelle: http://www.olympusmicro.com/primer/java/lenses/diverginglenses/index.html<br />
http://www.olympusmicro.com/primer/lightandcolor/lenseshome.html<br />
Beispiele für verschiedene Linsentypen <strong>und</strong> zugehörigen Krümmungsradien:<br />
Quelle: Demtrö<strong>der</strong>, Abb. 9.24, S. 267
Elektromagnetische Schwingungen <strong>und</strong> Wellen – Überleitung zur <strong>Optik</strong> 147<br />
Eine Linsenfläche ist konvex (nach außen gewölbt), wenn die Linse zwischen<br />
Grenzfläche <strong>und</strong> Krümmungsmittelpunkt liegt, sonst ist sie konkav (nach innen<br />
gewölbt).<br />
Bikonvexe Linsen sind Sammellinsen mit positiver Brennweite, bikonkave<br />
Zerstreuungslinsen mit negativer Brennweite.<br />
Bikonvexe (Sammel-) Linsen: achsennahe<br />
Strahlen werden so gebrochen, dass sie sich hinter<br />
<strong>der</strong> Linse im Brennpunkt F (entspr. F2 in obigen<br />
Abb.) schneiden.<br />
6.2.4.3 Zusammenfassung <strong>der</strong> Eigenschaften von Linsen<br />
Quelle: Bloomfield, How things work, The physics of everyday life, S. 416ff.<br />
Bikonkave (Zerstreuungs-) Linsen: achsennahe<br />
Strahlen werden so gebrochen, dass sie von dem<br />
Brennpunkt F’ (entspr. F1 in obigen Abb.)<br />
auszugehen scheinen. Quelle: Staudt, Abb. 8.15,<br />
S. 230
148 Experimentalphysik 1 für Biologen & Chemiker<br />
V21 Geometrische <strong>Optik</strong>: Linsenfehler<br />
Wie<strong>der</strong>holung<br />
• Wird Licht nicht als Welle betrachtet, son<strong>der</strong>n als Teilchen, d.h. als<br />
Photon, dann lässt sich seine Ausbreitung leicht über Lichtstrahlen<br />
beschreiben. Lichtstrahlen eignen sich gut zur geometrischen<br />
Beschreibung optischer Abbildungsphänomene, nicht dagegen zur<br />
Erklärung von typischen Welleneigenschaften, <strong>der</strong> Beugung <strong>und</strong> <strong>der</strong><br />
Interferenz.<br />
• Über Lichtstrahlen lassen sich Schattenwurf, Spiegelreflexion <strong>und</strong><br />
Lichtbrechung an Linsen beschreiben.<br />
• Bei Spiegeln <strong>und</strong> Linsen sind Brennpunktstrahl <strong>und</strong> Mittelpunktstrahl<br />
ausreichend, um das durch das optische Instrument erzeugte Bild eines<br />
Gegenstandes in Größe, Orientierung <strong>und</strong> Lage bezüglich des<br />
Gegenstands zu konstruieren.<br />
• Sowohl bei Hohlspiegeln (konkav) als auch bei (bi)konvexen Linsen wird<br />
ein aufrechtes, vergrößertes aber virtuelles Bild erhalten, wenn <strong>der</strong><br />
Gegenstand zwischen Scheitelpunkt <strong>und</strong> Brennpunkt des Spiegels liegt,<br />
<strong>und</strong> ein umgekehrtes, verkleinertes aber reelles Bild, wenn er hinter dem<br />
Brennpunkt liegt.<br />
• Die sog. Abbildungsgleichung stellt eine Beziehung zwischen<br />
Gegenstandsgröße, Bildgröße <strong>und</strong> Brennweite her. Sind also Brennweite<br />
<strong>und</strong> Gegenstandsgröße bekannt, lässt sich die Bildgröße berechnen. Um<br />
die Brennweite einer Linse zu berechnen, muss man ihren<br />
Brechungsindex sowie die Krümmungsradien <strong>der</strong> ihrer Oberflächen<br />
kennen.<br />
6.2.5 Linsenfehler<br />
Alle bisherigen Konstruktionen/Betrachtungen galten für<br />
• achsennahe <strong>und</strong><br />
• achsenparallele<br />
• Strahlen <strong>der</strong> gleichen Wellenlänge sowie<br />
• perfekte Linsen.<br />
Ist eine dieser Bedingungen nicht mehr erfüllt, dann entstehen Abbildungsfehler.<br />
6.2.5.1 Sphärische Aberration<br />
Bei kugelförmigen (= sphärischen) Linsen<br />
haben Randstrahlen eine geringere<br />
Brennweite als achsennahe Strahlen.<br />
Durch Blenden lässt sich das Problem<br />
beheben; allerdings kommt es dadurch<br />
zum Intensitätsverlust.<br />
Sphärische Aberration, die sich durch<br />
Ausblenden <strong>der</strong> Randstrahlen reduzieren lässt.<br />
Quelle: Demtrö<strong>der</strong>, Abb. 9.37, S. 274
Elektromagnetische Schwingungen <strong>und</strong> Wellen – Überleitung zur <strong>Optik</strong> 149<br />
6.2.5.2 Chromatische Aberration<br />
Durch die Dispersion wird blaues Licht<br />
stärker gebrochen als rotes, d.h. die<br />
Brennweite f einer Linse ist für rotes Licht<br />
größer als für blaues Licht. Bei<br />
Bestrahlung mit polychromatischem (z.B.<br />
weißem) Licht, entsteht aus einem Punkt<br />
eine Scheibe.<br />
Durch Kombination einer bikonvexen<br />
Sammel- <strong>und</strong> einer konkav-konvexen<br />
Zerstreuungslinse (sog. Achromate) mit<br />
unterschiedlicher Dispersion (d.h.<br />
unterschiedlichen Brechungsindizes n; z.B.<br />
Kronglas <strong>und</strong> Flintglas) lässt sich <strong>der</strong><br />
Fehler beheben.<br />
6.2.5.3 Koma<br />
Fällt das Strahlenbündel nicht parallel zur<br />
Hauptachse auf die Linse, befinden sich<br />
die Schnittpunkte einzelner Teilbündel, d.h.<br />
benachbarter Strahlen, nicht mehr auf dem<br />
Mittenstrahl, son<strong>der</strong>n in verschiedenen<br />
Abständen dazu. Als Resultat werden<br />
verwaschene Bildkurven erhalten; je<strong>der</strong><br />
Bildpunkt hat dann ein Art<br />
„Kometenschweif“ (daher Koma).<br />
6.2.5.4 Astigmatismus (Punktlosigkeit)<br />
Chromatische Aberration. Quelle: Staudt 2,<br />
Abb. 8.30 S.241<br />
Korrektur <strong>der</strong> chromatischen Aberration.<br />
Quelle: Demtrö<strong>der</strong> 2, Abb. 9.36, S. 274<br />
Ist die Krümmung einer Linse nicht rotationssymmetrisch zur Hauptachse,<br />
son<strong>der</strong>n weist z.B. in vertikaler o<strong>der</strong> horizontaler Richtung einen an<strong>der</strong>en<br />
Krümmungsradius auf, so wird parallel zur Hauptachse einfallendes Licht nicht in<br />
einem Brennpunkt, son<strong>der</strong>n einer Brennlinie vereinigt. Das gleiche Phänomen<br />
kann auch auftreten, wenn sich das abzubildende Objekt weit außerhalb <strong>der</strong><br />
Hauptachse befindet. Eine Korrektur ist über eine zusätzliche Zylin<strong>der</strong>linse<br />
möglich.
150 Experimentalphysik 2 für Biologen & Chemiker<br />
Folgen des Astigmatismus: Es lässt sich immer nur<br />
eine Ebene (horizontal o<strong>der</strong> vertikal) scharf stellen,<br />
nicht aber das Gesamtbild, das bestenfalls<br />
verschwommen dargestellt werden kann.<br />
Quellen: http://www.physics.udel.edu/wwwusers/watson/scen103/cd-astig.html,<br />
http://mas450.syntheticholography.org/reading/other_handouts/astigmatism/<strong>und</strong>erstandingastigmatism.html<br />
6.2.6 Linsenfehler beim Auge<br />
Das Auge enthält eine bikonvexe<br />
Augenlinse, <strong>der</strong>en Krümmung durch<br />
den Augenmuskel variiert werden<br />
kann. Die Brennweite des Auges wird<br />
jedoch eigentlich nicht nur durch die<br />
Augenlinse, son<strong>der</strong>n auch durch<br />
Hornhaut, Kammerwasser <strong>und</strong><br />
Glaskörper bedingt.<br />
Da die äußere Grenzfläche <strong>der</strong> Hornhaut an Luft liegt, die innere Grenzfläche<br />
jedoch im Glaskörper, sind die gegenstandsseitige Brennweite f1 <strong>und</strong> die<br />
bildseitige Brennweite f2 verschieden.<br />
6.2.6.1 Kurzsichtigkeit<br />
Bei einem kurzsichtigen Auge treffen sich die einfallenden Lichtstrahlen nicht auf<br />
<strong>der</strong> Netzhaut, son<strong>der</strong>n das Bild entsteht davor. Dadurch werden entfernte<br />
Gegenstände nur unscharf wahrgenommen. Häufigste Ursache dafür ist ein zu<br />
langer Augapfel. Die Kurzsichtigkeit ist <strong>der</strong> am weitesten verbreitete Sehfehler.<br />
Korrektur durch Zerstreuungslinse.<br />
Wahrnehmung bei Kurzsichtigkeit, Augenform <strong>und</strong> Korrektur durch bikokave Brillengläser. Quelle:<br />
www.augenlasercenter.ch/ auge/sehfehler.asp?l=2 <strong>und</strong> Demtrö<strong>der</strong>, Abb 11.5, S. 335
Elektromagnetische Schwingungen <strong>und</strong> Wellen – Überleitung zur <strong>Optik</strong> 151<br />
6.2.6.2 Weitsichtigkeit<br />
Genau umgekehrt zur Kurzsichtigkeit: Wenn <strong>der</strong> Augapfel etwas zu kurz ist,<br />
treffen sich in einem weitsichtigen Auge die Lichtstrahlen erst hinter <strong>der</strong><br />
Netzhaut. Deshalb werden Gegenstände in <strong>der</strong> Nähe – bei stärkerer<br />
Weitsichtigkeit auch in <strong>der</strong> Ferne – nur unscharf wahrgenommen. Korrektur durch<br />
Sammellinse.<br />
Wahrnehmung bei Weitsichtigkeit, Augenform <strong>und</strong> Korrektur durch bikonvexe Brillengläser<br />
6.2.6.3 Astigmatismus durch Hornhautverkrümmung (Stabsichtigkeit)<br />
Unabhängig von Kurz- <strong>und</strong> Weitsichtigkeit, meist<br />
aber in Kombination mit diesen Sehfehlern, haben<br />
viele Menschen eine Hornhautverkrümmung. Dies<br />
trifft zu, wenn die Hornhautoberfläche eher<br />
eiförmig als kugelförmig ist. Die unterschiedlichen<br />
Krümmungskurven führen zu Bildverzerrungen<br />
<strong>und</strong> somit zu unscharfem Sehen. Die<br />
Hornhautverkrümmung kann ein positives o<strong>der</strong> ein<br />
negatives Vorzeichen haben. Sie wird mit Gläsern<br />
korrigiert, die am Rand nicht überall gleich dick<br />
sind.<br />
6.2.6.4 Vergrößerung in Abhängigkeit vom Sehwinkel<br />
Der Sehwinkel ε ist entscheidend für den<br />
Größeneindruck bei <strong>der</strong> Betrachtung eines<br />
Gegenstands mit dem Auge. Der Gegenstand wird<br />
vergrößert, wenn er näher an das Auge gebracht<br />
wird, allerdings nur bis ca. 25 cm (erholtes Auge)<br />
bzw. 10 cm (angestrengtes Auge), <strong>der</strong> deutlichen<br />
Sehweite l0; darunter kann das Auge nicht mehr<br />
scharf stellen.<br />
Quelle: http://www.armbrustaugenklinik.de/sites/services/augenle<br />
xikon/thema_verordnung.html<br />
Quelle: Staudt 2, Abb. 8.23, S. 237
152 Experimentalphysik 2 für Biologen & Chemiker<br />
Für den maximalen Sehwinkel ε0 ohne Instrument gilt<br />
G<br />
tanε<br />
0 = .<br />
l<br />
Die Vergrößerung V eines optischen Instrumentes ist definiert als<br />
0<br />
tanε<br />
V : = .<br />
tanε<br />
Dabei ist ε <strong>der</strong> Sehwinkel mit Instrument, ε0 <strong>der</strong> Sehwinkel ohne Instrument.<br />
6.2.7 Lupe<br />
Die Lupe ist eine einfache symmetrische<br />
Bikonvexlinse. Befindet sich <strong>der</strong> Gegenstand<br />
im Brennpunkt <strong>der</strong> Lupe (also g = f), sieht das<br />
Auge ein virtuelles, aufrechtes Bild des<br />
Gegenstandes im Unendlichen <strong>und</strong> kann sich<br />
beim Betrachten vollständig entspannen. Für<br />
den Sehwinkel mit Instrument gilt dann<br />
G<br />
tanε<br />
= .<br />
f<br />
0<br />
Quelle: Staudt 2, Abb. 8.24, S. 237<br />
Daraus folgt für die Vergrößerung <strong>der</strong> Lupe nach obiger Definition:<br />
6.3 Linsensysteme<br />
V<br />
tanε<br />
G<br />
f<br />
0<br />
Lupe = = = .<br />
tanε<br />
G 0 f<br />
Die reziproken Brennweiten zweier nahe benachbarter Linsen addieren sich, d.h.<br />
die Brechkräfte addieren sich, wenn beide Linsen auf <strong>der</strong> gleichen<br />
Symmetrieachse zentriert sind.<br />
6.3.1 Mikroskop<br />
Eine wesentlich stärkere Vergrößerung als mit <strong>der</strong> Lupe lässt sich mit dem<br />
Mikroskop realisieren, das im Prinzip aus zwei Bikonvexlinsen besteht. Die erste<br />
Linse (Objektiv) entwirft ein reeles, vergrößertes, aber umgekehrtes Zwischenbild<br />
des Gegenstandes in <strong>der</strong> Brennebene <strong>der</strong> zweiten Linse (Okular), die damit als<br />
Lupe fungiert.<br />
l<br />
0<br />
l
Elektromagnetische Schwingungen <strong>und</strong> Wellen – Überleitung zur <strong>Optik</strong> 153<br />
Quelle: Staudt 2, Abb. 8-28, S.240<br />
Kombination <strong>der</strong> bisher kennen gelernten Beziehungen führt zur Vergrößerung<br />
des Mikroskops von<br />
t l<br />
VMikroskop = βObjektiv<br />
⋅ VOkular<br />
= ⋅<br />
f f<br />
mit dem Abbildungsmaßstab β einer Linse <strong>und</strong> <strong>der</strong> Vergrößerung V einer Lupe.<br />
0<br />
1 2<br />
Zur Herleitung werden die Beziehungen für den Sehwinkel ε mit Mikroskop<br />
B<br />
tanε<br />
=<br />
f<br />
<strong>und</strong> den maximalen Sehwinkel e0 bei Betrachtung des Gegenstands im Abstand<br />
l0<br />
sowie die Verhältnis-Beziehung<br />
<strong>und</strong> die Abbildungsgleichung<br />
2<br />
G<br />
tanε<br />
0 =<br />
l<br />
B b<br />
=<br />
G g<br />
0<br />
1 1 1<br />
+ =<br />
g b f<br />
herangezogen. Durch einfache Umformung kann gezeigt werden, dass gilt:<br />
mit <strong>der</strong> Tubuslänge t des Mikroskops.<br />
b b−f1t = =<br />
g f f<br />
1 1<br />
Durch Verwendung genügend kurzbrennweitiger Linsen lassen sich leicht<br />
Vergrößerungen von V = 1000 erzielen.<br />
6.3.1.1 Auflösungsvermögen des Mikroskops<br />
Abgebildet werden soll ein Gitter mit dem Gitterabstand d.<br />
Quelle: Staudt 2, Abb. 8.70, S. 271
154 Experimentalphysik 2 für Biologen & Chemiker<br />
Um ein möglichst scharfes Zwischenbild zu erhalten, sollten möglichst alle<br />
Beugungsordnungen vom Objektiv erfasst werden, was wegen des endlichen<br />
Öffnungswinkels (auch Aperturwinkel genannt) u nicht möglich ist. Wird nur die<br />
nullte Ordnung erfasst, dann ist das Gesichtsfeld gleichmäßig erleuchtet. Um ein<br />
Bild zu sehen, muss nach Ernst Abbe (deutscher Mathematiker, <strong>Physik</strong>er,<br />
<strong>Optik</strong>er, 1840 – 1905) mindestens die ± 1. Beugungsordnung in das Objektiv<br />
gelangen. Dazu muss u mindestens so groß sein wie <strong>der</strong> Winkel α, unter dem<br />
das 1. Beugungsmaximum des Gitters erscheint (d ⋅ sin α = 1 ⋅ λ), also d ⋅ sin u ≥<br />
d ⋅ sin α = λ, woraus folgt:<br />
d<br />
λ<br />
sinu<br />
min = .<br />
Die minimal abbildbaren Gitterabstände d lassen sich noch etwas verkleinern,<br />
wenn ein Medium mit Brechungsindex n zwischen Objekt <strong>und</strong> Objektiv gebracht<br />
wird (Immersionsobjektiv, meist Ölimmersionsobjektiv). Dann gilt:<br />
d<br />
min<br />
λ<br />
= Abbe’sches Beugungslimit<br />
n⋅sinu Das Produkt aus n ⋅ sin u wird numerische Apertur genannt.<br />
Für λ = 500 nm, n = 1,5 , u = 80° ergibt sich für die noch gerade auflösbaren<br />
kleinsten Abmessungen dmin = 338 nm ≈ 2/3 λ. D.h. Strukturen, die kleiner sind<br />
als die halbe Wellenlänge des beleuchtenden Lichtes können nicht aufgelöst<br />
werden.<br />
Elektronen haben sehr viel kleinere Wellelängen λ im 0,1 nm (Å)- Bereich.<br />
Entsprechend lässt sich mit <strong>der</strong> Elektronenmikroskopie atomare Auflösung<br />
erzielen.<br />
6.3.2 Fernrohre (Teleskope)<br />
Unterscheiden lassen sich zwei Typen von Linsen-basierten Fernrohren, das<br />
Kepler’sche Fernrohr <strong>und</strong> das Galilei’sche Fernrohr. Daneben gibt es noch<br />
Spiegel-basierte Cassegrain’sche Reflektor-Teleskope.<br />
Kepler’sches Fernrohr mit einer langbrennweitigen <strong>und</strong> einer kurzbrennweitigen<br />
bikonvexen Linse im Abstand f1 + f2 zueinan<strong>der</strong>.
Elektromagnetische Schwingungen <strong>und</strong> Wellen – Überleitung zur <strong>Optik</strong> 155<br />
Galilei’sches Fernrohr mit einer langbrennweitigen bikonvexen <strong>und</strong> einer<br />
kurzbrennweitigen bikonkaven Linse im Abstand f1 - f2 zueinan<strong>der</strong>.<br />
Aufbau eines Cassegrain-Spiegelteleskops aus einem großen parabolischen Spiegel <strong>und</strong> einem<br />
kleinen planen Reflektor. Quelle: http://de.wikipedia.org/wiki/Bild:Cassegrain-Teleskop.png<br />
Für die beiden Linsenteleskope wird ein Vergrößerungsfaktor von<br />
erhalten.<br />
V<br />
Linsenteleskop<br />
f<br />
=<br />
f<br />
1<br />
2
156 Experimentalphysik 1 für Biologen & Chemiker<br />
V22 Mo<strong>der</strong>ne <strong>Physik</strong><br />
Wie<strong>der</strong>holung<br />
• Wir hatten exemplarisch einige Linsenfehler kennen gelernt, die auch<br />
Aberrationen genannt werden.<br />
• Die sphärische Aberration bei kugelförmigen Linsen zur Unschärfe, da<br />
sich achsennahe <strong>und</strong> achsenferne Strahlen in unterschiedlichen<br />
Brennpunkten treffen.<br />
• Bei <strong>der</strong> chromatischen Aberration sind die Bil<strong>der</strong> von Farbringen gesäumt,<br />
da Linsen für die einzelnen Wellenlängen unterschiedliche<br />
Brechungsindizes haben.<br />
• An<strong>der</strong>e Fehler, wie z.B. das Koma, Astigmatismus <strong>und</strong> Bildfeldwölbungen<br />
sind auf Unregelmäßigkeiten in <strong>der</strong> Linsenform o<strong>der</strong> extremem<br />
Strahlenverlauf zurückzuführen.<br />
• Diese Fehler treten auch im Auge auf <strong>und</strong> lassen sich durch zusätzliche<br />
Linsen, also Brillengläser o<strong>der</strong> Kontaktlinsen, korrigieren.<br />
• Um die Bildän<strong>der</strong>ungen, die eine Linse hervorruft, lassen sich auch<br />
quantifizieren. So ist z.B. <strong>der</strong> Vergrößerungsfaktor einer Lupe definiert als<br />
<strong>der</strong> Tangens des Sehwinkels mit Instrument durch den Tangens des<br />
maximalen Sehwinkels ohne Instrument, was sich auch als Quotient<br />
zwischen deutlicher Sehweite <strong>und</strong> Brennweite f <strong>der</strong> Lupe zum Ausdruck<br />
bringen lässt.<br />
• Werden mehrere Linsen hintereinan<strong>der</strong> angeordnet, lassen sich neue<br />
Vergrößerungseigenschaften erzielen: Sind eine große gegenstandsnahe<br />
Linse mit langer Brennweite <strong>und</strong> eine Lupe im Abstand <strong>der</strong> beiden<br />
Brennweiten zueinan<strong>der</strong> angeordnet, hat man ein Fernglas gebaut. Ist die<br />
gegenstandsnahe Linse, das sog. Objektiv, dagegen klein <strong>und</strong><br />
kurzbrennweitig, <strong>und</strong> sind Objektiv <strong>und</strong> Okular = Lupe im Abstand <strong>der</strong><br />
beiden Brennweiten + einer Tubuslänge t zueinan<strong>der</strong> angeordnet, dann<br />
handelt es sich um ein Mikroskop.<br />
6.4 Temperaturstrahlung<br />
Ein Körper tauscht auch dann Wärme mit seiner<br />
Umgebung aus, wenn er sich in einem<br />
evakuierten Raum befindet, wenn also die<br />
Wärmeleitung über Materiekontakt (Festkörper,<br />
Flüssigkeiten o<strong>der</strong> Gase) ausgeschlossen ist.<br />
Dies geschieht durch Temperaturstrahlung.<br />
Lebewesen strahlen z.B. nur im (für unser Auge<br />
unsichtbaren) Infrarot-Wellenlängenbereich.<br />
Thermographie eines Jungen <strong>und</strong> seines H<strong>und</strong>es. Je heller <strong>der</strong><br />
Farbton, desto höher ist die Temperatur. Deutlich lässt sich die<br />
kalte H<strong>und</strong>enase erkennen. Quelle: Tipler S. 552<br />
Das Emissionsvermögen E eines Körpers ist definiert als die pro Einheitsfläche<br />
A abgestrahlte Leistung (Arbeit pro Zeit pro (Einheits-)Fläche):<br />
E<br />
=<br />
abgestrahlte Leistung P<br />
Fläche A
Elektromagnetische Schwingungen <strong>und</strong> Wellen – Überleitung zur <strong>Optik</strong> 157<br />
mit <strong>der</strong> Einheit<br />
[ ] 2<br />
W<br />
E = .<br />
m<br />
Unter dem Absorptionsvermögen A eines Körpers versteht man das<br />
Verhältnis <strong>der</strong> absorbierten zur auffallenden Strahlung:<br />
= vomObjekt absorbierteStrahlung<br />
A ,<br />
auf dasObjekt fallende Strahlung<br />
es ist also eine reine Zahl. Ein Körper mit dem Absorptionsvermögen A = 1<br />
absorbiert also die auftreffende Strahlung vollständig. Man spricht in diesem Fall<br />
von einem schwarzen Körper. Körper, die unser Auge als schwarz empfindet,<br />
absorbieren zwar die gesamte auftreffende elektromagnetische Strahlung im<br />
sichtbaren Bereich, aber nicht notwendigerweise auch in an<strong>der</strong>en<br />
Wellenlängenbereichen. Sie müssen also keine schwarzen Körper im oben<br />
definierten Sinne sein.<br />
Eine Entwicklung des Schweizer Unternehmens TFL reflektiert den Infrarot-Anteil <strong>der</strong> Sonnenstrahlen, <strong>der</strong><br />
damit von <strong>der</strong> Jacke nicht mehr absorbiert wird. Daher erscheint die mit dem spez Farbpigment behandelte<br />
Jacke links in <strong>der</strong> Infrarotaufnahme schwarz (kalt), die normale Jacke rechts dagegen körperwarm. Frage:<br />
Welche Farbe hätte die Motoradjacke, wenn sie auch im Bereich zwischen 420 <strong>und</strong> 720 nm Licht reflektiert<br />
würde? Quelle: TFL<br />
Ein Körper mit hohem Absorptionsvermögen besitzt auch ein großes<br />
Emissionsvermögen. Es gilt:<br />
Insbeson<strong>der</strong>e gilt für jeden Körper:<br />
Daraus folgt:<br />
E<br />
A<br />
E E<br />
A A<br />
= const.<br />
schwarz = =<br />
schwarz<br />
E<br />
E = A ⋅E<br />
.<br />
schwarz<br />
schwarz<br />
M.a.W.: Wer mehr absorbiert, strahlt auch mehr; folglich strahlt <strong>der</strong> schwarze<br />
Körper am meisten.<br />
Frage: Macht es Sinn, dass die Heizkörper in Ihrer Wohnung weiß gestrichen<br />
sind o<strong>der</strong> wäre eine an<strong>der</strong>e Farbe besser? (Schwarz wäre besser, da schwarz heißt, dass zumindest die gesamte sichtbare Strahlung absorbiert<br />
<strong>und</strong> damit zus. emittiert würde. Da wir allerdings vorwiegend den Infrarotanteil des EM-Spektrums als Wärme wahrnehmen, ist es letztlich nicht so relevant, welche Farbe ein Heizkörper hat. Klug wäre es jedoch,<br />
Farbpigmente beizumischen, die stark im infraroten Spektrum absorbieren.)<br />
A1.1 Leslie’scher Würfel
158 Experimentalphysik 2 für Biologen & Chemiker<br />
Aufgr<strong>und</strong> dieser Beziehung genügt es, sich bei <strong>der</strong> Untersuchung <strong>der</strong><br />
Temperaturstrahlung im Folgenden auf schwarze Körper zu beschränken.<br />
Am besten lässt sich ein schwarzer Körper durch<br />
einen Hohlraum realisieren, <strong>der</strong> die Temperatur T<br />
besitzt <strong>und</strong> in dessen einer Wand sich ein kleines<br />
Loch befindet. Alle von außen durch das Loch<br />
nach innen gelangende Strahlung wird an den<br />
Wänden vielfach reflektiert <strong>und</strong> schließlich<br />
absorbiert; damit ist A = 1.<br />
Die Strahlung, die den Hohlraum durch das Loch<br />
nach mehrfacher innerer Reflexion <strong>und</strong> Absorption<br />
verlässt <strong>und</strong> damit im thermischen Gleichgewicht<br />
mit den Wänden steht, ist damit die Strahlung<br />
eines schwarzen Körpers <strong>der</strong> Temperatur T.<br />
Hohlraumstrahler Quelle: Tipler, Abb.<br />
16.5, S. 550<br />
Aufgr<strong>und</strong> <strong>der</strong> geschil<strong>der</strong>ten Anordnung heißt sie auch Hohlraumstrahlung.<br />
Mit jeglicher Art elektromagnetischer Strahlung ist ein Energiestrom verb<strong>und</strong>en.<br />
Ein Empfänger empfängt von einem Strahler im Abstand r in <strong>der</strong> Zeit dt eine<br />
gewisse Strahlungsenergie dE. Diese Energie wird üblicherweise auf das<br />
Frequenzintervall dν bezogen.<br />
Wird die spektrale Strahlungsenergie, die in einem Hohlraum <strong>der</strong> Temperatur T<br />
herrscht,<br />
E<br />
ν<br />
dE<br />
= mit [Eν] = J/Hz = J·s<br />
dν<br />
im Raum, in <strong>der</strong> sich die Strahlung ausbreitet, auf das Volumenelement dV<br />
bezogen, entsteht die spektrale Energiedichte uν (bzw. uλ)<br />
u<br />
ν<br />
=<br />
2<br />
d E<br />
dν⋅dV mit [uν] = J/(Hz·m 3 ) = J·s/m 3 .<br />
Darunter versteht man also diejenige Energiedichte, die durch Strahlung des<br />
Hohlraumes in dem infinitesimalen Frequenzbereich ν <strong>und</strong> ν+dν (bzw. im<br />
Wellenlängenbereich λ <strong>und</strong> λ+dλ) zustande kommt.<br />
Die Fläche unter den Kurven u(λ,T)<br />
gegen λ, also die gesamte<br />
Energiedichte im Hohlraum, nimmt<br />
außerordentlich stark mit <strong>der</strong><br />
Temperatur zu.<br />
Das Stefan-Boltzmann-Gesetz gibt<br />
diese von einem schwarzen Körper<br />
abgestrahlte Leistung P in<br />
Abhängigkeit seiner Temperatur T<br />
wie<strong>der</strong>:<br />
P σ AT<br />
4<br />
= ⋅ ⋅ .<br />
Eine Verdopplung <strong>der</strong> Temperatur<br />
bewirkt also, dass die abgestrahlte<br />
Leistung um den Faktor 16 ansteigt!<br />
(P ist unabhängig von <strong>der</strong> Form des<br />
Körpers.)<br />
Die spektrale Energiedichte uλ eines schwarzen<br />
Körpers in Abhängigkeit von <strong>der</strong> Wellenlänge λ für<br />
drei versch. Temperaturen T. Die abgestrahlte<br />
Leistung P, die <strong>der</strong> Fläche unter einer Kurve<br />
entspricht, nimmt mit <strong>der</strong> 4. Potenz <strong>der</strong> Temperatur<br />
zu! Quelle: Staudt 2, Abb. 9.3, S. 277 <strong>und</strong> Wikipedia
Elektromagnetische Schwingungen <strong>und</strong> Wellen – Überleitung zur <strong>Optik</strong> 159<br />
Dabei ist σ die Stefan-Boltzmann-Konstante, eine Naturkonstante:<br />
σ = 5,6703⋅10 −8<br />
W<br />
m ⋅ K<br />
2 4<br />
(Josef Stefan (Entdeckung), slowenischer Mathematiker <strong>und</strong> <strong>Physik</strong>er, 1835-1893, <strong>und</strong> Ludwig Boltzmann<br />
(theor. Begründung), österreichischer <strong>Physik</strong>er <strong>und</strong> Philosoph, 1844-1906)<br />
Außerdem verschiebt sich das Maximum <strong>der</strong> spektralen Energiedichte mit<br />
zunehmen<strong>der</strong> Temperatur zu kleineren Wellenlängen λ. Diesen Sachverhalt<br />
beschreibt das Wien’sche Verschiebungsgesetz:<br />
λmax ⋅ T = const . ≈ 2880 µm⋅ K .<br />
(Wilhelm Wien, <strong>Physik</strong>-Nobelpreis 1911, 1865-1928)<br />
Frage: Beim Schmieden von Metallen können Sie Eisen auf Rotglut o<strong>der</strong> auf<br />
Weißglut bringen. Bei welcher Farbe hat das Eisen eine höhere Temperatur?<br />
Warum? (Rotglühendes Eisen hat nur den Rotanteil des sichtbaren Spektrums, ist also nach dem Wien’schen Verschiebungsgesetz kälter; weißes Eisen hat jedoch alle Anteile des sichtbaren Spektrums, also<br />
auch die kurzwelligen blauen Anteile, <strong>und</strong> ist damit wesentlich heißer.)<br />
Auf diesem Zusammenhang beruht eine wichtige Methode zur<br />
Temperaturmessung, die beispielsweise in <strong>der</strong> Astronomie häufig benutzt wird:<br />
Man bestimmt die Wellenlänge, bei <strong>der</strong> die Temperaturstrahlung eines Körpers<br />
am intensivsten ist.<br />
Beispiel: Die Sonne strahlt am stärksten bei λmax ≈ 550 nm (grün). Daraus<br />
schließt man auf eine Temperatur von etwa 5000 K.<br />
6.5 Röntgenstrahlung<br />
Versuch: In einer evakuierten Glasröhre befinden sich eine Anode <strong>und</strong> eine<br />
Glühkathode, die durch die Spannung UH geheizt wird. Zwischen Anode <strong>und</strong><br />
Kathode liegt eine Hochspannung von U ≈ 10 kV an, die die aus <strong>der</strong> Glühkathode<br />
austretenden Elektronen stark beschleunigt. Die Anode bremst die schnellen<br />
Elektronen beim Auftreffen in wenigen Atomabständen rapide ab, wobei ein<br />
Großteil <strong>der</strong>en kin. Energie in Wärme übergeht, ein geringer Anteil jedoch als<br />
Röntgenstrahlung (d.h. EM-Strahlung mit Wellenlängen im Sub-Nanometer-<br />
Bereich) abgestrahlt wird. Mit einem Zählrohr lässt sich diese an <strong>der</strong> Anode<br />
erzeugte Röntgenstrahlung nachweisen. Deshalb spricht man bei dieser<br />
Anordnung auch von einer Röntgenröhre.<br />
.<br />
A1.3 Farbtemperatur<br />
(Wien’sches<br />
Verschiebungsgesetz)<br />
(auch als Simulation)
160 Experimentalphysik 2 für Biologen & Chemiker<br />
Aufbau einer Röntgenröhre. Quelle: Staudt 2, Abb. 9.4, S.<br />
283<br />
Eine genauere Untersuchung <strong>der</strong> von <strong>der</strong><br />
Anode emittierten Röntgenstrahlung liefert<br />
die spektrale Zusammensetzung. Die<br />
ausgeprägten diskreten Intensitätsmaxima<br />
sind eine Folge <strong>der</strong> charakteristischen<br />
Röntgenstrahlung, die für jedes Material<br />
spezifisch ist <strong>und</strong> von Element zu Element<br />
variiert.<br />
Trifft ein Elektron hinreichend hoher Energie<br />
auf ein Atom des Anodenmaterials, so kann<br />
es durch Stoß ein Elektron aus einer <strong>der</strong><br />
inneren Schalen aus dem Atomverband<br />
herausschlagen. Dadurch entsteht in <strong>der</strong><br />
entsprechenden Schale eine Lücke, die<br />
durch ein Elektron aus einer höheren Schale<br />
unter Aussendung elektromagnetischer<br />
Strahlung wie<strong>der</strong> aufgefüllt wird. Diese<br />
Strahlung ist die charakteristische<br />
Röntgenstrahlung.<br />
Wurde beispielsweise ein Elektron aus <strong>der</strong><br />
K-Schale herausgeschlagen, so spricht man<br />
von Kα-, Kβ-,…-Strahlung, je nachdem, von<br />
welcher Schale die entstandene Lücke<br />
wie<strong>der</strong> aufgefüllt wird. Entsprechend entsteht<br />
Lα-, Lβ-,…-Strahlung etc.<br />
Bremststrahlungsspektrum (Intensität I<br />
gegen Wellenlänge λ) für eine<br />
Beschleunigungsspannung von etwa<br />
U ≈ 35 kV <strong>und</strong> charakteristisches<br />
Röntgenspektrum (Intensitätsmaxima = Kα-<br />
<strong>und</strong> Kβ-Peaks) für Molybdän. Quelle: Tipler,<br />
Abb. 35.8, S. 1203<br />
Die Absorption <strong>der</strong> Röntgenstrahlen wird vor allem durch die Anzahl <strong>der</strong><br />
Elektronen des Absorptionsmaterials bestimmt. Röntgenstrahlen werden also nur<br />
von Atomen absorbiert. Der Absorptionsprozess ist damit unabhängig von den<br />
chemischen Bindungen. Das Absorptionsvermögen <strong>der</strong> chem. Elemente nimmt<br />
dabei mit zunehmen<strong>der</strong> Ordnungszahl zu. Zur Abschirmung von Röntgenstrahlen<br />
wird z. B. meist Blei verwendet, da es Röntgenstrahlen gut absorbiert.
Elektromagnetische Schwingungen <strong>und</strong> Wellen – Überleitung zur <strong>Optik</strong> 161<br />
Viele Materialien (wie z.B. Bindegewebe)<br />
absorbieren kurzwellige Strahlung wie die<br />
Röntgenstrahlung nur in geringem Maße, d.h. sie<br />
sind für Röntgenstrahlen weitgehend durchsichtig =<br />
transparent. Die Transparenz nimmt dabei mit<br />
abnehmen<strong>der</strong> Wellenlänge zu. Aufgr<strong>und</strong> <strong>der</strong> hohen<br />
Energie kann <strong>der</strong> geringe Anteil <strong>der</strong> absorbierten<br />
Strahlung jedoch große Schäden erzeugen<br />
(Ionisation von Molekülen: Molekülzerfall; problem.<br />
bei Verän<strong>der</strong>ung von DNA-Basen, die zu einer<br />
Mutation führen).<br />
(Wilhelm Conrad Röntgen, deutscher <strong>Physik</strong>er, erster<br />
Nobelpreisträger 1901, 1845 – 1923)<br />
Röntgens erste mit Röntgenstrahlen gemachte Aufnahme von<br />
einem Menschen zeigt die Hand seiner Frau. Quelle: Tipler, S. 1202<br />
Das kontinuierliche Spektrum dagegen ist eine Folge <strong>der</strong><br />
Röntgenbremsstrahlung; Die kürzeste beobachtbare Wellenlänge ist dabei<br />
nicht vom Anodenmaterial abhängig, son<strong>der</strong>n allein von <strong>der</strong> angelegten<br />
Spannung U. Sie wird dann abgestrahlt, wenn das auf die Anode auftreffende<br />
Elektron seine gesamte kinetische Energie als elektromagnetische Strahlung<br />
abgibt:<br />
6.6 Radioaktivität<br />
E = e⋅U Spannungsquelle<br />
= E<br />
= h⋅ν<br />
Strahlung<br />
Grenz<br />
c<br />
= h ⋅<br />
λ<br />
Unter Radioaktivität o<strong>der</strong> radioaktivem Zerfall versteht man die spontane<br />
Umwandlung instabiler Atomkerne in stabile Elemente unter Energieabgabe.<br />
Einige im Universum gebildeten Elemente sind nicht langzeitstabil. Sie zerfallen<br />
im Laufe <strong>der</strong> Zeit unter Abgabe von zweifach positiv geladenen Helium-Ionen<br />
( 4 He 2+ , sog. alpha-Teilchen) <strong>und</strong>/o<strong>der</strong> von Elektronen (sog. beta-Teilchen) <strong>und</strong><br />
kurzwelliger elektromagnetischer Strahlung (sog. gamma-Teilchen). D.h. bei <strong>der</strong><br />
Kernumwandlung kann sich die Kernladungszahl (Ordnungszahl) än<strong>der</strong>n<br />
(Umwandlung in ein an<strong>der</strong>es chemisches Element), o<strong>der</strong> nur die Massenzahl<br />
(Umwandlung in ein an<strong>der</strong>es Isotop desselben Elements).<br />
a: Aufgr<strong>und</strong> ihrer Ladung <strong>und</strong> relativ großen Masse haben Alphateilchen<br />
nur eine sehr geringe Eindringtiefe (Reichweite) in kompakter Materie. Ein<br />
dickeres Blatt Papier o<strong>der</strong> einige Zentimeter Luft reichen im Allgemeinen<br />
schon aus, um Alphateilchen vollständig abzuschirmen. Alphastrahlen<br />
dringen aufgr<strong>und</strong> ihrer geringen Durchdringungsfähigkeit nur in die<br />
oberen (toten) Hautschichten, aber nicht tief in den Körper ein. Ein im<br />
Organismus durch Einatmen o<strong>der</strong> Aufnahme mit <strong>der</strong> Nahrung<br />
eingelagerter Alphastrahler ist dagegen sehr schädlich. Insbeson<strong>der</strong>e die<br />
Anreicherung eines mit Alphastrahlung zerfallenden Isotops in einem<br />
Organ führt zu einer hohen Belastung dieses Organs, da die Strahlung<br />
ihre schädigende Wirkung auf kleinem Raum ausübt (Strahlenkrankheit).<br />
Die Energie eines Alphateilchens liegt typischerweise in <strong>der</strong><br />
Größenordnung von 2 bis 5 MeV. Künstliche Alphateilchen können aber<br />
min<br />
.<br />
K1.4 Wilson-<br />
Nebelkammer<br />
(Sichtbarmachung<br />
radioaktiver Teilchen)
162 Experimentalphysik 2 für Biologen & Chemiker<br />
durchaus Energien von über 10 MeV besitzen. Eine technische<br />
Anwendung ist <strong>der</strong> Ionisationsrauchmel<strong>der</strong>, <strong>der</strong> auf <strong>der</strong> Abschwächung<br />
<strong>der</strong> Alphastrahlen durch Rauchpartikel beruht.<br />
b: Wenn ein ungünstiges Verhältnis von Neutronen zu Protonen besteht,<br />
tritt normalerweise Betazerfall ein. Bei <strong>der</strong> Umwandlung eines Neutrons in<br />
ein Proton wird ein hochenergetisches Elektron, das beta-Teilchen, frei.<br />
Dessen Ausbreitungs-Reichweite beträgt einige Zentimeter bis mehrere<br />
Meter. Wird <strong>der</strong> menschliche Körper Betastrahlen ausgesetzt, werden nur<br />
Hautschichten geschädigt. Dort kann es aber zu intensiven<br />
Verbrennungen <strong>und</strong> daraus resultierenden Spätfolgen wie Hautkrebs<br />
kommen. Sind die Augen exponiert, kann es zur Linsentrübung kommen.<br />
Therapeutisch wird dieser Effekt eingesetzt, um dicht unter <strong>der</strong><br />
Hautoberfläche liegende Krebsgeschwüre zu bestrahlen. Energien liegen<br />
im Bereich von 0,02 bis 1,71 MeV.<br />
g: Gammastrahlen, γ-Strahlen o<strong>der</strong> γ-Strahlung bezeichnet den Teil <strong>der</strong><br />
elektromagnetischen Strahlung, <strong>der</strong> eine sehr kurze Wellenlänge (unter<br />
0,5 nm) <strong>und</strong> hohe Durchdringungsfähigkeit von Materie hat. Die<br />
zugehörigen Energien <strong>der</strong> Photonen liegen ab 2,5 keV aufwärts. Die<br />
Photonen <strong>der</strong> Gammastrahlung werden auch Gammaquanten genannt.<br />
In <strong>der</strong> Reihenfolge α, β, γ nimmt also die Energie ab, die Reichweite dagegen zu.<br />
Becquerel ist die Einheit <strong>der</strong> radioaktiven Aktivität, wobei 1 Bq = 1 s -1 , also ein<br />
Zerfall eines instabilen Atoms pro Sek<strong>und</strong>e.<br />
(Antoine Henri Becquerel, <strong>Physik</strong>er <strong>und</strong> ist <strong>der</strong> Entdecker <strong>der</strong> Radioaktivität,<br />
Nobelpreis für <strong>Physik</strong> 1903, 1852-1908)<br />
Typische Aktivitätswerte<br />
• erwachsener Mensch: 3.000 Bq bis etwa 20.000 Bq<br />
• Kalium-40 ( 40 K) im menschlichen Körper: 5.000 Bq<br />
• 1 kg Kaffee: 1.000 Bq<br />
• Ionisationsrauchmel<strong>der</strong>: 30.000 Bq<br />
• 1 kg Uran: 10 MBq<br />
•<br />
222 Radon in Raumluft: Mittelwert 50 Bq/Kubikmeter<br />
Aktivitätswerte künstlich freigesetzter Radioaktivität<br />
• geschätzte Freisetzung von Radioaktivität beim Reaktorunfall<br />
von Tschernobyl (1986): 3,6 · 10 18 Bq<br />
Da <strong>der</strong> Kernzerfall konzentrationsunabhängig ist (d.h. nicht schneller o<strong>der</strong><br />
langsamer abläuft, wenn sich die Konzentration än<strong>der</strong>t), lässt sich über die<br />
Bestimmung <strong>der</strong> Radioaktivität das Alter eines Gegenstands bestimmen: das<br />
Maß für die Zeit, in <strong>der</strong> die Intensität <strong>der</strong> von dem radioaktiven Stoff<br />
ausgesandten ionisierenden Strahlung auf die Hälfte des Ausgangswertes<br />
absinkt, wird Halbwertszeit genannt. Jedes Radionuklid hat eine<br />
charakteristische, sozusagen "persönliche" Halbwertszeit. Für die verschiedenen<br />
Radionuklide reichen die jeweiligen Halbwertszeiten von Sek<strong>und</strong>enbruchteilen<br />
bis zu mehreren Milliarden Jahren.<br />
6.6.1 Strahlenbelastung <strong>und</strong> biologische Wirkung<br />
Die Strahlenbelastung für Lebewesen wird als effektive Dosis mit <strong>der</strong> Einheit<br />
Sievert gemessen (Rolf Sievert, schwedischen Mediziner <strong>und</strong> <strong>Physik</strong>er, 1896-<br />
1966). Sie ist die an eine bestimmte Masse übertragene Energie (Energiedosis).
Elektromagnetische Schwingungen <strong>und</strong> Wellen – Überleitung zur <strong>Optik</strong> 163<br />
Dabei wird die unterschiedliche Schädlichkeit von α-,β- <strong>und</strong> γ-Strahlen sowie die<br />
unterschiedliche Empfindlichkeit einzelner Gewebe berücksichtigt.<br />
Alle Formen <strong>der</strong> Radioaktivität können für Lebewesen ges<strong>und</strong>heitsschädlich sein.<br />
Die Kurzzeitfolge einer zu hohen Dosis Radioaktivität wird Strahlenkrankheit<br />
genannt. Sie äußert sich durch ein geschwächtes Immunsystem <strong>und</strong><br />
Verbrennungen. Die Strahlenkrankheit tritt etwa ab einer kurzfristigen Belastung<br />
von 0,25 Sv auf. 4 Sv sind in <strong>der</strong> Regel tödlich. Die Langzeitfolgen <strong>der</strong><br />
Radioaktivität sind Mutationen am Erbgut <strong>und</strong> Krebs.<br />
Bakterien können sehr viel stärkere Radioaktivität als Menschen ertragen,<br />
Rekordhalter ist Deinococcus radiodurans, <strong>der</strong> sogar im Kühlwasser von<br />
Kernreaktoren leben kann.<br />
Alles klar? Dann nix wie ab zum nächsten<br />
Forschungswettbewerb!