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Elektrodynamik und Optik - Fachbereich Physik der Universität ...

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Skript zur Vorlesung<br />

‚Experimentalphysik 2 für Biologen <strong>und</strong> Chemiker’<br />

<strong>Elektrodynamik</strong> <strong>und</strong> <strong>Optik</strong><br />

(Version SoSe 2007)<br />

Axel Blau<br />

TU Kaiserslautern<br />

FB <strong>Physik</strong>


2 Experimentalphysik 2 für Biologen & Chemiker<br />

Vorbemerkung<br />

Dieses Skript ist als Vorlage für eigene Notizen zu verstehen. In diesem Sinne<br />

darf es nicht als Buch- o<strong>der</strong> gar Vorlesungsersatz missverstanden werden; es<br />

soll lediglich das Folgen <strong>der</strong> Vorlesung erleichtern <strong>und</strong> insbeson<strong>der</strong>e den<br />

(zugegebenermaßen nicht leicht leserlichen) Tafelanschrieb ergänzen.<br />

Außerdem ist dieses Skript „im Werden“ begriffen, d.h. es wird im Laufe des<br />

Semesters Än<strong>der</strong>ungen unterworfen sein <strong>und</strong> an <strong>der</strong> ein o<strong>der</strong> an<strong>der</strong>en Stelle<br />

noch Fehler aufweisen. Sie können sich an dem Verbesserungsprozess aktiv<br />

beteiligen! Ihre Korrektur- <strong>und</strong> Ergänzungsvorschläge sind sehr willkommen!<br />

Richten Sie sie einfach per E-Mail an blau@physik.uni-kl.de. Gegen<br />

Semesterende werden Sie dann Gelegenheit haben, die aktualisierte<br />

Gesamtversion zu kopieren.


<strong>Elektrodynamik</strong> 3<br />

Inhalt<br />

5 <strong>Elektrodynamik</strong> 7<br />

5.1 Elektrostatik 7<br />

5.1.1 Elektrische Ladungen <strong>und</strong> Coulombgesetz 7<br />

5.1.2 Elektrisches Feld 12<br />

5.1.3 Elektrischer (Kraft-)Fluss 14<br />

5.1.4 Gauß’scher Satz 16<br />

5.1.5 Elektrostatisches Potenzial <strong>und</strong> elektrische Spannung 17<br />

5.1.6 Erzeugung von hohen Spannungen durch Ladungstransport im van de Graaff Generator 20<br />

5.1.7 Erzeugung von hohen Spannungen im Tierreich 21<br />

5.1.8 Influenz in Leitern im elektrischen Feld 21<br />

5.1.9 Kondensatoren <strong>und</strong> Kapazität 22<br />

5.1.9.1 Parallelschaltung von Kondensatoren 25<br />

5.1.9.2 Hintereinan<strong>der</strong>schaltung (= Serienschaltung) von Kondensatoren 26<br />

5.1.9.3 Dielektrika 27<br />

5.1.10 Elektrischer Dipol, Polarisation <strong>und</strong> Suszeptibilität 28<br />

5.1.10.1 An<strong>der</strong>e Möglichkeiten <strong>der</strong> Ladungstrennung: Piezo- <strong>und</strong> pyroelektrischer Effekt 34<br />

5.2 Ströme 36<br />

5.2.1 Mikroskopisches Modell des Stromflusses 37<br />

5.2.2 Wi<strong>der</strong>stand <strong>und</strong> Ohm’sches Gesetz 38<br />

5.2.3 Strom-Spannungs-Kennlinien 39<br />

5.2.4 Supraleiter 40<br />

5.2.5 Variable Wi<strong>der</strong>stände: Potentiometer 41<br />

5.2.6 Mikroskopische Betrachtung von Leitungsvorgängen 42<br />

5.2.7 Halbleiter 43<br />

5.2.8 Elektrische Leitung in Flüssigkeiten 44<br />

5.2.9 Elektrische Leitung in Gasen 45<br />

5.2.10 Elektrische Leistung <strong>und</strong> Joule’sche Wärme 47<br />

5.2.11 Ströme in verzeigten Stromkreisen – Kirchhoff’sche Regeln <strong>und</strong> Berechnung des<br />

Gesamtwi<strong>der</strong>stands 47<br />

5.2.11.1 Erste Kirchhoff’sche Regel: Knotenregel 47<br />

5.2.11.2 Zweite Kirchhoff’sche Regel: Maschenregel 48<br />

5.2.11.3 Gesamtwi<strong>der</strong>stand bei Reihenschaltung (= Serienschaltung) von Wi<strong>der</strong>ständen49<br />

5.2.11.4 Gesamtwi<strong>der</strong>stand bei Parallelschaltung von Wi<strong>der</strong>ständen 49<br />

5.2.11.5 Wheatston’sche Brückenschaltung zur Messung von unbekannten Wi<strong>der</strong>ständen50<br />

5.2.12 Chemische Strom- <strong>und</strong> Spannungsquellen 51<br />

5.2.12.1 Biologische Spannungserzeugung 51<br />

5.2.12.2 Elektrochemische Zellen 51<br />

5.2.12.3 Batterien <strong>und</strong> Brennstoffzellen 52<br />

5.2.12.4 Klemmspannung <strong>und</strong> Innenwi<strong>der</strong>stand einer Spannungsquelle 54<br />

5.2.12.5 Strom- <strong>und</strong> Spannungsmessung 54<br />

5.3 Magnetostatik 55<br />

5.3.1 Die Ursachen des magnetischen Feldes sind bewegte Ladungen 57<br />

5.3.2 Das Biot-Savart’sche Gesetz beschreibt das Magnetfeld um einen stromdurchflossenen<br />

Leiter 58<br />

5.3.3 Das Ampère’sches Durchflutungsgesetz ist das magnetische Analogon zum Gauß’schen<br />

Satz in <strong>der</strong> Elektrostatik 59<br />

5.3.4 Das Magnetfeld im Zentrum einer Leiterschleife ist direkt proportional zum Strom <strong>und</strong><br />

umgekehrt proportional zum Radius <strong>der</strong> Schleife 59<br />

5.3.5 Das Magnetfeld im Inneren einer Spule ist homogen: die magnetischen Feldlinien verlaufen<br />

dort parallel 60<br />

5.3.6 Arten von Magnetfel<strong>der</strong>n 60<br />

5.3.7 Kraftwirkung eines Magnetfeldes auf eine bewegte Ladung 61<br />

5.3.8 Bewegung einer Punktladung im Magnetfeld 62<br />

5.3.9 Massenspektrometer 63<br />

5.3.10 Wien’sches Geschwindigkeitsfilter 64<br />

5.3.11 Hall-Effekt 64


4 Experimentalphysik 2 für Biologen & Chemiker<br />

5.3.12 Drehmoment auf Leiterschleifen <strong>und</strong> Magnete: Elektromotor 67<br />

5.3.13 Die Einheit <strong>der</strong> Stromstärke, das Ampere, ist über die Kraftwirkung zweier paralleler gera<strong>der</strong><br />

Leiter definiert 68<br />

5.3.14 Magnetischer Fluss 69<br />

5.3.15 Maxwell-Gleichungen für zeitlich konstante Fel<strong>der</strong> 69<br />

5.4 Magnetodynamik 71<br />

5.4.1 Magnetische Induktion 71<br />

5.4.2 Induktionsspannung <strong>und</strong> Faraday’sches Gesetz 72<br />

5.5 Magnetismus in Materie 75<br />

5.5.1 Materie im Magnetfeld 75<br />

5.5.2 Magentisches Dipolmoment eines Elektrons: das Bohr’sche Magneton 75<br />

5.5.3 Magnetisierung 77<br />

5.5.4 Magnetische Suszeptibilität 77<br />

5.5.5 Diamagnetismus 78<br />

5.5.6 Paramagnetismus 78<br />

5.5.7 Ferromagnetismus 79<br />

5.6 Wechselstrom <strong>und</strong> Drehstrom 81<br />

5.6.1 Erzeugung von Wechselstrom durch eine sich drehende Spule im Magnetfeld 81<br />

5.6.2 Ein Drehstrom hat eine höhere Leistungsdichte 84<br />

5.6.3 Transformatoren wandeln Wechselspannungen ohne Leistungsverlust von einer<br />

Eingangsspannung in eine (an<strong>der</strong>e) Ausgangsspannung 85<br />

5.7 Elektrische Bauelemente in Gleich- <strong>und</strong> Wechselstromkreisen 87<br />

5.7.1 Ein- <strong>und</strong> Abschaltvorgänge in Gleichstromkreisen 87<br />

5.7.1.1 Wi<strong>der</strong>stand beim An- <strong>und</strong> Abschalten einer Gleichspannungsquelle 87<br />

5.7.1.2 Kondensator beim An- <strong>und</strong> Abschalten einer Gleichspannungsquelle 88<br />

5.7.1.3 Spule beim An- <strong>und</strong> Abschalten einer Gleichspannungsquelle 88<br />

5.7.2 Gleichstromwi<strong>der</strong>stände versch. Bauelemente in Gleichstromkreisen 89<br />

5.7.2.1 Ohm’scher Wi<strong>der</strong>stand bei Gleichstrom 89<br />

5.7.2.2 Wi<strong>der</strong>stand eines Kondensators bei Gleichstrom 89<br />

5.7.2.3 Wi<strong>der</strong>stand einer Spule bei Gleichstrom 89<br />

5.7.3 Wechselstromwi<strong>der</strong>stände = Impedanzen versch. Bauelemente in Wechselstromkreisen 89<br />

5.7.3.1 Ohm’scher Wechselstromwi<strong>der</strong>stand 89<br />

5.7.3.2 Wechselstromwi<strong>der</strong>stand eines Kondensators 90<br />

5.7.3.3 Wechselstromwi<strong>der</strong>stand einer Spule 91<br />

5.7.4 Verschaltung von Wechselstromwi<strong>der</strong>ständen 91<br />

5.8 Halbleiterbauelemente: Dioden (<strong>und</strong> Transistoren) 93<br />

5.9 Thermische Effekte in Leitern 94<br />

5.9.1 Erzeugung einer Thermospannung als Folge des Seebeck-Effektes 94<br />

5.9.2 Der Peltier-Effekt ist die Umkehrung <strong>der</strong> thermoelektrischen Spannungserzeugung 96<br />

6 Elektromagnetische Schwingungen <strong>und</strong> Wellen – Überleitung zur<br />

<strong>Optik</strong> 97<br />

6.1 Elektromagnetische Schwingungen <strong>und</strong> Wellen 97<br />

6.1.1 Harmonische Schwingung in einem geschlossenen LC-Schwingkreis 97<br />

6.1.2 Gedämpfte harmonische Schwingung in einem LCR-Kreis 100<br />

6.1.3 Erzwungene gedämpfte harmonische Schwingung in einem LCR-Kreis 100<br />

6.1.4 Vergleich zwischen mechanischen <strong>und</strong> elektromagnetischen Größen 101<br />

6.1.5 Gekoppelte Schwingkreise verhalten sich wie gekoppelte mechanische Pendel 101<br />

6.1.6 Abstrahlung transversaler elektromagnetischer Wellen von einem offenen Schwingkreis:<br />

Hertz’scher Dipol 102<br />

6.1.7 Stehende elektromagnetische Wellen bilden sich im Dipol aus, wenn dessen Länge ein<br />

Vielfaches <strong>der</strong> halben Wellenlänge <strong>der</strong> EM-Welle beträgt. 104<br />

6.1.8 Ablösen <strong>der</strong> elektromagnetischen Wellen vom Dipol 105<br />

6.1.9 Kategorisierung elektromagnetischer Wellen nach ihrer Frequenz bzw. Wellenlänge 108<br />

6.1.10 Durchdringungsvermögen <strong>und</strong> Absorption von elektromagnetischen Wellen 113<br />

6.1.11 Reflexion <strong>und</strong> Interferenz elektromagnetischer Wellen 114<br />

6.1.12 Brechung von elektromagnetischen Wellen 115<br />

6.1.13 Prisma 116<br />

6.1.14 (Innere) Totalreflexion 116


<strong>Elektrodynamik</strong> 5<br />

6.1.15 Polarisation elektromagnetischer Wellen 118<br />

6.1.15.1 Polarisation durch Reflexion – Brewster’sches Gesetz 121<br />

6.1.15.2 Polarisation durch Absorption 121<br />

6.1.15.3 Polarisation durch Streuung 122<br />

6.1.16 Optische Aktivität 124<br />

6.1.17 Dispersion 124<br />

6.1.18 Beschreibung des Wellencharakters von Licht 125<br />

6.1.19 Interferenz zeitlich <strong>und</strong> räumlich kohärenter elektromagnetischer Wellen 125<br />

6.1.20 Interferenz an dünnen Schichten 127<br />

6.1.21 Beugung 130<br />

6.1.22 Beugung <strong>und</strong> Interferenz an Mehrfachspalten 132<br />

6.1.23 Dispersion an Beugungsgittern 133<br />

6.1.24 Interferenz bei Reflexion (am Beispiel einer CD bzw. DVD) 133<br />

6.1.25 Streuung ist u.a. verantwortlich für das Himmelsblau <strong>und</strong> Abendrot 134<br />

6.2 Geometrische <strong>Optik</strong> mit Lichtstrahlen 136<br />

6.2.1 Das Licht als Teilchen (Photon) 136<br />

6.2.2 Schatten 137<br />

6.2.3 Optische Abbildung durch Reflexion: Spiegel 137<br />

6.2.3.1 Planspiegel 138<br />

6.2.3.2 Hohlspiegel 139<br />

6.2.4 Optische Abbildung durch Brechung: Linsen 140<br />

6.2.4.1 Brechung an einer gekrümmten Fläche 140<br />

6.2.4.2 Dünne Linsen 141<br />

6.2.4.3 Zusammenfassung <strong>der</strong> Eigenschaften von Linsen 145<br />

6.2.5 Linsenfehler 146<br />

6.2.5.1 Sphärische Aberration 146<br />

6.2.5.2 Chromatische Aberration 147<br />

6.2.5.3 Koma 147<br />

6.2.5.4 Astigmatismus (Punktlosigkeit) 147<br />

6.2.6 Linsenfehler beim Auge 148<br />

6.2.6.1 Kurzsichtigkeit 148<br />

6.2.6.2 Weitsichtigkeit 149<br />

6.2.6.3 Astigmatismus durch Hornhautverkrümmung (Stabsichtigkeit) 149<br />

6.2.6.4 Vergrößerung in Abhängigkeit vom Sehwinkel 149<br />

6.2.7 Lupe 150<br />

6.3 Linsensysteme 150<br />

6.3.1 Mikroskop 150<br />

6.3.1.1 Auflösungsvermögen des Mikroskops 151<br />

6.3.2 Fernrohre (Teleskope) 152<br />

6.4 Temperaturstrahlung 154<br />

6.5 Röntgenstrahlung 157<br />

6.6 Radioaktivität 159<br />

6.6.1 Strahlenbelastung <strong>und</strong> biologische Wirkung 160


6 Experimentalphysik 2 für Biologen & Chemiker<br />

Organisatorisches<br />

• Übungsgruppenverteilung: Bitte melden Sie sich auf <strong>der</strong> Internetseite<br />

http://www.physik.uni-kl.de/BiologenChemiker/ für eine Übungsgruppe an.<br />

Sollten Sie Ihre Gruppe im Laufe des Semesters wechseln wollen, dann<br />

melden Sie sich bitte um, damit Ihr Platz in <strong>der</strong> alten Übungsgruppe Ihren<br />

Kommilitonen zur Verfügung steht. Sollten Sie sich entscheiden, nicht<br />

mehr an den Übungen teilzunehmen, dann wären wir Ihnen dankbar, sich<br />

von den Übungen abzumelden (Wahl von Gruppe 0). Das gestattet das<br />

Nachrücken Ihrer noch nicht untergekommenen Kommilitonen.<br />

• Informieren Sie sich auf <strong>der</strong> o.g. Internetseite auch rechtzeitig zu den<br />

Klausur- <strong>und</strong> Praktikumsterminen, insbeson<strong>der</strong>e zu den Anmeldefristen!<br />

Beachten Sie, dass sich alle Chemiker, Lebensmittelchemiker <strong>und</strong><br />

Wirtschaftsingenieure IMMER auch ZUSÄTZLICH auf <strong>der</strong> Internetseite<br />

des <strong>Fachbereich</strong>s Chemie innerhalb strenger Fristen anmelden müssen:<br />

https://chempruef.chemie.unikl.de/Pruefungen/Anmeldung/pruefanmeld.php<br />

• Die Vorlesung <strong>und</strong> die Übungsst<strong>und</strong>en am Dienstag, den 1. Mai. fallen<br />

aus (Feiertag). Die Pfingstwoche zwischen dem 28.05. – 01.06. ist<br />

ebenfalls vorlesungs- <strong>und</strong> übungsfrei. Übungen, die auf sonstige<br />

Feiertage fallen, werden nachgeholt. Ihr Übungsbetreuer wird dazu einen<br />

Termin mit Ihnen vereinbaren.<br />

• Wie im letzten Semester haben Sie Gelegenheit, durch eigenständiges<br />

Lösen <strong>und</strong> Vorrechnen von Übungsaufgaben Bonuspunkte zu sammeln,<br />

mit denen Sie Ihr Klausurergebnis aufwerten können. Nehmen Sie also<br />

die Gelegenheit wahr, sich in den Übungen zu engagieren. Versuchen Sie<br />

dabei, Ihren Kommilitonen die Lösungen so darzustellen, wie Sie sie<br />

selbst ebenfalls am leichtesten verstehen würden. Sie werden feststellen,<br />

dass Sie sich damit (als „Nebeneffekt“) automatisch bestens auf Klausur<br />

<strong>und</strong> Praktikum vorbereiten.<br />

• Wie immer können <strong>und</strong> sollten Sie während <strong>der</strong> Vorlesung <strong>und</strong><br />

insbeson<strong>der</strong>e in den Übungen Fragen stellen, falls Konzepte unklar<br />

geblieben sind. Seien Sie daran erinnert, dass es keine dummen Fragen<br />

gibt, lediglich dumme Antworten.<br />

• In diesem Semester werden wir alles besprechen, was mit Ladungen zu<br />

tun hat (<strong>und</strong> <strong>Optik</strong>). Sie werden sehen, dass trotz vieler neuer Konzepte<br />

sich einige davon denen in <strong>der</strong> Mechanik ähneln <strong>und</strong> hin <strong>und</strong> wie<strong>der</strong><br />

sogar direkte Vergleiche angestellt werden können (z.B. Coulomb- vs.<br />

Gravitationskraft)<br />

Allgemeine Bemerkung zu diesem Skript<br />

Zur Erinnerung – fett gedruckte Variablen deuten den Vektorcharakter dieser<br />

Variablen an.


<strong>Elektrodynamik</strong> 7<br />

V01 Coulombkraft<br />

5 <strong>Elektrodynamik</strong><br />

Die <strong>Elektrodynamik</strong> (o<strong>der</strong> auch Elektromagnetismus genannt) ist <strong>der</strong><br />

Oberbegriff, <strong>der</strong> alle elektrischen <strong>und</strong> magnetischen Phänomene<br />

zusammenfasst. Selbst das Licht <strong>und</strong> optische Phänomene lassen sich darüber<br />

beschreiben. Diese Phänomene werden Gegenstand dieser zweiten Vorlesung<br />

sein.<br />

Außer <strong>der</strong> Gravitation haben alle Kräfte, denen wir im Alltag begegnen,<br />

einen einzigen Ursprung: den Elektromagnetismus.<br />

Elektromagnetische Kräfte<br />

• sind verantwortlich für die gesamte Strukturbildung <strong>der</strong> Materie im<br />

Größenbereich von einigen Nanometern (Atome, Moleküle) bis zu<br />

einigen Metern (Mensch, direkte Umgebung des Menschen).<br />

• bestimmen die meisten physikalischen, sämtliche chemischen <strong>und</strong> den<br />

größten Teil <strong>der</strong> biologischen Erscheinungen.<br />

5.1 Elektrostatik<br />

Elektrostatik: Lehre von Phänomenen, die durch ruhende elektrische Ladungen<br />

verursacht werden:<br />

Einzelladung q (positiv o<strong>der</strong> negativ),<br />

Q = n· q (Gesamt-)Ladungsmenge Q aus n Einzelladungen q (mit n ∈Ν),<br />

elektrisches Feld E,<br />

elektrisches Potenzial ϕ (phi),<br />

elektrostatische Energie Eel, stat..<br />

5.1.1 Elektrische Ladungen <strong>und</strong> Coulombgesetz<br />

Der Begriff Elektrizität stammt von ‚elektron’, dem griechischen Wort für<br />

Bernstein, <strong>der</strong> nach Reibung Fe<strong>der</strong>n <strong>und</strong> Stroh anzieht.<br />

Beobachtung:<br />

Werden Kunststoffstäbe (o<strong>der</strong> Bernstein o<strong>der</strong> Luftballons) mit einem Katzenfell<br />

gerieben, so<br />

• zieht <strong>der</strong> Stab/Bernstein/Luftballon Papierschnipsel an<br />

• stoßen sich zwei geriebene Kunststoffstäbe ab.<br />

Diese Erscheinung wird Reibungselektrizität genannt.<br />

Ex.x Styroporschnipsel<br />

bleiben am<br />

Kunststoffhandschuh<br />

hängen.<br />

Ex.x Wolle o<strong>der</strong><br />

Katzenfell lädt<br />

Kunststoffstab durch<br />

Reibung auf. Glasstab<br />

<strong>und</strong> Seide führen zu<br />

entgegengesetzter<br />

Ladung.<br />

PVC <strong>und</strong> Samt o<strong>der</strong> Glas<br />

<strong>und</strong> Seide ergeben eine<br />

entgegengesetzte<br />

Ladung im Vergleich zu<br />

Plexiglas <strong>und</strong> Katzenfell.<br />

E1.13 Person im E-Feld<br />

(Cartoons, „man ist wie<br />

elektrisiert“)<br />

E1.1 Kräfte zwischen<br />

Ladungen (Elektrometer<br />

= Elektroskop)


Berührung des<br />

Elektrometers mit einem<br />

trockenen Holzstab:<br />

keine Än<strong>der</strong>ung bzw.<br />

einem nassen Holzstab:<br />

Entladung<br />

8 Experimentalphysik 2 für Biologen & Chemiker<br />

Interpretation des Versuches:<br />

• Es werden zwei verschiedene Arten von Ladungen postuliert:<br />

positive ( + , ⊕ ) (z.B. Positronen, Protonen,<br />

Kationen)<br />

negative ( - , Θ ) (z.B. Elektronen, Anionen)<br />

Die elektrische Ladung ist wie die Masse eine f<strong>und</strong>amentale<br />

Eigenschaft <strong>der</strong> Materie. Bis heute lässt sich die Frage nach <strong>der</strong><br />

eigentlichen Natur <strong>der</strong> elektrischen Ladung nicht beantworten (das<br />

gleiche gilt auch für die Masse). Ladungen q sind immer in (nicht weiter<br />

teilbaren) Portionen <strong>der</strong> Größe ±e quantisiert, wobei<br />

e = 1,60·10 -19 C (Coulomb) (Charles Coulomb, 1736-1806)<br />

Das Coulomb ist keine SI-Einheit. (Sie wird über eine an<strong>der</strong>e SI-Einheit,<br />

das Ampère, die Einheit <strong>der</strong> Stromstärke, eine <strong>der</strong> 7 Basisgrößen (m,<br />

kg, s, A, K, mol, cd) des SI-Systems, definiert; es gilt:<br />

1 C = 1 A·s;<br />

(später genauere Definition dazu).<br />

• Durch Austausch von Elektronen zwischen zwei Gegenständen wird <strong>der</strong><br />

eine Gegenstand positiv <strong>und</strong> <strong>der</strong> an<strong>der</strong>e in gleichem Maße negativ<br />

geladen. Es kommt also nicht zu einer Ladungserzeugung, son<strong>der</strong>n<br />

lediglich zu einem Ladungsaustausch: die elektrische Gesamtladung<br />

bleibt in einem abgeschlossenen 1 System erhalten, d.h. Ladungen<br />

können we<strong>der</strong> erzeugt noch vernichtet, wohl aber getrennt werden.<br />

• Eine gleiche Anzahl an positiven <strong>und</strong> negativen Ladungen neutralisiert<br />

sich.<br />

• Es gibt Materialien, auf o<strong>der</strong> in denen sich Ladungen frei bewegen <strong>und</strong><br />

ausbreiten können, sog. elektrische Leiter, (z.B. Metalle, wässrige<br />

(salzhaltige) Lösungen, heiße Gase, ...) <strong>und</strong> Materialien, auf denen<br />

Ladungen am Ort <strong>der</strong> Erzeugung sitzen bleiben (d.h. an einzelne Atome<br />

o<strong>der</strong> <strong>der</strong>en nähere Umgebung geb<strong>und</strong>en sind), d.h. elektrisch nichtleitende<br />

Materialien, sog. Isolatoren (Kunststoffe, Glas, Porzellan (siehe<br />

Überlandleitungen), trockenes Holz, Luft, ...).<br />

• Sind Ladungen getrennt, so stoßen sich gleichnamige Ladungen<br />

(gleiches Vorzeichen) ab, wogegen sich ungleichnamige<br />

(entgegengesetztes Vorzeichen) anziehen. (Es gilt also nicht: „gleich zu<br />

gleich gesellt sich gern“, son<strong>der</strong>n „Unterschiede ziehen sich an“.)<br />

Offenbar wirkt zwischen den Ladungsträgern (Stab bzw. Luftballon <strong>und</strong><br />

Papierschnipsel) eine (anziehende bzw. abstoßende) Kraft:<br />

1 „abgeschlossen“ heißt: we<strong>der</strong> Energieaustausch noch Materieaustausch mit <strong>der</strong> Umgebung<br />

außerhalb des Systems; „geschlossen“ heißt: Energieaustausch mit <strong>der</strong> Umgebung ist erlaubt,<br />

Materieaustausch dagegen nicht.


<strong>Elektrodynamik</strong> 9<br />

Ladung 1 Ladung 2<br />

¯ → ← Θ<br />

F1 = -F2<br />

← ¯ ¯ →<br />

-F1 = F2<br />

← Θ Θ →<br />

3. Newton’sches Axiom: actio = reactio<br />

Beachten Sie: Kräfte sind vektorielle Größen. Wie erklären Sie sich also<br />

die Vorzeichen?<br />

• Ladungstrennung (in einem elektrischen Leiter) durch elektrostatische<br />

Influenz: Werden Ladungen (z.B. mittels eines geladenen<br />

Kunststoffstabes) in die Nähe eines elektrischen Leiters gebracht (ohne<br />

diesen zu berühren), dann verschieben/verteilen sich die Ladungen des<br />

Leiters in dem Leiter so, dass sich zur äußeren Ladung ungleichnamige<br />

Ladungen auf die äußere Ladung zubewegen, gleichnamige Ladungen<br />

dagegen von ihr wegbewegen.<br />

• Die Erde kann als unendlich großer Leiter angesehen werden, <strong>der</strong><br />

negative Ladungen, d.h. Elektronen, zur Verfügung stellt.<br />

Influenz von Ladungen (links) <strong>und</strong> die Erde als Lieferant neg. Ladungen (rechts). Quelle:<br />

Staudt 2, Abb. 6.3, S.13<br />

Von welchen Größen hängt die zwischen den Ladungen wirkende Kraft<br />

ab?<br />

Influenzversuch: 1.<br />

Ladungsverschiebung in<br />

zwei sich berührenden,<br />

jeweils an Elektroskope<br />

angeschlossenen Kugeln<br />

mit einem geladenen<br />

Plastikstab, 2. Trennen<br />

<strong>der</strong> Kugeln, 3A. Erdung<br />

<strong>der</strong> Kugeln:<br />

Elektroskopausschlag<br />

verschwindet nur bei<br />

einer Kugel; 3B<br />

Zusammenführen <strong>der</strong><br />

Kugeln:<br />

Elektroskopausschlag<br />

verschwindet in beiden<br />

Kugeln.<br />

E1.4 Coulomb’sches<br />

Gesetz: Torsionswaage<br />

(vgl. Cavendish<br />

Experiment zur<br />

Bestimmung <strong>der</strong><br />

Gravitation!)


10 Experimentalphysik 2 für Biologen & Chemiker<br />

Coulomb’sche Torsionswaage zur Kraftmessung zwischen Ladungen: Die Kraft zwischen<br />

den beiden gleichnamigen <strong>und</strong> damit sich gegenseitig abstoßenden Ladungen bewirkt ein<br />

Drehmoment M = L x F, |M| = L·F·sinα, das den Stab so weit dreht, bis das rücktreibende<br />

Drehmoment des verdrillten Fadens (dessen Torsionskonstante D bekannt ist; siehe P1 V14<br />

o<strong>der</strong> Tipler Kap. 12.5 S. 399: M = -D·α) gleich –M wird. Wird <strong>der</strong> Verdrillungswinkel α für<br />

verschiedene Abstände r12 <strong>der</strong> beiden Ladungen gemessen, ergibt sich eine umgekehrte<br />

Proportionalität zwischen F <strong>und</strong> r 2 . Wird bei festem Abstand r12 die Ladungsmenge variiert,<br />

so kann die direkte Proportionalität <strong>der</strong> Kraft zu den Ladungsmengen nachgewiesen<br />

werden. (Vgl.auch Cavendish-Experiment!) Quelle: Demtrö<strong>der</strong> 2 Abb. 1.3 S.2<br />

Beobachtung: Die Kraft zwischen den Ladungen Q1 <strong>und</strong> Q2 ist<br />

mit<br />

1. direkt proportional zum Produkt <strong>der</strong> beiden Ladungen <strong>und</strong><br />

2. umgekehrt proportional zum Quadrat des Abstands r12 zwischen den<br />

beiden Ladungen.<br />

ε<br />

1 Q ⋅Q<br />

F = F = ⋅ ⋅r<br />

ˆ Coulomb’sches Kraftgesetz<br />

1 2<br />

12 C( oulomb)<br />

4⋅π<br />

⋅ε0<br />

2<br />

r12<br />

12<br />

N A ⋅s<br />

= 8.854·10 ( )<br />

V kg⋅m 2 4<br />

0<br />

-12<br />

2 entspricht<br />

3<br />

als Influenzkonstante o<strong>der</strong> elektrische Feldkonstante<br />

(in SI-Einheiten); r12: Abstand <strong>der</strong> Ladungsschwerpunkte zueinan<strong>der</strong>; r ˆ12 :<br />

Einheitsvektor, <strong>der</strong> die Richtung <strong>der</strong><br />

Elementarladung, Qi = n·qi: Gesamtladung.<br />

resultierenden Kraft angibt. qi:<br />

Woran erinnert Sie die Coulomb-Kraft? Vergleichen Sie diesen Ausdruck für die<br />

Coulomb-Kraft mit dem Ausdruck für die Gravitationskraft FG!<br />

m1⋅m2 F ̂<br />

G = F12 = G⋅<br />

⋅r<br />

12 Gravitationskraft <strong>der</strong> Masse m1 auf die Masse m2.<br />

2<br />

r<br />

(Die Ladung q in <strong>der</strong> Elektrostatik entspricht also gewissermaßen <strong>der</strong> Masse m in<br />

<strong>der</strong> Mechanostatik.)<br />

Weitere wichtige Eigenschaften von Ladungen:<br />

• Ladungen sind immer an Masseteilchen geb<strong>und</strong>en. Wichtigste Träger<br />

von Ladungen sind Elektronen (neg.), Protonen (pos.) <strong>und</strong> Ionen, d.h.<br />

Atome o<strong>der</strong> Moleküle mit Elektronenüberschuss (negativ, Anionen) o<strong>der</strong><br />

Elektronenmangel (positiv, Kationen). (Außerdem gibt es noch geladene<br />

Elementarteilchen, die kurzlebig sind.)<br />

2 Das Volt ‚V’ ist die Einheit für die elektrische Spannung. Sie wird in V03 besprochen.<br />

2


<strong>Elektrodynamik</strong> 11<br />

• Die Ladung q + = +e des Protons (Positronen) <strong>und</strong> q - = –e des Elektrons<br />

sind gleich groß <strong>und</strong> die kleinste bisher beobachtbare Ladungsmenge,<br />

die „frei“ vorkommen kann. (Ausnahme sind Quarks als Urbausteine <strong>der</strong><br />

Atome, die die Ladung 1/3 e bzw. 2/3 e haben, aber nach heutiger<br />

Erkenntnis nicht als freie Teilchen existieren.)<br />

• Man kann aber Ladungen räumlich trennen <strong>und</strong> so isolieren (z.B.<br />

Ionisation von Wasserstoff, Ionisation von Luftmolekülen bei einer<br />

Blitzentladung)<br />

• Ladungen lassen sich transportieren:<br />

Ladungstransport ist immer an Massetransport gekoppelt<br />

Ladungstransport heißt ‚elektrischer Strom’ (dazu später mehr)<br />

Beispiele alltägliche Phänomene, bei denen Ihnen Ladungen begegnen:<br />

• Statische Aufladung des Wollpullovers beim Streifen <strong>der</strong> Haare<br />

• Elektrische Ladungen in <strong>der</strong> Natur? Blitzentladung, Polarlichter (siehe<br />

Essay im Tipler, S. 905), ...<br />

• Elektrische Ladungen in <strong>der</strong> Biologie? Nervenzellen (auch elektrischer<br />

Aal), Herzzellen, Bauchspeicheldrüse (beta-Zellen); Elektrolyte im Blut,<br />

Zell-Zell-Adhäsion: unter physiologischen Bedingungen negativ<br />

geladene Glykoproteine können an positiv geladene Ankersubstanzen in<br />

<strong>der</strong> Extrazellularmatrix binden, ....<br />

• Elektrische Ladungen in <strong>der</strong> Chemie? Alle Salze bestehen aus Ionen,<br />

Redox-Reaktionen: Batterien, Korrosionserscheinungen, ...<br />

• Reinigung <strong>der</strong> Luft von Staub- <strong>und</strong> Rußpartikeln in Abgasfiltern durch<br />

negatives Aufladen <strong>der</strong> Partikel <strong>und</strong> <strong>der</strong>en Abscheidung an einer positiv<br />

geladenen Staubsammelplatte (s. dazu auch Kapitel 5.1.6: Erzeugung<br />

hoher Spannungen)<br />

E1.2 Löffelversuche<br />

E1.3 Ladungstransport in<br />

Wassertropfen


Ex.x Geladener<br />

Plastikstab lenkt<br />

Wasserstrahl ab<br />

(Ursache? Siehe<br />

Dipoleigenschaft von<br />

Wasser)<br />

12 Experimentalphysik 1 für Biologen & Chemiker<br />

V02 Elektrisches Feld<br />

Wie<strong>der</strong>holung<br />

• Wir haben den Begriff <strong>der</strong> Ladungen kennen gelernt. Es gibt positive <strong>und</strong><br />

negative Ladungen. Gleichnamige Ladungen stoßen sich ab,<br />

ungleichnamige ziehen sich an.<br />

• Ladungen lassen sich gegenseitig neutralisieren, aber nicht vernichten.<br />

Bei Neutralisation sind sie lediglich gepaart, lassen sich aber wie<strong>der</strong><br />

auseinan<strong>der</strong> reißen.<br />

• Das kleinste im Alltag frei vorkommende Ladungsquant ist das Elektron<br />

(bzw. das Positron) mit einem Ladungswert von e = 1,60·10 -19 C.<br />

• Die Wechselwirkungskräfte zwischen Ladungen lassen sich über das sog.<br />

Coulomb’sche Gesetz beschreiben. Die Kraft ist demnach prop. zum<br />

Produkt <strong>der</strong> Ladungen <strong>und</strong> umgekehrt prop. zum Quadrat des Abstands<br />

<strong>der</strong> Ladungen.<br />

• Ladungen sind immer an Materie geb<strong>und</strong>en.<br />

• Es gibt Materialien, in denen Ladungen frei beweglich sind (elektr. Leiter<br />

<strong>und</strong> auch „Halbleiter“) <strong>und</strong> welche, in denen die Ladungen sich nicht<br />

bewegen können (Isolatoren).<br />

5.1.2 Elektrisches Feld<br />

Die Ladungen müssen sich nicht berühren, um eine Kraft aufeinan<strong>der</strong> auszuüben<br />

(ebenso wie bei <strong>der</strong> Gravitation). Wie wird also die Kraftwirkung übermittelt?<br />

Jede Ladung qi erzeugt ein sog. elektrisches Kraftfeld (kurz elektrisches Feld)<br />

E, das von einer an<strong>der</strong>en Ladung qj ‚gespürt’ 3 wird, <strong>und</strong> das sich in jedem<br />

Abstand rij um die Ladung qi messen lässt. (Die Ausbreitungsgeschwindigkeit<br />

dieser Wirkung ist (nach <strong>der</strong> allgem. Relativitätstheorie) endlich <strong>und</strong> damit auf die<br />

Lichtgeschwindigkeit im Vakuum, c = 2,997 924 58 · 10 8 m·s -1 , begrenzt)<br />

Die sog. elektrische Feldstärke E in einem Punkt P, in dem sich eine positive<br />

Probeladung q0 + (entspräche also qj) befindet, ist definiert als die Kraft F, die in<br />

Gegenwart einer Ladung Q auf diese Probeladung q0 + wirkt, dividiert durch die<br />

Probeladung q0 + :<br />

= F<br />

E Definition <strong>der</strong> elektrischen Feldstärke E mit q0 + > 0.<br />

q 0<br />

+<br />

In Worten: Elektrische Feldstärke gleich Kraft pro Ladung.<br />

N<br />

mit <strong>der</strong> Einheit [ E ] = =<br />

C<br />

kg⋅m 2<br />

s<br />

A⋅s .<br />

Mit Hilfe des Coulomb-Gesetzes ergibt sich also für die Feldstärke E in <strong>der</strong><br />

Umgebung einer Ladung Q:<br />

3 Sie erkennen an diesem sprachlichen Ausweichmanöver schon, dass mit dem Begriff „Kraftfeld“<br />

zwar das Phänomen gut beschrieben werden kann, die eigentliche Übermittlung <strong>der</strong> Kraftwirkung<br />

aber nicht wirklich erklärt wurde. Eine solche Erklärung steht noch aus. Dies trifft auch auf das<br />

Gravitationsfeld zu.


<strong>Elektrodynamik</strong> 13<br />

F 1 Q<br />

E = = ⋅ ⋅r<br />

ˆ<br />

2<br />

q 4 ⋅π ⋅ε<br />

r<br />

+<br />

0<br />

0<br />

Einschub: (Wird wie<strong>der</strong> ein Vergleich zur Gravitation angestellt, so ergäbe sich<br />

für die sog. Gravitationsfeldstärke G* in <strong>der</strong> Umgebung einer Masse<br />

FG<br />

m1<br />

m1 <strong>der</strong> Ausdruck G* = = G ⋅ ⋅r<br />

̂ . G* ist <strong>der</strong> Einheit nach nichts<br />

2<br />

m2 r<br />

an<strong>der</strong>es als eine Gravitationsbeschleunigung. Dies können Sie<br />

überprüfen, wenn Sie für m1 die Erdmasse <strong>und</strong> für r den mittleren<br />

Erdradius einsetzen. Dann wird G* = g = 9,81 N/kg = 9,81 m/s, die<br />

Erdbeschleunigung in Erdnähe!)<br />

Das elektrische Feld E ist damit ein ortsabhängiger Vektor, <strong>der</strong> radial von<br />

positiven Ladungen ausgeht (sog. Quellen des elektrischen Feldes) <strong>und</strong><br />

senkrecht auf negativen Ladungen (sog. Senken des elektrischen Feldes)<br />

endet.<br />

Die Ausbreitung des elektrischen Feldes E um eine Ladung lässt sich über sog.<br />

Feldlinien darstellen. Sie stehen immer senkrecht auf <strong>der</strong> geladenen<br />

Oberfläche <strong>und</strong> berühren o<strong>der</strong> schneiden sich nie.<br />

Positive Ladungen q + sind<br />

Quellen des elektrischen Feldes<br />

E; die Feldlinien starten auf<br />

positiven Ladungen <strong>und</strong> zeigen<br />

radial von ihnen weg.<br />

Negative Ladungen q - sind<br />

Senken des elektrischen Feldes<br />

E; die Feldlinien enden radial auf<br />

negativen Ladungen.<br />

Quelle: Demtrö<strong>der</strong> 2 Abb. 1.8a,b<br />

S. 6<br />

Feldlinien stehen senkrecht auf<br />

Leitern. Verlaufen die Feldlinien<br />

gleichmäßig verteilt parallel<br />

zueinan<strong>der</strong>, wird von einem<br />

homogenen Feld gesprochen.<br />

Quelle: Staudt 2 Abb. 6.9 S.19<br />

Die gestrichelten Linien deuten sog. Äquipotenziallinien (2D) bzw. Äquipotenzialflächen (3D) an. Auf<br />

ihnen ist die Feldliniendichte jeweils gleich. Bewegt man sich auf diesen Linien bzw. Flächen, so muss<br />

dafür keine Kraft aufgewendet werden.<br />

Feldlinienverlauf zwischen zwei ungleichnamigen <strong>und</strong> zwei gleichnamigen Ladungen bzw. zwei<br />

ungleichnamigen Ladungen unterschiedlicher Ladungsstärke.<br />

Quelle: Staudt 2 Abb. 6.8, S.18; Tipler Abb. 19.8 S. 655<br />

E1.5 Feldlinien Grieß auf<br />

Öl: Punktladungen<br />

(Ursache für Ausrichtung<br />

des Grießes? Siehe<br />

Dipoleigenschaften)


E1.12 Faraday Käfig<br />

14 Experimentalphysik 1 für Biologen & Chemiker<br />

Sind mehrere Punktladungen vorhanden, so lassen sich die auf sie wirkenden<br />

Kräfte F = q · E vektoriell addieren.<br />

Weitere Eigenschaften von Ladungen <strong>und</strong> <strong>der</strong> durch sie verursachten E-Fel<strong>der</strong>:<br />

• Im Inneren eines Leiters befinden sich keine Nettoladungen, lediglich in<br />

einer dünnen Schicht auf <strong>der</strong> Leiteroberfläche. Daher ist im Inneren von<br />

Leitern das E-Feld Null.<br />

• Auf <strong>der</strong> Innenfläche eines Leiterhohlraumes befinden sich keine<br />

Ladungen (trotzdem es dort auch eine Oberfläche gibt). Daher ist in<br />

einem Leiterhohlraum das elektrische Feld Null: Faraday’scher Käfig.<br />

(Michael Faraday, 1791-1867)<br />

Feldfrei im<br />

Innern!<br />

Frage: Warum sind Sie im<br />

Inneren eines Fahrzeugs vor<br />

Blitzschlag geschützt? Muss die<br />

Karosserie aus Metall sein o<strong>der</strong><br />

wären Sie auch in einer<br />

Kunststoffkarosserie geschützt?<br />

Liegen die Punktladungen sehr dicht, so liegt eine quasi kontinuierliche<br />

Ladungsverteilung mit einer räumlich ausgedehnten Ladungsdichte vor. Diese<br />

Ladungsverteilung im Volumen V, die sog. Raumladungsdichte ρ, ist definiert<br />

als Gesamtladung Q pro Volumen:<br />

Q<br />

ρ = .<br />

V<br />

Entsprechend kann eine Flächenladungsdichte σ als Gesamtladung Q (= Zahl<br />

<strong>der</strong> Einzelladungen q) pro Fläche A:<br />

Q<br />

σ = .<br />

A<br />

Elektrostatik in Natur <strong>und</strong> Technik – Beispiele: elektrisches Feld <strong>der</strong> Erde (im<br />

zeitlichen Mittel trägt die Erde eine negative Ladung von Q = -6·10 5 C); Gewitter,<br />

elektrostatische Staubfilter, elektrostat. Farbbeschichtungen, elektrostat.<br />

Laserdrucker <strong>und</strong> Kopierer.<br />

5.1.3 Elektrischer (Kraft-)Fluss<br />

Die Feldliniendichte wird definiert durch die Zahl <strong>der</strong><br />

Feldlinien, die eine ebene Fläche senkrecht durchstoßen,<br />

dividiert durch die Größe <strong>der</strong> Fläche (Normierung).<br />

Zahl <strong>der</strong> Feldliniendurch A⊥<br />

E<br />

E ∝ Feldliniendichte =<br />

A<br />

Es zeigt sich, dass die Feldliniendichte in Gebieten groß<br />

ist, in denen auch <strong>der</strong> Betrag <strong>der</strong> elektrischen Feldstärke,<br />

|E|, groß ist. Damit ist die Feldliniendichte ein Maß für den<br />

Betrag <strong>der</strong> Feldstärke in einem bestimmten Gebiet.


<strong>Elektrodynamik</strong> 15<br />

Man beobachtet, dass die Feldliniendichte an Leiterspitzen beson<strong>der</strong>s hoch ist<br />

<strong>und</strong> damit auch die Feldstärke E.<br />

Der Begriff „Fluss“ ist allgemein als Skalarprodukt einer Fläche mit einem die<br />

Fläche durchdringenden Feld definiert:<br />

„Fluss“ = Fläche(nvektor) · Feldvektor<br />

Der Begriff „Fluss“ ist insofern etwas irreführend, da er keinen Teilchenfluss<br />

beschreibt, son<strong>der</strong>n lediglich die Zahl <strong>der</strong> Feldlinien, die durch eine Fläche treten.<br />

Da an einem Skalarprodukt immer zwei Vektoren<br />

beteiligt sein müssen, die Fläche A allerdings an<br />

sich kein Vektor ist, wird ein sog. Flächenvektor A<br />

definiert als Produkt aus ebener Fläche A <strong>und</strong><br />

Normaleneinheitsvektor ˆn , <strong>der</strong> senkrecht auf <strong>der</strong><br />

Fläche A steht <strong>und</strong> den Betrag 1 hat:<br />

A= A ⋅n.<br />

ˆ<br />

Damit lässt sich <strong>der</strong> sog. elektrische Fluss Φel als<br />

Skalarprodukt aus elektrischem Feld E <strong>und</strong><br />

Flächenvektor A für die ebene Fläche A definieren:<br />

Φel = E · A = |E| · |A| · cos ∠(E, A).<br />

Quelle: Tipler, Abb. 19.11, S.656<br />

Allgemein gilt für ein infinitesimal kleines Flächenelement dA (das damit eben<br />

sein kann, selbst wenn die Gesamtoberfläche nicht eben ist):<br />

dΦel = E · dA<br />

o<strong>der</strong> eine beliebig geformte, d.h. nicht mehr notwendigerweise ebene Oberfläche<br />

aus vielen kleinen Flächenelementen dA:<br />

Φ = E ⋅dA.<br />

el<br />

∫<br />

A<br />

E1.5 Feldlinien Grieß auf<br />

Öl: Punktladungen<br />

(Ursache für Ausrichtung<br />

des Grießes? Siehe<br />

Dipoleigenschaften)<br />

E1.29 Elektrische Mühle


16 Experimentalphysik 1 für Biologen & Chemiker<br />

V03 Gauß, Spannung, Kondensator<br />

Wie<strong>der</strong>holung<br />

• Wir haben das elektrische Feld E als Quotienten aus Coulombkraft Fc <strong>und</strong><br />

Ladungsmenge q kennen gelernt. Das elektrische Feld ist eine<br />

Vektorgröße, die immer radial von positiven Ladungen ausgeht <strong>und</strong><br />

senkrecht auf negativen Ladungen endet. Daher heißen positive<br />

Ladungen auch Quellen des elektrischen Feldes <strong>und</strong> negative Ladungen<br />

Senken des Elektrischen Feldes.<br />

• In <strong>der</strong> Elektrostatik gibt es keine geschlossenen elektrischen Feldlinien<br />

(wohl aber in <strong>der</strong> <strong>Elektrodynamik</strong>; kommt später). Zudem berühren o<strong>der</strong><br />

überkreuzen sich die von einzelnen (positiven) Ladungen ausgehenden<br />

Feldlinien nie.<br />

• Elektrische Fel<strong>der</strong> sind an Leiterspitzen immer beson<strong>der</strong>s hoch.<br />

• Ladungen sammeln sich immer an <strong>der</strong> äußeren Oberfläche von<br />

elektrischen Leitern (wie z.B. Metallen). Das Innere, auch Hohlräume o<strong>der</strong><br />

Oberflächen in geschlossenen Hohlräumen metallischer Leiter sind immer<br />

feldfrei (Faraday Käfig).<br />

• Wir haben die Raumladungsdichte <strong>und</strong> die Flächenladungsdichte als<br />

Quotient aus Ladungsmenge pro Volumen bzw. pro Fläche kennen<br />

gelernt.<br />

• Und schließlich haben wir den elektrischen Fluss (groß Phi) besprochen<br />

als Skalarprodukt aus elektrischem Feld <strong>und</strong> einem sog. Flächenvektor.<br />

Der el. Fluss ist letztlich ein Maß für die Zahl <strong>der</strong> elektrischen Feldlinien,<br />

die durch eine Fläche A durchtreten.<br />

5.1.4 Gauß’scher Satz<br />

Wird eine geschlossene Kugeloberfläche A = 4·π·r 2 betrachtet, die sich aus<br />

infinitesimal kleinen Flächenelementen dA zusammensetzen lässt, <strong>und</strong> die eine<br />

Gesamtladungsmenge Q konzentrisch umhüllt, dann ergibt sich mit <strong>der</strong><br />

Gleichung für E für den elektrischen Fluss 4 :<br />

1 Q Q<br />

Φ el = E⋅ A= ⋅ ⋅r ⋅ ⋅ ⋅ ⋅n=<br />

,<br />

4 ⋅π ⋅ε<br />

ε<br />

2 ˆ 4 π r ˆ<br />

2<br />

0 r<br />

0<br />

wegen rˆ⋅n=r ˆ ˆ ⋅ nˆ ⋅ cos(0 ° ) = 1, weil rˆ� nˆ.<br />

Dies ist <strong>der</strong> Gauß’sche Satz, <strong>der</strong> allgemein über das geschlossene<br />

(Kreis-) Integral des elektrischen Feldes E über alle infinitesimal kleinen<br />

Flächenvektoren dA formuliert wird (da alle Flächenelemente zusammengesetzt<br />

die geschlossene Oberfläche, z.B. die oben diskutierte Kugelfläche, ergeben):<br />

Q<br />

Φ el = � E⋅ dA=<br />

,<br />

ε<br />

∫ A<br />

4 Ein ‚Fluss’ ist ganz allgemein als Skalarprodukt einer Fläche mit einem die Fläche<br />

durchdringenden Feld definiert.<br />

0


<strong>Elektrodynamik</strong> 17<br />

Der Gauß’sche Satz besagt, dass<br />

<strong>der</strong> elektrische Fluss durch eine<br />

geschlossene Fläche gleich <strong>der</strong><br />

darin enthaltenen Ladung ist.<br />

Der Gauss’sche Satz ist eine<br />

allgemeine Formel zur Berechnung<br />

elektrischer Fel<strong>der</strong>. (Das<br />

Coulomb’sche Gesetzte kann als ein<br />

Spezialfall des Gauß’schen Satzes<br />

betrachtet werden.) Er gilt allgemein<br />

für geschlossene Flächen beliebiger<br />

Form (also nicht nur für Kugeln) um<br />

eine Ladungsmenge Q = n·q. D.h.<br />

Der elektrische Fluss durch eine geschlossene Oberfläche hängt we<strong>der</strong> von <strong>der</strong><br />

Form <strong>der</strong> Oberfläche noch von <strong>der</strong> Ladungsverteilung, d.h. <strong>der</strong><br />

Raumladungsdichte ρ ab, son<strong>der</strong>n einzig von <strong>der</strong> Gesamtladung Q innerhalb <strong>der</strong><br />

(umhüllenden geschlossenen Ober-) Fläche.<br />

Ist dieses Integral ungleich Null, dann befinden sich im umschlossenen Volumen<br />

Quellen (Φel > 0) o<strong>der</strong> Senken (Φel < 0) <strong>der</strong> Feldlinien, also positive o<strong>der</strong> negative<br />

Ladungen. Ist das Integral gleich Null, dann treten ebenso viele Feldlinien in die<br />

Fläche ein wie aus ihr heraus.<br />

5.1.5 Elektrostatisches Potenzial <strong>und</strong> elektrische Spannung<br />

Zur Erinnerung aus <strong>der</strong> Mechanik:<br />

(1) Kräfte o<strong>der</strong> Kraftfel<strong>der</strong>, <strong>der</strong>en geschlossenes Wegintegral (d.h. die Arbeit) Null<br />

ist, hatten wir in <strong>der</strong> Mechanik ‚konservativ’ genannt. (Nicht-konservative Kräfte<br />

waren z.B. Reibungskräfte).<br />

W = ∫� Fds = 0<br />

(2) Die potenzielle Energie hatten wir als die sog. Lageenergie kennen gelernt.<br />

Wird ein Gegenstand <strong>der</strong> Masse m um die Höhe Δh angehoben, so geht die an<br />

<strong>der</strong> Masse gegen die Schwerkraft FG geleistete Arbeit W in potenzielle Energie<br />

Epot über, d.h. die potenzielle Energie än<strong>der</strong>t sich um den Betrag<br />

ΔEpot = m·g·Δh.<br />

Wird <strong>der</strong> Gegenstand anschließend wie<strong>der</strong> fallen gelassen, dann leistet die<br />

Gravitationskraft FG über die Fallhöhe Δh die Beschleunigungsarbeit<br />

W = FG ·Δh = -ΔEpot = -m·g·Δh,<br />

die zu einer Verringerung <strong>der</strong> potenziellen Energie führt.<br />

Allgemein hatten wir die durch eine Kraft F verursachte Verschiebung eines<br />

Gegenstands um eine infinitesimal kleine Strecke ds über<br />

zum Ausdruck gebracht.<br />

dE(pot) = -F·ds<br />

Das Gleiche gilt für die Energien in elektrostatischen Fel<strong>der</strong>n. Die Kraft F, die ein<br />

elektrisches Feld E auf eine Punktladung q (auch Probeladung genannt) ausübt,<br />

ist<br />

F = q ⋅E<br />

.


Zeichnung!<br />

18 Experimentalphysik 1 für Biologen & Chemiker<br />

Wird solch eine Probeladung in einem elektrischen Feld E um ds verschoben, so<br />

gilt für die Än<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> elektrostatischen potenziellen Energie:<br />

dEpot = -F·ds = -q·E·ds.<br />

Die Än<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> potenziellen Energie dEpot pro Ladungseinheit q wird definiert<br />

als Potenzialdifferenz dϕ (phi):<br />

dEpot<br />

dϕ : = =−E⋅ds q<br />

Die Potenzialdifferenz zwischen zwei Punkten P1 <strong>und</strong> P2 wird auch Spannung U<br />

genannt:<br />

ϕ ϕ ϕ Δ<br />

= − =Δ = =−∫⋅ 2 Epot<br />

U 2 1<br />

E ds<br />

q<br />

In Worten: Die Spannung ist die Differenz <strong>der</strong> beiden potenziellen Energien einer<br />

Ladung q an zwei verschiedenen Orten 1 <strong>und</strong> 2 im Abstand s12, geteilt durch die<br />

Ladung selbst. Damit entspricht U <strong>der</strong> Energie (z.B. in Form von Verschiebe-<br />

Arbeit), die beim Verschieben <strong>der</strong> Ladung vom Ausgangspunkt an den Endpunkt<br />

geleistet werden muss bzw. frei wird (je nachdem, an welchem Ort Epot größer<br />

ist), geteilt durch die Ladung selbst.<br />

Die Spannung U wird also erhöht (erniedrigt), wenn eine positive (negative)<br />

Ladung q entgegengesetzt zu den elektrischen Feldlinien transportiert wird.<br />

Elektrische Feldlinien zeigen also in Richtung abnehmenden elektrischen<br />

Potenzials.<br />

Eine positiv geladene Elektrode wird Anode (+) genannt, eine negativ geladene<br />

Elektrode heißt Kathode (-).<br />

Bisher haben wir nur von <strong>der</strong> Potenzialdifferenz gesprochen, <strong>der</strong> Differenz<br />

zwischen zwei Potenzialen. Was ist aber das Potenzial an sich? Es ist<br />

mathematisch gesehen einfach das Integral <strong>der</strong> Potenzialdifferenz mit dem Trick,<br />

den Punkt P1 ins Unendliche zu verlegen. Da die Wechselwirkungskraft F<br />

zwischen zwei Ladungen (Coulombkraft) gegen Null geht, wenn sich die beiden<br />

Ladungen unendlich weit voneinan<strong>der</strong> entfernen, geht auch die potenzielle<br />

Energie Epot gegen Null, Epot(∞) = 0. Wird also eine Ladung aus dem Unendlichen<br />

an den Ort P2 = r gebracht, gilt:<br />

r r r<br />

F 1 1 E W<br />

ϕ =−∫E ⋅ ds =−∫ ⋅ ds =− ⋅ ⋅ d =− ⋅ E =− =<br />

q q ∫F<br />

s<br />

q q q<br />

∞ ∞ ∞<br />

1<br />

r<br />

pot<br />

∞<br />

pot, r ∞→r<br />

Das Potenzial ϕ ist also die Arbeit, die aufgebracht werden muss, um eine<br />

Ladung q aus dem Unendlichen an den Punkt r zu bringen, dividiert durch den<br />

Betrag <strong>der</strong> Ladung q.


<strong>Elektrodynamik</strong> 19<br />

Gebiete, in denen sich das Potenzial nicht<br />

än<strong>der</strong>t, d.h. in denen dϕ = 0 ist, heißen<br />

Aquipotenziallinien (2D) o<strong>der</strong><br />

Äquipotenzialflächen (3D). Diese<br />

Äquipotenziallinien/flächen stehen senkrecht<br />

auf den E-Feldlinien, denn nur eine Bewegung<br />

ds ⊥ E führt zu<br />

dϕ =−E⋅ds =− E ⋅ ds ⋅cos(<br />

∡Eds<br />

, )<br />

=− E ⋅ ds ⋅ cos(90 ° )<br />

= 0.<br />

(Äquipotenziallinien sind vergleichbar mit Höhenlinien in einer topographischen<br />

Landkarte. Wenn Sie entlang einer Höhenlinie wan<strong>der</strong>n, müssen Sie we<strong>der</strong><br />

bergauf noch bergab laufen. Damit än<strong>der</strong>t also sich Ihre potenzielle Energie<br />

nicht; Sie verrichten also keine ‚Höhenarbeit’.)<br />

Die Einheit für die Spannung ist (potenzielle) Energie (Joule) pro Ladung<br />

(Coulomb). Dieser Quotient hat die Bezeichnung Volt (V) erhalten:<br />

J kg⋅m U = 1V = 1Volt = 1 = 1 3<br />

C A⋅s [ ]<br />

2<br />

(Allessandro Volta, 1745-1827)<br />

Einschub: Die Definition lässt sich über folgende Analogie aus <strong>der</strong> Mechanik<br />

veranschaulichen: Wasser in einem Wasserturm hat eine umso höhere<br />

potenzielle Energie (Lageenergie), je höher <strong>der</strong> Wasserturm ist. Daher fließt auch<br />

das Wasser aus einer Röhre am Fuße des Wasserturms umso schneller (hat<br />

also eine höhere kinetische Energie), je höher <strong>der</strong> Wasserturm ist. Aus dem<br />

gleichen Gr<strong>und</strong> ist auch <strong>der</strong> Wasserdruck am Fuße des Turms umso höher, je<br />

höher <strong>der</strong> Wasserturm ist. Ebenso verhält es sich mit <strong>der</strong> Spannung, die umso<br />

größer ist, je höher die potenzielle Energie <strong>der</strong> Ladung ist.<br />

Umgekehrt kann aus <strong>der</strong> Definition für die Spannung gefolgert werden, dass eine<br />

Ladung, die eine Potenzialdifferenz U durchläuft, eine Än<strong>der</strong>ung ihrer<br />

(potenziellen) Energie erfährt:<br />

Δ E = q⋅ U<br />

( pot )<br />

Man definiert eine neue Energieeinheit, das Elektronenvolt (eV), als die<br />

(kinetische) Energie, die ein Elektron gewinnt, wenn es eine Spannung von<br />

U = 1 V durchfällt 5 :<br />

1 eV = 1,602·10 -19 C · 1 V = 1,602·10 -19 J (Joule)<br />

5 Der Begriff „durchfallen“ kann durchaus wörtlich genommen werden. So wie eine Masse aufgr<strong>und</strong><br />

<strong>der</strong> Gravitationskraft im Schwerefeld <strong>der</strong> Erde die Höhendifferenz Δh entlang <strong>der</strong> Kraftfeldlinien<br />

„durchfällt“, d.h. auf die Erde „fällt“, so fällt z.B. eine negative Ladung antiparallel zu den<br />

elektrischen Feldlinien auf eine positive Ladung zu. Zuvor mussten natürlich die beiden Ladungen<br />

erst einmal voneinan<strong>der</strong> getrennt werden. Dazu musste eine Arbeit verrichtet werden, um die neg.<br />

Ladung von <strong>der</strong> positiven zu entfernen <strong>und</strong> an einen Punkt „P“ zu bringen. Diese Arbeit wurde als<br />

potenzielle Energie ΔEpot (in <strong>der</strong> Ladung) gespeichert <strong>und</strong> führte zur Ausbildung <strong>der</strong> Spannung U<br />

(einer Potenzialdifferenz). Wird die negative Ladung am Ort „P“ nun losgelassen, wird sie sich<br />

natürlich wie<strong>der</strong> mit <strong>der</strong> positiven Ladung neutralisieren wollen. D.h. sie wird auf die positive<br />

Ladung „zufallen“, was nichts an<strong>der</strong>es heißt, als dass sie sich auf die positive Ladung zubewegt.<br />

Die dabei zurückgelegte „Distanz“ dieser Bewegung wird über die Angabe <strong>der</strong> Spannung zum<br />

Ausdruck gebracht, weil kein besseres Maß zur Verfügung steht.


E. 1.7 Ladungstransport<br />

van de Graaff<br />

(Beim letzten Mal<br />

umständlicher manueller<br />

Ladungstransport über<br />

Kugeln.)<br />

20 Experimentalphysik 1 für Biologen & Chemiker<br />

5.1.6 Erzeugung von hohen Spannungen durch Ladungstransport im van<br />

de Graaff Generator<br />

Die Eigenschaft von Leitern, Ladungen an ihren äußeren Oberflächen zu<br />

sammeln, lässt sich zur Erzeugung hoher elektrischer Fel<strong>der</strong> durch<br />

Ladungstransport ausnutzen.<br />

Van de Graaff Generator (Robert<br />

Jemison van de Graaff, 1901-1967):<br />

Über scharfe Leiterspitzen (hohe<br />

Feldstärke!) werden (entwe<strong>der</strong><br />

positive o<strong>der</strong> negative) Ladungen auf<br />

ein Band aus isolierendem Material<br />

aufgesprüht <strong>und</strong> ins Innere einer<br />

leitenden Kugel transportiert. Dort<br />

werden sie über einen Leiterkamm<br />

wie<strong>der</strong> eingesammelt <strong>und</strong> auf das<br />

Innere <strong>der</strong> Leiterkugel geleitet.<br />

(Umgekehrt lassen sich auch<br />

Ladungen über den Kamm von <strong>der</strong><br />

Oberfläche abziehen/abrechen.)<br />

Aufgr<strong>und</strong> <strong>der</strong> Influenz werden diese<br />

Ladungen sofort auf die Außenfläche<br />

<strong>der</strong> Kugel gedrängt, so dass das<br />

Innere immer feldfrei bleibt. An Luft<br />

lassen sich Spannungen von über<br />

10 5 V erreichen; darüber kommt es<br />

zum ‚Durchschlag’, d.h. zur<br />

Blitzentladung. An Luft beträgt die<br />

kritische Durchbruchfeldstärke<br />

Ekrit ~ 2·10 6 V·m -1 .<br />

Positives Aufladen einer leitenden Kugeloberfläche<br />

durch „Abziehen“ von Elektronen. Quelle: Demtrö<strong>der</strong><br />

2 Abb. 1.31, S. 19<br />

Anwendung zur Luftionisation in elektrostatischen Staub- bzw. Rußfiltern:<br />

Beim Elektrofilter werden durch eine raumbegrenzte Gasentladung freie Ladungsträger in Form von<br />

Stickstoffionen in die Filtergasse eingebracht. Diese laden die Ruß- o<strong>der</strong> Staubpartikeln statisch auf. Das<br />

zur Ladungsträgererzeugung dienende elektrische Feld treibt die geladenen Teilchen dann von <strong>der</strong> als<br />

Kathode wirkenden Sprühelektrode weg. Die Partikel lagern sich schließlich auf <strong>der</strong> als<br />

Nie<strong>der</strong>schlagselektrode (auch: Abscheideelektrode) bezeichneten Anode an <strong>und</strong> bleiben aufgr<strong>und</strong> ihrer<br />

Ladung dort haften. Sie können mechanisch durch Klopfen entfernt werden.<br />

The most basic precipitator contains a row of thin wires, and followed by a stack of large flat metal plates,<br />

with the plates typically spaced about 1 cm apart. The air stream flows through the spaces between the<br />

wires, and then passes through the stack of plates. A negative voltage of several thousand volts is applied<br />

between wire and plate. If the applied voltage is high enough an electric discharge ionizes the air aro<strong>und</strong><br />

the electrodes. Negative ions flow to the plates and charge the gas-flow particles. The ionized particles,<br />

following the negative electric field created by the power supply, move to the gro<strong>und</strong>ed plates. Particles<br />

build up on the collection plates and form a layer. The layer does not collapse, thanks to electrostatic


<strong>Elektrodynamik</strong> 21<br />

pressure (given from layer resistivity, electric field, and current flowing in the collected layer).<br />

Quellen: Wikipedia: „Electrostatic precipitator“ bzw. Elektrofilter; Bloomfield: How things work, S. 265.<br />

5.1.7 Erzeugung von hohen Spannungen im Tierreich<br />

Wie ist es einem elektrischen Fisch möglich, Spannungen von mehreren h<strong>und</strong>ert<br />

Volt zu erzeugen, da biologische Spannungen über Nervenzellmembranen doch<br />

höchstens ca. 100 mV betragen können?<br />

Der Zitteraal verfügt über sog. “Elektroplax”-<br />

Zellen, Nervenzellen, die nur einseitig<br />

innerviert sind. Bei Erregung lässt sich damit<br />

nur eine Seite <strong>der</strong> Zelle umpolen<br />

(depolarisieren). Im Ruhefall sind diese<br />

Zellen innen negativ geladen<br />

(URuhe = -90 mV). Regt sich <strong>der</strong> Zitteraal auf,<br />

polt sich die eine Seite auf<br />

UErregung = +40 mV) um. Dann herrscht über<br />

<strong>der</strong> Zelle zwischen den beiden<br />

ungleichnamig geladenen Seiten eine<br />

Spannung von 130 mV. Da mehrere tausend<br />

dieser Zellen wie Knopfzellbatterien<br />

übereinan<strong>der</strong> gestapelt sind, können<br />

Spannungen von mehreren h<strong>und</strong>ert Volt<br />

erzeugt werden. (Der Strom ist allerdings<br />

vergleichsweise gering (Kapitel 5.2).)<br />

5.1.8 Influenz in Leitern im elektrischen Feld<br />

Wir hatten schon festgestellt, dass das<br />

Innere eines Leiters feldfrei ist <strong>und</strong> sich alle<br />

Ladungen and <strong>der</strong> äußeren<br />

Leiteroberfläche sammeln. Dasselbe gilt,<br />

wenn ein Leiter in ein äußeres elektrisches<br />

Feld gebracht wird. Dann wirkt auf die<br />

Ladungen q so lange eine Kraft F = q·E, die<br />

die Ladungen verschiebt, bis durch die<br />

Verschiebung ein Gegenfeld aufgebaut ist,<br />

das das äußere Feld gerade kompensiert.<br />

Diese Ladungsverschiebung hatten wir als<br />

Influenz kennen gelernt. Das Innere von<br />

Leitern ist daher selbst im äußeren<br />

elektrischen Feld nach wie vor feldfrei; die<br />

Ladungen sitzen an <strong>der</strong> Oberfläche des<br />

Leiters.<br />

Quelle: Rawn, Biochemistry, Fig. 32-11, S.<br />

1058<br />

Quelle: Demtrö<strong>der</strong> 2 Abb. 1.27a, S.17


E1.35 Aufladung einer<br />

geerdeten<br />

Kondensatorplatte durch<br />

Influenz<br />

22 Experimentalphysik 1 für Biologen & Chemiker<br />

5.1.9 Kondensatoren <strong>und</strong> Kapazität<br />

Eine Anordnung aus zwei entgegengesetzt geladenen Leiterflächen wird<br />

Kondensator genannt. Wird auf eine <strong>der</strong> beiden Flächen die Ladung +Q<br />

aufgebracht, wird es auf <strong>der</strong> zweiten, ursprünglich ungeladenen Leiterfläche<br />

durch Influenz zu einer Ladungstrennung kommen (mittleres Bild). Wird diese<br />

zweite Leiterplatte ‚geerdet’, fließen die Ladungen +Q von dieser ab; sie behält<br />

lediglich die negativen Ladungen –Q (rechtes Bild).<br />

Das elektrische Feld E zwischen den Leiterplatten ist proportional zur Ladung Q<br />

(s. Definition des elektrischen Flusses weiter oben):<br />

Q<br />

E =<br />

ε ⋅ A .<br />

Die Spannung U, die durch die Ladungstrennung über die Distanz d erzeugt<br />

wurde, ist<br />

d<br />

∫<br />

U = E⋅ ds = E⋅d .<br />

0<br />

Einsetzen <strong>der</strong> ersten Gleichung in die zweite Gleichung ergibt für die Beziehung<br />

zwischen <strong>der</strong> Spannung U <strong>und</strong> <strong>der</strong> Ladungsmenge Q:<br />

o<strong>der</strong><br />

o<br />

ε ⋅ A<br />

d<br />

o Q = ⋅U<br />

Q = C⋅ U<br />

(o<strong>der</strong> besser zu merken: Q = U ⋅ C (QUC wie „Kuss“; umgekehrt geht’s auch <strong>und</strong><br />

ist fast realistischer: CUQ wie „Zuck“)<br />

mit <strong>der</strong> Kapazität C eines Plattenkondensators im Vakuum o<strong>der</strong> an Luft:<br />

o A ε ⋅<br />

C = .<br />

d<br />

Allgemein ist die Kapazität C damit definiert als<br />

: Q<br />

C = .<br />

U


<strong>Elektrodynamik</strong> 23<br />

D.h. die Kapazität eines Plattenkondensators, d.h. seine Fähigkeit, Ladungen zu<br />

sammeln, ist umso größer, je größer die Plattenoberflächen A sind <strong>und</strong> je kleiner<br />

ihr Abstand d zueinan<strong>der</strong> ist, bzw. allgemein je größer die auf den<br />

Kondensatorplatten gesammelte Ladung Q pro angelegter Spannung U zwischen<br />

den Kondensatorplatten ist.<br />

Die Ladungsmenge Q nimmt also<br />

zu.<br />

• mit zunehmen<strong>der</strong> geometrischer (Abmessungen) o<strong>der</strong> realer (z.B. durch<br />

Oberflächenrauhigkeit zusätzlich erzeugter) Fläche <strong>der</strong> Platten,<br />

• mit abnehmendem Abstand zwischen den Platten, <strong>und</strong><br />

• mit zunehmen<strong>der</strong> angelegter Spannung U<br />

Die Einheit <strong>der</strong> Kapazität ist<br />

C<br />

C = = F = Farad (Michael Faraday, 1791-1867)<br />

V<br />

[ ] 1 1 1<br />

Im Plattenkondensator mit zwei parallelen Kondensatorplatten im Abstand d<br />

zueinan<strong>der</strong> gilt also für den Betrag des durch die Spannung U erzeugten<br />

elektrischen Feldes E:<br />

U ⎛ Q ⎞<br />

E =<br />

d<br />

⎜= C⋅d ⎟<br />

⎝ ⎠ .<br />

Ein Touchpad ist eine berührungsempfindliche Fläche, die in Notebooks meistens unterhalb <strong>der</strong> Tastatur<br />

eingebaut ist. Es gibt unterschiedliche Prinzipien für dessen Funktionsweise; mo<strong>der</strong>ne Touchpads<br />

verwenden die elektrische Kapazität, um die Position des Fingers auf <strong>der</strong> Oberfläche des Pads zu<br />

ermitteln <strong>und</strong> somit den Ort des Cursors auf dem Bildschirm (Desktop) zu bestimmen. Dies kann durch<br />

verschiedene Bauweisen geschehen. Üblicherweise besteht die Oberfläche aus einer Anordnung von<br />

vertikalen <strong>und</strong> horizontalen Elektroden, die ein Gitter bilden. Dieses Gitter ist mit einer isolierenden<br />

Schutzschicht überzogen die dafür sorgt das man die Elektroden nicht berührt <strong>und</strong> <strong>der</strong> Finger gut über die<br />

Oberfläche gleitet. Unterhalb dieses Gitters sitzt ein Schaltkreis <strong>der</strong> ständig die Kapazität zwischen den<br />

Elektroden misst. Kommt man nun mit dem Finger, <strong>der</strong> ebenfalls eine Art Elektrode ist, in die Nähe dieser<br />

Anordnung, wird das Elektrische Feld (Elektrostatik) <strong>und</strong> dadurch auch die Kapazität zwischen den<br />

Elektroden verän<strong>der</strong>t, diese Än<strong>der</strong>ung wird von dem Schaltkreis ausgewertet <strong>und</strong> als Cursorposition an<br />

den Computer weitergeleitet. Dies erklärt auch warum man auf den Mauszeiger nur mit dem Finger<br />

Einfluss nehmen kann, nicht jedoch mit dicken Handschuhen o<strong>der</strong> Stiften <strong>und</strong> weshalb die Stärke des<br />

ausgeübten Druckes nicht einflussnehmend auf den Cursor ist. Quelle: Wikipedia<br />

Die Arbeit (Energie), die aufgebracht werden muss, um einen anfänglich<br />

ungeladenen Kondensator aufzuladen, d.h. um so viele Ladungen Q von einer<br />

E1.23 Kondensator, d-<br />

Abhängigkeit: Messung<br />

<strong>der</strong> Ladungsmenge auf<br />

Kondensatorplatten


24 Experimentalphysik 1 für Biologen & Chemiker<br />

auf die an<strong>der</strong>e Platte zu transportieren, bis eine gewisse Spannung U zwischen<br />

den Platten erzeugt wurde, beträgt:<br />

Q<br />

wegen Epot = U⋅ q <strong>und</strong> U = .<br />

C<br />

Q Q<br />

q Q<br />

W = dW = ⋅ dq = ⋅ = ⋅C⋅U 2<br />

1 1 2<br />

∫ ∫ ,<br />

0 0C<br />

2 C 2<br />

Diese zum Laden des Kondensators aufzuwendende Arbeit entspricht also <strong>der</strong> in<br />

diesem Kondensator gespeicherten Energie.<br />

Die von diesem Kondensator lieferbare (schon aus <strong>der</strong> Mechanik bekannte)<br />

Leistung (P = Arbeit pro Zeit) entspricht also<br />

W C⋅U P = =<br />

t 2 ⋅ t<br />

Beispiel: Bei <strong>der</strong> Elektroschocktherapie werden kurzzeitig (ca. 2 ms) hohe<br />

Spannungspulse (U = 5000 V) benötigt, um einen Patienten wie<strong>der</strong>zubeleben.<br />

Um solch ein Wie<strong>der</strong>belebungsgerät auch in einem Krankenwagen mit einem<br />

Nie<strong>der</strong>volt-Stromnetz (12 V) betreiben zu können, bedient man sich des Tricks,<br />

Kondensatoren mit einer hohen Kapazität (ca. 70 µF) langsam aufzuladen. Die in<br />

den Kondensatoren aufgr<strong>und</strong> <strong>der</strong> Ladungstrennung gespeicherte Energie kann<br />

auf Knopfdruck kurzfristig frei gegeben werden. Dazu werden zwei flexible<br />

Elektroden auf die Brust des Patienten gepresst, zwischen denen sich <strong>der</strong><br />

Kondensator entladen kann. In einem auf 5000 V aufgeladenen Kondensator mit<br />

einer Kapazität von 70 µF wäre also eine elektrische Energie von 875 J<br />

gespeichert. Wird sie in 2 Millisek<strong>und</strong>en freigesetzt, so beträgt die elektrische<br />

Leistung 100 kW, die die maximale Leistung <strong>der</strong> Autobatterie bei weitem<br />

übersteigt. Auch bei <strong>der</strong> Blitz- <strong>und</strong> Stroboskopfotografie kommt die gleiche<br />

Technik zur Anwendung. (Überprüfen Sie die Rechnung, indem Sie die Werte in<br />

die obigen beiden Gleichungen einsetzen.)<br />

2<br />

.


<strong>Elektrodynamik</strong> 25<br />

V04 Verschaltung von Kondensatoren, Dielektrika, Dipol<br />

Wie<strong>der</strong>holung<br />

• Wir haben den Gauß’schen Satz kennen gelernt, <strong>der</strong> eine Aussage über<br />

den elektrischen Fluss durch eine geschlossene Oberfläche um eine darin<br />

eingeschlossene Ladung macht. Das Skalarprodukt aus Feldstärkevektor<br />

E <strong>und</strong> Flächenvektor A ist nichts an<strong>der</strong>es als <strong>der</strong> Quotient aus Ladung Q<br />

<strong>und</strong> Influenzkonstante ε0.<br />

• Als elektrische Spannung U hatten wir die Differenz zwischen zwei<br />

Potenzialen ϕ kennen gelernt, die <strong>der</strong> Quotient aus Energiedifferenz E<br />

<strong>und</strong> Ladung q ist: U = Energie ΔE / Ladung q. Wir hatten die Differenz <strong>der</strong><br />

potenziellen Energie Epot betrachtet. Da sich allerdings Energien<br />

ineinan<strong>der</strong> überführen lassen <strong>und</strong> alle Energien über den<br />

Energieerhaltungssatz in Verbindung stehen, kann jede an<strong>der</strong>e Form <strong>der</strong><br />

Energie betrachtet werden. Außerdem hatten wir eine zweite Beziehung<br />

zwischen <strong>der</strong> Spannung <strong>und</strong> dem elektrischem Feld gef<strong>und</strong>en:<br />

U = Elektrisches Feld E · Abstand d.<br />

• Um einige Situationen in <strong>der</strong> Elektrostatik <strong>und</strong> <strong>der</strong> noch zu<br />

besprechenden <strong>Elektrodynamik</strong> besser beschreiben zu können, hatten wir<br />

eine neue Energieeinheit, das Elektronenvolt (eV) eingeführt: 1 eV<br />

entsprechen einer (recht kleinen) Energiemenge von 1,602·10 -19 Joule.<br />

• Wir hatten gesehen, dass elektrische Fel<strong>der</strong> in Materialien zu<br />

Ladungsverschiebungen führen können; dieses Phänomen wird Influenz<br />

genannt.<br />

• Wir hatten dann den Aufbau von Plattenkondensatoren besprochen, zwei<br />

parallel im Abstand d zueinan<strong>der</strong> angeordneten elektrisch leitenden<br />

Platten. Wird auf eine Platte eine Ladung Q aufgebracht, so induziert das<br />

von ihnen ausgehende elektrische Feld eine Ladungstrennung in <strong>der</strong><br />

gegenüberliegenden Platte.<br />

• Normalerweise wird eine Spannung U an die beiden Platten angelegt. Die<br />

Ladungsmenge Q <strong>und</strong> Spannung U sind über die Kapazität C miteinan<strong>der</strong><br />

verknüpft. Die Kapazität eines Plattenkondensators ist proportional zur<br />

Fläche <strong>der</strong> Kondensatorplatten <strong>und</strong> umgekehrt proportional zu <strong>der</strong>en<br />

Abstand zueinan<strong>der</strong>.<br />

5.1.9.1 Parallelschaltung von Kondensatoren<br />

Werden zwei Kondensatoren <strong>der</strong> Kapazität<br />

C1 <strong>und</strong> C2 parallel an eine<br />

Spannungsquelle angeschlossen, liegt an<br />

beiden die gleiche Spannung U (also<br />

Potenzialdifferenz) an, d.h. U1 = U2 = U.<br />

D.h., sowohl die obere Platte von C1 als<br />

auch die obere Platte von C2 liegen auf<br />

dem Potenzial ϕa, wogegen die unteren<br />

Platten <strong>der</strong> beiden Kondensatoren jeweils<br />

auf gleichem Potenzial ϕb liegen. Damit<br />

sammelt sich auf dem Kondensator C1 die<br />

Ladungsmenge<br />

Q1 = C1·U<br />

an <strong>und</strong> auf dem Kondensator C2 die<br />

Ladungsmenge<br />

In sog. Ersatzschaltkreisen (unteres Bild) wird<br />

ein Kondensator mit <strong>der</strong> Kapazität Ci über zwei<br />

parallele Striche dargestellt. Quelle: Tipler Abb.<br />

21.10 S. 733<br />

E1.6 Ablenkung von<br />

Elektronen im E-Feld


26 Experimentalphysik 1 für Biologen & Chemiker<br />

Q2 = C2·U.<br />

(Beachten Sie, dass die durch die Spannung U erzeugte Ladungsmenge +Qi auf<br />

<strong>der</strong> oberen Platte eines jeden Kondensators i eine gleich große, aber<br />

entgegengesetzte Ladungsmenge –Qi induziert. Dieses Prinzip ist auf beliebig<br />

viele hintereinan<strong>der</strong> geschaltete Kondensatoren anwendbar.)<br />

Damit ergibt sich für die Gesamtladungsmenge Qges auf beiden Kondensatoren<br />

Qges = Q1 + Q2 = C1 · U + C2 · U =(C1 + C2) · U = Cparallel · U<br />

→ Cpar = ∑ Ci<br />

.<br />

i<br />

In Worten: Die Gesamtkapazität Cpar aus i parallel zueinan<strong>der</strong> geschalteten<br />

Kondensatoren ist die Summe <strong>der</strong>er Einzelkapazitäten Ci.<br />

5.1.9.2 Hintereinan<strong>der</strong>schaltung (= Serienschaltung) von Kondensatoren<br />

Bei Hintereinan<strong>der</strong>schaltung von<br />

Kondensatoren mit unterschiedlicher<br />

Kapazität C1 <strong>und</strong> C2 ist die Spannung<br />

über das Gesamtsystem wie<strong>der</strong> U,<br />

d.h. die Differenz zwischen den<br />

beiden Potenzialen ϕa <strong>und</strong> ϕb: U = ϕa -<br />

ϕb.<br />

Allerdings sind die Teilspannungen U1<br />

<strong>und</strong> U2 über den beiden<br />

Kondensatoren nicht mehr identisch,<br />

wohl aber die Ladungsmengen Q1 <strong>und</strong><br />

Q2 (trotz unterschiedlicher Kapazität<br />

<strong>der</strong> beiden Kondensatoren!). Warum?<br />

Quelle: Tipler Abb. 21.12 S. 734<br />

Weil die Ladungsmenge +Q, die durch die Spannung U auf <strong>der</strong> oberen Platte von<br />

Kondensator 1 erzeugt wurde, eine gleich große, aber entgegengesetzte Ladung<br />

–Q auf <strong>der</strong> gegenüberliegenden Platte induziert. Diese Platte steht wie<strong>der</strong>um in<br />

direktem Kontakt mit <strong>der</strong> oberen Kondensatorplatte von Kondensator 2, <strong>und</strong><br />

erzeugt dort, ebenfalls durch Influenz, eine gleich große, aber zur Ladung auf <strong>der</strong><br />

unteren Platte von Kondensator 1 entgegengesetzte Ladungsmenge +Q<br />

(trotzdem die Kapazität C2 des unteren Kondensators nicht gleich <strong>der</strong> Kapazität<br />

C1 des oberen Kondensators ist). Nach demselben Prinzip wird letztlich auf <strong>der</strong><br />

unteren Platte von Kondensator 2 die Ladungsmenge –Q induziert. (Dieses<br />

Prinzip ist auf beliebig viele hintereinan<strong>der</strong> geschaltete Kondensatoren<br />

anwendbar.)<br />

Da also <strong>der</strong> Betrag <strong>der</strong> Ladungsmenge |Q| auf allen Kondensatorplatten gleich<br />

groß ist, gilt für die Spannung am ersten Kondensator:<br />

Für den Kondensator 2 erhalten wir:<br />

Q<br />

U1<br />

= ϕa − ϕc<br />

= .<br />

C<br />

U<br />

2<br />

Q<br />

= ϕc − ϕb<br />

= .<br />

C<br />

Da die Summe <strong>der</strong> Teilspannungen U1 + U2 die Gesamtspannung U ergeben<br />

muss, ergibt sich:<br />

1<br />

2


<strong>Elektrodynamik</strong> 27<br />

!<br />

Q Q ⎛ 1 1 ⎞ 1<br />

U = ϕa − ϕb = U1+ U2 = ( ϕa − ϕc) + ( ϕc − ϕb)<br />

= + = Q⋅ ⎜ + ⎟=<br />

Q⋅<br />

C1 C2 ⎝C1 C2 ⎠ C<br />

1 1<br />

→ =∑ .<br />

Cser i Ci<br />

In Worten: Der Kehrwert <strong>der</strong> Gesamtkapazität Cser aus i seriell verschalteten<br />

Kondensatoren ist die Summe <strong>der</strong> Kehrwerte ihrer Einzelkapazitäten Ci.<br />

Frage: Für jeden Kondensator gibt es eine Maximalspannung, oberhalb <strong>der</strong> es zu<br />

einem elektrischen Durchschlag zwischen den Kondensatorplatten kommt.<br />

Nehmen wir an, wir hätten eine Spannungsversorgung, die 100 V liefert, <strong>und</strong><br />

zwei Kondensatoren, die bei 60 V durchschlagen. Wie können Sie die<br />

Kondensatoren mit <strong>der</strong> Spannungsquelle verschalten? Werden in allen Fällen die<br />

Kondensatoren zerstört?<br />

Bei Parallelschaltung wirkt auf beide Kondensatoren die Gesamtspannung U = 100 V, bei <strong>der</strong> Serienschaltung wird die Gesamtspannung dagegen auf beide Kondensatoren gleichmäßig aufgeteilt, wobei dann in diesem<br />

Beispiel an jedem Kondensator Uteil = 50 V anlägen. Bei Parallelschaltung käme es also zum Durchschlag (Zerstörung) bei<strong>der</strong> Kondensatoren, bei <strong>der</strong> seriellen Verschaltung blieben dagegen beide intakt.<br />

5.1.9.3 Dielektrika<br />

Beobachtung: Wird zwischen zwei aufgeladene Kondensatorplatten, die nicht<br />

mehr mit <strong>der</strong> Spannungsquelle verb<strong>und</strong>en sind (d.h. auf die keine weiteren<br />

Ladungen mehr nachfließen können), ein volumenfüllen<strong>der</strong> Nichtleiter<br />

eingebracht, dann sinkt die Spannung zwischen den Kondensatorplatten um den<br />

Faktor εr. In solch einer Anordnung heißt das nicht-leitende Material<br />

‚Dielektrikum’; <strong>der</strong> dimensionslose Faktor εr wird relative<br />

Dielektrizitätskonstante o<strong>der</strong> Dielektrizitätszahl genannt. Er ist eine<br />

Materialkonstante.<br />

Da sich die Ladungsmenge Q nicht geän<strong>der</strong>t haben kann, d.h. Q = C · U = const.,<br />

<strong>und</strong> die Spannung um den Faktor εr abgenommen hat, muss sich die Kapazität<br />

des Kondensators um gerade diesen Faktor εr erhöht haben:<br />

A A<br />

Cmit Dielektrikum = εr ⋅ CVakuum<br />

= εr ⋅ε0⋅ = ε ⋅ .<br />

d d<br />

Die Dielektrizitätszahl für Vakuum ist demnach<br />

εr, Vakuum = 1, die von Luft liegt nahe bei Eins (s.<br />

Tabelle).<br />

Da die elektrische Feldstärke E proportional zur<br />

Spannung U ist, also |E| ∝ U, sinkt auch sie um<br />

den Faktor εr. Die effektive, im Dielektrikum<br />

herrschende elektrische Feldstärke Eeff ergibt sich<br />

damit zu:<br />

1 Q E<br />

E ˆ<br />

mit Dielektrikum = Eeff = ⋅ ⋅r=<br />

.<br />

4 ⋅π ⋅ε ⋅ε<br />

ε<br />

r 0<br />

2<br />

r<br />

vak<br />

r<br />

mit Evak: äußeres elektrisches Feld ohne<br />

Dielektrikum, d.h. wenn Vakuum zwischen den<br />

Kondensatorplatten herrscht.<br />

Dielektrika mit hoher Dielektrizitätskonstante<br />

gestatten es, sehr kleine Kondensatoren mit<br />

großer Kapazität zu bauen.<br />

Wie kommt es zu dieser Feldvermin<strong>der</strong>ung?<br />

Genau wie bei <strong>der</strong> Influenz in elektrischen Leitern<br />

(z.B. Metallen) werden im äußeren elektrischen<br />

seriell<br />

Relative statische Dielektrizitätszahl<br />

einiger Stoffe bei 20°C. Quelle:<br />

Demtrö<strong>der</strong> 2, Tab. 1.1, S. 23<br />

.<br />

E1.23 & E1.17<br />

Dielektrika im<br />

Kondensator


E1.16 Induzierter Dipol:<br />

Graphitbälle mit<br />

verbindendem<br />

Metallbügel<br />

Ex.xx Ablenkung des<br />

Wasserstrahls mit<br />

geladenem Isolator;<br />

Ausrichtung <strong>der</strong><br />

Grießkörner im E-Feld<br />

E1.16 Permanenter<br />

Dipol: Graphitbälle über<br />

Isolator getrennt; einer<br />

aufgeladen<br />

28 Experimentalphysik 1 für Biologen & Chemiker<br />

Feld E Ladungen im Dielektrikum verschoben.<br />

5.1.10 Elektrischer Dipol, Polarisation <strong>und</strong> Suszeptibilität<br />

Da aber in Isolatoren die Ladungsträger, d.h. die Elektronen, nicht frei beweglich<br />

sind, son<strong>der</strong>n an den Atomkern geb<strong>und</strong>en sind, können sie nicht wie bei den<br />

Leitern an den Rand des Materials wan<strong>der</strong>n, son<strong>der</strong>n nur innerhalb des Atoms<br />

o<strong>der</strong> Moleküls verschoben werden.<br />

D.h. die positiven<br />

Ladungsschwerpunkte S + innerhalb<br />

eines Moleküls o<strong>der</strong> Atoms fallen in<br />

Gegenwart eines elektrischen Feldes E<br />

nicht mehr mit den negativen<br />

Ladungsschwerpunkten S - zusammen.<br />

Man spricht von <strong>der</strong> sog. Polarisierung,<br />

die einen sog. induzierten<br />

elektrischen Dipol erzeugt (lat.<br />

inducere: herbeiführen).<br />

Ein elektrischer Dipol besteht aus einem<br />

Paar gleich großer, aber<br />

ungleichnamiger Ladungen, die im<br />

Abstand d miteinan<strong>der</strong> (leitend)<br />

verb<strong>und</strong>enen sind:<br />

Polarisation durch<br />

Verschiebung <strong>der</strong><br />

Ladungsschwerpunkte<br />

in einem Atom o<strong>der</strong><br />

Molekül. Quelle:<br />

Demtrö<strong>der</strong> 2, Abb.<br />

1.40, S. 24<br />

Elektrischer Dipol aus<br />

zwei<br />

entgegengesetzten<br />

aber gleichgroßen<br />

Ladungen im Abstand<br />

d mit dem<br />

Dipolmoment µ, das<br />

von – nach + zeigt.<br />

Das sog. elektrische Dipolmoment µel zwischen zwei Ladungen q + <strong>und</strong> q - wird<br />

definiert als:<br />

µ = q ⋅d<br />

.<br />

el<br />

Das Dipolmoment ist eine vektorielle Größe <strong>und</strong> zeigt von <strong>der</strong> negativen zur<br />

positiven Ladung (vgl. Richtung des Elektrischen Feldes E, das von + nach –<br />

zeigt).<br />

Dei Einheit des elektrischen Dipolmoments ist das Debye:<br />

[µ] = 1 D = 3,3356 · 10 -30 C · m (Peter Debye, 1884-1966, nie<strong>der</strong>ländischer<br />

<strong>Physik</strong>er)<br />

Frage: In welchem Abstand d befinden sich damit ein Elektron <strong>und</strong> ein Positron<br />

zueinan<strong>der</strong>, wenn das Dipolmoment µ genau ein Debye groß ist?<br />

Es gibt auch permanente Dipole, in denen die Ladungen ohne Einwirkung eines<br />

äußeren elektrischen Feldes bereits im Molekül aufgr<strong>und</strong> <strong>der</strong> unterschiedlichen<br />

Elektronegativitäten <strong>der</strong> Atome getrennt vorliegen. Für Moleküle mit solch einem<br />

permanenten Dipolmoment liegt µ meist im Bereich von 0 - 12 Debye.


<strong>Elektrodynamik</strong> 29<br />

Molekül µ in<br />

Debye<br />

Molekül µ in<br />

Debye<br />

HJ 0,38 HF 1,9<br />

HBr 0,74 NaCl 8,5<br />

H2S 0,92 KF 8,6<br />

PF3 1,025 KI 9,24<br />

HCl 1,03 KCl 10,27<br />

NH3 1,46 KBr 10,41<br />

H2O 1,844 CsCl 10,42<br />

Permanente Dipole richten sich im<br />

elektrischen Feld E aus, da auf sie ein<br />

Drehmoment M wirkt, die durch die Kraft F<br />

des elektrischen Feldes E auf die Ladungen<br />

q vermittelt wird:<br />

M = r × F = r × q⋅ E = q⋅<br />

r × E = µ × E<br />

Das Drehmoment ist dann am größten, wenn<br />

<strong>der</strong> Dipolmomentvektor µel <strong>und</strong> <strong>der</strong><br />

elektrische Feldvektor E senkrecht<br />

μ E .<br />

aufeinan<strong>der</strong> stehen: Mmax für el ⊥<br />

el<br />

Quelle: Tipler, Abb. 18.24, S. 637<br />

Erläuterung: M = µ ⋅ E ⋅sin(<br />

∡ µ , E)<br />

wird dann am größten, wenn <strong>der</strong> Sinus<br />

el el<br />

gleich Eins wird. Wenn also ∡ ( µ el , E)<br />

= 90°<br />

o<strong>der</strong> ∡ ( µ el , E)<br />

= 270°<br />

, dann wird<br />

sin90°= 1 bzw. sin270°=− 1 <strong>und</strong> damit M maximal (bzw. minimal, was aber<br />

nichts an<strong>der</strong>es heißt, als dass das Drehmoment dann in die entgegengesetzte<br />

Drehrichtung wirkt).<br />

Da jedes System eine Minimierung seiner potenziellen Energie Epot anstrebt,<br />

richten sich die Dipole im elektrischen Feld nur so lange aus, bis sie antiparallel<br />

zu den elektrischen Feldlinien zu liegen kommen. Überprüfung: Mit<br />

Epot, Dipol = q · U = F · d <strong>und</strong> F = q · E ergibt sich:<br />

E = q⋅ U =−q⋅E ⋅ d =−µ ⋅ E = µ ⋅ E ⋅cos(<br />

∡ µ , E)<br />

pot el el el<br />

Für einen Winkel von 180°, d.h. wenn µel <strong>und</strong> E antiparallel stehen, wird <strong>der</strong><br />

cos 180° gleich -1 <strong>und</strong> damit die potenzielle Energie minimal. Dann wirkt<br />

übrigens auch kein Drehmoment M mehr, weil <strong>der</strong> Sinus von 0° bzw. 180° Null<br />

ist.<br />

E1.16 Permanenter<br />

Dipol: Ausrichtung <strong>der</strong><br />

Graphitbälle im E-Feld


E1.21 Dielektrische<br />

Flüssigkeit wird durch E-<br />

Feld polarisiert <strong>und</strong><br />

gegen die Schwerkraft in<br />

das E-Feld gezogen<br />

30 Experimentalphysik 1 für Biologen & Chemiker<br />

Permanente Dipolmomente <strong>und</strong> Ladungsschwerpunkte S +/- einiger Moleküle. Die Dipolmomente µi <strong>der</strong><br />

einzelnen Bindungen addieren sich vektoriell zu einem Gesamtdipolmoment µ auf. Das symmetrische<br />

lineare CO2-Molekül hat kein resultierendes permanentes Dipolmoment, da sich die beiden<br />

entgegengesetzt gleichgroßen Dipolmomente <strong>der</strong> beiden C=O-Doppelbindungen gegenseitig<br />

kompensieren. Quelle: Demtrö<strong>der</strong> 2, Abb. 1.51, S. 32<br />

Die Vektorsumme aller Dipolmomente (induziert o<strong>der</strong> permanent) in N Molekülen<br />

pro Volumeneinheit V wird Polarisation P genannt:<br />

1<br />

P = ⋅∑µ<br />

el, i.<br />

V<br />

Damit ist auch die Polarisation ein Vektor.<br />

Die Polarisation erzeugt nur an den Stirnflächen des Dielektrikums<br />

Oberflächenladungen, da sich im Inneren des Dielektrikums die<br />

entgegengesetzten Ladungen benachbarter induzierter Dipole jeweils<br />

kompensieren können.<br />

Das äußere elektrische Feld E<br />

verringert sich in einem<br />

Dielektrikum aufgr<strong>und</strong> von<br />

Polarisationserscheinungen.<br />

i<br />

Die durch das äußere elektrische Feld erzeugte Polarisation im<br />

Dielektrikum führt zu Oberflächenladungen auf den Stirnflächen des<br />

Dielektrikums in einem Randbereich <strong>der</strong> Dicke d. Quelle: Demtrö<strong>der</strong> 2,<br />

Abb. 1.39 <strong>und</strong> 1.41, S. 24f.<br />

Die so erzeugte Flächenladungsdichte σpol aus induzierten Dipolen hängt mit <strong>der</strong><br />

Polarisation wie folgt zusammen:


<strong>Elektrodynamik</strong> 31<br />

σ<br />

pol<br />

Qpol Qpol ⋅d Qpol ⋅d<br />

µ<br />

P<br />

= = = = =<br />

A A⋅d V V<br />

Da sich im Inneren eines Dielektrikums durch die Polarisation ein<br />

Polarisationsfeld Epol aufbaut, das sich mithilfe des Gauß’schen Satzes<br />

über die Beziehung<br />

Q<br />

E⋅ A= ε<br />

Qpol<br />

P = = ε0⋅E<br />

A<br />

beschreiben lässt, <strong>und</strong> das dem äußeren elektrischen Feld Evak entgegen gesetzt<br />

ist, herrscht im Inneren des Dielektrikums ein kleineres effektives elektrisches<br />

Feld Eeff, das sich aus <strong>der</strong> Überlagerung von Evak <strong>und</strong> Epol ergibt:<br />

vak<br />

Eeff Evak Epol E vak<br />

.<br />

ε0εr 0<br />

pol<br />

= − = − = E P<br />

(Letztere Beziehung wurde bei <strong>der</strong> Einführung <strong>der</strong> Dielektrika besprochen.)<br />

Damit ergibt sich nach einfacher Umformung eine Beziehung zwischen<br />

Polarisation P <strong>und</strong> effektiver Feldstärke Eeff:<br />

P = ε ⋅( ε −1) ⋅ E = ε ⋅χ ⋅E<br />

.<br />

0 r eff 0 eff<br />

Die Größe χ = ( ε − 1) (chi) heißt dielektrische Suszeptibilität <strong>und</strong> soll nur <strong>der</strong><br />

r<br />

Vollständigkeit halber genannt werden, da sie sich statt εr häufig in<br />

Tabellenwerken finden lässt. Sie ist ein Maß für die „Empfindlichkeit“ des<br />

Materials gegenüber dem effektiven Feld, seine atomaren Dipole auszurichten.<br />

Um das Feld Evak auszuzeichnen, das von freien, d.h. „wahren“ Ladungen<br />

erzeugt wird (im Unterschied zu dem (Gegen-)Feld, das durch<br />

Verschiebung/Umorientierung von Ladungen entsteht), wird die sog.<br />

dielektrische Verschiebung D eingeführt:<br />

D: = ε ⋅E<br />

vak .<br />

0<br />

(D.h.: Die Quellen des elektrischen Feldes sind die Ladungen, die Ursache für<br />

die Ladungsverschiebung ist die elektrischen Feldstärke E.)<br />

.


32 Experimentalphysik 1 für Biologen & Chemiker<br />

Die influenzierte<br />

Flächenladungsdichte σ (s.a. V02)<br />

ist gleich dem Betrag <strong>der</strong><br />

elektrischen Verschiebungsdichte<br />

|D|:<br />

ΔQ<br />

σ = = D .<br />

ΔA<br />

Bei induzierten Dipolen wirkt <strong>der</strong><br />

Verschiebung d <strong>der</strong><br />

Ladungsschwerpunkte, d.h. <strong>der</strong><br />

Ladungstrennung eine<br />

rücktreibende Kraft –F entgegen,<br />

die proportional zur Auslenkung d<br />

ist (analog zum Hook’schen<br />

Gesetz in <strong>der</strong> Mechanik). Es ergibt<br />

sich damit eine Proportionalität<br />

von d ∝ E. Für das Dipolmoment<br />

folgt daraus für nicht allzu große<br />

Feldstärken (E ≤ 10 5 V/cm):<br />

µ = α · E<br />

Quelle: (Hering, Martin, Stohrer, „<strong>Physik</strong> für Ingenieure“)<br />

mit <strong>der</strong> Polarisierbarkeit α. Sie ist eine für die Atome <strong>und</strong> Moleküle des<br />

jeweiligen Dielektrikums charakteristische Größe.<br />

Plattenkondensator mit Luftspalten <strong>und</strong> Dielektrikum. Schematische Darstellung <strong>der</strong> drei elektrischen<br />

Feldgrößen. Quelle: Bergmann, Schäfer, "Lehrbuch <strong>der</strong> Experimentalphysik II", Abb. 13.5


<strong>Elektrodynamik</strong> 33<br />

V05 Piezoeffekt, Strom, Wi<strong>der</strong>stand<br />

Wie<strong>der</strong>holung<br />

• Wir haben die resultierende Kapazität bei <strong>der</strong> Parallel- <strong>und</strong><br />

Reihenschaltung von Kondensatoren berechnet. Bei Parallelanordnung<br />

summieren sich die Einzelkapazitäten, bei Serienanordnung addieren sich<br />

die Kehrwerte <strong>der</strong> Einzelkapazitäten zum Kehrwert <strong>der</strong> Gesamtkapazität.<br />

Bei einer Mischung von Parallel- <strong>und</strong> Reihenschaltung lassen sich diese<br />

beiden Vorgehensweisen kombinieren.<br />

• Wir haben im Experiment gesehen, dass sich die Kapazität eines<br />

Kondensators vergrößert, wenn wir zwischen die Kondensatorplatten ein<br />

nicht-leitendes Material einbringen, ein sog. Dielektrikum. Je nach<br />

Polarisierbarkeit dieses Materials lässt sich die Kapazität um den Faktor<br />

εr, die sog. Dielektrizitätszahl, erhöhen.<br />

• Ladungsverschiebungen in einem Molekül führen zu einem sog. Dipol.<br />

Solch ein Dipol kann entwe<strong>der</strong> durch Anlegen eines äußeren elektr.<br />

Feldes induziert werden <strong>und</strong> zu einem „induzierten Dipolmoment“ führen<br />

o<strong>der</strong> durch ein molekülinternes elektrisches Feld aufgr<strong>und</strong> <strong>der</strong><br />

unterschiedlichen Elektronegativitäten <strong>der</strong> Atome im Molekül zu einem<br />

permanentem Dipol führen. Solche Dipole sind durch das Dipolmoment,<br />

dem Produkt aus Ladung mal Abstand, gekennzeichnet <strong>und</strong> richten sich<br />

in einem äußeren elektrischen Feld aus, das ein Drehmoment solange an<br />

ihnen wirken lässt, bis die potenzielle Energie für die Dipolausrichtung ein<br />

(relatives) Minimum angenommen hat.<br />

5.1.10.1 An<strong>der</strong>e Möglichkeiten <strong>der</strong> Ladungstrennung: Piezo- <strong>und</strong> pyroelektrischer<br />

Effekt<br />

Wie im ersten Semester angedeutet,<br />

hat jede Substanz Fe<strong>der</strong>eigenschaften,<br />

selbst wenn sie sehr hart ist; sie lässt<br />

sich also stauchen <strong>und</strong> dehnen. Bei<br />

einigen Kristallen wie z.B. Turmalin,<br />

Quarz <strong>und</strong> Seignette Salz zeigen sich<br />

bei Stauchung (z.B. durch<br />

mechanischen Druck) <strong>und</strong> Dehnung<br />

o<strong>der</strong> bei Temperaturän<strong>der</strong>ungen, die<br />

eine Volumen- <strong>und</strong> damit<br />

Dichteän<strong>der</strong>ung zur Folge haben,<br />

positive <strong>und</strong> negative elektrische<br />

Ladungen auf bestimmten<br />

Kristallflächen. Die mechanische<br />

Erscheinung wird piezoelektrischer<br />

Effekt, die temperaturabhängige<br />

Erscheinung pyroelektrischer Effekt<br />

genannt.<br />

Kristallgitter ohne Symmetriezentrum: Bei einer<br />

Krafteinwirkung F in <strong>der</strong> eingezeichneten Richtung<br />

fällt <strong>der</strong> gemeinsame Schwerpunkt <strong>der</strong> drei<br />

Anionen nicht mehr mit dem Schwerpunkt <strong>der</strong> drei<br />

Kationen zusammen. Das Gitter ist nun nach<br />

außen hin geladen.<br />

Quelle: http://gammesfeld.de/piezoeffekt/<br />

Beide haben allerdings die gleiche Ursache: eine Deformation des Kristalls,<br />

einmal mechanisch, das an<strong>der</strong>e Mal durch eine temperaturbedingte<br />

Volumenän<strong>der</strong>ung.<br />

Das gemeinsame Kennzeichen dieser Kristalle ist, dass alle eine o<strong>der</strong> mehrere<br />

polare Achsen (polare Symmetrie) besitzen. Bei einer polaren Achse sind<br />

vor<strong>der</strong>es <strong>und</strong> hinteres Ende nicht vertauschbar, d.h. bei einer 180°-Drehung um


34 Experimentalphysik 1 für Biologen & Chemiker<br />

eine zur polaren Achse senkrecht stehende Achse kommen die Atome im Kristall<br />

nicht wie<strong>der</strong> zur Deckung.<br />

Piezoelektrischer Effekt: Die Oberflächenladung ist zur Längenän<strong>der</strong>ung Δl<br />

proportional:<br />

ΔQ~ Δ l (Piezo)<br />

Pyroelektrischer Effekt: Die Oberflächenladung ist zur Temperaturän<strong>der</strong>ung ΔT<br />

proportional:<br />

ΔQ~ ΔT<br />

(Pyro)<br />

Anwendungen des Piezoeffektes: Raster-Tunnel-Mikroskop (STM; scanning<br />

tunneling microscope), Raster-Kraft-Mikroskop (SFM; scanning force<br />

microscope), Feuerzeug, Beschleunigungssensoren, Drucksensoren in<br />

Automotoren, ...<br />

Funktionsprinzip eines Rasterkraftmikroskops (atomic<br />

force microscope: AFM), das die atomare Auflösung<br />

einer Oberflächenstruktur gestattet. Dabei kommt ein<br />

Piezokristall zur Feinpositionierung <strong>der</strong> Abtastspitze<br />

zum Einsatz. Die Abtastspitze (auch Cantilever<br />

genannt), eine kleine Pyramide aus Silizium auf einem<br />

Siliziumhebelarm (Länge ca. 0,1 µm), wird über die zu<br />

untersuchende Probe geführt. Die Verbiegung des<br />

Hebelarms als Folge <strong>der</strong> Oberflächenstrukturierung<br />

lenkt einen auf den Hebelarm projizierten Lichtstrahl<br />

(z.B. aus einem Laser) in eine an<strong>der</strong>e Richtung. Die<br />

Richtungsän<strong>der</strong>ung wird über einen Photodetektor<br />

quantifiziert. Sie ist proportional zur Verbiegung des<br />

Hebelarms <strong>und</strong> damit proportional zu den<br />

Höhenän<strong>der</strong>ungen <strong>der</strong> Probenoberfläche.<br />

5.2 Ströme<br />

Die Abbildung zeigt fadenförmige<br />

Kollagenmoleküle, die sich auf bioaktiven<br />

Oberflächen ansammeln. Auf dem eingefügten<br />

Bild ist ein einzelnes Kollagenmolekül zu<br />

erkennen, das mittels Rasterkraftmikroskopie<br />

aufgenommen wurde.<br />

Wenn wir Licht einschalten, verbinden wir die Glühbirne mit den Polen einer<br />

Spannungsquelle, zwischen denen eine Potenzialdifferenz besteht. Durch diese<br />

Potenzialdifferenz beginnt im Glühfaden die elektrische Ladung zu fließen -<br />

genau wie <strong>der</strong> Wasserdruck das Wasser in einem Gartenschlauch strömen lässt,<br />

sobald wir den Hahn aufdrehen. Je<strong>der</strong> Fluss von elektrischer Ladung ist ein<br />

elektrischer Strom. Hierbei haben wir normalerweise das Bild von einem Draht<br />

vor Augen, in dem Ladungsträger fließen. Es gibt jedoch auch an<strong>der</strong>e Beispiele,<br />

etwa den Elektronenstrahl in einer Fernsehröhre o<strong>der</strong> den Zonenstrahl in einem<br />

Teilchenbeschleuniger.


<strong>Elektrodynamik</strong> 35<br />

Beispiel: Bild- o<strong>der</strong><br />

Kathodenstrahlröhre [engl.<br />

cathode ray tube, Abk. CRT], ist<br />

eine <strong>der</strong> Bil<strong>der</strong>zeugung dienende<br />

Elektronenstrahlröhre, die aus den<br />

folgenden drei Gr<strong>und</strong>komponenten<br />

besteht: 1.)<br />

Elektronenstrahlerzeugung<br />

zwischen Glühkathode <strong>und</strong> Anode<br />

mit Durchtrittsloch, 2.) magnetische<br />

<strong>und</strong> elektrische Strahlablenkung<br />

<strong>und</strong> 3.) mit Leuchtmittel<br />

beschichteter Leuchtschirm.<br />

Umgeben werden die Bauteile<br />

dieser Komponenten von einem<br />

evakuierten Glaskolben, um<br />

Kollisionen <strong>der</strong> Elektronen mit<br />

Gasmolekülen zu vermeiden.<br />

Quelle: Bibliographisches Institut & F. A. Brockhaus<br />

AG, 2005<br />

Elektronen werden von einer elektrischen Hochspannung (etwa U = 50 V bis<br />

50 kV) zwischen Kathode <strong>und</strong> Anode beschleunigt, sodass sich ein<br />

Elektronenstrahl bildet.<br />

Betrachtet werden soll ein Abschnitt <strong>der</strong> Länge l eines Leitermaterials. Wenn im<br />

Zeitintervall Δt die Ladungsmenge ΔQ durch seinen Querschnitt A durchtritt, dann<br />

wird die Stromstärke I definiert als:<br />

: Q Δ<br />

I = .<br />

Δ t<br />

Sie wird in Ampère (A), d.h. einer <strong>der</strong> 7 SI-Basiseinheiten, gemessen:<br />

[I] = 1 A = 1 Ampère = 1 C·s -1 (André Marie Ampère, 1775 - 1836)<br />

Historisch bedingt weist die technische<br />

Stromrichtung von + nach -, d.h.<br />

anscheinend bewegen sich positive<br />

Ladungsträger. In Metallen sind<br />

dagegen Elektronen die<br />

Ladungsträger, d.h. <strong>der</strong> Ladungsfluss<br />

geht von – nach + <strong>und</strong> damit gegen die<br />

technische Stromrichtung. In<br />

Elektrolytlösungen (z.B. Salzlösungen)<br />

wird <strong>der</strong> Strom durch beide<br />

Ladungsträger, d.h. positive Ionen<br />

(Kationen) als auch negative Ionen<br />

(Anionen) (<strong>und</strong> evt. Elektronen)<br />

erzeugt.<br />

In <strong>der</strong> Chemie finden sich solche<br />

Elektrolytlösungen z.B. in Batterien<br />

o<strong>der</strong> werden bei <strong>der</strong> elektrochemischen<br />

Beschichtung von Metallen eingesetzt.<br />

In <strong>der</strong> Biologie sind bei <strong>der</strong> sog.<br />

Elektrophorese, die zur Trennung von<br />

Protein- o<strong>der</strong> DNA-Gemischen<br />

eingesetzt wird, geladene Proteine<br />

o<strong>der</strong> DNA-Fragmente die<br />

Agarose-Gel-Elektrophorese: Albumin (ganz<br />

rechts) wan<strong>der</strong>t am schnellsten im elektrischen<br />

Feld; es zeigen sich 5 deutliche Fraktionen.<br />

Ergebnisse einer Agarose-Gel Serumeiweiß-<br />

Elektrophorese von 20 Proben.<br />

Quelle:<br />

http://www.med4you.at/laborbef<strong>und</strong>e/techniken/


36 Experimentalphysik 1 für Biologen & Chemiker<br />

Ladungsträger, die allerdings kaum<br />

zum Stromfluss beitragen.<br />

elektrophorese/lbef_elektrophorese.htm.<br />

Die Elektrophorese kann als „unvollständige Elektrolyse“ betrachtet werden, bei<br />

<strong>der</strong> die Ionen (geladenen Proteine) nicht bis zur Elektrode kommen.<br />

5.2.1 Mikroskopisches Modell des Stromflusses<br />

Für die folgenden Überlegungen wird Ihnen die erste Abbildung im Kapitel 5.2<br />

noch einmal nützlich sein. Wird ein kleines Volumenelement V = l · A = vd · Δt · A<br />

des Leiters betrachtet, in dem die Ladungsträgerdichte N(V) = n/V beträgt, dann<br />

befinden sich darin n Ladungsträger q (Elektronen), die in <strong>der</strong> Zeiteinheit Δt mit<br />

<strong>der</strong> Driftgeschwindigkeit vd durch die Fläche A treten werden. D.h. die<br />

Gesamtladungsmenge ΔQ, die pro Zeiteinheit durch die Fläche A tritt, lässt sich<br />

nun alternativ über<br />

n<br />

⋅q⋅vd ⋅Δt ⋅A<br />

ΔQ<br />

I = = V<br />

= N( V) ⋅q⋅vd ⋅A<br />

Δt Δt<br />

zum Ausdruck bringen.<br />

Typische Ladungsträgerdriftgeschwindigkeiten<br />

liegen in <strong>der</strong><br />

Größenordnung von vd = 0,01 mm/s,<br />

sind also sehr klein.<br />

Quelle: Tipler, Abb. 22.2, S. 748<br />

Weiterhin abbremsend wirken zudem Stöße <strong>der</strong> driftenden Elektronen mit<br />

an<strong>der</strong>en Atomen o<strong>der</strong> Molekülen im Leiter, da sich diese in <strong>der</strong> Regel ebenfalls<br />

thermisch um eine Ruheposition statistisch bewegen (analog zur Brown’schen<br />

Molekularbewegung).<br />

Frage: Wieso geht das Licht dennoch sofort an, obwohl Lichtschalter <strong>und</strong><br />

Glühbirne mehre Meter Kabel verbinden? Tipp: Vergleichen Sie die Situation mit<br />

dem Wasserfluss in einem Gartenschlauch, wenn dieser leer o<strong>der</strong> bereits gefüllt<br />

ist. Braucht das Wasser in beiden Fällen gleich lang, ehe es aus dem an<strong>der</strong>en<br />

Ende des Schlauches nach Aufdrehen des Wasserhahns austritt?<br />

5.2.2 Biologische Wirkung von elektrischen Strömen<br />

Die biologische “Wirksamkeit” eines Stromflusses durch den menschlichen<br />

Körper hängt von mehreren Faktoren ab:<br />

• Größe des Stromes<br />

• Dauer des Stromflusses<br />

• Körperteil, durch den <strong>der</strong> Strom fließt<br />

Schließen wir zunächst einen Stromfluss direkt durch das Herz aus: Fühlbar wird<br />

ein Strom, wenn er um die 1 mA groß ist. Einige wenige mA rufen schon<br />

Schmerzen hervor, können aber eine ges<strong>und</strong>e Person nicht ernsthaft verletzen.<br />

Ab ca. 10 mA kann <strong>der</strong> Strom einen Muskelkrampf auslösen. Ein Loslassen <strong>der</strong><br />

spannungsführenden Teile ist dann schwierig o<strong>der</strong> unmöglich <strong>und</strong> es wird sehr<br />

gefährlich. Es kann zur Lähmung des Atemsystems kommen; Herz-Lungen-<br />

Wie<strong>der</strong>belebung kann hier erfolgreich sein (nach Trennung von Stromnetz<br />

natürlich!). Wenn Ströme über 70 mA durch den Körper fließen genügt <strong>der</strong><br />

durchs Herz fließende Anteil, um ein Vorhofflimmern auszulösen. Dauert dies<br />

länger an kommt es zum Herzstillstand.


<strong>Elektrodynamik</strong> 37<br />

Beenden lässt sich ein Vorhofflimmern nur schwer (bspw. mit einem Defibrillator).<br />

Die Größe des Stromes wird vom Körperwi<strong>der</strong>stand <strong>und</strong> dem<br />

Übergangswi<strong>der</strong>stand in den Körper bestimmt (s. folgende Kapitel). Der effektive<br />

Wi<strong>der</strong>stand zwischen zwei gegenüberliegenden Punkten des Körpers gemessen<br />

bei trockener Haut liegt bei 10 – 1000 kΩ. Bei feuchter Haut kann das unter 1 kΩ<br />

fallen. In unserem Stromnetz würde bei einer “gut geerdeten” Person mit einem<br />

<strong>der</strong>art geringen Wi<strong>der</strong>stand schon ein Strom von 240 mA fließen (240V, 1000Ω).<br />

Das ist fast immer tödlich.<br />

Der Sinn <strong>der</strong> Erdung von elektrischen Geräten ist gerade, zu verhin<strong>der</strong>n, dass im<br />

Falle einer defekten Isolierung eines spannungsführenden Teiles ein großer<br />

Anteil des Stromes bei Berührung über den Körper abfließen kann.<br />

Abschließend noch ein Vergleich <strong>der</strong> Wirksamkeit von Gleich- <strong>und</strong><br />

Wechselströmen. Das menschliche Körpergewebe hat kapazitive Anteile. Ein<br />

Ersatzschaltbild des Körpers ist deshalb eine Parallelschaltung eines<br />

Wi<strong>der</strong>standes mit einem Kondensator. Der Kondensator blockiert bei<br />

Gleichspannung, sobald er aufgeladen ist, einen möglichen Strompfad. Nicht so<br />

bei Wechselspannung. Wechselströme sind deshalb vergleichsweise gefährlicher<br />

als Gleichströme.<br />

Quelle: <strong>Universität</strong> Frankfurt, http://www.pi.physik.unifrankfurt.de/veranstaltungen/physik2pdfs/kapitel5.pdf


38 Experimentalphysik 1 für Biologen & Chemiker<br />

V06 Wi<strong>der</strong>stand <strong>und</strong> Leitfähigkeit<br />

Wie<strong>der</strong>holung<br />

• Wir haben den piezoelektrischen <strong>und</strong> den pyroelektrischen Effekt bei<br />

Kristallen mit polarer Achse kennen gelernt. Durch die Unsymmetrie<br />

kommt es bei Längenän<strong>der</strong>ungen (entwe<strong>der</strong> durch mechanischen<br />

Zug/Druck o<strong>der</strong> durch Temperaturausdehnung) zu einer<br />

Ladungstrennung.<br />

• Wir haben den Strom als die Ladungsmenge definiert, die pro Zeitfenster<br />

durch eine Fläche tritt. Die technische Stromrichtung weist von Plus nach<br />

Minus. Mikroskopisch betrachtet stellt man allerdings fest, dass die<br />

Elektronen die Ladungsträger sind. Daher weist die eigentliche<br />

Stromrichtung in metallischen Leitern von Minus nach Plus. In<br />

Salzlösungen tragen sowohl Kationen als auch Anionen zum<br />

Ladungstransport bei. Die SI-Einheit des Stroms ist das Ampere.<br />

• Die pro Zeiteinheit transportierbare Ladungsmenge, d.h. <strong>der</strong> Strom, ist<br />

einmal proportional zur angelegten Spannung, aber auch abhängig von<br />

<strong>der</strong> Beschaffenheit des Leiters <strong>und</strong> seinen Abmessungen. Die<br />

Proportionalitätskonstante zwischen Strom <strong>und</strong> Spannung wird<br />

Wi<strong>der</strong>stand R des Leiters genannt. Der Kehrwert des Wi<strong>der</strong>stands ist <strong>der</strong><br />

sog. Leitwert. Die Einheit des Wi<strong>der</strong>stands ist das Ohm, die des Leitwerts<br />

1/Ohm bzw. das Siemens.<br />

5.2.3 Wi<strong>der</strong>stand <strong>und</strong> Ohm’sches Gesetz<br />

Wird an einen Leiter ein elektrisches Feld angelegt <strong>und</strong> werden dann die<br />

Leiterenden miteinan<strong>der</strong> verb<strong>und</strong>en, dann bricht das elektrische Feld <strong>und</strong> die<br />

dadurch erzeugte Spannung U durch kurzzeitigen Stromfluss <strong>und</strong> nachfolgende<br />

Rekombination (Neutralisation) <strong>der</strong> influenzierten Ladungen nach kürzester Zeit<br />

zusammen.<br />

Geräte, die dennoch eine kontinuierliche Ladungstrennung gestatten <strong>und</strong> damit<br />

die Spannung U zwischen den beiden Leiterenden aufrecht erhalten können,<br />

auch wenn ein Strom fließt, heißen Spannungsquellen. (Wie Spannungsquellen<br />

aufgebaut sein können, werden wir in einer <strong>der</strong> folgenden St<strong>und</strong>en besprechen.)<br />

Für die meisten Materialien beobachtet man, dass die Stromstärke in einem<br />

kleinen Drahtstück zu <strong>der</strong> Potenzialdifferenz U zwischen den beiden Enden<br />

dieses Abschnitts proportional ist: I ∝ U.<br />

Dieses experimentelle Ergebnis ist als Ohm’sches Gesetzt bekannt:<br />

I = G · U<br />

mit <strong>der</strong> Proportionalitätskonstante G, dem sog. Leitwert mit <strong>der</strong> Einheit Siemens:<br />

[G] = 1 S = 1 Siemens = 1/Ω. (Werner von Siemens, 1816-1892)<br />

Bekannter ist das Ohm’sche Gesetz in <strong>der</strong> folgenden Form, bei <strong>der</strong> die Spannung<br />

(o<strong>der</strong> auch <strong>der</strong> Spannungsabfall 6 ) U zwischen den Enden eines Leiterabschnitts<br />

proportional zum Strom ist: U ∝ I<br />

6 Häufig heißt es: „Die Spannung fällt über dem Wi<strong>der</strong>stand ab“. Das ist vergleichbar mit dem<br />

durch Reibungskräfte verursachten Druckabfall einer realen Flüssigkeit, die innerhalb einer Röhre<br />

strömt. (Siehe dazu das Kapitel „Hydrodynamik“ aus dem 1. Semester.) Überhaupt wird die<br />

Spannung U gerne mit dem Druck p einer Flüssigkeit in <strong>der</strong> Mechanik verglichen. Das in einem


<strong>Elektrodynamik</strong> 39<br />

U = R · I<br />

mit <strong>der</strong> Proportionalitätskonstante R, dem sog. Ohm’schen Wi<strong>der</strong>stand mit <strong>der</strong><br />

Einheit Ohm: [R] = 1 Ω = 1 Ohm = 1 V · A -1 . (Georg Simon Ohm, 1789-1854)<br />

Der Ohm’sche Wi<strong>der</strong>stand R ist damit <strong>der</strong> Kehrwert des Leitwertes G:<br />

1<br />

R = .<br />

G<br />

Beispiele für Ohm’sche Wi<strong>der</strong>stände: Drähte, Glühbirnen (die nichts an<strong>der</strong>es als<br />

dünne (Wolfram-) Drähte im Vakuum sind, Heizdrähte in Herdplatten o<strong>der</strong> in<br />

Bügeleisen, Tauchsie<strong>der</strong>, ... .<br />

5.2.4 Strom-Spannungs-Kennlinien<br />

Nicht alle Materialien o<strong>der</strong> elektrischen Bauelemente haben eine lineare Strom-<br />

Spannungs-Kennlinie, wie es das Ohm’sche Gesetz für Wi<strong>der</strong>stände vorhersagt.<br />

Der elektrische Wi<strong>der</strong>stand R ist temperaturabhängig. Bei Metallen gilt in erster<br />

Näherung, dass <strong>der</strong> Wi<strong>der</strong>stand mit zunehmen<strong>der</strong> Temperatur zunimmt. Eine <strong>der</strong><br />

Ursachen ist die Zunahme <strong>der</strong> Gitterschwingungen bei Temperaturerhöhung, die<br />

zu einer Zunahme von Stößen <strong>der</strong> Ladungsträger mit den Atomen o<strong>der</strong><br />

Molekülen des Leiters führt, ein Reibungsphänomen, das einer Bremswirkung<br />

entspricht.<br />

Wasserturm gespeicherte Wasser strömt mit einem höheren Druck p aus einem Rohr am Fuße des<br />

Wasserturms, je höher <strong>der</strong> Wasserturm ist. Die Spannung U ist analog um so größer, je stärker das<br />

elektrische Feld E ist.<br />

E2.11 Lineare<br />

Wi<strong>der</strong>standskennlinie<br />

einer Glühbirne<br />

E2.19 T-Abhängigkeit<br />

des Ohm’schen<br />

Wi<strong>der</strong>stands


E2.45 Hoch-T-<br />

Supraleiter<br />

40 Experimentalphysik 1 für Biologen & Chemiker<br />

5.2.5 Supraleiter<br />

Es gibt allerdings auch Materialien, bei denen <strong>der</strong><br />

elektrische Wi<strong>der</strong>stand ab einer meist (sehr) tiefen<br />

Temperatur, <strong>der</strong> sog. Sprungtemperatur, vollständig<br />

verschwindet. Es können also unterhalb dieser<br />

Temperatur Ladungen ohne Stöße (<strong>und</strong> damit ohne<br />

Verluste) transportiert werden. Man sagt, diese<br />

Materialien werden bei diesen Temperaturen<br />

supraleitend. Solche Materialien heißen<br />

dementsprechend Supraleiter. Bisher sind noch<br />

keine Materialien gef<strong>und</strong>en worden, die bei<br />

Raumtemperatur Supraleitung zeigen.<br />

Die Ladungsmenge, die pro Zeiteinheit fließen kann,<br />

ist stark abhängig von <strong>der</strong> Geometrie des Leiters. Der<br />

Wi<strong>der</strong>stand ist umso größer,<br />

je länger die Leiterlänge l <strong>und</strong><br />

je kleiner <strong>der</strong> Leiterquerschnitt A ist:<br />

l 1 l<br />

R = ρ ⋅ = ⋅<br />

A σ A<br />

ρ ist <strong>der</strong> spezifische Wi<strong>der</strong>stand, [ρ] = Ω · m,<br />

1<br />

-1 -1 1 S<br />

σ = ist die spezifische Leitfähigkeit, [ σ ] =Ω ⋅ m = = .<br />

ρ<br />

Ω⋅m<br />

m<br />

Verlauf des Wi<strong>der</strong>stands von<br />

Quecksilber (Hg) als Funktion<br />

<strong>der</strong> Temperatur. Bei <strong>der</strong><br />

Sprungtemperatur von<br />

TC = 4,2 K fällt <strong>der</strong> Wi<strong>der</strong>stand<br />

sprunghaft ab. Quelle: Tipler,<br />

Abb. 22.6, S. 755<br />

(Nicht zu verwechseln mit <strong>der</strong> gleichnamigen Flächenladungsdichte σ aus V04!)<br />

ρ <strong>und</strong> σ sind Materialkonstanten <strong>und</strong> in Tabellenwerken zu finden.<br />

Wird (wie bei <strong>der</strong> Definition des Stroms) wie<strong>der</strong> nach den Größen gefahndet, die<br />

auf mikroskopischer Ebene die Leitfähigkeit bestimmen, dann findet sich, dass<br />

die spezifische Leitfähigkeit σ abhängig von <strong>der</strong> Ladungsträgerdichte N(V) = n/V<br />

<strong>und</strong> <strong>der</strong> Beweglichkeit u <strong>der</strong> Ladungsträger mit <strong>der</strong> Ladung q ist:<br />

σ = N ⋅q⋅ u<br />

( V)<br />

Tragen mehrere verschiedene Ladungsträger zum Ladungstransport bei (z.B. in<br />

Elektrolyten, d.h. z.B. salzhaltigen Lösungen), dann setzt sich σ aus <strong>der</strong> Summe<br />

<strong>der</strong> einzelnen Beiträge zusammen:<br />

∑<br />

σ = N ⋅q ⋅u<br />

.<br />

i<br />

( V), i i i<br />

Je stärker das elektrische Feld, desto höher wird die Driftgeschwindigkeit <strong>der</strong><br />

Ladungsträger sein. Die Beweglichkeit u ist dabei <strong>der</strong> Proportionalitätsfaktor<br />

zwischen <strong>der</strong> Driftgeschwindigkeit vd <strong>und</strong> dem elektrischen Feld E:<br />

vd= u⋅ E<br />

⎛ 1 ℓ ⎞<br />

1<br />

U = E⋅ ℓ = R⋅ I = ⎜ ⋅ ⋅ N ⋅q⋅ v A = ⋅ N ⋅ q ⋅v<br />

σ A<br />

⎟<br />

)<br />

⎝ ⎠<br />

N q u<br />

(wegen ( )<br />

Die Einheit <strong>der</strong> Beweglichkeit ist damit<br />

( V) d ( V) d<br />

( V ) ⋅ ⋅


<strong>Elektrodynamik</strong> 41<br />

[u] = 1<br />

2<br />

m<br />

.<br />

V ⋅ s<br />

Spezifische (Elektronen-) Leitfähigkeiten σ einiger Elemente bei 25°C:<br />

Material σ ·10 6<br />

[Ω -1 m -1 ] = [S/m]<br />

C Kohlenstoff (Diamant) 10 -10<br />

Si Silizium 4,35·10 -7<br />

C Kohlenstoff (Graphit, parallel zu den Schichten) 3,00<br />

Fe Eisen 10,29<br />

Al Aluminium 37,66<br />

Au Gold 42,55<br />

Cu Kupfer 59,77<br />

Ag Silber 62,89<br />

Quelle: http://www.chemie-master.de/pse/pse.php?modul=tab12<br />

Bei Festkörpern, insbeson<strong>der</strong>e bei den Metallen, gibt es eine enge Beziehung<br />

zwischen elektrischer Leitfähigkeit <strong>und</strong> Wärmeleitfähigkeit. Gute elektrische<br />

Leiter sind im Allgemeinen auch gute Wärmeleiter.<br />

Die Abhängigkeit des Wi<strong>der</strong>stands von<br />

den Abmessungen lässt sich z.B. in<br />

Dehnmessstreifen nutzen (Än<strong>der</strong>ung<br />

des Querschnitts A <strong>und</strong> <strong>der</strong> Länge l bei<br />

Zug bzw. Stauchung). In eine Membran<br />

eingebaut lassen sich so z.B. leicht<br />

Drücke o<strong>der</strong> kleine Stellwege messen.<br />

5.2.6 Variable Wi<strong>der</strong>stände: Potentiometer<br />

Dehnungsmessstreifen (DMS) zur Messung von<br />

Längen- <strong>und</strong> Querschnittsän<strong>der</strong>ungen am<br />

Wi<strong>der</strong>standsdraht<br />

Die Abhängigkeit des Wi<strong>der</strong>stands von den Abmessungen des Leiters lässt sich<br />

ebenfalls nutzen, um sog. Spannungsteiler o<strong>der</strong> Potentiometer, d.h. variable<br />

Wi<strong>der</strong>stände zu bauen:<br />

Für die Spannungen U bzw. Ux gelten nach dem<br />

Ohm’schen Gesetz:<br />

ℓ<br />

U = R⋅ I = ρ ⋅ ⋅I<br />

bzw.<br />

A<br />

x<br />

Ux = Rx ⋅ I = ρ ⋅ ⋅ I .<br />

A<br />

Division <strong>der</strong> beiden Gleichungen führt zu <strong>der</strong><br />

Beziehung:<br />

x<br />

Ux= ⋅U<br />

.<br />

ℓ<br />

Quelle: Staudt, Experimentalphysik 2<br />

E2.20<br />

Materialabhängigkeit des<br />

el. Wi<strong>der</strong>stands: Cu-Fe-<br />

Kettenglie<strong>der</strong>: Fe glüht<br />

eher als Cu<br />

E2.44<br />

Dehn(ungs)messstreifen:<br />

R abhängig von A <strong>und</strong> l.


E2.8 Potentiometer<br />

42 Experimentalphysik 1 für Biologen & Chemiker<br />

5.2.7 Mikroskopische Betrachtung von Leitungsvorgängen<br />

Auf mikroskopischer, d.h. atomarer o<strong>der</strong> molekularer Ebene zeigt sich, dass sich<br />

Elektronen nicht an einem beliebigen Ort aufhalten dürfen <strong>und</strong> sie nicht jede<br />

beliebige Energie annehmen dürfen (wie wir es für an<strong>der</strong>e Objekte des<br />

alltäglichen Lebens gewohnt sind). Vielmehr befinden sie sich in sog. Orbitalen;<br />

ihre Energie kann immer nur ein Vielfaches einer Mindestenergie sein; sie ist also<br />

„gequantelt“. In <strong>der</strong> Quantentheorie werden die Aufenthaltsräume, in denen sich<br />

die Elektronen in <strong>der</strong> Elektronenhülle eines Atoms mit 90%iger<br />

Wahrscheinlichkeit aufhalten, Atomorbitale (AO) genannt. Jedes Orbital hat eine<br />

bestimmte potenzielle Energie Epot, ein sog. „Energieniveau“. Jedes Orbital kann<br />

von maximal zwei Elektronen gleichzeitig besetzt werden (Pauli-Prinzip).<br />

Werden mehrere Atome zu Molekülen o<strong>der</strong> Festkörpern vereinigt, dann kommt<br />

es auch zu einer Wechselwirkung <strong>und</strong> energetischen Aufspaltung <strong>der</strong> einzelnen<br />

Atomorbitale in nie<strong>der</strong>-energetische „bindende“ <strong>und</strong> höher-energetische<br />

„antibindende“ Molekülorbitale (MO). Gewisse Regeln zur Befüllung <strong>der</strong><br />

Orbitale mit Elektronen (z.B. H<strong>und</strong>’sche Regel) lassen eine Aussage zu, ob es<br />

zu einer Molekülbindung kommt <strong>und</strong> wie stark diese sein wird. (Bücher <strong>der</strong><br />

anorganischen o<strong>der</strong> physikalischen Chemie werden Ihnen ein detaillierteres Bild<br />

dazu vermitteln können.)<br />

Wasserstoff <strong>und</strong> Helium haben jeweils ein sog. s-Orbital. Beim Wasserstoff ist<br />

dieses Orbital mit einem Elektron gefüllt, beim Helium mit zwei Elektronen<br />

(nachfolgend als kleine, entgegengesetzt orientierte Pfeile symbolisiert; die<br />

Pfeilrichtung symbolisiert übrigens den sog. Elektronenspin, was im<br />

mechanischen Bild dem Eigendrehimpuls eines Elektrons entspräche).<br />

MO-Schema für zwei Wasserstoffatome (H), die zu<br />

einem Wasserstoffmolekül H2 verb<strong>und</strong>en werden.<br />

Links (1s(a)) <strong>und</strong> rechts (1s(b)) in <strong>der</strong> Skizze sind<br />

die s-Atomorbitale zweier H-Atome mit ihren<br />

beiden Elektronen zu sehen. In <strong>der</strong> Mitte ist die<br />

Situation dargestellt, in <strong>der</strong> zwei H-Atome so weit<br />

angenähert werden, dass ihre Atomorbitale<br />

miteinan<strong>der</strong> wechselwirken können <strong>und</strong><br />

Molekülorbitale bilden. Es kommt dabei zu einer<br />

energetischen Aufspaltung in ein energetisch tiefer<br />

liegendes, sog. bindendes Sigma-Orbital <strong>und</strong> ein<br />

energiereicheres, sog. antibindendes Sigma-<br />

Orbital. Da zwei H-Atome insgesamt zwei<br />

Elektronen beitragen, ist das bindende<br />

Molekülorbital (MO) voll besetzt, das antibindende<br />

MO dagegen leer. Ist das antibindende Orbital mit<br />

weniger Elektronen besetzt als das bindende, dann<br />

kommt es zur Ausbildung einer Molekülbindung.<br />

Daher gehen die beiden H-Atome eine<br />

Molekülbindung zur Bildung von H2 ein.<br />

MO-Schema für zwei Heliumatome (He), die keine<br />

Molekülbindung eingehen, da bindendes <strong>und</strong><br />

antibindendes Molekülorbital mit gleicher Anzahl an<br />

Elektronen gefüllt sind.<br />

Links (1s(a)) <strong>und</strong> rechts (1s(b)) in <strong>der</strong> Skizze sind<br />

die s-Orbitale zweier He-Atome mit ihren beiden<br />

Elektronen zu sehen. In <strong>der</strong> Mitte ist die Situation<br />

dargestellt, in <strong>der</strong> zwei He-Atome so weit<br />

angenähert werden, dass ihre Orbitale miteinan<strong>der</strong><br />

wechselwirken können: Es kommt zu einer<br />

energetischen Aufspaltung in ein sog. bindendes<br />

Sigma-Orbital <strong>und</strong> ein sog. antibindendes Sigma-<br />

Orbital. Da sowohl bindendes als auch<br />

antibindendes Orbital voll besetzt sind, heben sich<br />

binden<strong>der</strong> <strong>und</strong> anti-binden<strong>der</strong> Charakter <strong>der</strong><br />

Wechselwirkung gerade gegenseitig auf. Dies<br />

erklärt, warum es kein He-Molekül gibt.


<strong>Elektrodynamik</strong> 43<br />

In ausgedehnten Festkörpern (aus<br />

vielen Atomen) verschmelzen die<br />

Molekülorbitale (MO) zu sog.<br />

„Bän<strong>der</strong>n“. Die nicht-besetzten<br />

antibindenden Molekülorbitale werden<br />

dann „Leitungsband“ genannt, die<br />

besetzten bindenden Molekülorbitale<br />

werden „Valenzband“ genannt.<br />

Übergang vom Einzelatom zum Festkörper:<br />

Erlaubte Energiezustände <strong>der</strong> Elektronen im Atom,<br />

Molekül <strong>und</strong> Festkörper. Es zeigt sich, dass die<br />

Elektronen nur diskrete Energiezustände<br />

einnehmen können, die auf einer Energieleiter<br />

angeordnet sind.<br />

In einem Festkörper stehen sehr viele Elektronen in Wechselwirkung miteinan<strong>der</strong>, was dazu<br />

führt, dass die erlaubten Energieniveaus zu Bän<strong>der</strong>n verbreitert werden, die durch verbotene<br />

Zonen getrennt sind. Quelle: Hering, Elektronik für Ingenieure, Abb. 1-53, S.59.<br />

Ob ein Festkörper ein elektrischer Leiter ist o<strong>der</strong> ein Isolator, lässt sich über den<br />

energetischen Abstand ΔE, die sog. „Bandlücke“ (eine Energiebarriere,<br />

gewissermaßen eine „verbotene“ Zone, in <strong>der</strong> sich keine Elektronen aufhalten<br />

können), zwischen Valenz- <strong>und</strong> Leitungsband entscheiden:<br />

ΔEIsolator > 5 eV ΔEHalbleiter > 0 eV ΔELeiter = 0 eV<br />

EF ist die sog. Fermi-Energie. Bei Isolatoren, Eigenhalbleitern (d.h. nicht-dotierten Halbleitern (Dotierung<br />

s.u.) wie reinem Silizium) <strong>und</strong> Metallen beschreibt sie die Energie, die genau zwischen Valenz- <strong>und</strong><br />

Leitungsband liegt.<br />

Nur wenn es freie Elektronen (bzw. Positronen) im Leitungsband (Valenzband)<br />

gibt, ist das Material elektrisch leitend.<br />

5.2.8 Halbleiter<br />

Neben den elektrisch nicht-leitenden Isolatoren <strong>und</strong> den elektrisch leitenden<br />

Metallen gibt es noch sog. „Halbleiter“ (o<strong>der</strong> „Halbmetalle“), bei denen die<br />

Bandlücke gerade so groß ist, dass sie die Elektronen aus dem Valenzband<br />

durch thermische (d.h. Wärme) o<strong>der</strong> elektromagnetische (z.B. Lichteinstrahlung)<br />

Anregung überwinden können. Unter diesen Bedingungen wird aus dem Nichtleiter<br />

ein leitendes Material, dessen elektrische Leitfähigkeit allerdings unter <strong>der</strong><br />

von Metallen liegt. Beispiele sind Silizium (Si) o<strong>der</strong> Germaniumarsenid (GeAs),<br />

aus denen mo<strong>der</strong>ne Transistoren o<strong>der</strong> Solarzellen gefertigt werden (z.B.<br />

Computerprozessoren o<strong>der</strong> Speicherbausteine).<br />

Bei reinem Si mit jeweils 4 Valenzelektronen ist die Bandlücke mit ΔE = 1,2 eV so<br />

groß, dass bei Raumtemperatur kein messbarer Strom fließt. Werden dem Si


E2.33 Wi<strong>der</strong>stand mit<br />

negativem T-<br />

Koeffizienten (NTC) bei<br />

einem Halbleiter<br />

E2.27 Stromleitung in<br />

Flüssigkeiten<br />

44 Experimentalphysik 1 für Biologen & Chemiker<br />

allerdings in geringer Menge an<strong>der</strong>e Atome beigemischt, die entwe<strong>der</strong> leicht e -<br />

abgeben (z.B. Phosphor mit 5 statt 4 Valenzelektronen) o<strong>der</strong> aufnehmen (z.B.<br />

Bor mit 3 statt 4 Valenzelektronen), dann lässt sich die Leitfähigkeit erhöhen.<br />

Man spricht von einer sog. „Dotierung“ mit Fremdatomen. Durch Dotierung kann<br />

ein Halbleiter gezielt mit negativen o<strong>der</strong> positiven Ladungsträgern ausgestattet<br />

<strong>und</strong> seine Leitfähigkeit definiert werden.<br />

Reiner Halbleiter: Der<br />

Halbleiterkristall beruht auf einem<br />

Kristallgitter aus 4-wertigen<br />

Atomen, die jeweils durch vier<br />

Elektronenpaare geb<strong>und</strong>en sind.<br />

Diese Elektronen füllen das<br />

Valenzband vollständig.<br />

n-dotierter Halbleiter: Dotierung<br />

mit 5-wertigen Atomen (z.B.<br />

Phosphor) hinterlässt im Gitter<br />

ein für die Bindung nicht<br />

erfor<strong>der</strong>liches Elektron in einem<br />

energetisch über dem<br />

Valenzband liegenden Orbital.<br />

Mit nur geringer Energie kann es<br />

ins Leitungsband angehoben<br />

werden <strong>und</strong> ist hier beweglich.<br />

Ein solches Atom nennt man<br />

einen Elektronen-Donator (lat.<br />

donare = geben). Der Kristall<br />

wird mit beweglichen negativen<br />

Ladungsträgern ausgestattet,<br />

man spricht von einer n-<br />

Dotierung. Zugleich bleibt ein<br />

positiver Atomrumpf im Gitter<br />

zurück.<br />

p-dotierter Halbleiter: Dotierung mit<br />

3-wertigen Atomen (z.B. Bor) führt zu<br />

einer ungesättigten Bindung, in <strong>der</strong><br />

ein Elektron fehlt. Dieses kann mit<br />

geringem Energieaufwand aus einer<br />

an<strong>der</strong>en Bindung gerissen werden.<br />

Ein solches Atom nennt man einen<br />

Elektronen-Akzeptor (lat. accipere =<br />

annehmen). Sein leeres Orbital liegt<br />

energetisch knapp oberhalb des<br />

Valenzbandes. Durch Füllen des<br />

Orbitals mit einem Elektron aus dem<br />

Valenzband entsteht eine negative<br />

ortsfeste Ladung. Zugleich<br />

hinterlässt das Elektron im<br />

Halbleiterkristall eine Lücke, die<br />

durch ein an<strong>der</strong>es Elektron aufgefüllt<br />

werden kann, also eine bewegliche<br />

Elektronenfehlstelle (<strong>und</strong> damit eine<br />

positive Ladung). Im Resultat hat<br />

man eine negative feste <strong>und</strong> eine<br />

positive bewegliche Ladung<br />

eingebracht. Man spricht dann von p-<br />

Dotierung.<br />

An<strong>der</strong>s als bei einem Metall nimmt <strong>der</strong> elektrische Wi<strong>der</strong>stand eines Halbleiter<br />

mit zunehmen<strong>der</strong> Temperatur ab, da mehr Elektronen die Energielücke ΔE<br />

zwischen Valenz- <strong>und</strong> Leitungsband überwinden können. Allerdings darf nicht<br />

vergessen werden, dass die Leitfähigkeit von Halbleitern auch bei höheren<br />

Temperaturen nach wie vor weit unter <strong>der</strong> von Metallen liegt.<br />

5.2.9 Elektrische Leitung in Flüssigkeiten<br />

In Flüssigkeiten übernehmen nicht freie Elektronen son<strong>der</strong>n Ionen (Kationen <strong>und</strong><br />

Anionen) den Ladungstransport.<br />

Reines Wasser zeichnet sich durch eine sehr geringe Leitfähigkeit aus, da nur<br />

sehr wenige Ionen (H + <strong>und</strong> OH - ) vorliegen. Sie steigt, wenn dem Wasser ionenbildende<br />

Salze, Säuren o<strong>der</strong> Basen hinzugefügt werden. Dementsprechend hat<br />

Meerwasser eine höhere elektrische Leitfähigkeit als Süßwasser.


<strong>Elektrodynamik</strong> 45<br />

Spezifische (Ionen-) Leitfähigkeiten σ einiger Flüssigkeiten (vgl. mit den für<br />

Metalle besprochenen σ!):<br />

Flüssigkeit Leitfähigkeit σ<br />

[µS/cm]<br />

Lösungsmittel Hexan 10 -12<br />

Destilliertes Wasser ≤ 1<br />

Regenwasser 5 - 30<br />

Gr<strong>und</strong>wasser (Süßwasser) 30 - 2000<br />

1 molare HCl ~ 10.000<br />

Meerwasser 45.000 - 55.000<br />

5.2.10 Elektrische Leitung in Gasen<br />

Gase sind typischerweise Isolatoren, außer sie werden durch thermische o<strong>der</strong><br />

Strahlungsenergie o<strong>der</strong> an<strong>der</strong>e Ladungsträger ionisiert. Ein Gas mit einem<br />

nennenswerten Anteil an freien Ladungsträgern wie Ionen, Atomrümpfen,<br />

geladenen Molekülfragmenten o<strong>der</strong> Elektronen heißt Plasma 7 . Allerdings sind<br />

Plasmen nach außen hin meist elektrisch neutral. Durch Rekombination von<br />

Elektronen mit den Ionen verschwinden die Ladungen rasch wie<strong>der</strong>.<br />

Natürliches Vorkommen von Plasma:<br />

• Sonne o<strong>der</strong> an<strong>der</strong>en Sternen, <strong>der</strong><br />

Sonnenkorona <strong>und</strong> dem Sonnenwind<br />

• Blitze<br />

• Flammen<br />

• Polarlicht<br />

• Ionosphäre<br />

• (leuchtende) Gasnebel im Weltall<br />

• Quark-Gluon-Plasma in hypothetischen<br />

Quarksternen<br />

Weil Sonne <strong>und</strong> Sterne aus Plasma bestehen,<br />

liegen über 99% aller sichtbaren Materie des<br />

Universums als Plasma vor.<br />

Künstlich erzeugte Plasmen<br />

• Beleuchtungstechnik: in Leuchtstoffröhren (Energiesparlampen),<br />

Bogenlampen, <strong>und</strong> allgemein Gasentladungslampen.<br />

7 Neben den drei vertrauten Aggregatzuständen <strong>der</strong> Materie – fest, flüssig <strong>und</strong> gasförmig – wird das<br />

Plasma häufig als vierter Aggregatzustand angesehen.<br />

E2.6 Flüssigkeitspotenziometer<br />

E2.22<br />

Gasentladungsröhre<br />

(E2.23 Geißler-Röhre)


46 Experimentalphysik 1 für Biologen & Chemiker<br />

• Halbleitertechnik: zum Plasmaätzen <strong>und</strong> zur plasmainduzierten<br />

Materialabscheidung (plasma-enhanced chemical vapor<br />

deposition: PECVD)<br />

• In <strong>der</strong> Werkstofftechnik: zur Oberflächenmodifizierung durch<br />

plasmainduzierte Materialabscheidung (PECVD <strong>und</strong><br />

Plasmapolymerisation), Oberflächenhärtung o<strong>der</strong><br />

Plasmaoxidation, z.B. Verspiegelungen, Anti-Haft-Schichten,<br />

etc.<br />

• In <strong>der</strong> Analysentechnik zum Aufschließen von<br />

Probenmaterialien (Plasmaveraschung) <strong>und</strong> in Messgeräten<br />

zum Spurennachweis von Metallen (ICP, ICP-MS)<br />

• In <strong>der</strong> Werkstoffverarbeitung beim Schweißen<br />

• In <strong>der</strong> Bildschirmtechnik im Plasmabildschirm<br />

• In <strong>der</strong> Energieforschung im Kernfusionsexperiment


<strong>Elektrodynamik</strong> 47<br />

V07 Kirchhoff’sche Regeln, Spannungsquellen, Elektrische<br />

Leistung, Elektrochemie<br />

Wie<strong>der</strong>holung<br />

• Wir haben gesehen, dass <strong>der</strong> elektrische Wi<strong>der</strong>stand eines Materials<br />

sowohl von <strong>der</strong> Art des Materials (Isolator, Halbleiter, metallischer Leiter,<br />

Ionenleiter (Elektrolyt), Plasma), als auch von seinen Abmessungen<br />

(Länge, Querschnitt) wie auch von äußeren Faktoren (Temperatur)<br />

abhängig ist. Diese Abhängigkeit lässt sich dazu nutzen, Wi<strong>der</strong>stände für<br />

verschiedene Messaufgaben einzusetzen (z.B. Temperaturmessungen,<br />

Verbiegungen, ...).<br />

• Isolatoren, Halbleiter <strong>und</strong> Leiter lassen sich mikroskopisch über das<br />

gleiche Bild von Valenz- <strong>und</strong> Leitungsband beschreiben. Diese Bän<strong>der</strong><br />

sind ursprünglich aus Atom- <strong>und</strong> Molekülorbitalen hervorgegangen.<br />

Lediglich die Energielücke zwischen diesen Bän<strong>der</strong>n bestimmt die<br />

Elektronen-Leitungseigenschaften eines Materials.<br />

5.2.11 Elektrische Leistung <strong>und</strong> Joule’sche Wärme<br />

Mit <strong>der</strong> Definition für die Leistung P = Arbeit W pro Zeit t ergibt sich aus den<br />

bisher betrachteten Beziehungen für die potenzielle Energie <strong>und</strong> den Strom 8 :<br />

2<br />

⎛ 2 ⎞<br />

W E U ⋅q<br />

q U<br />

P = = = = U ⋅ = U ⋅ I ⎜= R⋅ I = ⎟<br />

t t t t ⎝ R ⎠<br />

[P] = 1 V · A = 1 Watt = 1 W (James Watt, 1736-1819)<br />

Wie erläutert, stellt ein Leiter infolge <strong>der</strong> Zusammenstöße <strong>der</strong> Ladungsträger mit<br />

den Atomen des Leiters (Gitterbausteinen) dem elektrischen Strom I einen<br />

Wi<strong>der</strong>stand R entgegen. Eine Folge dieser Reibung ist die Erwärmung des<br />

stromdurchflossenen Leiters. Die Wärmeleistung P, die <strong>der</strong> Leiter mit dem<br />

Wi<strong>der</strong>stand R dabei aufnimmt, wird Joule’sche Wärme genannt. Beispiel: Eine<br />

Glühbirne gibt 95% <strong>der</strong> Energie in Form von Wärme ab <strong>und</strong> wandelt nur 5% in<br />

Licht.<br />

5.2.12 Ströme in verzeigten Stromkreisen – Kirchhoff’sche Regeln <strong>und</strong><br />

Berechnung des Gesamtwi<strong>der</strong>stands<br />

Elektrischen Schaltungen bestehen häufig aus einem Netzwerk von Leitern,<br />

Spannungsquellen, Wi<strong>der</strong>ständen <strong>und</strong> Kondensatoren, die sich verzweigen bzw.<br />

in Knotenpunkten zusammenlaufen können. Um die Spannungen U <strong>und</strong> Ströme I<br />

an jedem Punkt einer Schaltung berechnen zu können, helfen die zwei sog.<br />

Kirchoff’schen Regeln weiter.<br />

5.2.12.1 Erste Kirchhoff’sche Regel: Knotenregel<br />

Da<br />

• in einem Stromnetz we<strong>der</strong> Ladungen erzeugt noch vernichtet<br />

werden können (Ladungserhaltung)<br />

• <strong>und</strong> es auch nicht zu einer lokalen Ladungsanhäufung kommen<br />

kann, d.h. eine Ladung, die zu einem gegebenen Zeitpunkt zu<br />

einem Punkt des Netzes hinfließt, von dort auch wie<strong>der</strong><br />

abfließen muss,<br />

8 Vergleichen Sie dazu auch die Leistung, die von einem Kondensator erbracht werden kann (V03).


48 Experimentalphysik 1 für Biologen & Chemiker<br />

gilt:<br />

Die Summe aller Ströme, die zu einem Knoten hinfließen, ist gleich <strong>der</strong> Summe<br />

<strong>der</strong> Ströme, die von diesem Knoten wegfließen. (Knotenregel)<br />

Ankommende Ströme werden positiv gezählt, abfließende Ströme negativ.<br />

Beispiel:<br />

Mathematisch ausgedrückt:<br />

ges, hin gesweg , 0<br />

Gemäß <strong>der</strong> Kirchoff’schen Knotenregel ist <strong>der</strong> Strom I1, <strong>der</strong><br />

zum Punkt a (Knoten) hinfließt (positiv), gleich <strong>der</strong> Summe <strong>der</strong><br />

Ströme I2 + I3, die von a wegfließen (negativ). Quelle: Tipler,<br />

Abb. 23.2, S. 782<br />

∑<br />

+ I − I = <strong>und</strong> damit I = 0<br />

5.2.12.2 Zweite Kirchhoff’sche Regel: Maschenregel<br />

Die zweite Kirchhoff’sche Regel gilt für geschlossene Schleifen (Maschen)<br />

zwischen zwei Punkten, d.h. in einem geschlossenen Stromkreis. Hier muss die<br />

Summe aller erzeugten <strong>und</strong> verbrauchten Spannungen gleich sein:<br />

Beim Durchlaufen einer geschlossenen Schleife (Masche) eines Stromnetzes in<br />

einem willkürlich festgelegten Umlaufsinn ist die Summe aller Spannungen gleich<br />

null. (Maschenregel)<br />

Mathematisch ausgedrückt:<br />

O<strong>der</strong> an<strong>der</strong>s ausgedrückt:<br />

∑<br />

Masche, i<br />

U = 0<br />

In einer geschlossenen Schleife (Masche) eines Stromnetzes ist die Summe <strong>der</strong><br />

Quellenspannungen UQm gleich <strong>der</strong> Summe <strong>der</strong> Spannungsabfälle an den<br />

Wi<strong>der</strong>ständen In·Rn:<br />

∑ U = ∑ I⋅R .<br />

Qm n<br />

Masche, m Masche, n<br />

Um die Vorzeichen <strong>der</strong> Spannungen eindeutig bestimmen zu können, erweisen<br />

sich die folgenden „Neben“-Regeln als nützlich:<br />

Wi<strong>der</strong>standsregel: Durchläuft <strong>der</strong> Strom einen Wi<strong>der</strong>stand Ri in technischer<br />

Stromrichtung, dann än<strong>der</strong>t sich das Potenzial Ui dabei um –Ri · I, durchläuft er<br />

ihn entgegen <strong>der</strong> technischen Stromrichtung, so ist die Potenzialän<strong>der</strong>ung gleich<br />

+Ri · I.<br />

Spannungsregel: Bewegt man sich durch eine (ideale) Spannungsquelle Q vom<br />

Minuspol (–) zum Pluspol (+), dann ist die Potenzialän<strong>der</strong>ung UQ > 0; in<br />

Gegenrichtung ist sie UQ < 0.<br />

Beispiel:<br />

i<br />

i<br />

i


<strong>Elektrodynamik</strong> 49<br />

Die Spannungsquelle UQ1 liefere eine<br />

höhere Spannung als die<br />

Spannungsquelle UQ2. Damit ist die techn.<br />

Stromrichtung vorgegeben, d.h. <strong>der</strong> Strom<br />

I fließt im Uhrzeigersinn. Die + <strong>und</strong> -<br />

Zeichen an den Wi<strong>der</strong>ständen sollen<br />

daran erinnern, welche Seite eines jeden<br />

Wi<strong>der</strong>stands bei <strong>der</strong> gegebenen<br />

Stromrichtung auf höherem (+) bzw.<br />

niedrigerem (-) Potenzial liegen. Hinweis:<br />

<strong>der</strong> kleine Index i an den beiden<br />

Wi<strong>der</strong>ständen Ri1 <strong>und</strong> Ri2 soll darauf<br />

hinweisen, dass hier die sog.<br />

„Innenwi<strong>der</strong>stände“ <strong>der</strong> Spannungsquellen<br />

UQ1 <strong>und</strong> UQ2 gemeint sind. Darauf wird<br />

bei <strong>der</strong> Besprechung von<br />

Spannungsquellen genauer eingegangen.<br />

Verwechseln Sie das kleine i also nicht mit<br />

<strong>der</strong> Zählvariablen i in den beiden<br />

mathematischen Formulierungen <strong>der</strong><br />

Kirchhoff’schen Gesetze.<br />

Quelle: Tipler, Abb. 23.2, S. 783<br />

Beim Durchlaufen (von Punkt a aus) ergibt sich also in obiger Masche für die<br />

einzelnen Spannungsabfälle über die Wi<strong>der</strong>stände <strong>und</strong> die Durchgänge durch die<br />

beiden Spannungsquellen:<br />

−⋅ I R −I⋅R −U −I⋅R −I⋅ R + U −I⋅ R = .<br />

1 2 2 2 3 1 1 0<br />

Q i Q i<br />

5.2.12.3 Gesamtwi<strong>der</strong>stand bei Reihenschaltung (= Serienschaltung) von<br />

Wi<strong>der</strong>ständen<br />

Die Kirchhoff’sche Maschenregel gestattet jetzt eine einfache Berechnung des<br />

Gesamtwi<strong>der</strong>standes Rges in einer Serienverschaltung von einzelnen<br />

Wi<strong>der</strong>ständen Ri:<br />

o<strong>der</strong> allgemein:<br />

Mit<br />

∑ ∑<br />

U = I⋅R Qm n<br />

Masche, m Masche, n<br />

ergibt sich mit <strong>der</strong> Maschenregel:<br />

UQ - I·R1 - I·R2 = 0 bzw. daraus<br />

UQ = I·Rges = I·R1 + I·R2 = U1 + U2<br />

I·Rges = I·(R1 + R2)<br />

d.h.<br />

R = ∑ R<br />

ges, ser i<br />

i<br />

Rges = R1 + R2.<br />

5.2.12.4 Gesamtwi<strong>der</strong>stand bei Parallelschaltung von Wi<strong>der</strong>ständen<br />

Ebenso lässt sich <strong>der</strong> Gesamtwi<strong>der</strong>standes Rges in einer Parallelverschaltung<br />

von einzelnen Wi<strong>der</strong>ständen Ri durch Kombination von Knoten- <strong>und</strong> mehrmaliger


50 Experimentalphysik 1 für Biologen & Chemiker<br />

Anwendung <strong>der</strong> Maschenregel berechnen. Beachten Sie, dass es insgesamt drei<br />

geschlossene Maschen gibt: abcdefgh, abcyzfgh <strong>und</strong> dcyzfe.<br />

<strong>und</strong> ein an<strong>der</strong>es Mal für die Schleife dcyzfe:<br />

Mit <strong>der</strong> Knotenregel<br />

+I0 - I1 - I2 = 0 bzw. an<strong>der</strong>s<br />

ausgedrückt<br />

I0 = I1 + I2<br />

am Punkt A <strong>und</strong> zweimaliger<br />

Anwendung <strong>der</strong> Maschenregel, z.B.<br />

einmal für die Schleife abcdefgh:<br />

UQ = I0 · Rges = I1 · R1 o<strong>der</strong> I1 = UQ/R1<br />

UQ = 0 = I2 · R2 - I1 · R1 (weil es hier keine Spannungsquelle UQ gibt; außerdem:<br />

gemäß <strong>der</strong> Wi<strong>der</strong>standsnebenregel ist für den gewählten Umlaufsinn durch R2<br />

von – nach + das Produkt I2·R2 positiv, wogegen das Produkt I1 · R1 wegen <strong>der</strong><br />

Richtung von + nach – negativ sein muss).<br />

D.h. I2 · R2 = I1 · R1 .<br />

Damit ist also UQ ebenfalls<br />

UQ = I2 · R2 o<strong>der</strong> I2 = UQ/R2<br />

Kombination <strong>der</strong> drei Gleichungen ergibt:<br />

U U U<br />

I = = I + I = +<br />

Q Q Q<br />

0<br />

Rges 1 2<br />

R1 R2<br />

bzw. nach Division durch UQ:<br />

1 1 1<br />

= +<br />

R R R<br />

ges<br />

1 2<br />

o<strong>der</strong> allgemein:<br />

1 1<br />

= ∑<br />

R R<br />

ges, par i i<br />

5.2.12.5 Wheatston’sche Brückenschaltung zur Messung von unbekannten<br />

Wi<strong>der</strong>ständen<br />

Sir Charles Wheatstone (1802-1875)<br />

An einem regelbaren Wi<strong>der</strong>stand (Potenziometer) wird zwischen AB eine<br />

Spannung U angelegt. In <strong>der</strong> Brücke CS liegt ein Strommessgerät. R sei ein<br />

bekannter Wi<strong>der</strong>stand, Rx <strong>der</strong> gesuchte Wi<strong>der</strong>stand.


<strong>Elektrodynamik</strong> 51<br />

Wir nun <strong>der</strong> Schleifkontakt S<br />

so lange verschoben, bis <strong>der</strong><br />

Brückenstrom I verschwindet<br />

(I = 0), dann lässt sich <strong>der</strong><br />

gesuchte Wi<strong>der</strong>stand über<br />

Kombination <strong>der</strong> Knotenregel<br />

Iges = Iobenrum + Iuntenrum <strong>und</strong> die<br />

Maschenregel für ACS <strong>und</strong><br />

SCB wie folgt berechnen:<br />

Maschenregel ACS:<br />

-R·IO + R1·IU = 0<br />

Maschenregel SBC:<br />

- R2·IU + Rx·IO = 0<br />

Durch Division <strong>der</strong> beiden Gleichungen (nach Umstellung) <strong>und</strong> Berücksichtigung<br />

von R = ρ ⋅<br />

A<br />

ℓ ergibt sich:<br />

R R1<br />

1 = =<br />

R R<br />

ℓ<br />

ℓ <strong>und</strong> damit ℓ2<br />

Rx= ⋅R.<br />

ℓ<br />

x<br />

2 2<br />

5.2.13 Chemische Strom- <strong>und</strong> Spannungsquellen<br />

1<br />

Damit Strom fließen kann, müssen zunächst positive <strong>und</strong> negative Ladungen<br />

voneinan<strong>der</strong> getrennt werden, d.h. gegen die zwischen den ungleichnamigen<br />

Ladungen wirkende Coulomb-Kraft muss Arbeit geleistet werden, um eine<br />

Spannung U aufzubauen. Diese Arbeit kann durch<br />

• mechanische Energie (z.B. van de Graaff-Generator, Piezoelektrika, ...),<br />

• (bio-) chemische Energie (Zuckermetabolismus, Metallsalzbildung, ...),<br />

• Lichtenergie (sog. Photoeffekt)<br />

• Wärmeenergie (Pyroelektrika) o<strong>der</strong><br />

• Kernenergie (Zerfall von instabilen Elementen, u.a. unter<br />

Wärmeentwicklung, die zum Antrieb von Turbinen genutzt werden kann)<br />

geleistet werden.<br />

5.2.13.1 Biologische Spannungserzeugung<br />

Zum Beispiel über <strong>der</strong> Membran einer Nerven- o<strong>der</strong> Herzmuskelzelle liegt eine<br />

Spannung. Diese wird durch eine aktive Membranpumpe erzeugt, die Na + nach<br />

außen <strong>und</strong> K + nach innen transportiert. Die dazu erfor<strong>der</strong>liche Energie wird durch<br />

Hydrolyse von Adenosintriphosphat (ATP), <strong>der</strong> sog. „Energiewährung <strong>der</strong> Zelle“<br />

erzeugt.<br />

5.2.13.2 Elektrochemische Zellen<br />

In einer elektrochemischen Zelle tauchen zwei Leiter, die sog. Elektroden, in eine<br />

salzhaltige Lösung, den Elektrolyt, ein.


52 Experimentalphysik 1 für Biologen & Chemiker<br />

Taucht ein Metall in einen Elektrolyten,<br />

so gehen einige positive Metallionen M n+<br />

in Lösung <strong>und</strong> lassen n·e - (Elektronen) im<br />

Metall zurück; es baut sich also eine<br />

Spannung auf. Die Energie kommt aus<br />

<strong>der</strong> freiwilligen Ausbildung einer<br />

Hydrathülle um das Metallkation in <strong>der</strong><br />

Lösung. Diese Spannung, die<br />

Galvanispannung Δϕ genannt wird,<br />

lässt sich allerdings nicht messen.<br />

(Luigi Galvani, 1737-1798)<br />

Verschiedene Metalle haben jedoch eine<br />

unterschiedlich große Tendenz sich zu<br />

lösen. Tauchen also zwei verschiedene<br />

Elektroden in denselben Elektrolyten,<br />

kann eine Spannung zwischen ihnen<br />

gemessen werden, die <strong>der</strong> Differenz <strong>der</strong><br />

beiden Galvanispannungen entspricht.<br />

Allgemein gilt, dass freiwillig ablaufende<br />

chemische Reaktionen, bei denen<br />

Ladungen ausgetauscht werden (Redox-<br />

Reaktionen), zum Aufbau einer<br />

Spannung führen, wenn sich die beiden<br />

Teilreaktionen, die e - liefern bzw.<br />

verbrauchen, räumlich voneinan<strong>der</strong><br />

trennen lassen.<br />

Beispiel aus <strong>der</strong> Biologie: Bakterien in den Sedimenten des Meeresbodens<br />

erzeugen schwefelhaltige Verbindungen, die sich leicht oxidieren lassen.<br />

Forscher an <strong>der</strong> <strong>der</strong> <strong>Universität</strong> im argentinischen Mar del Plata haben<br />

herausgef<strong>und</strong>en, dass sich die dabei freiwerdenden Elektronen über eine im<br />

Meeresboden versenkte Graphitelektrode eingesammelt lassen. Wird diese<br />

Anode über ein Kabel mit dem Stahlgerüst einer Bohrinsel verb<strong>und</strong>en, kann die<br />

Korrosion dieses Gerüstes im Meerwasser verhin<strong>der</strong>t o<strong>der</strong> sogar rückgängig<br />

gemacht werden.<br />

Quelle: http://www.pressetext.de/pte.mc?pte=061030021<br />

Wird umgekehrt von außen eine Spannung angelegt, laufen unfreiwillige<br />

Reaktionen ab; es wird dann von Elektrolyse gesprochen.<br />

5.2.13.3 Batterien <strong>und</strong> Brennstoffzellen<br />

In Batterien werden die chemischen Ausgangsstoffe verbraucht. In<br />

Akkumulatoren (Blei-Akku (Autobatterie), NiCd-Akkus, Metallhydrid-Akkus, Li-<br />

Ionen-Akkus) können sie teilweise wie<strong>der</strong> regeneriert werden. Beides sind<br />

Systeme ohne Stoffaustausch mit <strong>der</strong> Außenwelt.


<strong>Elektrodynamik</strong> 53<br />

Bleiakkumulator: a) Aufbau des Akkumulators; b) Spannungsverlauf <strong>und</strong> chemische Reaktion beim<br />

Aufladen (A) (Anode = +Pol, Kathode = -Pol) <strong>und</strong> Entladen (E) (Anode = -Pol, Kathode = +Pol). Quelle:<br />

Demtrö<strong>der</strong> 2, Abb. 2.49, S. 69<br />

Zur Bezeichnungskonvention von Anode <strong>und</strong> Kathode:<br />

An Anoden werden Substanzen oxidiert, d.h. Elektronen treten immer in den<br />

Leiter ein, an Kathoden werden Substanzen reduziert, d.h. die Elektronen treten<br />

immer aus dem Leiter aus. Innerhalb des Stromkreises wan<strong>der</strong>n dann die an <strong>der</strong><br />

Anode eingesammelten Elektronen zur Kathode zurück. Allerdings können<br />

Anode <strong>und</strong> Kathode unterschiedliche Polaritäten annehmen, je nach dem, ob<br />

das betrachtete System Ladungen an einen Verbraucher abgeben kann (z.B.<br />

Entladung einer Batterie: Anode: -, Kathode: +) o<strong>der</strong> Ladungen einsammelt (z.B.<br />

Aufladen einer Batterie: Anode: +, Kathode: -).<br />

Prozess Oxidation einer<br />

Substanz, die<br />

Elektronen abgeben<br />

kann, sich also im<br />

reduzierten Zustand<br />

befindet (=red):<br />

Entladen einer Batterie<br />

(d.h. die Batterie ist hier<br />

ein galvan. Element)<br />

Aufladen einer Batterie<br />

(d.h. im Medium findet<br />

Elektrolyse statt)<br />

Anode Kathode<br />

red ox n e −<br />

→ + ⋅<br />

Reduktion einer<br />

Substanz, die<br />

Elektronen aufnehmen<br />

kann, sich also im<br />

oxidierten Zustand<br />

befindet (=ox):<br />

−<br />

ox + n⋅e → red<br />

- +<br />

+ -<br />

Beim Vergleich von Elektrolyse (Aufladen) <strong>und</strong> Galvanischem Element (Entladen)<br />

kehren sich nicht die Pol-Zeichen um. Jedoch än<strong>der</strong>t sich die Richtung des<br />

Elektronenflusses, also kehren sich die Vorgänge "Reduktion" <strong>und</strong> "Oxidation"<br />

um. Das gilt letztlich dann auch für die Bezeichnungen "Anode" <strong>und</strong> "Kathode".<br />

Bei wie<strong>der</strong> aufladbaren Batterien kann <strong>der</strong>selbe Pol also abwechselnd als Anode<br />

o<strong>der</strong> Kathode arbeiten, je nachdem ob die Batterie entladen o<strong>der</strong> geladen wird.


54 Experimentalphysik 1 für Biologen & Chemiker<br />

Aufbau einer Batterie (links) <strong>und</strong> eines aufladbaren 12V-Blei-Akkus, wie er beispielsweise in Autos<br />

eingesetzt wird. Quelle: Tipler S. 761<br />

Brennstoffzellen funktionieren wie Batterien. Allerdings werden bei ihnen die<br />

Reaktanden kontinuierlich zugeführt, z.B. H2 <strong>und</strong> O2, die an zwei verschiedenen<br />

Elektroden zu H + bzw. OH - reagieren, d.h. im Prinzip H2O bilden.<br />

5.2.13.4 Klemmspannung <strong>und</strong> Innenwi<strong>der</strong>stand einer Spannungsquelle<br />

Wird eine Spannungsquelle nicht belastet, d.h. fließt kein Strom, so liegt als<br />

Klemmspannung an den beiden Polen <strong>der</strong> Spannungsquelle die sog.<br />

Quellenspannung o<strong>der</strong> elektromotorische Kraft (EMK) U0 an. Jede Quelle<br />

besitzt jedoch einen Innenwi<strong>der</strong>stand, Ri, da die Ladungsträger vom Ort <strong>der</strong><br />

Trennung zu den Klemmen transportiert werden müssen. Fließt jetzt außen ein<br />

Strom über einen äußeren Wi<strong>der</strong>stand Ra (Verbraucher) ab, dann hat die für den<br />

Verbraucher zur Verfügung stehende, d.h. abgreifbare Klemmspannung UKlemm<br />

den Wert<br />

U<br />

U = U −I⋅ R = U − ⋅R<br />

Klemm 0 i 0<br />

Ri 0<br />

+ Ra<br />

i<br />

mit Rges = Ri + Ra <strong>und</strong> dem Ohm’schen Gesetz U0 = Rges·I.<br />

Ist <strong>der</strong> Innenwi<strong>der</strong>stand Ri sehr klein, dann ist UKlemm praktisch unabhängig von<br />

Ri, sonst aber nicht.


<strong>Elektrodynamik</strong> 55<br />

Wächst <strong>der</strong> Strom so weit an, dass I · Ri = U0 wird, dann liegt keine Spannung<br />

mehr an. Dies kann durch einen Kurzschluss erreicht werden, d.h. indem die<br />

beiden Pole mit einem Leiter mit verschwindend geringem Wi<strong>der</strong>stand direkt<br />

verb<strong>und</strong>en werden (nicht ausprobieren!).<br />

5.2.13.5 Strom- <strong>und</strong> Spannungsmessung<br />

Soll eine Spannung gemessen werden, dürfen auch im Messgerät keine großen<br />

Ströme fließen, d.h. das Messgerät muss einen hohen Innenwi<strong>der</strong>stand Ri<br />

haben. Voltmeter zur Spannungsmessung werden immer parallel zu einem<br />

Stromkreis angeschlossen, damit möglichst kein Strom durch das Voltmeter<br />

fließen kann, <strong>der</strong> Gesamtwi<strong>der</strong>stand des zu vermessenden Stromkreises also<br />

nicht (merklich) verän<strong>der</strong>t wird.<br />

Umgekehrt dürfen bei <strong>der</strong> Strommessung keine hohen Innenwi<strong>der</strong>stände<br />

vorliegen, die den Strom begrenzen würden. Amperemeter zur Strommessung<br />

werden immer in Serie in einen Stromkreis eingebaut, damit <strong>der</strong> Strom (d.h. alle<br />

Ladungen) durch sie hindurchfließen kann.


E3.1 Magnete <strong>und</strong> <strong>der</strong>en<br />

Eigenschaften<br />

56 Experimentalphysik 2 für Biologen & Chemiker<br />

V08 Magnetismus: Phänomenologie <strong>und</strong> Feldlinienverlauf,<br />

Kräfte in stromdurchflossenen Leitern, Hall-Effekt<br />

Wie<strong>der</strong>holung<br />

• Die von einem Strom erbrachte Leistung P ist das Produkt aus Strom <strong>und</strong><br />

Spannung.<br />

• Die beiden Kirchhoff’schen Regeln gestatten die eindeutige Berechnung<br />

von Strömen <strong>und</strong> Spannungen in Stromnetzwerken. Die Knotenregel<br />

besagt, dass an einer Verzweigung ankommende Ladungen auch wie<strong>der</strong><br />

vollständig abfließen müssen. Die Maschenregel besagt, dass in einer<br />

Stromschleife die Summe <strong>der</strong> Spannungen gleich Null sein muss. Zwei<br />

Unterregeln, die Wi<strong>der</strong>standsregel <strong>und</strong> die Spannungsquellenregel,<br />

gestatten die eindeutige Bestimmung <strong>der</strong> zu wählenden Vorzeichen beim<br />

Anwenden <strong>der</strong> Kirchhoff’schen Regeln.<br />

• Anhand <strong>der</strong> Kirchhoff’schen Regeln konnten wir die beiden Beziehungen<br />

für die Reihen- bzw. Parallelschaltung von Wi<strong>der</strong>ständen herleiten. Bei<br />

einer Reihenschaltung addieren sich die Einzelwi<strong>der</strong>stände zum<br />

Gesamtwi<strong>der</strong>stand, bei Parallelschaltung addieren sich die Kehrwerte <strong>der</strong><br />

Einzelwi<strong>der</strong>stände zum Kehrwert des Gesamtwi<strong>der</strong>stands (vgl.<br />

Verschaltung von Kondensatoren, bei denen sich die Berechnung <strong>der</strong><br />

Gesamtkapazität genau umgekehrt verhält).<br />

• Die Kirchhoff’schen Regeln gestatten es u.a. mithilfe <strong>der</strong> sog.<br />

Wheatstone’schen Brückenschaltung unbekannte Wi<strong>der</strong>stände zu<br />

bestimmen.<br />

• Es gibt verschiedene Möglichkeiten, Ladungen zu trennen, d.h.<br />

Spannungsquellen zu bauen: mechanische Trennung (van <strong>der</strong> Graaf,<br />

Rotation einer Spule in einem Generator im Magnetfeld (Besprechung in<br />

einer <strong>der</strong> folgenden St<strong>und</strong>en); chemische Redox-Reaktionen in<br />

Gegenwart von Elektroden, u.a. Brennstoffzellen; Solarzellen, Kernzerfall<br />

(zur Wärmeerzeugung)).<br />

• Wir hatten festgestellt, dass Spannungsquellen einen Innenwi<strong>der</strong>stand<br />

besitzen, <strong>der</strong> sich bei Stromfluss bemerkbar macht.<br />

• Strommessungen müssen mit einem Gerät mit geringem Innenwi<strong>der</strong>stand<br />

des Messgerätes durchgeführt werden, Spannungsmessungen mit einem<br />

sehr hohen Innenwi<strong>der</strong>stand (am besten mehrere Größenordnungen<br />

höher als <strong>der</strong> größte im Schaltkreis vorhandene Wi<strong>der</strong>stand).<br />

5.3 Magnetostatik<br />

Neben <strong>der</strong> Gravitationskraft <strong>und</strong> <strong>der</strong> elektrostatischen Kraft wirkt im Alltag eine<br />

weitere Kraft, die sowohl<br />

auftritt.<br />

• zwischen zwei Permanentmagneten, als auch<br />

• zwischen zwei elektrischen Strömen<br />

Permanentmagnete zeigen folgende Eigenschaften:<br />

• Stabmagnete haben zwei verschiedene Enden, den sog. Nord-<br />

(N) <strong>und</strong> den Südpol (S) (vgl. Ladungen: Plus- <strong>und</strong> Minuspol).<br />

• Nordpol <strong>und</strong> Südpol ziehen sich gegenseitig an, gleichnamige<br />

Pole stoßen sich ab (vgl. Ladungen: entgegengesetzte<br />

Ladungen ziehen sich an, gleichnamige stoßen sich ab).


<strong>Elektrodynamik</strong> 57<br />

Typische Bil<strong>der</strong><br />

• Hängt man einen Stabmagneten freihängend auf, dreht er sich,<br />

bis ein Ende zum (magnetischen) Nordpol <strong>der</strong> Erde zeigt.<br />

• Wird ein Pol vom Magneten abgetrennt, entstehen wie<strong>der</strong><br />

(kleinere) Stäbe mit Nord- <strong>und</strong> Südpol. Es gibt also keine<br />

isolierten magnetischen Pole (d.h. keine magnetischen<br />

Monopole) (vgl. elektrische Ladung: dort müssen Ladungen<br />

nicht immer paarweise auftreten, d.h. sie positive <strong>und</strong> negative<br />

Ladungen lassen sich voneinan<strong>der</strong> isolieren). An<strong>der</strong>s als bei<br />

elektrischen Fel<strong>der</strong>n treten magnetische Pole also nur<br />

paarweise auf; es gibt bei Magneten also keine Quellen o<strong>der</strong><br />

Senken des magnetischen Feldes.<br />

• Eisenfeilspäne verhalten sich in <strong>der</strong> Nähe eines Magneten wie<br />

die Grießkörner in <strong>der</strong> Nähe elektrischen Ladungen, d.h. sie<br />

richten sich entlang von Linien, den magnetischen Feldlinien<br />

aus.<br />

• Magnetische Feldlinien bilden immer geschlossene Schleifen.<br />

Links: Stabmagnet mit geschlossenen Magnetfeldlinien, die außerhalb des Magneten von N nach S<br />

verlaufen, innerhalb des Magneten von S nach N. Mitte: „Kuhmagnet“ mit Eisenfeilspänen, die sich<br />

entlang <strong>der</strong> magn. Feldlinien anordnen. Er wird in Kuhmägen hinabgelassen, um verschluckten<br />

scharfkantigen Eisenschrott aufzufischen, ehe er die Darmwand zerstören könnte. Rechts:<br />

Hufeisenmagnet mit geschlossenen Feldlinien. Quellen: Halliday, Kap. 29-.2; Staudt.<br />

Geschlossener Feldlinienverlauf für einen Stabmagnet (links) <strong>und</strong> einen<br />

Hufeisenmagnet (rechts): Außen zeigen die Feldlinien vom magnetischen Nord-<br />

zum Südpol; im Inneren des Magneten verlaufen sie demnach vom Südpol zum<br />

Nordpol. Im rechten Bild lässt sich erkennen, dass die magnetischen Feldlinien<br />

an den Stirnseiten parallel verlaufen. Genau wie bei elektrischen Fel<strong>der</strong>n<br />

zwischen parallelen Kondensatorplatten ist dort das magnetische Feld homogen.<br />

Bei nicht-parallelen Feldlinien (z.B. an Kanten o<strong>der</strong> Ecken) wird von einem<br />

inhomogenen Feld gesprochen.<br />

Im Jahre 1809 entdeckte Hans Christian Ørsted (1777 - 1851), dass auch<br />

elektrische Ströme von magnetischen Feldlinien umgeben sind.<br />

E3.8 Magnetfeldlinien<br />

von Permanentmagneten<br />

E3.9 Magnetfeld eines<br />

geraden Stroms


58 Experimentalphysik 1 für Biologen & Chemiker<br />

Die Magnetfeldlinien um einen<br />

geraden, stromdurchflossenen<br />

Draht sind geschlossene,<br />

konzentrische Kreise; es wird<br />

von einem Wirbelfeld<br />

gesprochen. Polt man den Strom<br />

um, än<strong>der</strong>t sich <strong>der</strong>en Drehsinn,<br />

<strong>der</strong> immer eine Rechtsschraube<br />

mit <strong>der</strong> Stromrichtung einnimmt.<br />

(Rechte-Hand-Regel: zeigt <strong>der</strong><br />

Daumen in die technische<br />

Stromrichtung I, dann geben die<br />

gekrümmten Finger die (Dreh-)<br />

Richtung <strong>der</strong> Magnetfeldlinien<br />

an.)<br />

5.3.1 Die Ursachen des magnetischen Feldes sind bewegte Ladungen<br />

Elektrische Ströme, d.h. bewegte Ladungen, sind die alleinige Quelle <strong>der</strong><br />

magnetischen Fel<strong>der</strong>. Der Magnetismus von Permanentmagneten kann auf<br />

molekulare Ringströme im Material zurückgeführt werden.<br />

Ursache für das elektrische Feld E sind also die ruhenden Ladungen, wogegen<br />

bewegte Ladungen (zusätzlich) ein Magnetfeld B erzeugen. Ein Vergleich <strong>der</strong><br />

Beträge von E- <strong>und</strong> B-Fel<strong>der</strong>n ergibt sich sehr ähnelnde Ausdrücke:<br />

E-Feld B-Feld<br />

E<br />

F<br />

q<br />

F<br />

B =<br />

q⋅v E<br />

B<br />

=<br />

Der Betrag des E-Feldes ist definiert über die Kraft,<br />

die im E-Feld einer an<strong>der</strong>en Ladung auf eine<br />

ruhende Probeladung q wirkt.<br />

Der Betrag des B-Feldes ist definiert über die Kraft,<br />

die auf eine mit <strong>der</strong> Geschwindigkeit v im<br />

Magnetfeld B bewegte Probeladung q wirkt.<br />

Das Magnetfeld B am Punkt P, d.h. im Abstand r einer sich mit <strong>der</strong><br />

Geschwindigkeit v bewegenden Ladung q beträgt:<br />

µ q ⋅ v × rˆ<br />

4 ⋅πr<br />

0 B = ⋅ <strong>und</strong><br />

2<br />

µ<br />

4 ⋅π<br />

q ⋅ v ⋅ rˆ⋅sinθ<br />

0 B = ⋅<br />

.<br />

2<br />

Darin ist µ0 die sog. Permeabilität des<br />

Vakuums (o<strong>der</strong> auch magnetische<br />

Feldkonstante) mit µ0 = 4·π·10 -7 V·s·A -1 ·<br />

m -1<br />

r<br />

Das magnetische Feld zeigt senkrecht in die<br />

Papierebene hinein (Kreuzsymbol). Quelle:<br />

Tipler, Abb. 25.1, S. 844


<strong>Elektrodynamik</strong> 59<br />

r r<br />

(zur Wie<strong>der</strong>holung) r= ˆ =<br />

r r<br />

<strong>der</strong> Radius-Einheitsvektor <strong>der</strong> die Richtung des<br />

Abstands r zum betrachteten Punkt P hat, aber dessen Betrag Eins ist, r= ˆ 1.<br />

Bei genauer Betrachtung entdecken Sie, dass <strong>der</strong> Ausdruck für B dem<br />

Coulomb’schen Gesetz für das elektrische Feld E ähnelt:<br />

1 q<br />

E = ⋅ ⋅r<br />

ˆ . 2<br />

4 ⋅π ⋅ε<br />

r<br />

0<br />

Beachten Sie jedoch: Während das elektrische Feld (für eine positive Ladung)<br />

radial von <strong>der</strong> Punktladung zum Punkt P zeigt, also in Richtung des<br />

Verbindungsvektors r, steht das Magnetfeld senkrecht zu r <strong>und</strong> senkrecht zur<br />

Bewegungsrichtung <strong>der</strong> Ladung, (die bei Leitern mit <strong>der</strong> Richtung eines<br />

Stromelements übereinstimmt (s.u.)).<br />

Über die Gleichung für B werden folgende Eigenschaften des Magnetfeldes<br />

deutlich:<br />

• Der Betrag von B ist <strong>der</strong> Ladung q <strong>und</strong> dem Betrag <strong>der</strong> Geschwindigkeit v<br />

proportional <strong>und</strong> än<strong>der</strong>t sich umgekehrt proportional zum Quadrat des<br />

Abstandes r von <strong>der</strong> Ladung.<br />

• In Richtung <strong>der</strong> Bewegung hat das Magnetfeld den Betrag Null. An<br />

an<strong>der</strong>en Punkten im Raum ist es proportional zu sin θ, also sin(∠v, r),<br />

d.h. dem Sinus des Winkels θ zwischen dem Geschwindigkeitsvektor v<br />

<strong>und</strong> dem Vektor r.<br />

• B steht (infolge <strong>der</strong> Definition des Kreuzproduktes) senkrecht auf dem<br />

Geschwindigkeitsvektor v <strong>und</strong> auch senkrecht auf dem Vektor r. Seine<br />

Richtung erhält man durch die Rechte-Hand-Regel (v: Daumen, r:<br />

Zeigefinger; resultierendes B: Mittelfinger; alle drei Finger stehen<br />

senkrecht zueinan<strong>der</strong>). Frage: Steht dies im Wi<strong>der</strong>spruch zur<br />

Beobachtung geschlossener Magnetfeldlinien um ein Leiterelement?<br />

Zeigen Sie für verschiedene Punkte P, dass die Magnetfeldlinien<br />

tatsächlich ein Wirbelfeld bilden.<br />

5.3.2 Das Biot-Savart’sche Gesetz beschreibt das Magnetfeld um einen<br />

stromdurchflossenen Leiter<br />

Zuvor wurde das Magnetfeld von freibeweglichen,<br />

d.h. sich z.B. im Vakuum<br />

bewegenden Ladungen beschrieben. Da<br />

bei einer bewegten Ladungsmenge dq, die<br />

sich in einem Leiterelement <strong>der</strong> Länge dℓ<br />

um genau diese Strecke dℓ in <strong>der</strong> Zeit dt<br />

fortbewegt, das Produkt dq·v auch als<br />

r<br />

dldq r r<br />

dq⋅ v = dq⋅ = ⋅ dl = I⋅dl dt dt<br />

geschrieben werden kann, lässt sich die<br />

Än<strong>der</strong>ung des Magnetfeldes B allerdings<br />

auch schreiben als:<br />

Ein Elektromagnet hebt <strong>und</strong> transportiert<br />

Metallschrott. Quelle: Halliday, Abb. 29-1, S.<br />

808


60 Experimentalphysik 1 für Biologen & Chemiker<br />

r<br />

µ ˆ<br />

0 I⋅ dl×<br />

r<br />

dB=<br />

⋅ <strong>und</strong><br />

2<br />

4 ⋅πr<br />

r<br />

µ I⋅ dl⋅<br />

rˆ⋅sinθ<br />

0 dB<br />

= ⋅<br />

.<br />

2<br />

4 ⋅π<br />

r<br />

Diese Gleichung ist auch als das Biot-<br />

Savart’sche Gesetz bekannt. (Jean-<br />

Baptiste Biot, 1774-1862, franz. <strong>Physik</strong>er<br />

<strong>und</strong> Mathematiker; Felix Savart, 1791-<br />

1841, franz. Arzt <strong>und</strong> <strong>Physik</strong>er).<br />

Quelle: Tipler, Abb. 25.5, S. 848<br />

5.3.3 Das Ampère’sches Durchflutungsgesetz ist das magnetische<br />

Analogon zum Gauß’schen Satz in <strong>der</strong> Elektrostatik<br />

Wird ein unendlich langer gera<strong>der</strong> Leiter betrachtet, durch den <strong>der</strong> Strom I fließt,<br />

dann bilden die magnetischen Feldlinien konzentrische Kreise um diesen Leiter.<br />

Wird nun das Wegintegral entlang eines solchen Kreises um I gebildet, so ergibt<br />

sich mit dem Biot-Savart’schen Gesetz (im Abstand R vom Leiter):<br />

µ I<br />

2⋅πR<br />

0<br />

�B⋅ ds = �B⋅ds⋅ cos(0 ° ) = B�⋅ ds = B⋅ ds = � ⋅ ⋅2⋅π⋅ R <strong>und</strong> damit<br />

∫ ∫ ∫ ∫<br />

� ∫ B⋅ d s = µ 0 ⋅I<br />

für eine beliebige geschlossene Kurve<br />

Ampère’sches Durchflutungsgesetz, Ampère’sches Verkettungsgesetz<br />

µ 0 I<br />

Hinweis: Die Herleitung des Ausdrucks B = ⋅ für das Magnetfeld eines<br />

2 ⋅π<br />

R<br />

langen, geraden, stromdurchflossenen Leiters lässt sich in Lehrbüchern<br />

nachschlagen.<br />

5.3.4 Das Magnetfeld im Zentrum einer Leiterschleife ist direkt<br />

proportional zum Strom <strong>und</strong> umgekehrt proportional zum Radius <strong>der</strong><br />

Schleife<br />

Mit Hilfe des Biot-Savart’schen Gesetzes lässt sich das Magnetfeld B im Zentrum<br />

einer kreisförmigen Leiterschleife mit dem Radius R (also im<br />

Schleifenmittelpunkt) berechnen:<br />

r<br />

µ 0 I⋅dl⋅sinθ µ 0 I r µ 0 I<br />

B = �∫ dB = ∫� ⋅ = ⋅ ⋅ d = ⋅ 2 2 2<br />

4⋅π R 4⋅π R ∫ l�<br />

4⋅π R<br />

µ 0 ⋅I<br />

⋅2⋅π ⋅ R = ,<br />

2⋅R<br />

da <strong>der</strong> Winkel θ zwischen I · dℓ <strong>und</strong> ˆr bzw. R für jedes Stromelement dℓ eines<br />

kreisförmigen Leiters immer 90° beträgt, so dass sinθ immer gleich Eins ist; das<br />

Kreisintegral über alle Stromelemente <strong>der</strong> Länge dℓ entspricht zudem genau dem<br />

Umfang 2·π·R <strong>der</strong> Leiterschleife.


<strong>Elektrodynamik</strong> 61<br />

Die Magnetfel<strong>der</strong>, die von den einzelnen<br />

Stromelementen I· dℓ erzeugt werden, zeigen alle in<br />

Richtung <strong>der</strong> Ringachse, die hier mit <strong>der</strong> x-Achse<br />

zusammenfällt. Quelle: Tipler, Abb. 25.6, S. 848<br />

Magnetfeldlinien eines stromdurchflossenen<br />

Ringes sind über Eisenfeilspäne sichtbar<br />

gemacht. Die zentrale Feldlinie liegt auf <strong>der</strong><br />

Ringachse. Quelle: Tipler, Abb. 25.8, S. 850<br />

5.3.5 Das Magnetfeld im Inneren einer Spule ist homogen: die<br />

magnetischen Feldlinien verlaufen dort parallel<br />

Im Inneren einer langen<br />

Zylin<strong>der</strong>spule <strong>der</strong> Länge ℓ mit<br />

insgesamt N Windungen (d.h. N<br />

einzelnen Leiterschleifen), die von<br />

einem Strom I durchflossen wird,<br />

ergibt sich das Magnetfeld B zu<br />

N<br />

B = µ 0 ⋅ ⋅ I = µ 0 ⋅n⋅I ,<br />

l<br />

wobei n die sog.<br />

Windungszahldichte genannt wird.<br />

(Herleitung siehe Tipler o<strong>der</strong><br />

Staudt.) Die Spule spielt in <strong>der</strong><br />

Magnetostatik die gleiche Rolle wie<br />

<strong>der</strong> Plattenkondensator in <strong>der</strong><br />

Elektrostatik: beide erzeugen im<br />

Innenbereich ein homogenes Feld<br />

(erkennbar an den parallelen<br />

Feldlinien).<br />

Quelle: Tipler, Abb. 25.11, S. 852<br />

5.3.6 Arten von Magnetfel<strong>der</strong>n<br />

So wie das elektrische Feld E die Kraftwirkung zwischen zwei ruhenden<br />

Ladungen vermittelt, so wird durch das sog. Magnetfeld B (auch magnetisches<br />

Feld, magnetische Induktion o<strong>der</strong> magnetische Flussdichte genannt) die<br />

Kraftwirkung zwischen zwei (o<strong>der</strong> mehreren) bewegten Ladungen vermittelt (wir<br />

werden in 5.3.13 sehen, dass über dieses Phänomen die elektrische<br />

Stromstärke, das Ampere, definiert wurde.)<br />

Das Magnetfeld B beschreibt das gesamte herrschende Feld, d.h. alle Ströme,<br />

die zur Fel<strong>der</strong>zeugung beitragen; das können sog. „freie Ströme“ in Leitern o<strong>der</strong><br />

im Vakuum sein o<strong>der</strong> aber „geb<strong>und</strong>ene (Kreis- o<strong>der</strong> Ring-)ströme“ in<br />

Permanentmagneten o<strong>der</strong> in magnetisierter Materie, ... (Diese Anteile werden an<br />

späterer Stelle noch einmal erläutert.)<br />

E3.10 Magnetfeldlinien in<br />

einer Spule


E3.2 Leiterschaukel<br />

62 Experimentalphysik 1 für Biologen & Chemiker<br />

Daneben gibt es noch die sog. magnetische Feldstärke H (auch magnetische<br />

Erregung genannt), die allein die durch die „freien Ströme“ erzeugten<br />

Magnetfel<strong>der</strong> beschreibt.<br />

B <strong>und</strong> H stehen in folgen<strong>der</strong> Beziehung:<br />

B = µ · H = µr · µ0 · H<br />

mit<br />

µ : Permeabilität<br />

µr : Permeabilitätszahl; ist für die meisten Materialien eine Konstante <strong>und</strong><br />

lediglich bei den sog. Ferromagnetika (die werden später noch erklärt)<br />

variabel. Man schreibt es im letzteren Fall danns häufig als µr = f(H), um ihre<br />

Abhängigkeit von <strong>der</strong> magnet. Feldstärke zu kennzeichnen.<br />

<strong>und</strong><br />

µ0 = 4·π·10 -7 V·s·A -1 · m -1 , <strong>der</strong> schon oben erwähnten Permeabilität des<br />

Vakuums bzw. magnetischen Feldkonstante<br />

wobei gilt:<br />

µ<br />

μ r = .<br />

µ<br />

0<br />

5.3.7 Kraftwirkung eines Magnetfeldes auf eine bewegte Ladung<br />

An<strong>der</strong>erseits lässt sich auch beobachten, dass ein Magnetfeld B seinerseits eine<br />

Kraft F auf eine bewegte Ladung q ausübt, die sowohl von <strong>der</strong> Größe als auch<br />

von <strong>der</strong> Geschwindigkeit v <strong>der</strong> Ladung abhängt.<br />

Weiterführende Experimente würden folgende Resultate ergeben:<br />

F ∝ q ; die Kraft auf eine negative Ladung –q ist <strong>der</strong> Kraft auf eine positive<br />

Ladung q entgegengerichtet, wenn sich beide Ladungen mit <strong>der</strong>selben<br />

Geschwindigkeit bewegen.<br />

F ∝ v : die Kraft ist <strong>der</strong> Geschwindigkeit v <strong>der</strong> Ladung proportional<br />

F ⊥ B <strong>und</strong> F ⊥ v : Die Kraft wirkt senkrecht zum Magnetfeld <strong>und</strong> senkrecht zur<br />

Geschwindigkeit <strong>der</strong> Ladung.<br />

F ∝ sin(∠v, B) : Die Kraft ist proportional zum Sinus des Zwischenwinkels<br />

zwischen <strong>der</strong> Geschwindigkeit v <strong>und</strong> dem Magnetfeld B.<br />

Zusammenfassen lassen sich diese Beobachtungen in <strong>der</strong><br />

Gleichung für die sog. Lorentz-Kraft (Hendrik Antoon<br />

Lorentz, 1853 – 1928, nie<strong>der</strong>ländischer Mathematiker <strong>und</strong><br />

<strong>Physik</strong>er):<br />

o<strong>der</strong> betragsmäßig<br />

F = q ⋅ v × B<br />

L<br />

F = q ⋅ v ⋅ B ⋅sin( ∠vB<br />

, ) .<br />

L<br />

Alle drei Vektoren stehen<br />

senkrecht aufeinan<strong>der</strong>.<br />

Sie folgen <strong>der</strong> Rechte-<br />

Hand-Regel.<br />

Es handelt sich wie<strong>der</strong> um ein Kreuzprodukt, das <strong>der</strong> Rechte-Hand-Regel folgt<br />

(v: Daumen, B: Zeigefinger; resultierende Lorentzkraft F: Mittelfinger; alle drei<br />

Finger stehen senkrecht zueinan<strong>der</strong>).<br />

Daraus ergibt sich als Einheit für B das Tesla (nach Auflösen auf B):


<strong>Elektrodynamik</strong> 63<br />

N s N V ⋅s<br />

[ B] = 1 ⋅ = = = 1T = 1Tesla<br />

.<br />

2<br />

C m A⋅m m<br />

Das Erdmagnetfeld hat die Größenordung von 10 -4 T. Eine weit verbreitete<br />

historische Einheit ist das Gauß (G). Die Umrechnung in Tesla ist 1 T = 10 4 G.<br />

Über die bereits oben genannte Beziehung B = µr · µ0 · H ergibt sich als Einheit<br />

für die magnetische Feldstärke H:<br />

[ ] 1 A<br />

H = .<br />

m<br />

Auch hier lässt sich die Kraft bewegter Ladungen in einem Leiterabschnitt ℓ über<br />

die Stromstärke I über den bereits oben verwendeten Zusammenhang q·v = I·ℓ<br />

beschreiben. Damit ergibt sich die Lorenzkraft eines Magnetfeldes auf einen<br />

stromdurchflossenen Leiter:<br />

r<br />

F = I ⋅ l × B<br />

o<strong>der</strong> für ein infinitesimal kurzes Drahtstück <strong>der</strong> Länge dℓ:<br />

r<br />

dF = I⋅ dl<br />

× B.<br />

L<br />

L<br />

Ein weiterer wichtiger Unterschied zwischen elektrischen <strong>und</strong> magnetischen<br />

Fel<strong>der</strong>n ist also die Richtung <strong>der</strong> Kraftwirkung:<br />

Die Kraft, die ein elektrisches Feld auf eine Ladung ausübt, wirkt längs <strong>der</strong><br />

Feldlinien, während die Kraft eines Magnetfeldes nur auf eine bewegte Ladung<br />

wirkt, <strong>und</strong> zwar senkrecht zum Feld <strong>und</strong> zur Bewegungsrichtung.<br />

5.3.8 Bewegung einer Punktladung im Magnetfeld<br />

Ein wichtiges Merkmal <strong>der</strong> Kraft, die ein Magnetfeld auf eine sich durch das Feld<br />

bewegende Ladung ausübt, ist, dass sie nur senkrecht zur Bewegungsrichtung<br />

wirkt. Daher wird zwar die Richtung, nicht aber <strong>der</strong> Betrag <strong>der</strong> Geschwindigkeit<br />

eines geladenen Teilchens geän<strong>der</strong>t. Das Magnetfeld leistet somit keine Arbeit<br />

an einem Teilchen <strong>und</strong> hat keinen Einfluss auf seine kinetische Energie.<br />

(Erinnern Sie sich an die Zentripetalkraft, für die das gleiche galt.)<br />

Bewegt sich eine Ladung q genau senkrecht zu<br />

einem homogenen Magnetfeld B, dann beschreibt<br />

die Ladung eine Kreisbahn. Offenbar stellt die<br />

Lorentzkraft FL also genau die Zentripetalkraft FZp<br />

zur Verfügung, die die Ladung auf <strong>der</strong> Kreisbahn<br />

hält:<br />

2<br />

m⋅v FZp = = q⋅v ⋅ B = FL.<br />

r<br />

Daraus ergibt sich <strong>der</strong> Radius <strong>der</strong> Kreisbahn durch<br />

Umstellung zu:<br />

m⋅v r = .<br />

q⋅B Quelle: Tipler, Abb. 24.9, S. 818<br />

Die Zeit T, die die Ladung für einen Bahnumlauf (d.h. einen Kreisumfang)<br />

benötigt, ist über den Dreisatz (bzw. die Definition für die Geschwindigkeit: ein<br />

Kreisumfang pro Umlaufzeit T) <strong>und</strong> Einsetzen des für r gef<strong>und</strong>enen Ausdrucks:<br />

E3.4 Kraftwirkung<br />

zwischen zwei parallelen<br />

stromdurchflossenen<br />

Leitern vs. senkrecht<br />

zueinan<strong>der</strong><br />

angeordneten Leitern<br />

E3.6 Fadenstrahlrohr


64 Experimentalphysik 1 für Biologen & Chemiker<br />

Die Umlauffrequenz<br />

ist also unabhängig vom Bahnradius.<br />

5.3.9 Massenspektrometer<br />

2⋅π ⋅r 2⋅π<br />

⋅m<br />

T = = .<br />

v q⋅B 1 q⋅B ν = =<br />

T 2 ⋅π ⋅m<br />

In einem Massenspektrometer lassen sich<br />

die Ladungs- zu Masseverhältnisse q/m von<br />

Ionen bekannter Ladungen finden, indem<br />

<strong>der</strong> Radius ihrer Flugbahn in einem<br />

homogenen magnetischen Feld B<br />

gemessen wird. Zunächst werden dazu alle<br />

zu detektierende Ionen durch eine<br />

vorgegebene Spannung U auf die<br />

kinetische Energie<br />

gebracht.<br />

1<br />

2<br />

2<br />

Ekin = ⋅m⋅ v = q⋅ U<br />

Treten sie in ein homogenes Magnetfeld B<br />

ein, dann beschreiben sie dort, wie im<br />

vorangegangenen Abschnitt erläutert, je<br />

nach Masse <strong>und</strong> Geschwindigkeit eine<br />

Kreisbahn mit dem Radius r. Das<br />

Magnetfeld B sortiert die Ionen also nach<br />

ihren Impulsen p = m·v.<br />

Das Magnetfeld zeigt senkrecht aus <strong>der</strong><br />

Papierebene heraus. Quelle: Tipler, Abb.<br />

24.16, S. 824<br />

Durch Ausmessen des Bahnradius r lässt sich also das Ladungs- zu<br />

Masseverhältnis q/m bestimmen:<br />

Durch Einsetzen von<br />

erhält man:<br />

q⋅r ⋅B<br />

v = in<br />

m<br />

q v<br />

= .<br />

m r ⋅B<br />

1<br />

2<br />

q 2⋅U<br />

=<br />

m B ⋅r<br />

2<br />

⋅m⋅ v = q⋅ U <strong>und</strong> Auflösen nach q/m<br />

2 2<br />

So lassen sich also durch Variation von B o<strong>der</strong> U die unterschiedlichen Massen<br />

in den Detektor am Punkt P2 leiten.<br />

Eine Ionenselektion lässt sich auch im elektrischen Feld E durchführen. Dort<br />

müssen Zentripetalkraft <strong>und</strong> Coulombkraft gleich sein, um die Ladung auf einer<br />

Kreisbahn mit dem Radius r zu halten:<br />

2<br />

m⋅v FZp = = q⋅ E = FC<br />

.<br />

r<br />

Daraus folgt für den Radius <strong>der</strong> Kreisbahn:<br />

.


<strong>Elektrodynamik</strong> 65<br />

2<br />

r = =<br />

q⋅E E<br />

2<br />

m⋅v ⋅U<br />

mit U als Plattenspannung des Spektrometers <strong>und</strong> E als elektrische Feldstärke.<br />

Im elektrischen Feld erfolgt also eine Energie–Selektion.<br />

Beson<strong>der</strong>s gute Massentrennung wird erzielt, wenn beide Fel<strong>der</strong> in sog.<br />

doppelfokussierenden Massenspektrometern eingesetzt werden.<br />

5.3.10 Wien’sches Geschwindigkeitsfilter<br />

Tritt ein positiv geladenes Teilchen<br />

+q von links in eine nebenskizzierte<br />

Feldanordnung aus gekreuztem E-<br />

<strong>und</strong> B-Feld ein, so wirkt die<br />

elektrische Kraft q·E nach unten<br />

<strong>und</strong> die magnetische Kraft q·v x B<br />

nach oben. Die Kräfte heben sich<br />

gerade dann auf, wenn<br />

q·E = q·v x B, d.h. die<br />

Geschwindigkeit v gerade<br />

E<br />

v =<br />

B<br />

ist. Damit durchqueren alle Teilchen dieser Geschwindigkeit dieses Gebiet ohne<br />

Ablenkung, egal welche Masse o<strong>der</strong> Ladung sie besitzen.<br />

5.3.11 Hall-Effekt<br />

Mikroskopisch betrachtet wirkt die Lorentzkraft auf die bewegten Ladungsträger,<br />

die Elektronen, die diese Kraft auf das Leitermaterial übertragen. Die Elektronen<br />

werden also in Richtung einer Seite des Leiters in Richtung Leiteroberfläche<br />

beschleunigt. Die daraus resultierende Ladungstrennung (Elektronen vs. pos.<br />

Ionenrümpfe) in einem stromdurchflossenen Leiter wird Hall-Effekt genannt.<br />

Über den Hall-Effekt lassen sich eindeutig die Elektronen als die eigentlichen<br />

Ladungsträger von Strömen identifizieren (<strong>und</strong> nicht etwa positive Ladungen):<br />

Hall-Effekt in einem Metallstreifen: Das Magnetfeld B zeigt in die Papierebene<br />

(Kreuze). Sowohl auf positive Ladungsträger +q (a), die sich von links nach<br />

rechts bewegen, als auch auf negative Ladungsträger –q (b), die sich mit <strong>der</strong><br />

Driftgeschwindigkeit vd von rechts nach links bewegen, übt das Magnetfeld eine<br />

nach oben gerichtete Lorentzkraft FL aus (Rechte-Hand-Regel). Dies führt zu<br />

einer Ladungstrennung, die ihrerseits eine Akkumulation von Ladungen auf <strong>der</strong><br />

Streifenoberfläche zur Folge hat: Die Potenzialdifferenz zwischen oberem <strong>und</strong><br />

unterem Rand des Streifens ist die sog. Hall-Spannung UH


66 Experimentalphysik 1 für Biologen & Chemiker<br />

F q ⋅v ⋅B I⋅B I⋅B U = E⋅ b= ⋅ b = ⋅ b = v ⋅B⋅ b = = A ⋅<br />

q q N q d d<br />

L<br />

H<br />

( V)<br />

⋅ ⋅<br />

H<br />

Erläuterung: Bei <strong>der</strong> mikroskopischen Betrachtung des Stromflusses hatten wir<br />

gesehen, dass sich <strong>der</strong> Strom I über I = N( V) ⋅q⋅vd ⋅ A ausdrücken lässt. Für<br />

einen Metallstreifen <strong>der</strong> Breite b <strong>und</strong> Dicke d ist die Querschnittsfläche A = d · b.<br />

Das Vorzeichen von UH gibt Auskunft darüber, ob q eine positive o<strong>der</strong> negative<br />

Ladung ist. Experimentell wird festgestellt, dass UH < 0 ist <strong>und</strong> damit q = -e ist,<br />

d.h. die Elektronen übernehmen den Ladungstransport in elektrischen Strömen!<br />

AH ist die sog. Hall-Konstante (o<strong>der</strong> auch Hall-Koeffizient). Die AH eines<br />

metallischen Leiters ist eine <strong>der</strong> wichtigsten Materialkenngrößen.<br />

Aus <strong>der</strong> gemessenen Hall-Spannung eines Materials kann auf die Leitfähigkeit σ,<br />

die Elektronenbeweglichkeit u, die Hall-Konstante AH o<strong>der</strong> die<br />

Ladungsträgerdichte N(V) zurück geschlossen werden:<br />

A<br />

H<br />

1 u<br />

= = . (Siehe dazu auch V06.)<br />

N ⋅e<br />

σ<br />

( V)


<strong>Elektrodynamik</strong> 67<br />

V09 Magnetismus: Definition des Ampère, Magnetischer Fluss<br />

<strong>und</strong> Lenz’sche Regel<br />

Wie<strong>der</strong>holung<br />

• Wir hatten eine weitere, uns im Alltag begegnende Wechselwirkung<br />

kennen gelernt, den Magnetismus. Im Gegensatz zu elektrischen Fel<strong>der</strong>n<br />

haben Magnetfel<strong>der</strong> geschlossene statt offene Feldlinien, Nord- <strong>und</strong><br />

Südpol statt positive <strong>und</strong> negative Ladung. Magnete können außerdem<br />

keine Monopole sein (d.h. Nord- <strong>und</strong> Südpol treten immer paarweise auf,<br />

egal wie klein <strong>der</strong> (Permanent-)Magnet wird.<br />

• Wir hatten ein dem Coulomb’schen Gesetz zur Berechnung <strong>der</strong> Kraft bzw.<br />

des elektrischen Feldes E in einem Abstand r von einer Punktladung<br />

analoges Gesetz zur Berechnung des Magnetfeldes B an einem<br />

beliebigen Ort kennen gelernt, das sog. Biot-Savart’sche Gesetz. Das<br />

gestattete uns, Magnetfel<strong>der</strong> im Inneren von Leiterschleifen o<strong>der</strong> Spulen<br />

zu berechnen.<br />

• Im Inneren von Spulen herrscht ein homogenes Magnetfeld, erkennbar an<br />

dem parallelen Verlauf <strong>der</strong> magnetischen Feldlinien, die sich durch<br />

Eisenspäne sichtbar machen lassen.<br />

• Das Magnetfeld B setzt sich aus verschiedenen Anteilen zusammen: <strong>der</strong><br />

magnetischen Feldstärke H, die durch freie Ladungsströme in Leitern<br />

verursacht wird, <strong>und</strong> dem durch geb<strong>und</strong>ene Kreisströme in<br />

Permanentmagneten o<strong>der</strong> magnetisierter Materie verursachte Feld.<br />

• Bewegte Ladungen können nicht nur Magnetfel<strong>der</strong> erzeugen, son<strong>der</strong>n<br />

ihrerseits von Magnetfel<strong>der</strong>n in ihrer Bewegung beeinflusst werden. Die<br />

verantwortliche Kraft ist die sog. Lorentzkraft, die immer senkrecht zur<br />

Bewegungsrichtung <strong>und</strong> senkrecht zum Magnetfeld wirkt.<br />

• Dieses Phänomen lässt sich nutzen, um Ladungen kontrolliert<br />

abzulenken, wie wir am Beispiel des Fadenstrahlrohres, des<br />

Massenspektrometers o<strong>der</strong> des Wien’schen Geschwindigkeitsfilters<br />

gesehen haben.<br />

• In einem Massenspektrometer werden positive Ionen in einem senkrecht<br />

zur Flugrichtung <strong>der</strong> Ionen orientierten Magnetfeld auf Kreisbahnen<br />

gezwungen <strong>und</strong> können so nach ihrem Impuls bzw. ihrer Geschwindigkeit<br />

sortiert werden.<br />

• Schließlich hatten wir den Hall-Effekt kennen gelernt. Über den Hall-Effekt<br />

lassen sich eindeutig die Elektronen als die eigentlichen Ladungsträger<br />

von Strömen identifizieren (<strong>und</strong> nicht etwa positive Ladungen).


E3.18<br />

Stromdurchflossene<br />

Drehspule im perm.<br />

Magnetfeld<br />

68 Experimentalphysik 2 für Biologen & Chemiker<br />

5.3.12 Drehmoment auf Leiterschleifen <strong>und</strong> Magnete: Elektromotor<br />

Betrachtung <strong>der</strong> auf eine<br />

stromdurchflossene Leiterschleife im<br />

homogenen Magnetfeld wirkenden<br />

Lorentzkräfte:<br />

F1 = -F2<br />

F3 = -F4<br />

d.h. die Nettokräfte sind Null. In <strong>der</strong><br />

Aufsicht wird allerdings erkennbar,<br />

dass F3 <strong>und</strong> F4 ein Drehmoment M<br />

auf die Schleife ausüben, falls <strong>der</strong><br />

Flächennormaleneinheitsvektor<br />

<strong>der</strong> Leiterschleife nicht parallel o<strong>der</strong><br />

antiparallel zu den Magnetfeldlinien B<br />

zeigt:<br />

M = r × F (Kraftarm kreuz Kraft)<br />

a a<br />

M = ⋅F3 ⋅ sinα + ⋅F4 ⋅sinα<br />

2 2<br />

a a<br />

= ⋅I⋅b⋅B⋅ sinα + ⋅I⋅b⋅B⋅sinα 2 2<br />

= I⋅a⋅b⋅B⋅sinα = I⋅A⋅B⋅sinα ˆn<br />

In <strong>der</strong> Aufsicht erscheint die Leiterschleife zudem Ähnlichkeit mit einem<br />

elektrischen Dipol µel = q · d zu haben (vgl. V04); sie verhält sich ja in diesem Fall<br />

auch ähnlich: wie sich ein elektrischer Dipol im elektrischen Feld ausrichtet,<br />

richtet sich eine stromdurchflossene Leiterschleife im magnetischen Feld so aus,<br />

dass das Drehmoment Null wird. Daher liegt es nahe, ein magnetisches<br />

Dipolmoment eines ebenen Kreisstromes I zu definieren:<br />

µmag := I · A<br />

wobei A= A ⋅n<br />

ˆ <strong>der</strong> Flächenvektor ist (den<br />

wir schon bei <strong>der</strong> Besprechung des<br />

Gauß’schen Gesetzes kennen gelernt hatten<br />

(V02)).<br />

Damit lässt sich das Drehmoment M, das in<br />

einem homogenen statischen Feld B auf<br />

einen ebenen Kreisstrom I mit dem<br />

magnetischen Dipolmoment µmag wirkt, auch<br />

folgen<strong>der</strong>maßen ausdrücken:<br />

M = µ mag × B mit dem Betrag M = µ mag ⋅B⋅ sinα<br />

.<br />

Auch ein Stabmagnet verhält sich im homogenen Magnetfeld genau wie eine<br />

stromdurchflossene Leiterschleife: Es wirkt ein Drehmoment, das versucht, den<br />

Magneten in Feldrichtung zu drehen.<br />

Zum Vergleich: das Drehmoment auf einen elektrischen Dipol war:<br />

M = µ el × E .


<strong>Elektrodynamik</strong> 69<br />

Hinweis: Verwechseln Sie das magnetische Moment µmag nicht mit <strong>der</strong><br />

Permeabilität µ <strong>und</strong> <strong>der</strong> Permeabilitätszahl µr.<br />

Anwendungen: Elektromotor, Drehspulgalvanometer, ...<br />

Das Funktionsprinzip eines Elektromotors beruht auf dem durch die Lorentzkräfte verursachten Drehmoment<br />

einer (Wechsel-) stromdurchflossenen Leiterschleife in einem homogenen statischen Magnetfeld B. Quelle:<br />

Tipler, Abb. 26.21, S.889<br />

In einem Elektromotor befindet sich eine drehbar gelagerte Leiterschleife in<br />

einem homogenen Magnetfeld B. Fließt durch die Leiterschleife <strong>der</strong> Strom I, dann<br />

wirkt auf sie so lange ein Drehmoment M, bis das magnetische Dipolmoment µmag<br />

(das in die gleiche Richtung wie <strong>der</strong> Flächenvektor A <strong>der</strong> Schleife zeigt) parallel<br />

zum B-Feld steht. In diesem Moment wird <strong>der</strong> Strom durch einen Kommutator<br />

(Polwen<strong>der</strong>) umgepolt, woraufhin sich das Moment <strong>der</strong> Schleife schlagartig um<br />

180° dreht <strong>und</strong> damit eine Fortsetzung <strong>der</strong> Drehung <strong>der</strong> Leiterschleife zur Folge<br />

hat.<br />

5.3.13 Die Einheit <strong>der</strong> Stromstärke, das Ampere, ist über die Kraftwirkung<br />

zweier paralleler gera<strong>der</strong> Leiter definiert<br />

Da Ströme I Magnetfel<strong>der</strong> B erzeugen,<br />

Magnetfel<strong>der</strong> ihrerseits aber<br />

Lorentzkräfte F auf die Ladungen<br />

ausüben, müssen sich zwei gerade <strong>und</strong><br />

parallel zueinan<strong>der</strong> angeordnete Leiter<br />

gegenseitig anziehen, wenn sie in<br />

gleicher Richtung von Strömen<br />

durchflossen werden bzw. gegenseitig<br />

abstoßen, wenn die Stromrichtung<br />

antiparallel ist:<br />

FL,2 = q2<br />

⋅ v2 × B1<br />

r<br />

= I2<br />

⋅Δ l2<br />

× B1<br />

r r<br />

= I2 ⋅Δl2 ⋅B1 ( da B1<br />

⊥Δl2)<br />

r µ 0 ⋅I1<br />

= I2<br />

⋅Δl2 ⋅<br />

2 ⋅π ⋅R<br />

µ 0 I<br />

Hinweis: Die Herleitung des Ausdrucks B = ⋅ für das Magnetfeld eines<br />

2 ⋅π<br />

R<br />

langen, geraden, stromdurchflossenen Leiters lässt sich in Lehrbüchern<br />

nachschlagen.<br />

Die Lorentzkraft FL,2 pro Längenelement Δl2 beträgt demnach:<br />

E3.21<br />

Drehspulgalvanometer<br />

E3.4 Kraftwirkung<br />

zwischen zwei parallelen<br />

stromdurchflossenen<br />

Leitern vs. senkrecht<br />

zueinan<strong>der</strong><br />

angeordneten Leitern


E4.2 Induktion durch<br />

Stabmagnet <strong>und</strong> Spule<br />

70 Experimentalphysik 2 für Biologen & Chemiker<br />

F µ I ⋅ I<br />

= 2 ⋅ ⋅<br />

Δ 2 4 ⋅πR<br />

r l<br />

L,2<br />

0 1 2<br />

.<br />

Die gleiche Überlegung lässt sich für die Lorentzkraft im Leiter 1 durchführen.<br />

Anhand dieser Gleichung lässt sich die Einheit für die Stromstärke nun genau<br />

definieren:<br />

Wenn in zwei geradlinigen, parallelen, sehr langen Leitern, die einen Abstand<br />

von 1 m voneinan<strong>der</strong> haben, Ströme gleicher Stärke fließen, dann ist <strong>der</strong> Strom<br />

in jedem <strong>der</strong> beiden Leiter genau 1 Ampere (1 A), wenn die Kraft pro<br />

Einheitslänge (1 m) zwischen den Leitern 2 · 10 -7 N/m beträgt.<br />

5.3.14 Magnetischer Fluss<br />

Entsprechend zum elektrischen Fluss Φel = E · A<br />

(homogene Fläche) bzw. Φ el = E ⋅dA<br />

(beliebig geformte Oberfläche) (siehe V02) wird<br />

für B <strong>der</strong> magnetische Fluss o<strong>der</strong> auch<br />

Induktionsfluss Φmag definiert:<br />

Φ : = B⋅dA. mag<br />

∫<br />

A<br />

Handelt es sich um eine Spule mit <strong>der</strong><br />

Windungszahl N, dann haben wir N gleiche<br />

Flächenelemente dA. D.h. die Gleichung muss<br />

in diesem Fall mit N multipliziert werden:<br />

Φ : = N⋅ B⋅dA ∫<br />

mag, Spule mit NWindungen<br />

Die Einheit des Magnetischen Flusses ist das Weber (Wb):<br />

2<br />

[ Φ mag ] = 1T ⋅ m = 1Wb<br />

.<br />

5.3.15 Maxwell-Gleichungen für zeitlich konstante Fel<strong>der</strong><br />

Die bisherigen Beobachtungen zu den Eigenschaften elektrischer <strong>und</strong><br />

magnetischer Fel<strong>der</strong> lassen sich in den vier sog. Maxwell-Gleichungen <strong>der</strong><br />

Elektro- <strong>und</strong> Magnetostatik (d.h. für zeitl. konstante Fel<strong>der</strong>) zusammenfassen:<br />

(James Clerk Maxwell, 1831-1879, Schottischer <strong>Physik</strong>er)<br />

M1<br />

M2<br />

M3<br />

M4<br />

Q<br />

Φ el, geschl. Fläche = � ∫E<br />

⋅ dA=<br />

ε<br />

A<br />

0<br />

A<br />

∫<br />

A<br />

Das elektrostatische Feld ist ein Quellenfeld<br />

(Gauß’scher Satz)<br />

Ugeschl. Weg = ∫ E ⋅ ds<br />

= 0 Das elektrische (o<strong>der</strong> besser elektrostatische)<br />

� Feld E ist wirbelfrei, d.h. in <strong>der</strong> Elektrostatik gibt<br />

s<br />

keine geschlossenen elektrischen Feldlinien.<br />

∫ B⋅ d s = µ 0 ⋅I<br />

Das Magnetfeld ist ein Wirbelfeld<br />

�<br />

s<br />

� ∫<br />

Φ = ⋅ =<br />

mag, geschl. Fläche B<br />

A<br />

dA<br />

0<br />

(Ampère’sches Durchflutungsgesetz).<br />

Das Magnetfeld besitzt keine Quellen (d.h. <strong>der</strong><br />

Induktionsfluss durch eine geschlossene Fläche<br />

ist immer gleich Null, da immer gleich viele<br />

Feldlinien durch die Fläche ein <strong>und</strong> austreten).


<strong>Elektrodynamik</strong> 71<br />

Sind die E- <strong>und</strong> B-Fel<strong>der</strong> aus den Maxwell-Gleichungen berechnet worden, dann<br />

lässt sich die Kraft angeben, die auf eine mit <strong>der</strong> Geschwindigkeit v bewegte<br />

Ladung in diesen Fel<strong>der</strong>n wirkt:<br />

F = q⋅ E + ( q⋅<br />

v × B )<br />

Zudem lässt sich über die spezielle Relativitätstheorie folgen<strong>der</strong> Zusammenhang<br />

herleiten:<br />

1<br />

ε 0 ⋅ µ 0 = 2<br />

c<br />

mit c = 2,997 924 58 · 10 8 m·s -1 : Lichtgeschwindigkeit im Vakuum; <strong>und</strong> die bereits<br />

genannten Feldkonstanten: ε0: elektrische Feldkonstante (des Vakuums),<br />

[ε0] = A·s/(V·m); µ0: magnetische Feldkonstante (des Vakuums); [µ0] = V·s/(A·m).<br />

Anmerkung: Wir werden diesen Zusammenhang noch einmal in <strong>der</strong> <strong>Optik</strong> zur<br />

Bestimmung des sog. Brechungsindex=optische Dichte eines Materials<br />

aufgreifen.


72 Experimentalphysik 2 für Biologen & Chemiker<br />

V10 Magnetodynamik<br />

Wie<strong>der</strong>holung<br />

• Werden Leiterschleifen, in denen ein Strom fließt, einem homogenen<br />

Magnetfeld ausgesetzt, dann wirkt auf sie ein durch die Lorentzkraft<br />

bedingtes Drehmoment, das die Schleifenfläche senkrecht zum<br />

Magnetfeld ausrichtet, d.h. <strong>der</strong> Flächennormalenvektor auf <strong>der</strong> Schleife<br />

zeigt damit in Richtung <strong>der</strong> Magnetfeldlinien. Dies gestattete es uns,<br />

einen Elektromotor o<strong>der</strong> ein Drehspulgalvanometer zu bauen.<br />

• Auch auf zwei parallele stromdurchflossene Leiter wirken anziehende<br />

Lorentzkräfte. Dabei werden die erfor<strong>der</strong>lichen Magnetfel<strong>der</strong> von den<br />

Strömen selbst erzeugt. Über diese Anziehungskraft ist die Einheit <strong>der</strong><br />

Stromstärke, das Ampère, definiert.<br />

• Der sog. magn. Fluss ist analog zum elektrischen Fluss, den wir als<br />

gauß’schen Satz kennen gelernt hatten, als Zahl <strong>der</strong> magnetischen<br />

Feldlinien definiert multipliziert mit <strong>der</strong> Fläche, durch die sie<br />

hindurchtreten.<br />

• Die Aussagen <strong>der</strong> Elektrostatik <strong>und</strong> <strong>der</strong> Magnetostatik ließen sich in den 4<br />

sog. Maxwell’schen Gleichungen zusammenfassen; <strong>der</strong>en Kernaussagen<br />

sind: Elektrostatische Fel<strong>der</strong> sind wirbelfreie Quellenfel<strong>der</strong>; Magnetfel<strong>der</strong><br />

sind quellenfreie Wirbelfel<strong>der</strong>.<br />

5.4 Magnetodynamik<br />

5.4.1 Magnetische Induktion<br />

Wir hatten gesehen, dass ein Strom, <strong>der</strong> durch einen Draht fließt, ein Magnetfeld<br />

erzeugt. Umgekehrt kann ein Magnetfeld einen Strom erzeugen, d.h. Ladungen<br />

in eine gerichtete Bewegung versetzen, allerdings nur, wenn sich B zeitlich<br />

än<strong>der</strong>t.<br />

Bisweilen kann man beim Herausziehen eines Netzsteckers einen kleinen<br />

Funken beobachten. Bevor <strong>der</strong> Netzstecker herausgezogen wird, erzeugt <strong>der</strong> im<br />

Kabel fließende Strom ein Magnetfeld, das konzentrisch das Kabel umgibt. Beim<br />

Herausziehen des Netzsteckers wird dieser Strom abrupt unterbrochen. Das<br />

zusammenbrechende Magnetfeld erzeugt eine Spannung, die dem<br />

Zusammenbrechen des Stroms entgegenwirkt, was sich dann in Form des<br />

überspringenden Funkens bemerkbar macht. Ist das Magnetfeld auf null<br />

zurückgegangen, so wird selbstverständlich auch keine Spannung mehr erzeugt.<br />

Spannungen <strong>und</strong> Ströme, die durch die Verän<strong>der</strong>ung von Magnetfel<strong>der</strong>n<br />

entstehen, bezeichnet man als Induktionsspannungen <strong>und</strong> Induktionsströme.<br />

Den Vorgang selbst nennt man magnetische Induktion. Die Größe <strong>der</strong><br />

Induktionsspannung hängt nicht von <strong>der</strong> absoluten Größe des magnetischen<br />

Flusses ab, son<strong>der</strong>n nur von <strong>der</strong> Geschwindigkeit, mit <strong>der</strong> er sich zeitlich än<strong>der</strong>t.<br />

Anmerkung: Sie sehen, dass <strong>der</strong> Begriff <strong>der</strong> Geschwindigkeit allgemein zu<br />

verstehen ist als Än<strong>der</strong>ung einer Größe pro Zeiteinheit. Es muss also nicht immer<br />

die Strecke ds sein, die pro Zeiteinheit dt zurückgelegt wird.


<strong>Elektrodynamik</strong> 73<br />

5.4.2 Induktionsspannung <strong>und</strong> Faraday’sches Gesetz<br />

Experimentell lässt sich zeigen, dass in einem<br />

zeitlich verän<strong>der</strong>lichen Magnetfeld dB/dt in<br />

einer Leiterschleife eine Spannung erzeugt<br />

wird. D.h. jede Än<strong>der</strong>ung des magnetischen<br />

Flusses Φmag durch eine Leiterschleife induziert<br />

(lat. inducere: herbeiführen) eine Spannung Uind<br />

in dieser Schleife, <strong>der</strong>en Stärke proportional zur<br />

Än<strong>der</strong>ung des Flusses Φ mag /dt <strong>und</strong> diesem<br />

entgegen gerichtet ist.<br />

dΦd U = E ⋅ ds =− =− B⋅dA ind<br />

mag<br />

∫<br />

Schleife dt dt ∫<br />

A<br />

Faraday’sches Induktionsgesetz<br />

Die wesentliche Erkenntnis ist, dass ein sich<br />

än<strong>der</strong>ndes Magnetfeld B von einem<br />

quellenfreien elektrischen Wirbelfeld umgeben<br />

ist.<br />

Sind N Leiterschleifen hintereinan<strong>der</strong> als Spule<br />

angeordnet, dann ist die induzierte Spannung<br />

auch N-mal so groß.<br />

Ein sich zeitlich än<strong>der</strong>ndes Magnetfeld B<br />

(zeigt in Papierebene hinein) erzeugt<br />

eine induzierte Spannung U, <strong>der</strong>en<br />

elektrisches Feld in<br />

Gegenuhrzeigerrichtung zeigt. Da sich<br />

positive Ladungen immer entlang <strong>der</strong> E-<br />

Feldlinien bewegen <strong>und</strong> die techn.<br />

Stromrichtung I für pos. Ladungen gilt,<br />

zeigt I ebenfalls in<br />

Gegenuhrzeigerrichtung. (Das neg.<br />

Vorzeichen kehrt also die Rechte-Hand-<br />

Regel um.) Die beschriebenen<br />

Richtungen kehrten sich um, wenn das<br />

Magnetfeld aus <strong>der</strong> Papierebene<br />

herauszeigte. Quelle: Tipler, Abb. 26.5,<br />

S. 879<br />

Eine Spannung wird immer induziert, egal, ob die Leiterschleife offen ist (dann ist<br />

die Spannung an <strong>der</strong>en Enden messbar) o<strong>der</strong> geschlossen. Ein Induktionsstrom<br />

kann natürlich nur dann fließen, wenn die Leiterschleife geschlossen ist (o<strong>der</strong> in<br />

einer offenen Schleife nur dann, wenn sich das B Feld periodisch, d.h. mit einer<br />

sin o<strong>der</strong> cos-Funktion än<strong>der</strong>t. Dazu mehr bei <strong>der</strong> Besprechung von Antennen).<br />

Statt das Magnetfeld zu än<strong>der</strong>n, gestattet es das Faraday-Gesetz auch, die<br />

Leiterschleifenfläche dA zeitlich zu än<strong>der</strong>n.<br />

a) Diese kann sich zum einen durch Än<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> relativen Orientierung von<br />

B-Feld <strong>und</strong> Flächenvektor dA zueinan<strong>der</strong> durch Klappen o<strong>der</strong> Drehen von<br />

α auf β än<strong>der</strong>n, d.h. durch Verstellen des Zwischenwinkels zwischen den<br />

beiden Vektoren B <strong>und</strong> dA. Wie aus <strong>der</strong> Abbildung ersichtlich, än<strong>der</strong>t sich<br />

damit <strong>der</strong> effektive Flächenanteil, <strong>der</strong> senkrecht zum Magnetfeld steht,<br />

von A zu A⊥.<br />

(Erinnern Sie sich daran, dass in<br />

einem Skalarprodukt <strong>der</strong><br />

Zwischenwinkel <strong>der</strong> beiden<br />

Vektoren im cos auftaucht.) Wir<br />

werden auf die Berechnung <strong>der</strong><br />

induzierten Spannung bei <strong>der</strong><br />

Besprechung von Wechselstrom-<br />

Generatoren als Umkehrung<br />

eines Elektromotors noch zu<br />

sprechen kommen.<br />

b) Alternativ lässt sich die Fläche durch Verschiebung eines Leiterbügels<br />

vergrößern o<strong>der</strong> verkleinern, wie die folgende Skizze veranschaulicht:


74 Experimentalphysik 2 für Biologen & Chemiker<br />

Wird <strong>der</strong> Bügel mit <strong>der</strong><br />

Geschwindigkeit v über die<br />

Leiterschleife durch das B-<br />

Feld gezogen, werden die<br />

Elektronen in dem Bügel mit<br />

<strong>der</strong> Geschwindigkeit v<br />

senkrecht zum B-Feld<br />

transportiert. Nach <strong>der</strong><br />

Rechte-Hand-Regel<br />

beschleunigt die Lorentz-Kraft<br />

FL=−e⋅ ( v × B ) also die Elektronen senkrecht zur Bewegung des Bügels<br />

<strong>und</strong> senkrecht zum B-Feld (wegen Vektorprodukt!), was eine zusätzliche<br />

Bewegung <strong>der</strong> Elektronen längs des Bügels zur Folge hat. Aus dieser<br />

Kraft resultiert eine Ladungstrennung, also eine induzierte Spannung Uind,<br />

<strong>der</strong>en elektrisches Feld die Elektronenbewegung hemmt. Das<br />

Gleichgewicht ist dann erreicht, wenn die bremsende Coulombkraft FE<br />

gleich <strong>der</strong> antreibenden Lorentz-Kraft FL ist: FE = FL, also e·E = e·v·B.<br />

E = Uind/b ist dabei die elektrische Feldstärke im Metall. Daraus folgt:<br />

Uind = b⋅v ⋅ B.<br />

Mithilfe von v = dx/dt folgt:<br />

dx db ( ⋅ x) dA<br />

Uind = b⋅ ⋅ B = ⋅ B = ⋅ B<br />

dt dt dt<br />

Zusammenfassung <strong>der</strong> Beobachtungen:<br />

Induktionsvorgänge. Quelle: Hering, Martin, Stohrer, „<strong>Physik</strong> für Ingenieure“, Abb. 4-118<br />

D.h. an<strong>der</strong>s als in <strong>der</strong> Elektrostatik, in <strong>der</strong> das zweite Maxwell’sche Gesetz<br />

besagt, dass die Spannung U entlang einer geschlossenen Kurve (Schleife)<br />

immer gleich Null ist, d.h. das durch ruhende Ladungen q erzeugt EQelle ein<br />

‚konservatives’ Quellenfeld ist, verhält sich in <strong>der</strong> Magnetodynamik das<br />

elektrische Wirbelfeld EWirbel einer induzierten Spannung nicht-konservativ, d.h.<br />

die induzierte Spannung Uind ist ungleich Null.<br />

Das negative Vorzeichen bedeutet Folgendes:<br />

Die durch Induktion erzeugten Fel<strong>der</strong>, Kräfte <strong>und</strong> Ströme sind stets so gerichtet,<br />

dass sie dem die Induktion einleitenden Vorgang (d.h. <strong>der</strong> Ursache <strong>der</strong> Induktion)<br />

entgegenwirken.


<strong>Elektrodynamik</strong> 75<br />

Dieses Prinzip ist als Lenz’sche Regel bekannt. (Heinrich Lenz, 1804 – 1865,<br />

deutscher <strong>Physik</strong>er)<br />

Bewegt sich <strong>der</strong> Stabmagnet auf den leitenden Ring zu, so fließt aufgr<strong>und</strong> <strong>der</strong> induzierten Spannung<br />

Uind ein Strom Iind in <strong>der</strong> eingezeichneten Richtung. Dieser Strom erzeugt seinerseits ein Magnetfeld<br />

(gestrichelt gezeichnet), das <strong>der</strong> magn. Flusszunahme im Ring entgegenwirkt, die ja durch die<br />

Annäherung des Magneten hervorgerufen wird.<br />

Die Lenz’sche Regel folgt aus dem Energieerhaltungssatz. (Ansonsten würde ein<br />

leichtes Anstoßen eines Stabmagneten in Richtung Ring den Magneten zum<br />

Ring hin automatisch beschleunigen, wobei gleichzeitig ein immer größerer<br />

Stromfluss erzeugt würde.)<br />

So wie in diesem Bild schießen wir heute unsere Raumfahrtmissionen ins All. Falls wir eines Tags<br />

beginnen sollten, Bergbau auf dem Mond o<strong>der</strong> auf Asteroiden zu betreiben, wo wir keine Treibstoffquellen<br />

für solche konventionellen Raketen haben, werden wir effizientere Methoden brauchen.<br />

Elektromagnetische Abschussrampen könnten eine Lösung sein. Eine Induktionsschleu<strong>der</strong> (rechts) o<strong>der</strong><br />

eine sog. „elektromagnetische Kanone“ kann heute schon ein Projektil innerhalb einer Millisek<strong>und</strong>e aus<br />

<strong>der</strong> Ruhe auf eine Geschwindigkeit von 10 km/s (36000 km/h) beschleunigen. Quelle: Halliday, Kapitel 30;<br />

Demtrö<strong>der</strong>, Abb. 4.10, S. 121.<br />

Wird <strong>der</strong> Induktionsstrom innerhalb eines Leiters (<strong>und</strong> nicht in einem Stromkreis)<br />

erzeugt, wird von Wirbelströmen gesprochen. Die dort erzeugte Joule’sche<br />

Wärme ist so groß, dass sehr viel mechanische Energie ‚verbraucht’ wird.<br />

Anwendung: Wirbelstrombremse, Schwingungsdämpfung bei empfindlichen<br />

Waagen, Induktionsherde.<br />

E4.20 Induktionspendel<br />

E4.11<br />

Induktionsschleu<strong>der</strong>


Internetinfos:<br />

http://www.schuelerlexiko<br />

n.de/SID/5a50998cb99a<br />

0e5c3498f6e1b3a52ab0/l<br />

exika/physek2/cont/cont0<br />

400/cont0407/full.htm<br />

E4.14<br />

Wirbelstrombremse<br />

76 Experimentalphysik 2 für Biologen & Chemiker<br />

Da B-Fel<strong>der</strong> über den Raum wirken, lässt sich über die zeitliche Än<strong>der</strong>ung des B-<br />

Feldes einer Spule in einer zweiten Spule einen Strom/eine Spannung<br />

induzieren. Dies lässt sich z.B. in Transformatoren ausnutzen (s. V12).<br />

Unterschieden wird zwischen gegenseitiger Induktion (zwischen zwei Spulen)<br />

<strong>und</strong> Selbstinduktion (z.sB. innerhalb einer Spule, in <strong>der</strong> ein zeitlich nichtkonstanter<br />

Strom ein zeitlich nicht-konstantes Magnetfeld aufbaut, das<br />

seinerseits in <strong>der</strong>selben Spule eine Gegenspannung induziert <strong>und</strong> damit den<br />

Stromfluss behin<strong>der</strong>t (s.a. An- <strong>und</strong>-Abschaltvorgänge in einer <strong>der</strong> nächsten<br />

Vorlesungen; Wechselstrom in Spulen)).<br />

Um nicht jedes Mal das Integral Φ mag = B⋅dA berechnen zu müssen, wird<br />

je<strong>der</strong> (Spulen-) Anordnung eine skalare Größe, die Induktivität L zugeordnet, die<br />

auch Selbstinduktionskoeffizient genannt wird:<br />

∫ A<br />

Φ mag = B⋅ dA = L⋅I , wodurch<br />

Uind L<br />

dt<br />

∫ A<br />

dI<br />

=− ⋅ wird.<br />

Die Induktivität einer eng gewickelten Zylin<strong>der</strong>spule ist direkt proportional zum<br />

Quadrat <strong>der</strong> Windungszahldichte n (Zahl <strong>der</strong> Windungen pro Länge l ) <strong>und</strong> dem<br />

Volumen A· l :<br />

2<br />

L = µ 0 ⋅n ⋅A⋅ l = const<br />

Die Einheit <strong>der</strong> Induktivität ist das Henry (H) (Joseph Henry, 1797 –1878,<br />

amerikanischer Wissenschaftler)<br />

V ⋅ s<br />

[ L] = 1 = 1H<br />

.<br />

A<br />

.


<strong>Elektrodynamik</strong> 77<br />

V11 Magnetismus in Materie<br />

Wie<strong>der</strong>holung<br />

• Wir hatten gesehen, dass sich (gemäß des Faraday’schen<br />

Induktionsgesetzes) durch zeitlich verän<strong>der</strong>nde Magnetfel<strong>der</strong> in<br />

geschlossenen Leiterspulen Spannungen <strong>und</strong> Ströme induzieren können.<br />

Sie wirken gemäß <strong>der</strong> Lenz’schen Regel ihrer Ursache entgegen. Die die<br />

Spannung erzeugenden elektrischen Fel<strong>der</strong> sind hier (in <strong>der</strong><br />

<strong>Elektrodynamik</strong>), an<strong>der</strong>s als in <strong>der</strong> Elektrostatik, Wirbelfel<strong>der</strong>.<br />

5.5 Magnetismus in Materie<br />

5.5.1 Materie im Magnetfeld<br />

Wie beim Einbringen von Materie (Dielektrikum) in ein elektrisches Feld E (z.B.<br />

Kondensator) wird auch ein Magnetfeld B durch Materie beeinflusst. Das B-Feld<br />

einer Spule wird z.B. durch das Einbringen von Eisen (Fe) ins Innere <strong>der</strong> Spule<br />

vergrößert, es gilt<br />

BMaterie = μr · BVakuum = μr · μ0 · HVakuum<br />

mit<br />

H: magnetische Feldstärke (also das durch freie Ströme erzeugte Magnetfeld),<br />

μ0 Permeabilität des Vakuums bzw. magnetischen Feldkonstante <strong>und</strong><br />

μr: relative Permeabilität <strong>und</strong> (s.a. V08 <strong>und</strong> V09), die definiert ist als<br />

Induktivität einer Ringspulemit Material L<br />

µ r : = = .<br />

Induktivität einer RingspuleimVakuum L<br />

Wie in V04 <strong>und</strong> V10 gesehen, werden sowohl im elektrischen Feld (elektrische)<br />

als auch im Magnetfeld (magnetische) Dipolmomente induziert <strong>und</strong> permanente<br />

Dipole ausgerichtet.<br />

5.5.2 Magentisches Dipolmoment eines Elektrons: das Bohr’sche<br />

Magneton<br />

Woher kommen die magnetischen Dipolmomente in Materie, wenn diese doch<br />

eigentlich durch Kreisströme (in Leiterschleifen) erzeugt werden?<br />

Im Rahmen des Bohr’schen Atommodells bewegen sich die Elektronen auf<br />

Kreisbahnen um den Atomkern. Diese Bewegung, die häufig über den sog.<br />

Bahndrehimpuls beschrieben wird, verleiht ihnen ein magnetisches<br />

Dipolmoment. (Zusätzlich hat jedes Elektron ein eigenes magnetisches Moment,<br />

das mit seinem sog. Spin (Eigendrehimpuls) verb<strong>und</strong>en ist.)<br />

In abgeschlossenen Schalen gibt es genauso viele e - , die rechts wie links herum<br />

um den Kern umlaufen, so dass nach außen kein permanentes Dipolmoment<br />

sichtbar ist; dieses tritt allerdings bei ungepaarten Elektronen auf.<br />

Für den Strom eines einzelnen e - auf einer Bahn mit Radius R, einer<br />

2 ⋅π⋅R Geschwindigkeit v = , einer Umlaufzeit T <strong>und</strong> einer Masse me gilt:<br />

T<br />

−e −e⋅v I = = .<br />

T 2 ⋅π⋅R vak<br />

E3.23<br />

Magnetfeldverstärkung<br />

durch Eisen


78 Experimentalphysik 1 für Biologen & Chemiker<br />

Jedes Elektron hat klassisch gesehen damit einen<br />

Drehimpuls (Bahndrehimpuls) ur<br />

l = R x p = R x m · v<br />

o<strong>der</strong> betragsmäßig l = R · m · v (für v ⊥ R) (s. <strong>Physik</strong><br />

1). Damit ergibt sich für das magnetische Dipolmoment<br />

µmag eines Elektrons mit <strong>der</strong> Ladung q = -e:<br />

μmag<br />

−e⋅v 2⋅π⋅ R<br />

−e 2⋅m −e<br />

2⋅m<br />

o<strong>der</strong> vektoriell<br />

2<br />

= I⋅ A= ⋅π⋅ R = ⋅v ⋅R⋅ m = ⋅<br />

µ<br />

mag<br />

e ur<br />

=− ⋅l<br />

.<br />

2 ⋅ m<br />

Das Postulat stabiler Elektronenbahnen führt zu einer<br />

Quantisierung des Bahndrehimpulses ur<br />

l , <strong>der</strong> nur ein<br />

Vielfaches <strong>der</strong> Größe h = h/(2·π) sein kann. Das<br />

magnetische Dipolmoment<br />

ur<br />

eines Elektrons mit dem<br />

Bahndrehimpuls l = h wird auch Bohr’sche<br />

Magneton µB genannt <strong>und</strong> hat den Betrag<br />

e h e<br />

µ B = ⋅ = ⋅ = ⋅ A⋅m 2⋅m 2⋅π2⋅m −24<br />

2<br />

h 9,273 10 ,<br />

wobei h = 6,626 075 5 · 10 -34 J·s das Planck’sche<br />

Wirkungsquantum ist.<br />

Frage: Überprüfen Sie anhand <strong>der</strong> Einheiten von l <strong>und</strong><br />

h, ob die Gleichsetzung von Drehimpuls <strong>und</strong><br />

Wirkungsquantum statthaft ist.<br />

l<br />

Ein Elektron bewegt sich mit <strong>der</strong><br />

Tangentialgeschwindigkeit v auf<br />

einer Kreisbahn im Abstand R<br />

um den positiven Atomkern <strong>und</strong><br />

hat daher einen Bahndrehimpuls<br />

ur<br />

l , <strong>der</strong> als Vektor senkrecht aus<br />

<strong>der</strong> Papierebene zeigt.<br />

Quelle: Tipler, Abb. 27.2, S.917<br />

Der Zusammenhang zwischen <strong>der</strong> magnetischen Größe µmag <strong>und</strong> <strong>der</strong><br />

mechanischen Größe ur<br />

l heißt magneto-mechanischer Parallelismus.<br />

Der Quotient aus beiden Größen<br />

µ mag e<br />

γ l = r =−<br />

l 2 ⋅ m<br />

wird magnetogyrisches o<strong>der</strong> gyromagnetisches Verhältnis (hier des<br />

Elektrons) genannt.<br />

Für den Spin eines jeden e - gilt analog:<br />

µ e<br />

= ,<br />

s m<br />

mag<br />

γ =−<br />

wobei sich experimentell ergibt, dass γ doppelt so groß wie im Fall des<br />

Bahndrehimpulses ist. Allgemein lässt sich dieser Zusammenhang formulieren<br />

als<br />

mit den g-Faktoren gl = 1 <strong>und</strong> gs = 2.<br />

µ e<br />

γ = =−g⋅ L 2 ⋅ m


<strong>Elektrodynamik</strong> 79<br />

5.5.3 Magnetisierung<br />

1<br />

Wie im elektrischen Feld die Polarisation P = ⋅∑µ<br />

el, i (s.a. V04) wird hier die<br />

V i<br />

Magnetisierung M eingeführt als Vektorsumme aller magnetischen Dipolmomente<br />

(induziert o<strong>der</strong> permanent) pro Volumeneinheit V:<br />

mit <strong>der</strong> Einheit [M] = 1 A<br />

m .<br />

5.5.4 Magnetische Suszeptibilität<br />

1<br />

M = ⋅∑µ<br />

V<br />

Die von den atomaren Strömen in Materie herrührende Magnetisierung M ist <strong>der</strong><br />

an<strong>der</strong>e Anteil an <strong>der</strong> Gesamtmagnetisierung B (neben <strong>der</strong> von den „freien<br />

Strömen“ (in Leitern) herrührenden magnetischen Feldstärke H, die wir in V09<br />

beschrieben hatten). D.h. B = µ · H = µr · µ0 · H lässt sich jetzt formulieren über<br />

0<br />

i<br />

mag, i<br />

( ) µ B = H + M .<br />

Experimentell zeigt sich (für nicht allzu großes H), dass M ∝ H ist.<br />

M = χ ⋅H<br />

mag<br />

mit <strong>der</strong> magnetischen Suszeptibilität χ mag (lat. suscipere: annehmen,<br />

übernehmen), einer Materialkonstanten als Proportionalitätsfaktor. Ihr Wert<br />

nimmt in <strong>der</strong> Regel mit steigen<strong>der</strong> Temperatur ab. Daraus ergibt sich also<br />

<strong>und</strong><br />

B = µ ⋅µ ⋅ H= µ ( H + χ ⋅ H) = µ (1 + χ ) ⋅H<br />

r 0 0 mag 0 mag<br />

µ = 1+<br />

χ .<br />

r mag<br />

Das magnetische Verhalten aller Stoffe lässt sich über die magnetische<br />

Suszeptibilität χ mag in fünf Kategorien einteilen, von denen drei genauer<br />

besprochen werden:<br />

Typ Beispiel Suszeptibilität<br />

Diamagnete Silber, Blei, Kupfer χ m < 0<br />

Paramagnete Luft, Platin, Aluminium χ m > 0<br />

}<br />

Ferromagnete Eisen, Kobalt, Nickel χ m > 0<br />

Ferrimagnete χ m > 0 }<br />

Antiferromagnete χ m ~ 0<br />

⏐χ⏐ > 1<br />

E3.28<br />

Magnetisierung/Entmagnetisierung<br />

E3.30 Ferro., Para- <strong>und</strong><br />

Diamagneten im<br />

Magnetfeld


80 Experimentalphysik 1 für Biologen & Chemiker<br />

Magnetisierungsverhalten <strong>und</strong> magnetische<br />

Suszeptibilität einiger Stoffe. Quelle: Demtrö<strong>der</strong>, Abb.<br />

3.42 <strong>und</strong> Tab. 3.2, S. 104<br />

Es lässt sich feststellen, dass in diamagnetischen Materialien nur gepaarte e -<br />

vorkommen, in para- <strong>und</strong> ferromagnetischen ungepaarte (= perm. magnetische<br />

Dipolmomente).<br />

5.5.5 Diamagnetismus<br />

Da keine permanenten magnetischen Dipolmomente vorhanden sind, werden<br />

diese offensichtlich gem. <strong>der</strong> Lenz’schen Regel induziert. Da demnach induzierte<br />

Magnetfel<strong>der</strong> den äußeren Fel<strong>der</strong>n immer entgegengesetzt sind, ist χ m < 0. χ m<br />

≠ f (T).<br />

5.5.6 Paramagnetismus<br />

Atome paramagnetischer Stoffe besitzen permanente magnetische<br />

Dipolmomente, die aber ohne äußeres Feld statistisch verteilt sind, so dass die


<strong>Elektrodynamik</strong> 81<br />

äußere Magnetisierung 0 ist. Im äußeren Feld wirkt aber ein Drehmoment, das<br />

die Dipole teilweise parallel zum Feld ausrichtet, so dass das B-Feld vergrößert<br />

wird.<br />

Es gilt: χ m ∼ 1<br />

T (Curie-Gesetz)<br />

5.5.7 Ferromagnetismus<br />

χ m ist hier sehr groß. Wird das Material im B-Feld magnetisiert, kann dieses<br />

später abschaltet werden, wobei eine Magnetisierung bestehen bleibt<br />

(Remanenz MR).<br />

Man benötigt das B-Feld BK<br />

(Koerzitivkraft) in<br />

entgegengesetzter Richtung<br />

zur Entmagnetisierung. Eine<br />

solche Kurve, die<br />

unterschiedliche Werte je<br />

nach Richtung <strong>der</strong><br />

Verän<strong>der</strong>ung zeigt, heißt<br />

Hysteresekurve (von gr.<br />

hysteros: später, hinterher).<br />

MR: Remanenzmagnetisierung, Ba: äußeres Magnetfeld, BK:<br />

Koerzitivfeldstärke. Quelle: Demtrö<strong>der</strong>, Abb. 3.46, S.106<br />

Die Magnetisierung hängt also nicht in einfacher Weise vom äußeren Magnetfeld<br />

Ba ab, son<strong>der</strong>n von <strong>der</strong> Vorgeschichte des Materials. Erklärung: In<br />

Ferromagneten gibt es mikroskopische Bereiche, die Weiß’schen Bezirke, in<br />

denen alle atomaren Dipolmomente durch eine hohe Wechselwirkung parallel<br />

zueinan<strong>der</strong> ausgerichtet sind. Ohne Feld sind diese Bereiche zunächst statistisch<br />

in ihrer Orientierung. Legt man ein Feld an, dann „springen“ alle magnetischen<br />

Momente eines Bezirks gleichzeitig in Magnetfeldrichtung.<br />

Die von <strong>der</strong> Kurve umschlossene Fläche ist proportional zur Energie, die in dem<br />

irreversiblen Prozess <strong>der</strong> Magnetisierung bzw. Entmagnetisierung als Wärme<br />

umgewandelt wird. Ist sie klein, d.h. tritt nur geringe Wärmeentwicklung auf, wird<br />

das Material ‚magnetisch weich’ bezeichnet (z.B. Weicheisen im Transformator,<br />

s.a. V14), an<strong>der</strong>nfalls ‚magnetisch hart’ (z.B. die Legierung Alnico 5 in<br />

Festplatten, wo eine hohe Remanenz wünschenswert ist).<br />

Diese Ordnung ist stark<br />

temperaturabhängig. Oberhalb <strong>der</strong><br />

sog.paramagnetischen Curie-<br />

Temperatur Tc sind deshalb alle<br />

Ferromagneten paramagnetisch, da die<br />

statistische Temperaturbewegung die<br />

ausrichtende Wechselwirkung<br />

übersteigt.<br />

χ m =<br />

C<br />

T - T<br />

mit <strong>der</strong> Materialkonstanten C (Curie-<br />

Konstante, [C] = 1 K).<br />

C<br />

Elektronenspins im Ferromagnet a) im<br />

„entmagnetisierten“ Zustand bzw. bei hohen<br />

Temperaturen T > TC; b) mit äußerem Magnetfeld<br />

<strong>und</strong> nach dessen Abschalten unterhalb <strong>der</strong><br />

Sättigung. Quelle: Demtrö<strong>der</strong>, Abb. 3.51, S.109<br />

E3.24 Weiß'sche Bezirke<br />

E3.25 Barkhausen-Effekt<br />

E3.33 Curie-Punkt mit<br />

Nadelerhitzung


82 Experimentalphysik 1 für Biologen & Chemiker<br />

In Antiferromagneten sind zwei<br />

Kristallgitter so ineinan<strong>der</strong> gebaut, dass<br />

immer zwei Spins <strong>und</strong> damit zwei<br />

magnetische Momente antiparallel<br />

gerichtet sind. Dies trifft auch auf<br />

Ferrimagnete zu; allerdings<br />

kompensieren sich hier die<br />

magnetischen Momente nicht<br />

vollständig.<br />

Antiferromagnet<br />

Ferrimagnet


<strong>Elektrodynamik</strong> 83<br />

V12 Trafos<br />

Wie<strong>der</strong>holung<br />

• Das magnetische Dipolmoment eines einzelnen Elektrons lässt sich über<br />

das sog. Bohr’sche Magneton beschreiben. Dieses magnetische Moment<br />

ist über den sog. g-Faktor direkt proportional zum Bahndrehimpuls des<br />

Elektrons auf <strong>der</strong> ersten Bahn um das Proton im Wasserstoffatom im<br />

Bohr’schen Atommodell.<br />

• Ähnlich wie sich Dielektrika in elektrischen Fel<strong>der</strong>n polarisieren lassen,<br />

können Stoffe auch magnetisiert werden. Bei Ferroelektrika bleibt diese<br />

Magnetisierung auch nach Abschalten des äußeren Magnetfeldes<br />

erhalten. Die Magnetisierung M ist die Summe <strong>der</strong> magnetischen<br />

Dipolmomente dividiert durch das Substanzvolumen.<br />

• Diese Magnetisierung ist proportional zur durch Ströme in Spulen<br />

erzeugten magnetischen Feldstärke H. Die Proportionalitätskonstante ist<br />

die sog. magnetische Suszeptibilität χ (lat. suscipere: annehmen;<br />

angenommenes / übernommenes Magnetfeld). Je höher die<br />

Suszeptibilität, desto leichter ist das Material magnetisierbar.<br />

Diamagnetische Stoffe wi<strong>der</strong>setzen sich einer Magnetisierung; sie haben<br />

negative Suszeptibilitäten.<br />

• Oberhalb <strong>der</strong> Curie-Temperatur verhin<strong>der</strong>t die thermische Energie die<br />

konzertierte Ausrichtung <strong>der</strong> magnetischen Dipolmomente in<br />

Ferroelektrika. Die Weiß’schen Bezirke lösen sich auf, das<br />

Ferroelektrikum verliert infolge seine Magnetisierung.<br />

• Werden Leiterschleifen, in denen ein Strom fließt, einem homogenen<br />

Magnetfeld ausgesetzt, dann wirkt auf sie ein durch die Lorentzkraft<br />

bedingtes Drehmoment, das die Schleifenfläche senkrecht zum<br />

Magnetfeld ausrichtet, d.h. <strong>der</strong> Flächennormalenvektor auf <strong>der</strong> Schleife<br />

zeigt damit in Richtung <strong>der</strong> Magnetfeldlinien. Dieses Phänomen hatten wir<br />

genutzt, um z. B. Elektromotoren zu bauen. Wir werden heute sehen,<br />

dass wir auch umgekehrt vorgehen können. Wenn wir eine Leiterschleife<br />

im Magnetfeld mechanisch drehen, sollten sich Ladungen in Bewegung<br />

setzen, d.h. es lassen sich Ströme induzieren.<br />

5.6 Wechselstrom <strong>und</strong> Drehstrom<br />

5.6.1 Erzeugung von Wechselstrom durch eine sich drehende Spule im<br />

Magnetfeld<br />

Nach dem Faraday’schen Gesetz war die in einem sich än<strong>der</strong>nden Magnetfeld in<br />

einer Leiterschleife erzeugte Induktionsspannung (s.a. V11):<br />

dΦd U = E ⋅ ds =− =− B⋅dA. ind<br />

mag<br />

∫<br />

Schleife dt dt ∫<br />

A<br />

Wird zur Vereinfachung ein planare Leiterschleifenfläche A bzw. ihr<br />

Flächenvektor A betrachtet (d.h. also A= dA= A⋅n),<br />

ˆ so ist aus <strong>der</strong> Ableitung<br />

im Faraday-Gesetz unter Berücksichtigung <strong>der</strong> Produktregel <strong>der</strong><br />

Differenzialrechnung ersichtlich, dass sich eine Spannung entwe<strong>der</strong> durch<br />

Än<strong>der</strong>ung des Magnetfeldes dB<br />

bei zeitlich konstantem Flächenvektor A<br />

dt<br />

∫<br />

A


E4.21<br />

Wechselstromgenerator<br />

84 Experimentalphysik 2 für Biologen & Chemiker<br />

<strong>und</strong>/o<strong>der</strong> durch zeitliche Än<strong>der</strong>ung des Flächenvektors dA<br />

<strong>und</strong> zeitlich<br />

dt<br />

konstantem Magnetfeld B erzeugt werden kann:<br />

U<br />

ind<br />

d( B⋅A) ⎛dB dA<br />

⎞<br />

=− =−⎜ ⋅ A+ ⋅B<br />

⎟.<br />

dt ⎝ dt dt ⎠<br />

Zeitlich verän<strong>der</strong>liche Bs ließen sich durch Drehung von Permanentmagneten<br />

erzeugen, zeitlich verän<strong>der</strong>liche As durch Drehung <strong>der</strong> Leiterschleifen; letzteres<br />

ist technisch einfacher zu realisieren <strong>und</strong> entspricht genau <strong>der</strong> Anordnung, die wir<br />

schon bei Elektromotoren kennen gelernt hatten; lediglich die Operationsweise ist<br />

umgekehrt: statt einen Strom durch die Leiterschleife zu schicken, um eine<br />

mechanische Drehbewegung <strong>der</strong> Schleife zu erzeugen, wird durch eine<br />

mechanische Drehung <strong>der</strong> Schleife (z.B. Wasserrä<strong>der</strong> am Wasserfall,<br />

Dampfturbine (über Kohle o<strong>der</strong> Kernkraft), Windrä<strong>der</strong>) ein Strom in <strong>der</strong> Schleife<br />

induziert.<br />

Das Funktionsprinzip eines Generators beruht auf dem durch das Drehen einer Leiterschleife mit einer<br />

Winkelgeschwindigkeit ω in einem homogenen Magnetfeld B erzeugten Induktionsstrom, wie er durch das<br />

Faraday’sche Gesetz beschrieben wird. Quelle: Tipler, Abb. 26.21, S.889<br />

Eine sich mit <strong>der</strong> Winkelgeschwindigkeit ω in einem zeitlich konstanten<br />

(Permanent-) Magnetfeld B drehende Leiterschleife induziert eine sinusförmige<br />

ϕ<br />

Wechselspannung U~ <strong>der</strong> Frequenz ω= , die sich an den beiden Enden <strong>der</strong><br />

t<br />

Leiterschleife abgreifen lässt:<br />

Quelle: Großes Buch <strong>der</strong> <strong>Physik</strong>, compact Verlag, S. 283


<strong>Elektrodynamik</strong> 85<br />

U<br />

~, ind<br />

d(<br />

B⋅A) =−<br />

dt<br />

dB dA<br />

=− ⋅A− ⋅B<br />

dt dt<br />

dA dB<br />

= − ⋅ B ( für B = const., also = 0)<br />

dt dt<br />

dA ( ⋅B⋅cos α )<br />

=−<br />

dt<br />

dA ( ⋅B⋅cos( ω⋅t)) α<br />

=− ( wegenω<br />

= )<br />

dt t<br />

= A⋅B⋅ω⋅sin( ω⋅t)<br />

( wegen innerer Ableitung)<br />

= U ⋅sin( ω⋅ t) ( mitU = U = A⋅B⋅ ω = const. für Leiterschleife<br />

0 0 max<br />

bzw. U0 = N ⋅A⋅B⋅ωfür eineSpulemitNWindungen)<br />

Liegt diese an einem Wi<strong>der</strong>stand R an, so fließt (gemäß dem Ohm’schen Gesetz<br />

U = R·I) <strong>der</strong> Wechselstrom (im Englischen AC für “alternating current” im<br />

Gegensatz zum Gleichstrom DC für “direct current”)<br />

I~ = I0 · sin (ω·t).<br />

In unserem Stromnetz beträgt die Frequenz <strong>der</strong> Wechselspannung<br />

Sie besitzt damit die Kreisfrequenz<br />

ω<br />

ν = = 50 Hz .<br />

2 ⋅π<br />

( )<br />

ω = 2⋅π ⋅ ν = 314 rad<br />

.<br />

s<br />

Die Periode (Schwingungsdauer) T für eine Schwingung beträgt demnach<br />

Die Leistung ist<br />

Für den Mittelwert gilt<br />

T T<br />

2⋅π 1<br />

T = = = 20 ms .<br />

ω ν<br />

P = U ⋅ I = U0 · I0 · sin 2 (ω·t).<br />

1 1 2 1 2⋅π<br />

Pt () = ⋅∫Ut () ⋅ Itdt () = ⋅∫U0 ⋅I0 ⋅sin (ω ⋅ t) = ⋅U0 ⋅ I0 ( mitT = ) .<br />

T T<br />

2<br />

ω<br />

0 0<br />

Wechselstrom <strong>und</strong> Wechselspannung (hier als cos-<br />

statt sin-Funktion, d.h. um 90° phasenverschoben)<br />

Mittlere Leistung des Wechselstroms bzw. <strong>der</strong><br />

Wechselspannung. Quelle: Demtrö<strong>der</strong> Abb. 5.9<br />

<strong>und</strong> 5.11, S. 140f.


86 Experimentalphysik 2 für Biologen & Chemiker<br />

U0<br />

I0<br />

Ein von einer Gleichspannung U = = erzeugter Gleichstrom I = = hätte die<br />

2<br />

2<br />

gleiche mittlere Leistung wie <strong>der</strong> Wechselstrom U~ mit den Amplituden U0 <strong>und</strong> I0.<br />

Diese Werte werden deshalb Effektivwerte genannt. Unsere Netzspannung hat<br />

Ueff= 220 V, d.h. U0 = 220 V⋅ 2 = 311 V.<br />

Wird am Kollektor <strong>der</strong> Leiterschleife (o<strong>der</strong> Spule) im richtigen Augenblick (d.h.<br />

wenn A || B) umgepolt, dann wird eine pulsierende Gleichspannung (‚gleich’ für<br />

gleiches Vorzeichen) erzeugt. Auch (Halbleiter-) Dioden erzeugen<br />

Gleichspannungen, da sie Ströme nur in einer Richtung durchlassen (mehr zu<br />

Dioden in einer folgenden St<strong>und</strong>e).<br />

Kollektor an einer Leiterschleife (Draufsicht, links) <strong>und</strong> dadurch erzeugte pulsierende Gleichspannung<br />

(rechts) Quelle: Demtrö<strong>der</strong> Abb. 5.2, S. 136.<br />

5.6.2 Ein Drehstrom hat eine höhere Leistungsdichte<br />

Quelle: Staudt, Abb. 6.98, S. 102.<br />

Werden 3 gleiche Spulen (R, S, T-Spulen), die auf einer gemeinsamen Achse um<br />

120° versetzt montiert sind, im homogenen B-Feld rotiert, werden in je<strong>der</strong> <strong>der</strong><br />

Spulen Wechselspannungen erzeugt, die eine Phasendifferenz von 120° bzw.<br />

240° zueinan<strong>der</strong> haben:<br />

UR = U0 sin ω·t<br />

US = U0 sin (ω·t – 120°)<br />

UT = U0 sin (ω·t – 240°) = U0 sin (ω·t + 120°)<br />

Drehstrom muss in 3 Leitungen transportiert werden. Es wird eine höhere<br />

elektrische Leistung erzielt.


<strong>Elektrodynamik</strong> 87<br />

5.6.3 Transformatoren wandeln Wechselspannungen ohne<br />

Leistungsverlust von einer Eingangsspannung in eine (an<strong>der</strong>e)<br />

Ausgangsspannung<br />

Da einige elektronische Geräte nicht mit 220 V arbeiten, son<strong>der</strong>n niedrigere o<strong>der</strong><br />

höhere Spannungen benötigen, muss die Netzspannung gewandelt werden.<br />

Der Transformator nutzt die Tatsache aus, dass eine von Wechselstrom<br />

durchflossene Spule in einer dicht benachbarten Spule eine Wechselspannung<br />

induziert. Die Spule, die von <strong>der</strong> zu transformierenden Spannung versorgt wird,<br />

wird Primärspule bezeichnet, die an<strong>der</strong>e als Sek<strong>und</strong>ärspule. Beide Wicklungen<br />

können als Primär- <strong>und</strong> Sek<strong>und</strong>ärspule fungieren.<br />

Funktionsweise: Der Wechselstrom in <strong>der</strong> Primärspule erzeugt ein sich<br />

periodisch än<strong>der</strong>ndes Magnetfeld, das den das Magnetfeld verstärkenden<br />

Eisenkern periodisch (um-)magnetisiert (Magnetfeld <strong>und</strong> magnetischer Fluss<br />

Φmag im Inneren einer Spule: V10; Magnetisierung: V11).<br />

Der Eisenkern überträgt gleichzeitig<br />

das sich mit <strong>der</strong> Wechselstromfrequenz<br />

ω än<strong>der</strong>nde Magnetfeld B ins Innere<br />

<strong>der</strong> Sek<strong>und</strong>ärwicklung, wo es nach<br />

dem Faraday’schen Gesetz (V10) in<br />

dieser eine Wechselspannung U~,ind<br />

<strong>und</strong> damit einen Wechselstrom I~,ind<br />

induziert.<br />

Quelle: Staudt, Abb. 6.116, S.121<br />

Da beide Spulen nicht direkt miteinan<strong>der</strong> verb<strong>und</strong>en sind, kann auch kein Strom<br />

zwischen ihnen fließen. Im Transformator wird Energie bzw. Leistung zwischen<br />

den beiden Spulen über das sich än<strong>der</strong>nde Magnetfeld im Eisenkern transportiert<br />

<strong>und</strong> nicht etwa elektrische Ladung!<br />

Zur Vermeidung von Wirbelstromverlusten besteht <strong>der</strong> Eisenkern aus<br />

voneinan<strong>der</strong> isolierten <strong>und</strong> verklebten Eisenblechen.<br />

Überlegen Sie sich, in welcher Ebene/Schnittfläche des Eisenkerns Wirbelströme<br />

auftreten könnten.<br />

Da das Magnetfeld durchs Zentrum <strong>der</strong> Spule geht (entlang <strong>der</strong> Zylin<strong>der</strong>achse <strong>der</strong> Spule), <strong>und</strong> Uind dann am größten ist, wenn B <strong>und</strong> Flächennormalenvektor parallel stehen (Uind prop. zum Skalarprodukt B·A =<br />

B·A·cos(∠B,A), wird <strong>der</strong> maximal induzierbare Wirbelstrom in <strong>der</strong> Ebene einer Leiterschleife <strong>der</strong> Spule fließen; in dieser Ebene sind die Eisenbleche jedoch verklebt, d.h. ihr elektrischer Kontakt ist unterbrochen <strong>und</strong> damit <strong>der</strong><br />

Wirbelstrom unterb<strong>und</strong>en..<br />

Weitere Ursachen für Verluste sind die Erwärmung <strong>der</strong> Spulen durch ihren<br />

ohmschen Wi<strong>der</strong>stand, ihre Induktivität (induktiven Wi<strong>der</strong>stand) sowie die<br />

magnetische Hysterese des Kerns. Wir wollen diese Verluste vernachlässigen<br />

<strong>und</strong> von einem idealen Transformator mit 100 Prozent Wirkungsgrad ausgehen.<br />

(Reale Transformatoren haben Wirkungsgrade von etwa 90 bis 95 Prozent.)<br />

Die in <strong>der</strong> Sek<strong>und</strong>ärspule erzeugte Spannung U2 ist eine Funktion des<br />

Verhältnisses <strong>der</strong> Wicklungszahlen zwischen Primär- <strong>und</strong> Sek<strong>und</strong>ärspule:<br />

Für den Strom gilt:<br />

N2<br />

U~,2, ind =−U~,1 ⋅<br />

N .<br />

N1<br />

I~,2, ind =−I~,1 ⋅<br />

N .<br />

Das Minus-Zeichen resultiert aus <strong>der</strong> Tatsache, dass die induzierte Spannung<br />

bzw. <strong>der</strong> induzierte Strom in <strong>der</strong> Sek<strong>und</strong>ärspule um 180° (d.h. um π) gegenüber<br />

2<br />

1


E4.16 Trafo<br />

(Spannungsverhältnisse)<br />

E4.19<br />

Hoernerblitzableiter<br />

E4.17 Hochstromtrafo<br />

88 Experimentalphysik 2 für Biologen & Chemiker<br />

<strong>der</strong> Spannung bzw. dem Strom in <strong>der</strong> Primärspule verschoben ist, wenn beide<br />

Spulen in gleichem Drehsinn gewickelt sind.<br />

Ist N1 < N2 (bei gleichem<br />

Spulenquerschnitt A), dann<br />

wird die Primärspannung U1<br />

‚hochtransformiert’ (links).<br />

Da <strong>der</strong> Energieerhaltungssatz<br />

gelten muss, kann in <strong>der</strong><br />

Sek<strong>und</strong>ärspule zwar eine<br />

höhere Spannung U2 > U1<br />

abgegriffen werden; es steht<br />

aber nur ein kleinerer Strom<br />

zur Verfügung I2 < I1.<br />

Für N1 > N2 (rechts) gilt das Gegenteil: Die Primärspannung U1 wird<br />

‚runtertransformiert’; in <strong>der</strong> Sek<strong>und</strong>ärspule fließt bei kleinerer Spannung<br />

U2 < U1 , allerdings ein größerer Strom I2 > I1.<br />

Die beiden Hauptvorteile <strong>der</strong><br />

Wechselspannung sind:<br />

• Leichte <strong>und</strong> weitgehend verlustfreie<br />

Umtransformierung von einer<br />

Spannung in eine beliebige an<strong>der</strong>e.<br />

• Weitgehend verlustfreier Transport<br />

als ‚Hochspannung’ (typ. U = 500 kV)<br />

über weite Entfernungen durch Kabel<br />

mit nicht allzu großem<br />

Leiterquerschnitt: P = U · I, d.h. bei<br />

hoher Spannung U kann <strong>der</strong> Strom I<br />

klein sein, um dieselbe Leistung von<br />

einem Ort zum an<strong>der</strong>en zu<br />

übertragen. Kleine Ströme I heißt<br />

aber auch wenig Reibungswärme in<br />

einem sehr langen Leiter<br />

(Überlandkabel). Am Empfängerort<br />

kann die Spannung schließlich<br />

wie<strong>der</strong> auf 220 V runtertransformiert<br />

werden, wodurch wie<strong>der</strong> ein hoher<br />

Strom zur Verfügung steht.<br />

Quelle: Bloomfield, How Things Work, Abb.<br />

9.2.6-8, S. 309f


Computersimulation<br />

Transformator: Än<strong>der</strong>ung<br />

<strong>der</strong><br />

Windungsverhältnisse<br />

<strong>und</strong> res. Spannungen.<br />

90 Experimentalphysik 2 für Biologen & Chemiker<br />

V13 Schaltvorgänge <strong>und</strong> Wechselstromwi<strong>der</strong>stände<br />

Wie<strong>der</strong>holung<br />

• Das Faraday’sche Gesetz sagt voraus, dass sich Ströme in<br />

Leiterschleifen sowohl durch sich än<strong>der</strong>nde Magnetfel<strong>der</strong> als auch durch<br />

Bewegung <strong>der</strong> Leiterschleife in einem konstanten Magnetfeld induzieren<br />

lassen. Damit lassen sich in einem Generator, also einer Spule, die in<br />

einem Magnetfeld rotiert, Ströme erzeugen.<br />

• Wechselspannungen lassen sich mit Hilfe von Transformatoren leicht<br />

erhöhen o<strong>der</strong> absenken. Die Kombination aus Biot-Savart’schem Gesetz<br />

<strong>und</strong> Faraday-Gesetz führt zu einer Leistungsübertragung zwischen zwei<br />

Spulen über einen Kern aus magnetisierbarem Material (i.d.R. Eisen).<br />

5.7 Elektrische Bauelemente in Gleich- <strong>und</strong> Wechselstromkreisen<br />

5.7.1 Ein- <strong>und</strong> Abschaltvorgänge in Gleichstromkreisen<br />

Wie verhalten sich ein Wi<strong>der</strong>stand R, ein Kondensator mit <strong>der</strong> Kapazität C <strong>und</strong><br />

eine Spule mit <strong>der</strong> Induktivität L bei An- <strong>und</strong> Abschaltvorgängen in<br />

Gleichstromkreisen?<br />

Mittels eines Schalters lässt sich zwischen <strong>der</strong> Gleichspannungsquelle (z.B. eine<br />

Batterie) <strong>und</strong> einem Kurzschluss umschalten. Im Experiment wird eine<br />

Rechteckspannung zwischen Uaus = 0 V <strong>und</strong> Uan > 0 V an die Bauelemente<br />

angelegt, die diesen Schaltvorgang simuliert.<br />

5.7.1.1 Wi<strong>der</strong>stand beim An- <strong>und</strong> Abschalten einer Gleichspannungsquelle<br />

Strom <strong>und</strong> Spannung haben den gleichen zeitlichen Verlauf, eine Folge aus dem<br />

Ohm’schen Gesetz (U = R · I):<br />

U<br />

I = .<br />

R<br />

I än<strong>der</strong>t sich also nur dann, wenn sich auch U än<strong>der</strong>t. Ansonsten ist I unabhängig<br />

von <strong>der</strong> Zeit.


<strong>Elektrodynamik</strong> 91<br />

5.7.1.2 Kondensator beim An- <strong>und</strong> Abschalten einer Gleichspannungsquelle<br />

Beim Einschalten <strong>der</strong> Spannung fließt ein maximaler <strong>und</strong> lediglich durch R<br />

begrenzter Strom auf die Platten <strong>und</strong> lädt den Kondensator auf. Dadurch baut<br />

sich am Kondensator eine Spannung auf, die <strong>der</strong> Quellspannung <strong>und</strong> dem<br />

Ladestrom entgegenwirkt. Sobald die Gegenspannung genau <strong>der</strong> Quellspannung<br />

entspricht, werden keine weiteren Ladungen mehr auf die Platten fließen können;<br />

<strong>der</strong> Strom wird in diesem Moment auf Null abgefallen sein.<br />

Für die zeitliche Abnahme des Stroms beim Einschalten <strong>der</strong> Quellspannung, dh.<br />

beim Aufladen des Kondensators gilt:<br />

1<br />

− ⋅t<br />

RC ⋅<br />

U U<br />

IAufladung RC()<br />

t = ⋅ e = ⋅ e<br />

R R<br />

mit τRC = R·C als Zeitkonstante des RC-Gliedes. Beim Abschalten <strong>der</strong><br />

Quellspannung entlädt sich <strong>der</strong> Kondensator über den kurzgeschlossenen<br />

Stromkreis, d.h. die Ladungen fließen jetzt in Gegenrichtung wie<strong>der</strong> von ihm ab.<br />

Für den zeitlichen Verlauf Stromstärke bei diesem Entladungsprozess gilt:<br />

IEntladung(t) = -IAufladung(t).<br />

5.7.1.3 Spule beim An- <strong>und</strong> Abschalten einer Gleichspannungsquelle<br />

Nach Einschalten <strong>der</strong> Quellspannung fließt ein Strom in <strong>der</strong> Spule, <strong>der</strong> eine<br />

Spannung induziert, die gemäß <strong>der</strong> Lenz’schen Regel <strong>der</strong> Quellspannung<br />

entgegengesetzt ist (wegen Biot-Savart + Faraday: ein sich (hier gleichmäßig)<br />

än<strong>der</strong>n<strong>der</strong> Strom erzeugt ein sich än<strong>der</strong>ndes Magnetfeld, das seinerseits eine<br />

konstante Spannung induziert); <strong>der</strong> Strom wächst daher nur langsam an, bis er<br />

einen durch R vorgegebenen Sättigungswert erreicht:<br />

R t<br />

U ⎛ − ⋅t⎞ U ⎛ − ⎞<br />

L<br />

τRL<br />

IAufladung RL()<br />

t = ⋅⎜1− e ⎟=<br />

⋅⎜1−e ⎟<br />

R ⎝ ⎠ R ⎜ ⎟<br />

⎝ ⎠<br />

L<br />

mit τ RL = als Zeitkonstante des RL-Gliedes. Wird die Quellspannung<br />

R<br />

abgeschaltet, so versucht die durch die stattgef<strong>und</strong>ene Än<strong>der</strong>ung erneut<br />

induzierte Spannung (jetzt in Gegenrichtung) <strong>der</strong> Än<strong>der</strong>ung entgegenzuwirken.<br />

Die Folge ist ein langsames Absinken des Stroms auf Null:<br />

−<br />

τ<br />

t<br />

RC


92 Experimentalphysik 2 für Biologen & Chemiker<br />

U −<br />

τRL<br />

I ()<br />

Entladung RL t = ⋅ e .<br />

R<br />

Wird <strong>der</strong> Schalter schnell geöffnet (also<br />

ausgeschaltet), d.h. findet ein schneller<br />

Spannungssprung von Quellspannung auf Null statt,<br />

dann erfolgt <strong>der</strong> Abfall des Stroms nicht vom<br />

momentanen Wert I, son<strong>der</strong>n steigt kurz auf<br />

I<br />

max<br />

dI<br />

U<br />

L⋅<br />

ind = = dt .<br />

R R<br />

Diese Spannungs- <strong>und</strong> Stromspitzen können sehr groß werden <strong>und</strong> u. U.<br />

Glühbirnen zum Durchbrennen bringen.<br />

5.7.2 Gleichstromwi<strong>der</strong>stände versch. Bauelemente in Gleichstromkreisen<br />

5.7.2.1 Ohm’scher Wi<strong>der</strong>stand bei Gleichstrom<br />

Ein Ohm’scher Wi<strong>der</strong>stand R folgt dem Ohm’schen Gesetz. Sein Wi<strong>der</strong>stand ist<br />

R = U/I.<br />

5.7.2.2 Wi<strong>der</strong>stand eines Kondensators bei Gleichstrom<br />

Hat sich ein Kondensator nach Einschalten des Stromes vollständig aufgeladen,<br />

d.h. ist die durch die Ladungen auf den Kondensatorplatten erzeugte<br />

Gegenspannung so groß wie die Quellspannung geworden, dann fließt kein<br />

Strom mehr. Der Wi<strong>der</strong>stand eines Kondensators ist daher in Gleichstromkreisen<br />

unendlich groß <strong>und</strong> entspricht einem durchtrennten Kabel.<br />

5.7.2.3 Wi<strong>der</strong>stand einer Spule bei Gleichstrom<br />

Ist <strong>der</strong> Strom-Sättigungswert einer Spule nach dem Einschaltvorgang erreicht,<br />

dann hat eine Spule praktisch keinen Wi<strong>der</strong>stand mehr. Sie entspricht daher in<br />

Gleichstromkreisen einem Kurzschluss.<br />

5.7.3 Wechselstromwi<strong>der</strong>stände = Impedanzen versch. Bauelemente in<br />

Wechselstromkreisen<br />

Die Wi<strong>der</strong>stände von Kondensatoren <strong>und</strong> Spulen verhalten sich in<br />

Wechselstromkreisen an<strong>der</strong>s als in Gleichstromkreisen. Lediglich ein Ohm’scher<br />

Wi<strong>der</strong>stand zeigt bei beiden Stromtypen gleiches Verhalten. Der<br />

Wechselstromwi<strong>der</strong>stand wird auch Impedanz genannt.<br />

5.7.3.1 Ohm’scher Wechselstromwi<strong>der</strong>stand<br />

Ersatzschaltkreis für einen Ohm’schen Wi<strong>der</strong>stand<br />

an einer Wechselspannungsquelle.<br />

t<br />

Beim Wi<strong>der</strong>stand sind Wechselstrom <strong>und</strong><br />

Wechselspannung in Phase


<strong>Elektrodynamik</strong> 93<br />

Wird an einen ohm’schen Wi<strong>der</strong>stand eine Wechselspannung U~ = U0 · sin ω·t<br />

angelegt, folgt er nach wie vor dem Ohm’schen Gesetz. Anwendung <strong>der</strong><br />

Maschenregel ergibt:<br />

Auflösen nach I:<br />

~ − R = ~ − ⋅ ~ = 0<br />

U U U R I<br />

U~<br />

U0<br />

I~ = = ⋅sin( ω⋅ t) = I0 ⋅sin( ω⋅<br />

t)<br />

R R<br />

Der durch einen Ohm’schen Wi<strong>der</strong>stand fließende Strom ist außerdem immer in<br />

Phase mit <strong>der</strong> Wechselspannung über den Wi<strong>der</strong>stand.<br />

5.7.3.2 Wechselstromwi<strong>der</strong>stand eines Kondensators<br />

Ersatzschaltkreis für einen Kondensator an einer<br />

Wechselspannungsquelle.<br />

Beim Kondensator eilt <strong>der</strong> Strom <strong>der</strong> Spannung um<br />

π/2 voraus.<br />

Wird an einen Kondensator eine Wechselspannung U~ = U0 · sin ω·t angelegt,<br />

folgt nach Anwendung <strong>der</strong> Maschenregel:<br />

q<br />

U~ − UC = U~<br />

− = 0,<br />

d.h. q C U0sin( t)<br />

C<br />

ω<br />

= ⋅ ⋅ ⋅ <strong>und</strong> damit für den Strom:<br />

dq<br />

π π<br />

I~ = = ω⋅C⋅U0 ⋅cos( ω⋅ t) = ω⋅C⋅U0 ⋅sin( ω⋅ t + ) = I0 ⋅sin( ω⋅<br />

t + ) .<br />

dt<br />

2 2<br />

I = ω⋅C⋅<br />

U als maximaler Strom. D.h. <strong>der</strong> Wechselstrom eilt <strong>der</strong><br />

mit 0 0<br />

Wechselspannung um π/2 (also 90°) voraus.<br />

Sucht man eine Ähnlichkeit zum Ohm’schen Gesetz, dann lässt sich <strong>der</strong><br />

Ausdruck auch formulieren als:<br />

1<br />

U = ⋅ I = Z ⋅I<br />

ω⋅C<br />

0 0 C 0<br />

mit dem kapazitiven Wechselstromwi<strong>der</strong>stand (kapazitiven Impedanz)<br />

ZC<br />

1<br />

: = .<br />

ω⋅C


94 Experimentalphysik 2 für Biologen & Chemiker<br />

5.7.3.3 Wechselstromwi<strong>der</strong>stand einer Spule<br />

Ersatzschaltkreis für eine Spule an einer<br />

Wechselspannungsquelle.<br />

Bei <strong>der</strong> Spule hinkt <strong>der</strong> Strom <strong>der</strong> Spannung um<br />

π/2 hinterher.<br />

Wird an eine Spule eine Wechselspannung U~ = U0 · sin ω·t angelegt, folgt nach<br />

Anwendung <strong>der</strong> Maschenregel:<br />

dI<br />

U0<br />

U~ − UL = U~ − Uind = U~ −L⋅ = 0,<br />

d.h. dI = ⋅sin( ω⋅t)<br />

⋅ dt <strong>und</strong> damit für den<br />

dt<br />

L<br />

Strom:<br />

U0 U0 U0<br />

π π<br />

I~ = ⋅ sin( t) dt cos( t) sin( t ) I0 sin( t )<br />

L ∫ ω⋅ ⋅ =− ⋅ ω⋅ = ⋅ ω⋅ − = ⋅ ω⋅<br />

− .<br />

ω⋅L ω⋅L<br />

2 2<br />

1<br />

mit I0 = ⋅U0<br />

als maximaler Strom. D.h. <strong>der</strong> Wechselstrom hinkt in diesem<br />

ω⋅L<br />

Fall <strong>der</strong> Wechselspannung um π/2 (also 90°) hinterher.<br />

Sucht man wie<strong>der</strong> die Ähnlichkeit zum Ohm’schen Gesetz, dann lässt sich <strong>der</strong><br />

Ausdruck auch formulieren als:<br />

U = ω⋅L⋅<br />

I = Z ⋅ I<br />

0 0 L 0<br />

mit dem induktiven Wechselstromwi<strong>der</strong>stand (induktiven Impedanz)<br />

Z : = ω⋅<br />

L.<br />

L<br />

Hinweis: Wechselstromwi<strong>der</strong>stände lassen sich am besten in <strong>der</strong> komplexen<br />

Zahlenebene darstellen, d.h. es sind Größen mit Realteil <strong>und</strong> Imaginärteil.<br />

5.7.4 Verschaltung von Wechselstromwi<strong>der</strong>ständen<br />

Impedanzen verhalten sich bei Serien- <strong>und</strong> Parallelverschaltung wie ohm’sche<br />

Wi<strong>der</strong>stände:<br />

Reihenschaltung: Zges, ser = Z1 + Z2 + ...<br />

Parallelschaltung:<br />

1 1 1<br />

= + + ...<br />

Z Z Z<br />

ges, par 1 2<br />

Über Impedanzmessungen lassen sich z.B. Verän<strong>der</strong>ungen in <strong>der</strong> Zelladhäsion<br />

auf einem elektrisch leitfähigen Substrat verfolgen: Än<strong>der</strong>t sich <strong>der</strong> Zell-<br />

Elektrodenabstand, än<strong>der</strong>n sich gleichzeitig auch Parameter wie <strong>der</strong> elektr.<br />

Wi<strong>der</strong>stand zwischen Elektrode <strong>und</strong> Nährmedium o<strong>der</strong> die Kapazität <strong>der</strong><br />

Zellmembran.


<strong>Elektrodynamik</strong> 95<br />

V14 Dioden, Thermoelement & Peltier-Element<br />

Wie<strong>der</strong>holung<br />

• Werden Wi<strong>der</strong>stand, Kondensator <strong>und</strong> Spule in Stromkreisen betrachtet,<br />

lässt sich feststellen, dass sich ihr Strom-Spannungsverhalten<br />

unterscheidet.<br />

• Bei Ein-/Ausschaltvorgängen folgt <strong>der</strong> Strom in einem Wi<strong>der</strong>stand zeitlich<br />

genau dem Spannungsverlauf. Bei einem Kondensator ist <strong>der</strong> Stromfluss<br />

dagegen zunächst maximal <strong>und</strong> nimmt mit zunehmen<strong>der</strong> Ladung <strong>der</strong><br />

Kondensatoroberfläche (Platten) bis auf Null ab, da irgendwann die auf<br />

den Platten deponierten Ladungen eine Spannung erzeugt haben<br />

werden, die dem Betrag nach genau <strong>der</strong> angelegten Spannung entspricht.<br />

Beim Abschalten wird genau <strong>der</strong> gleiche Stromverlauf, allerdings mit<br />

entgegen gesetztem Vorzeichen beobachtet. Dieser Verlauf folgt einer e-<br />

Funktion. Im Gegensatz dazu nimmt <strong>der</strong> Strom beim Anschalten einer<br />

Spule nur langsam bis zu einem Sättigungswert zu, da die sich während<br />

des Anschaltens von Null auf einen endlichen Wert än<strong>der</strong>nde äußere<br />

Spannung in <strong>der</strong> Spule eine Induktionsspannung erzeugt, die <strong>der</strong> äußeren<br />

Spannung entgegenwirkt (Lenz’sche Regel) <strong>und</strong> damit den Stromfluss in<br />

die Spule hinein behin<strong>der</strong>t. Umgekehrt führt die durch den<br />

Abschaltprozess sich än<strong>der</strong>nde Spannung zu einer Induktionsspannung,<br />

die diesem Abschaltprozess entgegenwirkt, wodurch <strong>der</strong> Stromabfall beim<br />

Abschalten nicht sprunghaft, son<strong>der</strong>n langsam erfolgt. Diese<br />

Induktionsspannung addiert sich beim Abschalten zur Restspannung <strong>und</strong><br />

kann dabei zu Spannungsspitzen führen, denen <strong>der</strong> Verbraucher (die<br />

Spule) nicht standhält <strong>und</strong> die damit zu einer Zerstörung des<br />

Verbrauchers führen (z.B. <strong>der</strong> Glühwendel einer Glühbirne).<br />

• In Gleichstromkreisen folgt ein Wi<strong>der</strong>stand dem Ohm’schen Gesetz; ein<br />

Kondensator wirkt wie ein durchtrenntes Kabel, <strong>und</strong> eine Spule einem<br />

Kurzschluss (bei vernachlässigbarem Innenwi<strong>der</strong>stand des<br />

Spulendrahtes).<br />

• Beim Anlegen einer Wechselspannung wird beobachtet, dass sich Strom<br />

<strong>und</strong> Spannung nicht in Phase befinden müssen (d.h. zu an<strong>der</strong>en<br />

Zeitpunkten ihre jeweiligen Maxima erreichen). Dies trifft nicht für den<br />

Wi<strong>der</strong>stand zu, jedoch auf Kondensator <strong>und</strong> Spule: Bei einem<br />

Kondensator eilt <strong>der</strong> Wechselstrom <strong>der</strong> angelegten Wechselspannung um<br />

90° voraus, bei <strong>der</strong> Spule hinkt er um 90° hinterher.<br />

Computersimulation<br />

Phasenverschiebung bei<br />

R, C <strong>und</strong> L in<br />

Wechselstromkreisen


E2.14 HL-Diode<br />

96 Experimentalphysik 2 für Biologen & Chemiker<br />

5.8 Halbleiterbauelemente: Dioden (<strong>und</strong> Transistoren)<br />

Vierwertiges Silizium (wie Kohlenstoff) kann jeweils 4 Bindungen eingehen<br />

(links). Werden Fremdatome mit weniger (z.B. Bor: dreiwertig, d.h. 3<br />

Außenelektronen) o<strong>der</strong> mehr (z.B. Phosphor: fünfwertig, d.h. 5 Außenelektronen)<br />

Elektronen in das Kristallgitter eingebaut, so entstehen positiv geladene<br />

Elektronenfehlstellen (Löcher, holes) (Mitte) o<strong>der</strong> negativ geladene<br />

Elektronenüberschussstellen (rechts) im Gitter.<br />

Werden ein p- (z.B. Si dotiert mit B; Ga)<br />

<strong>und</strong> ein n-leiten<strong>der</strong> Halbleiter (z.B. Si<br />

dotiert mit P; As) in Kontakt gebracht, so<br />

diff<strong>und</strong>ieren freie Elektronen von <strong>der</strong> n-<br />

in die p-Schicht <strong>und</strong> Löcher von <strong>der</strong> p- in<br />

die n-Schicht. Dort findet jeweils<br />

Rekombination von e- <strong>und</strong> h+ (holes =<br />

Löcher) statt. Dadurch entsteht auf <strong>der</strong> p-<br />

Seite ein Überschuss an negativen, auf<br />

<strong>der</strong> n-Seite an positiven Ladungen.<br />

Keine äußere Spannung, U=UK<br />

Die so aufgebaute Kontaktspannung UK verhin<strong>der</strong>t im Gleichgewicht weitere<br />

Ladungsdiffusion. Im Kontaktbereich sind nur wenig Ladungsträger, so dass dort<br />

ein höherer Wi<strong>der</strong>stand vorliegt als im restlichen Material.<br />

Wird nun von außen eine Spannung angelegt, so kommt es stark auf die Polung<br />

<strong>der</strong> Spannung an, ob ein Strom fließen kann o<strong>der</strong> nicht:<br />

Polung <strong>der</strong> externen Spannung in Sperrrichtung:<br />

Weitere Verarmung, d.h. Ausbreitung <strong>der</strong><br />

Verarmungszone.<br />

Polung in Flussrichtung


<strong>Elektrodynamik</strong> 97<br />

Nebenstehend ist die Strom-Spannungs-<br />

Kurve einer (Halbleiter-) Diode zu sehen:<br />

In Sperrichtung (neg. U) fließt kein Strom<br />

(I=0), in Flussrichtung nimmt <strong>der</strong> Strom<br />

nicht-linear zu.<br />

Leuchtdioden: Bei manchen Materialien<br />

wird die Energie, die bei <strong>der</strong><br />

Rekombination von - mit + bei Betrieb in<br />

Flussrichtung frei wird, als Licht<br />

abgegeben.<br />

Es gibt viele weitere wichtige<br />

Bauelemente, v.a. Transistoren<br />

(‚Doppeldiode’) als Verstärker.<br />

5.9 Thermische Effekte in Leitern<br />

5.9.1 Erzeugung einer Thermospannung als Folge des Seebeck-Effektes<br />

Die Elektronen füllen das oberste besetze Band eines metallischen Leiters, das<br />

sog. Valenzband, vollständig auf (wie Wasser einen See) (s. a. V06). Die Energie<br />

an <strong>der</strong> oberen Kante dieses Bandes (d.h. <strong>der</strong> Wasserpegel) entspricht bei<br />

Metallen <strong>der</strong> sog. Fermi-Energie EF (Enrico Fermi, ital. <strong>Physik</strong>er, 1901 – 1954).<br />

(Bei Isolatoren, Eigenhalbleitern (d.h. nicht-dotierten Halbleitern wie reinem<br />

Silizium) <strong>und</strong> Metallen beschreibt EF die Energie, die genau zwischen Valenz-<br />

<strong>und</strong> Leitungsband liegt.) EF ist für jedes Material eine charakteristische Größe.<br />

Werden nun zwei Metalle mit unterschiedlichen Fermi-Energien EF,1 <strong>und</strong> EF,2 in<br />

Kontakt gebracht, dann purzeln Elektronen aus dem Material mit <strong>der</strong> höheren EF<br />

ins Material mit <strong>der</strong> kleineren EF (wie Wasser aus einem See mit höherem<br />

Wasserstand in einen See mit niedrigerem Wasserstand fließen würde). Die<br />

dabei frei werdende Energie wird i.d.R. als Wärme abgegeben. Da es sich<br />

allerdings bei Elektronen um geladene Teilchen handelt, lassen sie positive<br />

Metallatomrümpfe zurück, die ein elektrisches Feld aufbauen, das eine<br />

rücktreibende Kraft auf die ins niedrigere EF –Niveau purzelnden Elektronen<br />

ausübt. Irgendwann wird dieses Feld <strong>und</strong> seine rücktreibende Kraft die Kraft des<br />

EF –Gefälles gerade kompensieren, d.h. keine weiteren Elektronen können das<br />

Metall mit <strong>der</strong> höheren EF mehr verlassen. Das zu diesem Feld gehörende<br />

Potenzial wird auch Kontaktpotenzial UKontakt o<strong>der</strong> Volta-Potenzial genannt. In<br />

diesem Gleichgewicht liegt die neue Fermi-Energie EF, Kontakt des kombinierten<br />

Systems (irgendwo) zwischen denen <strong>der</strong> beiden isolierten Metalle.<br />

Werden zwei Metalle mit unterschiedlichen Fermi-Energien (links) in Kontakt gebracht (rechts), bildet sich<br />

die Kontaktspannung UKontakt zwischen ihnen aus. Beachten Sie, dass <strong>der</strong> Buchstabe E in dieser<br />

E2.32 thermoel. Strom


98 Experimentalphysik 2 für Biologen & Chemiker<br />

Abbildung immer die Energie <strong>und</strong> nicht das elektrische Feld meint.<br />

Gleicher Zusammenhang im Bild <strong>der</strong> „Potenzialtöpfe“, die miteinan<strong>der</strong> in Verbindung gebracht werden.<br />

Wenn die beiden Leiter einen<br />

geschlossenen Kreis bilden, so<br />

entstehen zwei gleichstarke<br />

entgegengesetzte elektrische Fel<strong>der</strong>.<br />

Da sie sich aufheben, fließt kein Strom.<br />

Was geschieht nun, wenn eine <strong>der</strong><br />

Kontaktstellen erwärmt wird?<br />

Erwärmt man ein Metall, so än<strong>der</strong>t sich<br />

die Verteilung <strong>der</strong> Elektronen im<br />

Potenzialtopf. Durch die Wärmeenergie<br />

werden sie besser verteilt. Durch<br />

Aufnahme von Wärmeenergie können<br />

Elektronen vom tieferen Potenzialtopf<br />

in den höheren gelangen. Das<br />

elektrische Feld an dieser Kontaktstelle<br />

wird kleiner.<br />

Quelle:<br />

http://www.siteware.ch/peltier/theorie.html#seebeck<br />

Die beiden elektrischen Fel<strong>der</strong> heben sich nun nicht mehr gegenseitig auf: Es<br />

fließt ein Thermostrom I (thermoelektrischer Effekt). Dieser Effekt wird auch<br />

Seebeck-Effekt genannt (Thomas Johannes Seebeck, dt. <strong>Physik</strong>er, 1770 –<br />

1831). Der erzeugte Strom wirkt seiner Ursache entgegen: Er nimmt Wärme auf<br />

<strong>der</strong> warmen Seite auf <strong>und</strong> gibt sie an <strong>der</strong> kalten Kontaktstelle wie<strong>der</strong> ab.


<strong>Elektrodynamik</strong> 99<br />

Quelle: Demtrö<strong>der</strong> 2, Abb. 2.58, S.73<br />

Quelle: Staudt, Abb. 7.55, S.209<br />

5.9.2 Der Peltier-Effekt ist die Umkehrung <strong>der</strong> thermoelektrischen<br />

Spannungserzeugung<br />

So wie sich über eine äußere<br />

Temperaturdifferenz zwischen zwei<br />

Kontaktpunkten ein abgreifbarer<br />

Strom erzeugen lässt, führt ein von<br />

außen angelegter Strom zu einem<br />

Temperaturgefälle zwischen den<br />

Kontaktpunkten.<br />

Für die Kontaktstellen än<strong>der</strong>t sich<br />

nichts. Sie werden immer noch von<br />

einem Strom durchflossen <strong>und</strong><br />

nehmen immer noch Wärme auf<br />

respektive geben welche an die<br />

Umgebung ab, auch wenn kein<br />

Temperaturgefälle besteht.<br />

Quelle:<br />

http://www.siteware.ch/peltier/theorie.html#seebeck<br />

Die Elektronen, die von <strong>der</strong> Spannungsquelle vom tieferen in den höheren<br />

Potenzialtopf gestoßen werden, nehmen ihre gewonnene potenzielle Energie in<br />

Form von Wärmeenergie auf. Diejenigen, die vom höheren Potenzial ins tiefere<br />

gelangen, geben ihre potenzielle Energie als Wärme ab.<br />

Die Menge <strong>der</strong> transportierten Wärme ist von <strong>der</strong> Anzahl <strong>der</strong> Elektronen<br />

abhängig, die die Kontaktstelle durchfließen. Jedes Elektron kann eine gewisse<br />

Wärmemenge absorbieren <strong>und</strong> wie<strong>der</strong> abgeben. Die Wärmemenge Q ist<br />

dementsprechend proportional zum fließenden Strom:<br />

ΔQ ∝ I .<br />

Δt<br />

Beachten Sie: Q ist die Wärmemenge (<strong>und</strong> nicht die Ladungsmenge).<br />

E2.35 Peltierelement


<strong>Elektrodynamik</strong> 95<br />

V14 Dioden, Thermoelement & Peltier-Element<br />

Wie<strong>der</strong>holung<br />

• Werden Wi<strong>der</strong>stand, Kondensator <strong>und</strong> Spule in Stromkreisen betrachtet,<br />

lässt sich feststellen, dass sich ihr Strom-Spannungsverhalten<br />

unterscheidet.<br />

• Bei Ein-/Ausschaltvorgängen folgt <strong>der</strong> Strom in einem Wi<strong>der</strong>stand zeitlich<br />

genau dem Spannungsverlauf. Bei einem Kondensator ist <strong>der</strong> Stromfluss<br />

dagegen zunächst maximal <strong>und</strong> nimmt mit zunehmen<strong>der</strong> Ladung <strong>der</strong><br />

Kondensatoroberfläche (Platten) bis auf Null ab, da irgendwann die auf<br />

den Platten deponierten Ladungen eine Spannung erzeugt haben<br />

werden, die dem Betrag nach genau <strong>der</strong> angelegten Spannung entspricht.<br />

Beim Abschalten wird genau <strong>der</strong> gleiche Stromverlauf, allerdings mit<br />

entgegen gesetztem Vorzeichen beobachtet. Dieser Verlauf folgt einer e-<br />

Funktion. Im Gegensatz dazu nimmt <strong>der</strong> Strom beim Anschalten einer<br />

Spule nur langsam bis zu einem Sättigungswert zu, da die sich während<br />

des Anschaltens von Null auf einen endlichen Wert än<strong>der</strong>nde äußere<br />

Spannung in <strong>der</strong> Spule eine Induktionsspannung erzeugt, die <strong>der</strong> äußeren<br />

Spannung entgegenwirkt (Lenz’sche Regel) <strong>und</strong> damit den Stromfluss in<br />

die Spule hinein behin<strong>der</strong>t. Umgekehrt führt die durch den<br />

Abschaltprozess sich än<strong>der</strong>nde Spannung zu einer Induktionsspannung,<br />

die diesem Abschaltprozess entgegenwirkt, wodurch <strong>der</strong> Stromabfall beim<br />

Abschalten nicht sprunghaft, son<strong>der</strong>n langsam erfolgt. Diese<br />

Induktionsspannung addiert sich beim Abschalten zur Restspannung <strong>und</strong><br />

kann dabei zu Spannungsspitzen führen, denen <strong>der</strong> Verbraucher (die<br />

Spule) nicht standhält <strong>und</strong> die damit zu einer Zerstörung des<br />

Verbrauchers führen (z.B. <strong>der</strong> Glühwendel einer Glühbirne).<br />

• In Gleichstromkreisen folgt ein Wi<strong>der</strong>stand dem Ohm’schen Gesetz; ein<br />

Kondensator wirkt wie ein durchtrenntes Kabel, <strong>und</strong> eine Spule einem<br />

Kurzschluss (bei vernachlässigbarem Innenwi<strong>der</strong>stand des<br />

Spulendrahtes).<br />

• Beim Anlegen einer Wechselspannung wird beobachtet, dass sich Strom<br />

<strong>und</strong> Spannung nicht in Phase befinden müssen (d.h. zu an<strong>der</strong>en<br />

Zeitpunkten ihre jeweiligen Maxima erreichen). Dies trifft nicht für den<br />

Wi<strong>der</strong>stand zu, jedoch auf Kondensator <strong>und</strong> Spule: Bei einem<br />

Kondensator eilt <strong>der</strong> Wechselstrom <strong>der</strong> angelegten Wechselspannung um<br />

90° voraus, bei <strong>der</strong> Spule hinkt er um 90° hinterher.<br />

Computersimulation<br />

Phasenverschiebung bei<br />

R, C <strong>und</strong> L in<br />

Wechselstromkreisen


E2.14 HL-Diode<br />

96 Experimentalphysik 2 für Biologen & Chemiker<br />

5.8 Halbleiterbauelemente: Dioden (<strong>und</strong> Transistoren)<br />

Vierwertiges Silizium (wie Kohlenstoff) kann jeweils 4 Bindungen eingehen<br />

(links). Werden Fremdatome mit weniger (z.B. Bor: dreiwertig, d.h. 3<br />

Außenelektronen) o<strong>der</strong> mehr (z.B. Phosphor: fünfwertig, d.h. 5 Außenelektronen)<br />

Elektronen in das Kristallgitter eingebaut, so entstehen positiv geladene<br />

Elektronenfehlstellen (Löcher, holes) (Mitte) o<strong>der</strong> negativ geladene<br />

Elektronenüberschussstellen (rechts) im Gitter.<br />

Werden ein p- (z.B. Si dotiert mit B; Ga)<br />

<strong>und</strong> ein n-leiten<strong>der</strong> Halbleiter (z.B. Si<br />

dotiert mit P; As) in Kontakt gebracht,<br />

so diff<strong>und</strong>ieren freie Elektronen von <strong>der</strong><br />

n- in die p-Schicht <strong>und</strong> Löcher von <strong>der</strong><br />

p- in die n-Schicht. Dort findet jeweils<br />

Rekombination von e- <strong>und</strong> h+ (holes =<br />

Löcher) statt. Dadurch entsteht auf <strong>der</strong><br />

p-Seite ein relativer Überschuss an<br />

negativen, auf <strong>der</strong> n-Seite an positiven<br />

Ladungen (im Vergleich zur<br />

Ausgangssituation).<br />

Keine äußere Spannung, U=UK<br />

Die so aufgebaute Kontaktspannung UK verhin<strong>der</strong>t im Gleichgewicht weitere<br />

Ladungsdiffusion. Im Kontaktbereich sind nur wenig Ladungsträger, so dass dort<br />

ein höherer Wi<strong>der</strong>stand vorliegt als im restlichen Material.<br />

Wird nun von außen eine Spannung angelegt, so kommt es stark auf die Polung<br />

<strong>der</strong> Spannung an, ob ein Strom fließen kann o<strong>der</strong> nicht:<br />

Polung <strong>der</strong> externen Spannung in Sperrrichtung:<br />

Weitere Verarmung, d.h. Ausbreitung <strong>der</strong><br />

Polung in Flussrichtung


<strong>Elektrodynamik</strong> 97<br />

Verarmungszone.<br />

Nebenstehend ist die Strom-Spannungs-<br />

Kurve einer (Halbleiter-) Diode zu sehen:<br />

In Sperrrichtung (neg. U) fließt kein<br />

Strom (I=0), in Flussrichtung nimmt <strong>der</strong><br />

Strom nicht-linear zu.<br />

Leuchtdioden (LEDs = light-emitting<br />

diodes): Bei manchen Materialien wird<br />

die Energie, die bei <strong>der</strong> Rekombination<br />

von Ө mit ⊕ bei Betrieb in Flussrichtung<br />

frei wird, als Licht abgegeben. Diese Art<br />

<strong>der</strong> Lichterzeugung ist sehr effizient, da<br />

an<strong>der</strong>s als bei konventionellen<br />

Glühlampen nur wenig Energie in Wärme<br />

überführt wird.<br />

Es gibt viele weitere wichtige Bauelemente, v.a. Transistoren (‚Doppeldiode’) als<br />

Verstärker.<br />

5.9 Thermische Effekte in Leitern<br />

5.9.1 Erzeugung einer Thermospannung als Folge des Seebeck-Effektes<br />

Die Elektronen füllen das oberste besetze Band eines metallischen Leiters, das<br />

sog. Valenzband, vollständig auf (wie Wasser einen See) (s. a. V06). Die Energie<br />

an <strong>der</strong> oberen Kante dieses Bandes (d.h. <strong>der</strong> Wasserpegel) entspricht bei<br />

Metallen <strong>der</strong> sog. Fermi-Energie EF (Enrico Fermi, ital. <strong>Physik</strong>er, 1901 – 1954).<br />

(Bei Isolatoren, Eigenhalbleitern (d.h. nicht-dotierten Halbleitern wie reinem<br />

Silizium) <strong>und</strong> Metallen beschreibt EF die Energie, die genau zwischen Valenz-<br />

<strong>und</strong> Leitungsband liegt.) EF ist für jedes Material eine charakteristische Größe.<br />

Werden nun zwei Metalle mit unterschiedlichen Fermi-Energien EF,1 <strong>und</strong> EF,2 in<br />

Kontakt gebracht, dann purzeln Elektronen aus dem Material mit <strong>der</strong> höheren EF<br />

ins Material mit <strong>der</strong> kleineren EF (wie Wasser aus einem See mit höherem<br />

Wasserstand in einen See mit niedrigerem Wasserstand fließen würde). Die<br />

dabei frei werdende Energie wird i.d.R. als Wärme abgegeben. Da es sich<br />

allerdings bei Elektronen um geladene Teilchen handelt, lassen sie positive<br />

Metallatomrümpfe zurück, die ein elektrisches Feld aufbauen, das eine<br />

rücktreibende Kraft auf die ins niedrigere EF –Niveau purzelnden Elektronen<br />

ausübt. Irgendwann wird dieses Feld <strong>und</strong> seine rücktreibende Kraft die Kraft des<br />

EF –Gefälles gerade kompensieren, d.h. keine weiteren Elektronen können das<br />

Metall mit <strong>der</strong> höheren EF mehr verlassen. Das zu diesem Feld gehörende<br />

Potenzial wird auch Kontaktpotenzial UKontakt o<strong>der</strong> Volta-Potenzial genannt. In<br />

diesem Gleichgewicht liegt die neue Fermi-Energie EF, Kontakt des kombinierten<br />

Systems (irgendwo) zwischen denen <strong>der</strong> beiden isolierten Metalle.<br />

E2.32 thermoel. Strom


98 Experimentalphysik 2 für Biologen & Chemiker<br />

Werden zwei Metalle mit unterschiedlichen Fermi-Energien (links) in Kontakt gebracht (rechts), bildet sich<br />

die Kontaktspannung UKontakt zwischen ihnen aus. Beachten Sie, dass <strong>der</strong> Buchstabe E in dieser<br />

Abbildung immer die Energie <strong>und</strong> nicht das elektrische Feld meint.<br />

Gleicher Zusammenhang im Bild <strong>der</strong> „Potenzialtöpfe“, die miteinan<strong>der</strong> in Verbindung gebracht werden.<br />

Wenn die beiden Leiter einen<br />

geschlossenen Kreis bilden, so<br />

entstehen zwei gleichstarke<br />

entgegengesetzte elektrische Fel<strong>der</strong>.<br />

Da sie sich aufheben, fließt kein Strom.<br />

Was geschieht nun, wenn eine <strong>der</strong><br />

Kontaktstellen erwärmt wird?<br />

Erwärmt man ein Metall, so än<strong>der</strong>t sich<br />

die Verteilung <strong>der</strong> Elektronen im<br />

Potenzialtopf. Durch die Wärmeenergie<br />

werden sie besser verteilt. Durch<br />

Aufnahme von Wärmeenergie können<br />

Elektronen vom tieferen Potenzialtopf<br />

in den höheren gelangen. Das<br />

elektrische Feld an dieser Kontaktstelle<br />

wird kleiner.<br />

Quelle:


<strong>Elektrodynamik</strong> 99<br />

http://www.siteware.ch/peltier/theorie.html#seebeck<br />

Die beiden elektrischen Fel<strong>der</strong> heben sich nun nicht mehr gegenseitig auf: Es<br />

fließt ein Thermostrom I (thermoelektrischer Effekt). Dieser Effekt wird auch<br />

Seebeck-Effekt genannt (Thomas Johannes Seebeck, dt. <strong>Physik</strong>er, 1770 –<br />

1831). Der erzeugte Strom wirkt seiner Ursache entgegen: Er nimmt Wärme auf<br />

<strong>der</strong> warmen Seite auf <strong>und</strong> gibt sie an <strong>der</strong> kalten Kontaktstelle wie<strong>der</strong> ab.<br />

Quelle: Demtrö<strong>der</strong> 2, Abb. 2.58, S.73<br />

Quelle: Staudt, Abb. 7.55, S.209<br />

5.9.2 Der Peltier-Effekt ist die Umkehrung <strong>der</strong> thermoelektrischen<br />

Spannungserzeugung<br />

So wie sich über eine äußere<br />

Temperaturdifferenz zwischen zwei<br />

Kontaktpunkten ein abgreifbarer<br />

Strom erzeugen lässt, führt ein von<br />

außen angelegter Strom zu einem<br />

Temperaturgefälle zwischen den<br />

Kontaktpunkten.<br />

Für die Kontaktstellen än<strong>der</strong>t sich<br />

nichts. Sie werden immer noch von<br />

einem Strom durchflossen <strong>und</strong><br />

nehmen immer noch Wärme auf<br />

respektive geben welche an die<br />

Umgebung ab, auch wenn kein<br />

Temperaturgefälle besteht.<br />

Quelle:<br />

http://www.siteware.ch/peltier/theorie.html#seebeck<br />

Die Elektronen, die von <strong>der</strong> Spannungsquelle vom tieferen in den höheren<br />

Potenzialtopf gestoßen werden, nehmen ihre gewonnene potenzielle Energie in<br />

Form von Wärmeenergie auf. Diejenigen, die vom höheren Potenzial ins tiefere<br />

gelangen, geben ihre potenzielle Energie als Wärme ab.<br />

Die Menge <strong>der</strong> transportierten Wärme ist von <strong>der</strong> Anzahl <strong>der</strong> Elektronen<br />

abhängig, die die Kontaktstelle durchfließen. Jedes Elektron kann eine gewisse<br />

Wärmemenge absorbieren <strong>und</strong> wie<strong>der</strong> abgeben. Die Wärmemenge Q ist<br />

dementsprechend proportional zum fließenden Strom:<br />

ΔQ ∝ I .<br />

Δt<br />

Beachten Sie: Q ist die Wärmemenge (<strong>und</strong> nicht die Ladungsmenge).<br />

E2.35 Peltierelement


100 Experimentalphysik 2 für Biologen & Chemiker


Elektromagnetische Schwingungen <strong>und</strong> Wellen – Überleitung zur <strong>Optik</strong> 101<br />

V15 Elektromagnetische (EM) Schwingungen <strong>und</strong> Wellen,<br />

Hertz’scher Dipol<br />

Wie<strong>der</strong>holung<br />

• Halbleiterdioden bestehen aus zwei miteinan<strong>der</strong> in Kontakt stehenden<br />

Siliziumplättchen, die jeweils mit Fremdatomen „verunreinigt“, d.h. dotiert<br />

sind. Bei einer sog. p-Dotierung (p: positiv) sind Fremdatome wie z.B.<br />

Bor ins Si-Gitter eingebaut. Verglichen zum reinen Si-Kristall fehlen also<br />

ebenso viele Elektronen wie Bor-Atome im Kristall eingebaut sind.<br />

Umgekehrt sind bei n-Dotierung (n: negativ) Fremdatome mit mehr als 4<br />

Außenelektronen ins Kristallgitter eingebaut. Es herrscht also<br />

Elektronenüberschuss. Durch Kontakt zweier unterschiedlich dotierter<br />

Kristalle lässt sich eine sog. Kontaktspannung messen.<br />

• Auch bei Kontakt zweier Metalle ist eine Kontaktspannung messbar (z.B.<br />

Silberlöffel auf Amalgam- o<strong>der</strong> Goldlegierung!)<br />

• Über den sog. Seebeck-Effekt lassen sich durch<br />

Temperaturunterschiede an Metallkontakten Thermospannungen<br />

erzeugen. Umgekehrt lassen sich beim sog. Peltier-Effekt durch<br />

Stromfluss durch Metallkontaktstellen Temperaturgradienten an diesen<br />

Kontaktstellen erzeugen.<br />

6 Elektromagnetische Schwingungen <strong>und</strong> Wellen –<br />

Überleitung zur <strong>Optik</strong><br />

Wie lassen sich Handy-, Radio- <strong>und</strong> Fernsehsignale übertragen? Was ist Licht?<br />

Worin unterscheiden sich Farben? Worin unterscheiden sich Licht, Mikrowellen<br />

<strong>und</strong> Röntgenstrahlen?<br />

Obwohl die oben genannten Begriffe <strong>und</strong> Fragen auf den ersten Blick nicht<br />

unbedingt in Beziehung stehen, haben sie doch die gleiche Ursache: das<br />

periodische Wechselspiel zwischen elektrischem <strong>und</strong> magnetischem Feld.<br />

(Elektromagnetische Schwingungen lassen sich im Ansatz genau wie<br />

mechanische Schwingungen beschreiben. Zur Wdh. siehe P1 V09 <strong>und</strong> V21.)<br />

6.1 Elektromagnetische Schwingungen <strong>und</strong> Wellen<br />

6.1.1 Harmonische Schwingung in einem geschlossenen LC-Schwingkreis<br />

Betrachten Sie einen seriellen <strong>und</strong> in sich geschlossenen Schaltkreis aus einem<br />

Kondensator <strong>der</strong> Kapazität C <strong>und</strong> einer Spule <strong>der</strong> Induktivität L, einen<br />

elektromagnetischen Schwingkreis (LC-Kreis).


102 Experimentalphysik 2 für Biologen & Chemiker<br />

Vergleich zwischen elektromagnetischem Schwingkreis <strong>und</strong> dem mechanischen Modell eines<br />

harmonischen Oszillators, realisiert durch eine schwingende Masse m, die zwischen zwei Fe<strong>der</strong>n<br />

aufgehängt ist. Quelle: Demtrö<strong>der</strong>, Abb. 6.1, S. 163<br />

a) Wird <strong>der</strong> Kondensator aufgeladen <strong>und</strong> anschließend die äußere<br />

Spannungsquelle abgeschaltet,<br />

b) so entlädt sich <strong>der</strong> Kondensator wie<strong>der</strong> durch Rekombination <strong>der</strong><br />

getrennten Ladungen; dabei fließt durch die Spule - <strong>der</strong> exponentiell<br />

abnehmende Entladestrom I (s.a. Abschaltvorgang beim RC-Kreis,<br />

V14). Dieser Strom erzeugt im Inneren <strong>der</strong> Spule ein sich zeitlich<br />

verän<strong>der</strong>liches (während <strong>der</strong> Kondensatorentladung erst zu-, dann<br />

wie<strong>der</strong> abnehmendes) Magnetfeld dB/dt, das gemäß des<br />

Faraday’schen Gesetzes <strong>und</strong> <strong>der</strong> Lenz’schen Regel eine Spannung<br />

induziert, die den Strom nach Entladen des Kondensators in die<br />

gleiche Richtung weitertreibt <strong>und</strong> damit<br />

c) den Kondensator mit <strong>der</strong> entgegengesetzten Polung wie<strong>der</strong> auflädt.<br />

Erreicht die durch diese Ladungstrennung zwischen den<br />

Kondensatorplatten erzeugte Spannung die Stärke <strong>der</strong><br />

Induktionsspannung, dann geht <strong>der</strong> Strom auf Null zurück <strong>und</strong> <strong>der</strong><br />

Ladeprozess des Kondensators durch die Spule ist beendet. Wie in a)<br />

setzt <strong>der</strong> Entladeprozess des Kondensators erneut ein, dieses Mal<br />

allerdings in Gegenrichtung <strong>und</strong> erzeugt mit seinem exponentiell<br />

abnehmenden Strom wie in b)<br />

d) ein sich zeitlich än<strong>der</strong>ndes Magnetfeld in <strong>der</strong> Spule, das wie<strong>der</strong>um


Elektromagnetische Schwingungen <strong>und</strong> Wellen – Überleitung zur <strong>Optik</strong> 103<br />

e) den Kondensator durch die Induktionsspannung in ursprünglicher<br />

Polung auflädt.<br />

Damit ist <strong>der</strong> Kreislauf geschlossen <strong>und</strong> kann sich als endlose harmonische sin-<br />

o<strong>der</strong> cos-Schwingung fortsetzen, falls es nicht zu Reibungsverlusten (z.B. durch<br />

einen Wi<strong>der</strong>stand R im LC-Kreis) kommen sollte.<br />

Die Schwingungsdauer T berechnet sich über die Kirchhoff’sche Maschenregel:<br />

UC + UL = 0<br />

mit<br />

U<br />

C<br />

Q<br />

= , <strong>der</strong> Spannung am Kondensator, <strong>und</strong><br />

C<br />

dI<br />

=− , <strong>der</strong> Faraday’schen Induktionsspannung in <strong>der</strong> Spule.<br />

ULL dt<br />

Einsetzen <strong>und</strong> Differenzierung (zeitl. Abhängigkeit) führt zu<br />

dU dU<br />

+<br />

dt dt<br />

C L<br />

2<br />

dQ 1 dI<br />

= ⋅ −L<br />

dt C dt<br />

2<br />

1 dI<br />

=−⋅ I −L<br />

2<br />

C dt<br />

= 0<br />

dQ<br />

mit dem abnehmenden Strom I =− , <strong>der</strong> anfänglich durch Entladung <strong>der</strong><br />

dt<br />

Kondensatorplatten erzeugt wird. Vereinfacht:<br />

&& 1<br />

I + ⋅ I = 0 .<br />

L⋅C Diese Differentialgleichung ist vom gleichen Typ wie die <strong>der</strong> mechanischen<br />

harmonischen Schwingung einer Fe<strong>der</strong>:<br />

k<br />

m⋅ x&&+ k⋅ x = 0 bzw. x&& + ⋅ x = 0 (Rücktreibende Kraft m·a = Fe<strong>der</strong>kraft -k·x)<br />

m<br />

mit dem Lösungsansatz It () = I0⋅sin( ω⋅ t + ϕ)<br />

<strong>und</strong> <strong>der</strong> Maximalamplitude<br />

I0 = Imax des Stromes. Einsetzen des Lösungsansatzes <strong>und</strong> anschließen<strong>der</strong><br />

Koeffizientenvergleich liefert die Thomson-Formel für die Kreisfrequenz w bzw.<br />

die Schwingungsdauer T des reinen LC-Kreises (also ohne Dämpfung R <strong>und</strong><br />

ohne äußeren Erreger) (Joseph John Thomson, brit. <strong>Physik</strong>er, Entdecker des<br />

Elektrons, 1856-1940):<br />

1<br />

= <strong>und</strong> T = 2 ⋅ ⋅ L⋅C .<br />

L⋅C 2<br />

ω π<br />

2<br />

E5.15 o<strong>der</strong> E5.8<br />

gedämpfte EM-<br />

Schwingung


Nochmal E5.15 o<strong>der</strong><br />

E5.8 gedämpfte EM-<br />

Schwingung<br />

E5.20 Erzwungene<br />

Schwingung<br />

104 Experimentalphysik 2 für Biologen & Chemiker<br />

6.1.2 Gedämpfte harmonische Schwingung in einem LCR-Kreis<br />

Da in einem Schaltkreis<br />

allerdings immer „Verluste“<br />

durch ohm’sche<br />

Wi<strong>der</strong>stände auftreten<br />

(außer Supraleiter, s.a.<br />

V06), tritt in einem solchen<br />

Schwingkreis immer eine<br />

gedämpfte Schwingung<br />

auf, d.h. R ist in Reihe zu L<br />

<strong>und</strong> C geschaltet.<br />

Analog zur Mechanik<br />

ergäbe sich <strong>der</strong> Ansatz für<br />

die DGL zu<br />

&& R 1<br />

I + ⋅ I& + ⋅ I = 0<br />

L L⋅C mit <strong>der</strong> Dämpfung R <strong>und</strong> dem Lösungsansatz<br />

LC-Schwingkreis ohne (gepunktet, R = 0) <strong>und</strong> mit (durchgehend,<br />

R > 0) zus. Wi<strong>der</strong>stand R, <strong>der</strong> zu einer Dämpfung <strong>der</strong><br />

harmonischen Schwingung im LC-Kreis führt. Wie in <strong>der</strong> Mechanik<br />

entspricht <strong>der</strong> Dämpfungsterm einer e-Funktion <strong>und</strong> repräsentiert<br />

die Einhüllende <strong>der</strong> zeitlich abnehmenden Strom-<br />

Schwingungsamplitude. Quelle: Staudt, Abb. 6.131, S.142<br />

−β⋅t It () = I0⋅e ⋅sin( ω⋅ t + ϕ)<br />

,<br />

= It () ⋅sin( ω⋅ t + ϕ)<br />

mit <strong>der</strong> Anfangsamplitude I0 des Stromes bzw. <strong>der</strong> jetzt zeitlich verän<strong>der</strong>lichen<br />

Maximalamplitude I(t) des Stromes,<br />

<strong>der</strong> Dämpfungskonstante<br />

2<br />

1 R<br />

<strong>der</strong> Kreisfrequenz ω = − = ω 2 0 −β<br />

L⋅C 4 ⋅ L<br />

2 2 2<br />

<strong>und</strong> <strong>der</strong> Eigen- o<strong>der</strong> Resonanzfrequenz ω0 =<br />

R<br />

β =<br />

2 ⋅ L<br />

1<br />

.<br />

L⋅C 6.1.3 Erzwungene gedämpfte harmonische Schwingung in einem LCR-<br />

Kreis<br />

Analog zur Mechanik lässt sich die Dämpfung einer harmonischen Schwingung<br />

durch Anlegen einer periodischen äußeren Kraft kompensieren. Bei<br />

elektromagnetischen Schwingkreisen könnte dies z.B. eine Wechselspannung<br />

Ut () = U ⋅sin( ω ⋅ t)<br />

sein.<br />

0<br />

9 R<br />

In <strong>der</strong> Mechanik war β = , d.h. die Induktivität L im LCR-Schwingkreis entspricht <strong>der</strong><br />

2 ⋅ m<br />

Masse m einer gedämpften mechanischen Schwingung.<br />

, (9)


Elektromagnetische Schwingungen <strong>und</strong> Wellen – Überleitung zur <strong>Optik</strong> 105<br />

Erzwungene Schwingung durch Einbau einer<br />

Wechselspannungsquelle U~ in einen LCR-<br />

Schwingkreis. Quelle: Staudt, Abb. 6.133, S.143.<br />

Stromamplitude I <strong>und</strong> Phase ϕ als Funktion <strong>der</strong><br />

Frequenz für eine erzwungene Schwingung in<br />

einem LCR-Kreis verhalten sich analog zur<br />

Amplitude einer mechanischen erzwungenen<br />

Fe<strong>der</strong>schwingung. Das Amplitudenmaximum ist bei<br />

<strong>der</strong> Resonanzfrequenz ω0 (s.a. Tacoma-Brücke) zu<br />

finden. Quelle: Staudt, Abb. 6.134, S.144.<br />

6.1.4 Vergleich zwischen mechanischen <strong>und</strong> elektromagnetischen Größen<br />

Werden mechanische <strong>und</strong> elektromagnetische Schwingungen miteinan<strong>der</strong><br />

verglichen, finden sich folgende Parallelen:<br />

Elektromagnetischer LC-Kreis Fe<strong>der</strong>pendel<br />

Induktivität L m Masse<br />

Ladung Q x Auslenkung<br />

Strom I v Geschwindigkeit<br />

Kehrwert <strong>der</strong><br />

Kapazität<br />

Ohm’scher<br />

Wi<strong>der</strong>stand<br />

Elektrische<br />

Energie, die im<br />

Kondensator<br />

gespeichert ist<br />

Magnetische<br />

Feldenergie <strong>der</strong><br />

stromdurchflossenen<br />

Spule<br />

1<br />

C<br />

k Fe<strong>der</strong>konstante<br />

R R Reibungskoeffizient<br />

1<br />

Eel = ⋅C⋅U 2<br />

1<br />

= ⋅Q⋅U 2<br />

2<br />

1 Q<br />

= ⋅<br />

2 C<br />

1<br />

Emag = ⋅L⋅ I<br />

2<br />

2<br />

2<br />

1<br />

Epot = ⋅k ⋅ x<br />

2<br />

1<br />

Ekin = ⋅m⋅ v<br />

2<br />

6.1.5 Gekoppelte Schwingkreise verhalten sich wie gekoppelte<br />

mechanische Pendel<br />

2<br />

2<br />

Potenzielle<br />

Energie einer<br />

gespannten Fe<strong>der</strong><br />

Kinetische Energie<br />

<strong>der</strong> bewegten<br />

Masse<br />

Zwei induktiv gekoppelte LC-Kreise verhalten sich analog zu zwei gekoppelten<br />

Fe<strong>der</strong>n/Pendeln. Wie in <strong>der</strong> Mechanik kommt es zu einer Schwebung.<br />

E5.17 gekoppelte<br />

Schwingung


106 Experimentalphysik 2 für Biologen & Chemiker<br />

Wird <strong>der</strong> Kondensator des 1.<br />

Kreises aufgeladen, fängt<br />

dieser an zu schwingen. Über<br />

die Kopplung (mittels<br />

Eisenjoch wie beim<br />

Transformator (oberes Bild)<br />

o<strong>der</strong> durch<br />

Ineinan<strong>der</strong>schieben <strong>der</strong><br />

Spulen (unteres Bild)) fängt<br />

<strong>der</strong> 2. Kreis ebenfalls an zu<br />

schwingen, wodurch dem 1.<br />

Kreis (Schwingungs-)Energie<br />

entzogen wird, bis nur noch<br />

<strong>der</strong> 2. Kreis schwingt; dann<br />

kehrt sich <strong>der</strong> Vorgang um.<br />

Quelle: Staudt 2, Abb. 6.135, S.145<br />

Schwebungen zeigen sich nur bei zwei nahe beieinan<strong>der</strong> liegenden<br />

Eigenfrequenzen. Wie bei den Fe<strong>der</strong>n sind diese dadurch charakterisiert, dass in<br />

einem Fall die Systeme (Mechanik: Masse; hier: Ströme) in Phase (ϕ = 0°) bzw.<br />

gerade in Gegenphase (ϕ = 180°) oszillieren. Die Schwebefrequenz ist wie<strong>der</strong><br />

ωSchwebung = ω2 – ω1.<br />

6.1.6 Abstrahlung transversaler elektromagnetischer Wellen von einem<br />

offenen Schwingkreis: Hertz’scher Dipol<br />

Obwohl in einem Schwingkreis hochfrequente elektromagnetische Schwingungen<br />

auftreten, ist er für eine Abstrahlung elektromagnetischer Wellen nicht geeignet;<br />

d.h. sie bleiben im Schwingkreis gefangen <strong>und</strong> können sich nicht als Radio- o<strong>der</strong><br />

Fernsehwellen im Raum ausbreiten, da sich elektrisches <strong>und</strong> magnetisches Feld<br />

fast ausschließlich im Inneren von Kondensator <strong>und</strong> Spule ausbilden. Um<br />

elektromagnetische Wellen abstrahlen zu können, wird eine Antenne benötigt,<br />

die auch „(Hertz’scher) Dipol“ genannt wird. (Mit Dipol ist nicht <strong>der</strong> elektrische<br />

µel o<strong>der</strong> magnetische µmag Dipol gemeint.) Dabei handelt es sich um einen<br />

gestreckten Leiter, <strong>der</strong> als „offener“ Schwingkreis angesehen werden kann, bei<br />

dem Kapazität C <strong>und</strong> Induktivität L nicht mehr getrennt, son<strong>der</strong>n über den<br />

ganzen Dipol gleichmäßig verteilt sind. Im gewissen Sinne ist ein solcher Dipol<br />

damit die rudimentärste bzw. abstrahierte Form eines LC-Schwingkreises.<br />

Übergang vom geschlossenen LC-Schwingkreis durch dessen Vereinfachung <strong>und</strong> Öffnung zwischen den<br />

Kondensatorplatten zu einem lang gestreckten Draht. Quellen: Demtrö<strong>der</strong>, Abb. 6-14, S170 <strong>und</strong> <strong>Physik</strong><br />

Gesamtband, S.184.<br />

Beim „Öffnen" des Kondensators <strong>und</strong> dem Übergang von den<br />

Kondensatorplatten <strong>und</strong> <strong>der</strong> Spule zu einem gestreckten Draht, dem Dipol bzw.<br />

<strong>der</strong> (Dipol-)Antenne, verringern sich Kapazität <strong>und</strong> Induktivität <strong>der</strong> Anordnung


Elektromagnetische Schwingungen <strong>und</strong> Wellen – Überleitung zur <strong>Optik</strong> 107<br />

ganz erheblich. Ein Dipol hat damit eine höhere Eigenfrequenz als <strong>der</strong> LC-<br />

Schwingkreis, aus dem man sich ihn entstanden denken kann.<br />

Än<strong>der</strong>ung des elektromagnetischen Feldverteilung beim Übergang vom LC-Schwingkreis (a) mit räumlich<br />

begrenzten elektrischen <strong>und</strong> magnetischen Fel<strong>der</strong>n über eine einzelne Leiterschleife (b) zum Dipol (c),<br />

dem offenen Schwingkreis mit Fel<strong>der</strong>n, die weit in den Raum hinausreichen (<strong>und</strong> sich vom Dipol ablösen<br />

können). Quelle: Demtrö<strong>der</strong>, Abb. 6.15, S.170.<br />

Im LC-Schwingkreis werden die Elektronen durch die Spule hindurch periodisch<br />

im Rhythmus <strong>der</strong> Hochfrequenz zwischen den Kondensatorplatten beschleunigt<br />

(a). Im Dipol schwingen die Elektronen im Rhythmus <strong>der</strong> Hochfrequenz zwischen<br />

den Dipolenden (c). Wie bei einem geschlossenen Schwingkreis tritt bei einem<br />

Dipol eine Phasenverschiebung zwischen Spannung U(t) <strong>und</strong> Stromstärke I(t) um<br />

eine viertel Periode (1/4T, was 90° o<strong>der</strong> π/2 entspricht) auf:<br />

Zeitlicher Verlauf <strong>der</strong> E <strong>und</strong> B-Fel<strong>der</strong> im Dipol. Quelle: Staudt, Abb. 6.141, S.152<br />

Nach einer viertel Periode (t = 1/4T) besteht an einem Ende des Dipols ein<br />

Elektronenüberschuss <strong>und</strong> am an<strong>der</strong>en ein Elektronenmangel. Zu diesem<br />

Zeitpunkt existiert ein starkes elektrisches Feld (c: E-Feldlinien) <strong>und</strong> damit die<br />

höchste Spannung zwischen den Enden. Der Stromfluss ist in diesem Moment<br />

Null. Im mittleren Teil des Dipols ist jeweils eine Viertelperiode später (t = 1/2T)<br />

die Stromstärke am größten. Dabei schwingen die Elektronen am stärksten: Es<br />

besteht ein starkes magnetisches Feld (d: B-Feldlinien).<br />

Damit gilt also: Die oszillierenden elektrischen E-Feldlinien <strong>und</strong> B-<br />

Magnetfeldlinien<br />

• stehen dabei immer senkrecht aufeinan<strong>der</strong> <strong>und</strong><br />

• sind im Draht um eine viertel Periode (1/4T, was 90° o<strong>der</strong> π/2<br />

entspricht) gegeneinan<strong>der</strong> phasenverschoben.


E5.25 Stehende Wellen<br />

auf einer „Lecherleitung“<br />

(zur Demonstration <strong>der</strong><br />

Schwingungstäler <strong>und</strong> –<br />

bäuche in Dipolen =<br />

Antennen)<br />

108 Experimentalphysik 2 für Biologen & Chemiker<br />

Wie lässt sich nun überhaupt eine Schwingung in<br />

einem solchen geraden Draht (dem Dipol)<br />

erzeugen? Der Dipol kann durch kapazitive o<strong>der</strong><br />

galvanische Kopplung o<strong>der</strong> durch<br />

elektromagnetische Induktion zum Schwingen<br />

angeregt werden. Im letzteren Fall wird dazu <strong>der</strong><br />

mittlere Teil des Dipols vom Magnetfeld <strong>der</strong> Spule<br />

eines separaten LC-Schwingkreises durchsetzt.<br />

Dadurch kommt es zur Energieübertragung vom<br />

Schwingkreis auf den Dipol (s.a. Faraday’sches<br />

Gesetz V11).<br />

Induktive Kopplung eines LC-<br />

Kreises an einen Dipol <strong>der</strong> Länge l.<br />

6.1.7 Stehende elektromagnetische Wellen bilden sich im Dipol aus, wenn<br />

dessen Länge ein Vielfaches <strong>der</strong> halben Wellenlänge <strong>der</strong> EM-Welle<br />

beträgt.<br />

Ganz analog zur Erzeugung<br />

stehen<strong>der</strong> Wellen auf einer Violinen-<br />

Saite, werden bei einer bestimmten<br />

Erregerfrequenz, <strong>der</strong> Eigenfrequenz<br />

ν0 des Dipols, im Dipol stehende<br />

Stromwellen erzeugt. Diese<br />

Resonanz tritt genau dann ein, wenn<br />

die halbe Wellenlänge λ/2 <strong>der</strong><br />

Erregung (o<strong>der</strong> ein n-Faches davon)<br />

genau <strong>der</strong> Länge l des Drahtes<br />

entspricht, d.h. für<br />

Erreger<br />

n<br />

2<br />

λ<br />

l = ⋅<br />

M.a.W.: Schwingt ein Dipol mit seiner<br />

Eigenfrequenz, dann hat die<br />

elektromagnetische Welle im Dipol<br />

eine Wellenlänge, die doppelt so lang<br />

wie <strong>der</strong> Dipol ist.<br />

a) y-Auslenkung einer schwingenden Saite<br />

(Mechanik) <strong>und</strong> stehende Stromwelle einer Ladungs-<br />

Schwingung in einem geraden Draht (Antenne,<br />

Dipol). Die Längen von Saite <strong>und</strong> Dipol sind dabei<br />

halb so groß wie die Wellenlänge λ. Die<br />

Stromverteilung I(z, t0) <strong>und</strong> die Spannungsverteilung<br />

U(z, t0) sind für einen Zeitpunkt t0 angegeben. b) Der<br />

Strombauch <strong>der</strong> stehenden Welle kann mit Hilfe von<br />

Glühlämpchen bestätigt werden, die in <strong>der</strong> Mitte des<br />

Dipols am hellsten leuchten, an den Enden dagegen<br />

gar nicht. Quellen: Demtrö<strong>der</strong>, Abb. 6.18, S. 172 <strong>und</strong><br />

Gesamtband <strong>Physik</strong>, S. 187.<br />

Beispiel: Abmessungen <strong>der</strong> Antenne eines Ultrakurzwellen (UKW) Radiosen<strong>der</strong>s<br />

[meist FM (frequency modulated)], <strong>der</strong> bei 92,0 MHz (gewöhnlich zwischen 88<br />

<strong>und</strong> 104 MHz) empfangen werden kann:<br />

8 m<br />

2,99⋅10 λ c<br />

= = s = 1,625 m<br />

2 2⋅ν61<br />

2⋅92,0⋅10 s<br />

mit <strong>der</strong> Beziehung c = λν ⋅ , wobei c: Lichtgeschwindigkeit, ν : Frequenz.


Elektromagnetische Schwingungen <strong>und</strong> Wellen – Überleitung zur <strong>Optik</strong> 109<br />

Quelle: Gesamtband <strong>Physik</strong>, S. 191<br />

6.1.8 Ablösen <strong>der</strong> elektromagnetischen Wellen vom Dipol<br />

Die im Dipol erzeugten (stehenden) Wellen <strong>und</strong> daran geknüpften E- bzw. B-<br />

Fel<strong>der</strong> können sich vom Dipol ablösen <strong>und</strong> in den Raum ausbreiten.<br />

Abschnüren geschlossener elektrischer Feldlinien (Wirbelfeld) vom Dipol <strong>und</strong> Ausbreitung im Raum.<br />

Ablösen <strong>der</strong> magnetischen Feldlinien vom Dipol <strong>und</strong> Ausbreitung im Raum. Quelle: <strong>Physik</strong> Gesamtband, S.<br />

184.<br />

Oszillation, Orientierung <strong>und</strong> Ablösen von E- <strong>und</strong> B-Feld. Quelle: Heywang, <strong>Physik</strong> für techn. Berufe, S.361


110 Experimentalphysik 2 für Biologen & Chemiker<br />

a) Elektromagnetische (EM) Welle, (die sich vom Dipol <strong>der</strong> Länge h <strong>und</strong> vergleichsweise kleinen Breite dx<br />

ablöst,) dargestellt durch einen (Ausbreitungs-) Strahl, den sog. Wellenvektor k, in x-Richtung <strong>und</strong> zwei<br />

Wellenfronten, die eine Wellenlänge λ voneinan<strong>der</strong> entfernt sind. Darunter dieselbe Welle als<br />

„Schnappschuss“ <strong>der</strong> beiden sinusförmig oszillierenden E- <strong>und</strong> B-Fel<strong>der</strong>, die beide senkrecht zueinan<strong>der</strong> <strong>und</strong><br />

ebenfalls senkrecht zur Ausbreitungsrichtung <strong>der</strong> Wellenfront stehen (E, B <strong>und</strong> Ausbreitungsrichtung folgen<br />

<strong>der</strong> Rechte-Hand-Regel): es handelt sich also um eine Transversalwelle (s.a. 1. Semester). Die<br />

Wellenfronten breiten sich mit <strong>der</strong> Geschwindigkeit c aus, die <strong>der</strong> Lichtgeschwindigkeit entspricht. Fernfeld:<br />

E- <strong>und</strong> B-Feld sind in weiter Entfernung zum Dipol nicht zueinan<strong>der</strong> phasenverschoben: Wellenbäuche,<br />

Nulldurchgänge <strong>und</strong> Wellentäler von E- <strong>und</strong> B-Feld fallen also zeitlich zusammen. Nahfeld: In direkter Nähe<br />

zum Dipol, d.h. beim Ablöseprozess, sind E- <strong>und</strong> B-Feld dagegen um 90° zueinan<strong>der</strong> phasenverschoben,<br />

d.h. um eine viertel Periode T zueinan<strong>der</strong> versetzt (Wellenmaxima/-minima von E-Feld fallen mit<br />

Nulldurchgängen von B-Feld (magn. Flussdichte) zusammen) (nicht gezeigt, aber analog zur Situation im<br />

Dipol selbst, wie es für die stehende Welle im Dipol diskutiert wurde). Mit zunehmendem Abstand vom Dipol<br />

verringert sich diese Phasenverschiebung, d.h. das Nahfeld geht kontinuierlich in das Fernfeld über. Quelle:<br />

Halliday, Abb. 34-5, S.971<br />

Zusammenfassend: Liegt also in einem geraden<br />

Draht (Dipol) ein zeitlich variables B-Feld vor, ist<br />

dieses von einem ebenfalls zeitlich verän<strong>der</strong>lichen<br />

E-Feld senkrecht umgeben, das wie<strong>der</strong>um von<br />

einem zeitlich verän<strong>der</strong>lichen B-Feld senkrecht<br />

umgeben ist ... → Man erhält eine sich<br />

ausbreitende Verkettung von senkrecht zueinan<strong>der</strong><br />

stehenden E- <strong>und</strong> B-Fel<strong>der</strong>n, die durch<br />

Wellengleichungen beschrieben werden →<br />

elektromagnetische (o<strong>der</strong> auch Hertz’sche)<br />

Welle.<br />

Quelle: Staudt, Abb. 6.146, S.157


Elektromagnetische Schwingungen <strong>und</strong> Wellen – Überleitung zur <strong>Optik</strong> 111<br />

P ist ein weit entfernter Punkt, in dem sich die vorbeiziehende elektromagnetische Welle (hier sind nur die<br />

Wellenberge des alternierenden B-Feldes als durchgezogene Linien dargestellt) mit einem Detektor (z.B.<br />

einer Antenne) beobachten lässt. Quelle: Halliday, Abb. 34-3, S. 969<br />

Die zugehörigen Wellengleichungen lauten:<br />

2 2<br />

∂ E 1 ∂ E<br />

= 2 2 2<br />

∂x c ∂t<br />

<strong>und</strong><br />

2 2<br />

∂ B 1 ∂ B<br />

= 2 2 2<br />

∂x c ∂t<br />

mit den Lösungen für ebene, harmonische Wellen<br />

E E k x t<br />

0 sin( ω )<br />

= ⋅ ⋅ ± ⋅ <strong>und</strong> 0<br />

wobei k <strong>der</strong> Wellenvektor<br />

B = B ⋅sin( k⋅ x ± ω ⋅ t)<br />

2 ⋅π<br />

2π<br />

k = ⋅x<br />

ˆ (mit dem Betrag k = )<br />

λ<br />

λ<br />

2 ⋅π<br />

<strong>und</strong> ω die Kreisfrequenz ω = 2 ⋅π ⋅ ν = sind.<br />

T<br />

Wie eine (ebenfalls) transversale Wasserwelle ist eine elektromagnetische Welle<br />

eine sich ausbreitende Störung, die Energie von einem Ort zu einem<br />

an<strong>der</strong>en transportiert. Im Gegensatz zu einer Wasserwelle ist die<br />

elektromagnetische Welle jedoch nicht an Materie geb<strong>und</strong>en <strong>und</strong> kann sich damit<br />

auch im Vakuum ausbreiten (z.B. Radiokommunikation zwischen Erde <strong>und</strong><br />

Satelliten im Weltraum, in dem nahezu Vakuum herrscht).<br />

Die Ausbreitungsgeschwindigkeit v0 einer EM-Welle beträgt im Vakuum (Index 0)<br />

1<br />

υ0 = = ν ⋅ λ0<br />

= c<br />

εμ<br />

0 0<br />

mit λ0: Wellenlänge im Vakuum; [λ] = 1 m,<br />

1 −1<br />

ν : Frequenz <strong>der</strong> Welle; [ ν ] = = 1s = 1Hz<br />

,<br />

s<br />

<strong>der</strong> elektrischen Feldkonstante ε<br />

A ⋅ s<br />

kg⋅m 2 4<br />

-12<br />

0 = 8.854·10<br />

3<br />

(V01),<br />

<strong>der</strong> magnetischen Feldkonstante µ0 = 4·π·10 -7 V·s·A -1 · m -1 (V08),<br />

<strong>und</strong> <strong>der</strong> Lichtgeschwindigkeit c; im Vakuum ist sie maximal:<br />

c = 2,997 924 58 · 10 8 m·s -1 .<br />

Die Ausbreitungsgeschwindigkeit v einer EM-Welle beträgt in Materie mit <strong>der</strong><br />

Dielektrizitätszahl εr <strong>und</strong> <strong>der</strong> Permeabilität µr


112 Experimentalphysik 2 für Biologen & Chemiker<br />

1 c c<br />

υ = = = ν ⋅ λ =<br />

n<br />

εεμμ r 0 r 0 εμ r r<br />

wobei n = εμ r r <strong>der</strong> sog. (materialabhängige <strong>und</strong> dimensionslose)<br />

Brechungsindex ist (dazu später mehr).<br />

6.1.9 Kategorisierung elektromagnetischer Wellen nach ihrer Frequenz<br />

bzw. Wellenlänge<br />

In Abhängigkeit von ihrer Frequenz haben elektromagnetische Wellen (o<strong>der</strong> im<br />

allgemeinen Sprachgebrauch auch „elektromagnetische Strahlung“)<br />

unterschiedliche Eigenschaften. Ihre Energie ist über die Beziehung<br />

Eelektromagn. Strahlung = h⋅ ν<br />

gegeben, wobei h das bereits beim Bohr’schen Magneton (V12) kennen gelernte<br />

Planck’sche Wirkungsquantum ist (h = 6,626 075 5 · 10 -34 J·s).<br />

Das elektromagnetische Spektrum über alle natürlich o<strong>der</strong> technisch<br />

erreichbaren Wellenlängen hat keine Lücke <strong>und</strong> setzt sich wie folgt zusammen:


Elektromagnetische Schwingungen <strong>und</strong> Wellen – Überleitung zur <strong>Optik</strong> 113<br />

Quelle: Heywang, <strong>Physik</strong> für techn. Berufe, S. 364


114 Experimentalphysik 2 für Biologen & Chemiker<br />

Für einige Bereiche des elektromagnetischen Spektrums gibt es allgemein vertraute Namen, zum Beispiel<br />

„Röntgenstrahlung" <strong>und</strong> „Radiowellen". Grob festgelegt ist die Ausdehnung dieser Regionen durch die<br />

Arbeitsbereiche spezieller Strahlungsquellen <strong>und</strong> Nachweisgeräte. Quelle: Halliday, Abb. 34-1, A.968<br />

Die in <strong>der</strong> chemischen Analytik (Spektroskopie) gebräuchlichen Einheiten zur Beschreibung<br />

elektromagnetischer Strahlung. Quelle: Göpel/Ziegler, Struktur <strong>der</strong> Materie, Abb. 1.1.7, S.24


Elektromagnetische Schwingungen <strong>und</strong> Wellen – Überleitung zur <strong>Optik</strong> 115<br />

Die Strahlung <strong>der</strong> dominanten Quelle, <strong>der</strong> Sonne, gehört zu den<br />

Rahmenbedingungen, in denen sich Leben entwickelte <strong>und</strong> denen es sich<br />

anpasste. Ständig durchdringen uns Radio- <strong>und</strong> Fernsehsignale. Mikrowellen von<br />

Radarsystemen <strong>und</strong> aus Telefonzentralen gehören ebenso zu unserer Umwelt<br />

wie die Strahlung von Glühlampen <strong>und</strong> Blitzen (sichtbare Strahlung = vis), von<br />

heißen Motorblöcken <strong>der</strong> Kraftfahrzeuge (Infrarot = IR = „Wärmestrahlung“), aus<br />

Röntgengeräten (Röntgenstrahlung) <strong>und</strong> aus Endlagerstätten radioaktiver Stoffe<br />

(gamma-Strahlung). Außerdem sind wir ständig kosmischen Strahlungen von<br />

Sternen, an<strong>der</strong>en Objekten <strong>der</strong> Galaxis <strong>und</strong> entfernteren Galaxien ausgesetzt.<br />

Auch wir selbst senden elektromagnetische Wellen ins All: Fernsehsignale, die<br />

seit den 1950er-Jahren auf <strong>der</strong> Erde ausgestrahlt werden, haben inzwischen<br />

jeglicher technisch ausgerüsteten Zivilisation, die auf irgendeinem Planeten eines<br />

<strong>der</strong> vielleicht 400 sonnennächsten Sterne leben mag, Nachricht (in allerdings<br />

sehr schwachen Signalen) von <strong>der</strong> Menschheit gebracht.<br />

Transparenz <strong>der</strong> Erdatmosphäre für elektromagnetische Strahlung: Elektromagnetische Dämpfung: die<br />

Kurve gibt den Druck (bzw. damit die Höhe) an, bei dem (<strong>der</strong>) die Intensität <strong>der</strong> externen (Sonnen- <strong>und</strong><br />

kosmischen) Strahlung auf die Hälfte ihres Wertes abgesunken ist. Quelle: Göpel/Ziegler, Struktur <strong>der</strong><br />

Materie, Abb. 3.5.6, S. 402<br />

Mikrowellen regen im Übrigen in Ihrem Mikrowellenherd die Wassermoleküle<br />

(elektrische Dipole!) zur Rotation an. Die bei <strong>der</strong> Rotation erzeugte<br />

Reibungswärme mit/an Nachbarmolekülen erzeugt die (Joule’sche) Wärme.<br />

Wasserfreie Nahrungsmittel dürften sich also im Mikrowellenherd nicht erwärmen<br />

lassen.<br />

Mit Infrarotstrahlung werden Schwingungen in Molekülen angeregt. Die<br />

Bindungen verhalten sich wie mechanische Fe<strong>der</strong>n. Diese Molekülschwingungen<br />

werden von Wärmerezeptoren in unserer Haut als Wärme wahrgenommen.<br />

Offenbar besitzen einige Insekten keine <strong>der</strong>artigen Wärmerezeptoren <strong>und</strong><br />

verbrennen an hellen (aber heißen) Lampen.


E5.38 <strong>Optik</strong> mit cm-<br />

Wellen: Absorption<br />

116 Experimentalphysik 2 für Biologen & Chemiker<br />

V16 Eigenschaften von EM-Wellen<br />

Wie<strong>der</strong>holung<br />

• Ein LC-Kreis, d.h. eine Leiterschleife aus Kondensator <strong>und</strong> Spule, wird auch<br />

elektrischer Schwingkreis genannt, da sich darin elektrisches Feld <strong>und</strong><br />

Magnetfeld abwechselnd gegenseitig erzeugen <strong>und</strong> vernichten.<br />

• Elektrische Schwingkreise verhalten sich wie Fe<strong>der</strong>pendel. Sie führen<br />

harmonische Schwingungen aus, die durch Wi<strong>der</strong>stände gedämpft sein können.<br />

Diese Dämpfung lässt sich durch eine äußere periodische Energieeinkopplung,<br />

z.B. über eine Wechselspannungsquelle, kompensieren. Diese erzwungene<br />

Schwingung zeigt die gleiche Frequenzabhängigkeit <strong>der</strong> Stromamplitude <strong>und</strong><br />

Phase wie eine erzwungene mechanische Schwingung.<br />

• Ebenso lassen sich solche elektronischen Pendel koppeln <strong>und</strong> zeigen<br />

Schwebungsphänomene.<br />

• Wir hatten schließlich gesehen, dass sich ein LC-Schwingkreis öffnen lässt <strong>und</strong><br />

immer noch zu Schwingungen angeregt werden kann, selbst wenn es sich nur<br />

noch um einen geraden Draht, einen sog. Dipol o<strong>der</strong> eine Antenne handelt.<br />

• Elektromagnetische Strahlung kann von einer Antenne abgestrahlt werden <strong>und</strong><br />

sich im Raum ausbreiten. Sie ist dazu nicht an Materie geb<strong>und</strong>en. Es handelt<br />

sich um eine Transversalwelle. Die Ausbreitungsrichtung steht senkrecht auf <strong>der</strong><br />

Auslenkung des elektrischen <strong>und</strong> magnetischen Feldvektors. Sie wird i.A. durch<br />

den Wellenvektor k beschrieben.<br />

• Die Energie elektromagnetischer Wellen beträgt E = h·ν. Es besteht zudem <strong>der</strong><br />

Zusammenhang c=λ·ν. Es sind EM-Wellen für alle Frequenzen bekannt. EM-<br />

Wellen mit Wellenlängen zwischen 400 <strong>und</strong> 800 nm sind für uns als Licht<br />

sichtbar. Dabei erscheint langwelligeres, d.h. niedriger-frequentes Licht rot <strong>und</strong><br />

kurzwelliges, d.h. hochfrequentes Licht blau.<br />

• Mikrowellen regen Moleküle zur Rotation an, Infrarotstrahlung<br />

Molekülschwingungen, vis-Strahlung hebt Elektronen in höhere Molekülorbitale<br />

an, wogegen UV-Strahlung häufig ausreicht, um ein Molekül zu ionisieren.<br />

• Ein angeregtes Elektron eines (farbigen) Moleküls kann bei Rückkehr in sein<br />

Ausgangsorbital seine Energie als Licht längerer Wellenlänge wie<strong>der</strong> abgeben.<br />

Erfolgt die Lichtabstrahlung kurz nach Anregung, wird von Fluoreszenz<br />

gesprochen; erfolgt sie erst nach Sek<strong>und</strong>en o<strong>der</strong> Minuten, wird von<br />

Phosphoreszenz gesprochen.<br />

6.1.10 Durchdringungsvermögen <strong>und</strong> Absorption von elektromagnetischen<br />

Wellen<br />

Befinden sich Holz, Glas, Keramik o<strong>der</strong><br />

Kunststoffe zwischen Sen<strong>der</strong> <strong>und</strong> Empfänger,<br />

registriert <strong>der</strong> Empfänger die<br />

elektromagnetische Strahlung. Befinden sich<br />

Eisen-, Kupfer- o<strong>der</strong> an<strong>der</strong>e Metallplatten<br />

dazwischen, dann gelangen sie nicht zum<br />

Empfänger.<br />

Elektromagnetische Wellen durchdringen<br />

Isolatoren, nicht aber Metalle.<br />

Test verschiedener Materialien auf ihre<br />

Absorptionseigenschaften<br />

elektromagnetischer Strahlung. Quelle:<br />

Gesamtband <strong>Physik</strong>, S. 188<br />

Bei sehr hohen Frequenzen (<strong>und</strong> damit Energien <strong>der</strong> Strahlung, z.B. kurzwellige<br />

Röntgen- <strong>und</strong> Gammastrahlung) werden allerdings auch Metalle teilweise<br />

durchdrungen.


Elektromagnetische Schwingungen <strong>und</strong> Wellen – Überleitung zur <strong>Optik</strong> 117<br />

Sind Materialien „durchsichtig“, heißt das nichts an<strong>der</strong>es, als dass sie nicht mit<br />

den EM-Wellen wechselwirken. D.h. diese Materialien entziehen den EM-Wellen<br />

keine Energie; die EM-Wellen werden also von diesen Materialien nicht<br />

absorbiert. Glas ist für sichtbares Licht durchsichtig, nicht aber für UV-Licht.<br />

Unser Körper ist für Röntgenstrahlen weitgehend durchsichtig. Lediglich die<br />

Knochen <strong>und</strong> Zähne absorbieren einen Teil <strong>der</strong> Strahlung.<br />

6.1.11 Reflexion <strong>und</strong> Interferenz elektromagnetischer Wellen<br />

Wie mechanische (Transversal-) Wellen können<br />

auch elektromagnetische Wellen an Objekten<br />

reflektiert werden, beson<strong>der</strong>s gut an metallischen<br />

Wänden. Dabei gilt wie in <strong>der</strong> Mechanik:<br />

Einfallswinkel = Ausfalls- bzw. Reflektionswinkel,<br />

wobei immer <strong>der</strong> Winkel bez. <strong>der</strong> Flächennormalen,<br />

d.h. dem Flächennormaleneinheitsvektor ˆn bzw.<br />

dem Lot senkrecht zur Fläche gemeint ist.<br />

Quelle: Gesamtband <strong>Physik</strong>, S.<br />

188<br />

Trifft die elektromagnetische Strahlung also senkrecht auf einen Reflektor (d.h.<br />

die Wellenausbreitungsrichtung ist parallel zu ˆn , <strong>der</strong> Einfallswinkel also 0° bez.<br />

des Flächenlots) so kann die Interferenz <strong>der</strong> einfallenden mit <strong>der</strong> reflektierten<br />

Welle<br />

führen.<br />

• zur Auslöschung (Überlagerung von Bergen mit Tälern: negative<br />

Interferenz) sowie<br />

• zur Verstärkung <strong>und</strong> Ausbildung von stehenden Wellen (Überlagerung <strong>der</strong><br />

jeweiligen Bergspitzen bzw. <strong>der</strong> Täler: positive Interferenz)<br />

Die Reflexion elektromagnetischer Wellen stellt in den verschiedenen<br />

Wellenlängenbereichen unterschiedliche Anfor<strong>der</strong>ungen an die Qualität <strong>der</strong><br />

reflektierenden Flächen. Für Radioteleskope zum Empfang von<br />

elektromagnetischen Wellen genügen wegen <strong>der</strong> großen Wellenlänge grobe<br />

Metallgitter. Im langwelligen infraroten Bereich muss die Oberfläche glatter sein.<br />

Metallplatten mit rauer Oberfläche wirken aber noch als gute Reflektoren. Im<br />

sichtbaren <strong>und</strong> ultravioletten Bereich besitzen Metallplatten <strong>und</strong> Spiegel, die die<br />

Strahlung gerichtet reflektieren sollen, eine polierte Oberfläche. Für<br />

Röntgenstrahlung <strong>und</strong> Gammastrahlung ist diese infolge des Teilchenaufbaus<br />

<strong>der</strong> Stoffe noch viel zu rau. Deshalb tritt eine Reflexion dieser sehr kurzwelligen<br />

elektromagnetischen Wellen nur bei streifendem Einfall, d.h. großen Winkeln zur<br />

Flächennormale auf. Bei einem kleineren Einfallswinkel dringen sie dagegen in<br />

die Metalle ein <strong>und</strong> durchdringen diese.<br />

E5.22 Stehende<br />

elektromagnet. Welle:<br />

Lichtintensität <strong>der</strong><br />

Glühbirne in<br />

Abhängigkeit von <strong>der</strong><br />

Entfernung <strong>der</strong><br />

Reflektionswand<br />

E5.38 <strong>Optik</strong> mit cm-<br />

Wellen: Reflexion


118 Experimentalphysik 2 für Biologen & Chemiker<br />

6.1.12 Brechung von elektromagnetischen Wellen<br />

Hertz’sche Wellen werden<br />

beim Übergang von einem<br />

Isolator in den an<strong>der</strong>en<br />

gebrochen. Quelle:<br />

Gesamtband <strong>Physik</strong>, S.189<br />

Das Foto zeigt die Reflexion <strong>und</strong><br />

Brechung eines Lichtstrahls, <strong>der</strong><br />

auf eine waagerechte Glasfläche<br />

fällt. (Der obere Teil des<br />

gebrochenen Strahls erscheint<br />

nicht deutlich.) Die untere<br />

Grenzfläche zwischen Glas <strong>und</strong><br />

Luft ist so gekrümmt, dass <strong>der</strong><br />

Strahl senkrecht darauf fällt <strong>und</strong><br />

infolge <strong>der</strong> Brechung nicht ab<br />

knickt.<br />

Schematische Darstellung von (a);<br />

bezeichnet sind <strong>der</strong> Einfallswinkel<br />

(θ1), <strong>der</strong> Reflexionswinkel (θ1’) <strong>und</strong><br />

<strong>der</strong> Brechungswinkel (θ2).<br />

Quelle: Halliday, Abb. 34-17,<br />

S.985<br />

Elektromagnetische Wellen können Isolatoren durchdringen. Beim Übergang von<br />

einem Medium in ein an<strong>der</strong>es än<strong>der</strong>n sie jedoch ihre Richtung. Wie stark diese<br />

Ablenkung ist, d.h. wie groß die Winkel θ1 <strong>und</strong> θ2 bezüglich <strong>der</strong> Flächennormalen<br />

n <strong>der</strong> Mediengrenzfläche sind, hängt vom Verhältnis <strong>der</strong> materialspezifischen<br />

dimensionslosen Brechungsindizes n1 <strong>und</strong> n2 <strong>der</strong> beiden Medien 1 <strong>und</strong> 2 ab.<br />

Der Zusammenhang wird über das sog. Snellius’sche Brechungsgesetz<br />

beschrieben:<br />

o<strong>der</strong> an<strong>der</strong>s ausgedrückt:<br />

n ⋅ sinθ = n ⋅ sinθ<br />

1 1 2 2<br />

sin θ υ c/ n n<br />

= = =<br />

sin θ υ c/ n n<br />

1 1 1 2<br />

2 2 2 1<br />

mit den Geschwindigkeiten v1 <strong>und</strong> v2 im Medium 1 bzw. Medium 2 (Zur<br />

Abhängigkeit des Brechungsindex von den Materialeigenschaften s.a. 6.1.8).<br />

Beim Übergang in ein sog. optisch dichteres Medium (n2 > n1) wird <strong>der</strong> Strahl<br />

zum Lot hin gebrochen, d.h. θ2 < θ1. θ2 wird auch Brechungswinkel genannt.


Elektromagnetische Schwingungen <strong>und</strong> Wellen – Überleitung zur <strong>Optik</strong> 119<br />

Quelle: Halliday, Tab.. 34-1, S.985<br />

Brechungsindizes spielen bei <strong>der</strong> Lichtmikroskopie eine große Rolle<br />

(Verzerrungsphänomene durch viele Materialgrenzflächen mit unterschiedlichen<br />

Brechungsindizes; bei hohen Vergrößerungen wird daher zwischen Linse (Glas)<br />

<strong>und</strong> Deckglas auf dem zu mikroskopierenden Objekt ein sog. “Immersionsöl”<br />

getropft, das den gleichen Brechungsindex wie Glas hat, <strong>und</strong> in das die Linse<br />

eintaucht).<br />

6.1.13 Prisma<br />

Beim Durchgang durch ein<br />

Prisma, dessen<br />

Querschnittsfläche ein<br />

gleichseitiges Dreieck ist, wird<br />

<strong>der</strong> Lichtstrahl zwei Mal<br />

gebrochen <strong>und</strong> erfährt dadurch<br />

eine Ablenkung um den Winkel δ.<br />

Aus <strong>der</strong> Abbildung ist ersichtlich,<br />

dass<br />

δ = α1− β1 + α2 − β2 = α1 + α2 − γ<br />

da<br />

γ = β + β<br />

wegen<br />

1 2<br />

γ + 90 − β + 90 − β = 180<br />

o o o<br />

1 2<br />

im Dreieck ABC.<br />

6.1.14 (Innere) Totalreflexion<br />

Quelle: Demtrö<strong>der</strong>, Abb. 9.18, S. 265<br />

Geht EM-Strahlung vom optisch dichteren ins optisch dünnere Medium über (z.B.<br />

Wasser o<strong>der</strong> Glas → Luft), so werden umgekehrt die Strahlen vom Eingangslot<br />

weg gebrochen. Beim kritischen Winkel θk wird θ2 gerade 90°, d.h. für θ > θc<br />

wird <strong>der</strong> Lichtstrahl nicht mehr gebrochen, son<strong>der</strong>n vollständig, d.h. total<br />

reflektiert: Totalreflexion.


O1.2 Dispersion:<br />

kontinuierliches<br />

Spektrum mit Prisma<br />

120 Experimentalphysik 2 für Biologen & Chemiker<br />

Totalreflexion in einem Aquarium. Quelle: Tipler, Abb. 30.16, S. 1035<br />

Dieses Phänomen wird in Lichtleitern ausgenutzt.<br />

Licht in einer Glasfaser fällt immer unter einem größeren Winkel θ als dem kritischen Winkel θk auf die<br />

Glaswand; es kann daher erst am Ende <strong>der</strong> Glasfaser aus dem optisch dichteren ins optisch dünnere<br />

Medium austreten. Quelle: Tipler, Abb. 30.18 <strong>und</strong> 30.19, S. 1036f<br />

6.1.15 Dispersion<br />

Wird ein Prisma mit weißem Licht bestrahlt, so zeigt sich, dass die verschiedenen<br />

Farben (= Wellenlängen bzw. Frequenzen) unterschiedlich stark gebrochen<br />

werden, d.h. das Licht wird spektral zerlegt.<br />

Der Brechungsindex n eines Stoffes (<strong>und</strong> damit seine Dielektrizitätskonstante)<br />

ist also wellenlängen- bzw. frequenzabhängig: Dispersion. Blaues (kurzwelliges)<br />

Licht wird stärker gebrochen als rotes (langwelliges) (Erklärung siehe<br />

Lehrbücher, z.B. Demtrö<strong>der</strong>, Experimentalphysik 2, S. 27f).<br />

Weißes Licht wird durch ein<br />

Glasprisma aufgr<strong>und</strong> <strong>der</strong><br />

Dispersion spektral zerlegt.<br />

Quelle: Tipler, Abb. 30.22, S.<br />

1038<br />

Bei Regen kann das Sonnenlicht in<br />

den Wassertropfen wie in einem<br />

Prisma durch Doppelbrechung <strong>und</strong><br />

Dispersion spektral zerlegt werden.<br />

Es wird ein Regenbogen sichtbar,<br />

wenn das Sonnenlicht die<br />

Regenwand von vorne bestrahlt.<br />

Quelle: Tipler, Abb. 30.27, S. 1041<br />

Hin <strong>und</strong> wie<strong>der</strong> kann sogar ein<br />

zweiter (sek<strong>und</strong>ärer)<br />

Regenbogen über dem primären<br />

Regenbogen beobachtet werden.<br />

Dessen Farbabfolge ist genau<br />

umgekehrt zu <strong>der</strong> des primären<br />

Regenbogens. Primärer <strong>und</strong><br />

sek<strong>und</strong>ärer Regenbogen sind<br />

jeweils nur unter bestimmten<br />

Winkeln zum Sonnenlicht zu<br />

sehen (42° bzw. 51°). Quelle:<br />

Tipler, Abb. 30.28, S. 1041


Elektromagnetische Schwingungen <strong>und</strong> Wellen – Überleitung zur <strong>Optik</strong> 121<br />

P2 V17 Polarisation von EM-Wellen<br />

Wie<strong>der</strong>holung<br />

• EM-Wellen lassen sich an Objekten reflektieren. Sie lassen sich allerdings<br />

auch absorbieren, wobei die damit absorbierte Energie dazu führen kann,<br />

je nach Frequenz in den Objekten Molekülrotationen, Schwingungen o<strong>der</strong><br />

Elektronenübergänge zu erzeugen.<br />

• Elektromagnetische Wellen breiten sich abhängig von <strong>der</strong> Dichte n des<br />

Ausbreitungsmediums unterschiedlich schnell in verschiedenen Medien<br />

aus. An den Grenzflächen zwischen zwei Medien kommt es zusätzlich zur<br />

sog. Brechung, <strong>der</strong> Richtungsän<strong>der</strong>ung beim Grenzflächendurchtritt. Sie<br />

lässt sich über das Snellius’sche Brechungsgesetzt beschreiben.<br />

• Trifft Licht in eine m großen Winkel (zur Flächennormale) innerhalb eines<br />

optisch dichten Mediums (großer Brechungsindex n) auf eine Grenzfläche<br />

zu einem optisch dünneren Medium (kleineres n), kann es zur<br />

Totalreflexion an dieser Grenzfläche kommen; d.h. das Licht kann das<br />

optisch dichtere Medium nicht verlassen (z.B. Lichtleiter).<br />

6.1.16 Polarisation elektromagnetischer Wellen<br />

Die von Antennen in Ausbreitungsrichtung x (allgemein: entlang des<br />

2 ⋅π<br />

Wellenvektors k = ⋅x<br />

ˆ ) abgestrahlten EM-Wellen sind linear polarisiert, d.h.<br />

λ<br />

<strong>der</strong> E-Feldvektor bzw. <strong>der</strong> B-Feldvektor zeigen immer entlang des Dipols (E)<br />

bzw. senkrecht dazu (B); beide Fel<strong>der</strong> schwingen also immer nur in einer<br />

Richtung (aber senkrecht zueinan<strong>der</strong> <strong>und</strong> senkrecht zu k). Daher wird sich die<br />

höchste Intensität des E-Anteils <strong>der</strong> EM-Welle parallel zur Dipolachse finden<br />

lassen, die höchste Intensität des B-Anteils senkrecht dazu. In Dipolrichtung (d.h.<br />

in Verlängerung des Drahtes; hier: entlang <strong>der</strong> y-Achse) findet keine Abstrahlung<br />

statt.<br />

Da Glühbirnen, Leuchtstoffröhren o<strong>der</strong> Sterne (wie unsere Sonne) nicht ein<br />

einziger ‚großer’ gerichteter LC-Schwingkreis wie ein Fernseh- o<strong>der</strong> Radiosen<strong>der</strong><br />

sind, son<strong>der</strong>n eher eine Sammlung vieler kleiner, völlig willkürlich angeordneter<br />

LC-Schwingkreise, ist sichtbares Licht normalerweise nicht polarisiert.<br />

Erläuterung: Jede lineare Elektronenoszillation (bzw. je<strong>der</strong> lineare<br />

Elektronenübergang), <strong>der</strong> zur Aussendung von elektromagnetischer Strahlung in<br />

Form von Licht führt [weil die Oszillationen mit Frequenzen <strong>der</strong> Größenordnung<br />

von 10 14 Hz erfolgen], kann zwar für sich gesehen als (einmaliger) Stromfluss<br />

entlang eines linearen Pfades {analog zur Elektronenbewegung im geraden<br />

E5.27 Hertzscher Dipol<br />

<strong>und</strong> E5.22 Stehende<br />

elektromagnet. Welle:<br />

Lichtintensität <strong>der</strong><br />

Glühbirne in<br />

Abhängigkeit vom Winkel<br />

<strong>der</strong> Empfangsantenne<br />

zur Sendeantenne<br />

E5.38 <strong>Optik</strong> mit cm-<br />

Wellen: Polarisation


122 Experimentalphysik 2 für Biologen & Chemiker<br />

Draht einer Antenne} betrachtet werden. Allerdings kann dieser Pfad für jedes<br />

lichtemittierende Atom o<strong>der</strong> Molekül beliebig im Raum orientiert sein. Es wird<br />

daher auch von ‚natürlichem Licht’ gesprochen.<br />

Links: Überlagerung <strong>der</strong> beliebig (also „statistisch“) verteilten, d.h. unpolarisierten E-Feldvektoren vieler<br />

einzelner lichtaussenden<strong>der</strong> Atome/Moleküle. Rechts: Mathematisch lässt sich das Durcheinan<strong>der</strong><br />

vereinfachen, indem jeweils die y- als auch die z-Anteile <strong>der</strong> E-Vektoren aller lichtaussendenden Atome<br />

getrennt aufaddiert werden. Damit haben wir unpolarisiertes Licht als Überlagerung zweier polarisierter<br />

Wellen ausgedrückt, <strong>der</strong>en Schwingungsebenen senkrecht aufeinan<strong>der</strong> stehen.<br />

Wird unpolarisiertes Licht als Überlagerung zweier polarisierter, senkrecht<br />

aufeinan<strong>der</strong> stehen<strong>der</strong> EM-Wellen ausgedrückt (s. Abb.), dann lassen sich<br />

folgende Fälle unterscheiden:<br />

• y- <strong>und</strong> z-Amplituden sind gleich groß: unpolarisiertes (=<br />

natürliches) Licht<br />

• y- <strong>und</strong> z- Amplituden sind nicht gleich groß: teilweise<br />

polarisiertes Licht (Zur Erzeugung siehe Brewster’sches<br />

Gesetz 6.1.16.1)<br />

π<br />

• y- <strong>und</strong> z- Amplituden sind gleich groß, aber um ϕ = (d.h. um<br />

2<br />

90°) gegeneinan<strong>der</strong> phasenverschoben: zirkular polarisiertes<br />

Licht, auch drehende Polarisation bezeichnet: Der Feldvektor E<br />

dreht sich bei Voranschreiten <strong>der</strong> Welle mit konstanter<br />

Winkelgeschwindigkeit ω um den Wellenvektor k <strong>und</strong> än<strong>der</strong>t<br />

seinen Betrag dabei nicht.<br />

(Es kann mit ‚doppelbrechenden’ Materialien (z.B. Kalkspat, CaCO3)<br />

erzeugt werden. In solchen Materialien wird das Licht in einen sog.<br />

‘ordentlichen’ <strong>und</strong> einen sog. ‘außerordentlichen’ Strahl aufgespalten<br />

(s.a. Lehrbücher <strong>der</strong> <strong>Physik</strong>). Diese beiden Strahlen sind senkrecht<br />

zueinan<strong>der</strong> polarisiert (entsprechen also genau dem oben zur Hilfe<br />

genommenen mathematischen Modell). Allerdings wan<strong>der</strong>t <strong>der</strong><br />

außerordentliche Strahl etwas langsamer durch den Kristall. (Das liegt<br />

darin begründet, dass sich die Elektronenschwingungen in solchen<br />

Materialien nicht in je<strong>der</strong> Richtung gleich gut anregen lassen. Das führt<br />

zu richtungsabhängigen Brechungsindizes; d.h. <strong>der</strong> Kristall hat dann<br />

(mind.) zwei unterschiedliche Brechungsindizes ny <strong>und</strong> nz für y- <strong>und</strong> zpolarisiertes<br />

Licht. Unter 6.1.8 hatten wir gesehen, dass die<br />

Ausbreitungsgeschwindigkeit in Materie v = c/n ist.) Wird nun das<br />

unpolarisierte Licht in einem bestimmten Winkel auf einen solchen<br />

Kristall bestimmter Dicke d gestrahlt, so dass <strong>der</strong> außerordentliche<br />

Strahl um eine viertel Periode (1/4T) später aus dem Kristall austritt (weil<br />

er etwas langsamer läuft <strong>und</strong> möglicherweise zus. einen längeren Weg<br />

zurücklegen muss), dann stehen die E-Feldvektoren von ordentlichem<br />

(y-) <strong>und</strong> außerordentlichem (z-) Strahl wegen <strong>der</strong> Doppelbrechung nicht


Elektromagnetische Schwingungen <strong>und</strong> Wellen – Überleitung zur <strong>Optik</strong> 123<br />

nur senkrecht aufeinan<strong>der</strong>, son<strong>der</strong>n diese beiden Anteile sind zusätzlich<br />

um genau 90° phasenverschoben. Es kann gezeigt werden, dass die<br />

λVak<br />

1<br />

Dicke des Kristalls genau d = ⋅<br />

sein<br />

4 n −n<br />

ordentlicher Strahl außerordentlicher Strahl<br />

λ<br />

muss (n: Brechungsindex). Es wird daher auch von sog. -Plättchen<br />

4<br />

gesprochen.<br />

Linkszirkular polarisiertes Licht: <strong>der</strong> E-Feldvektor rotiert mit <strong>der</strong> Frequenz ω = ϕ/t um den<br />

Wellenvektor k (<strong>der</strong> mit <strong>der</strong> Ausbreitungsrichtung x zusammenfällt). Quelle: Demtrö<strong>der</strong>, Abb.<br />

7.5, S. 188<br />

• y- <strong>und</strong> z- Amplituden sind nicht gleich groß <strong>und</strong> zusätzlich um<br />

π<br />

ϕ = (d.h. um 90°) gegeneinan<strong>der</strong> phasenverschoben:<br />

2<br />

elliptisch polarisiertes Licht.<br />

• Eine <strong>der</strong> beiden Amplituden (y o<strong>der</strong> z) ist Null: linear<br />

polarisiertes Licht. Lineare Polarisation lässt sich auch als<br />

Überlagerung einer links-(l-) <strong>und</strong> rechts (r-) zirkular polarisierten<br />

Welle auffassen, die gleiche Amplitude <strong>und</strong> Umlauffrequenz<br />

haben.<br />

Alternative Veranschaulichung von linear polarisiertem Licht als Überlagerung aus zwei<br />

entgegengesetzt zirkular polarisierten E-Feldvektoren gleicher Amplitude <strong>und</strong><br />

Umlauffrequenz. Quelle: Göpel/Ziegler, Struktur <strong>der</strong> Materie, Abb. 3.5.41, S. 452<br />

Die Polarisierbarkeit elektromagnetischer Wellen ist ein experimenteller Beweis<br />

dafür, dass es sich bei Lichtwellen um Transversalwellen handelt.<br />

Longitudinalwellen lassen sich nicht polarisieren.


124 Experimentalphysik 2 für Biologen & Chemiker<br />

6.1.16.1 Polarisation durch Reflexion – Brewster’sches Gesetz<br />

Wenn unpolarisiertes Licht an <strong>der</strong> Grenzfläche zwischen zwei durchsichtigen<br />

Medien (z.B. auf <strong>der</strong> Meeresoberfläche) reflektiert wird, dann ist das reflektierte<br />

Licht teilweise polarisiert. Das Ausmaß <strong>der</strong> Polarisation hängt ab vom<br />

Einfallswinkel <strong>und</strong> von den Brechzahlen <strong>der</strong> beiden Medien. Hat <strong>der</strong><br />

Einfallswinkel gerade einen solchen Wert, dass <strong>der</strong> reflektierte <strong>und</strong> <strong>der</strong><br />

gebrochene Strahl aufeinan<strong>der</strong> senkrecht stehen (Polarisationswinkel θP), so ist<br />

<strong>der</strong> reflektierte Strahl vollständig polarisiert.<br />

Mit dem Brechungsgesetz von Snellius (6.1.12) <strong>und</strong> <strong>der</strong> Randbedingung<br />

θ2= 90°−θPfür den Polarisationswinkel ergibt sich das Gesetz von Brewster<br />

(David Brewster, 1812):<br />

tan P<br />

Das elektrische Feld des einfallenden Strahls lässt<br />

sich in zwei Komponenten zerlegen, z. B. parallel<br />

(Doppelpfeile) <strong>und</strong> senkrecht (Punkte) zur<br />

Papierebene (= sog. Einfallsebene). Das reflektierte<br />

Licht ist dann senkrecht zur Einfallsebene<br />

vollständig polarisiert. Quelle: Tipler, Abb. 30.36 <strong>und</strong><br />

30.37, S. 1047f<br />

6.1.16.2 Polarisation durch Absorption<br />

n<br />

n<br />

2 θ = .<br />

1<br />

Ist bereits das einfallende Licht polarisiert, <strong>und</strong> zwar<br />

so, dass sein Vektor des elektrischen Feldes E in <strong>der</strong><br />

Einfallsebene liegt, dann wird kein Licht reflektiert,<br />

wenn <strong>der</strong> Einfallswinkel gleich dem<br />

Polarisationswinkel ΘP ist. Erklärung: Die Moleküle<br />

im dichteren Medium (Glas) oszillieren parallel zum<br />

elektrischen Feld des gebrochenen Strahls. Entlang<br />

<strong>der</strong> Oszillationsrichtung (d.h. parallel zur Antenne)<br />

kann aber keine Energie abgestrahlt (d. h. hier<br />

reflektiert) werden.<br />

Sind die Moleküle in einem Material wie bei einem Lattenzaun so ausgerichtet,<br />

dass sie nur die E-o<strong>der</strong> B-Feldvektoren einer bestimmten Orientierung<br />

durchlassen, in allen an<strong>der</strong>en Orientierungen dagegen absorbieren, dann ist das<br />

Licht ebenfalls polarisiert.<br />

Verschiedene Kristalle o<strong>der</strong> in eine Richtung gestreckte Polymerfolien haben<br />

diese Eigenschaften. Auch in Liquid-Crystall Displays (LCDs), in


Elektromagnetische Schwingungen <strong>und</strong> Wellen – Überleitung zur <strong>Optik</strong> 125<br />

Flachbildschirmen mit stäbchenförmigen Molekülen, die Flüssigkristalle bilden,<br />

wird Licht einerseits gedreht (s.a. Optische Aktivität) als auch durch Folien<br />

polarisiert.<br />

Polarisation durch Absorption: Polymer-<br />

Polarisationsfolien (Polarizer) bestehen aus<br />

gestreckten <strong>und</strong> ausgerichteten<br />

Polymermolekülen. Diese lassen wie ein<br />

Gartenzaun nur solches Licht durch, dessen E-<br />

Feldvektor in Richtung <strong>der</strong> Polymerketten zeigt.<br />

Das übrige Licht wird von den Polymersträngen<br />

absorbiert.<br />

Quelle: http://www.olympusmicro.com/primer<br />

Funktionsweise einer Flüssigkristallanzeige: Das Licht tritt<br />

durch einen Polarisationsfilter in eine Kammer definierter<br />

Höhe mit Flüssigkristallen ein. Die Moleküle in <strong>der</strong><br />

Kammer sind von sich aus so (in einem Flüssigkristall)<br />

angeordnet, dass sie die Polarisationsebene des Lichtes<br />

auf <strong>der</strong> von ihm zurückgelegten Strecke um genau 90°<br />

drehen. Sie können also durch den um 90° zum ersten<br />

Polarisationsfilter angeordneten zweiten Polarisationsfilter<br />

durchtreten. Wird nun eine Spannung an die Kammer<br />

angelegt, orientieren sich die Flüssigkristalle entlang des<br />

elektrischen Feldes neu an; die Polarisationsebene des<br />

Lichtes wird also nicht mehr gedreht <strong>und</strong> kann damit den<br />

unteren Filter nicht mehr passieren. Quelle: sharpworld.com/sc/<br />

library/lcd_e/s2_1_1e.htm<br />

Wegen <strong>der</strong> Polarisation von reflektiertem Licht schützen Sonnenbrillen mit<br />

Gläsern aus polarisierendem Material beson<strong>der</strong>s gut vor zu grellem Licht. Wenn<br />

Licht von einer horizontalen Fläche reflektiert wird, etwa einem See o<strong>der</strong> einem<br />

Schneefeld, so steht die Einfallsebene vertikal <strong>und</strong> das elektrische Feld des<br />

reflektierten Lichts hauptsächlich horizontal. Polarisierende Sonnengläser mit<br />

einer vertikalen Transmissionsachse absorbieren daher einen großen Teil des<br />

reflektierten Lichts. Ob eine Sonnenbrille polarisiert, lässt sich leicht feststellen:<br />

Man beobachtet durch sie einen reflektierten Lichtstrahl <strong>und</strong> dreht sie dann um<br />

90°. Wird nun wesentlich mehr Licht durchgelassen, dann wirkt sie polarisierend.<br />

6.1.16.3 Polarisation durch Streuung<br />

Die polarisierende Schicht auf<br />

Sonnenbrillengläsern ist vertikal<br />

ausgerichtet, wenn die Brille<br />

getragen wird. Kreuzung <strong>der</strong><br />

Polarisationsrichtungen führt zur<br />

gänzlichen Verdunklung. Quelle:<br />

Halliday, Abb. 34-15, S. 982<br />

Polarisation lässt sich auch durch Streuung an Atomen o<strong>der</strong> Molekülen<br />

beobachten. Licht, das auf ein Objekt trifft, z.B. auf ein Molekül, wird gestreut,<br />

d.h. in viele (manchmal sogar in zufällige) Richtungen wie<strong>der</strong> abgestrahlt. Ein


O2.4 Optische Aktivitaet<br />

126 Experimentalphysik 2 für Biologen & Chemiker<br />

allgemein vertrautes Beispiel ist die Streuung des Sonnenlichts an den Molekülen<br />

<strong>der</strong> Atmosphäre, wodurch <strong>der</strong> Taghimmel homogen hell erscheint.<br />

Das Sonnenlicht selbst ist unpolarisiert. Ein großer Teil des Himmelslichts<br />

hingegen ist aufgr<strong>und</strong> <strong>der</strong> Streuphänomene zumindest teilweise polarisiert.<br />

Bienen orientieren sich an <strong>der</strong> Polarisation des Himmelslichts, um zu ihren<br />

Behausungen zu finden. Die Wikinger entwickelten ein Verfahren, um auch in <strong>der</strong><br />

Polarnacht (wenn die Sonne auch am Tag nicht über den Horizont steigt) durch<br />

die Nordsee navigieren zu können: Diese frühen Seefahrer hatten einen Kristall<br />

entdeckt, den man heute Cordierit nennt <strong>und</strong> <strong>der</strong> seine Farbe än<strong>der</strong>t, wenn man<br />

ihn in polarisiertem Licht dreht. Sahen die Seeleute durch einen solchen Kristall<br />

<strong>und</strong> drehten ihn dabei um die Sichtachse, so konnten sie die Position <strong>der</strong> Sonne<br />

hinter dem Horizont bestimmen <strong>und</strong> so die Himmelsrichtungen ermitteln.<br />

6.1.17 Optische Aktivität<br />

Es gibt Stoffe, die die lineare Polarisation um einen Winkel α drehen können.<br />

Solche Stoffe, die meist sog. chirale (asymmetrische) C-Atome enthalten, heißen<br />

optisch aktiv. Da Rohrzucker optisch aktiv ist <strong>und</strong> die Rotation<br />

α = α ⋅c⋅ d<br />

0<br />

proportional zur Konzentration c ist, kann die Konzentration von Zuckerlösungen<br />

bestimmt werden (Saccharimetrie). α0 ist das (stark frequenzabhängige)<br />

spezifische Drehvermögen, d die Länge des Lichtweges in <strong>der</strong> Lösung.<br />

Quelle: Staudt, Abb. 8.46, S.250


Elektromagnetische Schwingungen <strong>und</strong> Wellen – Überleitung zur <strong>Optik</strong> 127<br />

V18 EM-Wellen: Optische Aktivität, Interferenz<br />

Wie<strong>der</strong>holung<br />

• Elektromagnetische Wellen lassen sich polarisieren, d.h. nach <strong>der</strong><br />

Schwingungsrichtung ihrer elektr. bzw. magn. Feldvektoren sortieren. Je<br />

nach Methode lässt sich linear, zirkular o<strong>der</strong> elliptisch polarisiertes Licht<br />

erhalten.<br />

6.1.18 Beschreibung des Wellencharakters von Licht<br />

Ohne den elektromagnetischen Charakter von<br />

Lichtwellen zu berücksichtigen, kann die<br />

Lichtausbreitung über ein einfaches Wellenmodell<br />

beschrieben werden. Demnach ist je<strong>der</strong> Punkt einer<br />

Wellenfront Ausgangspunkt sek<strong>und</strong>ärer kugelförmiger<br />

Elementarwellen. Der Ort <strong>der</strong> Wellenfront ist zu einer<br />

beliebigen Zeit t gegeben durch die Tangenten an alle<br />

dieser sek<strong>und</strong>ären Elementarwellen: Huygens’sches<br />

Prinzip. (Christiaan Huygens, nie<strong>der</strong>länd. <strong>Physik</strong>er,<br />

1629-1695)<br />

Fortpflanzung einer ebenen Welle im Vakuum wie sie vom<br />

Huygens’schen Prinzip erklärt wird. Quelle: Halliday, Abb. 36-1, S.<br />

1032<br />

6.1.19 Interferenz zeitlich <strong>und</strong> räumlich kohärenter elektromagnetischer<br />

Wellen<br />

Genau wie in <strong>der</strong> Mechanik (z.B. Wasser- o<strong>der</strong> Schallwellen) überlagern sich<br />

zwei Wellen (nach dem Superpositionsprinzip (Überlagerung)), wenn sie an<br />

einem Punkt zusammen treffen, ohne sich jedoch gegenseitig zu stören. Dieses<br />

Phänomen hatten wir als Interferenz kennen gelernt:<br />

Werden zwei (harmonische) Wellen mit gleicher Frequenz ν o<strong>der</strong> Wellenlänge λ<br />

addiert, dann hängt die resultierende harmonische Welle<br />

yres(,) st = y0⋅sin( ω⋅ t ± ϕres<br />

) von <strong>der</strong> Phasendifferenz Δ ϕ = ϕ2 −ϕ1<strong>der</strong> beiden sie<br />

erzeugenden Wellen y1(,) st = y0 ⋅sin( ω⋅ t ± ϕ1)<br />

<strong>und</strong> y2(,) st = y0 ⋅sin( ω⋅ t ± ϕ2)<br />

ab:<br />

• Für Δϕ = 0 o<strong>der</strong> ganzzahlige Vielfache von 2π (360°) bzw.<br />

Δs = n·λ: die beiden Wellen sind ‚in Phase’, d.h. es kommt<br />

zur konstruktiven Überlagerung; die Amplituden addieren<br />

sich. Es kann auch mathematisch gezeigt werden, dass<br />

ϕres gleich ϕ1 bzw. ϕ2 ist. Dabei wird maximale Intensität<br />

erzielt (I ∝ A 2 (Amplitudenquadrat)). Der Intensitätsbegriff<br />

ist also nicht mit <strong>der</strong> resultierenden Amplitude zu<br />

verwechseln, son<strong>der</strong>n bezeichnet die Energie, die im<br />

zeitlichen Mittel pro Zeiteinheit durch eine Einheitsfläche in<br />

Strahlungsrichtung fortschreitet.<br />

• Für Δϕ = ungeradzahlige Vielfache von π (180°)<br />

bzw. Δs = n·λ/2 wird destruktive Interferenz beobachtet,<br />

d.h. bei gleicher Amplitude kommt es zur vollständigen<br />

gegenseitigen Auslöschung <strong>der</strong> beiden Wellen.<br />

Konstruktive (=verstärkende) (a) <strong>und</strong> destruktive (=schwächende) (b) Superposition = Interferenz zweier<br />

Wellen (blau <strong>und</strong> schwarz) entlang des Weges s als Momentaufnahme zu einem bestimmten Zeitpunkt t.<br />

Die jeweils untere Welle in einem Diagramm gibt die resultierende Welle wie<strong>der</strong>. Überlagern sich wie in<br />

(b) <strong>der</strong> Wellenberg <strong>der</strong> einen Welle mit dem Wellental <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en Welle, kommt es zur gänzlichen<br />

Auslöschung <strong>der</strong> Welle. Quelle: Gesamtband <strong>Physik</strong> S. 101.<br />

Computersimulation:<br />

Spektrum <strong>und</strong><br />

Spektrallinien einiger<br />

Elemente


(O2.10 Doppelspiegel-<br />

Interferenz)<br />

(O2.15 Michelson<br />

Interferometer)<br />

128 Experimentalphysik 2 für Biologen & Chemiker<br />

Damit Interferenz detektierbar ist, müssen die miteinan<strong>der</strong> interferierenden<br />

Wellen kohärent (lat. cohaerere = zusammenhängen) sein, d.h. sie müssen über<br />

einen größeren räumlichen <strong>und</strong>/o<strong>der</strong> zeitlichen Bereich hinweg eine definierte<br />

(sich nicht än<strong>der</strong>nde) Phasenbeziehung Δϕ aufzuweisen.<br />

Das thermisch erzeugte weiße Licht einer Glühbirne<br />

ist in <strong>der</strong> Regel nicht kohärent. Die Lichtemission<br />

von einer großen Anzahl Atomen in den Drähten<br />

findet zufällig, voneinan<strong>der</strong> unabhängig <strong>und</strong> in<br />

extrem kurzen Zeitspannen statt (bis hinunter zu<br />

einer Emissionsdauer von τ = 3·10 -14 s bis<br />

3·10 -15 s). In dieser sog. Kohärenzzeit strahlt ein<br />

Atom einen Wellenzug <strong>der</strong> Länge<br />

l = c·τ = 3·10 8 m/s · 10 -14 s = 3 µm ab. Diese Länge<br />

wird auch Kohärenzlänge genannt. Bei einer<br />

Glühbirne reicht sie nicht aus, um<br />

Interferenzerscheinungen zu zeigen.<br />

Die Kohärenzzeit liegt bei Nie<strong>der</strong>druck-Gasentladungslampen bei<br />

(größenordnungsmäßig) 10 -9 s <strong>und</strong> bei Laserlicht bei bis zu 0,1 s. Laser (Abk. für<br />

Light Amplification by Stimulated Emission of Radiation) sind damit kohärent, da<br />

dort sehr viele Atome in kooperativer Weise Licht aussenden. Das Sonnenlicht ist<br />

teilweise kohärent.<br />

Die Erzeugung zweier kohärenter untereinan<strong>der</strong> interferieren<strong>der</strong> Wellen aus einer<br />

Laserquelle funktioniert am einfachsten durch Teilung einer Welle in zwei<br />

Teilwellen. Dies lässt sich z.B. durch Teilung <strong>der</strong> Wellenfront durch Spiegel o<strong>der</strong><br />

Prismen erreichen, wenn also beide Wellenzüge unterschiedlich lange Wege<br />

durchlaufen <strong>und</strong> anschließend wie<strong>der</strong> zusammengeführt werden. Alternativ teilt<br />

man einen Lichtstrahl über einen halbdurchlässigen Spiegel auf <strong>und</strong> rekombiniert<br />

die an zwei zueinan<strong>der</strong> senkrecht angeordneten (frei beweglichen) Spiegeln<br />

reflektierten Strahlen anschließend über denselben halbdurchlässigen Spiegel<br />

wie<strong>der</strong>. Diese Anordnung heißt Michelson-Interferometer. (Albert Michelson,<br />

amerikan. <strong>Physik</strong>er, 1852-1931)


Elektromagnetische Schwingungen <strong>und</strong> Wellen – Überleitung zur <strong>Optik</strong> 129<br />

Fresnel’scher Spiegelversuch zur<br />

Erzeugung von Interferenzen mit nur einer<br />

Lichtquelle L. Die an den Spiegeln S1 <strong>und</strong> S2<br />

reflektierten Telbündel scheinen von den<br />

virtuellen Lichtquellen L1 bzw. L2<br />

herzukommen. Quelle: Demtrö<strong>der</strong>, Abb. 10.5,<br />

S. 296 (Augustin-Jean Fresnel, franz.<br />

<strong>Physik</strong>er, 1788-1827)<br />

Schematische Darstellung eines Michelson-<br />

Interferometers: Eine EM-Wellenfront E (z.B. kohärentes<br />

Licht) tritt durch einen halbdurchlässigen Spiegel ST <strong>und</strong><br />

trifft auf zwei Spiegel M1 <strong>und</strong> M2. Diese können so<br />

verfahren werden, dass die reflektierten Lichtstrahlen je<br />

nach Gangunterschied Δs <strong>der</strong> reflektierten Wellen<br />

konstruktiv (Δs = n·λ) o<strong>der</strong> destruktiv (Δs = n·λ/2)<br />

interferieren. Auf dem Schirm B lässt sich demnach<br />

folgen<strong>der</strong> Intensitätsverlauf in Abhängigkeit von Δs<br />

finden:<br />

Quelle: Demtrö<strong>der</strong>, Abb. 10.11 <strong>und</strong> 10.11, S. 296f<br />

Auch die „Körnigkeit“ eines Laserpunktes auf rauen Oberflächen ist z.B. eine<br />

Folge <strong>der</strong> Interferenz.<br />

6.1.20 Interferenz an dünnen Schichten<br />

Je<strong>der</strong> kennt die farbig schillernden Strukturen einer Seifenblase, eines Ölfilms auf<br />

einer Pfütze. Diese entstehen durch Interferenz <strong>der</strong> an Vor<strong>der</strong>- <strong>und</strong> Rückseite<br />

einer dünnen Schicht gebrochenen <strong>und</strong> reflektierten Wellen.<br />

Gangunterschiede Δs bei einer<br />

planparallelen durchsichtigen Platte <strong>der</strong><br />

Dicke d (a) im reflektierten Licht <strong>und</strong> (b)<br />

im transmittierten Licht, die beide zu<br />

Interferenzerscheinungen führen<br />

können. Da <strong>der</strong> Brechungsindex n<br />

wellenlängenabhängig ist, interferieren<br />

unterschiedliche Farben konstruktiv<br />

bzw. destruktiv bei verschiedenen<br />

Einfallswinkeln α. Quelle: Demtrö<strong>der</strong>,<br />

Abb. 10.8, S. 298<br />

O2.20 Interferenz an <strong>der</strong><br />

Seifenlamelle


O2.13 Newton’sche<br />

Interferenz<br />

130 Experimentalphysik 2 für Biologen & Chemiker<br />

Wie bei mechanischen Wellen gilt für die Phase ϕ bei Reflexion:<br />

• Phasensprung von Δϕ =<br />

180° bei Reflexion an einem<br />

(optisch) dichteren Medium<br />

(d.h. mit größerem<br />

Brechungsindex n2)<br />

• keine Phasenverschiebung<br />

(Δϕ = 0°) bei Reflexion an<br />

einem (optisch) dünneren<br />

Medium (d.h. mit kleinerem<br />

Brechungsindex n2)<br />

Das Phasenverhalten elektromagnet. Wellen<br />

entspricht dem mechanischer Wellen (hier am<br />

Bsp. des Seils): (a) Kein Phasensprung einer<br />

Welle in einem optisch dichteren Medium bei<br />

Reflexion an <strong>der</strong> Grenzfläche zum optisch<br />

dünneren Medium; auch <strong>der</strong> die Grenzfläche<br />

überwindende Anteil behält die Phase bei.<br />

(b) Trifft die Welle jedoch von einem optisch dünneren Medium kommend auf eine Grenzfläche zu einem<br />

optisch dichteren Medium, kommt es zum Phasensprung von 180° (entspr. π) bei <strong>der</strong> reflektierten Welle;<br />

dagegen bleibt die Phase bei <strong>der</strong> ins optisch dichtere Medium übertretenden Welle erhalten. Quelle:<br />

Halliday, Abb. 36-13, S. 1046<br />

Interferenz an dünnen Schichten wird zur Herstellung von Farbfiltern (z.B. für die<br />

Mikroskopie genutzt): Durch übereinan<strong>der</strong> liegende dünne Schichten aus Glas<br />

wird an je<strong>der</strong> Schicht ein Teil des Lichtes reflektiert. Ist die Glasschicht gerade so<br />

dick wie die Wellenlänge (o<strong>der</strong> ein Vielfaches davon) des eingestrahlten Lichtes,<br />

dann wird das Licht ausgelöscht, wenn nicht, wird es durchgelassen. Erzielbare<br />

spektrale Bandbreite des durchgelassenen Lichtes: > 1 nm (man spricht dann<br />

auch von einem Bandpassfilter <strong>der</strong> Bandbreite von 1 nm).<br />

http://www.fluorescence.com/tutorial/int-filt.htm<br />

Interferenz liegt auch den sog. Newton’schen Ringe zu Gr<strong>und</strong>e, die sich<br />

zwischen zwei nicht perfekt aufeinan<strong>der</strong> liegenden Platten (z.B. Objektträgern,<br />

Deckgläsern) zeigen:


Elektromagnetische Schwingungen <strong>und</strong> Wellen – Überleitung zur <strong>Optik</strong> 131<br />

Kreisförmiges Interferenzmuster, das durch eine Linse auf<br />

einer ebenen Glasplatte erzeugt wird (links) Streifenförmige<br />

Interferenzmuster werden erhalten, wenn zwei Platten einen<br />

Luftkeil einschließen. Diese Art <strong>der</strong> Interferenz wird<br />

Newton’sche Ringe genannt. Quellen: Halliday, Abb. 36-<br />

34, S. 1059; Tipler, Abb. 33.4, S. 1113<br />

Beispiele sind Newton’sche Ringe, die sich<br />

zwischen den Deckgläsern von Dias bilden<br />

o<strong>der</strong> die farbigen Ringe in Öltropfen auf einer<br />

Pfütze.


O2.17 Beugung an<br />

versch. Objekten (Spalt,<br />

Gitter, ...)<br />

132 Experimentalphysik 1 für Biologen & Chemiker<br />

V19 EM-Wellen: Beugung am Spalt, Streuung<br />

Wie<strong>der</strong>holung<br />

• Wir hatten gesehen, dass sich wie in <strong>der</strong> Mechanik elektromagnetische<br />

Wellen überlagern lassen, d.h. zur Interferenz gebracht werden können.<br />

Dies kann im Extremfall bei Wellen gleicher Wellenlänge bzw. Frequenz<br />

zu einer Amplitudenverdopplung (keine Phasenverschiebung) bzw. einer<br />

gänzlichen Auslöschung (Phasenverschiebung von 180°) <strong>der</strong> Wellen<br />

führen. Dies hatten wir am Michelson-Interferometer überprüfen können.<br />

• An dünnen Schichten kann es zu konstruktiven <strong>und</strong> destruktiven<br />

Interferenzen kommen, den sog. Newton’schen Ringen. Je nach<br />

Schichtdicke <strong>und</strong> Einfallswinkel des Lichtes werden einige Frequenzen<br />

ausgelöscht, an<strong>der</strong>e dagegen verstärkt.<br />

6.1.21 Beugung<br />

Trifft eine ebene Welle auf ein Hin<strong>der</strong>nis, in dem sich eine Öffnung befindet,<br />

<strong>der</strong>en Abmessungen in <strong>der</strong> Größenordnung <strong>der</strong> Wellenlänge λ liegen (d.h.<br />

Øa ≈ λ), so breitet sich <strong>der</strong> Teil <strong>der</strong> Welle, <strong>der</strong> durch die Öffnung gelangt,<br />

dahinter im Raum kugelförmig aus – man sagt, die Welle wird an <strong>der</strong> kleinen<br />

Öffnung „herum gebogen“ o<strong>der</strong> gebeugt. Je enger die Öffnung ist, desto<br />

intensiver die Beugung. (D.h. hinter <strong>der</strong> Öffnung werden auch dort<br />

Wellenauslenkungen gef<strong>und</strong>en, wo die Welle bei geradliniger Ausbreitung<br />

eigentlich gar nicht hinkäme. Für Licht heißt das z.B., dass es an Stellen hell ist,<br />

die bei rein geradliniger Lichtausbreitung (als Licht“strahl“) gar nicht beleuchtet<br />

werden dürften.)<br />

Schematische Darstellung <strong>der</strong> Beugung von Wellen. Für eine gegebene Wellenlänge λ wird das<br />

Phänomen umso ausgeprägter, je kleiner die Spaltbreite a (als Vielfaches von λ angegeben) ist. Quelle:<br />

Halliday, Abb. 36-5, S. 1037<br />

Die Beugung ist eine wellentypische Erscheinung <strong>und</strong> gilt auch für mechanische<br />

Transversal- (z.B. Wasser-) o<strong>der</strong> Longitudinal- (z.B. Schall-) Wellen.<br />

Wird das an einer kleinen Öffnung gebeugte Licht auf einen Schirm projiziert,<br />

lassen sich kreisförmige Interferenzerscheinungen beobachten:


Elektromagnetische Schwingungen <strong>und</strong> Wellen – Überleitung zur <strong>Optik</strong> 133<br />

Links: Beugungsmuster, das an einer kreisr<strong>und</strong>en Öffnung entsteht; zu sehen ist ein Hauptmaximum <strong>und</strong><br />

mehrere ringförmige Nebenmaxima. Wird die Intensitätsverteilung entlang <strong>der</strong> nachträglich eingezeichneten<br />

gepunkteten Linie als Funktion des Quotienten aus Wellenlänge <strong>und</strong> Öffnungsbreite a aufgetragen, erhält<br />

man das rechte Diagramm. Quellen: Halliday, Abb. 37-9, S.1072; Staudt, Abb. 8.66, S. 267<br />

Die kreisförmige Öffnung enthalte eine große Zahl an Punktquellen,<br />

die Wellen gleicher Amplitude emittieren (oben). Am ersten<br />

Beugungsminimum löschen sich die Wellen <strong>der</strong>jenigen Quellenpaare<br />

aus, die voneinan<strong>der</strong> den Abstand von a/2 haben, da die<br />

Phasendifferenz Δϕ zwischen ihnen 180° beträgt (links). Quellen:<br />

Tipler, Abb. 33.20, S. 1126; Demtrö<strong>der</strong>, Abb. 10.32, S. 313.<br />

Die Intensitätsminima sind in <strong>der</strong> Intensitätsverteilung bei<br />

λ<br />

sinθ = N ⋅ mit N = 0, 1, 2, ... (Gegenkathete zu Hypotenuse)<br />

a<br />

<strong>und</strong> die Intensitätsmaxima (neben dem Hauptmaximum im Zentrum) bei<br />

(2⋅ N + 1) λ<br />

sinθ<br />

= ⋅ mit N = 1, 2, ...<br />

2 a<br />

zu finden, wobei θ <strong>der</strong> Winkel zwischen Ausbreitungsrichtung <strong>der</strong> Welle <strong>und</strong> dem<br />

auf dem Schirm beobachteten Minimum bzw. Maximum ist (s. folgende Abb.), N<br />

ist die sog. Ordnung - hier das N-te Minimum bzw. Maximum, a <strong>der</strong> Durchmesser<br />

<strong>der</strong> punktförmigen Öffnung <strong>und</strong> λ die Wellenlänge. Mit zunehmen<strong>der</strong> Ordnung<br />

nimmt die Intensität eines Maximums stark ab.<br />

Die Interferenz gebeugten Lichts wird aus folgen<strong>der</strong> Überlegung klar: Nach dem<br />

Huygens’schen Prinzip ist je<strong>der</strong> Punkt einer Wellenfront Ausgangspunkt einer<br />

neuen Elementarwelle (Kugelwelle). Diese Wellen können untereinan<strong>der</strong><br />

interferieren, so dass in gewissen Winkeln zur Ausbreitungsrichtung zwei<br />

benachbarte Wellen (bzw. Lichtstrahlen) destruktiv interferieren (Dunkelheit), in<br />

an<strong>der</strong>en Winkeln konstruktiv (helle Ringe). Destruktive Interferenz tritt also immer<br />

genau dann auf, wenn zwei benachbarte Wellenzüge genau um eine halbe


O2.17 Beugung an<br />

versch. Objekten (Spalt,<br />

Gitter, ...)<br />

134 Experimentalphysik 2 für Biologen & Chemiker<br />

Periode 1/2T bzw. um eine halbe Wellenlänge λ/2 zueinan<strong>der</strong> versetzt sind. Man<br />

spricht auch von einem Gangunterschied von Δs = λ/2 zwischen diesen beiden<br />

Wellen.<br />

6.1.22 Beugung <strong>und</strong> Interferenz an Mehrfachspalten<br />

Bei mehr als einer Öffnung bzw. einem Spalt überlagern sich Beugung <strong>und</strong><br />

Interferenz <strong>der</strong> aneinan<strong>der</strong> gereihten Beugungsbil<strong>der</strong>.<br />

Relative Lage <strong>und</strong> relative<br />

Intensitätsverteilung von<br />

kohärentem Licht, das an einem<br />

Doppel- (2 Quellen), Dreifach- (3<br />

Quellen) bzw. Vierfach- (4 Quellen)<br />

Spalt zunächst jeweils gebeugt <strong>und</strong><br />

dann zusätzlich untereinan<strong>der</strong><br />

interferieren kann. So wie bei <strong>der</strong><br />

Beugung je<strong>der</strong> Punkt <strong>der</strong><br />

Wellenfront als Lichtquelle<br />

betrachtet wurde, kann hier je<strong>der</strong><br />

Spalt als Lichtquelle fungieren.<br />

Quelle: Tipler Abb. 33.18, S. 1124<br />

Mit <strong>der</strong> genau gleichen Überlegung<br />

wie bei <strong>der</strong> Beugung lässt sich das<br />

Interferenzmuster eines<br />

Beugungsgitters mit M parallelen,<br />

im Abstand d zueinan<strong>der</strong> entfernten<br />

Spalten (d.h. punktförmigen<br />

Lichtquellen) erklären. Entspricht<br />

<strong>der</strong> Gangunterschied Δs genau<br />

einer halben Wellenlänge λ, dann<br />

kommt es (wie bei <strong>der</strong> Interferenz<br />

an einem einzigen Spalt) zur<br />

Auslöschung <strong>der</strong> an benachbarten<br />

Spalten gebeugten Wellen.<br />

Beispielhafte Intensitätsverteilung I(θ) bei einem Beugungsgitter mit acht Spalten, bei dem d/a = 2 gewählt<br />

wurde. Interferenz <strong>der</strong> an einem Spalt gebeugten Wellen (Beugungsverteilung) <strong>und</strong> Interferenz zwischen<br />

den Wellen benachbarter Spalte überlagern sich. In die zweite Interferenzordnung gelangt wegen des<br />

Beugungsminimums kein Licht.<br />

Die Intensitätsminima sind in <strong>der</strong> Intensitätsverteilung bei einem<br />

Gangunterschied Δs einer halben Wellenlänge, d.h. bei<br />

λ<br />

Δ s = N⋅ = d⋅<br />

sinθ<br />

mit N = 1, 2, ...<br />

2<br />

zu finden; entsprechend sind die Intensitätsmaxima bei


Elektromagnetische Schwingungen <strong>und</strong> Wellen – Überleitung zur <strong>Optik</strong> 135<br />

Δ s = N⋅ λ = d⋅<br />

sinθ<br />

mit N = 0, 1, 2, ...<br />

zu finden, wobei θ wie<strong>der</strong> <strong>der</strong> Winkel zwischen Ausbreitungsrichtung <strong>der</strong> Welle<br />

<strong>und</strong> dem auf dem Schirm beobachteten Minimum bzw. Maximum ist. N ist wie<strong>der</strong><br />

die sog. Ordnung, d <strong>der</strong> Abstand <strong>der</strong> Spalte bzw. feinen Gitterlinien voneinan<strong>der</strong><br />

<strong>und</strong> λ die Wellenlänge.<br />

Je mehr Spalte, desto<br />

• mehr Nebenmaxima sind zu beobachten,<br />

• schärfer sind die Hauptmaxima <strong>und</strong> desto schwächer die Nebenmaxima.<br />

6.1.23 Dispersion an Beugungsgittern<br />

Da <strong>der</strong> Beugungseffekt (wie die Brechung) wellenlängenabhängig ist, spaltet ein<br />

weißes Lichtbündel beim Durchgang durch ein Gitter in die Spektralfarben auf,<br />

<strong>und</strong> zwar stärker als beim Prisma. Dieses Phänomen wird auch<br />

Winkeldispersion genannt. Anwendung: Gitterspektrometer.<br />

6.1.24 Interferenz bei Reflexion (am Beispiel einer CD bzw. DVD)<br />

Auch die feinen Vertiefungen in einer CD wirken wie ein Beugungsgitter (bzw.<br />

Gitterspektrometer). Dadurch sind die intensiven schillernden Farben zu erklären.<br />

Die Daten werden auf <strong>der</strong> CD in einer spiralförmig von innen nach außen<br />

verlaufenden Spur von Vertiefungen (Pits) gespeichert. Das zwischen den Pits<br />

verbleibende Material heißt Land. Je<strong>der</strong> Übergang von Pit nach Land bzw.<br />

an<strong>der</strong>s herum wird als „1“ gewertet, ein gleich bleiben<strong>der</strong> Zustand als „0“.<br />

Aufgr<strong>und</strong> <strong>der</strong> geringen Größe <strong>der</strong> Pits sind sie nur unter einem<br />

Elektronenmikroskop sichtbar zu machen.<br />

Quelle: Cornelson Verlag<br />

Die Interferenzeigenschaften einer CD-ROM entstehen durch das spiegelnde<br />

Material zwischen den Pit-Spuren (Pfeile). Da die Pits zufällig verteilt sind, bildet<br />

die dazwischen verlaufende, gleichmäßig reflektierende Spirale ein ideales<br />

Reflexionsgitter mit einer Gitterkonstanten von 1,5µm.<br />

Die Erklärung <strong>der</strong> Beugung erfolgt analog zur Beugung am Strichgitter, nur dass<br />

das Licht hier reflektiert wird statt das Gitter zu durchlaufen.


136 Experimentalphysik 2 für Biologen & Chemiker<br />

Quelle: Cornelson Verlag<br />

Wenn die unter dem Winkel α reflektierten Wellen einen Gangunterschied von<br />

einer Wellenlänge haben, verstärken sie sich gegenseitig <strong>und</strong> bilden so das<br />

1. Maximum.<br />

λ<br />

Für den Beugungswinkel α ergibt sich so die Bedingung sinα<br />

= .<br />

g<br />

Ähnlich ist das irisierende (Farbton ist abhängig vom Blickwinkel) Schillern<br />

einiger Schmetterlingsflügeloberflächen zu erklären. Die Interferenz, die für die<br />

brillante blaue Farbe des Morpho-Schmetterlingflügels verantwortlich ist, findet<br />

dort an dachziegelartig angeordneten, durchscheinenden Schüppchen statt.<br />

Quelle: http://webexhibits.org/causesofcolor/15.html<br />

6.1.25 Streuung ist u.a. verantwortlich für das Himmelsblau <strong>und</strong> Abendrot<br />

Unter Streuung wird allgemein die Ablenkung eines Objekts durch<br />

Wechselwirkung mit einem lokalen an<strong>der</strong>en Objekt (Streuzentrum) verstanden.<br />

Beispiele sind die Streuung von Licht an Atomen, Molekülen o<strong>der</strong> Feinstaub in<br />

<strong>der</strong> Atmosphäre.<br />

Unterschieden wird zwischen


Elektromagnetische Schwingungen <strong>und</strong> Wellen – Überleitung zur <strong>Optik</strong> 137<br />

• elastischer Rayleigh-Streuung an<br />

Objekten, die kleiner sind als <strong>der</strong>en<br />

Wellenlänge, auch Dipol-Streuung genannt;<br />

dabei gilt, dass die Wahrscheinlichkeit <strong>der</strong><br />

Streuung proportional mit 1/λ 4 wächst:<br />

deswegen wird im sichtbaren Spektrum das<br />

blaue Licht viel stärker gestreut als das rote.<br />

Das führt zur blauen Färbung des Himmels zur Mittagszeit. Bei Sonnenuntergang<br />

erscheint <strong>der</strong> Himmel dagegen rötlich, da die Sonne tiefer am Horizont steht <strong>und</strong><br />

ihr Licht einen weiteren Weg durch die Atmosphäre zurücklegen muss. Dabei<br />

wird das blaue Licht in <strong>der</strong> äußeren Atmosphärenschicht schon vollständig<br />

herausgestreut, so dass nur noch das rote Licht das Auge erreicht. (John William<br />

Strutt, seit 1873 3. Lord Rayleigh, engl. <strong>Physik</strong>er, 1842-1919)<br />

• inelastischer Raman-Streuung an Atomen, Molekülen o<strong>der</strong> Festkörpern.<br />

(Chandrasekhara Venkata Raman, indischer <strong>Physik</strong>er, 1888-1970)<br />

• Mie-Streuung, elektromagnetische Streuung an Objekten in <strong>der</strong><br />

Größenordung <strong>der</strong> Wellenlänge, (auch Lorenz-Mie-Streuung). (Gustav<br />

Mie, deutscher <strong>Physik</strong>er, 1868-1957 <strong>und</strong> Ludvig Lorenz, dänischer<br />

<strong>Physik</strong>er, 1829-1891).<br />

Bei elastischer Streuung ist die Summe <strong>der</strong> kinetischen Energien nach dem Stoß<br />

gleich groß wie vorher, während sie sich bei inelastischen Streuungen än<strong>der</strong>t<br />

(verringert).


138 Experimentalphysik 1 für Biologen & Chemiker<br />

V20 Geometrische <strong>Optik</strong>: Spiegel, Linsen<br />

Wie<strong>der</strong>holung<br />

• Wellen lassen sich auch an Objekten beugen. Um die Beugung von Licht<br />

sichtbar machen zu können, muss das Objekt sehr klein sein, z.B. ein<br />

enger Spalt o<strong>der</strong> eine kleines Loch mit Abmessungen in <strong>der</strong><br />

Größenordnung <strong>der</strong> Wellenlänge des Lichts. Durch die Beugung kommt<br />

es ebenfalls zu Interferenzen, die sich als alternierende<br />

Intensitätsverteilung auf einem Schirm zeigt.<br />

• Dazu wurde angenommen, dass die Interferenzerscheinung aus sich<br />

überlagernden Wellen von punktförmig gedachten Lichtquellen im Spalt<br />

resultiert, die zu dem beobachteten Hell-Dunkelmuster (ringförmig bei<br />

Loch“spalt“, strichförmig bei Linienspalt) auf einem Projektionsschirm<br />

führen. Frage: Wieso sind bei einem Linienspalt nicht auch ausgedehnte<br />

Beugungsringe zu sehen?<br />

• Dieses Beugungsphänomen lässt sich mit <strong>der</strong> Interferenz mehrerer<br />

Strahlen aus unterschiedlichen, nebeneinan<strong>der</strong> angeordneten Spalten<br />

überlagern: Werden mehrere Spalte nebeneinan<strong>der</strong> in kleinem Abstand<br />

angeordnet, so können die aus ihnen austretenden (<strong>und</strong> jeweils<br />

gebeugten) Lichtwellen zusätzlich miteinan<strong>der</strong> interferieren. Dem<br />

Beugungsmuster <strong>der</strong> Einzelspalte ist also das Interferenzmuster <strong>der</strong><br />

Lichtwellen zwischen den einzelnen Spalten überlagert.<br />

• Da Licht unterschiedlicher Frequenzen (<strong>und</strong> damit Farben)<br />

unterschiedlich stark an einem Spalt gebeugt wird, kann ein Gitter benutzt<br />

werden, um einen weißen Lichtstrahl spektral aufzuspalten. (An<strong>der</strong>s als<br />

bei einem Prisma beruht <strong>der</strong> Effekt allerdings nicht auf unterschiedlichen<br />

Brechungsindizes.) Beispiel: CD, Schmetterlingsflügel.<br />

• Die Interferenz von Lichtwellen erscheint bei dünnen <strong>und</strong> durchlässigen<br />

Schichten, wie Seifenblasen, einer Ölschicht auf Wasserpfützen, auf <strong>der</strong><br />

Rückseite von CD-ROM's, auf Perlen, Vogelfe<strong>der</strong>n <strong>und</strong> auch auf<br />

Schmetterlingsflügel. Die an Vor<strong>der</strong>- <strong>und</strong> Rückseite einer durchlässigen<br />

Schicht reflektierten Lichtwellen ergeben die Interferenzfarben.<br />

• Wird Licht von kleinen Objekten (mit Abmessungen in <strong>der</strong> Größenordnung<br />

<strong>der</strong> Wellenlänge des Lichts), Molekülen o<strong>der</strong> Atomen „reflektiert“, wird von<br />

Streuung gesprochen. Drei Streuarten werden je nach Objektgröße<br />

unterschieden: Rayleigh-, Raman- <strong>und</strong> Mie-Streuung.<br />

6.2 Geometrische <strong>Optik</strong> mit Lichtstrahlen<br />

Viele Gesetze lassen sich (phänomenologisch) ableiten, ohne den<br />

Wellencharakter des Lichtes im Detail zu beachten. In <strong>der</strong> geometrischen <strong>Optik</strong><br />

wird von einer geradlinigen Ausbreitung des Lichtes ausgegangen, die sich gut<br />

eignet, um die meisten Abbildungsphänomene zu erklären.<br />

6.2.1 Das Licht als Teilchen (Photon)<br />

Licht lässt sich bei mikroskopischer Betrachtung <strong>der</strong> optischen Prozesse<br />

entwe<strong>der</strong> als Welle beschreiben (bisher besprochene Wellenoptik) o<strong>der</strong> als<br />

Teilchen, das sog. Photon. Seine Bewegung im Raum kann wie ein<br />

Materieteilchen in <strong>der</strong> Mechanik behandelt werden. Die Bewegungsrichtung lässt<br />

sich damit vektoriell beschreiben; man spricht dann auch von einem Lichtstrahl,<br />

<strong>der</strong> den (scheinbaren) Lichtweg darstellt. (Die bei <strong>der</strong> Beugung <strong>und</strong> Interferenz<br />

besprochenen Phänomene lassen sich allerdings mit Hilfe von Lichtstrahlen<br />

allein nicht erklären.)


Elektromagnetische Schwingungen <strong>und</strong> Wellen – Überleitung zur <strong>Optik</strong> 139<br />

Ein Photon ist ein Lichtquant (quantum: kleine Menge) <strong>der</strong> Energie<br />

EPhoton = h⋅ ν .<br />

Allerdings hat dieses Photon eine Ruhemasse von Null: m0,Photon = 0 kg! Nach <strong>der</strong><br />

von Einstein aufgestellten Beziehung E = m·c 2 <strong>und</strong> dem für das Photon<br />

formulierten Ausdruck <strong>der</strong> Energie hat es jedoch eine Masse ungleich Null,<br />

wenn/sobald es sich im Raum ausbreitet.<br />

Damit hat das Licht auch einen Impuls. Mit dem aus <strong>der</strong> Mechanik bekannten<br />

Ausdruck zur allgemeinen Formulierung <strong>der</strong> Energie (bzw. Arbeit)<br />

p<br />

E = F ⋅ s = ⋅ s = p⋅<br />

υ<br />

t<br />

<strong>und</strong> dem obigen Ausdruck für die Energie eines Photons<br />

c<br />

E = h⋅ ν = h⋅<br />

λ<br />

sowie <strong>der</strong> Erkenntnis, dass es sich bei <strong>der</strong> Geschwindigkeit v um die<br />

Lichtgeschwindigkeit c handeln muss, ergibt sich für den Impuls p eines Photons:<br />

E h⋅ν<br />

p = = .<br />

c c<br />

Damit lässt sich Licht im Gr<strong>und</strong>e auch benutzen, um über seinen Impuls Kräfte<br />

auf Objekte auszuüben<br />

Beispiel: Die in <strong>der</strong> Thermodynamik besprochene Lichtmühle, die sich in <strong>der</strong><br />

Restgasatmosphäre aufgr<strong>und</strong> <strong>der</strong> Brown’schen Molekularbewegung drehte, lässt<br />

sich auch im Vakuum durch Bestrahlung mit Licht hoher Intensität betreiben.<br />

Dann allerdings dreht sie sich in die Gegenrichtung. Überlegen Sie sich, warum?<br />

Licht wird in dieser Quantenoptik als Photon-Ensemble betrachtet. Das<br />

Nebeneinan<strong>der</strong> von Wellen- <strong>und</strong> Teilchen-Charakter heißt Dualität des Lichtes<br />

<strong>und</strong> ist Gegenstand <strong>der</strong> Quantenmechanik.<br />

6.2.2 Schatten<br />

Über geradlinige Lichtstrahlen lässt sich<br />

leicht erklären, dass sich hinter einem (für<br />

die betrachtete Farbe des Lichts nichttransparenten)<br />

Objekt, das von einer<br />

punktförmigen Lichtquelle bestrahlt wird,<br />

ein Schattenraum ausbildet. Er wird von<br />

den Strahlen begrenzt, die die Kanten des<br />

Objekts gerade streifen. Bei einer nichtpunktförmigen<br />

Lichtquelle ist <strong>der</strong> sog.<br />

Kernschatten von einem Halbschatten<br />

umgeben, <strong>der</strong> nach außen hin allmählich in<br />

den voll erleuchteten Raum übergeht.<br />

6.2.3 Optische Abbildung durch Reflexion: Spiegel<br />

Schattenbildung hinter einem kreisförmigen<br />

Objekt, das von einer ausgedehnten, d.h.<br />

nicht-punktförmigen Lichtquelle LQ bestrahlt<br />

wird. Es bildet sich ein Kernschatten S <strong>und</strong> ein<br />

Halbschattenraum H aus. Quelle: Staudt Abb.<br />

8.2 S.223<br />

In einer optischen Abbildung wird Licht, das von einem Punkt P1 ausgeht, in<br />

einen Punkt P2 wie<strong>der</strong> vereinigt.<br />

Ein Spiegel ist eine reflektierende Oberfläche, die so glatt ist, dass die<br />

reflektierten Lichtstrahlen (z. B. auf <strong>der</strong> Netzhaut) wie<strong>der</strong> ein Bild formen. Dabei<br />

verlaufen die Lichtstrahlen nach dem gleichen Reflexionsgesetz, wie wir es für<br />

elektromagnetische Wellen schon kennen gelernt hatten:<br />

A1.4 Radiometer =<br />

Lichtmühle mit Vakuum:<br />

Bestrahlung <strong>der</strong><br />

verspiegelten Seiten<br />

O1.23 Abbildung durch<br />

eine Linse: Ohne Linse<br />

zur Schattenprojektion<br />

geeignet


O1.21 Spiegelbild: Kerze<br />

scheint im<br />

wassergefüllten<br />

Becherglas zu stehen.<br />

140 Experimentalphysik 2 für Biologen & Chemiker<br />

Einfallswinkel = Ausfallswinkel.<br />

Eine weiße Fläche stellt, obwohl sie ebenfalls nahezu alles Licht zurückstrahlt,<br />

keinen Spiegel dar, da das Licht ungeordnet in alle Richtungen gestreut wird, so<br />

dass kein Bild entsteht.<br />

Halbdurchlässige Spiegel sind eine Fortentwicklung einer Eigenschaft, die<br />

bereits eine normale Glasscheibe besitzt: Sie ist sowohl durchsichtig als auch<br />

reflektierend. Beim halbdurchlässigen Spiegel wird auf eine Glasscheibe eine<br />

Reflexionsschicht (Silberbelag) aufgebracht, die viel dünner ist als bei einem<br />

normalen Spiegel; somit wird nur noch ein Teil des auftreffenden Lichts<br />

reflektiert, <strong>der</strong> Rest geht aber ungehin<strong>der</strong>t hindurch.<br />

Das von einem Spiegel erzeugte Abbild richtet sich nach <strong>der</strong> Beschaffenheit<br />

(plan, konkav, konvex, wellig), <strong>der</strong> Lage (oben, unten o<strong>der</strong> schräg) sowie <strong>der</strong><br />

Transparenz (halbtransparent, nicht-transparent) des Spiegels. Unter Umständen<br />

können so Zerrbil<strong>der</strong> entstehen (Spiegelkabinett auf dem Jahrmarkt).<br />

6.2.3.1 Planspiegel<br />

Wird ein realer Gegenstand AB in<br />

einem (hier ebenen = planen)<br />

Spiegel betrachtet, verlaufen die<br />

vom Gegenstand ausgehenden<br />

Strahlen nach Reflexion an <strong>der</strong><br />

Spiegeloberfläche so, als ob sie von<br />

einem gleich großen Bild (A'B’)<br />

hinter dem Spiegel kämen. Ein<br />

solches Bild heißt virtuelles Bild,<br />

weil man es nicht auf einem Schirm<br />

sieht, den man in die Ebene des<br />

virtuellen Bildes stellt.<br />

Quelle: Demtrö<strong>der</strong> 2, Abb. 9.5, S.259<br />

(Zudem lässt sich kein Objekt zwischen das virtuelle Bild <strong>und</strong> die<br />

Spiegeloberfläche stellen, das die vom virtuellen Gegenstand anscheinend<br />

ausgehenden (gestrichelten) Lichtstrahlen blockieren könnte.) Ein virtuelles Bild<br />

lässt sich jedoch durchaus auf einer Projektionsfläche abbilden, die vor dem<br />

Spiegel (o<strong>der</strong> einer Linse) steht, d.h. es kann z.B. fotografiert werden. Ein ebener<br />

Spiegel erzeugt als einziges optisches Element eine verzerrungsfreie 1:1-<br />

Abbildung.<br />

Nicht-ebene Bauweisen führen zu folgenden Verän<strong>der</strong>ungen im gespiegelten<br />

Bild:<br />

• konkav (lat. concavus: ausgehöhlt, einwärts gewölbt) gekrümmte<br />

Hohlspiegel (Kugelspiegel, Parabolspiegel): Rasierspiegel,<br />

Spiegelteleskope.<br />

• konvex (lat: convexus gewölbt, ger<strong>und</strong>et) nach außen gekrümmte<br />

Spiegel dienen z. B. als Außenspiegel an Fahrzeugen <strong>und</strong> zeigen größere<br />

Bereiche als gleich große Planspiegel.<br />

Eine weitere Anwendung sind die so genannten Reflektoren, die im<br />

Straßenverkehr (Scheinwerfer, Rückleuchte; das auf dem Tripelspiegel-Konzept<br />

basierende Katzenauge), in <strong>der</strong> Fotografie (Blitzlicht), aber auch bei <strong>der</strong><br />

Energiegewinnung (Sonnenkraftwerk) zum Einsatz kommen.


Elektromagnetische Schwingungen <strong>und</strong> Wellen – Überleitung zur <strong>Optik</strong> 141<br />

6.2.3.2 Hohlspiegel<br />

Mit Hohlspiegeln lassen sich verkleinerte o<strong>der</strong> vergrößerte Bil<strong>der</strong> erzeugen (die<br />

im Allgemeinen nicht mehr völlig verzerrungsfrei sind). Das Reflexionsgesetz gilt<br />

auch für gekrümmte Flächen, die man sich aus vielen infinitesimal kleinen<br />

ebenen Flächen zusammengesetzt vorstellen kann.<br />

Betrachtet werden soll ein Gegenstand (hier als Pfeil von A’ nach A dargestellt)<br />

im Abstand g, <strong>der</strong> sog. Gegenstandsweite, vom sog. Scheitelpunkt O des<br />

Hohlspiegels <strong>und</strong> das Spiegelbild B’B des Gegenstands in <strong>der</strong> Bildweite b. M sei<br />

<strong>der</strong> Mittelpunkt des Spiegels; bei einem Kugelspiegel (= sphärischen Spiegel) mit<br />

dem Kugelradius R entspräche er dem Kugelmittelpunkt. Die Gerade MO wird<br />

optische Achse, Hauptachse o<strong>der</strong> Symmetrieachse bezeichnet. F ist <strong>der</strong> sog.<br />

Brennpunkt im Abstand <strong>der</strong> Brennweite f vom Scheitelpunkt O des Spiegels; F<br />

ist <strong>der</strong> Punkt, auf den alle parallel zur optischen Achse einfallende Strahlen<br />

fokussiert = gebündelt (<strong>und</strong> damit „aufkonzentriert“) werden. Der Abstand FO<br />

heißt Brennweite. Im Brennpunkt ist die höchste Lichtintensität zu finden.<br />

Frage: Wo liegt <strong>der</strong> Brennpunkt eines ebenen Spiegels?<br />

(Antwort: im Unendlichen)<br />

Allgemein sind zur Konstruktion des Spiegelbildes eines Hohlspiegels folgende<br />

zwei Strahlenverläufe hinreichend:<br />

1. Ein erster Strahl verläuft parallel zur optischen Achse MO <strong>und</strong> wird daher<br />

am Spiegel so reflektiert, dass er durch den Brennpunkt F geht.<br />

2. Ein zweiter Strahl geht durch den Brennpunkt <strong>und</strong> wird daher am Spiegel<br />

so reflektiert, dass er parallel zur optischen Achse MO verläuft.<br />

Bei einem Kugelspiegel kann zusätzlich <strong>der</strong> Strahl durch den Mittelpunkt<br />

des Spiegels gewählt werden, <strong>der</strong> in sich selbst reflektiert wird.<br />

Alle drei Strahlen schneiden sich im Punkt B, dem Bildpunkt von A.<br />

Je nach Lage des Gegenstands bezüglich des Brennpunktes F ist das Bild B’B<br />

• aufrecht, vergrößert, aber virtuell (d.h. scheinbar hinter dem Spiegel „zu<br />

sehen“, dort aber in <strong>der</strong> Bildebene nicht projizierbar), nämlich wenn <strong>der</strong><br />

Gegenstand zwischen dem Brennpunkt F <strong>und</strong> dem Scheitelpunkt O liegt,<br />

d.h. g < f.<br />

• bzw. umgekehrt, verkleinert, aber reell (d.h. auf ein transparentes Papier<br />

in <strong>der</strong> Bildebene projizierbar) sichtbar, nämlich wenn <strong>der</strong> Gegenstand vor<br />

dem Brennpunkt F liegt, d.h. g > f.<br />

g > f Reelles, aber umgekehrtes <strong>und</strong> verkleinertes<br />

Spiegelbild B’B eines Gegenstandes A’A vor dem<br />

Brennpunkt F eines kugelförmigen Hohlspiegels.<br />

Zum Auffinden des Bildpunktes B in <strong>der</strong> Bildweite<br />

g < f Virtuelles, aber aufrechtes <strong>und</strong> vergrößertes<br />

Spiegelbild B’B eines zwischen dem Brennpunkt F<br />

<strong>und</strong> dem Scheitelpunkt O liegenden Gegenstands<br />

A’A. Zum Auffinden des virtuellen Bildpunktes B<br />

O1.22 Abbildung mit<br />

Hohlspiegel: Hier ist <strong>der</strong><br />

Strahlenverlauf in<br />

Gegenrichtung: B’B ist<br />

<strong>der</strong> Gegenstand<br />

(Lichtquelle in Form des<br />

Buchstabens F), <strong>der</strong><br />

vergrößert, aber<br />

umgekehrt auf die Wand<br />

projiziert wird (<strong>und</strong> damit<br />

reel ist).


O1.7 Tafeloptik: Dünne<br />

konvexe Linse,<br />

Kugellinse, konkave<br />

Linse<br />

142 Experimentalphysik 2 für Biologen & Chemiker<br />

b reichen zwei Strahlen. Quelle: Demtrö<strong>der</strong> 2,<br />

Abb.9.12 <strong>und</strong> 9.13, S. 262<br />

müssen die Strahlenverläufe bei Reflexion am<br />

Spiegel einfach durch den Spiegel verlängert werden.<br />

Für einen sphärischen Spiegel mit dem Radius R kann gezeigt werden, dass<br />

1<br />

f = R.<br />

2<br />

Außerdem sind Gegenstandsweite g, Bildweite b <strong>und</strong> Brennweite f über folgende<br />

Beziehung verknüpft:<br />

1 1 1 2<br />

+ ≈ <strong>und</strong> damit ≈ .<br />

g b f R<br />

Für Kugelspiegel ist die Brennweite f für achsenferne Strahlen kleiner als für<br />

achsennahe Strahlen. Bei einem (parabel- bzw. baseballförmigen)<br />

Parabolspiegel dagegen gehen alle parallel eintreffenden Strahlen durch einen<br />

einzigen Brennpunkt. Wird eine Lichtquelle im Brennpunkt F platziert, dann lässt<br />

sich eine gute Bündelung <strong>der</strong> Lichtstrahlen erreichen (Parabolscheinwerfer).<br />

Kugelspiegel Quelle: Demtrö<strong>der</strong> 2, Abb. 9.10 <strong>und</strong><br />

9.15, S. 261f; Staudt 2, Abb. 8.9, S. 226<br />

6.2.4 Optische Abbildung durch Brechung: Linsen<br />

Parabolspiegel <strong>und</strong> Parabolscheinwerfer<br />

Eine Linse besteht aus einem durchsichtigen Material mit n2, das auf beiden<br />

Seiten durch polierte Grenzflächen von einem an<strong>der</strong>en Material mit n1 umgeben<br />

ist. Im Folgenden sei die Umgebung Luft, d.h. n1 = 1; n2 = n. Es werden nur<br />

sphärische Grenzflächen betrachtet.<br />

6.2.4.1 Brechung an einer gekrümmten Fläche<br />

Statt einen Gegenstand durch Reflexion an Spiegeln abzubilden, wird er bei<br />

Linsen durch Brechung abgebildet.


Elektromagnetische Schwingungen <strong>und</strong> Wellen – Überleitung zur <strong>Optik</strong> 143<br />

Quelle: Demtrö<strong>der</strong> 2, Abb. 9.21, S. 266<br />

Ähnlich wie bei Spiegeln lässt sich <strong>der</strong> Bildpunkt B durch zwei Strahlenverläufe<br />

finden:<br />

1. Ein erster Strahl verläuft parallel zur optischen Achse MO <strong>und</strong> wird an <strong>der</strong><br />

Linse so gebrochen, dass er durch den Brennpunkt F2 geht.<br />

2. Ein zweiter Strahl geht durch den Krümmungsmittelpunkt M, <strong>der</strong><br />

senkrecht auf die gekrümmte Grenzfläche trifft <strong>und</strong> daher nicht gebrochen<br />

wird (0° zur Flächennormalen).<br />

Alternativ lässt sich ein dritter Strahl hinzuziehen, <strong>der</strong> durch den<br />

Brechpunkt F1 im Medium 1 geht <strong>und</strong> dadurch im Medium 2 parallel zur<br />

optischen Achse verläuft.<br />

Die drei Strahlen schneiden sich im Punkt B, dem Bildpunkt von A.<br />

Umgekehrt lassen sich auch Lichtstrahlen betrachten, die aus dem Medium 2 ins<br />

Medium 1 gebrochen werden. A ist dann das Bild von B. Der im Medium 2<br />

achsenparallel verlaufende Strahl schneidet dann die optische Achse im<br />

gegenstandsseitigen Brennpunkt F1.<br />

6.2.4.2 Dünne Linsen<br />

Als dünne Linse werden Linsen bezeichnet, in denen <strong>der</strong> maximale Abstand d<br />

<strong>der</strong> zwei Grenzflächen sehr klein ist gegen die Brennweiten f1 <strong>und</strong> f2.<br />

Es lässt sich zeigen, dass dann die beiden Brechungen an den Grenzflächen<br />

nicht separat behandelt werden müssen, son<strong>der</strong>n eine einzelne Brechung an <strong>der</strong><br />

Linsenmitte ausreicht.<br />

O1.23 Abbildung durch<br />

eine Linse


144 Experimentalphysik 2 für Biologen & Chemiker<br />

Zeichnerische Konstruktion <strong>der</strong> Abbildung eines Gegenstandpunktes A als Bildpunkt B durch eine dünne<br />

Linse. Quelle: Demtrö<strong>der</strong>, Abb. 9.26, S. 269<br />

Die Strahlkonstruktion zum Auffinden des Bildpunktes erfolgt ganz analog zu <strong>der</strong><br />

oben beschriebenen mit dem einzigen Unterschied, dass <strong>der</strong> Mittelpunktstrahl,<br />

<strong>der</strong> vorher durch den Krümmungsmittelpunkt M1 bzw. M2 verlief, jetzt durch den<br />

Achsenmittelpunkt M <strong>der</strong> Linse verläuft. Dieser Zentralstrahl wird nicht<br />

gebrochen.<br />

Wie bei <strong>der</strong> Abbildung an gekrümmten Spiegeln findet sich für den<br />

Zusammenhang zwischen Gegenstandsweite g, Bildweite b <strong>und</strong> Brennweite f <strong>der</strong><br />

folgende Zusammenhang:<br />

1 1 1<br />

+ = Abbildungsgleichung dünner (symmetrischer) Linsen<br />

g b f<br />

Die Brennweite f berechnet sich dabei über die folgende Beziehung:<br />

f<br />

1 ⎛ R ⋅R<br />

⎞ 1<br />

n R R D<br />

1 2<br />

= ⋅ ⎜ ⎟=<br />

−1⎝ 2 − 1⎠<br />

1 R<br />

bzw. f = ⋅<br />

n − 1 2<br />

für R = R1 = -R2 bei einer bikonvexen Linse mit gleichen Krümmungsradien.<br />

R wird positiv gesetzt, wenn <strong>der</strong> Krümmungsmittelpunkt auf <strong>der</strong> <strong>der</strong> Lichtquelle<br />

bzw. dem Gegenstand abgewandten Seite <strong>der</strong> Grenzfläche liegt, negativ, wenn<br />

er auf <strong>der</strong> Seite <strong>der</strong> Lichtquelle bzw. des Gegenstands liegt (s.a. Linsentypen).<br />

Der reziproke Brennweite D = 1/f einer Linse wird auch Brechkraft bezeichnet<br />

<strong>und</strong> in Dioptrien gemessen. Ihre Einheit ist [D] = 1 Dioptrie = 1 dpt = 1·m -1 .<br />

Das Verhältnis zwischen Bildgröße B’B <strong>und</strong> Gegenstandsgröße A’A wird<br />

Abbildungsmaßstab β genannt:<br />

Bildgröße BB ' b<br />

β = = =<br />

Gegenstandsgröße AA ' g<br />

<strong>und</strong> entspricht dem Verhältnis aus Bildweite b <strong>und</strong> Gegenstandsweite g.<br />

Analog zum (konkaven) Hohlspiegel wird für eine (bi)konvexe Linse ein<br />

erhalten.<br />

• reelles, verkleinertes <strong>und</strong> umgekehrtes Bild für g > f bzw. ein<br />

• virtuelles, vergrößertes <strong>und</strong> aufrechtes Bild für g < f


Elektromagnetische Schwingungen <strong>und</strong> Wellen – Überleitung zur <strong>Optik</strong> 145<br />

Objekt in F: Gegenstand <strong>und</strong> Bild liegen aufeinan<strong>der</strong>. Das Auge sieht das Bild<br />

scheinbar im Unendlichen, kann sich also ganz entspannen.


146 Experimentalphysik 2 für Biologen & Chemiker<br />

Quelle: http://www.olympusmicro.com/primer/java/lenses/diverginglenses/index.html<br />

http://www.olympusmicro.com/primer/lightandcolor/lenseshome.html<br />

Beispiele für verschiedene Linsentypen <strong>und</strong> zugehörigen Krümmungsradien:<br />

Quelle: Demtrö<strong>der</strong>, Abb. 9.24, S. 267


Elektromagnetische Schwingungen <strong>und</strong> Wellen – Überleitung zur <strong>Optik</strong> 147<br />

Eine Linsenfläche ist konvex (nach außen gewölbt), wenn die Linse zwischen<br />

Grenzfläche <strong>und</strong> Krümmungsmittelpunkt liegt, sonst ist sie konkav (nach innen<br />

gewölbt).<br />

Bikonvexe Linsen sind Sammellinsen mit positiver Brennweite, bikonkave<br />

Zerstreuungslinsen mit negativer Brennweite.<br />

Bikonvexe (Sammel-) Linsen: achsennahe<br />

Strahlen werden so gebrochen, dass sie sich hinter<br />

<strong>der</strong> Linse im Brennpunkt F (entspr. F2 in obigen<br />

Abb.) schneiden.<br />

6.2.4.3 Zusammenfassung <strong>der</strong> Eigenschaften von Linsen<br />

Quelle: Bloomfield, How things work, The physics of everyday life, S. 416ff.<br />

Bikonkave (Zerstreuungs-) Linsen: achsennahe<br />

Strahlen werden so gebrochen, dass sie von dem<br />

Brennpunkt F’ (entspr. F1 in obigen Abb.)<br />

auszugehen scheinen. Quelle: Staudt, Abb. 8.15,<br />

S. 230


148 Experimentalphysik 1 für Biologen & Chemiker<br />

V21 Geometrische <strong>Optik</strong>: Linsenfehler<br />

Wie<strong>der</strong>holung<br />

• Wird Licht nicht als Welle betrachtet, son<strong>der</strong>n als Teilchen, d.h. als<br />

Photon, dann lässt sich seine Ausbreitung leicht über Lichtstrahlen<br />

beschreiben. Lichtstrahlen eignen sich gut zur geometrischen<br />

Beschreibung optischer Abbildungsphänomene, nicht dagegen zur<br />

Erklärung von typischen Welleneigenschaften, <strong>der</strong> Beugung <strong>und</strong> <strong>der</strong><br />

Interferenz.<br />

• Über Lichtstrahlen lassen sich Schattenwurf, Spiegelreflexion <strong>und</strong><br />

Lichtbrechung an Linsen beschreiben.<br />

• Bei Spiegeln <strong>und</strong> Linsen sind Brennpunktstrahl <strong>und</strong> Mittelpunktstrahl<br />

ausreichend, um das durch das optische Instrument erzeugte Bild eines<br />

Gegenstandes in Größe, Orientierung <strong>und</strong> Lage bezüglich des<br />

Gegenstands zu konstruieren.<br />

• Sowohl bei Hohlspiegeln (konkav) als auch bei (bi)konvexen Linsen wird<br />

ein aufrechtes, vergrößertes aber virtuelles Bild erhalten, wenn <strong>der</strong><br />

Gegenstand zwischen Scheitelpunkt <strong>und</strong> Brennpunkt des Spiegels liegt,<br />

<strong>und</strong> ein umgekehrtes, verkleinertes aber reelles Bild, wenn er hinter dem<br />

Brennpunkt liegt.<br />

• Die sog. Abbildungsgleichung stellt eine Beziehung zwischen<br />

Gegenstandsgröße, Bildgröße <strong>und</strong> Brennweite her. Sind also Brennweite<br />

<strong>und</strong> Gegenstandsgröße bekannt, lässt sich die Bildgröße berechnen. Um<br />

die Brennweite einer Linse zu berechnen, muss man ihren<br />

Brechungsindex sowie die Krümmungsradien <strong>der</strong> ihrer Oberflächen<br />

kennen.<br />

6.2.5 Linsenfehler<br />

Alle bisherigen Konstruktionen/Betrachtungen galten für<br />

• achsennahe <strong>und</strong><br />

• achsenparallele<br />

• Strahlen <strong>der</strong> gleichen Wellenlänge sowie<br />

• perfekte Linsen.<br />

Ist eine dieser Bedingungen nicht mehr erfüllt, dann entstehen Abbildungsfehler.<br />

6.2.5.1 Sphärische Aberration<br />

Bei kugelförmigen (= sphärischen) Linsen<br />

haben Randstrahlen eine geringere<br />

Brennweite als achsennahe Strahlen.<br />

Durch Blenden lässt sich das Problem<br />

beheben; allerdings kommt es dadurch<br />

zum Intensitätsverlust.<br />

Sphärische Aberration, die sich durch<br />

Ausblenden <strong>der</strong> Randstrahlen reduzieren lässt.<br />

Quelle: Demtrö<strong>der</strong>, Abb. 9.37, S. 274


Elektromagnetische Schwingungen <strong>und</strong> Wellen – Überleitung zur <strong>Optik</strong> 149<br />

6.2.5.2 Chromatische Aberration<br />

Durch die Dispersion wird blaues Licht<br />

stärker gebrochen als rotes, d.h. die<br />

Brennweite f einer Linse ist für rotes Licht<br />

größer als für blaues Licht. Bei<br />

Bestrahlung mit polychromatischem (z.B.<br />

weißem) Licht, entsteht aus einem Punkt<br />

eine Scheibe.<br />

Durch Kombination einer bikonvexen<br />

Sammel- <strong>und</strong> einer konkav-konvexen<br />

Zerstreuungslinse (sog. Achromate) mit<br />

unterschiedlicher Dispersion (d.h.<br />

unterschiedlichen Brechungsindizes n; z.B.<br />

Kronglas <strong>und</strong> Flintglas) lässt sich <strong>der</strong><br />

Fehler beheben.<br />

6.2.5.3 Koma<br />

Fällt das Strahlenbündel nicht parallel zur<br />

Hauptachse auf die Linse, befinden sich<br />

die Schnittpunkte einzelner Teilbündel, d.h.<br />

benachbarter Strahlen, nicht mehr auf dem<br />

Mittenstrahl, son<strong>der</strong>n in verschiedenen<br />

Abständen dazu. Als Resultat werden<br />

verwaschene Bildkurven erhalten; je<strong>der</strong><br />

Bildpunkt hat dann ein Art<br />

„Kometenschweif“ (daher Koma).<br />

6.2.5.4 Astigmatismus (Punktlosigkeit)<br />

Chromatische Aberration. Quelle: Staudt 2,<br />

Abb. 8.30 S.241<br />

Korrektur <strong>der</strong> chromatischen Aberration.<br />

Quelle: Demtrö<strong>der</strong> 2, Abb. 9.36, S. 274<br />

Ist die Krümmung einer Linse nicht rotationssymmetrisch zur Hauptachse,<br />

son<strong>der</strong>n weist z.B. in vertikaler o<strong>der</strong> horizontaler Richtung einen an<strong>der</strong>en<br />

Krümmungsradius auf, so wird parallel zur Hauptachse einfallendes Licht nicht in<br />

einem Brennpunkt, son<strong>der</strong>n einer Brennlinie vereinigt. Das gleiche Phänomen<br />

kann auch auftreten, wenn sich das abzubildende Objekt weit außerhalb <strong>der</strong><br />

Hauptachse befindet. Eine Korrektur ist über eine zusätzliche Zylin<strong>der</strong>linse<br />

möglich.


150 Experimentalphysik 2 für Biologen & Chemiker<br />

Folgen des Astigmatismus: Es lässt sich immer nur<br />

eine Ebene (horizontal o<strong>der</strong> vertikal) scharf stellen,<br />

nicht aber das Gesamtbild, das bestenfalls<br />

verschwommen dargestellt werden kann.<br />

Quellen: http://www.physics.udel.edu/wwwusers/watson/scen103/cd-astig.html,<br />

http://mas450.syntheticholography.org/reading/other_handouts/astigmatism/<strong>und</strong>erstandingastigmatism.html<br />

6.2.6 Linsenfehler beim Auge<br />

Das Auge enthält eine bikonvexe<br />

Augenlinse, <strong>der</strong>en Krümmung durch<br />

den Augenmuskel variiert werden<br />

kann. Die Brennweite des Auges wird<br />

jedoch eigentlich nicht nur durch die<br />

Augenlinse, son<strong>der</strong>n auch durch<br />

Hornhaut, Kammerwasser <strong>und</strong><br />

Glaskörper bedingt.<br />

Da die äußere Grenzfläche <strong>der</strong> Hornhaut an Luft liegt, die innere Grenzfläche<br />

jedoch im Glaskörper, sind die gegenstandsseitige Brennweite f1 <strong>und</strong> die<br />

bildseitige Brennweite f2 verschieden.<br />

6.2.6.1 Kurzsichtigkeit<br />

Bei einem kurzsichtigen Auge treffen sich die einfallenden Lichtstrahlen nicht auf<br />

<strong>der</strong> Netzhaut, son<strong>der</strong>n das Bild entsteht davor. Dadurch werden entfernte<br />

Gegenstände nur unscharf wahrgenommen. Häufigste Ursache dafür ist ein zu<br />

langer Augapfel. Die Kurzsichtigkeit ist <strong>der</strong> am weitesten verbreitete Sehfehler.<br />

Korrektur durch Zerstreuungslinse.<br />

Wahrnehmung bei Kurzsichtigkeit, Augenform <strong>und</strong> Korrektur durch bikokave Brillengläser. Quelle:<br />

www.augenlasercenter.ch/ auge/sehfehler.asp?l=2 <strong>und</strong> Demtrö<strong>der</strong>, Abb 11.5, S. 335


Elektromagnetische Schwingungen <strong>und</strong> Wellen – Überleitung zur <strong>Optik</strong> 151<br />

6.2.6.2 Weitsichtigkeit<br />

Genau umgekehrt zur Kurzsichtigkeit: Wenn <strong>der</strong> Augapfel etwas zu kurz ist,<br />

treffen sich in einem weitsichtigen Auge die Lichtstrahlen erst hinter <strong>der</strong><br />

Netzhaut. Deshalb werden Gegenstände in <strong>der</strong> Nähe – bei stärkerer<br />

Weitsichtigkeit auch in <strong>der</strong> Ferne – nur unscharf wahrgenommen. Korrektur durch<br />

Sammellinse.<br />

Wahrnehmung bei Weitsichtigkeit, Augenform <strong>und</strong> Korrektur durch bikonvexe Brillengläser<br />

6.2.6.3 Astigmatismus durch Hornhautverkrümmung (Stabsichtigkeit)<br />

Unabhängig von Kurz- <strong>und</strong> Weitsichtigkeit, meist<br />

aber in Kombination mit diesen Sehfehlern, haben<br />

viele Menschen eine Hornhautverkrümmung. Dies<br />

trifft zu, wenn die Hornhautoberfläche eher<br />

eiförmig als kugelförmig ist. Die unterschiedlichen<br />

Krümmungskurven führen zu Bildverzerrungen<br />

<strong>und</strong> somit zu unscharfem Sehen. Die<br />

Hornhautverkrümmung kann ein positives o<strong>der</strong> ein<br />

negatives Vorzeichen haben. Sie wird mit Gläsern<br />

korrigiert, die am Rand nicht überall gleich dick<br />

sind.<br />

6.2.6.4 Vergrößerung in Abhängigkeit vom Sehwinkel<br />

Der Sehwinkel ε ist entscheidend für den<br />

Größeneindruck bei <strong>der</strong> Betrachtung eines<br />

Gegenstands mit dem Auge. Der Gegenstand wird<br />

vergrößert, wenn er näher an das Auge gebracht<br />

wird, allerdings nur bis ca. 25 cm (erholtes Auge)<br />

bzw. 10 cm (angestrengtes Auge), <strong>der</strong> deutlichen<br />

Sehweite l0; darunter kann das Auge nicht mehr<br />

scharf stellen.<br />

Quelle: http://www.armbrustaugenklinik.de/sites/services/augenle<br />

xikon/thema_verordnung.html<br />

Quelle: Staudt 2, Abb. 8.23, S. 237


152 Experimentalphysik 2 für Biologen & Chemiker<br />

Für den maximalen Sehwinkel ε0 ohne Instrument gilt<br />

G<br />

tanε<br />

0 = .<br />

l<br />

Die Vergrößerung V eines optischen Instrumentes ist definiert als<br />

0<br />

tanε<br />

V : = .<br />

tanε<br />

Dabei ist ε <strong>der</strong> Sehwinkel mit Instrument, ε0 <strong>der</strong> Sehwinkel ohne Instrument.<br />

6.2.7 Lupe<br />

Die Lupe ist eine einfache symmetrische<br />

Bikonvexlinse. Befindet sich <strong>der</strong> Gegenstand<br />

im Brennpunkt <strong>der</strong> Lupe (also g = f), sieht das<br />

Auge ein virtuelles, aufrechtes Bild des<br />

Gegenstandes im Unendlichen <strong>und</strong> kann sich<br />

beim Betrachten vollständig entspannen. Für<br />

den Sehwinkel mit Instrument gilt dann<br />

G<br />

tanε<br />

= .<br />

f<br />

0<br />

Quelle: Staudt 2, Abb. 8.24, S. 237<br />

Daraus folgt für die Vergrößerung <strong>der</strong> Lupe nach obiger Definition:<br />

6.3 Linsensysteme<br />

V<br />

tanε<br />

G<br />

f<br />

0<br />

Lupe = = = .<br />

tanε<br />

G 0 f<br />

Die reziproken Brennweiten zweier nahe benachbarter Linsen addieren sich, d.h.<br />

die Brechkräfte addieren sich, wenn beide Linsen auf <strong>der</strong> gleichen<br />

Symmetrieachse zentriert sind.<br />

6.3.1 Mikroskop<br />

Eine wesentlich stärkere Vergrößerung als mit <strong>der</strong> Lupe lässt sich mit dem<br />

Mikroskop realisieren, das im Prinzip aus zwei Bikonvexlinsen besteht. Die erste<br />

Linse (Objektiv) entwirft ein reeles, vergrößertes, aber umgekehrtes Zwischenbild<br />

des Gegenstandes in <strong>der</strong> Brennebene <strong>der</strong> zweiten Linse (Okular), die damit als<br />

Lupe fungiert.<br />

l<br />

0<br />

l


Elektromagnetische Schwingungen <strong>und</strong> Wellen – Überleitung zur <strong>Optik</strong> 153<br />

Quelle: Staudt 2, Abb. 8-28, S.240<br />

Kombination <strong>der</strong> bisher kennen gelernten Beziehungen führt zur Vergrößerung<br />

des Mikroskops von<br />

t l<br />

VMikroskop = βObjektiv<br />

⋅ VOkular<br />

= ⋅<br />

f f<br />

mit dem Abbildungsmaßstab β einer Linse <strong>und</strong> <strong>der</strong> Vergrößerung V einer Lupe.<br />

0<br />

1 2<br />

Zur Herleitung werden die Beziehungen für den Sehwinkel ε mit Mikroskop<br />

B<br />

tanε<br />

=<br />

f<br />

<strong>und</strong> den maximalen Sehwinkel e0 bei Betrachtung des Gegenstands im Abstand<br />

l0<br />

sowie die Verhältnis-Beziehung<br />

<strong>und</strong> die Abbildungsgleichung<br />

2<br />

G<br />

tanε<br />

0 =<br />

l<br />

B b<br />

=<br />

G g<br />

0<br />

1 1 1<br />

+ =<br />

g b f<br />

herangezogen. Durch einfache Umformung kann gezeigt werden, dass gilt:<br />

mit <strong>der</strong> Tubuslänge t des Mikroskops.<br />

b b−f1t = =<br />

g f f<br />

1 1<br />

Durch Verwendung genügend kurzbrennweitiger Linsen lassen sich leicht<br />

Vergrößerungen von V = 1000 erzielen.<br />

6.3.1.1 Auflösungsvermögen des Mikroskops<br />

Abgebildet werden soll ein Gitter mit dem Gitterabstand d.<br />

Quelle: Staudt 2, Abb. 8.70, S. 271


154 Experimentalphysik 2 für Biologen & Chemiker<br />

Um ein möglichst scharfes Zwischenbild zu erhalten, sollten möglichst alle<br />

Beugungsordnungen vom Objektiv erfasst werden, was wegen des endlichen<br />

Öffnungswinkels (auch Aperturwinkel genannt) u nicht möglich ist. Wird nur die<br />

nullte Ordnung erfasst, dann ist das Gesichtsfeld gleichmäßig erleuchtet. Um ein<br />

Bild zu sehen, muss nach Ernst Abbe (deutscher Mathematiker, <strong>Physik</strong>er,<br />

<strong>Optik</strong>er, 1840 – 1905) mindestens die ± 1. Beugungsordnung in das Objektiv<br />

gelangen. Dazu muss u mindestens so groß sein wie <strong>der</strong> Winkel α, unter dem<br />

das 1. Beugungsmaximum des Gitters erscheint (d ⋅ sin α = 1 ⋅ λ), also d ⋅ sin u ≥<br />

d ⋅ sin α = λ, woraus folgt:<br />

d<br />

λ<br />

sinu<br />

min = .<br />

Die minimal abbildbaren Gitterabstände d lassen sich noch etwas verkleinern,<br />

wenn ein Medium mit Brechungsindex n zwischen Objekt <strong>und</strong> Objektiv gebracht<br />

wird (Immersionsobjektiv, meist Ölimmersionsobjektiv). Dann gilt:<br />

d<br />

min<br />

λ<br />

= Abbe’sches Beugungslimit<br />

n⋅sinu Das Produkt aus n ⋅ sin u wird numerische Apertur genannt.<br />

Für λ = 500 nm, n = 1,5 , u = 80° ergibt sich für die noch gerade auflösbaren<br />

kleinsten Abmessungen dmin = 338 nm ≈ 2/3 λ. D.h. Strukturen, die kleiner sind<br />

als die halbe Wellenlänge des beleuchtenden Lichtes können nicht aufgelöst<br />

werden.<br />

Elektronen haben sehr viel kleinere Wellelängen λ im 0,1 nm (Å)- Bereich.<br />

Entsprechend lässt sich mit <strong>der</strong> Elektronenmikroskopie atomare Auflösung<br />

erzielen.<br />

6.3.2 Fernrohre (Teleskope)<br />

Unterscheiden lassen sich zwei Typen von Linsen-basierten Fernrohren, das<br />

Kepler’sche Fernrohr <strong>und</strong> das Galilei’sche Fernrohr. Daneben gibt es noch<br />

Spiegel-basierte Cassegrain’sche Reflektor-Teleskope.<br />

Kepler’sches Fernrohr mit einer langbrennweitigen <strong>und</strong> einer kurzbrennweitigen<br />

bikonvexen Linse im Abstand f1 + f2 zueinan<strong>der</strong>.


Elektromagnetische Schwingungen <strong>und</strong> Wellen – Überleitung zur <strong>Optik</strong> 155<br />

Galilei’sches Fernrohr mit einer langbrennweitigen bikonvexen <strong>und</strong> einer<br />

kurzbrennweitigen bikonkaven Linse im Abstand f1 - f2 zueinan<strong>der</strong>.<br />

Aufbau eines Cassegrain-Spiegelteleskops aus einem großen parabolischen Spiegel <strong>und</strong> einem<br />

kleinen planen Reflektor. Quelle: http://de.wikipedia.org/wiki/Bild:Cassegrain-Teleskop.png<br />

Für die beiden Linsenteleskope wird ein Vergrößerungsfaktor von<br />

erhalten.<br />

V<br />

Linsenteleskop<br />

f<br />

=<br />

f<br />

1<br />

2


156 Experimentalphysik 1 für Biologen & Chemiker<br />

V22 Mo<strong>der</strong>ne <strong>Physik</strong><br />

Wie<strong>der</strong>holung<br />

• Wir hatten exemplarisch einige Linsenfehler kennen gelernt, die auch<br />

Aberrationen genannt werden.<br />

• Die sphärische Aberration bei kugelförmigen Linsen zur Unschärfe, da<br />

sich achsennahe <strong>und</strong> achsenferne Strahlen in unterschiedlichen<br />

Brennpunkten treffen.<br />

• Bei <strong>der</strong> chromatischen Aberration sind die Bil<strong>der</strong> von Farbringen gesäumt,<br />

da Linsen für die einzelnen Wellenlängen unterschiedliche<br />

Brechungsindizes haben.<br />

• An<strong>der</strong>e Fehler, wie z.B. das Koma, Astigmatismus <strong>und</strong> Bildfeldwölbungen<br />

sind auf Unregelmäßigkeiten in <strong>der</strong> Linsenform o<strong>der</strong> extremem<br />

Strahlenverlauf zurückzuführen.<br />

• Diese Fehler treten auch im Auge auf <strong>und</strong> lassen sich durch zusätzliche<br />

Linsen, also Brillengläser o<strong>der</strong> Kontaktlinsen, korrigieren.<br />

• Um die Bildän<strong>der</strong>ungen, die eine Linse hervorruft, lassen sich auch<br />

quantifizieren. So ist z.B. <strong>der</strong> Vergrößerungsfaktor einer Lupe definiert als<br />

<strong>der</strong> Tangens des Sehwinkels mit Instrument durch den Tangens des<br />

maximalen Sehwinkels ohne Instrument, was sich auch als Quotient<br />

zwischen deutlicher Sehweite <strong>und</strong> Brennweite f <strong>der</strong> Lupe zum Ausdruck<br />

bringen lässt.<br />

• Werden mehrere Linsen hintereinan<strong>der</strong> angeordnet, lassen sich neue<br />

Vergrößerungseigenschaften erzielen: Sind eine große gegenstandsnahe<br />

Linse mit langer Brennweite <strong>und</strong> eine Lupe im Abstand <strong>der</strong> beiden<br />

Brennweiten zueinan<strong>der</strong> angeordnet, hat man ein Fernglas gebaut. Ist die<br />

gegenstandsnahe Linse, das sog. Objektiv, dagegen klein <strong>und</strong><br />

kurzbrennweitig, <strong>und</strong> sind Objektiv <strong>und</strong> Okular = Lupe im Abstand <strong>der</strong><br />

beiden Brennweiten + einer Tubuslänge t zueinan<strong>der</strong> angeordnet, dann<br />

handelt es sich um ein Mikroskop.<br />

6.4 Temperaturstrahlung<br />

Ein Körper tauscht auch dann Wärme mit seiner<br />

Umgebung aus, wenn er sich in einem<br />

evakuierten Raum befindet, wenn also die<br />

Wärmeleitung über Materiekontakt (Festkörper,<br />

Flüssigkeiten o<strong>der</strong> Gase) ausgeschlossen ist.<br />

Dies geschieht durch Temperaturstrahlung.<br />

Lebewesen strahlen z.B. nur im (für unser Auge<br />

unsichtbaren) Infrarot-Wellenlängenbereich.<br />

Thermographie eines Jungen <strong>und</strong> seines H<strong>und</strong>es. Je heller <strong>der</strong><br />

Farbton, desto höher ist die Temperatur. Deutlich lässt sich die<br />

kalte H<strong>und</strong>enase erkennen. Quelle: Tipler S. 552<br />

Das Emissionsvermögen E eines Körpers ist definiert als die pro Einheitsfläche<br />

A abgestrahlte Leistung (Arbeit pro Zeit pro (Einheits-)Fläche):<br />

E<br />

=<br />

abgestrahlte Leistung P<br />

Fläche A


Elektromagnetische Schwingungen <strong>und</strong> Wellen – Überleitung zur <strong>Optik</strong> 157<br />

mit <strong>der</strong> Einheit<br />

[ ] 2<br />

W<br />

E = .<br />

m<br />

Unter dem Absorptionsvermögen A eines Körpers versteht man das<br />

Verhältnis <strong>der</strong> absorbierten zur auffallenden Strahlung:<br />

= vomObjekt absorbierteStrahlung<br />

A ,<br />

auf dasObjekt fallende Strahlung<br />

es ist also eine reine Zahl. Ein Körper mit dem Absorptionsvermögen A = 1<br />

absorbiert also die auftreffende Strahlung vollständig. Man spricht in diesem Fall<br />

von einem schwarzen Körper. Körper, die unser Auge als schwarz empfindet,<br />

absorbieren zwar die gesamte auftreffende elektromagnetische Strahlung im<br />

sichtbaren Bereich, aber nicht notwendigerweise auch in an<strong>der</strong>en<br />

Wellenlängenbereichen. Sie müssen also keine schwarzen Körper im oben<br />

definierten Sinne sein.<br />

Eine Entwicklung des Schweizer Unternehmens TFL reflektiert den Infrarot-Anteil <strong>der</strong> Sonnenstrahlen, <strong>der</strong><br />

damit von <strong>der</strong> Jacke nicht mehr absorbiert wird. Daher erscheint die mit dem spez Farbpigment behandelte<br />

Jacke links in <strong>der</strong> Infrarotaufnahme schwarz (kalt), die normale Jacke rechts dagegen körperwarm. Frage:<br />

Welche Farbe hätte die Motoradjacke, wenn sie auch im Bereich zwischen 420 <strong>und</strong> 720 nm Licht reflektiert<br />

würde? Quelle: TFL<br />

Ein Körper mit hohem Absorptionsvermögen besitzt auch ein großes<br />

Emissionsvermögen. Es gilt:<br />

Insbeson<strong>der</strong>e gilt für jeden Körper:<br />

Daraus folgt:<br />

E<br />

A<br />

E E<br />

A A<br />

= const.<br />

schwarz = =<br />

schwarz<br />

E<br />

E = A ⋅E<br />

.<br />

schwarz<br />

schwarz<br />

M.a.W.: Wer mehr absorbiert, strahlt auch mehr; folglich strahlt <strong>der</strong> schwarze<br />

Körper am meisten.<br />

Frage: Macht es Sinn, dass die Heizkörper in Ihrer Wohnung weiß gestrichen<br />

sind o<strong>der</strong> wäre eine an<strong>der</strong>e Farbe besser? (Schwarz wäre besser, da schwarz heißt, dass zumindest die gesamte sichtbare Strahlung absorbiert<br />

<strong>und</strong> damit zus. emittiert würde. Da wir allerdings vorwiegend den Infrarotanteil des EM-Spektrums als Wärme wahrnehmen, ist es letztlich nicht so relevant, welche Farbe ein Heizkörper hat. Klug wäre es jedoch,<br />

Farbpigmente beizumischen, die stark im infraroten Spektrum absorbieren.)<br />

A1.1 Leslie’scher Würfel


158 Experimentalphysik 2 für Biologen & Chemiker<br />

Aufgr<strong>und</strong> dieser Beziehung genügt es, sich bei <strong>der</strong> Untersuchung <strong>der</strong><br />

Temperaturstrahlung im Folgenden auf schwarze Körper zu beschränken.<br />

Am besten lässt sich ein schwarzer Körper durch<br />

einen Hohlraum realisieren, <strong>der</strong> die Temperatur T<br />

besitzt <strong>und</strong> in dessen einer Wand sich ein kleines<br />

Loch befindet. Alle von außen durch das Loch<br />

nach innen gelangende Strahlung wird an den<br />

Wänden vielfach reflektiert <strong>und</strong> schließlich<br />

absorbiert; damit ist A = 1.<br />

Die Strahlung, die den Hohlraum durch das Loch<br />

nach mehrfacher innerer Reflexion <strong>und</strong> Absorption<br />

verlässt <strong>und</strong> damit im thermischen Gleichgewicht<br />

mit den Wänden steht, ist damit die Strahlung<br />

eines schwarzen Körpers <strong>der</strong> Temperatur T.<br />

Hohlraumstrahler Quelle: Tipler, Abb.<br />

16.5, S. 550<br />

Aufgr<strong>und</strong> <strong>der</strong> geschil<strong>der</strong>ten Anordnung heißt sie auch Hohlraumstrahlung.<br />

Mit jeglicher Art elektromagnetischer Strahlung ist ein Energiestrom verb<strong>und</strong>en.<br />

Ein Empfänger empfängt von einem Strahler im Abstand r in <strong>der</strong> Zeit dt eine<br />

gewisse Strahlungsenergie dE. Diese Energie wird üblicherweise auf das<br />

Frequenzintervall dν bezogen.<br />

Wird die spektrale Strahlungsenergie, die in einem Hohlraum <strong>der</strong> Temperatur T<br />

herrscht,<br />

E<br />

ν<br />

dE<br />

= mit [Eν] = J/Hz = J·s<br />

dν<br />

im Raum, in <strong>der</strong> sich die Strahlung ausbreitet, auf das Volumenelement dV<br />

bezogen, entsteht die spektrale Energiedichte uν (bzw. uλ)<br />

u<br />

ν<br />

=<br />

2<br />

d E<br />

dν⋅dV mit [uν] = J/(Hz·m 3 ) = J·s/m 3 .<br />

Darunter versteht man also diejenige Energiedichte, die durch Strahlung des<br />

Hohlraumes in dem infinitesimalen Frequenzbereich ν <strong>und</strong> ν+dν (bzw. im<br />

Wellenlängenbereich λ <strong>und</strong> λ+dλ) zustande kommt.<br />

Die Fläche unter den Kurven u(λ,T)<br />

gegen λ, also die gesamte<br />

Energiedichte im Hohlraum, nimmt<br />

außerordentlich stark mit <strong>der</strong><br />

Temperatur zu.<br />

Das Stefan-Boltzmann-Gesetz gibt<br />

diese von einem schwarzen Körper<br />

abgestrahlte Leistung P in<br />

Abhängigkeit seiner Temperatur T<br />

wie<strong>der</strong>:<br />

P σ AT<br />

4<br />

= ⋅ ⋅ .<br />

Eine Verdopplung <strong>der</strong> Temperatur<br />

bewirkt also, dass die abgestrahlte<br />

Leistung um den Faktor 16 ansteigt!<br />

(P ist unabhängig von <strong>der</strong> Form des<br />

Körpers.)<br />

Die spektrale Energiedichte uλ eines schwarzen<br />

Körpers in Abhängigkeit von <strong>der</strong> Wellenlänge λ für<br />

drei versch. Temperaturen T. Die abgestrahlte<br />

Leistung P, die <strong>der</strong> Fläche unter einer Kurve<br />

entspricht, nimmt mit <strong>der</strong> 4. Potenz <strong>der</strong> Temperatur<br />

zu! Quelle: Staudt 2, Abb. 9.3, S. 277 <strong>und</strong> Wikipedia


Elektromagnetische Schwingungen <strong>und</strong> Wellen – Überleitung zur <strong>Optik</strong> 159<br />

Dabei ist σ die Stefan-Boltzmann-Konstante, eine Naturkonstante:<br />

σ = 5,6703⋅10 −8<br />

W<br />

m ⋅ K<br />

2 4<br />

(Josef Stefan (Entdeckung), slowenischer Mathematiker <strong>und</strong> <strong>Physik</strong>er, 1835-1893, <strong>und</strong> Ludwig Boltzmann<br />

(theor. Begründung), österreichischer <strong>Physik</strong>er <strong>und</strong> Philosoph, 1844-1906)<br />

Außerdem verschiebt sich das Maximum <strong>der</strong> spektralen Energiedichte mit<br />

zunehmen<strong>der</strong> Temperatur zu kleineren Wellenlängen λ. Diesen Sachverhalt<br />

beschreibt das Wien’sche Verschiebungsgesetz:<br />

λmax ⋅ T = const . ≈ 2880 µm⋅ K .<br />

(Wilhelm Wien, <strong>Physik</strong>-Nobelpreis 1911, 1865-1928)<br />

Frage: Beim Schmieden von Metallen können Sie Eisen auf Rotglut o<strong>der</strong> auf<br />

Weißglut bringen. Bei welcher Farbe hat das Eisen eine höhere Temperatur?<br />

Warum? (Rotglühendes Eisen hat nur den Rotanteil des sichtbaren Spektrums, ist also nach dem Wien’schen Verschiebungsgesetz kälter; weißes Eisen hat jedoch alle Anteile des sichtbaren Spektrums, also<br />

auch die kurzwelligen blauen Anteile, <strong>und</strong> ist damit wesentlich heißer.)<br />

Auf diesem Zusammenhang beruht eine wichtige Methode zur<br />

Temperaturmessung, die beispielsweise in <strong>der</strong> Astronomie häufig benutzt wird:<br />

Man bestimmt die Wellenlänge, bei <strong>der</strong> die Temperaturstrahlung eines Körpers<br />

am intensivsten ist.<br />

Beispiel: Die Sonne strahlt am stärksten bei λmax ≈ 550 nm (grün). Daraus<br />

schließt man auf eine Temperatur von etwa 5000 K.<br />

6.5 Röntgenstrahlung<br />

Versuch: In einer evakuierten Glasröhre befinden sich eine Anode <strong>und</strong> eine<br />

Glühkathode, die durch die Spannung UH geheizt wird. Zwischen Anode <strong>und</strong><br />

Kathode liegt eine Hochspannung von U ≈ 10 kV an, die die aus <strong>der</strong> Glühkathode<br />

austretenden Elektronen stark beschleunigt. Die Anode bremst die schnellen<br />

Elektronen beim Auftreffen in wenigen Atomabständen rapide ab, wobei ein<br />

Großteil <strong>der</strong>en kin. Energie in Wärme übergeht, ein geringer Anteil jedoch als<br />

Röntgenstrahlung (d.h. EM-Strahlung mit Wellenlängen im Sub-Nanometer-<br />

Bereich) abgestrahlt wird. Mit einem Zählrohr lässt sich diese an <strong>der</strong> Anode<br />

erzeugte Röntgenstrahlung nachweisen. Deshalb spricht man bei dieser<br />

Anordnung auch von einer Röntgenröhre.<br />

.<br />

A1.3 Farbtemperatur<br />

(Wien’sches<br />

Verschiebungsgesetz)<br />

(auch als Simulation)


160 Experimentalphysik 2 für Biologen & Chemiker<br />

Aufbau einer Röntgenröhre. Quelle: Staudt 2, Abb. 9.4, S.<br />

283<br />

Eine genauere Untersuchung <strong>der</strong> von <strong>der</strong><br />

Anode emittierten Röntgenstrahlung liefert<br />

die spektrale Zusammensetzung. Die<br />

ausgeprägten diskreten Intensitätsmaxima<br />

sind eine Folge <strong>der</strong> charakteristischen<br />

Röntgenstrahlung, die für jedes Material<br />

spezifisch ist <strong>und</strong> von Element zu Element<br />

variiert.<br />

Trifft ein Elektron hinreichend hoher Energie<br />

auf ein Atom des Anodenmaterials, so kann<br />

es durch Stoß ein Elektron aus einer <strong>der</strong><br />

inneren Schalen aus dem Atomverband<br />

herausschlagen. Dadurch entsteht in <strong>der</strong><br />

entsprechenden Schale eine Lücke, die<br />

durch ein Elektron aus einer höheren Schale<br />

unter Aussendung elektromagnetischer<br />

Strahlung wie<strong>der</strong> aufgefüllt wird. Diese<br />

Strahlung ist die charakteristische<br />

Röntgenstrahlung.<br />

Wurde beispielsweise ein Elektron aus <strong>der</strong><br />

K-Schale herausgeschlagen, so spricht man<br />

von Kα-, Kβ-,…-Strahlung, je nachdem, von<br />

welcher Schale die entstandene Lücke<br />

wie<strong>der</strong> aufgefüllt wird. Entsprechend entsteht<br />

Lα-, Lβ-,…-Strahlung etc.<br />

Bremststrahlungsspektrum (Intensität I<br />

gegen Wellenlänge λ) für eine<br />

Beschleunigungsspannung von etwa<br />

U ≈ 35 kV <strong>und</strong> charakteristisches<br />

Röntgenspektrum (Intensitätsmaxima = Kα-<br />

<strong>und</strong> Kβ-Peaks) für Molybdän. Quelle: Tipler,<br />

Abb. 35.8, S. 1203<br />

Die Absorption <strong>der</strong> Röntgenstrahlen wird vor allem durch die Anzahl <strong>der</strong><br />

Elektronen des Absorptionsmaterials bestimmt. Röntgenstrahlen werden also nur<br />

von Atomen absorbiert. Der Absorptionsprozess ist damit unabhängig von den<br />

chemischen Bindungen. Das Absorptionsvermögen <strong>der</strong> chem. Elemente nimmt<br />

dabei mit zunehmen<strong>der</strong> Ordnungszahl zu. Zur Abschirmung von Röntgenstrahlen<br />

wird z. B. meist Blei verwendet, da es Röntgenstrahlen gut absorbiert.


Elektromagnetische Schwingungen <strong>und</strong> Wellen – Überleitung zur <strong>Optik</strong> 161<br />

Viele Materialien (wie z.B. Bindegewebe)<br />

absorbieren kurzwellige Strahlung wie die<br />

Röntgenstrahlung nur in geringem Maße, d.h. sie<br />

sind für Röntgenstrahlen weitgehend durchsichtig =<br />

transparent. Die Transparenz nimmt dabei mit<br />

abnehmen<strong>der</strong> Wellenlänge zu. Aufgr<strong>und</strong> <strong>der</strong> hohen<br />

Energie kann <strong>der</strong> geringe Anteil <strong>der</strong> absorbierten<br />

Strahlung jedoch große Schäden erzeugen<br />

(Ionisation von Molekülen: Molekülzerfall; problem.<br />

bei Verän<strong>der</strong>ung von DNA-Basen, die zu einer<br />

Mutation führen).<br />

(Wilhelm Conrad Röntgen, deutscher <strong>Physik</strong>er, erster<br />

Nobelpreisträger 1901, 1845 – 1923)<br />

Röntgens erste mit Röntgenstrahlen gemachte Aufnahme von<br />

einem Menschen zeigt die Hand seiner Frau. Quelle: Tipler, S. 1202<br />

Das kontinuierliche Spektrum dagegen ist eine Folge <strong>der</strong><br />

Röntgenbremsstrahlung; Die kürzeste beobachtbare Wellenlänge ist dabei<br />

nicht vom Anodenmaterial abhängig, son<strong>der</strong>n allein von <strong>der</strong> angelegten<br />

Spannung U. Sie wird dann abgestrahlt, wenn das auf die Anode auftreffende<br />

Elektron seine gesamte kinetische Energie als elektromagnetische Strahlung<br />

abgibt:<br />

6.6 Radioaktivität<br />

E = e⋅U Spannungsquelle<br />

= E<br />

= h⋅ν<br />

Strahlung<br />

Grenz<br />

c<br />

= h ⋅<br />

λ<br />

Unter Radioaktivität o<strong>der</strong> radioaktivem Zerfall versteht man die spontane<br />

Umwandlung instabiler Atomkerne in stabile Elemente unter Energieabgabe.<br />

Einige im Universum gebildeten Elemente sind nicht langzeitstabil. Sie zerfallen<br />

im Laufe <strong>der</strong> Zeit unter Abgabe von zweifach positiv geladenen Helium-Ionen<br />

( 4 He 2+ , sog. alpha-Teilchen) <strong>und</strong>/o<strong>der</strong> von Elektronen (sog. beta-Teilchen) <strong>und</strong><br />

kurzwelliger elektromagnetischer Strahlung (sog. gamma-Teilchen). D.h. bei <strong>der</strong><br />

Kernumwandlung kann sich die Kernladungszahl (Ordnungszahl) än<strong>der</strong>n<br />

(Umwandlung in ein an<strong>der</strong>es chemisches Element), o<strong>der</strong> nur die Massenzahl<br />

(Umwandlung in ein an<strong>der</strong>es Isotop desselben Elements).<br />

a: Aufgr<strong>und</strong> ihrer Ladung <strong>und</strong> relativ großen Masse haben Alphateilchen<br />

nur eine sehr geringe Eindringtiefe (Reichweite) in kompakter Materie. Ein<br />

dickeres Blatt Papier o<strong>der</strong> einige Zentimeter Luft reichen im Allgemeinen<br />

schon aus, um Alphateilchen vollständig abzuschirmen. Alphastrahlen<br />

dringen aufgr<strong>und</strong> ihrer geringen Durchdringungsfähigkeit nur in die<br />

oberen (toten) Hautschichten, aber nicht tief in den Körper ein. Ein im<br />

Organismus durch Einatmen o<strong>der</strong> Aufnahme mit <strong>der</strong> Nahrung<br />

eingelagerter Alphastrahler ist dagegen sehr schädlich. Insbeson<strong>der</strong>e die<br />

Anreicherung eines mit Alphastrahlung zerfallenden Isotops in einem<br />

Organ führt zu einer hohen Belastung dieses Organs, da die Strahlung<br />

ihre schädigende Wirkung auf kleinem Raum ausübt (Strahlenkrankheit).<br />

Die Energie eines Alphateilchens liegt typischerweise in <strong>der</strong><br />

Größenordnung von 2 bis 5 MeV. Künstliche Alphateilchen können aber<br />

min<br />

.<br />

K1.4 Wilson-<br />

Nebelkammer<br />

(Sichtbarmachung<br />

radioaktiver Teilchen)


162 Experimentalphysik 2 für Biologen & Chemiker<br />

durchaus Energien von über 10 MeV besitzen. Eine technische<br />

Anwendung ist <strong>der</strong> Ionisationsrauchmel<strong>der</strong>, <strong>der</strong> auf <strong>der</strong> Abschwächung<br />

<strong>der</strong> Alphastrahlen durch Rauchpartikel beruht.<br />

b: Wenn ein ungünstiges Verhältnis von Neutronen zu Protonen besteht,<br />

tritt normalerweise Betazerfall ein. Bei <strong>der</strong> Umwandlung eines Neutrons in<br />

ein Proton wird ein hochenergetisches Elektron, das beta-Teilchen, frei.<br />

Dessen Ausbreitungs-Reichweite beträgt einige Zentimeter bis mehrere<br />

Meter. Wird <strong>der</strong> menschliche Körper Betastrahlen ausgesetzt, werden nur<br />

Hautschichten geschädigt. Dort kann es aber zu intensiven<br />

Verbrennungen <strong>und</strong> daraus resultierenden Spätfolgen wie Hautkrebs<br />

kommen. Sind die Augen exponiert, kann es zur Linsentrübung kommen.<br />

Therapeutisch wird dieser Effekt eingesetzt, um dicht unter <strong>der</strong><br />

Hautoberfläche liegende Krebsgeschwüre zu bestrahlen. Energien liegen<br />

im Bereich von 0,02 bis 1,71 MeV.<br />

g: Gammastrahlen, γ-Strahlen o<strong>der</strong> γ-Strahlung bezeichnet den Teil <strong>der</strong><br />

elektromagnetischen Strahlung, <strong>der</strong> eine sehr kurze Wellenlänge (unter<br />

0,5 nm) <strong>und</strong> hohe Durchdringungsfähigkeit von Materie hat. Die<br />

zugehörigen Energien <strong>der</strong> Photonen liegen ab 2,5 keV aufwärts. Die<br />

Photonen <strong>der</strong> Gammastrahlung werden auch Gammaquanten genannt.<br />

In <strong>der</strong> Reihenfolge α, β, γ nimmt also die Energie ab, die Reichweite dagegen zu.<br />

Becquerel ist die Einheit <strong>der</strong> radioaktiven Aktivität, wobei 1 Bq = 1 s -1 , also ein<br />

Zerfall eines instabilen Atoms pro Sek<strong>und</strong>e.<br />

(Antoine Henri Becquerel, <strong>Physik</strong>er <strong>und</strong> ist <strong>der</strong> Entdecker <strong>der</strong> Radioaktivität,<br />

Nobelpreis für <strong>Physik</strong> 1903, 1852-1908)<br />

Typische Aktivitätswerte<br />

• erwachsener Mensch: 3.000 Bq bis etwa 20.000 Bq<br />

• Kalium-40 ( 40 K) im menschlichen Körper: 5.000 Bq<br />

• 1 kg Kaffee: 1.000 Bq<br />

• Ionisationsrauchmel<strong>der</strong>: 30.000 Bq<br />

• 1 kg Uran: 10 MBq<br />

•<br />

222 Radon in Raumluft: Mittelwert 50 Bq/Kubikmeter<br />

Aktivitätswerte künstlich freigesetzter Radioaktivität<br />

• geschätzte Freisetzung von Radioaktivität beim Reaktorunfall<br />

von Tschernobyl (1986): 3,6 · 10 18 Bq<br />

Da <strong>der</strong> Kernzerfall konzentrationsunabhängig ist (d.h. nicht schneller o<strong>der</strong><br />

langsamer abläuft, wenn sich die Konzentration än<strong>der</strong>t), lässt sich über die<br />

Bestimmung <strong>der</strong> Radioaktivität das Alter eines Gegenstands bestimmen: das<br />

Maß für die Zeit, in <strong>der</strong> die Intensität <strong>der</strong> von dem radioaktiven Stoff<br />

ausgesandten ionisierenden Strahlung auf die Hälfte des Ausgangswertes<br />

absinkt, wird Halbwertszeit genannt. Jedes Radionuklid hat eine<br />

charakteristische, sozusagen "persönliche" Halbwertszeit. Für die verschiedenen<br />

Radionuklide reichen die jeweiligen Halbwertszeiten von Sek<strong>und</strong>enbruchteilen<br />

bis zu mehreren Milliarden Jahren.<br />

6.6.1 Strahlenbelastung <strong>und</strong> biologische Wirkung<br />

Die Strahlenbelastung für Lebewesen wird als effektive Dosis mit <strong>der</strong> Einheit<br />

Sievert gemessen (Rolf Sievert, schwedischen Mediziner <strong>und</strong> <strong>Physik</strong>er, 1896-<br />

1966). Sie ist die an eine bestimmte Masse übertragene Energie (Energiedosis).


Elektromagnetische Schwingungen <strong>und</strong> Wellen – Überleitung zur <strong>Optik</strong> 163<br />

Dabei wird die unterschiedliche Schädlichkeit von α-,β- <strong>und</strong> γ-Strahlen sowie die<br />

unterschiedliche Empfindlichkeit einzelner Gewebe berücksichtigt.<br />

Alle Formen <strong>der</strong> Radioaktivität können für Lebewesen ges<strong>und</strong>heitsschädlich sein.<br />

Die Kurzzeitfolge einer zu hohen Dosis Radioaktivität wird Strahlenkrankheit<br />

genannt. Sie äußert sich durch ein geschwächtes Immunsystem <strong>und</strong><br />

Verbrennungen. Die Strahlenkrankheit tritt etwa ab einer kurzfristigen Belastung<br />

von 0,25 Sv auf. 4 Sv sind in <strong>der</strong> Regel tödlich. Die Langzeitfolgen <strong>der</strong><br />

Radioaktivität sind Mutationen am Erbgut <strong>und</strong> Krebs.<br />

Bakterien können sehr viel stärkere Radioaktivität als Menschen ertragen,<br />

Rekordhalter ist Deinococcus radiodurans, <strong>der</strong> sogar im Kühlwasser von<br />

Kernreaktoren leben kann.<br />

Alles klar? Dann nix wie ab zum nächsten<br />

Forschungswettbewerb!

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