1 - Historische Gesellschaft der Deutschen Bank e.V.
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Der Staat - das sind wir selbst<br />
In vielen Län<strong>der</strong>n <strong>der</strong> westlichen Welt ist die Uberfor<strong>der</strong>ung des Staates zu einem<br />
zentralen Problem geworden.<br />
Auch in <strong>der</strong> Bundesrepublik Deutschland hatte sich im Anschluß an die ersten bei-<br />
den Nachkriegsjahrzehnte ein solcher Trend herausgebildet - <strong>der</strong> des ständig wach-<br />
senden Staatseinflusses. Kaum ein Bereich unseres privaten und gesellschaftlichen<br />
Lebens war davon ausgenommen. Der Staat galt und handelte nicht mehr nur als<br />
Freiheitsgarant, <strong>der</strong> seine Bürger nach außen territorial und nach innen durch sein<br />
Rechtssystem zu schützen beauftragt ist, ihm kam nicht mehr vornehmlich die Pflicht<br />
zu, die öffentlichen Angelegenheiten zu verwalten, er hatte vielmehr das, was als<br />
öffentliche Angelegenheiten gilt, ständig ausgeweitet. Zusätzlich war er in eine Rolle<br />
hineingewachsen, die ihm früher nicht zugekommen und die er auch nicht zu über-<br />
nehmen bereit war, die des Wohlfahrtsgaranten. Der Staat zeichnete verantwortlich<br />
für ständig steigende Einkommen, soziale Sicherheit in allen Lebenslagen, Vollbe-<br />
schäftigung und fortwährend zunehmende Lebensqualität. Ihm fiel die Aufgabe zu, für<br />
alles und jedes dazusein, was <strong>der</strong> einzelne tatsächlich o<strong>der</strong> vermeintlich nicht tun<br />
konnte o<strong>der</strong> nicht tun wollte. Er hatte Fürsorge und Vorsorge zu leisten, und dies in<br />
einem durchaus paternalistischen Sinne, indem er fast schon für das individuelle<br />
Glück seiner Bürger verantwortlich wurde. Die Entwicklung war bereits weiter gegan-<br />
gen, als Adolph Wagner es in seinem ,,Gesetz <strong>der</strong> wachsenden Ausdehnung <strong>der</strong> öf-<br />
fentlichen, insbeson<strong>der</strong>e <strong>der</strong> Staatstätigkeiten " vor mehr als 100 Jahren vorausgesagt<br />
hatte. Sie hatte sich auch in solche Bereiche hinein erstreckt, die man vordem als<br />
staats frei begriff, nämlich in jene Um fel<strong>der</strong>, in denen sich das abspielt, was wir die Be-<br />
wältigung des persönlichen Lebens nennen. Der Staat sollte uns auch dies abneh-<br />
men. Ersollte Sorge dafür tragen, daß einmal eingeschlagene Berufs- und Lebenswege<br />
erfolgreich zu Ende gegangen werden konnten, o<strong>der</strong> er sollte, wenn das,, ungerechter-<br />
weise" nicht gelang, Entschädigungen gewähren, die dem Betroffenen eine ,,Als-ob-<br />
Lage" sicherten und ihn so stellten, wie es seinem Anspruchsniveau entsprach.<br />
Diese Entwicklung war demokratisch legitimiert abgelaufen, eine Mehrheit <strong>der</strong><br />
Bundesbürger hatte sie getragen. Uber ein Jahrzehnt waren die Ansprüche, die an den<br />
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