pdf lesen - anja thede / architektur und farbgestaltung
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122 SchÖner Wohnen 11/2009<br />
AuSBAuFähig!<br />
Vor der Umwandlung: Die Mühle drehte sich bis in die 50er-Jahre in Nieder-Beerbach <strong>und</strong> im Dach logierten bis 1985 Gäste.<br />
Steffen Keil ist Deutschlandchef<br />
der Kameralegende Leica <strong>und</strong> hat<br />
einen Blick für das Besondere. Für<br />
sein neues Zuhause im Odenwald<br />
hat er das baufällige Dach<br />
einer alten Mühle in ein<br />
sonniges Loft verwandelt<br />
Fotos heiner orth produktion Sabine WeSemann text thomaS eichhorn<br />
umbauen+renovieren<br />
SchÖner Wohnen 12/2009 123
der bauplan<br />
der hintergr<strong>und</strong>:<br />
n Als Manager ist Steffen Keil sehr viel<br />
unterwegs. Er suchte einen Ruhepol<br />
<strong>und</strong> fand ihn unter dem Dach der<br />
Waldmühle, in der er aufgewachsen ist.<br />
die idee:<br />
n Das doppelstöckige Dach mit Panoramablick<br />
auf die umliegende Natur<br />
wurde zu einer Art Hochsitz ausgebaut<br />
<strong>und</strong> nach innen <strong>und</strong> außen geöffnet.<br />
die lösung:<br />
n Die Zwischendecke wurde ent-<br />
fernt, der Raum bis zum First erhöht.<br />
Beide Längsgauben sind komplett<br />
verglast <strong>und</strong> öffnen den Blick auf die<br />
umliegenden Wälder <strong>und</strong> Felder.<br />
Loft Das ausgebaute Dachgeschoss ist<br />
ein einziger großer Raum, in den lediglich ein<br />
mit Filz verkleideter Korpus gestellt wurde.<br />
Darin: oben – wie ein Refugium – das Schlaf-<br />
zimmer, unten rechts der Kleiderschrank,<br />
unten links am Esstisch der Geschirrschrank.<br />
Zwischen Wald, Feldern <strong>und</strong> himmel –<br />
hier thront <strong>und</strong> wohnt man mitten in der<br />
urwüchsigkeit des Odenwaldes<br />
SchÖner Wohnen 12/2009 125
ERST WAR DA DIE SEHNSUCHT,<br />
ein lang gehegtes Bedürfnis nach<br />
Ankunft, Heimat <strong>und</strong> Ruhe.<br />
Klingt kitschig? Ach was: Wenn<br />
gebaut wird, ist immer großes Gefühl im<br />
Spiel. Erst Recht, wenn der verlorene<br />
Sohn wieder nach Hause findet <strong>und</strong> sich<br />
dann auch noch im Dach einnistet.<br />
Steffen Keil wollte ursprünglich nur<br />
das Dach seines Großelternhauses neu<br />
decken lassen, damit die Waldmühle am<br />
Rande von Nieder-Beerbach nicht verfällt.<br />
Und sich selbst dort oben eine Art<br />
Hochsitz einrichten, in Erinnerung an<br />
den Spielplatz seiner Kindheit: den<br />
Odenwald. Je länger er sich jedoch mit<br />
dem Projekt beschäftigte, desto klarer<br />
wurde ihm, dass er sich nirgendwo je<br />
wohler gefühlt hat als hier. So wurde aus<br />
dem Hochsitz nach <strong>und</strong> nach ein erwachsener<br />
Dachausbau. Nicht ganz unschuldig<br />
daran: die für den Umbau gewonnene<br />
HocHsitz Die Mühle steht frei, vorne Felder, hinten Wald. Das Mittelfenster einer Längsgaube<br />
wurde zum Kastenfenster ausgebildet, die Scheibe lässt sich wie eine Faltschiebetür<br />
nach rechts öffnen. Offen oder geschlossen – ein besinnlicher Sitzplatz. steffen KeiL<br />
wollte ursprünglich nur das <strong>und</strong>ichte Dach, Energie fressende Dach seines Elternhauses<br />
erneuern. Doch die Bekanntschaft mit Architektin Anja Thede hatte wohnliche Folgen...<br />
Darmstädter Architektin Anja Thede. In<br />
ihr fand Steffen Keil eine Art Alter Ego,<br />
eine Seelenverwandte, die mit spielerischer<br />
Sicherheit das in Form bringt,<br />
was er allenfalls umschreiben kann. Ein<br />
Glücksfall. Auch für die Architektin.<br />
Denn Kunst, wie man weiß, braucht Mäzene,<br />
Architekten auch. Beispiel eins: Das<br />
Bücherregal. Keil klagte über normale<br />
Regalfächer, in die große Bildbände nicht<br />
hinein passen. Schwupps entwarf p<br />
TIPPS FüR DEN<br />
DAcHAUSBAU<br />
n Doppelstöckige Dachböden eignen<br />
sich hervorragend für großzügige, loftartig<br />
weite Wohnungen: Die Zwischendecke<br />
wird entfernt <strong>und</strong> das alte Gebälk möglichst<br />
erhalten. Das ergibt zusammen mit<br />
zusätzlichen Eisenträgern einen sowohl<br />
dekorativen wie spannenden Kontrast.<br />
n Gauben vollflächig <strong>und</strong> bis auf den<br />
Boden verglasen – so öffnet man die<br />
oft als eng empf<strong>und</strong>enen Dachschrägen<br />
<strong>und</strong> bringt jede Menge Licht herein.<br />
n In die Firstschrägen großflächige<br />
Dachfenster einlassen – so öffnet man<br />
das Dachgeschoss optisch nach oben,<br />
holt mehr Helligkeit herein <strong>und</strong> erzielt<br />
schöne Licht- <strong>und</strong> Schattenwürfe.<br />
n Ein Haus im Haus wie das „Hochbett“<br />
erlaubt wertvollen Stauraum im Sockel –<br />
Kleiderkammer <strong>und</strong> Geschirrschrank.<br />
Unsichtbarer Stauraum ermöglicht einen<br />
legeren Wohnstil ohne massige Möbel.<br />
126 SchÖner Wohnen 12/2009 SchÖner Wohnen 12/2009 127<br />
p
„Meine Möbel <strong>und</strong> ich<br />
haben eine gemeinsame<br />
Vergangenheit: Wir<br />
haben uns gef<strong>und</strong>en.“<br />
p Thede eine offenes Regal ohne Höhen<strong>und</strong><br />
Seitenbegrenzungen: Sie ließ in eine<br />
22 mm dicke MdF-Platte unterschiedlich<br />
lange Schlitze einfräsen <strong>und</strong> steckt Regalböden<br />
hinein. Genial einfach, einfach<br />
genial. Beispiel zwei: das Kastenfenster.<br />
Keils Hymnen über die „Kraft der Natur“<br />
<strong>und</strong> die „Weite der Landschaft“ bündelte<br />
sie in einem Fenster, dessen 50 cm breiter<br />
<strong>und</strong> 6 cm dicker Rahmen sich wie ein<br />
Passpartout um den Ausblick legt, mehr<br />
noch: sie bildet eine Art architekto- p<br />
essen Der Tisch stammt aus dem F<strong>und</strong>us des ehemaligen Gasthauses, das Steffen Keils Großeltern bis in die 80er-Jahre betrieben.<br />
Die Stühle fand Keil im Keller des Leica-Werks in Wetzlar, dessen chef er ist. Sie wurden einfach neu lackiert. Lesen Eine weiß lackierte<br />
MdF-Platte mit Steck-Schlitzen bietet Keils Bildbänden genügend Raum. Anja Thede hat es entworfen, demnächst geht es in Serie.<br />
KocHen Eine Zeile, eine Insel, ein Hängeregal bilden die offene Küche, die Tischler Elmar Busch nach Plänen von Anja Thede angefertigt hat.<br />
128 SchÖner Wohnen 12/2009<br />
SchÖner Wohnen 12/2009 129
„Beim Duschen in den<br />
Wald zu schauen –<br />
das gibt mir eine Ruhe,<br />
die ich nur hier finde.“<br />
p<br />
nische Linse, in die man sich auch<br />
noch setzen soll. Das Fenster lässt sich<br />
zur Seite falten, <strong>und</strong> dann sitzt man quasi<br />
im Freien: Hochsitz de Luxe.<br />
Für Steffen Keil, dessen Hobbies Laufen<br />
<strong>und</strong>, natürlich, Fotografieren sind, ist<br />
diese Art Linse eine Hommage an alles,<br />
was ihm wichtig ist: Ästhetik, Natur <strong>und</strong><br />
Ruhe. Persönlicher kann Architektur<br />
kaum sein. Beispiel drei: das Hochbetthaus.<br />
Keil wünschte sich ein leicht <strong>und</strong><br />
gut verdunkelbares Schlafzimmer. p<br />
ÜberGÄnGe Nur eine raumhohe Glasscheibe trennt die ebenerdige Dusche vom Bad. Die schwarzen Fliesen sind aus satiniertem, rück-<br />
seitig lackiertem Glas <strong>und</strong> nehmen den dunklen Ton der Fensterrahmen noch einmal auf. farbe Das Wc ist getrennt vom Bad in einem extra<br />
Raum untergebracht. Hier wurden dieselben Glasfliesen wie im Bad verwendet – in Lindgrün. Ein beleuchteter Sammlerschrank aus orangefarbigem<br />
Plexiglas wertet das stille Örtchen zum Kunstraum auf. poesie Die Bruchsteinwand wurde unterm Putz entdeckt, frei gelegt <strong>und</strong><br />
sauber verfugt. Die Duschabtrennung ist im Siebdruckverfahren mit Worten r<strong>und</strong> ums Thema Wasser dekoriert. Poesie, die im Raum steht.<br />
130 SchÖner Wohnen 12/2009<br />
p<br />
SchÖner Wohnen 12/2009 131
p<br />
Dass sich ein Fotoliebhaber eine Dunkelkammer<br />
zum Schlafen wünscht,<br />
könnte man im digitalen Zeitalter als<br />
Nostalgie belächeln, in Wahrheit geht es<br />
aber um ein sehr schlichtes Bedürfnis:<br />
nämlich tiefen Schlaf zu finden, Erholung.<br />
Thede ersann eine Art Alkoven.<br />
Natürlich sollte dieses Refugium nicht<br />
die Luftigkeit des Dachausbaus stören.<br />
Und weil Thede außerdem noch Keils<br />
„Hochsitz“-Vision im Kopf hatte, verw<strong>und</strong>ert<br />
es nicht, dass sich im Hochbetthaus<br />
gleich mehrere Träume des Bauherren<br />
verdichten: Ausguck, Alkoven <strong>und</strong> Spielplatz.<br />
Davor spannt sich eine Brücke vom<br />
Eingang bis zum Giebel. Sie hat keine<br />
Funktion, außer einer ästhetischen: sie<br />
füllt die Leere des Dachraums <strong>und</strong> hebt<br />
den Blick, sie zieht eine zweite Ebene<br />
im hochbetthaus ver<br />
dichten sich gleich mehrere<br />
Träume: Ausguck,<br />
Alkoven <strong>und</strong> Spielplatz<br />
ein. Und sie malt wechselnde Schattenbilder<br />
auf die Eichendielen, wenn die<br />
Sonne durch die Dachfenster scheint.<br />
Panorama, Passpartout, Linse, Dunkelkammer<br />
– für den Deutschland-Chef von<br />
Leica hat Anja Thede fotografische Chiffren<br />
in sowohl überraschende wie höchst<br />
persönliche Architektur verwandelt. 1<br />
soFa, schaukelstuhl, panton-chair vitra. barhocker<br />
Lambert. deckeneuchten kreon. Filz daimer. waschbecken<br />
cataLano. duschabtrennung hoLSt deSign. armaturen<br />
axor/hanSgrohe. Fliesen Lamxon. schalter, dosen berker.<br />
lehmputz cLaytec. heizkörper zehnder. dachFenster<br />
roto. möbelanFertigungen eLmar buSch.<br />
informationen am heftende<br />
refuGium Steffen Keil wünschte sich einen intimes Plätzchen, in das er sich zurückziehen<br />
kann <strong>und</strong> das sich gut verdunkeln lässt – eine Erinnerung an Kindertage im Wald . Anja<br />
Thede baute ihm eine Art Hochbett unters Dach, das er über eine Treppe erreicht. Das<br />
Haus im Haus ist mit Filz überzogen. Das weiche, mit Wärme assoziierte Kleid, steigert den<br />
Alkoven-charakter des Schlafplatzes, gleichzeitig bildet es einen Kontrast zur Eisenbrücke.<br />
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