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Magazin-2018-2

Das Magazin erscheint vier Mal im Jahr und stellt unsere Partnerorganisationen und Länderprogramme vor. Wir gewähren Einblick in unsere Themenschwerpunkte und zeigen wie wir arbeiten. Zudem beziehen wir im Magazin Stellung zu Fragen der Entwicklungszusammenarbeit und präsentieren unsere aktuelle Inlandarbeit.

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Tansania:<br />

mit Nelico auf<br />

der richtigen<br />

Frequenz<br />

gegen Gewalt<br />

Nr. 2 | Juni <strong>2018</strong>


MEINUNG<br />

Machtmissbrauch<br />

keine Chance<br />

bieten<br />

Franziska Lauper Geschäftsleiterin terre des hommes schweiz<br />

Den schönen Begrifflichkeiten von Partnerschaft und<br />

Zusammenarbeit zum Trotz: Unsere Branche ist von<br />

einem grundsätzlichen Machtverhältnis geprägt.<br />

Hier das Geld und das Sagen, dort das Empfangen<br />

und Ausführen. Wer in diesem Umfeld agiert, muss die<br />

Fähigkeit haben, die eigene Machtposition immer<br />

wieder zu überdenken. Erst recht in einer Organisation,<br />

die mit Kindern und Jugendlichen arbeitet.<br />

Wir haben bereits vor Jahren Richtlinien erlassen,<br />

um für Kinder und Jugendliche in unseren Projekten<br />

ein möglichst sicheres Umfeld zu schaffen.<br />

Dazu gehören Verhaltensvorgaben für unser Team<br />

sowie für unsere Partnerorganisationen. Mit unserer<br />

psychosozialen und partizipativen Arbeit stärken<br />

wir zudem die Kinder und Jugendlichen, aus<br />

der Opferrolle herauszukommen, übergriffiges Verhalten<br />

zu erkennen und sich dagegen zu wehren.<br />

Nachdem die #MeToo- zur #AidToo-Debatte wurde<br />

und Machtmissbrauch durch sexuelle Übergriffe von<br />

Hilfswerkmitarbeitern auf von ihrer Unterstützung<br />

Abhängige bekannt wurden, haben wir unsere eigenen<br />

Richtlinien und Verfahren erneut überprüft und<br />

sie explizit um den Schutz vor sexueller Gewalt an<br />

Frauen ergänzt. Verhaltensrichtlinien und Sanktionsmassnahmen<br />

sind absolut wichtig und notwendig.<br />

Ich bin jedoch überzeugt, dass sich Machtmissbrauch<br />

nur durch eine gelebte Unternehmenskultur eindämmen<br />

lässt. Dazu gehören: ein Management, das<br />

neben ökonomischer Effizienz klar für Werte wie Respekt,<br />

Gleichwertigkeit und Verantwortung einsteht;<br />

starke, wachsame Teams und eine ausgeglichene<br />

Vertretung durch Männer und Frauen auf allen Hierarchiestufen.<br />

In eigener Sache<br />

Unser Jahr 2017<br />

im Rückblick<br />

st. 2017 war für uns ein Jahr mit einigen<br />

wichtigen Neuausrichtungen und<br />

Änderungen. Wenn Sie gerne mehr dazu<br />

wissen wollen, was terre des hommes<br />

schweiz in diesem Jahr erreicht hat, was<br />

uns freute oder beschäftigte, dann werfen<br />

Sie doch einen Blick in unseren<br />

Jahresbericht und unsere Jahresrechnung<br />

2017.<br />

> Jahresbericht und -rechnung finden Sie unter:<br />

www.terredeshommesschweiz.ch/jahresbericht<br />

> Bestellen Sie über:<br />

redaktion@terredeshommes.ch<br />

Aus dem Inhalt<br />

Vermischtes aus den Ländern 3<br />

Tansania: Per Radio direkt ins<br />

Ohr und das Bewusstsein der<br />

Menschen<br />

Interview mit Abubakar<br />

Mutoka Balibanga<br />

zu geschlechtsspezifischer<br />

Gewalt in Tansania<br />

Gewalt in Brasilien:<br />

«Sie werden uns nicht zum<br />

Schweigen bringen!»<br />

Interview mit Silvio<br />

Glanzmann und das<br />

tschutti heftli <strong>2018</strong><br />

4 – 6<br />

7<br />

8 – 9<br />

10<br />

Vermischtes 11<br />

Nachgehakt 12<br />

2<br />

magazin Juni <strong>2018</strong>


VERMISCHTES AUS DEN LÄNDERN<br />

Peru und El Salvador<br />

Mit Ausbildung und Qualität zu besserem Einkommen<br />

jj. terre des hommes schweiz fördert in<br />

einigen Projektländern Jugendliche<br />

und junge Erwachsene mit Ausbildungen<br />

und finanzieller Unterstützung,<br />

damit sie ein besseres Einkommen erzielen<br />

können. Nun zeigen besonders<br />

die Zahlen aus Peru und El Salvador,<br />

wie erfolgreich diese Projekte sind.<br />

2016 erzielten dort 236 Jugendliche mit<br />

Unterstützung der verschiedenen Projekte<br />

ein durchschnittliches monatliches<br />

Einkommen von 102 Franken. Im<br />

folgenden Jahr waren es nicht nur 5.5<br />

Prozent Jugendliche mehr (249), sie verdienten<br />

mit 116.50 Franken im Schnitt<br />

auch ganze 14 Prozent mehr.<br />

Ihr Einkommen erwirtschaften die<br />

Jugendlichen mit kleinen Mikrounternehmen<br />

– etwa als Maurer, Coiffeuse,<br />

Schlosser oder im Gemüsebau und der<br />

Kleintierhaltung. In unseren Projekten<br />

erhalten sie dazu eine Kurzausbildung,<br />

einen Zuschuss zum Startkapital<br />

sowie – und das ist besonders<br />

wichtig – eine konstante technische<br />

Beratung und Begleitung durch unsere<br />

Partnerorganisationen. So können<br />

die Jungunternehmer Stück für<br />

Stück die Qualität ihrer Produkte ver-<br />

bessern und auch bessere Marktbedingungen<br />

aushandeln.<br />

Qualität wichtiger als Masse<br />

Das Beispiel Peru und die aufgeschlüsselten<br />

Zahlen für 2016 und 2017 belegen,<br />

dass das gestiegene Einkommen in erster<br />

Linie auf die höhere Qualität der<br />

Produkte und einem damit einhergehenden<br />

besseren Preis zurückzuführen<br />

ist und nur in geringem Umfang auf eine<br />

grössere Produktionsmenge. So verbesserten<br />

26 Meerschweinchenhalter ihr<br />

Einkommen von 84 auf 96 Franken –<br />

und das trotz schwerer Unwetter, die<br />

die Stallungen unter Wasser setzten und<br />

einen erheblichen Teil des Tierbestandes<br />

vernichteten. Die Produktionsmenge<br />

war so kleiner als im Vorjahr.<br />

Der Schaden wurde jedoch durch die<br />

bessere Haltung, bessere Verarbeitung<br />

und somit einem besseren Preis für die<br />

verbliebenen Tiere ausgeglichen.<br />

Besonders beeindruckend ist der Zuwachs<br />

des gesamten generierten Einkommens<br />

der Jugendlichen im ländlichen<br />

El Salvador, das um 34 Prozent<br />

zunahm. Diese Steigerung ergab sich<br />

durch die Zunahme bei bereits beste-<br />

henden Einkommen um 16 Prozent sowie<br />

der Gründung von 17 neuen Mikrounternehmen.<br />

Mit ihren Kleinunternehmen<br />

bestreiten die Jungunternehmenden<br />

50 bis 75 Prozent ihres Lebensunterhaltes.<br />

Den Rest erarbeiten<br />

sie als Kleinbauern und mit Gelegenheitsjobs.<br />

So tragen die Mikrounternehmen<br />

wesentlich dazu bei, ihre Lebenssituation<br />

zu verbessern.<br />

> Mehr zu den Projekten zu Bildung und Einkommen:<br />

www.terredeshommesschweiz.ch/ausbildung<br />

Nicaragua<br />

Anhaltende Unruhen trotz massiver Staatsgewalt<br />

st./ah. Seit zwei Monaten ist Nicaragua<br />

im Ausnahmezustand: Zwischen der<br />

Bevölkerung und der sandinistischen<br />

Regierung von Präsident Daniel Ortega<br />

finden heftige Auseinandersetzungen<br />

statt. Allen voran Jugendliche,<br />

Studentinnen und Studenten, soziale<br />

Bewegungen wie die Frauenbewegung,<br />

aber auch andere Gruppierungen wie<br />

der Unternehmerverband protestieren<br />

immer wieder zu Tausenden auf der<br />

Strasse gegen das Regime Ortegas. Dieses<br />

geht mit massiver Polizei- und Militärgewalt<br />

gegen die friedlich Demonstrierenden<br />

vor und blockiert die freie<br />

Berichterstattung durch die Medien.<br />

Bis Mitte Mai forderten die Auseinandersetzungen<br />

laut der Interamerikanischen<br />

Menschenrechtskommission 76<br />

Todesopfer und gegen 900 Verletzte.<br />

Ausgelöst wurden die Proteste durch<br />

eine geplante Rentenreform, welche<br />

die Rente von Pensionärinnen und Pensionären<br />

kürzen und zugleich die Beiträge<br />

der Arbeitenden und Unternehmen<br />

erhöhen wollte. Das brachte das<br />

Fass zum Überlaufen. Die Menschen<br />

empfinden das Vorgehen der Regierung<br />

Ortega als Verrat an der Revolution<br />

von 1979, mit der die sandinistische<br />

Befreiungsfront FSLN den Diktator<br />

Anastasio Somoza stürzte, der für<br />

Korruption und massive Menschenrechtsverletzungen<br />

verantwortlich war.<br />

Nun zeichnet sich die sandinistische<br />

Regierung zunehmend selbst durch<br />

Korruption aus und geht mit gleicher<br />

Gewalt gegen die Bevölkerung vor.<br />

Deshalb geht es vielen Protestierenden<br />

nun längst nicht mehr nur um die<br />

Rentenreform, diese hat Ortega in der<br />

Zwischenzeit zurückgezogen. Sie protestieren<br />

weiter gegen Unterdrückung<br />

und Korruption, für Pressefreiheit und<br />

ein sofortiges Ende der Gewalt. Viele<br />

fordern sogar den Rücktritt Ortegas.<br />

Diesen Forderungen ist er bis Redaktionsschluss<br />

nicht nachgekommen.<br />

> Infos zu unseren Projekten in Nicaragua:<br />

www.terredeshommesschweiz.ch/nicaragua<br />

magazin Juni <strong>2018</strong><br />

3


TANSANIA: NELICO<br />

Per Radio direkt ins Ohr und<br />

das Bewusstsein der Menschen<br />

In der Region Geita, im Norden Tansanias, ist Gewalt allgegenwärtig. Ihre Opfer<br />

sind sehr oft Kinder, Mädchen und Frauen. Mit wiederholten Radio- und<br />

Fernsehauftritten schafft es unsere Partnerorganisation Nelico erfolgreich<br />

das Thema der geschlechtsspezifischen Gewalt einem breiten Publikum nahe<br />

zu bringen und eine öffentliche Diskussion dazu in Gang zu bringen.<br />

Text Sascha Tankerville<br />

Amidha Kowu hat<br />

ihren Lebensmut<br />

wiedergefunden,<br />

so dass sie nun ihren<br />

Schulabschluss<br />

machen kann .<br />

125 000<br />

Menschen hören Nelicos<br />

Radiosendungen zur<br />

Gewalt gegen Mädchen<br />

und Frauen


«Das Interesse an unseren<br />

Radiosendungen zu Gewalt<br />

gegen Frauen, Mädchen<br />

und Kinder ist oft überwältigend»,<br />

sagt Nelico-Direktorin<br />

Paulina Alexander (vorne<br />

links).<br />

Es ist stickig und eng im Studio des Lokalradios<br />

Storm FM, dem Sender, der die Region Geita im<br />

Norden Tansanias jeden Tag mit lokalen Nachrichten<br />

und informativen Hintergrundsendungen versorgt.<br />

Dicht gedrängt berichten an diesem Tag acht<br />

Frauen, Mädchen und Jungen von ihren Gewalterfahrungen<br />

und geben den Zuhörern Auskunft und<br />

Beratung zum Umgang mit geschlechtsspezifischer<br />

Gewalt (gender based violence, GBV). Es ist eine von 35<br />

Sendungen, die unsere Partnerorganisation Nelico<br />

(New Light Children Center Organization) zu GBV<br />

letztes Jahr im Lokalradio durchführen durfte.<br />

Daneben hatte Nelico auch die Gelegenheit, das<br />

Thema im lokalen Fernsehen öffentlich zur Sprache<br />

und ins Bild zu bringen.<br />

Information und publikumsnahe Beratung<br />

Regelmässig tauschen sich in diesen Programmen<br />

Sozialarbeiterinnen, Polizeibeamte, Anwältinnen,<br />

Gemeindevertreter sowie Überlebende<br />

über verschiedene GBV-betreffende Themen aus.<br />

Die Moderatoren stellen gezielte Fragen, auf die<br />

dann jeweils die Teilnehmenden zu ihrem Fachbereich<br />

antworten. Während der Sendungen kann<br />

das Publikum anrufen oder sich per Facebook,<br />

Twitter oder Instagram melden. Sie berichten dabei<br />

von eigenen Erlebnissen, lassen sich beraten,<br />

wie sie sich in einen Fall von GBV verhalten sollten,<br />

wie sie ein Opfer unterstützen können oder<br />

wo sie Hilfe finden. Und das Programm kommt an.<br />

«Es kommen immer sehr viele Anrufe, manchmal<br />

kommen wir mit dem Beantworten kaum<br />

nach», berichtet Nelico-Direktorin Paulina Alexander.<br />

540 Kontakte zählte Nelico letztes Jahr alleine<br />

aufgrund der Sendungen. Die breite Palette<br />

der Fragen, die eingehen, sind ein weiteres Indiz<br />

für das öffentliche Interesse. Manchmal wollen die<br />

Fragenden schlicht wissen, was GBV eigentlich ist.<br />

Denn das Bewusstsein, möglicherweise selbst geschlechtsspezifischer<br />

Gewalt ausgesetzt worden<br />

zu sein, wird oft erst durch die Sendungen geweckt.<br />

Sonst reichen die Anfragen von ganz konkreten<br />

Hilfsanfragen wie «wo und wie kann ich einen Fall<br />

melden» oder «was kann unsere Gemeinde tun, um<br />

GBV abzubauen» bis hin zur gesellschaftlichen Auseinandersetzungen<br />

darüber, wie GBV die Entwicklung<br />

des Landes beeinträchtigt oder warum der<br />

Einsatz gegen GBV nicht im Konflikt zu den Traditionen<br />

einer Gemeinde zu stehen braucht.<br />

Radio – billig und für alle verfügbar<br />

Die Sendungen sind für Nelico ein wichtiges Instrument,<br />

um die Bevölkerung zu erreichen. Denn viele<br />

Menschen können sich keinen regelmässigen Internetzugang<br />

leisten. Aber so gut wie alle hören Radio,<br />

da es neben dem lokalen Fernsehen das einzige<br />

Medium ist, das täglich regionale Nachrichten<br />

bringt. In den ländlichen Gebieten nehmen die Leute<br />

das Radio mit aufs Feld oder in den Garten und<br />

hören die Sendungen während der Arbeit. Ausserdem<br />

kann das Gerät mit Solarzellen oder Batterien<br />

betrieben werden, was das Radio für fast jeden<br />

erschwinglich macht. Entsprechend ist das<br />

Radio in der Region Geita sehr populär.<br />

So schafft es Nelico, pro Sendung gut 50 Bezirke<br />

der Region Geita, potenziell etwa 125 000 Menschen,<br />

mit Informationen über GBV zu erreichen<br />

und eine öffentliche Diskussion zu den verschiedenen<br />

Themen im Zusammenhang mit GBV in<br />

Gang zu bringen. Mit den Fernsehsendungen erreichen<br />

sie zudem 5 Bezirke, gut 12 500 Zuschauerinnen<br />

und Zuschauer.<br />

magazin Juni <strong>2018</strong><br />

5


TANSANIA: NELICO<br />

Die Ausbeutung von Mädchen<br />

ist in Tansania alltägliche<br />

Realität. Zusammen mit Nelico<br />

stärken wir sie, so dass sie<br />

trotzdem ihren eigenen Weg<br />

gehen können.<br />

Ein Beispiel, welch grosse Bedeutung das Radioprogramm<br />

für das Leben von Opfern geschlechtsspezifischer<br />

Gewalt hat, ist Amidha Kovu*. An diesem<br />

Tag ist die 17-Jährige im Studio dabei. «Dass<br />

ich die Kraft dazu habe, hier öffentlich meine Geschichte<br />

zu erzählen, verdanke ich der Unterstützung<br />

von Nelico», sagt sie. Früher lebte sie mit ihren<br />

jüngeren Geschwistern unter sehr ärmlichen Verhältnissen<br />

bei ihrem Onkel auf dem Land. Sie ging<br />

als einzige zur Schule. Um etwas Geld dazu zu<br />

verdienen, suchte sie aber häufig mit ihren Geschwistern<br />

im Wald nach Feuerholz, das sie weiterverkaufen<br />

konnten. An einer dieser Ausflüge<br />

wurde sie 2016 überfallen und vergewaltigt. Von<br />

ihren Geschwistern, die flüchten konnten, alarmiert,<br />

fand ihr Onkel sie und brachte sie ins Spital<br />

in Geita. Von dort aus konnte sie Nelicos Help Line<br />

für GBV-Betroffene kontaktieren.<br />

Lebensverändernde Help-Line<br />

Seither unterstützt Nelico Amidha Kovu. In der<br />

ersten Zeit war sie stark traumatisiert und verängstigt<br />

und konnte fast nicht aufhören zu weinen.<br />

Doch mit der psychosozialen Unterstützung<br />

von Nelico erholte sie sich soweit, dass sie es mit<br />

juristischer Beratung unserer Partnerorganisation<br />

schaffte, den Täter anzuzeigen – er sitzt heute im<br />

Gefängnis. «Momentan lebe ich in einem Internat,<br />

wo ich meinen Sekundarschulabschluss machen<br />

kann», erzählt Amidha Kovu, mehr entschlossen<br />

denn je, sich nicht unterkriegen zu lassen.<br />

*Name geändert<br />

> Zum Projekt Nelico erfahren Sie hier mehr unter:<br />

www.terredeshommesschweiz.ch/nelico<br />

Starker Einsatz in einem schwierigen Umfeld<br />

st. Nelico (New Light Children Center Organization)<br />

wurde 1993 gegründet und wird seit 2007 von<br />

terre des hommes schweiz unterstützt. Der Geita-<br />

Distrikt im Norden Tansanias ist rohstoffreich und<br />

Standort zahlreicher kleiner und einer der grössten<br />

Goldminen in Ostafrika. Die Zuwanderung sorgt<br />

in der Region für sozial extrem instabile Verhältnisse.<br />

Angezogen von der Möglichkeit in den Minen<br />

Arbeit zu finden, kommen Menschen aus dem<br />

ganzen Land in die Region – darunter auch viele<br />

Minderjährige, die aber offiziell von den Minenbetreibern<br />

nicht angestellt werden dürfen. In der Folge<br />

schuften hier viele Kinder und Jugendliche unter<br />

illegalen, lebensgefährlichen und ausbeuterischen<br />

Verhältnissen. Die sexuelle Ausbeutung von<br />

Kindern, Mädchen und Frauen ist alltägliche Realität.<br />

In diesem Kontext arbeitet Nelico in 15 Bezirken<br />

(insgesamt rund 37 500 Einwohner) unter anderem<br />

zur Thematik der geschlechtsspezifischen Gewalt.<br />

Dabei begleitet die Organisation jährlich gut 600<br />

HIV/Aids-betroffene Kinder und Jugendliche mit<br />

psychologischer und medizinischer Hilfe sowie<br />

Schulstipendien. Ausserdem leistet sie für rund<br />

800 Personen, die sich keinen Anwalt leisten können,<br />

darunter viele Jugendliche, kostenlose Rechtsberatung.<br />

Und nicht zu unterschätzen ist die Wirkung<br />

der erfolgreichen Informations- und Medienkampagnen<br />

von Nelico – wie beispielsweise die<br />

Radio- und Fernsehsendungen – zu verschiedenen<br />

Themen, vom Schutz für Albinos bis zur Prävention<br />

von sexuell übertragbaren Krankheiten.<br />

6 magazin Juni <strong>2018</strong>


INTERVIEW<br />

«Im Kampf gegen geschlechtsspezifische<br />

Gewalt liegt noch ein langer Weg vor uns»<br />

Abubakar Mutoka Balibanga, als<br />

OPY (Officer for Psychosocial Support<br />

and Youth Participation) begleiten<br />

Sie in Tansania unter anderem Projekte<br />

wie Nelico zu geschlechtsspezifischer<br />

Gewalt (GBV). Welche Bedeutung<br />

hat diese Gewalt für Tansania?<br />

Geschlechtsspezifische Gewalt ist in<br />

Tansania weitverbreitet. Statistiken zeigen,<br />

dass über 40 Prozent der Frauen<br />

ab dem Alter von 15 Jahren schon GBV<br />

erlebt haben. Die Statistiken zu Genitalbeschneidungen,<br />

Frühverheiratung,<br />

häuslicher und sexueller Gewalt sowie<br />

Vergewaltigung zeichnen ein sehr ernstes<br />

Bild der Situation.<br />

Welche Folgen hat diese Gewalt für<br />

die Entwicklung von Tansania?<br />

GBV schränkt die Fähigkeit der Frauen<br />

und Mädchen stark ein, zur Entwicklung<br />

des Landes beizutragen. Sie ist zum<br />

Beispiel Ursache ernster Gesundheitsprobleme,<br />

wie unerwünschte Schwangerschaften,<br />

eine hohe Müttersterblichkeit<br />

oder die weite Verbreitung von HIV/-<br />

Aids. So kommt es, dass alle Menschen<br />

in Tansania in irgendeiner Weise mit<br />

den Folgen von GBV leben müssen.<br />

terre des hommes schweiz engagiert<br />

sich für Jugendliche. Wie sind sie davon<br />

betroffen?<br />

Tansania hat eine sehr junge Bevölkerung.<br />

Nur gerade 30 Prozent der Gesamtbevölkerung<br />

ist über 35 Jahre alt.<br />

Der Rest ist jünger, 35 Prozent sind sogar<br />

unter 10 Jahre alt. Das bedeutet,<br />

dass die meisten Fälle von GBV auch<br />

Jugendliche und junge Erwachsene<br />

betreffen.<br />

Ein OPY begleitet die Partnerorganisationen<br />

bei der Anwendung der<br />

psychosozialen Unterstützung (PSS),<br />

des lösungsorientierten Ansatzes (SFA)<br />

und der Jugendpartizipation (JP) in<br />

den Projekten. Wie wichtig sind diese<br />

Ansätze und Methoden in der Arbeit<br />

mit den Jugendlichen?<br />

Jugendpartiziation ermöglicht es uns, einen<br />

sicheren Raum zu schaffen, in dem<br />

es für die Jugendlichen einfach ist über<br />

GBV zu sprechen. Dort ist Raum für eine<br />

Sprache, die sie verstehen, und wo es<br />

«Jugendliche können zur Lösung der gesellschaftlichen Probleme viel beitragen.»<br />

keine Scham gibt, Sachen klar zu benennen.<br />

Zudem stärken wir die Partnerschaft<br />

zwischen Älteren und Jüngeren.<br />

Wir zeigen auf, dass das, was die Jugendlichen<br />

in unseren Projekten tun, nicht<br />

nur ihnen selbst etwas bringt, sondern<br />

der ganzen Gemeinschaft. Sie zeigen,<br />

dass sie zur Lösung der gesellschaftlichen<br />

Probleme viel beitragen können.<br />

Wissen die Jugendlichen überhaupt,<br />

dass sie diese Fähigkeiten haben?<br />

Gerade von GBV betroffene Jugendliche<br />

glauben oft, dass sie nichts können und<br />

nutzlos sind. Da kommen PSS und SFA<br />

ins Spiel: Sie erlauben es uns, in der Arbeit<br />

mit ihnen, ihre Stärken zu erkennen<br />

und weiter zu entwickeln.<br />

Manchmal entsteht der Eindruck, dass<br />

sich trotz des Einsatzes von terre des<br />

hommes schweiz in Tansania wenig<br />

verändert – wie beispielsweise wenn<br />

der Präsident schwangeren Mädchen<br />

den Schulgang verbietet…<br />

Das stimmt so nicht. Es gibt wirklich<br />

einige gute Entwicklungen. Es wurden<br />

Gesetze und Regierungsprogramme geschaffen,<br />

die versuchen GBV einzudämmen<br />

und zu regulieren. Manchmal passiert<br />

es aber, dass ein Führer sich entscheidet<br />

in die entgegengesetzte Richtung<br />

zu gehen. Das bedeutet aber nicht,<br />

dass das Land als Ganzes keine Fortschritte<br />

macht. Ich sehe das eher als Herausforderung:<br />

Wir stehen im Kampf<br />

gegen GBV erst am Anfang. Es liegt noch<br />

ein langer Weg vor uns. Aber wir arbeiten<br />

hart daran, Wege zu finden, wie wir<br />

das ändern können.<br />

Das Interview führte Sascha Tankerville<br />

> Das vollständige Interview unter:<br />

www.terredeshommesschweiz.ch/abubakar<br />

Kurz vorgestellt Abubakar Mutoka<br />

Balibanga ist seit einem Jahr unser<br />

OPY (Officer for Psychosocial Support<br />

and Youth Participation) in Tansania.<br />

Als Fachverantwortlicher für unsere<br />

Arbeitsmethoden der psychosozialen<br />

Unterstützung und der Jugendpartizipation<br />

begleitet und bildet er<br />

die Projektverantwortlichen unserer<br />

Partnerorganisationen aus,<br />

welche direkt mit den Jugendlichen<br />

arbeiten. Er bietet ihnen Trainings<br />

an und vermittelt ihnen konkrete<br />

Methoden zur Arbeit mit besonders<br />

verletzlichen Jugendlichen. Bevor<br />

Abubakar Mutoka Balibanga zu terre<br />

des hommes schweiz wechselte, war<br />

der Sozialarbeiter und Psychologe<br />

bei der Frauenrechtsorganisation<br />

Womens Promotion Centre für die<br />

Umsetzung von Projekten gegen<br />

geschlechtspezifische Gewalt<br />

zuständig.<br />

> Mehr zu unseren OPYs:<br />

www.terredeshommesschweiz.ch/opy<br />

magazin Juni <strong>2018</strong> 7


ENTWICKLUNGSPOLITIK: WELTSOZIALFORUM<br />

«Sie werden uns nicht zum<br />

Schweigen bringen!»<br />

Die Ermordung der Menschenrechts-Aktivistin Marielle Franco traf die<br />

Mitglieder unserer brasilianischen Partnerorganisationen wie ein Schlag<br />

ins Gesicht. Sie diskutierten am Weltsozialforum über Massnahmen zur<br />

Gewaltprävention, als sie davon erfuhren. Sie fühlen sich gefährdet,<br />

lassen sich aber trotzdem nicht einschüchtern.<br />

Text Andrea Zellhuber<br />

Eine Schockwelle ging durch das Weltsozialforum<br />

in Salvador da Bahia, als sich die Nachricht von der<br />

Ermordung der Stadträtin Marielle Franco in Rio de<br />

Janeiro wie ein Lauffeuer verbreitete. Veranstaltungen<br />

wurden abgesagt, um Protestmärsche zu organisieren.<br />

Überall fassungslose Gesichter. Noch am<br />

Vortag hatten Aktivistinnen und Aktivisten in Workshops<br />

und Debatten nach gemeinsamen Strategien<br />

für Wege aus der Gewaltkrise gerungen. Die Ermordung<br />

der Vorkämpferin gegen Polizeigewalt und<br />

Diskriminierung machte allen bewusst: Engagement<br />

für Menschenrechte ist in Brasilien lebensgefährlich.<br />

«Ich fühle mich heute selber tot. Es könnte<br />

mich genauso treffen», brachte es eine Aktivistin<br />

der Schwarzenbewegung auf den Punkt.<br />

Die Stadträtin Marielle Franco war in der Nacht<br />

vom 14. März zusammen mit ihrem Fahrer Anderson<br />

Gomes auf der Rückfahrt von einer Veranstaltung<br />

für die Rechte schwarzer Jugendlicher in<br />

Zeichen gegen Gewalt und Rassismus setzen<br />

az. Vom 13. bis 17. März fand in Salvador da Bahia, das Weltsozialforum<br />

(WSF) unter dem Motto Widerstand leisten heisst Aufbauen,<br />

Widerstand leisten heisst Transformieren statt. Rund 60 000 Teilnehmende<br />

aus 120 Ländern diskutierten an 1300 Veranstaltungen,<br />

Workshops und Foren Strategien des sozialen Wandels und<br />

den Umgang mit den Herausforderung unserer Zeit.<br />

terre des hommes schweiz organisierte auf dem WSF ein<br />

internationales Jugend-Camp. In Workshops tauschten sich die<br />

Jugendlichen darüber aus, was sie konkret in ihren Projekten<br />

gegen Gewalt und Rassismus unternehmen, und vernetzten<br />

sich. Trotz der schwierigen politischen Lage in Brasilien schöpften<br />

sie Mut: «Das Forum war für mich eine Energie- und Motivationsspritze.<br />

Es ist total ermutigend, so viele Menschen aus<br />

der ganzen Welt zu treffen, die das gleiche Ziel haben: für eine<br />

bessere Welt zu kämpfen», fasste Toinho Cristiano von unserer<br />

Partnerorganisation Centro Sabia seine Eindrücke zusammen.<br />

der Innenstadt von Rio de Janeiro in ihrem Auto<br />

erschossen worden. Die Ermittler gehen von einem<br />

politischen Attentat aus. Marielle Franco hatte<br />

zuletzt vor allem die ausufernde Polizeigewalt<br />

scharf kritisiert. Seit Jahren prangerte sie die massenhafte<br />

Ermordung von Jugendlichen in den Armenvierteln<br />

an.<br />

Alternativen zur Gewalt<br />

Der Fall Marielle Franco ist alles andere als ein Einzelfall,<br />

er ist die Spitze des Eisberges einer durch<br />

soziale Konflikte und Spannungen zerrissenen Gesellschaft,<br />

in der tödliche Gewalt normal geworden<br />

ist. Im Jahr 2017 stellte das Land einen neuen<br />

Negativrekord auf: 61 000 Menschen wurden ermordet.<br />

70 Prozent davon waren schwarze Jugendliche<br />

aus den Favelas. Der Staat ist mit dem Ausmass<br />

der Gewalt völlig überfordert und setzt vor allem<br />

auf repressive Massnahmen. In keinem anderen<br />

Land sind die staatlichen Sicherheitskräfte für so<br />

viele Tötungen verantwortlich wie in Brasilien.<br />

Dabei gäbe es so viele innovative Ansätze, wie man<br />

Auf verschiedenen<br />

Socialmediakanälen<br />

machen<br />

die Jugendlichen<br />

von CIPÓ und<br />

GCASC auf die<br />

Übergriffe durch<br />

die Polizei aufmerksam.<br />

8 magazin Juni <strong>2018</strong>


der grassierenden Gewalt in den Favelas mit Präventionsprogrammen<br />

begegnen kann. Unsere Partnerorganisationen<br />

CIPÓ (Comunicação Interativa)<br />

und GCASC (Grupo Comunidade Assumindo Suas Crianças)<br />

haben seit Jahren wirksame Ansätze entwickelt,<br />

wie in benachteiligten Quartieren der soziale<br />

Zusammenhalt so gestärkt werden kann, dass<br />

der Drogenhandel nicht die Oberhand gewinnt.<br />

Die Organisation GCASC aus Recife macht eine beeindruckende<br />

Quartiersarbeit mit Jugendgruppen<br />

und Müttern, deren Söhne ermordet wurden. Sie<br />

dokumentieren die Lebensgeschichten der Ermordeten<br />

und nutzen diese für Sensibilisierungsarbeit<br />

in Schulen und in der Gemeinde. Die wichtige Botschaft:<br />

Es darf nicht zur Normalität werden, dass<br />

so viele schwarze Jugendliche ermordet werden.<br />

Anhand konkreter Beispiele machen sie deutlich,<br />

wie die staatliche Vernachlässigung ihrer Favela<br />

für die Ursachen der Gewalt verantwortlich ist.<br />

Im Programm von CIPÓ in Salvador lernen Jugendliche,<br />

wie sie sich in politischen Gremien<br />

Gehör verschaffen und auf die staatliche Gewaltpräventionspolitik<br />

Einfluss nehmen können. Sie<br />

setzen sich mit den zugrunde liegenden gesellschaftlichen<br />

und historischen Ursachen der Gewalt<br />

auseinander und dokumentieren mit selbst<br />

produzierten Filmen, Radiobeiträgen und Artikeln<br />

die Situation in ihren Favelas. Dabei machen<br />

sie auch auf die Übergriffe der Polizei aufmerksam.<br />

Denn schwarze Jugendliche werden in den<br />

Favelas sehr häufig auch ohne Anhaltspunkte für<br />

ein Fehlverhalten verdächtigt. Es gehört für sie<br />

zum Alltag, als potentielle Kriminelle abgestempelt<br />

zu werden.<br />

Leider fehlt bisher der politische Wille, diese<br />

innovativen Ansätze in grösserem Massstab zu<br />

unterstützen. Deshalb werden unsere Partnerorganisationen<br />

nicht müde, in ihren Regionen Lobby-Arbeit<br />

zu leisten. CIPÓ konnte kürzlich in dieser<br />

Hinsicht einen grossen Erfolg erringen: Die Or-<br />

ganisation erreichte, dass im Parlament des Bundesstaates<br />

Bahia eine Anhörung stattfand, an der<br />

die Jugendlichen ihre Ansätze von Gewaltprävention<br />

präsentieren konnten. Sie erklärten den Parlamentarierinnen<br />

und Parlamentariern, dass für<br />

wirkungsvolle Gewaltprävention vor allem mehr<br />

gezielte Bildungs- und Sozialprogramme nötig<br />

sind. Ihre Botschaft war klar «Wir wollen aufrütteln!<br />

Der Preis der staatlichen Vernachlässigung<br />

ist mein Leben!»<br />

Widerstand ist gewachsen<br />

Die Ermordung Marielle Francos, die auch international<br />

Wellen schlug, war der bisherige Höhepunkt<br />

der Gewalteskalation. Eine wichtige Stimme<br />

im Kampf gegen Rassismus und soziale Ausrenzung<br />

ist gewaltsam zum Schweigen gebracht<br />

worden. Doch die bespiellose Protestwelle und die<br />

Massendemonstrationen zeigen: Die Favela-Bewegungen<br />

und Menschenrechtsaktivisten lassen sich<br />

nicht einschüchtern. Sie haben einen grossen Rückhalt<br />

in der Bevölkerung. Der Widerstand gegen die<br />

ausufernde Gewalt geht vehement weiter. Und auch<br />

unsere Partnerorganisationen setzen ihre Arbeit,<br />

die wichtiger denn je ist, trotz der spürbaren Bedrohungen<br />

ungemindert fort. Eduardo Machado<br />

von der Organisation CIPÓ formuliert es so: «Es<br />

fühlt sich an wie in den Zeiten der Diktatur. Doch<br />

wir lassen uns nicht zum Schweigen bringen. Die<br />

Ideale und Ziele, die Marielle vertreten hat, leben<br />

in uns allen fort. Stärker denn je!»<br />

> Das Interview mit Eduardo Machado unter:<br />

www.terredeshommesschweiz.ch/wsf<br />

> Mehr zu CIPÓ:<br />

www.terredeshommesschweiz.ch/cipo<br />

>Mehr zu GCASC:<br />

www.terredeshommesschweiz.ch/gcasc<br />

Am Weltsozialforum<br />

zeigten<br />

auch Jugendliche<br />

aus unseren Projekten,<br />

dass sie<br />

die Gewalt – trotz<br />

ihrer eigenen<br />

Ängste – nicht<br />

hinnehmen.<br />

magazin Juni <strong>2018</strong> 9


TSCHUTTI HEFTLI<br />

«Wir sind Fussballverrückte und<br />

kulturelle, soziale Menschen»<br />

Silvan Glanzmann, Projektleiter Sammelbilder<br />

und Präsident des Vereins<br />

tschutti heftli, über das künstlerische und<br />

soziale Engagement der tschutti heftli-<br />

Macher.<br />

Warum begann tschutti heftli<br />

seinerzeit mit einem eigenen<br />

Sammelalbum?<br />

Als 2008 die EM in der Schweiz stattfinden<br />

sollte, wollten wir etwas Spezielles<br />

machen. Wir hatten alle früher die<br />

Paninibilder gesammelt, fanden diese<br />

aber relativ lieblos gestaltet. Da wir teilweise<br />

aus dem Grafik-/Design-Bereich<br />

kommen, fanden wir, dass wir das besser<br />

machen können. Wir fingen klein<br />

an, produzierten etwa 300 Sammelsets.<br />

Nachdem das Fernsehen darüber berichtete,<br />

wurden wir von der Nachfrage<br />

aber überrannt und produzierten<br />

schliesslich über 1000 Sets. Seither ist<br />

die Nachfrage jedes Jahr gestiegen.<br />

tschutti heftli spendet jeweils einen<br />

Teil des Erlöses karitativen Projekten<br />

oder Organisationen. Wie kam es<br />

dazu?<br />

Wir wollen mit unseren Sammelalben<br />

ganz bewusst nicht kommerziell sein.<br />

Bei den Paninibildern hatten wir das<br />

Gefühl, den Machern geht es nur um<br />

Geld. Dazu wollten wir einen Gegenpol<br />

schaffen. Die Künstler, welche die Bilder<br />

der Fussballer kreieren – jede Mannschaft<br />

wird von jemand anderem gestaltet<br />

– verzichten auf einen Lohn. So hatten<br />

wir die Idee, einen Teil der Einnahmen<br />

zu spenden. Das gibt uns auch die<br />

Möglichkeit, Fussballfans eine Stimme<br />

zu geben und zu zeigen: Wir sind Fussballverrückte,<br />

die gerne in der Kurve<br />

stehen. Zugleich sind wir aber auch kulturelle<br />

und soziale Menschen. Das gibt<br />

es im Fussball viel öfter, als es in der Öffentlichkeit<br />

oft wahrgenommen wird.<br />

Dies ist ja bereits die sechste<br />

Zusammenarbeit mit terre des hommes<br />

schweiz. Was gab den Ausschlag dafür?<br />

Uns gefällt, dass es bei unserer Zusammenarbeit<br />

übers reine Spenden hinausgeht.<br />

Es ist uns ein Anliegen, dass die<br />

unterstützten Projekte einen Bezug<br />

zum Fussball haben. Es ist aber auch<br />

gut, wenn sie einen Bezug zu übergeordneten,<br />

gesellschaftlichen und sozialen<br />

Themen haben. Das haben wir bei<br />

terre des hommes schweiz und euren Projekten<br />

sowie der Kampagne Children<br />

Win der Terre des Hommes International<br />

Federation gefunden, die sich für die<br />

Menschen- und besonders die Kinderrechte<br />

in Verbindung mit sportlichen<br />

Grossanlässen stark macht.<br />

Das Interview führte Sascha Tankerville<br />

Fussballfiebern, Kunst sammeln<br />

und spenden<br />

Diesen Monat startet die Fussball-<br />

WM in Russland. Aus diesem Anlass<br />

gibt tschutti heftli dem Fussball, bzw.<br />

Fussballern, wiederum ein künstlerisches<br />

Gesicht: Seit 2008 gibt das Team<br />

dieses Vereins zu den Welt- und Europameisterschaften<br />

ein Sammelalbum<br />

heraus. Statt langweiliger Fussballerfotos<br />

werden jedoch kleine<br />

Kunstwerke gesammelt und eingeklebt,<br />

denn jede Mannschaft wurde<br />

von Kunstschaffenden gestaltet. Einen<br />

Teil des Erlösses spendet tschutti<br />

heftli jeweils einer karitativen Organisation.<br />

So ist terre des hommes schweiz<br />

zur diesjährigen WM nun bereits zum<br />

sechsten Mal Partner von tschutti<br />

heftli. Von jeder verkauften Tüte erhalten<br />

wir 10 Rappen. 2014 kamen<br />

zur WM in Brasilien 15 000 Franken<br />

und zur EM 2016 in Frankreich sogar<br />

18 000 Franken zusammen.<br />

Mit dem Erlös werden Projekte unterstützt,<br />

die mit Sport arbeiten, um Jugendliche<br />

zu erreichen, die am Rande<br />

der Gesellschaft stehen. Dieses Jahr<br />

geht die Spende an Projekte in Südafrika<br />

und Zimbabwe. Hier leiden HIV-positive<br />

Jugendliche oft nicht nur unter<br />

der eigentlichen Erkrankung, sondern<br />

besonders auch unter der Stigmatisierung<br />

durch die Gesellschaft. Sport, speziell<br />

Fussball, kann eine entscheidende<br />

Rolle spielen, Betroffene frühzeitig<br />

zu erreichen. In den Projekten lernen<br />

sie, sich und andere vor dem Virus zu<br />

schützen. Durch den Teamsport können<br />

sie zudem ein Gemeinschaftsgefühl<br />

entwickeln und erleben.<br />

Album und Sticker können im Büro von<br />

terre des hommes schweiz an der Laufenstrasse<br />

12 in Basel, online unter<br />

www.tschuttiheft.li oder an einer von<br />

schweizweit 80 Verkaufsstellen bezogen<br />

werden. Das Album für 522 Sticker kostet<br />

4 Franken, eine Tüte à zehn Sticker<br />

kostet 1.50 Franken.<br />

10 magazin Juni <strong>2018</strong>


VERMISCHTES<br />

Aufgezeichnet<br />

Ich heisse Meybel und bin<br />

9 Jahre<br />

aus Nicaragua<br />

arbeitendes Kind<br />

Bildung ändert alles.<br />

Es liegt in Ihrer Hand!<br />

Arbeitende Kinder in Nicaragua brauchen<br />

eine Chance auf ein besseres Leben. Wir<br />

helfen ihnen – durch Bildung und sinnvolle<br />

Freizeitbeschäftigung.<br />

Ob mit einer Einzelspende oder einer Patenschaft:<br />

Sie verändern Leben!<br />

Mehr Informationen erhalten Sie auf unserer<br />

Website: www.terredeshommesschweiz.ch<br />

Schweiz<br />

Erbrecht, Bacon und Giacometti<br />

sb. Die Nachfrage nach unserem Anlass Letzte Dinge regeln am 3. Mai<br />

<strong>2018</strong> war gross: 40 Personen nahmen im Restaurant Schlipf in Riehen<br />

an unserem Workshop zur Nachlassplanung teil. Unsere Geschäftsleiterin<br />

Franziska Lauper präsetierte kurz unsere Organisation<br />

und stellte das Projekt Jugendliche entwickeln Alternativen zur<br />

Migration in Nicaragua vor. Oliver Cazzonelli, Niederlassungsleiter<br />

VZ VermögensZentrum Basel, orientierte danach unterhaltsam über<br />

Erbrecht, Pflichtteile, Nachlassfähigkeit und Testament. Nach einem<br />

stärkenden Apéro spazierte die Gesellschaft dann zur Fondation<br />

Beyeler, wo ihnen von einer Austellungsführerin und einem Führer<br />

die gegensätzlichen Künstler Francis Bacon und Alberto Giacometti<br />

näher gebracht wurden.<br />

> Informationen zu Erbschaften und Beratung erhalten Sie bei Susanne Buri:<br />

susanne.buri@terredeshommes.ch<br />

Impressum<br />

magazin terre des hommes schweiz<br />

Laufenstrasse 12, Postfach, 4018 Basel<br />

Tel. 061 338 91 38, Fax 061 338 91 39<br />

www.terredeshommesschweiz.ch<br />

redaktion@terredeshommes.ch<br />

PC-Spendenkonto: 40-260-2<br />

IBAN CH18 0900 0000 4000 0260 2<br />

Erscheint 4x im Jahr / Auflage 33 800 Ex.<br />

Abonnement: jährlich CHF 5.–<br />

Redaktion: Sascha Tankerville<br />

Korrektorat: Sylvia Valentin<br />

Gestaltung: Michèle Minet<br />

Druck: Gremper AG, Pratteln<br />

Fotos, wenn nicht anders angegeben,<br />

terre des hommes schweiz.<br />

Cover: © Keystone, Sue Cunningham.<br />

S. 3.: © Keystone/EFE, Jorge Torres (unten).<br />

S. 10: tschutti heftli<br />

S. 11: Aufgezeichnet © Lukas Künzli.<br />

magazin Juni <strong>2018</strong> 11


NACHGEHAKT<br />

Null Toleranz für<br />

Korruption<br />

ah. «Wegen Korruption kommen Spenden nicht bei den<br />

Menschen an, für die sie eigentlich gedacht sind», so lautet<br />

ein häufig geäusserter Verdacht. Korruption ist ein<br />

weltweites Phänomen. Viele unserer Partnerorganisationen<br />

arbeiten in einem Umfeld, in dem sich korrupte Regierungen<br />

Gelder aneignen, die für die soziale und wirtschaftliche<br />

Entwicklung der Menschen in den Ländern<br />

von grosser Bedeutung sind. terre des hommes schweiz und<br />

ihre Partnerorganisationen verpflichten sich deshalb, aktiv<br />

gegen jegliche Form von Korruption wie der Veruntreuung<br />

von Projektmitteln, der Bevorzugung von Verwandten<br />

oder befreundeten Personen, der Bestechung, der<br />

Manipulation von Projekt- und Programmberichten oder<br />

der Nötigung und des Machtmissbrauchs vorzugehen.<br />

Dafür haben wir für unsere Mitarbeitenden strenge Richtlinien<br />

festgelegt, die auch für unsere Partnerorganisationen<br />

gelten. In den letzten Jahren bezog sich terre des<br />

hommes schweiz dabei auf die Korruptionsrichtlinien von<br />

Transparency International. Im Januar <strong>2018</strong> haben wir nun<br />

ein eigenes detaillierteres Dokument zur Korruptionsbekämpfung<br />

verabschiedetet. Dabei setzen wir vorwiegend<br />

auf Wachsamkeit, Prävention und Transparenz.<br />

Strenger Verhaltenskodex<br />

Zu unseren Antikorruptionsmassnahmen gehört, dass<br />

alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von terre des hommes<br />

schweiz einen entsprechenden Code of Conduct unterschreiben<br />

müssen. Ebenso sind unsere Partnerorganisa-<br />

tionen angehalten, einen solchen Verhaltenskodex für ihre<br />

Mitarbeitenden zu verfassen. Kommt es zu Korruption, gibt<br />

es null Toleranz.<br />

Kontinuierliche interne Kontrollen<br />

Durch interne Massnahmen im Bereich Gouvernanz, Finanzen<br />

und Personal sowie im Programmbereich (Projekte<br />

mit Partnerorganisationen im In- und Ausland) überprüfen<br />

wir kontinuierlich die korrekte Verwendung der<br />

uns anvertrauten Mittel. Mit unseren Partnerorganisationen<br />

führen wir einen offenen Dialog zu den Korruptionsrisiken<br />

in ihrem Umfeld und den damit verbundenen<br />

Hindernissen in der täglichen Projektarbeit.<br />

Meldestelle für Whistleblower<br />

Für den Verdachtsfall haben wir eine Meldestelle eingerichtet,<br />

über die Korruptionsfälle mit terre des hommes<br />

schweiz-Mitarbeitenden im In- und Ausland gemeldet werden<br />

können. Diese E-Mail-basierte Stelle (ethics@terredeshommes.ch)<br />

ermöglicht Whistleblowern die anonyme<br />

Meldung. Unsere Geschäftsleitung prüft diese umgehend<br />

und leitet die nötigen Massnahmen in die Wege. Ebenso<br />

sind unsere Partnerorganisationen verpflichtet, auch eine<br />

Art Meldesystem für Whistleblower zu schaffen.<br />

> Mehr Informationen zu unseren Korruptionsrichtlinien erhalten Sie unter:<br />

redaktion@terredeshommes.ch<br />

Mitmach-Aktion: Haftnotizen für einen guten Zweck verkaufen<br />

Möchten Sie sich mit Ihrer Schulklasse engagieren und etwas für Jugendliche in Not tun?<br />

Mit dem Erlös aus dem Haftnotizen-Verkauf stärkt terre des hommes schweiz zahlreiche Jugendprojekte<br />

in Afrika und Lateinamerika.<br />

Mach mit!<br />

Mach mit!<br />

Mach mit!<br />

Möchten Sie mehr erfahren?<br />

Schreiben Sie uns oder rufen Sie uns an:<br />

loredana.engler@terredeshommes.ch oder Telefon 061 335 91 50.<br />

Wir freuen uns auf Ihre Kontaktaufnahme!<br />

12 magazin Juni <strong>2018</strong>

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