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Diabetes Zeitung 06/18

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4 News & Fakten<br />

diabeteszeitung · 3. Jahrgang · Nr. 6 · 27. Juni 20<strong>18</strong><br />

Funktioniert die<br />

Desinfektion der<br />

Hände? Die Lage<br />

lässt sich per App<br />

gut erfassen.<br />

Fotos: iStock/TommL,<br />

fotolia/pico<br />

Mit Apps besser behandeln<br />

Aktionsbündnis Patientensicherheit<br />

fordert mehr Elan bei der Digitalisierung<br />

BERLIN. Die Chancen, aber auch die Risiken digitaler Anwendungen<br />

im Gesundheitsbereich waren Schwerpunkt auf<br />

der Jahrestagung des Aktionsbündnisses Patientensicherheit<br />

(APS). Dabei wurde deutlich: Noch bleibt die Digitalisierung in<br />

Deutschland hinter ihren Möglichkeiten zurück.<br />

Schon seit Jahren protokolliert<br />

Brigitte Rüstau auf Krankenhausstationen<br />

ihre Beobachtungen<br />

zur Händehygiene von<br />

Ärzten und Pflegern. Früher immer<br />

auf Papierbögen. „Da wollte nie jemand<br />

von den Kollegen reingucken“,<br />

berichtet die leitende Hygienefachkraft<br />

des Medizin Campus<br />

Boden see. Doch neuerdings gibt sie<br />

die Daten, welche Händedesinfektion<br />

durchgeführt wird und welche<br />

nicht, in ein Tablet ein. „Jetzt fragen<br />

ständig Kollegen, ob sie mal gucken<br />

dürfen. Viele sind dann beeindruckt,<br />

was die App alles kann.“<br />

Man sieht auf einen Blick, welche<br />

Stationen gut abschneiden<br />

Gleich zwei Vorträge bei der APS-<br />

Jahrestagung befassten sich mit<br />

Apps, die im Rahmen der Aktion<br />

„Saubere Hände“ eingesetzt werden,<br />

einer Kampagne zur Verbesserung<br />

der Compliance der<br />

Händedesinfektion in Gesundheitseinrichtungen.<br />

Zum Programm<br />

gehören Schulungen, aber auch<br />

Beobachtungen durch Hygienefachkräfte,<br />

inwiefern die Vorgaben<br />

im Alltag umgesetzt werden. „Diese<br />

Rückmeldungen sind wichtig, um<br />

Verbesserungen zu erreichen“, sagt<br />

Rüstau. Mit der neuen App gehe<br />

dies nun deutlich schneller: Morgens<br />

beobachten, in der Mittagsübergabe<br />

berichten. Zudem können die<br />

Ergebnisse in Diagrammen besser<br />

visualisiert werden. „Dadurch hat<br />

sich die Akzeptanz im Haus enorm<br />

gesteigert“, berichtet Rüstau. Mittlerweile<br />

präsentiert sie regelmäßig<br />

in der Chefarztrunde. „Und da sieht<br />

man dann eben auf den ersten Blick,<br />

welche Stationen gut abschneiden.“<br />

Über eine Schnittstelle können die<br />

Ergebnisse direkt an die Aktion<br />

„Saubere Hände“ am Institut für<br />

Hygiene und Umweltmedizin der<br />

»Rückmeldungen<br />

sind wichtig für<br />

Verbesserungen«<br />

Berliner Charité übermittelt werden.<br />

Die Experten dort berechnen dann<br />

beispielsweise, in welchen Situationen<br />

die Desinfektion in Deutschland<br />

besonders oft vergessen wird – und<br />

können ihre Aufklärungsarbeit anpassen.<br />

Programm zur Nachsorge bei<br />

einer Nierentransplantation<br />

Kurz vor der Anwendung stehe ein<br />

Programm der Charité zur Nachsorge<br />

von Patienten nach einer Nierentransplantation,<br />

vor allem im ländlichen<br />

Raum. Bisher gebe es oft das<br />

Problem, dass die Klinik nicht weiß,<br />

welche Medikamente der niedergelassene<br />

Kollege verschreibt, berichtet<br />

Professor Dr. Klemens Budde, leitender<br />

Oberarzt der Medizinischen<br />

Klinik mit Schwerpunkt Nephrologie<br />

und Internistische Intensivmedizin:<br />

„Der Patient sagt dann, das war<br />

so eine grüne Tablette, die fing mit<br />

C an …“ Auch das Blutdruck-Tagebuch<br />

werde bei der Nachkontrolle<br />

nicht immer mitgebracht.<br />

Solche Fehler können Folgen haben:<br />

Schätzungen zufolge gehen 16 %<br />

bis 36 % der transplantierten Nieren<br />

wegen mangelnder Compliance<br />

verloren. Die Charité will deshalb<br />

in dem neuen Programm möglichst<br />

viele Informationen online sichern<br />

und verfügbar machen. Arzt, Patient<br />

und weitere Behandler loggen<br />

sich dazu ein, geben Daten ein oder<br />

„Wir hoffen auf eine<br />

konzertierte Aktion der<br />

Politik und dass die<br />

Ministe rien an einem<br />

Strang ziehen.“<br />

Hedwig François-Kettner,<br />

Vorsitzende im APS<br />

rufen welche<br />

ab. Das System<br />

informiert automatisch,<br />

wenn Medikamente<br />

nicht kompatibel<br />

sind. Oder wenn der Blutdruck<br />

einen kritischen Wert übersteigt.<br />

„Der Patient bekommt dann die<br />

Meldung, dass er seinen Arzt anrufen<br />

soll“, sagt Prof. Budde. Wer auf<br />

welche Daten zugreifen darf, entscheidet<br />

der Patient. „Das Gute ist,<br />

dass das System in beide Richtungen<br />

funktioniert.“<br />

Ärzte hätten zudem die Möglichkeit,<br />

über eine gesicherte Videotelefonie<br />

zu kommunizieren: „Wir können<br />

dann direkt mit den Kollegen auf<br />

dem Land zusammenarbeiten.“ Im<br />

Sommer soll das Programm als Pilotprojekt<br />

starten. Bei den Patienten<br />

sei das Interesse an digitalen Anwendungen<br />

groß, berichtet Prof. Budde.<br />

„Sie fragen das regelrecht nach.“<br />

Das Aktionsbündnis Patientensicherheit<br />

sieht in Deutschland aber<br />

noch „starken Handlungsbedarf“,<br />

um die Digitalisierung im Gesundheitswesen<br />

in Schwung zu bringen.<br />

„Wir hoffen, dass da jetzt eine konzertierte<br />

Aktion der Politik kommt<br />

und die verschiedenen Ministerien<br />

auch an einem Strang ziehen“, sagt<br />

die Vorsitzende Hedwig François-<br />

Kettner. Die EC-Karte ermöglicht<br />

es inzwischen weltweit, Geld abzuheben.<br />

Aber die Gesundheitskarte<br />

– „damit<br />

kann man kaum<br />

etwas anfangen“.<br />

Dabei könnten intelligente<br />

Datensysteme Leben<br />

retten. „Wie oft habe ich es in der<br />

Rettungsstelle erlebt, dass wertvolle<br />

Zeit verstrichen ist, weil wir keine<br />

Informationen über bewusstlose<br />

Patienten hatten!“ Warum nicht auf<br />

der Gesundheitskarte die Information<br />

speichern, dass jemand insulinpflichtig<br />

ist?<br />

Auf den Schutz der anvertrauten<br />

Informationen genau achten<br />

Klar müsse aber immer sein, dass<br />

der Patient Eigner seiner Daten bleibe.<br />

Und dass professionelle Anwender<br />

wie Arztpraxen und Kliniken<br />

sehr genau auf den Schutz der ihnen<br />

anvertrauten, hochsensiblen Informationen<br />

achten müssen – ebenso<br />

wie auf ein verlässliches Funktionieren<br />

der Systeme. Das APS hat<br />

deshalb eine aktuelle Broschüre mit<br />

Handlungsempfehlungen für Praxen<br />

und Kliniken herausgegeben (siehe<br />

Kasten). Darin werden häufige IT-<br />

Risiken für die Patientensicherheit<br />

erläutert, mit teils dramatischen<br />

Folgen. Eine zweite Broschüre informiert<br />

Patienten, worauf sie bei<br />

der Nutzung von Gesundheits-Apps<br />

achten sollten. Heike Dierbach<br />

Jahrestagung des Aktionsbündnisses<br />

Patientensicherheit 20<strong>18</strong><br />

Foto: © DDG, Bild: Dirk Deckbar<br />

HandlungsempfeHlung<br />

digitalisieRung und patientensicHeRHeit<br />

Risikomanagement in der<br />

patientenversorgung<br />

Sechs Hauptrisiken hat das APS in seiner Handlungsempfehlung<br />

„Digitalisierung und Patientensicherheit: Risikomanagement<br />

in der Patientenversorgung“ identifiziert<br />

und mit Beispielen veranschaulicht:<br />

• Unzureichender Schutz vor externen Angriffen: Über<br />

eine Mail mit gefälschtem Absender der IT-Abteilung<br />

bringt ein Angreifer Klinikmitarbeiter dazu, ihre Login-<br />

Daten auf einer externen Seite einzugeben. Damit<br />

versucht er dann Zugang zum Kliniknetz zu erhalten.<br />

• Unzureichender Schutz vor unberechtigten Zugriffen:<br />

Am Empfang einer Praxis kann der PC-Bildschirm<br />

seitlich eingesehen werden. Ein Patient entdeckt dort<br />

zufällig den Namen eines Kollegen samt Diagnose und<br />

erzählt dies in der Firma herum.<br />

Risikomanagement in der Patientenversorgung<br />

• Nichtverfügbarkeit wegen technischer Probleme: Der<br />

Server-Ausfall in einem Medizinischen Versorgungszentrum<br />

führt dazu, dass keine Patientendaten mehr<br />

verfügbar sind. Die IT-Firma ist über Stunden nicht<br />

erreichbar und bietet dann eine Reparatur in der übernächsten<br />

Woche an.<br />

• Überlassung von Daten an Externe: Der von einer Klinik<br />

genutzte Cloud-Dienst ist nicht sicher, OP-Diktate<br />

finden sich in Hacker-Foren im Internet wieder.<br />

• Unsichere Einbindung aktiver Medizinprodukte: In<br />

einer Klinik funktioniert im Überwachungsbereich<br />

die automatische Alarmierung nicht, auch die Weiterleitung<br />

auf ein Mobiltelefon wird vom System nicht<br />

ausgelöst – ein Patient verstirbt unbemerkt.<br />

• Zu geringe digitale Kompetenz des Teams: Weil ein<br />

Chirurg krank ist, springt ein Kollege für eine robotergestützte<br />

Operation ein. Dabei treten technische Probleme<br />

auf, die wegen mangelnder Erfahrung mit der<br />

Steuerungssoftware nicht schnell genug behoben<br />

werden können. Der Patient wird geschädigt.<br />

Für jedes Risiko gibt die APS-Broschüre konkrete Empfehlungen,<br />

wie es sich minimieren lässt. So sollte es auch im<br />

Bereich Digitales klare Verhaltensregeln geben, die für alle<br />

Mitarbeiter verbindlich sind. Netzwerke mit kritischen,<br />

lebenserhaltenden Funktionen sollten getrennt von anderen<br />

Komponenten sein. Und nicht zuletzt: Passwörter<br />

dürfen nicht zu einfach sein und müssen regelmäßig<br />

geändert werden. „Praxis123“ reicht nicht.

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