Calluna_Sommer2018_Web
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GARTENGESCHICHTEN<br />
••• an seine Kindheit, an Beete und Beerenbüsche.<br />
»Da bin ich mit groß geworden, das hat sich eingegraben.«<br />
Ein Plan reifte heran, die beiden zogen einen<br />
Gartenplaner zu Rate. Der staunte und gab ganz freimütig<br />
zu: »Ich habe noch nie einen Zier- in einen Gemüsegarten<br />
umgewandelt, immer nur umgekehrt.«<br />
Der Gemüsegarten der Gottschlichs nahm Gestalt an<br />
– und auch dies ist ungewöhnlich –<br />
an der Nordseite des Grundstücks,<br />
noch dazu zur Straße hin, wo andere<br />
ihren Vorgarten haben. »Aber das<br />
war tatsächlich der freieste Platz«,<br />
erinnert sich Eugen Gottschlich.<br />
Und so kommt es, dass Besucher<br />
nicht von einem Rosenrondell, Golfrasen<br />
oder Staudenrabatten empfangen<br />
werden, sondern von blühenden<br />
Erbsen oder den weißen Dolden des<br />
Baldrians im Kräuterbeet. Statt einer<br />
Hecke aus Hainbuche oder Thuja hat Eugen Gottschlich<br />
parallel zum Fußweg ein Obstbaumspalier gezogen.<br />
Bis zu vier Mal im Jahr stutzt er den<br />
Neuaustrieb zurecht, um das Wachstum in geordnete<br />
Bahnen zu lenken. Auch dies ist ein Trick, warum es<br />
das Ehepaar schafft, sich praktisch die gesamte Erntezeit<br />
hindurch mit frischem Obst und Gemüse aus seinem<br />
Minigarten zu versorgen. Das gelingt manchmal<br />
fast zu gut. »Dann essen wir Salat schon zum Frühstück«,<br />
sagt Birgit Gottschlich. Und überhaupt: »Eigentlich<br />
essen wir den ganzen Sommer über Salat, nur<br />
einen Hefekloß gibt es auch einmal ohne.«<br />
Auch wir dürfen vom Ernteglück der Gottschlichs<br />
zehren. Der Kopf Bataviasalat – die Jungpflanzen kaufen<br />
die beiden leidenschaftlichen Hobbygärtner vom<br />
Biolandhof Heidegarten in Teichgut – ist gut und gern<br />
doppelt so groß wie sonst ein Kopfsalat. Das Geheimnis<br />
steckt sicher in sorgsamer Pflege, aber irgendwie<br />
wächst alles größer und gesünder heran, seitdem die<br />
Gottschlichs eine professionelle Bewässerung rund<br />
ums Haus verlegt haben. Selbst bei Temperaturen von<br />
30 Grad und das über einen längeren Zeitpunkt bleibt<br />
ihr Grundstück eine grüne Oase, ohne dass hier rund<br />
um die Uhr Beregner laufen. Über die verlegten Leitungen<br />
wird das kostbare Wasser tröpfchenweise direkt<br />
an den Boden abgegeben: schonend für die<br />
Ressource Wasser und schonend für die Pflanzen, die<br />
nicht von kaltem Brunnenwasser erschlagen werden.<br />
Auf jedem Quadratzentimeter ist zu sehen, mit wie<br />
viel Perfektionismus das Ehepaar zu Werk geht. Aber<br />
es gibt Grenzen. Den Wettlauf mit dem kommerziellen<br />
Gemüseanbau treten sie gar nicht erst an. »Ich brauche<br />
keine Ernte auf Biegen und Brechen, deshalb spritzen<br />
wir auch nicht«, sagt Eugen Gottschlich. Beide essen,<br />
wie sie sagen, »total gern Gemüse«. Bei ihnen wird es<br />
zur Delikatesse und ersetzt oft die Fleischmahlzeit.<br />
Fleisch aus Massentierhaltung kommt ohnehin nicht<br />
auf den Tisch. »Die Bilder im Fernsehen sind kaum zu<br />
ertragen«, sagt Eugen Gottschlich. »Aber wenn ich das<br />
nicht will, dann muss ich die Konsequenzen tragen.«<br />
Für ihn und seine Frau heißt das, dass sie nur wenig<br />
Fleisch kaufen, und wenn doch, dann aus Biohaltung<br />
vorzugsweise vom Bauckhof. »Da zahle ich dann aber<br />
auch 25 bis 30 Euro für ein Kilo Hähnchenbrust.« Also<br />
gibt es auch mal Marillenknödel. Oder einen Nudelauflauf<br />
mit Gemüse der Saison. Bei unserem Redaktionsbesuch<br />
im Mai ist die Auswahl schon<br />
überraschend groß, aber auch noch nicht umwerfend.<br />
Tomaten, Zucchini, Kartoffeln oder Kohl gibt es noch<br />
nicht. Dafür aber Mangold und Spinat, Schnittknoblauch<br />
und Lauchzwiebeln und … Salat! Außerdem gemischte<br />
Beerenauslese aus dem eigenen Garten in der<br />
Kühltruhe. Birgit Gottschlich legt los. Vegetarisch ist<br />
für das Ehepaar eine leichte Übung, uns zuliebe haben<br />
sie sich nun aber sogar eine vegane Menüvariante ausgedacht.<br />
Eugen Gottschlich nimmt sich eine Plastikabwaschschüssel<br />
und verschwindet im Garten. Mangold und<br />
Spinat will er ernten. Seine Frau holt außerdem •••<br />
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Meisterbetrieb<br />
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32 <strong>Calluna</strong> I SOMMER 2018