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TITELSTORY<br />
Abstieg schrumpfte auch das Fassungsvermögen des Stadions.<br />
Heute sind aus baurechtlichen Gründen und Lärmschutzgründen<br />
noch rund <strong>15</strong>.000 Zuschauer zugelassen. Die einstige<br />
Größe und Bedeutung des Preußenstadions lassen sich aber<br />
noch in jedem Winkel des Geländes erahnen. Wer wiederum<br />
die große Fußballbühne von heute sucht, muss der B54<br />
weiter Richtung Westen folgen.<br />
Dortmund, Biergarten Rote Erde<br />
Samstag, 14.30 Uhr. Eine Stunde vor dem Anpfiff eines<br />
Heimspiels von Borussia Dortmund. Unmittelbar neben dem<br />
Signal Iduna Park, hundert Meter Luftlinie entfernt von der<br />
berühmten gelben Wand, bereiten sich die BVB-Fans auf die<br />
anstehende Partie vor. Wie es sich im Pott gehört: bei Bratwurst<br />
und Bier und vor einer Kulisse, die mit den Dimensionen<br />
des heutigen Fußballgeschäfts so gar nichts gemein hat.<br />
Denn der Biergarten Rote Erde ist nicht irgendein beliebiger<br />
Treffpunkt für Fußballfans, sondern eine Reise in die Vergangenheit<br />
des Ruhrpottfußballs. Wer hier seine Bratwurst<br />
isst, blickt auf das ehemalige – und bis heute erhaltene –<br />
Stadion der Borussen. Das historische Rund versetzt die<br />
Besucher zurück in eine Zeit, in der die Begriffe Fußball und<br />
Vermarktung noch Worte zweier unterschiedlicher Galaxien<br />
waren. In Dortmund pflegt man dieses Baudenkmal bis<br />
heute. Obwohl die Profis seit 1974 in den Neubau nebenan<br />
gezogen sind, finden hier immer noch Leichtathletikwettbewerbe<br />
und Amateurfußballspiele statt.<br />
Krefeld, Grotenburgstadion<br />
Rückblick ins Jahr 1986: Vor rund 30.000 Zuschauern brennt<br />
in der Grotenburg an Wochentagen regelmäßig die Luft. Internationale<br />
Journalisten, Fans und TV-Teams aus ganz Europa<br />
bevölkern das Stadion. Auf dem Platz: Top-Teams wie der<br />
FC Barcelona, Atletico Madrid oder der damalige DDR-Spitzenclub<br />
Dynamo Dresden. Ihr Gegner: die Mannschaft von Bayer<br />
05 Uerdingen, die Mitte der 80er Jahre spektakuläre Erfolge<br />
im nationalen und internationalen Fußball erzielt. 1985 sogar<br />
den DFB-Pokal im Finale gegen den FC Bayern München<br />
gewinnt und deren 7:3 gegen Dynamo Dresden zum größten<br />
Fußballspiel aller Zeiten gewählt wurde. 30 Jahre später<br />
braucht man als Besucher sehr viel Fantasie, um sich vorzustellen,<br />
dass hier im Krefelder Stadtteil Bockum an manchen<br />
Abenden der Nabel des europäischen Fußballs gewesen sein<br />
soll. Der inzwischen unter dem Namen KFC Uerdingen 05<br />
spielende Verein dominierte zwar zuletzt die <strong>Regio</strong>nalliga<br />
West, ist jedoch von Europapokalnächten mindestens so weit<br />
entfernt wie Krefeld von Barcelona. Einzig der Grotifant,<br />
das Maskottchen der Uerdinger, sorgt weiter regelmäßig für<br />
Schlagzeilen, indem es etwa gegnerischen Spielern, Fans oder<br />
auch mal dem Schiedsrichter gehörig auf der Nase rumtanzt.<br />
In dem kultigen Kostüm schlummert offenbar immer noch<br />
die Leidenschaft und der Geist der 80er Jahre.<br />
40.000 Zuschauer<br />
im Preußenstadion:<br />
erster Spieltag der<br />
neu gegründeten<br />
Bundesliga 1963.<br />
Bayer 05 Uerdingen gegen<br />
den damaligen DDR-Spitzenclub<br />
Dynamo Dresden 1986.<br />
Der Grotifant ist bekannt dafür, dass<br />
er gegnerischen Fans auch gerne mal<br />
auf der Nase herumtanzt.<br />
Wer Fußballlehrer<br />
werden will,<br />
muss in der<br />
Hennes-Weisweiler-<br />
Akademie die<br />
Schulbank drücken.<br />
Die Spielstätte<br />
der Alemannia<br />
aus Aachen<br />
steht für<br />
Wohl und Weh<br />
des Fußballs in<br />
<strong>NRW</strong> zugleich.<br />
Köln, Deutsche Sporthochschule<br />
Kaum eine andere Universität in Deutschland bietet eine<br />
größere Chance auf prominente Kommilitonen wie die Deutsche<br />
Sporthochschule Köln. Zumindest wenn es um Fußballstars<br />
geht. An den Hörsälen der Hochschule im Kölner Stadtteil<br />
Müngersdorf kommt niemand, der im Profifußball ein<br />
Traineramt anstrebt, vorbei. So finden sich in der Ausbildung<br />
zur A-Lizenz (für die C- und B-Lizenz sind die jeweiligen Landesverbände<br />
zuständig) regelmäßig ehemalige Profi fußballer<br />
auf dem Campus wieder. Die 1947 gegründete Hochschule<br />
ist die einzige deutsche Sportuniversität. Mit 20 Forschungsinstituten<br />
und über 6.000 Studierenden pro Semester gilt sie<br />
sogar als größte Sporthochschule der Welt. Anwärter, die in<br />
die Fußstapfen von Jupp Heynckes oder Jürgen Klopp treten<br />
wollen, sind jedoch mit dem Abschluss an der Sport hoch schule<br />
noch nicht am Ziel. Cheftrainer der drei deutschen Profiligen<br />
kann nur werden, wer den offiziellen DFB-Fußball lehrer an<br />
der Hennes-Weisweiler-Akademie in Hennef erfolgreich absolviert.<br />
Kurzum: Wer in Deutschland aufs Trainerkarussell<br />
hüpfen möchte, muss vorher in <strong>NRW</strong> die Bank drücken.<br />
Aachen, Tivoli<br />
Manchmal reicht ein Name, um all das auf den Punkt zu<br />
bringen, was Fußball ausmacht. Gestartet in Münster endet<br />
die Vermessung der Fußballwelt in <strong>NRW</strong> gut 230 Kilometer<br />
weiter direkt an der holländischen Grenze am Aachener<br />
Tivoli. Die Spielstätte der Alemannia aus Aachen steht für<br />
Wohl und Weh des Fußballs in <strong>NRW</strong> zugleich. Der historische<br />
Name des Stadions, der auf den Sportplatz Tivoli und der im<br />
19. Jahrhundert in unmittelbarer Nähe gelegenen Villa Tivoli<br />
zurückzuführen ist, steht wie bei kaum einem anderen Club<br />
in einer unzertrennlichen Symbiose mit seiner Heimmannschaft.<br />
Während andere Clubs die Namen ihrer Spielstätten<br />
längst für teures Geld an Sponsoren verkauft haben, war<br />
selbst mit dem Neubau des Stadions im Jahre 2009 eine neue<br />
Bezeichnung in Aachen undenkbar. Statt saftiger Sponsorengelder<br />
sollten die Fans mit einem sogenannten Tivoligroschen<br />
auf jedes Ticket die fehlenden Einnahmen kompensieren.<br />
Da jedoch mit dem Umzug in den neuen Tivoli der sportliche<br />
Erfolg ausblieb, geriet der Traditionsverein samt seiner Spielstätte<br />
in große finanzielle und sportliche Schwierigkeiten.<br />
Der unbedingte Wille, die eigenen Wurzeln nicht zu verkaufen<br />
und ein historisch gewachsenes Markenzeichen der kommerziellen<br />
Vermarktung vorzuziehen, haben letztendlich den<br />
Tivoli auf der <strong>NRW</strong>-Fußballkarte sichtbar schrumpfen lassen.<br />
Und dennoch, auch in Aachen wird weiter Fußball gespielt.<br />
Aktuell in der <strong>Regio</strong>nalliga West. Gemeinsam mit Clubs wie<br />
Wattenscheid, dem Wuppertaler SV oder Rot-Weiß Essen und<br />
Rot-Weiß Oberhausen.<br />
Das Festhalten an Traditionen und Ursprüngen, die Liebe zur<br />
Grasnarbe und zum ehrlichen Fußball sind in <strong>NRW</strong> und bei<br />
den unzähligen Traditionsclubs in diesem fußballverrückten<br />
Bundesland vielleicht ausgeprägter als anderswo. Aber auch<br />
dort, wo der Fußball seine höchsten Weihen erfährt, die<br />
Hymne der Champions League erklingt und nationale Titel<br />
gefeiert werden, steht regelmäßig <strong>NRW</strong> drauf. Eine Fußballreise<br />
quer durch <strong>NRW</strong> wird auch immer eine Reise zwischen<br />
diesen beiden Welten bleiben.<br />
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