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BDVI IN MÜNCHEN - Forum

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B D V I -KONGRESS 2002<br />

<strong>BDVI</strong>-KONGRESS 2002 <strong>IN</strong> <strong>MÜNCHEN</strong><br />

Fünfter Anlauf<br />

in B AY E R N<br />

Gunter Lencer,<br />

G o t h a<br />

In Bayern – wie übrigens in fast allen andere n<br />

d e u tschen Ländern – waren vom 19. bis Anfang des<br />

20. Jahrhunderts Vermessungen zur Fortführung des<br />

L i e g e ns c h a f tsk a t a s t e rs ausschließlich von fre i b e r u f l i c h e n<br />

Geometern ausgeführt word e n .<br />

Du rch Königlich-Allerhöchste Ve ro rdnung, den Ve r m e ss<br />

u n gs d i e nst der Finanzverwaltung betreffend, wurd e n<br />

per 1. Januar 1909 in Bayern Ve r m e s s u n gsämter eingerichtet,<br />

die den freiberuflichen Geometern die Ve r m e ssungen<br />

für die Fortführung und Erneuerung des Liegens<br />

c h a f tsk a t a s t e rs entzogen. Diese Arbeit sei fürderhin ausschließliche<br />

Staatsaufgabe. Gründe der Maßnahme ware n<br />

Klagen aus der Bevölkerung über zu lange Bearbeit<br />

u n gszeiten und der Wunsch der Geometer selbst, im<br />

S t a a ts d i e nst ihre wirtschaftliche Lage zu verbessern.<br />

322<br />

2<br />

Rund fünfzig Jahre später gab es entgegengesetzte<br />

Tendenzen: 1951 und 1957 wollten verschiedene<br />

Parteien in Bayern wieder den Freien Beruf im öffentlichen<br />

Vermessungswesen einführen. Allerdings<br />

scheiterten sie im Landtag. Auch die sogenannte<br />

Fink-Kommission, die Vorschläge zur Ve rwaltungsvereinfachung<br />

erarbeitet, lehnte 1970 Öffentlich<br />

bestellte Vermessungsingenieure ab, da<br />

dadurch kein einfacheres und besseres bayerisches<br />

Vermessungswesen zu erreichen sei.<br />

Aus diesem Grund sind die Aufstellung, Fortführung<br />

und Erneuerung des Liegenschaftskatasters<br />

sowie die zur Fortführung und Erneuerung des<br />

Liegenschaftskatasters erforderlichen Ve r m e s s u ngen<br />

entsprechend dem Gesetz über die Landesvermessung<br />

und das Liegenschaftskataster vom<br />

31. Juli 1970 Aufgabe des Staates geblieben. So<br />

dürfen Katastervermessungen grundsätzlich nur<br />

die staatlichen Vermessungsämter ausführen. Ausnahmen<br />

bilden nur die Vermessungsämter der<br />

Bahn sowie der Stadt München und die Flurbereinigungsbehörden.<br />

1979 ersuchte der damalige <strong>BDVI</strong>-Präsident,<br />

Ernst F. Simon, im Namen des Ve rbandes<br />

Minis t e r p r ä sident Dr. h.c. Fra n z -<br />

Josef Strauß, auch im Fre istaat Bayern<br />

f reiberufliche Ve r m e s s u n gsi n g e n i e u re öffentlich<br />

zu bestellen und so mit Hoheitsaufgaben<br />

des Ve r m e s s u n gs w e s e ns zu bet<br />

rauen. Da sich zum damaligen Zeitpunkt<br />

eine weitere Ko m m is sion mit dem Abbau<br />

von Staatsaufgaben und Ve r w a l t u n gs v e reinfachung<br />

– kurz KAV – auch mit dieser<br />

Thematik beschäftigte, erhielt der Vo rsitzende<br />

Staats s e k retär der Staatsk a n z l e i ,<br />

F ranz Neubauer, den Auftrag, diesen<br />

Vo rschlag zu prüfen. Ohne Erfolg.<br />

Am 21. Juni 1982 – also vor fast genau 20 Jahren<br />

(!) – wurde ebenfalls der Antrag des <strong>BDVI</strong> auf<br />

Schaffung des Instituts der Öffentlich bestellten<br />

Vermessungsingenieure in Bayern nach schriftlicher<br />

Stellungnahme von 16 bayerischen und 14<br />

außerbayerischen Organisationen und Ve r b ä n d e n ,<br />

abgelehnt.<br />

Zusammenfassend kam die KAV in ihrem Gutachten<br />

zu folgendem Ergebnis:<br />

»1 .Bayern ist das einzige Land der Bundesrepublik<br />

Deutschland, das die Hoheitsaufgaben<br />

der Fortführungsvermessung (Art. 8 Abs. 2<br />

VermKatG) ausschließlich den Behörden vorbehält.<br />

In den anderen Bundesländern bestehen unterschiedlich<br />

entwickelte Mischsysteme, in<br />

denen anstelle der Ve r m e s s u n g s b e h ö rd e n<br />

auch Öffentlich bestellte Vermessungsingenieure<br />

beauftragt werden können. Auch in<br />

den verschiedenen Nachbarländern (Österreich,<br />

Schweiz, Fra n k reich, Belgien, Dänemark<br />

u.a.m.) sind freiberufliche Geometer in die<br />

Fortführungsvermessung einbezogen.<br />

2. Die Untersuchungen der Kommission haben<br />

ergeben, dass es auch in Bayern sowohl tatsächlich<br />

wie rechtlich (nach einer Gesetzesänderung)<br />

möglich ist, Ve r m e s s u n g s i n g enieure<br />

für die Aufgaben der Fortführungsvermessung<br />

öffentlich zu bestellen.<br />

3. Die Übertragung von Fortführungsvermessungen<br />

auf freiberuflich Tätige entspräche<br />

grundsätzlich dem volkswirtschaftlichen Ziel,<br />

den Anteil des Staates am Sozialprodukt zu<br />

vermindern, und schüfe insoweit Vo ra u ssetzungen,<br />

um auch in diesem Felde privates<br />

Kapital, Sachwissen, Erfahrung und wirkungsvollere<br />

Arbeitstechniken zum Nutzen<br />

der Allgemeinheit und des Einzelnen einzusetzen.<br />

4. Andererseits ist aufgrund der Untersuchungen<br />

festzustellen, dass das derzeitige bayerische<br />

System im Vergleich zu den Mischsystemen<br />

anderer Bundesländer in für den<br />

Einzelnen und die Allgemeinheit wichtigen<br />

Fragen günstig abschneidet.<br />

a) Die bayerischen Gebühren sind die niedrigsten,<br />

der Kostendeckungsgrad ist der höchste.<br />

Die Flächenbedienung ist gewährleistet<br />

und die Erledigungsdauer in Bayern unter-<br />

B D V I -KONGRESS 2002<br />

scheidet sich von der in anderen Ländern kaum und wird heute<br />

allgemein für tragbar bis zufriedenstellend erachtet (Stand 1982).<br />

Die öffentliche Bestellung von Ve r m e s s u n g s i n g e n i e u en r würde mit<br />

Sicherheit zu einem Druck auf höhere Gebühren und möglicherweise<br />

zu einem Rückgang der Wirtschaftlichkeit des öffentlichen<br />

Vermessungswesens führen. Die Aufrechterhaltung kleiner Vermessungsämter<br />

in den ländlichen Räumen würde durch den zu<br />

erwartenden Auftragsrückgang bei den Vermessungsbehörden<br />

und die zu erwartende Selektion nach Wirtschaftlichkeitsgesichtspunkten<br />

erschwert, was – wenige Jahre nach Abschluss der<br />

Gebietsreform – zu einer neuerlichen Beunruhigung der Bevölkerung<br />

führen könnte. Für eine Übergangszeit wäre zusätzlicher<br />

Aufwand für die technischen Umstellungen notwendig.<br />

b) Es ist auch nicht zu verkennen, dass der freiberuflich tätige Öffentlich<br />

bestellte Vermessungsingenieur Züge eines »Gebührenbeamten«<br />

annähme, je mehr für die Berufsrichtung – etwa zur<br />

Vermeidung von Nachteilen in der Flächenbedienung des Landes<br />

– Zugangs- und Berufsausübungsregelungen geschaffen<br />

würden (wie zum Beispiel in Baden-Württemberg durch Beschränkung<br />

der Niederlassungsfreiheit). Objektive Zugangsbeschränkungen<br />

dieser Art führten auch zu Wettbewerbsverzerrungen<br />

im Verhältnis zu den übrigen freiberuflich tätigen<br />

Ve r m e s s u n g s i n g e n i e u ren, wenn die herausgehobene Gruppe der<br />

öffentlich Bestellten weiterhin außer den Aufgaben der Hoheitsvermessung<br />

auch noch die dem Vermessungsberuf zugehörigen<br />

rein privatwirtschaftlichen Tätigkeiten ausführten.<br />

5. Die Kommission kann die Einführung Öffentlich bestellter Vermessungsingenieure<br />

nur als eine – unter ordnungspolitischen<br />

Gesichtspunkten – langfristig anzustrebende Maßnahme werten.<br />

Sie erachtet angesichts der unmittelbar sich ergebenden Wirkungen<br />

(vergl. 4) derzeit nicht die Vo raussetzungen für die<br />

Empfehlung gegeben, Öffentlich bestellte Vermessungsingenieure<br />

in Bayern einzuführen.«<br />

20 Jahre sind seither vergangen. Die Lage der öffentlichen Haushalte<br />

hat sich seitdem weiter stetig verschlechtert. Die Verlagerung von<br />

Staatsaufgaben auf Unternehmer ist währenddessen zur stabilen politischen<br />

Realität geworden. Dabei haben unsere europäischen Nachbarn<br />

Deutschland nicht nur im öffentlichen Vermessungswesen<br />

längst den Rang abgelaufen. Das vereinte Europa klopft nun an unsere<br />

Türen und fordert die Vereinheitlichung der Wirtschaftsstrukturen.<br />

Der <strong>BDVI</strong> kann nur weiterhin hoffen, dass sich endlich die einer freien<br />

und europäischen Marktwirtschaft angemessene Einsicht durchsetzt<br />

und öffentlich bestellte Vermessungsingenieure auch im Freistaat<br />

Bayern – im nunmehr fünften Anlauf – zugelassen werden.<br />

Dipl.-Ing. Gunter Lencer<br />

M a rg a re t h e ns t raße 39, 99867 Gotha<br />

323<br />

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