Aus den Kreisverbänden - Bayerischer Lehrer
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Meinung<br />
Helga Gotthart,<br />
stellvertretende Bezirksvorsitzende<br />
5/07 Oberbayerische Schulzeitung<br />
Herrreinspaziert! Manege frei! Die neue<br />
Spielzeit hat begonnen in unserem Zirkus,<br />
der da Schule heißt.<br />
Aber Vorsicht: Vieles ist Illusion, man darf<br />
nicht alles glauben, was das Auge sieht.<br />
Schon der Einmarsch der Akteure gab<br />
zu Zweifeln Anlass: Die <strong>Lehrer</strong> erfuhren<br />
mehr oder weniger rechtzeitig ihren Einsatzort,<br />
die Schüler fan<strong>den</strong> sich an der für<br />
sie mehr oder weniger richtigen Schulart<br />
ein, die Klassen waren mehr oder weniger<br />
gut versorgt.<br />
Pressemeldungen zufolge sah die reale Situation<br />
aber völlig anders aus. Angesichts<br />
eines eklatanten <strong>Lehrer</strong>mangels war von<br />
einer „bildungspolitischen Sackgasse“ und<br />
„schulpolitischem Flickwerk“ die Rede.<br />
Es müsste uns zu <strong>den</strong>ken geben, dass<br />
• Deutschland laut neuestem OECD-Vergleich<br />
der Lern- und Arbeitsbedingungen<br />
weltweit auf Rang 22 abgerutscht ist. Es<br />
reicht eben nicht aus, dass jede Klasse ihren<br />
<strong>Lehrer</strong> hat und das Pflichtstun<strong>den</strong>maß<br />
gerade mal so abgedeckt wer<strong>den</strong> kann;<br />
• viele Schüler die Schule ohne Abschluss<br />
verlassen, die nötige <strong>Aus</strong>bildungsreife<br />
vermissen lassen. Individuelle<br />
Förderung, eine bessere Betreuung in<br />
Ganztagesklassen und ein umfassendes<br />
Angebot an musisch-kreativen, sportlichen<br />
und berufsvorbereiten<strong>den</strong> Projekten<br />
könnten das Selbstwertgefühl junger Menschen<br />
stärken, Versagensängste abbauen<br />
und echte Berufschancen bieten.<br />
Drahtseilakt<br />
Doch dazu darf die Personalversorgung<br />
nicht „auf Kante genäht“ sein. Im September<br />
ist es mit vereinten Kräften noch<br />
gelungen, Nichtantritte - in Oberbayern<br />
immerhin über 100 - durch Nachrücker<br />
aufzufangen. Nun aber dürfte der Markt<br />
leer gefegt sein. Anders ist die Aufforderung<br />
des Kultusministerium nicht zu<br />
erklären zum Aufbau eines Vertretungspools<br />
nach Beurlaubten, Pensionisten und<br />
„anderen geeigneten Personen“ <strong>Aus</strong>schau<br />
zu halten. Spätestens im November haben<br />
sich Wartelistenbewerber einen Job<br />
gesucht, um nicht weiter um eine „Vielleicht-Einstellung“<br />
beim Staat zu unzureichen<strong>den</strong><br />
finanziellen Bedingungen bangen<br />
zu müssen.<br />
Manege frei<br />
Wanderzirkus<br />
Und der Lichtblick der bayerischen Bildungspolitik,<br />
unseres Ministers liebstes<br />
Kind, die „Reform der Hauptschule“?<br />
Sollte nicht schon die Schließung der Teilhauptschulen<br />
zur Stärkung der Hauptschule<br />
dienen?<br />
An vielen „neu gestärkten“ Hauptschulstandorten<br />
zwingt die Raumnot zur <strong>Aus</strong>lagerung<br />
der Schüler in die soeben aufgelösten<br />
Teilhauptschulen. Was bleibt, sind<br />
Stun<strong>den</strong>planprobleme, Schulbustourismus,<br />
Fahrlehrer - allenfalls ein Wanderzirkus<br />
und zusätzliche Kosten.<br />
Riesenschaukel<br />
Noch im Frühjahr beorderte das Kultusministerium<br />
Grundschullehrkräfte, die<br />
freiwillig und engagiert an der Hauptschule<br />
unterrichtet hatten, zurück in die<br />
Grundschule, damit sie sich nicht davon<br />
„entfremdeten“. Im Zuge der unabdingbar<br />
erfolgreichen Reformabsicht mussten nun<br />
genau die vor kurzem Rückgeführten wieder<br />
vom Gegenteil überzeugt und um einen<br />
Hauptschuleinsatz gebeten wer<strong>den</strong>.<br />
Wir Hauptschullehrer haben uns eine Veränderung<br />
dieser Schulart gewünscht, aber<br />
nicht ohne zusätzliche <strong>Lehrer</strong>, zusätzliche<br />
Stun<strong>den</strong>zuweisung und zusätzliche Mittel.<br />
Von der geplanten Reform wird so keine<br />
Offensive, nicht einmal eine Initiative übrig<br />
bleiben, sondern nur heiße Luft: Wenn<br />
sich bis dahin überhaupt noch ein Schüler<br />
in die Hauptschule verirrt.<br />
Warten auf <strong>den</strong> Zauber<br />
„Jedem Anfang liegt ein Zauber inne“,<br />
spricht Mörike. Die Abschaffung des Büchergeldes<br />
mit Anfang der Amtszeit unseres<br />
neuen Ministerpräsi<strong>den</strong>ten Günther<br />
Beckstein empfin<strong>den</strong> wir als zauberhaft.<br />
Bleibt zu hoffen, dass auch in Sachen Kategorisierung,<br />
externe Evaluation, Beförderungswartezeiten,<br />
Planstellensituation<br />
noch ein wenig gezaubert wird.<br />
Einen guten Start in ein erfolgreiches<br />
Schuljahr 2007/2008 wünscht Ihnen<br />
Helga Gotthart