Allgäu Alternativ 02/18
Sommerausgabe 2018 von Allgäu Alternativ
Sommerausgabe 2018 von Allgäu Alternativ
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
Auf ein Wort<br />
Die Zukunft ist sichtbar<br />
Foto: Wirtschaftsministerium Bayern<br />
Um die Energiewende ist es ruhiger geworden.<br />
Dabei ist sie aktueller denn je. Es geht um<br />
nichts weniger als die nahezu vollständige Dekarbonisierung<br />
der gesamten deutschen Volkswirtschaft<br />
bis Mitte dieses Jahrhunderts. Für ein Land wie<br />
Deutschland, das als eine der weltweit führenden Industrienationen<br />
wie kaum ein zweites auf eine sichere und<br />
preisgünstige Energieversorgung angewiesen ist, ist das<br />
eine enorme Herausforderung. Das gilt umso mehr für<br />
Bayern als industrielles Herzstück Deutschlands.<br />
Bayern verliert durch den Ausstieg aus der Kernenergie<br />
rund die Hälfte seiner gesicherten Stromerzeugung<br />
bis Ende des Jahres 2<strong>02</strong>2. Als Folge der nahezu<br />
vollständigen Umstellung unserer Energieversorgung<br />
auf erneuerbare Energien müssen wir Lösungen<br />
für eine Vielzahl damit verbundener Herausforderungen<br />
finden. Wir müssen das Zusammenspiel von Millionen<br />
kleinerer und größerer Erzeuger neu organisieren<br />
und technische Lösungen für den Ausgleich der<br />
unregelmäßig in das Stromnetz einspeisenden erneuerbaren<br />
Energien finden. Wir müssen uns auf neue<br />
Marktregeln für den Betrieb von zuverlässig zur Verfügung<br />
stehenden Erzeugern – etwa schnell regelbare<br />
Gaskraftwerke – als Absicherung einigen. Wir müssen<br />
intelligente Steuerungstechnik für einen besseren Ausgleich<br />
von Erzeugung und Verbrauch sowohl in die<br />
örtlichen Stromnetze bringen als auch in die Haushalte<br />
und Betriebe, und wir müssen den Erneuerbaren<br />
neue Marktstufen öffnen und den Rahmen für neue,<br />
oftmals voll digitalisierte Geschäftsmodelle im Energiesektor<br />
abstecken.<br />
Im <strong>Allgäu</strong> sehe ich schon heute gute Lösungsansätze<br />
für all diese Herausforderungen.<br />
So liegt der Anteil der Stromerzeugung aus erneuerbaren<br />
Energien in den drei <strong>Allgäu</strong>er Landkreisen<br />
bereits bei weit mehr als 50 Prozent. Täglich gehen<br />
neue Erzeugungsanlagen ans Stromnetz. Schon früh<br />
gab es im <strong>Allgäu</strong> Pioniere wie die Gemeinde Wilpoldsried,<br />
die 100 Prozent erneuerbar gedacht haben, als<br />
das noch für viele, auch in der Politik, reine Utopie<br />
war.<br />
Örtliche Netzbetreiber nehmen großflächig<br />
Großbatterien in Betrieb und speichern überschüssige<br />
Energie aus Erneuerbaren, um sie zeitversetzt wieder<br />
abzugeben. Das stützt das Netz und eröffnet neue Vermarktungsmöglichkeiten.<br />
Erste Tests mit Plattformen auf Basis von Blockchain<br />
wurden im <strong>Allgäu</strong> bereits gestartet, auf denen<br />
private dezentrale Erzeuger und Verbraucher direkt<br />
Strom miteinander handeln oder dezentrale Photovoltaik-Heimspeicher<br />
zur Stabilisierung des Stromnetzes<br />
eingesetzt werden können.<br />
Neue Geschäftsmodelle wie etwa Stromerzeugergemeinschaften,<br />
die überschüssigen Strom miteinander<br />
teilen, wurden im <strong>Allgäu</strong> entwickelt und haben<br />
sich in den vergangenen zwei Jahren in Deutschland<br />
erfolgreich etabliert.<br />
Diese Beispiele zeigen, dass wir bei der Umsetzung<br />
der Energiewende auf einer neuen Ebene angekommen<br />
sind, jenseits von allen Diskussionen über<br />
den weiteren Ausbau der erneuerbaren Energien.<br />
Denn dass wir die Erneuerbaren weiter ausbauen<br />
müssen, ist längst Konsens. Die Frage, wie wir unsere<br />
Energieversorgung zukünftig mit einem stetig wachsenden<br />
Anteil Erneuerbarer organisieren wollen, fiel<br />
hingegen in der Vergangenheit gerne unter den Tisch.<br />
Energiedörfer, Großbatteriespeicher, Blockchain-Projekte<br />
und Stromerzeugergemeinschaften im <strong>Allgäu</strong><br />
zeigen, dass die Energiewende weit mehr ist, als Erneuerbare<br />
zuzubauen. Sie bricht bisherige Wertschöpfungsgrenzen<br />
auf, lässt neue Geschäftsmodelle entstehen<br />
und macht Verbraucher zu echten Akteuren. Im<br />
<strong>Allgäu</strong> sehen wir schon heute, wie die Zukunft der<br />
Energieversorgung aussehen könnte.<br />
Franz Josef Pschierer<br />
Bayerischer Staatsminister für Wirtschaft<br />
3