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MQ Sommer 2018 int

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Das Artland-Magazin.<br />

MEIN FREUND DIETMAR<br />

von Detlef Bülow<br />

Wenn ich über meinen Schulfreund<br />

Dietmar erzähle, bleibt meistens<br />

kein Auge trocken. Er ist eine ganz<br />

besondere Art Mensch, und ich glaube,<br />

er hat irgendwann beschlossen,<br />

nie erwachsen zu werden. Ich bin<br />

sehr froh, ihn zu meinen Freunden<br />

zählen zu dürfen. Er ist mein Kumpel,<br />

Schulkollege und noch heute ein<br />

gern gesehener Mensch in meiner<br />

Familie. Hatte Dietmar sich etwas<br />

in den Kopf gesetzt, dann wurde<br />

es auf Biegen und Brechen umgesetzt.<br />

Seine Spontanität kenn keine<br />

Grenzen. Er ist noch heute für alles<br />

schnell zu begeistern. Wir hätten<br />

Brüder sein können. Aber genug der<br />

Einführung.<br />

8 | mq Ausgabe <strong>Sommer</strong> <strong>2018</strong><br />

Hier eine kleine<br />

Geschichte:<br />

Es war an einem Freitagmorgen<br />

im Frühjahr. Dietmar und ich<br />

waren mit unseren Fahrrädern<br />

auf dem Weg zur Schule.<br />

Freitags ist Markttag, und der<br />

Wochenmarkt lag auf unserem Schulweg.<br />

Damals stand noch das alte Feuerwehrhaus<br />

auf dem Neuen Markt, und wir<br />

ließen es uns natürlich nicht nehmen,<br />

mit unseren Rädern einen Abstecher<br />

über jeden Wochenmarkt zu machen.<br />

Da war noch was los. Bauern hatten ihre<br />

Verkaufsstände aufgebaut, vor dem die<br />

Hausfrauen mit ihren vollen Einkaufstaschen<br />

standen und den einen oder anderen<br />

Tratsch hielten. Andere hatten es eilig<br />

und waren hektisch unterwegs. Für uns<br />

war das klasse, Deutsch, Mathe, ja Schule<br />

war weit weg, und der morgendliche<br />

„Hindernisparcours“ war für uns immer<br />

ein Riesenspaß. Die mit Einkaufstaschen<br />

bewaffneten Hausfrauen versuchten<br />

schon mal uns diese um die Ohren zu<br />

hauen, und es kam durchaus auch vor,<br />

dass wir mit Kartoffeln beworfen wurden.<br />

Von hier und da hörten wir: „Müsst<br />

ihr ollen Lausbuben hier unbedingt mit<br />

den Fahrrädern fahren“ oder „Müsst ihr<br />

Rotzlöffel nicht zur Schule?“ Dietmar<br />

fuhr immer schneller, er glitt flink wie<br />

ein Wiesel an den mit Einkaufstaschen<br />

bepackten Frauen vorbei. Ja, er jonglierte<br />

quasi sein Fahrrad durch das Gedränge<br />

der Menschen, so dass ich nicht mehr<br />

folgen konnte. Ich hörte ihn rufen: „Hoffentlich<br />

ist er heute wieder da? Wenn er<br />

ihn heute wieder mit hat, dann kaufe ich<br />

ihn mir.“<br />

Mir war sofort klar, worum es ging. Dietmar<br />

hatte letzte Woche bei dem Stand<br />

eines Bauern einen weißen Hahn gesehen.<br />

Dieser Wochenmarktstand war sein Ziel.<br />

Als ich bei ihm ankam, stand er schon vor<br />

dem kleinen Käfig und bewunderte den<br />

stolzen Vogel. Sein Fahrrad lag auf dem<br />

Boden inmitten des Ganges, und der Bauer<br />

mokierte sich schon darüber. Ich stellte<br />

es zur Seite und ging zu meinem Freund.<br />

Dietmar war schon in einer anderen Welt.<br />

„Detz, das ist Hektor“, sagte er zu mir.<br />

Den kaufe ich mir, und ich mache aus<br />

ihm einen ausgezeichneten Kampfhahn.<br />

Ich holte Luft und bevor ich etwas sagen<br />

konnte, stand Dietmar beim Bauern und<br />

führte Verkaufsverhandlungen.<br />

„Dietmar, wir müssen zur Schule“, sagte<br />

ich zu ihm, als er wieder auf mich zukam.<br />

„Rede nicht. Was hast du noch an Geld dabei?“<br />

erwiderte er. Ich muss heute Hektor<br />

kaufen. Ich kramte meine letzten Kröten<br />

raus und überließ sie meinem Freund, der<br />

gleich wieder bei dem Bauern stand.<br />

Dietmar hatte Hektor gekauft.<br />

Während der Bauer den Hahn aus dem<br />

Käfig nahm und in einen Karton verfrachtete,<br />

schwärmte mein Freund von seiner<br />

neuesten Errungenschaft.<br />

Fotos: privat, Bersenbrücker Kreisblatt und

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