SVR Gutachten 2018 Sektorenübergreifende Versorgung der Notfallversorgung
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anzeigen. 279 Patienten, die sich direkt in <strong>der</strong> zentralen Anlaufstelle im INZ vorstellen, würden<br />
vor Ort triagiert. Sie würden erst dann behandelt, wenn die <strong>Versorgung</strong> <strong>der</strong> Terminpatienten<br />
mit gleicher Dringlichkeitsstufe beendet ist und Behandlungskapazitäten für Patienten ohne<br />
Termin frei werden. Sollten sich die auf diese Weise gewünschten und erwarteten<br />
Steuerungseffekte nicht einstellen o<strong>der</strong> die INZs als Umgehungsstrategie für eine schnelle,<br />
vollumfängliche Diagnostik und Behandlung genutzt werden, sollte eine Kontaktgebühr für das<br />
Aufsuchen <strong>der</strong> INZs eingeführt werden 280 . Einzig bei vorheriger Kontaktierung <strong>der</strong> ILS o<strong>der</strong> bei<br />
Überweisung von nie<strong>der</strong>gelassenen Ärzten wäre keine Gebühr zu entrichten. Gehfähige<br />
Patienten, die ohne vorherigen Kontakt o<strong>der</strong> entgegen <strong>der</strong> Einschätzung <strong>der</strong> ILS ein INZ<br />
aufsuchen, wären hingegen zur Zahlung einer Gebühr – <strong>der</strong>en Höhe politisch festzulegen wäre<br />
– verpflichtet.<br />
1006. Außerdem sollte das neue <strong>Notfallversorgung</strong>ssystem, insbeson<strong>der</strong>e die zentrale<br />
Notfallnummer und <strong>der</strong> Ablauf bzw. die Struktur <strong>der</strong> <strong>Notfallversorgung</strong>, durch gezielte, auch<br />
mehrsprachige Aufklärungskampagnen, z. B. unter Einbindung <strong>der</strong> Expertise <strong>der</strong> Bundeszentrale<br />
für gesundheitliche Aufklärung BZgA, in <strong>der</strong> Bevölkerung verbreitet werden. Ein<br />
Schwerpunkt <strong>der</strong> Kampagne sollte hierbei auf dem Ansprechen jener Zielgruppen liegen, die mit<br />
den <strong>Versorgung</strong>spfaden und Beson<strong>der</strong>heiten des deutschen Gesundheitssystems tendenziell<br />
weniger vertraut sind, wie etwa Bürger mit Migrationshintergrund o<strong>der</strong> Flüchtlinge. Da auch die<br />
jüngeren Bevölkerungsschichten vor allem die 20‐ bis 29‐jährigen Patienten eine starke<br />
Inanspruchnahme <strong>der</strong> <strong>Notfallversorgung</strong> aufweisen, sollten sie gezielt angesprochen werden. 281<br />
14.4.3 För<strong>der</strong>ung des Angebots in <strong>der</strong> ambulanten <strong>Versorgung</strong><br />
1007. Um die Inanspruchnahme <strong>der</strong> Notaufnahmen bzw. des dort angesiedelten ärztlichen<br />
Bereitschaftsdienstes mit ambulant behandelbaren Erkrankungen weiter zu reduzieren, ist<br />
zudem die Flexibilisierung und ggf. auch die Ausweitung <strong>der</strong> Sprechzeiten <strong>der</strong> nie<strong>der</strong>gelassenen<br />
Haus‐Ärzte zu för<strong>der</strong>n. Dies gilt es zu incentivieren, auch wenn verschiedene Untersuchungen<br />
aus Deutschland zeigen, dass unter den aktuellen Rahmenbedingungen ein relevanter Teil <strong>der</strong><br />
ambulant behandelbaren Patienten, die sich während <strong>der</strong> regulären Sprechzeiten vorstellen,<br />
gerade von ihrem Hausarzt in die Notaufnahme verwiesen wurden HKG 2017; Somasundaram<br />
et al. 2016. Jedoch zeigen Untersuchungen aus England, dass sich Patienten bei Verlängerung<br />
<strong>der</strong> Öffnungszeiten von Allgemeinärzten am Abend und am Wochenende deutlich seltener mit<br />
nicht dringlichen Indikationen in <strong>der</strong> Notaufnahme vorstellen. Überdies werden bei – in<br />
279 Diese App könnte überdies in lebensbedrohlichen Situationen den Standort des Patienten sowie einen vorab<br />
in Zusammenarbeit mit dem Hausarzt festgelegten Notfalldatensatz an die Rettungsleitstelle bzw. das<br />
Krankenhaus senden. Darüber hinaus könnte eine bundesweit nutzbare, kostenlose Notfall‐App bereits bei<br />
<strong>der</strong> initialen Patientensteuerung und ‐information Anwendung finden. Denkbar wäre es, hierfür die vom<br />
Bundesministerium für Wirtschaft und Energie BMWI geför<strong>der</strong>te Notruf‐App vgl. BMWi 2017 um solche<br />
Funktionen zu ergänzen.<br />
280 Die hier vorgeschlagene Kontaktgebühr entspräche <strong>der</strong> vom Rat erwogenen Kontaktgebühr für<br />
Facharztbesuche ohne Überweisung, die eingeführt werden sollte, wenn keine Entwicklung zu einer<br />
abgestufteren <strong>Versorgung</strong> absehbar ist siehe Kapitel 12 zur Steuerung <strong>der</strong> Patientenwege.<br />
281 Je nach Zielgruppe bieten sich verschiedene Möglichkeiten an: Aufklärung in Kin<strong>der</strong>gärten und Schulen, wie<br />
dies z. B. bereits in Bayern <strong>der</strong> Fall ist, aber auch in Betrieben. Außerdem sollten soziale Medien,<br />
Videodienstplattformen wie YouTube und auch breitenwirksame Informationsblöcke im Fernsehen genutzt<br />
werden.