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THEMA DES MONATS - Reiter Revue International

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<strong>THEMA</strong> <strong>DES</strong> <strong>MONATS</strong> <strong>THEMA</strong> <strong>DES</strong> <strong>MONATS</strong><br />

„Viele „Viele Pferde Pferde wohnen, wohnen,<br />

weil weil Menschen Menschen ihnen ihnen Ställe Ställe<br />

wie wie Puppenstuben Puppenstuben bauen“ bauen“<br />

10 REITER REVUE 5|2008<br />

Dr. Barbara Schöning,<br />

Verhaltensforscherin aus Hamburg<br />

Moderne Pferdehaltung<br />

„Wohnst du noch<br />

oder lebst


du schon?“<br />

Der Werbeslogan eines Möbelhauses<br />

könnte unsere Pferdehaltung<br />

revolutionieren. Wieviele<br />

Pferde sehen den ganzen Tag<br />

nichts als eine Wand oder stehen<br />

knietief und unbeweglich im<br />

Matsch? Dabei gibt es tolle Hal- SORGE<br />

F.<br />

tungsideen – <strong>Reiter</strong> <strong>Revue</strong> stellt<br />

zwei Stallsysteme vor. FOTO:<br />

5|2008 REITER REVUE 11


<strong>THEMA</strong> <strong>DES</strong> <strong>MONATS</strong> <strong>THEMA</strong> <strong>DES</strong> <strong>MONATS</strong><br />

Aus altem Gemäuer wird ein moderner<br />

Stall: Familie Heine riss Boxenwände raus<br />

und baute einen Laufstall für vier Pferde.<br />

Die vierjährige Spirit streckt im Stall<br />

alle Viere von sich und schnarcht,<br />

Senior Raubautz steht dösend im<br />

Sand, Pony Wildfang kaut ungestört sein<br />

Heu im Futterstand, während Molly trockenen<br />

Hufes frische Luft schnappt.<br />

Typisches Pferdeleben in der Eulenmühle,<br />

ein Pensionsstall im rheinland-pfälzischen<br />

Ingelheim, der sich auf Kleingruppen und<br />

Einzelpaddockboxen konzentriert hat. Was<br />

früher ein üblicher Boxenstall war, mit wenig<br />

Licht und wenig Auslauf, ist seit dem Umbau<br />

ein kleines Pferdeparadies. Ein Beispiel<br />

stellvertretend für viele umgebaute Ställe.<br />

Reine Tierliebe? Nicht nur. Schlechte Haltung<br />

macht Pferde krank. Kranke Pferde<br />

verursachen hohe Tierarztkosten und verlieren<br />

an Wert. Bewegungsmangel provoziert<br />

Verhaltensstörungen wie Koppen oder Weben<br />

oder machen das Pferd unausgeglichen<br />

– und für den <strong>Reiter</strong> schwer händelbar. „Ein<br />

Umdenken in Sachen Haltung ist notwendig<br />

geworden“, findet Agrarwissenschaftlerin<br />

Dr. Christa Finkler-<br />

Schade aus dem niedersächsischenVerden.<br />

„Eine holländische<br />

Untersuchung<br />

weist darauf hin, dass<br />

sich Qualität und Belastbarkeit<br />

von Gewebestrukturen<br />

wie Sehnen,<br />

Bänder und Gelenkknorpel in den ersten<br />

Tagen und Lebenswochen eines Fohlens<br />

ausbilden – nur wenn es genügend Bewegung<br />

auf unterschiedlichem Boden hat.“ Bewegung,<br />

Licht und Luft – Ziel für die Eulen-<br />

12 REITER REVUE 5|2008<br />

„Ein Boxenauslauf<br />

ersetzt das Bewegen der<br />

Pferde nicht, ist aber für<br />

die Psyche wichtig!“<br />

Urs Schweizer, Swiss Horse Management<br />

Altlasten: Die Boxenwände aus Zeiten der<br />

Einzelhaltung nutzt Wiltrud Heine heute als<br />

Trennwände für Futterstände.<br />

mühle: Die Besitzer Wiltrud und Norbert<br />

Heine haben die Anlage 1998 gekauft, die 14<br />

Gitterboxen im denkmalgeschützten Stall<br />

zum Offenstall um- und nebenan einen Trakt<br />

neugebaut – damit<br />

war die Eulenmühle<br />

im Jahr 2000 Sieger<br />

des Wettbewerbs „Unser<br />

Stall soll besser<br />

werden“ (siehe Seite<br />

23). Die kombinierte<br />

Boxen- und Laufstallhaltung<br />

mit den zwölf<br />

Hektar Weiden ist nach wie vor modern –<br />

und pferdegerecht. Hier wohnen nicht, sondern<br />

leben 36 Pferde. Nicht zuletzt gibt es eine<br />

Reithalle, einen Außenplatz und ein Ausreitgelände.<br />

Alles neu: Im offenen Paddockstall ist es<br />

winters drinnen so kalt wie draußen. Das<br />

isolierte Dach schützt vor Sommerhitze.<br />

„Moderne Pferdehaltung“ ist das Schlagwort,<br />

das die Agrarwissenschaftlerin Dr. Christiane<br />

Müller vor zehn Jahre als Sonderschau auf<br />

der Messe HansePferd initiierte. „Damals wie<br />

heute ging es um Licht, Luft, Bewegung und<br />

Sozialkontakt“, erzählt Dr. Müller, öffentlich<br />

vereidigte Sachverständige. „Was sich gewandelt<br />

hat, ist der Trend zum durchdachten<br />

Konzept der Gruppenhaltung bis hin zu Bewegungsställen.<br />

Man traut inzwischen dem<br />

Pferd zu, dass es sich zwischen Funktionsräumen<br />

wie Liegeraum und Tränke oder Futterstelle<br />

selbst bewegt“, sagt Dr. Müller.<br />

Das ermöglicht Wiltrud Heine ihren Vierergrüppchen<br />

– die sie einige Male wechselte, bis<br />

sich vier gute Freunde gefunden haben. Streit<br />

ums Futter gibt’s nicht, weil sie etwa einen<br />

Meter breite Futterstände anbietet: „Oft stel-


FOTOS: C. HÖCHSTETTER; J. WENTSCHER (1)<br />

Kontaktbörse: Die einzeln stehenden Paddockboxen-Pferde<br />

kommen im Winter stundenweise<br />

in Zweiergruppen auf den Auslauf.<br />

Wiltrud Heine<br />

mit dem<br />

Ex-SchulpferdCharlie<br />

Brown –<br />

der lebt auf<br />

der Eulenmühleerstmals<br />

in einer<br />

Herde.<br />

len sich die Pferde hier nur zum ungestörten<br />

Dösen rein“, beobachtet Heine. In der großen<br />

Laufbox ist Platz zum Liegen. Der Außenbereich<br />

hat Sand zum Wälzen und einen gepflasterten<br />

Bereich. „Wenn Pferde die Wahl haben,<br />

stellen sie sich nie freiwillig in Matsch“, beobachtet<br />

Wiltrud Heine. Im Stall gibt es Möglichkeit<br />

zum Beschnuppern und gitterfreien Blick in<br />

die Stallgasse. Die Boxenpferde haben einen<br />

Sonnenbalkon. Wie eine Aussichtsplattform.<br />

„Die Pferde stehen fast immer draußen, wenn sie<br />

nicht fressen“, erzählt Heine. In der Box wurde<br />

Kautschuk-Estrich verlegt – gelenkschonend<br />

und einstreusparend. An der Decke die Trauflüftung:<br />

Im Winter ist die Temperatur innen wie<br />

außen gleich, bei Frost werden die Tränken beheizt.<br />

Im Sommer soll das mit Sandwichplatten<br />

isolierte Dach Hitze abhalten. Statt Stalltüren<br />

hängen Plastikvorhänge an den Paddockeingängen<br />

– wegen der Fliegen, nicht wegen des<br />

Wetters. „Manchmal stürmt es ganz schön, aber<br />

die Pferde stört das nicht“, sagt Heine. Das be-<br />

Wohnungs-Not?<br />

Wo steht Ihr Pferd? Schon die Frage deutet<br />

darauf hin, dass unsere Pferde ihr Leben<br />

eher stehend in Boxen verbringen als bewegend<br />

auf Außenflächen. Generell gibt es<br />

folgende Formen der Pferdehaltung:<br />

■ Einzelhaltung: Innenbox mit oder ohne<br />

Fenster nach draußen, mit oder ohne Luke<br />

in die Stallgasse; wahlweise Außenbox mit<br />

Fenster oder gar Tür nach draußen. An mancher<br />

Box schließt sich ein Auslauf oder Paddock<br />

an. Bitte beachten Sie im Sinne des<br />

Pferdes: Kontakt zum Nachbarn? Blick nach<br />

draußen? Zusätzlich täglich Auslauf und/<br />

oder Weide?<br />

■ Laufstall: eine Gruppe lebt gemeinsam<br />

in einer großen Box, häufig bei Jungpferden<br />

oder Zuchtstuten. Kontrollfragen: Genügend<br />

Futter für jeden? Stress?<br />

■ Offenstall: für zwei oder mehr Pferde,<br />

die jederzeit rein und raus können. Mögliche<br />

Knackpunkte: Trockene Stehplätze im<br />

Freien, genügend Schlaf- und Futterplätze?<br />

■ Bewegungsstall: Pferde müssen sich bewegen,<br />

weil Tränke-, Futter- und Schlafplatz<br />

räumlich getrennt sind. Dieses Haltungssystem<br />

bietet oft computergesteuerte und daher<br />

individuelle, häufige sowie dosierte Fütterung<br />

(siehe Seite 14). Knackpunkt: Pferde<br />

brauchen natürliches Sozialverhalten.<br />

■ Infoblätter und Bewertungsschilder für<br />

Pferdehaltung: Die Deutsche <strong>Reiter</strong>liche<br />

Vereinigung (FN) zeichnet Ställe mit ihrem<br />

Kennzeichnungssystem aus, allerdings vorrangig<br />

nach Funktion und weniger nach artgerechter<br />

Unterbringung. Die Broschüre<br />

„Zeigen Sie geprüfte Qualität“ gibt es bei<br />

der FN, Abteilung Betriebe, Freiherr-von-<br />

Langen-Straße 13, 48231 Warendorf; www.<br />

pferd-aktuell.de. Die Laufstall-Arbeits-Gemeinschaft<br />

(LAG) zertifiziert Gruppenhaltungen<br />

mit „Stallsternen“, maximal fünf. Einen<br />

Bewertungskatalog gibt es kostenlos:<br />

LAG, Aichacher Straße 3, 86567 Hilgertshausen;<br />

www.lag-online.de. Ebenfalls einen<br />

Katalog zur Pferdehaltung bietet der ehemalige<br />

LAG-Vorstand Hanns Ullstein jun.:<br />

„25 Möglichkeiten für Einzel- und Gruppenhaltung“,<br />

Ferstlstraße 15, 85445 Oberding;<br />

www.hanns-ullstein-jun.de.<br />

stätigt Haltungsexpertin Dr. Müller: „Die Thermoregulation<br />

unserer Pferde funktioniert nur,<br />

wenn sie ganzjährig Kontakt zum Außenklima<br />

haben. Wird das komplette Pferd von Luft umströmt,<br />

schadet das nichts – außer alten, kranken<br />

und neugeborenen Pferden.“ Der älteste<br />

Eulenmühler Bewohner ist 31 Jahre alt – und<br />

dreht sich allenfalls mit dem Hintern gegen den<br />

Wind. Rein will er nicht. Cornelia Höchstetter<br />

● www.eulenmuehle.de; mehr Fotos und Infos sowie<br />

Ergebnisse des Langzeittests mit Paddockmatten finden<br />

Sie im Internet unter www.reiter-revue.de.<br />

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5|2008 REITER REVUE 13


<strong>THEMA</strong> <strong>DES</strong> <strong>MONATS</strong> <strong>THEMA</strong> <strong>DES</strong> <strong>MONATS</strong><br />

W<br />

ie im Zoo. Nur viel spannender.<br />

Denn hier ist Bewegung drin,<br />

während im Zoo nur zu Futterzeiten<br />

der Bär steppt.<br />

Das ist Sinn des Systems: Ein Bewegungsstall<br />

wie der im hessischen Strinz-Margarethä<br />

hält Pferde auf dem Laufenden, weil sie viele<br />

Lebensräume haben: gefressen wird woanders<br />

als geschlafen, gesoffen weiter drüben,<br />

gewälzt im Sand. Familie Enders hat<br />

ihren Pferdestall, den Margarethenhof, 2006<br />

14 REITER REVUE 5|2008<br />

Pferde im Bewegungsstall<br />

Lebenshaltung<br />

50 Meter vom Trog zur Tränke, die Schranke zur Heuraufe öffnet sich computergesteuert nach einer typischen<br />

Kopfbewegung: Im Bewegungsstall ist Schluss mit Zimmer-Service. Dort gilt Selbstbedienung<br />

mit Fußmarsch – die 26 Pferde vom Margarethenhof leben so seit über einem Jahr.<br />

umgebaut. Die Futterautomaten sind Herzstück,<br />

denn der Hunger oder besser das Bedürfnis<br />

zu fressen hält die Pferde in Gang.<br />

Programmiert sind Pferdenamen, Kraftfuttermenge<br />

und die Futtermenge pro Zeitraum.<br />

Pro Besuch an der Futterstation rieseln<br />

maximal fünf Prozent des Tagesbedarfs<br />

in den Trog. Das ist pro Pferd und Futterbedarf<br />

individuell einstellbar, auch was das Maximum<br />

einer Portion betrifft. Am Beispiel<br />

von Senior Gringo, 28 Jahre alt, erklärt Cor-<br />

nelia Enders: „Gringo bekommt am Tag drei<br />

Kilo Kraftfutter. Das könnte er sich theoretisch<br />

in bis zu 24 Portionen abholen.“ So oft<br />

geht kaum ein Pferd an die Station, das Futter<br />

wird aufgespart. Im Durchschnitt besuchen<br />

die Pferde 15-mal pro Tag das Selbstbedienungsrestaurant.<br />

Das kann kein menschlicher<br />

Futtermeister leisten. Bleibt die<br />

tägliche Kontrolle des Computers: Welches<br />

Pferd hat wieviel Prozent seines Futters abgeholt?<br />

So merkt Cornelia Enders, wenn eins


FOTOS: C. HÖCHSTETTER, WWW.HIT-CONSULTING.DE<br />

Ein Dorf für Pferde<br />

Moderne<br />

Mensa: In<br />

diesen Bereich<br />

dürfen<br />

nur Pferde,<br />

auf deren<br />

Mikrochip<br />

„Heu nach<br />

Belieben“<br />

gespeichert<br />

ist. Der im<br />

Hals implantierte<br />

Chip ist Eintrittskarte<br />

zum Raum<br />

der offenen<br />

Raufen.<br />

Ein Bewegungsstall ist wie ein autarkes Dorf: Eine Gemeinschaft<br />

lebt hier, kann sich aus dem Weg gehen, versorgt<br />

sich, muss deshalb Wege zwischen Schlaf- und Fressplatz<br />

auf sich nehmen. Heu, Hafer und Co. gibt es individuell:<br />

Jedes Pferd hat entweder am Halfter festgeklebt<br />

oder in die Halsmuskulatur implantiert einen Transponder.<br />

Die persönliche Futterration ist darauf gespeichert,<br />

der Computer erkennt das Pferd und schüttet grammgenau<br />

die Haferkörner aus – bis zu 24-mal am Tag. Mit Heu<br />

und Stroh geht das ebenso.<br />

Den Sommer<br />

genießen<br />

Repellents sicher verwenden.<br />

Vor Gebrauch stets Kennzeichnung und Produktinformationen lesen.<br />

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<strong>THEMA</strong> <strong>DES</strong> <strong>MONATS</strong> <strong>THEMA</strong> <strong>DES</strong> <strong>MONATS</strong><br />

Lebensräume: Die frostsichere Selbstränke ist etwa auf halbem Weg zwischen Heustation und Kraftfutterautomat. Wer Durst hat, kommt<br />

ums Laufen nicht herum. In einem stroheingestreuten Liegeraum gibt es Spielzeug – oben auf der „Galerie“ ist der zweite Schlafraum.<br />

der Pferde krank wäre und nicht zum Fressen<br />

kommt. Der Marsch auf der Anlage summiert<br />

sich pro Pferd auf etwa sechs bis acht<br />

Kilometer Fußmarsch täglich, das haben Enders<br />

per Schrittzähler gemessen. Eine wissenschaftliche<br />

Untersuchung von 1994 zeigte,<br />

dass Pferde bei 24 Stunden Weidegang täglich<br />

8,4 Kilometer gehen, auf einer Tagesweide<br />

3,5 Kilometer, in einem Offentstall ohne<br />

Funktionsgliederung 1,8 Kilometer und<br />

Boxenpferde 0,17 Kilometer – auf diesem<br />

kleinsten Lebensraum teilten sich die Schritte<br />

zu 39 Prozent seitlich, 32 Prozent drehen,<br />

20 Prozent geradeaus und neun Prozent<br />

rückwärts auf. Pferdefreunde sind mit artge-<br />

Statt Eimer zu schleppen<br />

muss Cornelia Enders den<br />

Kraftfutterautomaten auffüllen<br />

und per Computer kontrollieren,<br />

ob alle Pferde gefressen<br />

haben (r.). Der Fuchs<br />

verlässt die Station, der<br />

Nächste kann an den Trog.<br />

16 REITER REVUE 5|2008<br />

rechten Bewegungsställen übrigens Nachzügler.<br />

Der Nutztierhalter war schneller.<br />

„Vor mindestens 20 Jahren kam aus Amerika<br />

der Trend des Kuh-Komforts und des<br />

Außenklimastalls in der Milchviehhaltung.<br />

Antrieb für die Bauern war der wirtschaftliche<br />

Erfolg: Glückliche Kühe leben so gesünder,<br />

die Tierarztkosten reduzieren sich, der<br />

Milchertrag steigt“, erklärt Dr. Christiane<br />

Müller, Agrarwissenschaftlerin und Haltungsexpertin<br />

aus dem schleswig-holsteinischen<br />

Trenthorst. Statt Anbindehaltung auf<br />

engstem Raum darf sich die Kuh bewegen,<br />

bekommt sich drehende Bürsten zur Fellpflege<br />

und lebt in einer Herde. So wie die<br />

Pferde auf dem Margarethenhof. Bewegung<br />

ist gesund. Die Landwirte Enders hatten<br />

schon früher einen Boxenpensionsstall und<br />

wollten umbauen. Der erste Schritt zum Offenstall<br />

für mehrere Grüppchen zeigte: „Die<br />

Pferde standen zwar draußen, rührten sich<br />

aber nicht weg von der Heuraufe.“<br />

Enders haben sich im Winter 2005/2006 in<br />

ganz Deutschland Bewegungsställe angeschaut<br />

und viel gelesen. 30.000 Euro haben<br />

sie in Technik investiert, viel Eigenleistung<br />

eingebracht. „Vom Wirtschaftlichen wird es<br />

sich in ein paar Jahren rechnen. Die Boxenpreise<br />

haben wir in Absprache mit unseren<br />

Einstellern nicht erhöht: 210 Euro ohne<br />

„Ich musste umdenken“<br />

Kirsten und Werner Bonn bieten auf ihrer Reitanlage im hessischen<br />

Riedstadt seit etwa zweieinhalb Jahren neben einem herkömmlichem<br />

Paddockboxenstall auch einen Bewegungsstall an.<br />

15 Pferde leben dort, davon drei Dressurpferde, die bis zur Klasse<br />

L starten. Das Fazit der Stallbetreiber: „Das Dressurpferd ist<br />

inzwischen in Prüfungen weniger guckig als früher. Probleme<br />

gibt es weder mit eingeflochtener Mähne vor dem Turnier noch<br />

mit beschlagenen Pferden.“<br />

Schon der Vater des 44-jährigen Werner Bonn hatte Pferde. Das<br />

Prinzip Bewegungsstall ließ Werner Bonn umdenken, den Vergleich<br />

zum Boxenstall kann er aus jahrzehntelanger Erfahrung<br />

ziehen: „Wir haben immer Jungpferde, die bei uns immer in<br />

der Rhön auf riesigen Flächen aufwachsen und als Dreijährige<br />

zum Einreiten in den Stall kommen. Unsere jetzigen beiden<br />

Nachwuchspferde fühlen sich pudelwohl im Aktivstall, bocken<br />

nun weder beim Anlongieren noch beim Einreiten und sind<br />

wirklich ausgeglichener.“ Bei ihm kostet die Unterbringung im<br />

Bewegungsstall komplett 310 Euro, eine Paddockbox 365 Eu-<br />

FOTOS: C. HÖCHSTETTER


Eine Ideallösung?<br />

Ein Haltungssystem für alle? Gibt es nicht. Zu unterschiedlich<br />

sind Pferdetypen, -charaktere und schließlich<br />

die Nutzung. Gegen Gruppenhaltung sprechen etwa:<br />

■ Viel Wechsel im Stall?<br />

„Gerade im Bereich der Sportpferde gibt es in manchen<br />

Ställen einen immerwährenden Wechsel, was sich für ein<br />

Gruppenleben nicht eignet“, meint Urs Schweizer vom<br />

Beratungsunternehmen Swiss Horse Management.<br />

■ Geschoren und eingedeckt?<br />

Müssen Pferde häufig geschoren und eingedeckt werden<br />

und schwitzen sie nach dem Reiten extrem, ist ein offener<br />

Stall nicht ideal. „Viele <strong>Reiter</strong> sind zu bequem, so lange<br />

zu warten, bis das Pferd trocken ist“, meint Schweizer.<br />

■ Verletzungsrisiko?<br />

Das bleibt bestehen und es gibt „Montagspferde“, die das<br />

Unglück magisch anziehen. „Teure Sportpferde sind auch<br />

eine Wertanlage“, sorgt sich Schweizer.<br />

■ Verhaltensauffällige Wallache?<br />

In der Pferdegruppe von Familie Enders gab es anfangs<br />

einen Wallach, der sehr hengstig war. „Den mussten wir<br />

einfach rausnehmen. Trotz intensiver Vorbereitung zur<br />

Gruppenzusammenführung ging es mit diesem Pferd einfach<br />

nicht. Eindeutig ist: Offenstall ist keine Lösung für alle<br />

Pferde“, sah Cornelia Enders ein.<br />

■ Ist der Stallbetreiber kompetent?<br />

Kompetenz und eine große Portion Idealismus muss der<br />

Stallbetreiber, der auf einen Bewegungsstall umstellt, mitbringen.<br />

Urs Schweizer fordert darüber hinaus Wissen und<br />

Erfahrung: „Der Halter muss unbedingt etwas von Pferden<br />

und Rangfolge verstehen. Gerade rangniedrige Tiere<br />

geraten sonst in Dauerstreß.“<br />

■ Genügend Platz für alle?<br />

Wer sich für einen Offenstallplatz interessiert, sollte<br />

checken, ob es genügend Fressplätze und Rückzugsmöglichkeiten<br />

gibt, wo auch schwache Pferde Ruhe finden –<br />

deshalb muss ein Bewegungsstall eine gewisse Größe haben,<br />

was stadtnahen Ställen manchmal fehlt.<br />

ro. „Von den Personalkosten her ist unser Aktivstall einfacher<br />

handzuhaben als Paddockboxen.“ Bis sich der Umbau rentiert,<br />

rechnet Werner Bonn mit fünf Jahren. „Teurer wäre ein<br />

Umbau zur Einzelhaltung mit etwa 2.500 bis 3.000 Euro pro<br />

Box. Für 20 Pferde ist eine Bewegungsanlage günstiger.“ Sein<br />

Stall lockte Forscher an. „Vor eineinhalb Jahren hat eine Studentin<br />

ihre Doktorarbeit hier im Stall geschrieben. Ihr Ergebnis:<br />

Jedes Pferd läuft in der Größe unserer Anlage etwa drei<br />

Kilometer am Tag.“ Natürlich sind Pferde unterschiedlich lauffreudig.<br />

„Aber irgendwann bekommt jeder Durst und muss<br />

70 Meter vom Futterautomat zur Tränke laufen“, sagt Bonn.<br />

Michaela Raab hält auf der bayerischen Reitanlage Mainburg<br />

S-Dressurpferde im Aktivstall, 18 Pferde insgesamt, Einsteller<br />

zahlen 355 Euro komplett. „Ein Turnierpferd hat die gleichen<br />

Bedürfnisse wie ein normales Pferd. Auch wenn es derzeit<br />

noch die Ausnahme ist, dass Sportpferde artgerecht gehalten<br />

werden.“ Ihre Turnierpferde sind in der größten Sommerhitze<br />

nicht schlapp: „Die Pferde wechseln ihren Tagesrhytmus,<br />

gehen um fünf Uhr morgens raus auf die Weide<br />

und kommen tagsüber zum Dösen in die Ställe. Das ist was<br />

anderes als der Zwangskoppelaufenthalt bei praller Sonne.<br />

5|2008 REITER REVUE 17


<strong>THEMA</strong> <strong>DES</strong> <strong>MONATS</strong> <strong>THEMA</strong> <strong>DES</strong> <strong>MONATS</strong><br />

Kraftfutter. Wir wollten vor allem eine Verbesserung<br />

für die Pferde und für uns. Unser<br />

Tagesablauf ist heute viel flexibler, nur die<br />

ersten drei Monate waren sehr intensiv.“<br />

„Bauchweh hatten wir vor dem Zusammenstellen<br />

der Herde“, erinnert sich Cornelia<br />

Enders, im Nachhinein auch unbegründet.<br />

„Die Integration wurde gut vorbereitet, die<br />

Pferde kannten sich schon von Zaun zu Zaun.<br />

Zusammen kamen alle 27, Wallache und Stuten,<br />

erst einmal auf eine frische Weide.“ Es lief<br />

auch fast alles glatt: „Nur mit einem zu hengstigen<br />

Wallach ging es nicht, den mussten wir<br />

rausnehmen. Offenstall ist keine Lösung für<br />

alle.“ Was das Lernen angeht: Die Pferde müssen<br />

vor der Schleuse zum Heuraufen-Paddock<br />

18 REITER REVUE 5|2008<br />

Sesam öffne dich: Durch<br />

diese Schleuse kommen<br />

nur die Pferde, die eine<br />

computergesteuerte Erlaubnis<br />

für unbegrenzt Heu<br />

haben. Öffnet sich die Tür<br />

(l.), warten dahinter zwei<br />

große Raufen.<br />

ihren Hals mit dem Transponder in bestimmter<br />

Position an das Lesegerät halten, damit die<br />

Tür aufgeht. „Die Pferde werden kopfmäßig<br />

gefordert. Die erste Zeit haben wir geholfen.<br />

Das langsamste Pferd hat es nach drei<br />

Monaten kapiert, das schnellste in drei Tagen.<br />

Warmblüter sind langsamer, Ponys gewitzter.“<br />

Und Enders lernten: Die natürliche Pferdegangart<br />

ist das Schlendern – mit Ausnahmen:<br />

Der Pinto hat einen festen Plan im Kopf<br />

und geht schnurstracks vom Heu zur Kraftfutterstation.<br />

Auf dem Margarethenhof ist es<br />

wirklich wie im Zoo. Cornelia Höchstetter<br />

● Margarethenhof, Tel. 06128/1674. Mehr Infos<br />

und Fotos: www.reiter-revue.de<br />

Aquatraining<br />

• bei Rückenproblemen<br />

Aufbau und Lockerung der Rückenmuskulatur<br />

• bei Gelenks- und Sehnenproblemen<br />

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• nach Operationen<br />

kontrollierter Aufbau im Aquatrainer<br />

• nach der Turniersaison<br />

Urlaub fürs Pferd ohne Muskel- & Konditionsabbau<br />

250 Aktivställe<br />

Es gibt zwei Unternehmen, die sich auf<br />

Bewegungsställe spezialisieren: Schauer<br />

aus dem österreichischen Prambachkirchen<br />

(www.schauer.co.at) und HIT<br />

(Hinrichs Innovations + Technik; www.<br />

aktivstall.de). Erfinder des Aktivstalls,<br />

Thorsten Hinrichs, hat in Deutschland<br />

250 Aktivställe ausgerüstet – und erinnert<br />

sich an das Jahr 2001, als er auf der<br />

Equitana sein Stallsystem mit Pferden<br />

vorstellte: „Damals haben wir einen<br />

Fehler gemacht: zu enge Gassen und<br />

Einbahnstraßen.“ Deshalb lief es bei der<br />

Präsentation nicht ganz reibungslos.<br />

Kinderkrankheiten sind inzwischen behoben;<br />

mehr Platz, mehr Frieden. Weil<br />

der Firmensitz in Schleswig-Holstein ist,<br />

ist dort die Keimzelle, zwischen 2001<br />

und 2003 entstanden 30 bis 35 Aktivställe.<br />

„Baden-Württemberg und Bayern<br />

sind inzwischen gut vertreten.“ Die Anerkennung<br />

der traditionellen Pferdehalter<br />

hat er übrigens, seitdem sein Fohlen<br />

– im Aktivstall aufgewachsen – gekört<br />

wurde: der Holsteiner Hengst Legolas<br />

von Lordanos. „Der Hengst ist Werbeträger<br />

für unsere Aufzucht.“ Und gerade<br />

bei den Zuchtbetrieben sieht er „ein<br />

riesiges Potenzial für Aktivställe. Ideal für<br />

die tragende Stuten. Die Rosse ist bei<br />

dieser natürlicheren Haltung viel ausgeprägter.“<br />

Inzwischen haben nicht nur<br />

Privatleute einen Aktivstall, sondern<br />

auch Pensionsbetriebe. „Wer davon leben<br />

muss, braucht eine Herdengröße<br />

von 20 bis 30 Pferden“. Im größten<br />

Aktivstall leben 62 Pferde. „Die Anlage<br />

ist aber organisch gewachsen und 5.000<br />

Quadratmeter groß“ – fast so groß wie<br />

sechs 40-Meter-Reithallen. Hinrichs Erkenntnis:<br />

„Von den Pferdebesitzern, die<br />

ihre Tiere in der Herde erlebt haben,<br />

würden nur sehr wenige das Pferd wieder<br />

in die Box stellen.“<br />

• täglich Aquatraining<br />

• Pferdephysiotherapie<br />

• Pferdeosteopathie<br />

• Trainingstherapie<br />

• Physikalische Therapie<br />

• Cranio-sacrale Therapie<br />

• Magnetfeld- und Lasertherapie<br />

• Solarium<br />

• Stationäre Unterbringung<br />

• Beritt<br />

• Mobiler Service<br />

Radmacherstraße 9 • 50374 Erftstadt<br />

Tel: (02235) 685647 • Fax: (02235) 685648 • Mobil: (0175) 5963207<br />

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FOTOS: C. HÖCHSTETTER<br />

www.peters-produktion.de<br />

©


1<br />

Das verflixte V<br />

Kardinalfehler in Deutschlands Ställen:<br />

„Viele Fenster sind zu klein“, findet Verhaltensforscherin<br />

Dr. Barbara Schöning.<br />

„Groß genug sollte ein Fenster sein, damit<br />

das Pferd sich für eine gute Sicht nicht verrenken<br />

muss.“ Was gar nicht geht: „Die V-<br />

Gitter, die die Bewegungsfreiheit des Pferdes<br />

einschränken“, findet Dr. Schöning.<br />

Ursprungsgedanke ist das Verhindern von<br />

Weben – eine Verhaltensstörung, bei der<br />

das Pferd sein Körpergewicht von links<br />

nach rechts wiegt und den Kopf schwenkt.<br />

Die niederländische Verhaltensforscherin<br />

Kathalijne Visser von der Universität Wageningen<br />

fand heraus: „Oft fangen die<br />

Pferde an, vor dem V-Gitter in der Box<br />

zu weben, eben weil die Kopffreiheit nach<br />

draußen so eingeschränkt ist – vielleicht<br />

ein neuer Streßfaktor.“ Das V-Fenster<br />

sollte die Ursache des Webens, also Stress,<br />

beseitigen, verursacht aber neuen. Besser<br />

wäre: Die Haltung dem Pferd anpassen,<br />

als das Pferd dem Stall anzupassen.<br />

FOTOS: VAN BAKEL_HIM, C. HÖCHSTETTER<br />

Wie ein Guckloch für schwedische Gardinen:<br />

Das Gitter beschränkt das Pferd.<br />

HUF-PROBLEME?<br />

Empfohlen von<br />

Olympiaschmied<br />

Dieter Kröhnert<br />

www.hoof-formula.de<br />

Hotline: 0 61 02-5 99 89-0<br />

2Hohe<br />

Räume<br />

„Laufställe müssen höher<br />

als Boxenställe sein“, unterscheidetVerhaltensforscherin<br />

Dr. Barbara Schöning<br />

aus Hamburg. Der<br />

Grund: Im Laufstall passiert<br />

mehr, hier bewegen<br />

sich die Pferde, spielen<br />

miteinander oder steigen.<br />

Dr. Schöning beobachtet<br />

in der Praxis zu viele zu<br />

niedrige Decken in Laufställen.<br />

Außerdem machen<br />

höhere Stalldecken<br />

ein besseres Klima. Laut<br />

Positionspapier für die<br />

Pferdehaltung gilt eine<br />

Deckenhöhe von 2,60 Meter<br />

für Großpferde bis<br />

1,70 Meter Stockmaß.<br />

Mit 4.000,00mg/kg Biotin!<br />

Aspekte zum besseren Pferdeleben<br />

13<br />

®<br />

Gedanken zur<br />

Muster-Haft<br />

Wir Menschen könnten das Leben unserer Pferde um vieles schöner gestalten<br />

– wenn nicht die vielen festgefahrenen Vorstellungen wären. Nadja Fischer<br />

und Cornelia Höchstetter holen bei Experten Lebenshilfe für Pferde.<br />

● Positionspapier unter<br />

www.tierschutz-tvt.de/positionspapierpferdehaltung.pdf<br />

Nachbarschaft – in diesem Fall gut gelungen.<br />

3<br />

Nachbarschaftsstreit<br />

Ein falscher Nachbar ist potenzielles Stress-Risiko: „Wenn ein<br />

Pferd gegenüber dem Menschen aggressives Verhalten in der<br />

Box zeigt, also den Menschen zum Beispiel nicht reinlässt,<br />

kann dies eine Form von umgerichteter Aggression sein. Der<br />

eigentliche Stressauslöser, der ungeliebte Nachbar, ist unerreichbar<br />

– also wird sich an jemand anderem abreagiert,“ beobachtet<br />

Dr. Schöning. Warum nicht mal die Boxen tauschen?<br />

Hannoveraner Verband<br />

27283 Verden<br />

Tel. 04231-6730<br />

mmeyer@hannoveraner.com<br />

www.hannoveraner.com<br />

Hannoveraner erleben<br />

2. Verkaufswoche<br />

für Freizeitpferde<br />

19.-24. Mai 2008<br />

auf dem Gelände der<br />

Niedersachsenhalle in Verden (Aller)<br />

5|2008 REITER REVUE 19


VVielfalt Vielf lf f<br />

<strong>THEMA</strong> <strong>DES</strong> <strong>MONATS</strong> <strong>THEMA</strong> <strong>DES</strong> <strong>MONATS</strong><br />

4Weg<br />

mit Kopperriemen!<br />

Sieht aus wie ein Folterinstrument und fühlt sich wohl so<br />

an: Der sogenannte Kopperriemen, ein Lederriemen oder<br />

Metallbügel, der dem Pferd im Kehlkopfbereich fest und<br />

eng um den Hals gelegt wird, am Ende des langen Halsmuskels,<br />

so dass das Pferd beim Anspannen Schmerzen<br />

empfindet. So soll das Koppen verhindert werden. Nur<br />

muss das Pferd auch beim Fressen und Saufen schlucken.<br />

„Lasst das Pferd doch koppen und verbessert lieber die<br />

Haltung. Das ist Flickwerk und Ausdruck menschlicher<br />

Hilflosigkeit. Und: Die Wahrscheinlichkeit, dass ein operierter<br />

Kopper eine andere Form der Stereotypie entwickelt,<br />

ist sehr groß“, sagt Dr. Barbara Schöning. Dass<br />

Koppen als solches Koliken auslöst, ist falsch. „Die Luft<br />

gelangt beim erwachsenen Pferd nicht bis in den Magen“,<br />

sagt Dr. Schöning. Die Luft wird nur im Kehlkopf bewegt.<br />

Humbaur GmbH • Mercedesring 1 • 86368 Gersthofen • Fon: +49 (0)821 24929-0 • Fax +49 (0)821 24929 -100 • www.humbaur.de • info@humbaur.de<br />

8Direkter<br />

Kontakt<br />

Mauern grenzen ab. Studenten an der niederländischen<br />

Universität Van Hall Larenstein haben 2006<br />

für eine inoffizielle Studie herausgefunden: Pferde<br />

mit Kontakt zu Artgenossen in der benachbarten<br />

20 REITER REVUE 5|2008<br />

Unüblich für<br />

Sportpferde:<br />

Weltmeister<br />

Sleep Late<br />

wälzt sich.<br />

5<br />

Wohlgefühl beim Wälzen<br />

Tatsächlich gibt es im Jahr 2008 immer noch <strong>Reiter</strong>, die ihre Pferde in der Box<br />

lassen, damit sie sich nicht wälzen. Oder weil es zu wenige Auslaufmöglichkeiten<br />

gibt. „Dabei scheint Wälzen ein angeborenes Bedürfnis zu sein, ist genetisch<br />

fixiert und wichtig für das Wohlbefinden. Es ist Körperpflege und<br />

gleichzeitig eine Art Markieren“, sagt Dr. Barbara Schöning und denkt weiter:<br />

„Wälzt sich das Pferd niemals, könnte es ein Indiz sein, dass sich das Pferd<br />

nicht wohlfühlt, dass es ihm nicht gut geht, dass es vielleicht sogar krank ist.“<br />

Oben ohne und trotzdem<br />

Friede beim Futtern<br />

dank einzelner<br />

Tröge.<br />

Box zeigen wesentlich<br />

weniger Verhaltensauffälligkeiten<br />

als solche in<br />

isolierten Boxen. Allerdings<br />

reicht der rein visuelle<br />

Kontakt durch<br />

Gitter nicht aus, um<br />

unnatürliches Verhalten,<br />

wie zum Beispiel<br />

gegen die Wand treten<br />

oder Weben, zu verhindern.<br />

Pferde, die niedrige gitterlose Boxenwände und<br />

so Kontakt zum Nachbarn haben, zeigen eher ein<br />

normales Verhalten als manches Pferd, das in einer<br />

geschlossenen Box steht, aber täglich stundenweise<br />

auf die Weide kommt. Das unterstreicht die Wichtigkeit<br />

von physischem Kontakt zu Artgenossen.<br />

9<br />

Heubad oder<br />

Heudusche?<br />

Atemprobleme wegen Staub?<br />

Keine Seltenheit. Es macht<br />

Sinn, Heu durch Heulage auszutauschen.<br />

Diese Strategie<br />

wurde auch im Rahmen einer<br />

Studie der University of Edinburgh<br />

getestet und empfohlen.<br />

Weil die Erkenntnisse nicht neu<br />

sind, wurde weiter untersucht,<br />

wie es sich auf die Staubkonzentration<br />

in der Luft auswirkt,<br />

wenn das Heu in Wasser getränkt<br />

wird. Wie erwartet, wurde<br />

dadurch die Staubkonzentration<br />

erheblich vermindert –<br />

auch bis in die angrenzenden<br />

Boxen. Dabei ist es unerheblich<br />

wie lang das Heu im Wasser badet<br />

– eine kurze Dusche genügt.


Q<br />

6<br />

Fenster zum Hof<br />

7<br />

Viele Verhaltensforscher bestreiten vehement,<br />

dass Pferde Gefühle wie Langeweile empfinden<br />

können – Wissenschaftler sprechen eher von<br />

Frustration, wenn Pferde ihr natürliches Verhalten<br />

wie Bewegung oder Grasen nicht ausüben<br />

können. Aber mal menschlich gedacht: Ist<br />

ein turbulenter Hof für ein Pferd nicht spannender<br />

zu Beobachten als ein Ausblick in die<br />

gähnend leere Stallgasse? Am Beispiel von webenden<br />

Pferden wurde das in England getestet.<br />

Ein Fenster zum Hof, eins zur Weide und zwei<br />

zu den benachbarten Artgenossen waren dort<br />

die untersuchten Situationen. Ergebnis: Pferde<br />

weben weniger je mehr Fenster geöffnet wurden.<br />

Besonders „normal“ waren die Pferde mit Kon-<br />

Qualität und Vielfalt…<br />

Humbaur steht europaweit für qualitativ<br />

hochwertige Anhänger und<br />

bietet Ihnen eine große Auswahl<br />

an Pferdeanhängern – individuell<br />

auf die Bedürfnisse Ihres Pferdes<br />

abgestimmt.<br />

10<br />

Futterfehler Nummer eins<br />

Zu wenig Heu, zu viel Kraftfutter,<br />

FOTOS: J. WENTSCHER, WWW.ARND.NL (3)<br />

Kraftfutter wird morgens zuerst gefüttert,<br />

dann erst Raufutter: Typischer<br />

Fehler in vielen Ställen, der magenkrank<br />

macht. Bewiesen ist, dass schon<br />

Pferde in leichtem Training im Freizeitbereich<br />

gefährdet sind und innerhalb<br />

von fünf Tagen Magengeschwüre<br />

entwickeln können; oft ohne klinische<br />

Symptome. Lösung: richtige Fütterung<br />

von überwiegend Raufutter über<br />

den ganzen Tag verteilt und Kraftfutter<br />

nur, wenn unbedingt nötig. Eine<br />

Studie der Texas A&M University von<br />

2007 zeigt, dass besonders Alfalfa-Heu<br />

(blaue Luzerne) vorbeugend wirkt und<br />

auch bei der Heilung helfen kann. Dieses<br />

Heu erhöht den pH-Wert im Magen<br />

und neutralisiert somit aggressive<br />

Magensäfte.<br />

Eher ein Gefühl von Knast als ein Lebensraum.<br />

takt zum Boxennachbarn. Ob nun Langweile<br />

der Auslöser ist oder nicht; wenn mehr Kontakt<br />

zu anderen Pferden vorhanden ist, sind die Tiere<br />

ausgeglichener. „Jedes Boxenpferd sollte die<br />

Möglichkeit haben, seine Nase raus zu strecken<br />

und zu gucken. Der stundenlange Blick in die<br />

Stallgasse ist so spannend wie das Testbild im<br />

Fernsehen“, so Dr. Barbara Schöning.<br />

11<br />

Natürliches Licht<br />

Tageslicht produziert<br />

Vitamin D für den Körper,<br />

selbst wenn Wolken<br />

die Sonne verdecken.<br />

Also ist der Paddock<br />

vor der Box im Winter –<br />

wenn die Vitamine<br />

längst aus dem Heu entfleucht<br />

sind – eine Vitalspritze.<br />

In der Forschung<br />

sieht es auf diesem<br />

Feld schlecht aus.<br />

1979 forschte ein Team<br />

der Universität von<br />

Florida zum Vitamin D durch Sonnenstrahlung.<br />

Mit dem Ergebnis, dass Vitamin<br />

D nur gefüttert werden muss, wenn ein Pferd<br />

nicht dem Sonnen- beziehungsweise Tageslicht<br />

ausgesetzt ist. Vitamin D reguliert den<br />

Calcium-Phosphor-Haushalt und fördert da-<br />

Wohn-Klo oder Klo-Ecke?<br />

„Latrinenecke“ sagen Experten und<br />

meinen nichts anderes als die Klo-<br />

Ecke. Wie und ob ein Pferd stubenrein<br />

wird? Dr. Barbara Schöning beobachtet<br />

zumindest: „Grundsätzlich<br />

äpfeln Pferde gerne in der Nähe<br />

von Zugängen, weil das eine Art<br />

Markierung ist.“ Wichtig: Gibt es<br />

tatsächlich eine Klo-Ecke, sollte zum<br />

Füttern des Raufutters natürlich eine<br />

andere Ecke genommen werden.<br />

Manche Pferde lassen sich übrigens<br />

zu einer Klo-Ecke erziehen, wenn<br />

man beim Misten einen Haufen<br />

übrig lässt – zur Orientierung.<br />

Made in Germany<br />

Kein Licht,<br />

kein Platz.<br />

mit die Knochenbildung. Außerdem haben<br />

die Infrarotstrahlen der Sonne am Morgen<br />

und Abend eine stoffwechselanregende<br />

Wirkung auf den Körper. Diese Effekte können<br />

herkömmliche Glühbirnen im Stall nicht<br />

vorweisen.<br />

5|2008 REITER REVUE 21


<strong>THEMA</strong> <strong>DES</strong> <strong>MONATS</strong> <strong>THEMA</strong> <strong>DES</strong> <strong>MONATS</strong><br />

12<br />

Trocken mit Trick<br />

Ein professionell trockengelegter<br />

Paddock kostet gut angelegtes<br />

Geld. Eine günstige Not- oder<br />

Zwischenlösung sind selbstverlegte<br />

Waschbetonplatten aus dem<br />

Baumarkt oder mit etwas Glück<br />

kostenlos gegen Selbstabholung<br />

auf Baustellen. Früher waren es<br />

typische Terrassen. Legt man die<br />

Platten direkt auf den Boden,<br />

kann man eine Trockeninsel<br />

schaffen – allerdings sind Holzstämme<br />

nötig, damit die Platten<br />

nicht verrutschen. Apropos rutschen:<br />

Wirklich unfallfrei geeignet<br />

ist diese Notlösung nur für ruhige<br />

Gruppen. Bei schlechtem<br />

Wetter können beschlagene Pferde<br />

schlittern. Noch eine Einschränkung:<br />

Die Platten versiegeln<br />

den Boden, deshalb meist genehmigungspflichtig.<br />

Aber man<br />

kann sie schnell wieder abbauen.<br />

Wer seinen Stall in den letzten Jahren neuoder<br />

grundlegend umgebaut hat, kann bei der<br />

Aktion „Unser Stall soll besser werden“ teilnehmen.<br />

Die Sieger 2008 werden im September<br />

auf den Bundeschampionaten geehrt<br />

und erhalten attraktive Preise:<br />

1. Platz: HippoSolar 14 Solarium im Wert von<br />

1.750 Euro. Das HippoSolar von Sunshine<br />

Horse Sports ist ein Baukasten-Solarium,<br />

wahlweise mit sieben oder zehn Strahlern. Jede<br />

der elfenbein lackierten Platten ist 180<br />

Saufen als Gruppenerlebnis.<br />

13 Trink-Genuss<br />

Haben Sie schon einmal den Unterschied beobachtet, wenn<br />

ein Pferd aus der Selbsttränke säuft oder aus einem großen<br />

Bottich? Manche Pferde fahren mit dem Maul wie mit einem<br />

Spielzeugschiff durch die Wasseroberfläche. Eine Selbsttränke<br />

muss also nicht sein – zudem meint Dr. Schöning:<br />

„Die meisten Tränken sind zu hoch angebracht. Pferde<br />

saufen normalerweise mit abgesenktem Kopf, saugen das<br />

Wasser in die Maulhöhle und schlucken dann erst ab.“<br />

Der Vorteil von Eimern oder Bottichen ist die Kontrolle über<br />

die Menge Wasser.<br />

Unser Stall soll besser werden 2008<br />

(Um-)Gebaut? Mitmachen!<br />

Zum 15. Mal suchen die Deutsche <strong>Reiter</strong>liche Vereinigung (FN) und<br />

<strong>Reiter</strong> <strong>Revue</strong> vorbildliche Ställe. Der letzte Aufruf!<br />

Zentimeter lang, 74 Zentimeter<br />

breit, 21 Zentimeter hoch und 30<br />

Kilogramm schwer. Zu gewinnen<br />

gibt es das HippoSolar 14<br />

Pferdesolarium als Bausatz mit<br />

14 Infrarot-Strahlern à 250 Watt.<br />

Mit dem Produkt gewann das Unternehmen<br />

den Innovationspreis auf<br />

der Equitana 2007.<br />

● Infos: www.sunshinehorse.de<br />

2. Platz: Roflex mobiles<br />

Elektrozaun-HQ Turnier-<br />

Set Energie im Wert von<br />

900 Euro.<br />

Mit dem mobilen Elektrozaun-Set<br />

können Sie<br />

überall einen sicheren<br />

Paddock aufstellen. Der<br />

Clou: Die Elektrozaunbänder<br />

sind in vier Pfosten<br />

aufgewickelt und<br />

FOTO: LENZ_HIM


FOTOS: HERSTELLER<br />

ausziehbar. So können Sie einen<br />

64 Quadratmeter großen Auslauf<br />

bauen. Für Stromversorgung<br />

sorgen Akku plus Ladegerät.<br />

● Infos: www.RoFlexs.com.<br />

3. Platz: Heuraufe von Schwarz<br />

Transportgeräte, Wert: 750 Euro.<br />

Praktisch für Paddock oder Stall:<br />

Aus der verzinkten Heuraufe<br />

müssen Pferde langsam ihre Ration<br />

zupfen. Die verzinkten Stahlrohrstäbe<br />

sind im Abstand verstellbar. Das Heu<br />

kommt oben in die Raufe, dank der<br />

abgeschrägten Rückwand rutscht das<br />

Heu immer nach.<br />

● Infos: www.schwarz-transportgeraete.de<br />

Die Jury<br />

■ Gerlinde Hofmann aus Warendorf:<br />

Leiterin der Abteilung Pferdehaltung und Umwelt<br />

der Deutschen <strong>Reiter</strong>lichen Vereinigung<br />

(FN). Ihr Fachgebiet: Pferdehaltung, Pferdesport-Tourismus,<br />

Pferd und Umwelt.<br />

■ Dr. Hanno Dohn aus Bonn:<br />

Über 30 Jahre führte der 69-jährige Pferdemann<br />

als Geschäftsführer den Pferdesportverband<br />

Rheinland. Der erfolgreiche Vielseitigkeitsreiter<br />

betreibt einen eigenen Stall.<br />

■ Ruth Klimke aus Münster:<br />

Als Oberhaupt einer pferdebegeisterten und<br />

vielseitigen Familie kennt Ruth Klimke alle Facetten<br />

des Sports. Der FN-Vizepräsidentin liegen<br />

Haltung und Wohlergehen der Pferde am<br />

Herzen.<br />

Teilnahmebedingungen<br />

Einsendeschluss ist der 31. Mai 2008. Teilnehmen können Pferdebetriebe<br />

oder Vereine, die mindestens zehn Pferde eingestellt haben.<br />

Die Bauarbeiten müssen abgeschlossen sein und die Anlage sollte ungefähr<br />

ein Jahr in Betrieb sein.<br />

Die Unterlagen erhalten Sie bei der Deutschen <strong>Reiter</strong>lichen Vereinigung<br />

(FN), Freiherr-von-Langen-Str. 13, Abteilung Öffentlichkeitsarbeit,<br />

48231 Warendorf, Tel. 02581 6362192, E-Mail: aborchardt@fndokr.de.<br />

Eine Präsentation, die die Bauabschnitte dokumentiert, erleichtert<br />

die Auswahl. Foto-CDs werden nicht akzeptiert.<br />

■ Dr. Michael Düe aus Warendorf:<br />

Der Tierarzt ist Leiter der FN-Abteilung Veterinärmedizin<br />

und Tierschutz und beschäftigt<br />

sich mit tierschutzrelevanten Haltungsfragen.<br />

■ Dr. Christiane Müller aus Trenthorst:<br />

Die promovierte Agrarwissenschaftlerin arbeitet<br />

als Sachverständige für Pferdehaltung, -zucht<br />

und -sport, gehört zum Vorstand des Pferdesportverbandes<br />

Schleswig-Holstein und ist Mitglied<br />

der Prüfkommission Betriebe und Vereine.<br />

■ Dr. Hinrich Snell aus Bonn:<br />

Der promovierte Agrarwissenschaftler ist im<br />

Tierschutzreferat des Bundesministeriums für<br />

Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz<br />

(BMELV) zuständig für das Thema Pferdehaltung.<br />

5|2008 REITER REVUE 23

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