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Landshuter Mama Ausgabe 13

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Experten klären auf<br />

Wie gelingt<br />

gute Förderung?<br />

Dr. Julia Berkic:<br />

Diplom-Psychologin,<br />

Wissenschaftliche<br />

Referentin<br />

des bayerischen<br />

Staatsinstituts für<br />

Frühpädagogik<br />

1. In den letzten Jahrzehnten<br />

hat die Hirnforschung das<br />

Bild von Kleinkindern und<br />

ihren Fähigkeiten komplett<br />

umgeschrieben – vom kaum<br />

denkfähigen Wesen zum<br />

Superhirn. Was können<br />

Kleinkinder tatsächlich?<br />

Die moderne Hirnforschung weist tatsächlich<br />

nach, dass das kindliche Gehirn<br />

in den ersten Lebensjahren nicht<br />

nur ein enormes Wachstum erfährt,<br />

sondern auch eine starke Verdichtung<br />

der neuronalen Netzwerke. Und das<br />

bedeutet, dass während dieser Entwicklungsphase<br />

das Gehirn besonders<br />

plastisch, d.h. besonders „lernfähig“<br />

und formbar ist. Entscheidend ist dabei<br />

aber weniger die Abspeicherung von<br />

faktischem Wissen, sondern vielmehr<br />

dass die „Architektur“ des kindlichen<br />

Gehirns geformt wird – also welche<br />

Nervenbahnen unterschiedliche Teile<br />

des Gehirns verbinden und ob z. B.<br />

bestimmte Situationen (wie das Einschlafen)<br />

mit bestimmten Emotionen<br />

verknüpft werden (mit Gemütlichkeit<br />

und Entspannung oder aber mit Stress<br />

oder Einsamkeit).<br />

Die Forschung konnte gut belegen,<br />

dass Eltern durch eine feinfühlige und<br />

beziehungsorientierte Interaktion mit<br />

dem Kind (egal in welchem Förderbereich)<br />

das Gehirn des Kindes regelrecht<br />

trainieren. Es kommt also weniger darauf<br />

an, WAS man mit dem Kind macht,<br />

sondern dass es in einer emotional<br />

sicheren Umgebung und innerhalb von<br />

liebevollen Beziehungen stattfindet.<br />

2. Die ersten drei Lebensjahre<br />

eines Kindes gelten als<br />

prägend für das ganze<br />

Leben. Glück, Können und<br />

Erfolg sollen in dieser Zeit<br />

bereits vorprogrammiert<br />

werden. Weshalb ist diese<br />

Entwicklungsphase so<br />

entscheidend?<br />

Ich würde weniger von einer Prägung<br />

oder einer Programmierung sprechen,<br />

als von einer Weichenstellung, die aber<br />

auch später im Leben wieder umgestellt<br />

oder korrigiert werden kann. Die<br />

ersten Jahre sind für diese Weichenstellung<br />

in der Tat besonders wichtig,<br />

weil in dieser Zeit grundlegende Annahmen<br />

über das Selbst und wichtige<br />

andere Personen gelegt werden (z. B.<br />

Kann ich Anforderungen grundsätzlich<br />

bewältigen? Bin ich es wert, dass<br />

man mir hilft? Aber auch: Sind andere<br />

Personen grundsätzlich hilfreich oder<br />

feindselig?), die darüber mit entscheiden,<br />

wie man sich später in sozialen<br />

Beziehungen, in Anforderungssituationen<br />

oder auch in schwierigen Zeiten<br />

verhält. Dieses Urvertrauen in sich und<br />

die Welt (bzw. als Bindungsforscher<br />

sprechen wir von Bindungssicherheit)<br />

wird in den ersten Beziehungen zu<br />

unseren nächsten Bezugspersonen<br />

geübt, jeden Tag, in abertausenden<br />

kleinen Situationen. Und diese Bindungssicherheit<br />

sagt in Längsschnittstudien<br />

tatsächlich positive Ergebnisse<br />

in sehr vielen Entwicklungsbereichen<br />

vorher – auch noch Jahrzehnte später.<br />

3. Was können Eltern tun, um<br />

ihre Kinder in dieser Zeit<br />

bestmöglich zu fördern?<br />

Wie bereits erwähnt sind sichere Bindungsbeziehungen<br />

der beste Garant<br />

auch für eine gute kognitive Förderung.<br />

Dabei ist entscheidend, dass eine<br />

sichere Bindung auch immer eine gute<br />

Autonomie-Förderung beinhaltet. Eine<br />

sichere Bindung bedeutet also nicht<br />

etwa einem Kind alles abzunehmen<br />

und überbeschützend permanent an<br />

seiner Seite zu wachen – sondern dann<br />

bereit zu stehen, wenn das Kind nach<br />

Unterstützung sucht und ihm aber<br />

auch genug Vertrauen entgegen zu<br />

bringen, dass es selbstständig seine<br />

Welt erkunden kann.<br />

4. Inzwischen gibt es zahlreiche<br />

Kurse, die eine optimale<br />

Entwicklungsförderung<br />

versprechen. Die Angebote<br />

reichen von Pekip und Babyschwimmen<br />

über musikalische<br />

Früherziehung bis hin zu<br />

Englischkursen für 3-jährige.<br />

Eltern fühlen sich da häufig<br />

überfordert. Was ist sinnvoll<br />

und was nicht?<br />

Sinnvoll ist, was Kind und Eltern Freude<br />

macht und was in einer feinfühligen<br />

Umgebung stattfindet. Feinfühlig heißt<br />

hierbei, dass auf die individuellen<br />

Bedürfnisse der Kinder eingegangen<br />

wird und nicht irgendwelche abstrakten<br />

Lernziele bestimmend sind. Für manche<br />

Eltern sind Bewegungsprogramme<br />

passend bzw. eine angeleitete Interaktion<br />

in einer Gruppe (in der man ja auch<br />

soziale Kontakte aufbaut, was meiner<br />

Ansicht nach einer der positiven Faktoren<br />

bei der Sache ist). Andere Eltern,<br />

die sich ohne solche Angebote gut mit<br />

ihrem Kind zu Hause beschäftigen und<br />

dabei zufrieden sind, sollten auf keinen<br />

Fall denken, dass sie was verpassen.<br />

Beziehung kommt unter drei Jahren auf<br />

alle Fälle vor Bildung!<br />

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