PARNASS 2/2018
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K U N S T M A G A Z I N<br />
GUSTAV<br />
KLIMT<br />
Wiener Moderne<br />
FLORENTINA<br />
PAKOSTA<br />
Im Porträt<br />
PRATERATELIERS<br />
Zeitkapsel<br />
IM PORTRÄT<br />
Olaf Nicolai<br />
Antony Gormley<br />
STEIERMARK · GR A Z<br />
Kunst- und Kulturraum<br />
SPOT ON<br />
Bühne ∙ Salzburg<br />
Heft 2/<strong>2018</strong> | Mai–August | www.parnass.at | Ö/DE: EUR 18,– | CH: SFR 31,– | Österreichische Post AG | MZ 02Z032769 M | <strong>PARNASS</strong> Verlag GesmbH | Loquaiplatz 12 | 1060 Wien
Miquel BarcelÓ<br />
on the Sea<br />
SalzBurg<br />
Juni – Juli <strong>2018</strong><br />
ropac.net<br />
london pariS SalzBurg
SILVIE AIGNER<br />
CHEFREDAKTEURIN<br />
Foto: © christianjungwirth.com<br />
EDITORIAL<br />
„Warum malt sie keine Blumen?“, überschrieb<br />
Renate Bertlmann 1973 ihr feministisches<br />
Pamphlet, nicht ohne den ihr eigenen Sinn für<br />
Ironie. 2017 erhielt sie den Großen Österreichischen<br />
Staatspreis. 2019 bespielt sie, kuratiert<br />
von Felicitas Thun-Hohenstein, den österreichischen<br />
Pavillon der Biennale von Venedig.<br />
Bertlmann hat im Kontext der feministischen<br />
Kunst Werke mit ikonischer Wirkung geschaffen,<br />
diesen Diskurs jedoch entschieden erweitert<br />
und aktuelle Themen vor allem in Bezug auf<br />
Geschlechterrollen vorwegenommen. Beide Ereignisse<br />
sind eine Anerkennung für die Künstlerin<br />
und ihr Werk – und zugleich ein Anachronismus.<br />
Denn mit Renate Bertlmann wurde nach<br />
Brigitte Kowanz 2009 erst nach acht Jahren wieder<br />
eine Frau ausgezeichnet und in Venedig ist<br />
es die erste Soloshow einer Künstlerin im österreichischen<br />
Pavillon. Überraschend ist das nicht,<br />
hat Felicitas Thun-Hohenstein diesen „Wendepunkt“<br />
doch bereits in ihrer Antrittsrede angekündigt.<br />
Doch die Entscheidung der Kuratorin<br />
für Bertlmann allein am feministischen Standpunkt<br />
festzumachen, greift zu kurz und wird<br />
dem programmatischen Werk der Künstlerin<br />
auch nicht gerecht. Stilistisch hat sich die Künstlerin<br />
nie Grenzen gesetzt – nur Blumen hat sie<br />
bisher keine gemalt, dafür verbotene Früchte in<br />
künstlerische Objekte transformiert.<br />
Unser erster Themenschwerpunkt widmet<br />
sich den Bildhauerateliers im Prater, die heute<br />
wie damals im Fokus städtebaulicher Entwicklungen<br />
stehen. Die ehemaligen Weltausstellungspavillons<br />
stehen unter Denkmalschutz. Dennoch<br />
ist die Erhaltung dieses Ortes, an dem in einer<br />
besonderen Atmosphäre Gegenwartskunst entsteht,<br />
in unmittelbarer Nachbarschaft zu einem<br />
der größten Stadtentwicklungsgebiete Wiens<br />
keine leichte Aufgabe. Wir haben einige Künstler<br />
und Künstlerinnen in ihren Ateliers besucht.<br />
In unserem zweiten Themenschwerpunkt zu<br />
1918 steht diesmal Gustav Klimt im Mittelpunkt:<br />
seine Malerei, die Vielfalt seines zeichnerischen<br />
Werkes, aber auch seine touristische Vermarktung.<br />
Das MAK zeigt eine Ausstellung zur Geschichte<br />
der Wiener Porzellanmanufaktur. Ein<br />
Anlass für uns, in der Rubrik Art & Design zeitgenössische<br />
Designerinnen vorzustellen, die mit<br />
diesem traditionellen Material höchst unkonventionell<br />
arbeiten. Der Kunst- und Kulturraum<br />
widmet sich der Steiermark und insbesondere<br />
Graz. Im Kunstmarkt steht die Szene in<br />
Hongkong im Fokus, weiters gibt es ein Expertengespräch<br />
über den Marktwert von Oldtimern.<br />
Und wenn wir schon beim Reisen sind: Was<br />
wäre der Sommer ohne Salzburger Festspiele?<br />
Wir zeigen, dass in den kommenden Monaten<br />
die Stadt Salzburg sowohl auf der Bühne als auch<br />
in den Galerien und Museen vieles zu bieten hat.<br />
Ein Besuch lohnt sich!<br />
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COVER<br />
FLORENTINA PAKOSTA<br />
Ich bin doch wer!, 1976<br />
Schwarze Kreide, laviert<br />
107 × 102,5 × 4,5 cm (Rahmenmaß)<br />
Leihgabe der Artothek des Bundes<br />
© Bildrecht, Wien <strong>2018</strong><br />
WWW.<strong>PARNASS</strong>.AT<br />
PA R NASS 02/<strong>2018</strong> 3
PRATERATELIERS – Seite 22<br />
INHALT<br />
PRATERATELIERS<br />
16 Zeitkapsel zwischen<br />
Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft<br />
22 Künstler: Constantin Luser, Nikolaus Gansterer,<br />
Hannes Mlenek, Claudia Märzendorfer, kozek hörlonski,<br />
Hans Kupelwieser, Roland Kollnitz<br />
GUSTAV KLIMT<br />
34 Die Jubiläumsschau im Leopold Museum<br />
38 Zwischen touristischer Vermarktung<br />
und künstle rischer Neudeutung<br />
44 Gustav Klimt als Zeichner<br />
48 Klimt ist nicht das Ende<br />
4 PA R NASS 02/<strong>2018</strong>
INHALT<br />
JOURNAL<br />
6 Felicitas Thun-Hohenstein<br />
12 Susan Philipsz: Gläserner Sound<br />
14 DIRECTOR’S CUT: Karola Kraus<br />
SAMMLUNG<br />
50 Klassentreffen<br />
Sammlung Gaby und Wilhelm Schürmann<br />
IM PORTRÄT<br />
54 Florentina Pakosta<br />
Männerkunst, Frauenleben<br />
und Frauenkunst<br />
60 Olaf Nicolai<br />
Was sehen wir wie?<br />
66 Antony Gormley<br />
Earth Body<br />
UP & COMING<br />
70 Saskia Te Nicklin<br />
72 Philip Patkowitsch<br />
SPECIALS<br />
74 Kunst- und Kulturraum<br />
Steiermark . Graz<br />
ART & DESIGN<br />
112 Wiener Porzellanmanufaktur<br />
115 Junges Porzellan<br />
AUSSTELLUNGEN<br />
122 Maria Lassnig<br />
Kunstmuseum St. Gallen<br />
Kunstmuseum Basel<br />
126 Bacon – Giacometti<br />
Fondation Beyeler<br />
127 Bruce Nauman<br />
Schaulager Basel<br />
128 Schatten der Zeit<br />
Staatliche Kunstsammlungen Dresden<br />
130 Bernd Zimmer<br />
Galerie Jahn<br />
132 Triennale Brügge<br />
Liquid City<br />
134 Wiener Festwochen<br />
Ryoji Ikeda<br />
136 Felix Gonzalez-Torres<br />
Theseustempel<br />
138 Meisterwerke der Eremitage<br />
Kunsthistorisches Museum<br />
140 Anton Romako<br />
Leopold Museum<br />
142 Zoran Mušič<br />
Leopold Museum<br />
146 Cécile B. Evans<br />
mumok<br />
148 Sommertipps<br />
150 Sonja Gangl<br />
Galerie Krobath<br />
152 Frenzi Rigling<br />
Smolka Contemporary<br />
154 Franz Xaver Ölzant<br />
Galerie Straihammer und Seidenschwann<br />
156 Jubiläumsschau<br />
Werner Berg Museum<br />
158 Sammlung Hubert Looser<br />
Kunsthalle Krems<br />
160 Eva und die Zukunft. reloaded<br />
Forum Frohner<br />
162 Nilbar Güreş<br />
Lentos Kunstmuseum<br />
164 Auf den Spuren von Inge Morath<br />
Landesgalerie Linz<br />
166 Unruhe und Ekstase<br />
Galerie am Stein<br />
SPOT ON<br />
168 Bühne . Salzburg<br />
KUNSTMARKT<br />
188 Hongkong<br />
196 Dorotheum: Klassische Fahrzeuge<br />
198 im Kinsky: Arnulf Rainer<br />
200 Auktionen<br />
TERMINE<br />
202 Kunsttermine im Überblick<br />
208 Vorschau / Impressum<br />
MARIA LASSNIG – Seite 122<br />
NACH MICHELANGELO – Seite 128 ZORAN MUŠIČ – Seite 142<br />
CÉCILE B. EVANS – Seite 146 SAMMLUNG LOOSER – Seite 158<br />
NILBAR GÜREŞ – Seite 162<br />
DIE NÄCHSTE AUSGABE ERSCHEINT IM SEPTEMBER <strong>2018</strong><br />
Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird auf die gleichzeitige Verwendung männlicher und weiblicher Sprachformen verzichtet.<br />
Sämtliche Personen bezeichnungen gelten sowohl für männliche als auch für weibliche Kunstschaffende.<br />
PA R NASS 02/<strong>2018</strong> 5
PRATER<br />
ATELIERS<br />
ZWISCHEN<br />
VERGANGENHEIT, GEGENWART<br />
UND ZUKUNFT<br />
TEXT: SILVIE AIGNER · PAULA WATZL<br />
FOTOS: CHRISTOF AIGNER<br />
SÜDLICHER PAVILLON
Praterateliers<br />
ZEITKAPSEL<br />
Die Praterateliers wurden für die Weltausstellung<br />
1873 errichtet und danach als Bildhauerateliers<br />
umgewidmet. Damals wie heute stehen sie im Fokus<br />
einer städtebaulichen Entwicklung.<br />
Die heutigen Bildhauerateliers des Bundes im<br />
Wiener Prater sind durchaus eine europäische<br />
Besonderheit. Historische Ausstellungsgebäude<br />
von architektonischem Rang werden als Ateliers<br />
renommierter österreichischer Künstler<br />
genutzt – und das seit mittlerweile rund 140 Jahren.<br />
Darüber hinaus sind die Bildhauerateliers im<br />
Wiener Prater in einen ungewöhnlichen Baukontext<br />
gebettet – mit markanter historischer<br />
Architektur und zeitgenössischen Bauprojekten<br />
namhafter Architekten. Die städtebauliche<br />
Entwicklung rund um die Pavillons trägt jedoch<br />
auch zur ungewissen Zukunft der Ateliers bei.<br />
Der Wiener Prater, ehemals herrschaftliches<br />
Jagdgebiet und eine ausgedehnte Park- und Auenlandschaft,<br />
wurde durch Josef II. für die Wiener<br />
Bevölkerung geöffnet und zunächst vor<br />
allem für Unterhaltungs- und Freizeitzwecke genutzt.<br />
1873 fand im Wiener Prater die Weltausstellung<br />
statt. Viele der temporär geplanten Pavillons,<br />
mit deren Planung und Errichtung Carl<br />
Hasenauer beauftragt wurde, waren von baugeschichtlicher<br />
Bedeutung und stellten entscheidende<br />
Weichen für die weitere Entwicklung der<br />
österreichischen Architektur im späten 19. Jahrhundert,<br />
wie Matthias Boeckl in seinem historischen<br />
Essay zur Geschichte der Praterateliers<br />
ausführt. 1 Die beiden heute noch verbliebenen<br />
Gebäude bildeten zusammen mit der langgezogenen<br />
Kunsthalle und anderen Nebengebäuden<br />
den Kunstbezirk im Rahmen der Weltausstellung.<br />
Während die Kunsthalle abgerissen wurde,<br />
genehmigte Kaiser Franz Joseph 1875 die weitere<br />
Nutzung der Pavillons als Bildhauerateliers. Dies<br />
aus pragmatischen Gründen, bestand doch durch<br />
den Bau der Ring straße eine steigende Nachfrage<br />
an Bauplastik und zugleich ein großes Defizit<br />
an Bildhauer ateliers. In den folgenden Jahren<br />
wurden einige Umbauten vorgenommen sowie<br />
Trennwände eingezogen. Ab 1908 arbeitete auch<br />
Anton Hanak, einer der bedeutendsten Bildhauer<br />
des frühen 20. Jahrhunderts, in den Praterateliers<br />
und etablierte als Professor der Wiener Kunstgewerbeschule<br />
und späterer Akademieprofessor<br />
hier einen praxisnahen Unterricht. 1911–13 entstanden<br />
an der Trabrennbahn moderne Tribünen<br />
und der fili grane Richterturm aus der Feder<br />
der Otto-Wagner-Schüler Hoppe, Kammerer und<br />
Schönthal. Während der nördliche Pavillon im<br />
Zweiten Weltkrieg schwer beschädigt und nach<br />
1945 in zeitgemäßer Form wiederaufgebaut wurde,<br />
blieb der südliche Pavillon weitgehend unversehrt<br />
erhalten. Nach 1945 arbeiteten in den Praterateliers<br />
jene Bildhauer, die zur Avantgarde der<br />
Skulptur in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts<br />
gehörten, wie Karl Prantl, Josef Pillhofer,<br />
Joannis Avramidis, Roland Goeschl, Gerhardt<br />
Moswitzer, Rudolf Hoflehner, Alfred Hrdlicka,<br />
Oswald Oberhuber und Bruno Gironcoli. Ihre<br />
Werke zeigten die Bandbreite des figurativen und<br />
abstrakten skulpturalen Schaffens dieser Zeit von<br />
der Stein- bis zur Metallskulptur, von den farbigen<br />
konkreten Arbeiten von Roland Goeschl bis<br />
zu den unkonventionellen Materialkombinationen<br />
aus Fundmaterialien von Oswald Stimm.<br />
Heute befinden sich die Praterateliers inmitten<br />
eines der größten städtebaulichen Projekte<br />
Wiens. 2002 bis 2003 wurde die neue Messe halle<br />
von Gustav Peichl errichtet und die Fußball-EM<br />
im Jahr 2008 brachte die Erschließung durch<br />
eine U-Bahnlinie. Das ab 2007 entstehende Viertel<br />
Zwei samt OMV-Hauptquartier und Wirtschaftsuniversität<br />
gehört zum größten Stadtentwicklungsgebiet<br />
in unmittelbarer Nähe zur<br />
Innenstadt. „Inmitten dieser Dynamik schweben<br />
die beiden letzten Pavillons der Weltausstellung<br />
wie in einer Zeitkapsel“, schrieb Joseph Gepp<br />
2013 im „Falter“. Die Zukunft der Prater ateliers<br />
war in dieser Zeit mehr als ungewiss. Nachdem<br />
einige der Bildhauer starben, standen die Ateliers<br />
lange Zeit leer – auch um eine etwaige andere,<br />
eventuell gewinnbringendere Nutzung zu<br />
evaluieren. Denn allein durch die Mieteinnahmen<br />
der Bildhauer ist eine Sanierung der Gebäude<br />
im großen Rahmen kaum möglich. Durch Beheizung,<br />
Pflege und durch die Nutzung tragen sie<br />
dennoch wesentlich zur Erhaltung der Gebäude<br />
bei. 2010 nahm sich die damalige Kulturministerin<br />
Claudia Schmidt der Pavillons an und verfügte:<br />
„Die Praterateliers gehören der Kunst!“ 2<br />
18 PA R NASS 02/<strong>2018</strong>
Praterateliers<br />
PAVILLON NORD<br />
Skulpturen Ulrike Truger,<br />
im Hintergrund Areal Viertel Zwei<br />
PA R NASS 02/<strong>2018</strong> 19
IM PORTRÄT<br />
FLORENTINA<br />
PAKOSTA<br />
MÄNNERKUNST, FRAUENLEBEN<br />
UND FRAUENKUNST<br />
Über Jahrhunderte hinweg präsentiert sich die Männerkunst in Werken<br />
des konservativen Seins, sie ist veraltet. Aufgrund der Berufstätigkeit und der<br />
Antibabypille hat das Frauenleben neuen Selbstwert gewonnen. Die Kunst<br />
von Frauen ist neu, jung, zukunftsweisend und lebenserhaltend.<br />
MARGARETA SANDHOFER<br />
FLORENTINA<br />
PAKOSTA<br />
Ich bin doch wer!, 1976<br />
Schwarze Kreide, laviert<br />
107 × 102,5 × 4,5 cm<br />
(Rahmenaußenmaß)<br />
Leihgabe der Artothek des Bundes<br />
© Bildrecht, Wien <strong>2018</strong><br />
Auch zu ihrem 85. Geburtstag hat der Protest der<br />
Künstlerin und Autorin Florentina Pakosta gegen<br />
die männliche Dominanz in der Gesellschaft<br />
und vor allem im Kunstgeschehen nicht an Vehemenz<br />
eingebüßt. Die oben zitierten Worte<br />
sind ihrem dritten Buch entnommen, „Vorsicht<br />
Mensch“, das anlässlich ihrer aktuellen Jubiläumsausstellung<br />
in der Albertina präsentiert wird.<br />
In den 1970er- und 1980er-Jahren zog Florentina<br />
Pakosta zunächst mit ihrem gegenständlichen,<br />
feministischen Werk die Aufmerksamkeit auf<br />
sich, die „Faust“ (Kreidezeichnung 1980) aus dem<br />
Zyklus „Meine Hände“ oder „Schrei I“ (Kreidezeichnung<br />
1982) sind zu Ikonen des feministischen<br />
Aufbegehrens in der heimischen Kunstszene<br />
geworden. Pakosta war die erste Frau im<br />
Vorstand der Secession und organisierte dort mit<br />
„Secessionistinnen“ 1978 die erste Ausstellung der<br />
unterrepräsentierten Frauenkunst. 1984 wurde ihr<br />
von Walter Koschatzky eine große Einzelausstellung<br />
in der Albertina gewidmet, weitere folgten –<br />
bis hin zur aktuellen Schau, die Ende Mai eröffnet<br />
wird. Dennoch sieht Florentina Pakosta ihr<br />
Ziel nicht erreicht, wie sie beim Gespräch in ihrem<br />
Atelier ausführt: „Kunst ist nicht etwas, das<br />
vom Himmel fällt. Jemand bestimmt, was Kunst<br />
ist – und es wird eine Zeit kommen, in der es<br />
auch Frauen gibt, die bestimmen, was Kunst ist.<br />
Wir sind davon noch weit entfernt.“<br />
Mit derselben glühenden Leidenschaft, mit der<br />
Florentina Pakosta ihrem nonkonformistischen<br />
Standpunkt heute Ausdruck verleiht, lehnte sie<br />
sich schon im Frühwerk gegen künstlerische<br />
Konventionen auf. Unbeirrt<br />
und selbstbestimmt verfolgte sie ihren<br />
künstlerischen Weg, widerständig<br />
gegenüber dem aufkeimenden Informel<br />
wie gegenüber der Wiener akademischen<br />
Tradition, die damals von<br />
Künstlerpersönlichkeiten wie Hrdlicka<br />
und Wotruba, Boeckl, Dobrowsky und<br />
Eisler geprägt war. Pakostas Interesse<br />
galt gesellschaftlichen Randgruppen, als<br />
welche sie letztendlich auch die diskriminierte<br />
Frau sah. Aus existenziellen Reflexionen<br />
der eigenen Identität wie derjenigen<br />
der Frau und aus der Kritik an der gesellschaftlichen<br />
Determiniertheit der Geschlechterrollen<br />
entwickelte sie einen genderbezogenen<br />
Realismus. Ihre Haltung war darin schonungslos<br />
in der Konfrontation mit dem eigenen Sein wie<br />
in der Demaskierung der maskulinen Dominanz.<br />
Angeregt durch Messerschmidts „Charakterköpfe“<br />
entstanden ab 1975 der Zyklus „Gesichtsbildungen“,<br />
der psychische Extremzustände thematisierte,<br />
und männliche Rollenporträts, jeweils<br />
fotorealistische Kreidezeichnungen in plakativem<br />
Format. Pakosta wandte gezielt eine stringente<br />
Kreuzschraffurtechnik an, die der Entpersonalisierung<br />
des Duktus und damit einer objektivierten<br />
Gültigkeit dienen sollte. Die extreme Frontalität<br />
der Ansichten in erkennungsdienstlicher<br />
Manier mag vor allem die männlichen Porträtierten<br />
provoziert haben – zusätzlich zur signifi-<br />
54<br />
PA R NASS 02/<strong>2018</strong>
IM PORTRÄT<br />
kanten Umkehr des üblichen Machtverhältnisses<br />
zwischen männlich und weiblich, denn die posierenden<br />
Modelle hatten den Bedingungen der<br />
Meisterin Folge zu leisten und ihr bei all dem direkt<br />
in die Augen zu schauen – eine spannungsgeladene<br />
Herausforderung für beide Seiten.<br />
Auch in den „satirischen Köpfen“ verdeutlichte<br />
Florentina Pakosta ihre feministische Gesellschaftskritik.<br />
Sie kreierte aus unkonventionellen<br />
Kombinationen von meist männlichem Kopf<br />
und Alltagsgegenständen surreale Hybridformen:<br />
Absurde Zustände wurden in Schablonentechnik<br />
verstärkt desubjektiviert, um als gesellschaftliche<br />
Missstände pointiert bezichtigt und<br />
entlarvt zu werden. Seit 1988 entstehen<br />
die „Trikoloren Bilder“, ein Werkblock,<br />
den die Künstlerin bis heute weiterentwickelt.<br />
Die auf drei markante Farben<br />
beschränkten Gemälde zeigen geometrisch<br />
abstrahierte Kompositionen, unterschiedliche<br />
balkenförmige Konstellationen<br />
gliedern sich in die Werkgruppen „Zusammenbruch<br />
und Bodenhaftung“, „Aggressive<br />
Bewegungsabläufe“, „Durchblicke, Gitter und<br />
Zäune“ sowie „Bewegung im Raum“. Ihre Genese<br />
basiert in den letzten gegenständlichen Werken<br />
der „Warenlandschaften und Menschenmassen“,<br />
in denen die Wiedererkennbarkeit des Individuellen<br />
zurücktritt hinter die anonyme Ornamentalität<br />
der alles vereinnahmenden Masse.<br />
Florentina Pakosta reagierte mit dieser Wende<br />
im Werk auf die politischen Umwälzungen<br />
in Europa, auf die revolutionären Bewegungen<br />
und den folgenden Zerfall des ehemaligen Ostblocks.<br />
Die neuen emotionalen Strukturen verlangten<br />
nach neuen Farben und Formen, Pakosta<br />
„strebte eine Symbolik an, die für die Freiheit<br />
neuer Gedanken steht, für neue Rechte von<br />
Mann und Frau, für den Weltraum und unseren<br />
Planeten Erde“, wie es in dem 2013 von Cornelia<br />
Cabuk herausgegebenen Buch „Pakosta. Malerei<br />
seit 1989. Trikolore Bilder“ heißt. Sie wählte<br />
grelle Industriefarben anstelle eines „schönen“<br />
Kolorismus: „Ich wollte schlagen, verletzen, stoßen.<br />
Schöne Farben fressen die Aussage“, so die<br />
Künstlerin <strong>2018</strong> im Gespräch. Nachdem eine explizite<br />
inhaltliche Aussage in den abstrahierten<br />
Formen ungleich schwieriger zu vermitteln ist,<br />
FLORENTINA PAKOSTA<br />
linke Seite | Aufstrebende Hand, 1980<br />
Kreide, 150 × 100 cm<br />
rechte Seite | Safarikopf, 1983<br />
Schablonentechnik (Kreide, mit Aquarellfarbe gespritzt)<br />
62,9 × 47,5 cm<br />
beide: Albertina, Wien<br />
© Bildrecht, Wien <strong>2018</strong><br />
56