FINDORFF GLEICH NEBENAN Nr. 7
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PROFILE<br />
q MIT HELMUT SCHELLHAMMER NACHTS DURCH DEN BREMER WESTEN<br />
»Ich bin nicht nur Busfahrer, der von A nach B bringt.«<br />
<strong>FINDORFF</strong> <strong>GLEICH</strong> <strong>NEBENAN</strong> | 04<br />
HELMUT SCHELLHAMMER<br />
BUSFAHRER<br />
H<br />
elmut Schellhammer, Sie sind als Busfahrer<br />
in Bremen unterwegs. Wie lange fahren Sie<br />
schon Bus und wie sind Sie auf diesen Beruf<br />
gekommen ?<br />
In Bremen bin ich im Sommer seit 16 Jahren<br />
»on tour«. Insgesamt arbeite ich aber seit<br />
29 Jahren als Busfahrer, weil ich davor schon<br />
13 Jahre in Kiel gefahren bin. Ich fahre für<br />
mein Leben gerne und die Begegnung mit Menschen, die bei<br />
mir einsteigen, sagt mir sehr zu. Als Kind wollte ich LKW-<br />
Fahrer werden und jetzt macht mir das Busfahren Spaß.<br />
Wie läuft eigentlich eine Ausbildung zum Busfahrer ab? Muss<br />
man die Strecken sofort alleine fahren ?<br />
Erstmal braucht man den Personenbeförderungsschein, der eine<br />
Ergänzung zum normalen Führerschein ist. Dann wird man<br />
im jeweiligen Betrieb ausgebildet. Das läuft so ab, dass man in<br />
die Liniengebiete, in denen man eingesetzt werden soll, durch<br />
einen Lehrfahrer eingewiesen wird. Da ist also ein erfahrener<br />
Busfahrer dabei, der einem die Strecken und eventuelle Umleitungen<br />
zeigt, der erklärt, wie man zu fahren hat, was man beachten<br />
muss, wie man die Haltestellen anfährt und in welchen<br />
Abständen es diese gibt. Erst wenn der Streckenlehrfahrer am<br />
Ende dieser Linienschulung sagt: »Der kann das !«, wird man<br />
zur Abnahmeprüfung zugelassen, die in Bremen vom Betriebsleiter<br />
der Bremer Straßenbahn AG abgenommen wird.<br />
Welche Linien fahren Sie und welche ist die Busstrecke, um<br />
Bremen am besten kennenzulernen ?<br />
Ich fahre hauptsächlich die Linien, die die gesamte Neustadt<br />
bedienen, angefangen von der 24, 25, 26/27, 28, 29, 52 und die<br />
anderen 50er Linien. Durch Findorff fahre ich sehr häufig mit<br />
der 25, 26/27 und am Samstag auch manchmal mit der 28. Das<br />
kommt nicht ganz so oft vor, weil diese Linie im Dienstumlauf<br />
alle zwölf Wochen vorkommt. Manchmal hat man dann<br />
gerade frei. Um Bremen kennenzulernen ist es am günstigsten,<br />
wenn man verschiedene Streckenabschnitte kombiniert, um<br />
verschiedene Stadtteile zu sehen. Man kann zum Beispiel am<br />
Bahnhof mit der 25 anfangen, über die Domsheide und die<br />
Martinistraße bis nach Findorff fahren, an der Hemmstraße<br />
umsteigen, mit der 26 oder 27 zum Bahnhof zurück fahren<br />
oder mit der 26 weiter nach Walle und von dort aus mit der 10<br />
zurück zum Bahnhof, oder mit der 2 zur Domsheide fahren, um<br />
den Stadtkern zu sehen und dann rüber ins Viertel. Über die<br />
Weser zu fahren ist auch sehr reizvoll, gerade bei Nacht und vor<br />
allem, wenn die Weser bei Höchst- oder Tiefststand still steht<br />
und man die Spiegelungen der Lichter sieht. Das ist ein kleines<br />
Highlight, das man tagsüber nicht hat.<br />
Ist auf einer Ihrer Fahrten schon einmal etwas schief gegangen ?<br />
Haben Sie sich beispielsweise schon mal verfahren ?<br />
Das ist menschlich und kann vorkommen. Das wird dann<br />
dokumentiert und wir müssen in dem seltenen Fall der Fälle<br />
unsere Leitstelle darüber informieren, dass wir vom Linienweg<br />
abgekommen sind und angeben, an welcher Stelle wir drehen<br />
werden, um in den Linienverlauf zurück zu gelangen. Oder wir<br />
fragen, was wir tun können, wenn wir uns nicht auskennen.<br />
Es gibt dieses Klischee, dass Busfahrer immer schlecht gelaunt<br />
sind. Sie wirken aber gar nicht so. Ist das also ein Vorurteil ?<br />
Schwarze Schafe gibt es in jedem Job. Ich für meinen Teil freue<br />
mich auf die Arbeit. Ich bin als Busfahrer gerne Dienstleister.<br />
Ich freue mich auch, abends in den Bus zu steigen. Viele sind da<br />
skeptisch, sagen, nachts sei das Publikum schon ein bisschen<br />
merkwürdig und fragen mich: »Wie kommst du damit überhaupt<br />
klar ?« Für mich ist es folgendermaßen: So wie ich in den<br />
Wald hinein rufe, so schallt es auch heraus. Wenn ich den Fahrgästen<br />
gegenüber freundlich wirke, habe ich nicht mit Ärger zu<br />
rechnen. Ich gehe gut gelaunt zur Arbeit, denn mir bringt die<br />
Arbeit Spaß, auch der Dienstleistungsauftrag. Wenn Leute Fragen<br />
stellen, empfehle ich ihnen trotz enger Taktzeiten gerne die<br />
eine oder andere Bremer Sehenswürdigkeit oder Lokalität. Viele<br />
kommen nach Bremen und fragen zum Beispiel, wo hier ein<br />
gutes Fischrestaurant sei. Mir hat das relativ neue »Fisherman‘s«<br />
bei der Stadtbibliothek sehr gut gefallen. Dort kann man in<br />
einem alten, historischen Gebäude, dem alten Polizeigebäude,<br />
super lecker und zu moderaten Preisen essen. Dafür spreche<br />
ich dann auch gerne eine Empfehlung aus.<br />
Sie arbeiten viel nachts. Ist das manchmal schwierig ? Wie lang<br />
ist denn so ein Arbeitstag für Sie ?<br />
Als Busfahrer arbeitet man in der Regel vier Tage am Stück und<br />
hat dann einen oder zwei Tage frei, sodass man insgesamt auf<br />
denselben Schnitt kommt wie ein normaler Arbeiter. Ich fange<br />
um 16:00 Uhr an. Wann mein Arbeitstag endet, ist sehr unterschiedlich<br />
und dienstplanabhängig, aber ungefähr um 1:00 Uhr<br />
oder 1:30 Uhr am Folgetag bin ich fertig. Schwierigkeiten bereiten<br />
mir diese Arbeitszeiten nicht. Dadurch, dass ich nur spät<br />
fahre, habe ich tagsüber andere Möglichkeiten und kann mehr<br />
unternehmen. Mir reichen praktischerweise sechs bis sieben<br />
Stunden Schlaf und ich brauche abends auch keine Stunde Zeit,<br />
um »abzuschalten«, wie das bei vielen anderen der Fall ist, die<br />
zum Beispiel vor dem Schlafen noch fernsehen. Wenn ich nach<br />
Hause komme, falle ich sofort in die Tiefschlafphase. Ich kann<br />
mich hinlegen und sofort einschlafen, ohne mir lange Gedanken<br />
zu machen. Meinen Dienst lasse ich auf dem Dienstgelände,<br />
mit dem Schlüsseldrehen, wenn die Arbeitszeit endet. An die<br />
Arbeit denke ich in meiner Freizeit nicht, außer es ist mal etwas<br />
Lustiges oder Außergewöhnliches passiert. Um 9:00 Uhr kann<br />
ich dann wieder aufstehen und bin voller Tatendrang. Es geht<br />
mir damit sehr gut. Ich fahre mittlerweile immerhin seit<br />
bereits 14 Jahren nachts. u<br />
<strong>FINDORFF</strong> <strong>GLEICH</strong> <strong>NEBENAN</strong> | 05