16.12.2012 Aufrufe

Wirtschaft Konkret Nr. 426 - Ruckriegel.org

Wirtschaft Konkret Nr. 426 - Ruckriegel.org

Wirtschaft Konkret Nr. 426 - Ruckriegel.org

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

Aktuell. Detailliert. Fundiert.<br />

<strong>Wirtschaft</strong> <strong>Konkret</strong> <strong>Nr</strong>. <strong>426</strong><br />

Glück & Erfolg<br />

Braucht man Glück für den Erfolg – oder Erfolg um glücklich zu sein?


<strong>Wirtschaft</strong> <strong>Konkret</strong> <strong>Nr</strong>. <strong>426</strong><br />

Inhalt<br />

Glück & Erfolg<br />

<strong>426</strong><br />

Impressum<br />

„<strong>Wirtschaft</strong> <strong>Konkret</strong>“ ist eine Veröffentlichung der Euler Hermes Kreditversicherungs-AG, Friedensallee 254, 22763 Hamburg.<br />

Verantwortlich: Hans Joachim Kasperski, Euler Hermes Kreditversicherungs-AG. Redaktion: Rainer Hupe Kommunikation, Hochallee 77, 20149 Hamburg.<br />

Layout: UMP Utesch Media Processing GmbH, Tarpenring 13, 22419 Hamburg. Druck:<br />

Informationen nach bestem Wissen, jedoch ohne Gewähr. Nachdruck (auch auszugsweise) nur mit Genehmigung des Herausgebers. Stand: April 2010<br />

2<br />

3 Editorial<br />

4 Über das Glück<br />

4 Glück oder Erfolg?<br />

6 Eine Frage, viele Antworten<br />

7 Das Interesse wächst<br />

8 Auf der Suche nach dem Glück<br />

8 Haltung, Zustand oder Zufall?<br />

9 Umdenken bei den Ökonomen<br />

10 Lernen von den Vorfahren<br />

11 Urknall der Glücksökonomie<br />

12 Bei 16.000 Euro liegt die Schwelle<br />

13 Vom Wohlstand der Nationen<br />

14 Gibt es das Glücks-BIP?<br />

16 Was uns glücklich macht<br />

16 Einkommen, Karriere und Beruf<br />

17 Wie motiviert man Mitarbeiter?<br />

18 Kasten: Was ist zu tun?<br />

19 Die richtige „Work-Life-Balance“<br />

19 Kasten: Faktoren für den Erfolg<br />

19 Zufriedenheit, Freundschaft und<br />

Familie<br />

20 Politik als Glücksfaktor<br />

21 Wege zum Glück<br />

21 Kasten: Testen Sie Ihre Lebenszufriedenheit<br />

22 Weiterführende Literatur und Links


Editorial<br />

Streben nach Glück<br />

„Suche das rechte Maß“<br />

Was ist Glück? Gibt es gar ein glückliches Unternehmen?<br />

Eines, dessen Mitarbeiter motiviert sind und nicht nur<br />

den persönlichen Erfolg, sondern auch den des Unternehmens<br />

anstreben? Machen Erfolg und Karriere, machen Geld<br />

und Reichtum glücklich? Oder ist Glück etwas anderes,<br />

kommt es zumindest auch auf andere als materielle Dinge<br />

an? Auf erfüllte Arbeit statt Karriere, auf Freizeit statt Konsum,<br />

auf Freundschaft statt Konkurrenz, auf Einstellung statt auf<br />

Ausstattung?<br />

Viele Fragen. In den vergangenen Jahren haben sich immer<br />

mehr Glücks-Forscher auf den Weg gemacht, um Antworten<br />

zu finden. Populäre, die „Glücksformeln“ anbieten und Menschen<br />

in Seminaren den Weg zu dauerhaftem Glück zeigen.<br />

Aber auch Wissenschaftler der verschiedensten Disziplinen,<br />

die erforschen, welche Bedingungen erfüllt sein müssen,<br />

damit Menschen oder sogar ganze Völker glücklich sind.<br />

Und sie haben eines herausgefunden: Natürlich geben<br />

wohlhabende Menschen häufiger an, sie seien glücklicher, als<br />

arme. Doch immer mehr Geld bedeutet nicht gleichzeitig<br />

auch immer mehr Glück oder Zufriedenheit. Dies zeigt ganz<br />

eindrucksvoll die Bilanz der westlichen Industrieländer in den<br />

vergangenen Jahrzehnten. Obwohl das Bruttoinlandsprodukt<br />

wuchs und die Einkommen kräftig stiegen, stagnierte die<br />

gemessene Zufriedenheit.<br />

<strong>Wirtschaft</strong> <strong>Konkret</strong> <strong>Nr</strong>. <strong>426</strong><br />

Die Menschen wollen vorankommen, sie wollen sich von<br />

anderen unterscheiden, im Leben wie im Beruf. Sie suchen<br />

den Erfolg. Doch oberhalb einer bestimmten Grenze nimmt<br />

der Reiz materiellen Konsums ab. Statt Geld werden andere<br />

Dinge wichtig: Erfüllung, Zufriedenheit, Kompetenz und Achtung<br />

im Beruf – Familie, Freundschaften, soziale Bindungen<br />

und Zeit im Privatleben.<br />

Am Ende gilt noch immer, was der Philosoph Aristoteles<br />

schon 400 Jahre vor Christus sagte: „Suche die Mitte, suche<br />

das rechte Maß im Leben.“<br />

Rainer Hupe<br />

Chefredakteur<br />

3


<strong>Wirtschaft</strong> <strong>Konkret</strong> <strong>Nr</strong>. <strong>426</strong><br />

Über das Glück<br />

Ein Gründer auf der Suche nach dem glücklichen Unternehmen und eine Investmentbankerin,<br />

die mit dem großen Geld ein schönes Leben führen will. Menschen streben<br />

auf verschiedene Weise nach dem Glück und immer mehr Forscher fragen sich, was<br />

Glück eigentlich ausmacht.<br />

4<br />

Glück oder Erfolg?<br />

Anfang 2010 trennte sich ein großes<br />

Softwarehaus überraschend von seinem<br />

Vorstandschef. Dieser hatte das<br />

Unternehmen nicht einmal ein Jahr<br />

geführt, in dieser Zeit aber wiederholt<br />

Ärger mit Kunden und schließlich auch<br />

mit den Mit arbeitern gehabt. Daraufhin<br />

griff der Aufsichtsratsvorsitzende ein,<br />

mit dem Ziel, aus dem Softwarehaus<br />

wieder ein glückliches Unternehmen<br />

zu machen. Doch was auf den ersten<br />

Blick als romantischer Ansatz in einer<br />

vom harten globalen Wettbewerb ge -<br />

prägten Welt anmutet, ist möglicherweise<br />

sogar unter den Bedingungen der<br />

Globalisierung ein ganz vernünftiges<br />

Kalkül in einem Unternehmen. Denn<br />

nur wenn die Entwickler zufrieden sind,<br />

sich mit ihrem Arbeitsplatz und dem<br />

Unternehmen identifizieren, werden<br />

sie auch so kreativ sein wie möglich.<br />

Das ist eine entscheidende Voraussetzung<br />

dafür, sich gegen die scharfe<br />

internationale Konkurrenz als eines der<br />

weltweit führenden Softwarehäuser<br />

behaupten zu können.<br />

Für den Glücksforscher Karlheinz<br />

<strong>Ruckriegel</strong>, Professor für Betriebswirtschaft<br />

an der Ge<strong>org</strong>-Simon-Ohm-Hochschule<br />

in Nürnberg, steht fest, dass<br />

Engagement im Beruf und eine befriedigende<br />

Arbeit ein wichtiger Faktor für<br />

das Glücksempfinden der Menschen


sind. Empi rische Untersuchungen zeigen<br />

ganz eindeutig, „dass die Lebenszufriedenheit<br />

kaum vom Einkommen<br />

abhängt und sehr viel mit guter Bildung<br />

zu tun hat, die wiederum mit<br />

Arbeitsbedingungen einhergeht, die<br />

Spielraum für eigene Entscheidungen<br />

geben“. Arbeitslosigkeit andererseits<br />

reduziert die Lebenszufriedenheit<br />

schlagartig und nachhaltig.<br />

Ist Glück also Voraussetzung für den<br />

Erfolg – für Unternehmen wie für<br />

Individuen? Oder ist es umgekehrt:<br />

Schaffen Erfolg, hohes Einkommen und<br />

materieller Wohlstand Glück? Manche<br />

Menschen versuchen es ganz offensichtlich<br />

auf dem zweiten Wege. Zum<br />

Beispiel die Amerikanerin Barbara<br />

Stcherbatchef. Fünf Jahre arbeitete die<br />

28jährige für die US-Investmentbank<br />

Merrill Lynch in London. „In meiner<br />

Klasse wollte jeder an die Wall Street,<br />

dort gab es einfach die lukrativsten<br />

Jobs“, erzählte sie in einem Interview<br />

mit der Süddeutschen Zeitung.<br />

Für die junge Bankerin war klar:<br />

„Auch ich wollte das große Geld<br />

machen – und zwar so schnell wie<br />

möglich.“ Denn sie komme zwar nicht<br />

aus einer reichen Familie, aber „ich<br />

wollte ein schönes Leben haben“. Ganz<br />

im Sinne eines schönen Bonmots, das<br />

da lautet: Wer sagt, Glück könne man<br />

nicht kaufen, der war nur noch nicht<br />

richtig shoppen! Doch nach der Krise<br />

an den Finanzmärkten und der Pleite<br />

der US-Investmentbank Lehman<br />

Brothers im September 2008 ist sie aus<br />

ihrem Job ausgestiegen. Mittlerweile ist<br />

<strong>Wirtschaft</strong> <strong>Konkret</strong> <strong>Nr</strong>. <strong>426</strong><br />

auch ihr klar, dass Geld vielleicht eine<br />

notwendige, aber keine hinreichende<br />

Bedingung dafür ist, ein glückliches<br />

und zufriedenes Leben zu führen.<br />

5


<strong>Wirtschaft</strong> <strong>Konkret</strong> <strong>Nr</strong>. <strong>426</strong><br />

Eine Frage, viele Antworten<br />

Schon vor nahezu 50 Jahren sangen die<br />

Beatles „Money can’t buy me love“. Und<br />

der Erfolgsautor Richard David Precht,<br />

mit seinen Büchern ganz oben in den<br />

einschlägigen Bestseller-Listen vertreten,<br />

behauptet: „Geld macht nur glücklich,<br />

wenn sie arm sind“. Für ihn sei<br />

außer der Nähe zu seinen Angehörigen<br />

vor allem die Arbeit wichtig.<br />

Tatsächlich sind solche Aussagen<br />

typisch für Menschen, deren existenzielle<br />

Bedürfnisse weitgehend befriedigt<br />

sind. Glück ist nur auf der Basis<br />

von Wohlstand möglich, nicht ohne<br />

oder gar gegen ihn, diese Erkenntnis<br />

hat der amerikanische Psychologe<br />

Abraham Maslow bereits Mitte des<br />

vergangenen Jahrhunderts gewonnen.<br />

In seiner „Maslowschen Bedürfnis -<br />

pyramide“ ordnet er die menschlichen<br />

Bedürfnisse in einer vom höchsten bis<br />

zum geringsten Dringlichkeitsgrad<br />

abgestuften Pyramide. Zu den dring-<br />

6<br />

lichsten Bedürfnissen gehören Essen,<br />

Trinken, Schlafen, die Sicherheit eines<br />

festen Jobs sowie soziale Beziehungen<br />

in Partnerschaft und Freundeskreis.<br />

Erst danach geht es um soziale Anerkennung,<br />

Wertschätzung, Selbstachtung<br />

und schließlich zuletzt um Selbstverwirklichung<br />

sowie die Entfaltung der<br />

Persönlichkeit und damit um Glück.<br />

Ein Mensch wird immer versuchen,<br />

die dringlichsten Bedürfnisse zuerst zu<br />

befriedigen. So wird sich jemand, der<br />

Hunger leidet (Stufe 1), nicht für Kunst<br />

interessieren (Stufe 5), wahrscheinlich<br />

nicht einmal dafür, ob die Luft, die er<br />

atmet, auch sauber ist (Stufe 2). Das<br />

heißt, der Mensch kann sich nur dann<br />

frei und selbst entfalten, wenn seine<br />

(materiellen) Grundbedürfnisse zuvor<br />

befriedigt sind, und zwar in einer hie -<br />

rarchischen Reihenfolge. Genau daraus<br />

ergeben sich auch entscheidende<br />

Konsequenzen der <strong>Wirtschaft</strong>skrise:<br />

Die latente Gefahr des sozialen und<br />

Wie häufig üben Sie folgende Tätigkeiten aus, um Ihre Zufriedenheit zu steigern?*<br />

Top-Box: bewertet mit „sehr häufig“<br />

Viel Zeit mit Freunden verbringen<br />

In meiner Beziehung<br />

über die eigenen Gefühle sprechen<br />

Ausflüge mit meiner Familie unternehmen<br />

Sport treiben<br />

Versuchen, mein Gewicht zu reduzieren<br />

Das Leben mit Genussmitteln wie Zigaretten,<br />

Alkohol oder Ähnlichem verschönern<br />

Zusätzliche Arbeit,<br />

um mir Schönes leisten zu können<br />

Für soziale Dienste engagieren<br />

Wellness-Angebote nutzen<br />

Bücher zum Thema Glück lesen<br />

Für die Umwelt engagieren<br />

Meditieren<br />

Kurse zum Thema Glück besuchen<br />

21,2<br />

18,2<br />

15,6<br />

14,2<br />

Quelle: Marketagent.com<br />

* Umfrage in Österreich, Basis 500 Befragte (Mehrfachnennungen möglich)<br />

8,4<br />

7,8<br />

6,0<br />

4,2<br />

3,6<br />

3,2<br />

3,0<br />

2,6<br />

1,8<br />

materiellen Abstiegs, die in der Mittelschicht<br />

weit verbreitet ist, verhindert<br />

Glück, weil sie das Bedürfnis nach<br />

sozialer Sicherheit (Stufe 2) wieder in<br />

den Vordergrund rückt.<br />

Unabhängig von der Krise gilt für<br />

viele Menschen zumindest in den reichen<br />

Industrieländern mittlerweile<br />

aber, dass sie die unteren Stufen der<br />

Maslowschen Bedürfnispyramide<br />

längst hinter sich gelassen haben und<br />

damit die gängige Formel der Aufbaujahre<br />

obsolet geworden ist. Damals<br />

galt: Mehr <strong>Wirtschaft</strong>swachstum bringt<br />

mehr Geld und wer mehr Geld hat,<br />

kann sich Wünsche besser erfüllen.<br />

Aber machen immer mehr Konsum, ein<br />

Sportwagen oder eine Luxusjacht wirklich<br />

glücklich? Neuere Forschungsergebnisse<br />

sagen ganz eindeutig „nein“,<br />

sie zeigen sogar, dass das Streben nach<br />

immer höherem Einkommen, Status<br />

und Konsum zur Tretmühle wird, die<br />

kontraproduktiv wirkt.<br />

5 10 15 20 25<br />

Angaben in Prozent


Die weitgehende Fokussierung auf<br />

<strong>Wirtschaft</strong>swachstum und materielle<br />

Wohlstandsmehrung haben wir hinter<br />

uns, behauptet auch der <strong>Wirtschaft</strong>swissenschaftler<br />

Meinhard Miegel in<br />

seinem neuen Buch. Dessen Titel „Exit“<br />

ist bewusst zweideutig gehalten, er<br />

kann positiv als Ausstieg interpretiert<br />

werden, hat aber auch die Bedeutung<br />

von Ende, von Abgang. „Wir müssen<br />

lernen, ohne die ständige Mehrung<br />

materieller Güter, steigender Einkommen<br />

und Renten ein zufriedenes Leben<br />

zu führen“, sagt Miegel.<br />

Doch wie geht das? Was ist Glück,<br />

wenn es mehr und anderes ist als ständig<br />

steigender materieller Wohlstand?<br />

Was verstehen die Menschen darunter?<br />

Was beeinflusst das Glück und wie<br />

nehmen wir es wahr? Ist Glück am<br />

Ende nur Glückssache? Klar ist: Glück<br />

bedeutet Vieles und wird sehr verschieden<br />

erlebt. Es kann ein momentanes<br />

Glücksgefühl sein oder das Lebensglück,<br />

es kann durch einen glücklichen<br />

Zufall entstehen, durch eine Schicksalswende<br />

oder aber Folge einer Einstellung<br />

sein, einer Haltung. Was Glück für<br />

den Einzelnen bedeutet variiert und<br />

hängt unter anderem von Wohnort,<br />

sozialem Umfeld, Partnerschaft, Lebens-<br />

situation, Freizeit, Alter, Geschlecht,<br />

Gesundheitszustand, Bildung, Religion,<br />

Erziehung und – natürlich auch – der<br />

finanziellen Situation ab (Siehe Grafik<br />

„Wie häufig üben Sie folgende Tätigkeit<br />

aus, …“).<br />

Glück hat etwas mit den individuellen<br />

Einstellungen zu tun und den<br />

Lebens-Bedingungen. Aber es wird<br />

auch stark von externen Einflussgrößen<br />

bestimmt. Die Arbeitswelt hat großen<br />

Einfluss, der Beruf und die Zufriedenheit<br />

damit, die Politik und nicht<br />

zuletzt natürlich auch die Gemeinschaft,<br />

von der Familie bis zur Gesellschaft.<br />

Der Philosoph Ludwig Marcuse<br />

hat geschrieben, das Glück sei „eine<br />

Sonne, die eine Schar von Trabanten<br />

um sich herum hat: Behagen, Vergnügen,<br />

Lust, Zufriedenheit, Freude, Seligkeit,<br />

Heil“.<br />

Das Interesse wächst<br />

Das Thema betrifft ohne Frage jeden<br />

und es ist in den vergangenen Jahren<br />

immer stärker in den Vordergrund<br />

gerückt. Die tiefe <strong>Wirtschaft</strong>skrise hat<br />

es noch einmal aktueller gemacht. Weil<br />

alle danach suchen, es aber höchst<br />

kompliziert ist, das Glück zu bestimmen,<br />

ist geradezu eine Glücksindustrie<br />

<strong>Wirtschaft</strong> <strong>Konkret</strong> <strong>Nr</strong>. <strong>426</strong><br />

entstanden. Ratgeber wie „Die Glücksformel“<br />

beschreiben, „wie die guten<br />

Gefühle entstehen“, Meditations-Seminare<br />

zeigen den „Weg zu dauerhaftem<br />

Glück“. Es gibt unendlich viele Veröffent<br />

lichungen, die Buchhandlungen<br />

sind voll mit Titeln, die um das Thema<br />

kreisen. Auch Blogger beschäftigen sich<br />

damit, wenn auch nicht immer seriös.<br />

So behauptete einer, Glück schade am<br />

Ende der Ökonomie. Denn Menschen,<br />

die glücklich seien, brauchten nichts<br />

weiter, denen könne man nichts mehr<br />

verkaufen. Und das sei schlecht für die<br />

Konjunktur.<br />

Aber nicht nur in den mehr oder<br />

weniger populären Medien ist die Diskus<br />

sion über das Glück stark angeschwollen.<br />

Gerade die Wissenschaften<br />

be schäftigen sich stärker denn je mit<br />

dem Thema. Während es in der Philosophie<br />

als der eigentliche Gegenstand<br />

der Wissenschaft angesehen werden<br />

kann, nahmen sich in den vergangenen<br />

Jahren immer stärker auch die Sozialwissenschaftler<br />

des Themas an. Die<br />

Glücksökonomie hat einen wahren<br />

Siegeszug in den vergangenen Jahren<br />

angetreten. Eine Medien-Schlagzeile<br />

lautete sogar: <strong>Wirtschaft</strong>sprofessor findet<br />

die Glücksformel.<br />

7


<strong>Wirtschaft</strong> <strong>Konkret</strong> <strong>Nr</strong>. <strong>426</strong><br />

8<br />

Auf der Suche nach dem Glück<br />

Der „Homo Oeconomicus“ hat ausgedient, die moderne Sozialwissenschaft beschränkt<br />

sich nicht mehr länger darauf, zu beobachten, was die Menschen tun, sondern auch zu<br />

berücksichtigen, was sie fühlen und sagen.<br />

Haltung, Zustand oder Zufall?<br />

Was macht einen Menschen glücklich?<br />

Muss er nur die richtige Einstellung<br />

haben, sich die passenden Umstände<br />

schaffen oder hängt es von Faktoren ab,<br />

die er gar nicht beeinflussen kann? Für<br />

den Erfolgsautor Precht gibt es drei<br />

Regeln, um sein Glück zu finden, sie<br />

sind eine Mischung aus Handeln und<br />

Haltung: „aktiv sein, realistische Erwartungen<br />

haben, gute Gedanken pflegen“.<br />

Aber, so räumt er ein, sie funktionieren<br />

natürlich nicht auf Knopfdruck. Ganz<br />

im Gegenteil: es ist schwierig, sie dauerhaft<br />

einzuhalten.<br />

Wie schwierig es tatsächlich ist, zeigt<br />

die Tatsache, dass sich Philosophen<br />

und Psychologen seit jeher mit den<br />

Menschen beschäftigen und untersuchen<br />

was sie glücklich macht. Vom<br />

griechischen Philosophen Aristoteles,<br />

der im vierten Jahrhundert vor Christus<br />

lebte, stammt die älteste überlieferte<br />

Definition. Glück sei das, was der<br />

Mensch um seiner selbst willen<br />

anstrebt, und nicht, um etwas anderes<br />

damit zu erreichen. Ganz konkret empfiehlt<br />

er in seiner „Nikomachischen<br />

Ethik“, als allgemeine und grundlegende<br />

Regel: „Suche die Mitte, suche das<br />

rechte Maß im Leben“. Ganz ähnlich<br />

äußert sich Epikur („Nichts zu sehr!“),<br />

und auch Stoiker wie Seneca erklärten<br />

im ersten Jahrhundert nach Christi<br />

Geburt, Glück sei natürlich und werde<br />

nur durch äußere Einflüsse gestört.<br />

Deshalb empfahlen sie die sprichwörtlich<br />

gewordene „stoische Ruhe“.<br />

Aber auch andere Wissenschaften<br />

suchen nach dem Glück. Während sich<br />

die Psychologen lange fast ausschließlich<br />

damit beschäftigt haben, Patienten<br />

von Leiden zu befreien, richten sie in<br />

den letzten Jahren ihren Fokus ver-


stärkt darauf, auch gesunde Menschen<br />

glücklich zu machen. Die physiologische<br />

Wissenschaft versucht, die Akti -<br />

vitäten von Hirnarealen mit Gefühlen<br />

und Emotionen in Verbindung zu<br />

bringen.<br />

Schließlich will die angewandte<br />

Glücksforschung als eine der aktuells -<br />

ten Entwicklungen auf diesem Gebiet,<br />

aus persönlichen Glückserlebnissen<br />

und deren Begleitumständen allgemeine<br />

Regeln ableiten, nach denen Menschen<br />

glücklich werden können. Ein<br />

sicht ba res Zeichen dieser neuen Bewegung<br />

ist das „Institut für experimentelle<br />

Glücksforschung“ (IFEG) in Wien,<br />

das seit 2004 entsprechende Ratschläge<br />

aus Medien im deutschen und englischen<br />

Sprachraum sammelt und ein<br />

umfassendes Literatur-Archiv angelegt<br />

hat.<br />

Umdenken bei den Ökonomen<br />

Auch die <strong>Wirtschaft</strong>swissenschaften<br />

haben das Thema Glück wieder entdeckt.<br />

Nachdem jahrzehntelang<br />

Wachs tum um fast jeden Preis im Vordergrund<br />

gestanden hatte und die ökonomische<br />

Theorie den Menschen als<br />

„Homo Oeconomicus“ definierte, der<br />

sich ausschließlich rational nach transparenten<br />

wirtschaftlichen Kriterien entscheidet,<br />

beginnen <strong>Wirtschaft</strong>swissen-<br />

schaftler wieder, den vermeintlich<br />

unwissenschaftlichen Zusammenhang<br />

zwischen Ökonomie und Glück zu<br />

untersuchen. „Die Ökonomen haben<br />

den Seelenzustand der Menschen mit<br />

deren Kaufkraft verwechselt“, spottet<br />

der britische Glücksforscher Richard<br />

Layard. Doch inzwischen hat der<br />

„Homo Oeconomicus“ ausgedient, als<br />

moderne Sozialwissenschaft be schränkt<br />

sich die Volkswirtschaftslehre nicht<br />

mehr länger darauf, nur zu beobachten,<br />

was die Menschen tun, sondern<br />

auch zu berücksichtigen, was sie fühlen<br />

und sagen.<br />

„Inzwischen hat sich eine ökonomische<br />

Psychologie oder eine psychologische<br />

Ökonomie entwickelt“, konstatiert<br />

der Schweizer <strong>Wirtschaft</strong>swissenschaftler<br />

Bruno S. Frey, eine der weltweit ton -<br />

angebenden Koryphäen auf diesem<br />

Gebiet. Und seit den 90er Jahren hat<br />

sich als neueste Forschungsrichtung<br />

die Neuroökonomie herausgebildet,<br />

eine interdisziplinäre Verknüpfung der<br />

Neurowissenschaften mit den <strong>Wirtschaft</strong>swissenschaften.<br />

Sie untersuchen<br />

die Entscheidungen von Menschen als<br />

Konsumenten oder Investoren, indem<br />

sie die Aktivitäten des Gehirn messen<br />

und daraus Schlussfolgerungen ziehen.<br />

„Die in der Psychologie als Glück be -<br />

schriebenen Zustände sind verbunden<br />

<strong>Wirtschaft</strong> <strong>Konkret</strong> <strong>Nr</strong>. <strong>426</strong><br />

mit bestimmten Aktivierungen im<br />

Gehirn“, sagt der Neuroökonom Prof.<br />

Dr. Peter Kenning.<br />

Mit dieser Entwicklung haben sich<br />

die <strong>Wirtschaft</strong>swissenschaften nicht<br />

nur aus ihrem bisher so verengten<br />

Blickwinkel befreit, sondern die ökonomische<br />

Glücksforschung hat sich seit<br />

Mitte der neunziger Jahre auch zu<br />

einem der dynamischsten Forschungszweige<br />

der Ökonomie entwickelt, wie<br />

zum Beispiel die Zahl der Publikationen<br />

belegt. Wurden in den 30 Jahren nach<br />

1960 gerade einmal gut 50 Artikel mit<br />

den entsprechenden Stichworten ver -<br />

öffentlicht, waren es in den 90er Jahren<br />

doppelt so viele. Und in den vergangenen<br />

drei Jahren kommt man auf mehr<br />

als 150 Veröffentlichungen.<br />

Einer der Pioniere der neuen Entwicklung<br />

in Deutschland ist der Professor<br />

für Soziologie in Bonn und Koblenz,<br />

Alfred Bellebaum. Schon 1990 gründete<br />

er das Institut für Glücksforschung in<br />

Vallendar, seither hat er sich mit einer<br />

langen Liste von Veröffentlichungen<br />

einen Namen gemacht. Ganz besonders<br />

wichtig ist ihm dabei die interdisziplinäre<br />

Forschung, denn so Bellebaum:<br />

„Es lohnt sich, interdisziplinär<br />

zu fragen: Wer weiß was mit welcher<br />

Begründung und welchen Folgen über<br />

Glück?“<br />

9


<strong>Wirtschaft</strong> <strong>Konkret</strong> <strong>Nr</strong>. <strong>426</strong><br />

Lernen von den Vorfahren<br />

Mit ihrem wachsenden Interesse knüpfen<br />

die Glücksökonomen an traditionelle<br />

Forschungen der <strong>Wirtschaft</strong>swissenschaft<br />

an. Schon Mitte des<br />

19. Jahr hunderts hat Heinrich Gossen<br />

das 2. Gossensche Gesetz des abnehmenden<br />

Grenznutzens formuliert. Ein<br />

Zuwachs an materiellen Gütern bringt<br />

immer weniger zusätzlichen Nutzen,<br />

so Gossen, es komme darauf an, materielle<br />

und immaterielle Vorteile wie<br />

Freundschaft oder Familie in Einklang<br />

zu bringen.<br />

Zur gleichen Zeit formulierten Jeremy<br />

Bentham und John Stuart Mill die<br />

Grundzüge des Utilitarismus, dessen<br />

Leitgedanke war: „Handle so, dass das<br />

größtmögliche Maß an Glück entsteht.“<br />

Doch weil sich Glück und Glücksintensität<br />

nur schwer messen ließen, kam<br />

diese Forschungsrichtung schnell wieder<br />

aus der Mode.<br />

10<br />

Das hat sich inzwischen geändert.<br />

Um Glück zu messen, bedienen sich<br />

Ökonomen zunehmend der Methode<br />

der individuellen Befragung, wie sie in<br />

der Psychologie üblich ist, von <strong>Wirtschaft</strong>swissenschaftlern<br />

lange Zeit<br />

aber abgelehnt wurde. „Wir fragen<br />

schlicht und einfach die Leute: ‚Sind sie<br />

glücklich oder nicht?’ Und das geht!“<br />

beschreibt Frey die Methode. Auf einer<br />

Skala von 1 bis 10 können sie dann den<br />

Grad ihrer Zufriedenheit darstellen.<br />

Allerdings nicht auf konkrete Situationen<br />

bezogen, gefragt wird nicht etwa:<br />

„Wenn es regnet und man ist nass<br />

geworden, sind sie glücklich?“ Sondern<br />

es geht immer darum, wie sich die<br />

Menschen fühlen „insgesamt mit dem<br />

Leben, das sie führen“. Frey: „Das<br />

bedeutet, es handelt sich um eine längerfristige,<br />

grundsätzliche Frage.“<br />

Empirische Studien belegen, dass<br />

solche individuell geäußerten Urteile<br />

gut mit der Einschätzung von Dritten<br />

übereinstimmen. Einen wesentlichen<br />

Beitrag dazu leisteten auch die Hirnforscher.<br />

Die Neurowissenschaftler zeigten,<br />

dass die Wahrnehmung von Gefühlen<br />

objektiv gemessen werden kann.<br />

Angenehme Erlebnisse führen zu Aktivitäten<br />

in der linken Gehirnhälfte. Misst<br />

man diese, dann stimmen die objektiven<br />

Daten recht gut überein mit den<br />

subjektiven Berichten der Versuchs personen.<br />

Diese Erkenntnisse haben die Neuroökonomen<br />

zum Beispiel auch erfolgreich<br />

für neue Ansätze im Marketing<br />

genutzt. Selbst bei kleinen, alltäglichen<br />

Dingen wie dem Einkauf im Supermarkt<br />

spielt der Belohnungseffekt eine<br />

große Rolle, das Gehirn schüttet das<br />

Glückshormon Dopamin aus. Einer<br />

Marke gelingt es, dieses Belohnungs -<br />

system zu aktivieren, wenn es positive<br />

Erfahrungen vermittelt, haben die


Forscher festgestellt. Dann verhalten<br />

sich die Kunden loyal. „Tatsächlich<br />

verfolgen neuere Marketingansätze<br />

das Ziel, positive Erlebnisse mit einer<br />

Marke zu verbinden“, sagt Kenning.<br />

Urknall der Glücksökonomie<br />

Als der amerikanische Ökonom Richard<br />

Easterlin Anfang der siebziger Jahre der<br />

Fachzeitschrift „American Economic<br />

Review“ einen Aufsatz anbot, lehnte<br />

diese eine Veröffentlichung glatt ab.<br />

Erst 1974 konnte er ihn in einem unbedeutenden<br />

Sammelband unterbringen<br />

– und damit ein Echo hervorrufen, das<br />

nicht nur die Fachzeitschrift überrascht<br />

haben dürfte, sondern auch den Autor<br />

selber. Easterlins Veröffentlichung gilt<br />

heute als der Urknall der modernen<br />

Glücksforschung.<br />

Was hatte der Wissenschaftler ge -<br />

macht? Er hatte sich die Erkenntnisse<br />

über die Messbarkeit von Glück zueigen<br />

ge macht und die Aussagen der Menschen<br />

mit den sozio-ökonomischen<br />

Fakten in 13 Ländern verglichen. Das<br />

Ergebnis bestätigte auf den ersten Blick<br />

die traditionelle Meinung: Reichere<br />

Menschen gaben öfter an, glücklich<br />

und zufrieden zu sein als ärmere. Doch<br />

zwei andere Erkenntnisse von Easterlin<br />

passten überhaupt nicht dazu. Der<br />

Forscher fand nämlich heraus, dass die<br />

Menschen in reicheren Ländern nicht<br />

zwangsläufig glücklicher sind als in<br />

armen. Zudem blieb bei der Betrachtung<br />

eines Landes die Zufriedenheit<br />

über längere Perioden gleich, selbst<br />

wenn das durchschnittliche Einkommen<br />

beträchtlich gestiegen war. Diese<br />

Erkenntnis bestätigt erneut die Maslowsche<br />

Bedürfnishierarchie.<br />

<strong>Wirtschaft</strong> <strong>Konkret</strong> <strong>Nr</strong>. <strong>426</strong><br />

Das so genannte Easterlin-Paradoxon<br />

zeigt eindeutig: Die Frage ob mehr<br />

Geld glücklicher macht, lässt sich nicht<br />

mit einem eindeutigen „Ja“ beantworten,<br />

wie es die meisten Menschen und<br />

traditionelle Ökonomen wohl tun würden,<br />

sondern nur mit „Ja, aber“. Dieses<br />

zunächst erstaunliche Phänomen<br />

beschäftigte die Sozialwissenschaftler<br />

immer stärker. Mehr als 800 Studien<br />

befassten sich seit Easterlins Veröffentlichung<br />

damit. Der Professor, der auch<br />

mit 84 Jahren noch regelmäßig seiner<br />

Arbeit an der „University of Southern<br />

California in Los Angeles“ nachgeht,<br />

erhielt im vergangenen Jahr den mit<br />

50.000 Euro dotierten Forschungspreis<br />

des Bonner Instituts zur Zukunft der<br />

Arbeit (IZA).<br />

11


<strong>Wirtschaft</strong> <strong>Konkret</strong> <strong>Nr</strong>. <strong>426</strong><br />

Bei 16.000 Euro liegt die Schwelle<br />

Alle Studien und Umfragen haben als<br />

Fazit bisher ergeben: In der Regel sind<br />

Menschen in reichen Ländern glücklicher<br />

als in armen, aber daraus lässt<br />

sich nicht einfach schließen, immer<br />

mehr Geld mache immer glücklicher.<br />

Nur solange das Jahreseinkommen der<br />

Menschen in reichen Ländern weniger<br />

als 16.000 Euro beträgt, hat der Schweizer<br />

Ökonom Mathias Binswanger festgestellt,<br />

erzeugt mehr Geld automatisch<br />

auch mehr Zufriedenheit. Deshalb<br />

sagt Richard David Precht, Geld mache<br />

nur glücklich, wenn man arm sei. Das<br />

gilt grundsätzlich für Menschen in<br />

wohlhabenden Industrieländern<br />

genauso wie für die Einwohner von Entwicklungsländern.<br />

Weil dort allerdings<br />

die Mehrheit mit weniger auskommen<br />

muss, steigert materielle Wohlstandssteigerung<br />

in armen Ländern das<br />

gesellschaftliche Glücksempfinden<br />

stärker als in reichen. Grundsätzlich<br />

ist dies jedoch abhängig von der jeweiligen<br />

Gesamtsituation im Land.<br />

Binswanger glaubt, bei ihrem Streben,<br />

durch mehr Einkommen glück -<br />

licher zu werden, bewegten sich die<br />

12<br />

Menschen in den reichen Industrie ländern<br />

wie in einer Tretmühle: immer<br />

schneller ohne voranzukommen. „Die<br />

Menschen werden dadurch zwar<br />

immer reicher, aber was ihr Glücksempfinden<br />

betrifft, treten sie auf der<br />

Stelle“, sagt er. Und sie litten zudem<br />

unter der Tyrannei der Möglichkeiten.<br />

Die wachsende Zahl an Produkten und<br />

Dienstleistungen, die man kaufen<br />

könne und die immer zahlreicher<br />

werdenden Möglichkeiten der Freizeitgestaltung<br />

würden mit steigendem<br />

Einkommen zur stetig wachsenden<br />

Tyrannei. „Aus ökonomischer Sicht<br />

geht es bei der Suche nach der Verwirklichung<br />

eines glücklichen Lebens um<br />

einen zweistufigen Prozess“, erklärt<br />

Binswanger: „Erstens müssen wir ein<br />

Einkommen erzielen, damit wir uns die<br />

Dinge überhaupt leisten können, die<br />

wir für ein glückliches Leben brauchen.<br />

Man muss aber auch in der Lage sein,<br />

das verdiente Einkommen so zu verwenden,<br />

dass es tatsächlich glücklich<br />

macht.“<br />

Mittlerweile sind die Forscher auch<br />

einer weiteren Erklärung des Easterlin-<br />

Paradoxons näher gekommen. Sie<br />

haben herausgefunden, dass die<br />

Lebenszufriedenheit auch deshalb<br />

nicht mit dem Einkommen wächst,<br />

weil eine Steigerung der materiellen<br />

Möglichkeiten mit einer Zunahme der<br />

individuellen Ansprüche einhergeht.<br />

Zusätzlich zeigt sich, dass es nicht auf<br />

die absolute Höhe des Einkommens<br />

ankommt, sondern nur auf die relative<br />

(Siehe Kapitel „Was uns glücklich<br />

macht“). „Der soziale Vergleich mit<br />

anderen Individuen scheint die treibende<br />

Kraft zu sein“, schreibt der Ökonom<br />

Steffen Rätzel von der Universität Marburg<br />

und vergleicht das mit einem Beispiel<br />

aus dem Sport: Für Michael Greis,<br />

einen deutschen Topsportler im Biathlon,<br />

sei es im Wettkampf nicht wichtig,<br />

in welcher absoluten Zeit er das Ziel<br />

erreiche, entscheidend sei, besser zu<br />

sein als die Gegner, denn „das führt<br />

zum Sieg und macht glücklich“.


Lebenszufriedenheit in Deutschland<br />

Zufriedenheitsniveau<br />

Angaben<br />

in %<br />

0 – ganz und gar unzufrieden 0,5<br />

1 0,4<br />

2 1,3<br />

3 2,8<br />

4 3,8<br />

5 12,9<br />

6 11,9<br />

7 22,7<br />

8 29,5<br />

9 9,9<br />

10 – ganz und gar zufrieden 4,3<br />

Durchschnittswert 6,9<br />

Quelle: GSOEP, eigene Berechnungen<br />

*Relative Verteilung 1992–2005: 175.197 Personen Basis<br />

Vom Wohlstand der Nationen<br />

Viele Studien belegen inzwischen, dass<br />

Glück nicht analog zum Wohlstand<br />

zunimmt. Obwohl sich zum Beispiel<br />

das reale Einkommen eines durchschnittlichen<br />

Amerikaners in den vergangenen<br />

fünf Jahrzehnten fast verdreifacht<br />

hat, stagniert der Prozentsatz<br />

der US-Amerikaner, die sich als glücklich<br />

bezeichnen, bei 30 Prozent. In Geld<br />

gemessen ging es den US-Bürgern noch<br />

nie so gut (vor der tiefen Krise der<br />

Weltwirtschaft), trotz mehrerer Com -<br />

puter pro Haushalt und dem Trend zum<br />

Drittwagen sind sie aber nicht messbar<br />

glücklicher.<br />

Ein ähnlicher Zusammenhang gilt<br />

auch für die meisten europäischen<br />

Länder und Japan. Obwohl sie in den<br />

vergangenen 50 Jahren ein in der<br />

Geschichte einzigartiges Wachstum der<br />

Einkommen zu verzeichnen hatten,<br />

zeigen die Befragungen, dass in dieser<br />

Zeit keine Zunahme des Glücksempfindens<br />

festzustellen war. Und in diesen<br />

Zusammenhang passt auch ein anderer<br />

Trend: Gerade in ärmeren Gegenden,<br />

ob in Südeuropa, Lateinamerika<br />

oder Afrika, scheinen die Menschen<br />

lebenslustig und glücklich zu sein. Und<br />

das trotz aller sozio-ökonomischen<br />

<strong>Wirtschaft</strong> <strong>Konkret</strong> <strong>Nr</strong>. <strong>426</strong><br />

Unzulänglichkeiten. So zählen zu den<br />

insgesamt glücklichsten Völkern der<br />

Welt einerseits die Schweiz oder Dänemark,<br />

aber eben auch Malta. Deutschland<br />

belegt im internationalen Ranking<br />

einen Mittelplatz.<br />

Natürlich gehört auch die Bundes -<br />

republik damit zu den Nationen, in<br />

denen die Menschen sich nach internationalen<br />

Maßstäben verhältnismäßig<br />

glücklich fühlen. Aber auch hier ist<br />

die Zufriedenheit nicht mit den Einkommenszuwächsen<br />

der vergangenen<br />

Jahre gewachsen. Einschlägige Untersuchungen<br />

bestätigen das eindrucksvoll.<br />

So ergab eine Befragung des<br />

Ber liner <strong>Wirtschaft</strong>sforschungsinstituts<br />

DIW 2007, dass sich mehr als 50 Prozent<br />

der Deutschen oft oder sehr oft<br />

glücklich fühlen. Eine empirische<br />

Langfristuntersuchung von 1992 bis<br />

2005 zeigte, dass mehr als drei Viertel<br />

der Befragten ihre Lebenszufriedenheit<br />

mit überdurchschnittlich bewertet<br />

(Siehe Grafik „Lebenszufriedenheit<br />

in Deutschland“). Allerdings ist auch<br />

hier die allgemeine Lebenszufriedenheit<br />

nicht analog zum Sozialprodukt<br />

gestiegen, sondern sogar von durchschnittlich<br />

7,3 auf 6,9 Skalenpunkte<br />

gesunken. In Ostdeutschland liegen<br />

13


<strong>Wirtschaft</strong> <strong>Konkret</strong> <strong>Nr</strong>. <strong>426</strong><br />

die Werte immer unter den westdeutschen,<br />

2004 betrug die Differenz<br />

0,7 Skalenpunkte.<br />

Gibt es das Glücks-BIP?<br />

Die Tatsache, dass ein steigendes Sozialprodukt<br />

nicht unbedingt auch steigende<br />

Zufriedenheit und Glück der<br />

Menschen widerspiegelt, hat viele Forscher<br />

bewogen, nach anderen Messgrößen<br />

zu suchen. Ökonomie-Nobelpreisträger<br />

Joseph Stieglitz forderte eine<br />

Abkehr vom „BIP-Fetischismus“ und<br />

Bundespräsident Horst Köhler prophezeite:<br />

„Wir werden nach einer neuen<br />

Art von Wachstum streben: nach wachsendem<br />

Wohlergehen für Mensch und<br />

Schöpfung.“ Glücksforscher <strong>Ruckriegel</strong><br />

bringt den Sinn der <strong>Wirtschaft</strong> so auf<br />

den Punkt: „Ökonomisch gesprochen<br />

14<br />

geht es schlicht um die Frage, wie man<br />

das knappe Gut Zeit so nutzt, dass man<br />

letztlich mit seinem Leben in hohem<br />

Maße zufrieden ist.“<br />

Für Deutschland entwickelte der<br />

Münsteraner Professor Ulrich van Suntum<br />

im Auftrag der Initiative Neue<br />

Soziale Marktwirtschaft ein so genanntes<br />

„Glücks-BIP“. Es ergänzt klassische<br />

Wohlstandsmaße wie Einkommen und<br />

Vermögen um glücksrelevante Faktoren<br />

wie Arbeitsplatzsicherheit, Gesundheit,<br />

Familienstatus oder Einkommensverteilung.<br />

Auch andere Länder sind politisch<br />

aktiv geworden. Australien berechnet<br />

seit 2001 den „Australien Unity Wellbeing<br />

Index“, Großbritannien hat<br />

schon 1999 formal als Ziel der Politik<br />

den Index „A better Qualitiy of Life“<br />

festgelegt, Irland legt jährlich einen<br />

Bericht „Measuring Ireland’s Progress“<br />

vor und Dänemark den Bericht „International<br />

Benchmarking of Denmark“.<br />

Auch in den USA legt die Regierung<br />

jedes Jahr einen Bericht über den sozialen<br />

Fortschritt vor, ganz zu schweigen<br />

davon, dass bereits in der Unabhängigkeitserklärung<br />

der Vereinigten Staaten<br />

das Streben nach Glückseligkeit (pursuit<br />

of happyness) als „unveräußerliches<br />

Recht“ eines jeden Amerikaners<br />

festgelegt wurde.<br />

Da ist es nur folgerichtig, dass die<br />

US-Regierung seit 2004 einen Forscher<br />

wie den Psychologen und Nobelpreisträger<br />

für <strong>Wirtschaft</strong>, Daniel Kahneman,<br />

finanziell unterstützt, um einen<br />

„National Well-Being Account“ zu<br />

erstellen. Dieser Index soll zusätzlich


zum BIP den Fortschritt des Landes<br />

abbilden. Mit einer bestimmten Me tho -<br />

de wird dabei ermittelt, wie die Menschen<br />

ihre Zeit verbringen und wie sie<br />

sich dabei fühlen.<br />

Den wohl weitestgehenden Ansatz<br />

verfolgt aber ohne Zweifel der Niederländer<br />

Ruut Veenhoven, Professor für<br />

Soziologie an der Universität Rotterdam<br />

und Direktor der „World Database<br />

of Happiness“. Diese Datenbank ist<br />

eine einzigartige Sammlung von Forschungsergebnissen<br />

zur Lebenszufriedenheit<br />

von Menschen in fast allen<br />

Ländern dieser Welt. 3.000 Umfragen<br />

und 10.000 Studien sind nicht nur in<br />

einer Vielzahl von Aktenordnern abgelegt,<br />

sondern auch im Internet und<br />

dort für Jedermann zugänglich. Wie<br />

glücklich sind die Dänen, verglichen<br />

mit den Deutschen? Macht Demokratie<br />

zufrieden? Antworten auf solche Fragen<br />

findet man in Veenhovens Sammlung.<br />

Aber man kann auch Begriffe wie<br />

Organtransplantation, Liebesleben<br />

oder Schlaf wählen und erfährt, wie er<br />

mit dem Glück der Menschen zusammenhängt.<br />

<strong>Wirtschaft</strong> <strong>Konkret</strong> <strong>Nr</strong>. <strong>426</strong><br />

15


<strong>Wirtschaft</strong> <strong>Konkret</strong> <strong>Nr</strong>. <strong>426</strong><br />

Was uns glücklich macht<br />

Voranzukommen, Erfolg zu haben und besser dazustehen als andere, ist eine natürliche<br />

Antriebskraft der Menschen. Doch das kann auch in der Status-Tretmühle enden.<br />

Genauso wichtig wie ein hohes Einkommen und steigender Konsum sind Zufriedenheit<br />

und Anerkennung im Beruf, Familie und Freundschaften im Privatleben.<br />

16<br />

Einkommen, Karriere und Beruf<br />

Wenn die Menschen in einem Land<br />

sich nicht unbedingt mit steigendem<br />

Sozialprodukt glücklicher fühlen, dann<br />

stellt sich die Frage, welche Bedeutung<br />

haben das Einkommen, die Karriere<br />

und die Verhältnisse am Arbeitsplatz<br />

für die Zufriedenheit? Sind Karriere und<br />

materieller Reichtum nicht die wich -<br />

tigste Voraussetzung für Glück, sondern<br />

ganz im Gegenteil, Glück und Zufriedenheit<br />

die Voraussetzung für Erfolg?<br />

So wie es offensichtlich Hasso Plattner<br />

glaubt, einer der erfolgreichsten Unter-<br />

nehmensgründer im Nachkriegs-<br />

Deutschland, der seine Mitarbeiter<br />

glücklich machen will und damit seine<br />

Firma wieder erfolgreich?<br />

Die Frage, ob glückliche Mitarbeiter<br />

auch leistungsfähiger sind, beschäftigt<br />

auch die Glücksökonomen schon<br />

länger. Voranzukommen sei einer der<br />

wichtigsten Faktoren für Glück, hat der<br />

Münsteraner Professor van Suntum in<br />

seiner Studie für das Glücks-BIP fest gestellt.<br />

„Stets besser stehen zu wollen<br />

als die anderen und sich dafür anzustrengen<br />

liegt in unseren Genen“, sagt


der Schweizer Ökonom Binswanger.<br />

Doch dieses Streben führt allzu häufig<br />

im Betriebsalltag nur dazu, dass sich<br />

die Menschen in einer „Status-Tretmühle“<br />

abrackern, meint Binswanger.<br />

„Weil man intern in der Konkurrenz<br />

steht, werden Berichte immer länger,<br />

schreibt man immer mehr Anträge,<br />

kreiert man immer aufwändigere<br />

Powerpoint- Präsentationen“, hat er<br />

festgestellt. Derjenige, der ausschert,<br />

hat den anderen gegenüber einen<br />

Nachteil.<br />

Befördert wird diese Verhaltensweise<br />

noch dadurch, dass Männer eher sozial<br />

anerkannt sind, wenn sie Karriere<br />

machen. Das sei kulturell geprägt, sagt<br />

der Berliner DIW-Forscher Jürgen<br />

Schupp. Und wird noch verstärkt durch<br />

eine Ranking-Manie. Binswanger hat<br />

festgestellt: „Man versucht, überall der<br />

Beste zu sein, oder unter den drei<br />

Besten oder zumindest in den Top Ten.“<br />

Bei diesem Status-Rennen geraten viele<br />

Menschen auch noch in die Perfektionsfalle.<br />

Um besser zu werden, arbeiten<br />

sie sich ständig an ihren Schwächen<br />

ab, die sie beseitigen wollen, um<br />

im Konkurrenzkampf mithalten zu<br />

können.<br />

Immerhin winken als Lohn Karriere<br />

und hohes Einkommen, also jede Menge<br />

Möglichkeiten, den Stress mit hochwertigem<br />

Konsum auszugleichen.<br />

Dabei kommt es gar nicht so sehr auf<br />

das Niveau an. „Der Mensch will nicht<br />

absolut reich sein, aber reicher als der<br />

Nachbar“, sagt Binswanger. Dass der<br />

relative Status wichtiger ist als die<br />

absolute Position, machte auch ein<br />

berühmtes Experiment an der amerikanischen<br />

Harvard Universität deutlich.<br />

Studenten wurden gefragt, in welcher<br />

Welt sie lieber leben wollten: In einer, in<br />

der sie selber 50.000 Dollar verdienen<br />

und alle anderen halb so viel, oder in<br />

einer, in der sie bei gleicher Kaufkraft<br />

100.000 Dollar erhalten und die anderen<br />

doppelt so viel. Das Ergebnis war<br />

eindeutig: Die meisten wählten die<br />

erste Variante, obwohl die zweite ihnen<br />

deutlich mehr Konsummöglichkeiten<br />

bietet.<br />

Genau dieses Bemühen, mehr haben<br />

zu wollen als die anderen, hält die Status-Tretmühle<br />

in Gang. Sie dreht sich<br />

immer weiter, und wenn die Menschen<br />

immer reicher werden, dreht sich die<br />

Mühle nur mit höherer Drehzahl. Die<br />

Menschen geraten geradewegs in die<br />

Falle des „Easterlin-Paradoxons“. Denn<br />

nicht nur der Vergleich ist wichtig, sondern<br />

auch die Gewöhnung an neue<br />

Umstände und der damit einhergehende<br />

Zuwachs der Ansprüche. Materielle<br />

Güter bereiten oft nur kurze Zeit Freude,<br />

sagt Bruno S. Frey und belegt das<br />

mit einem eingängigen Beispiel: „Wer<br />

einen neuen Ferrari erworben hat, fühlt<br />

sich wie im Paradies – aber leider nur<br />

im ersten Moment. Nach zwei Wochen<br />

findet man den Schlitten ziemlich<br />

selbstverständlich.“ So bestätigt sich<br />

auch hier Maslow: Ist eine Bedürfnisebene<br />

erreicht, strebt man nach<br />

anderen Dingen, nämlich Selbstverwirklichung.“<br />

Wie motiviert man Mitarbeiter?<br />

Was also können Unternehmen tun,<br />

um motivierte Mitarbeiter zu haben,<br />

die sich nicht in der „hedonistischen<br />

Tretmühle“ aufreiben, wie Frey das<br />

nennt. Nivellierte Einkommen sind<br />

ganz offensichtlich keine Lösung, auch<br />

wenn mehr Geld nicht unbedingt<br />

<strong>Wirtschaft</strong> <strong>Konkret</strong> <strong>Nr</strong>. <strong>426</strong><br />

glücklicher macht. Schließlich bestätigen<br />

Glücksökonomen, dass die Zufriedenheit<br />

der Menschen auch davon<br />

abhänge, vorankommen zu können.<br />

Mit Blick auf die heftig geführte Diskussion<br />

über hohe Banker-Boni in westlichen<br />

Industriestaaten sagt Binswanger:<br />

„Verdienen wenige sehr viel, ist der<br />

Großteil der Bevölkerung frustriert. Verdienen<br />

alle gleich viel, sind sie genauso<br />

verdrießt, weil man ihnen die Möglichkeiten<br />

zum Aufstieg nimmt.“<br />

Heute weiß man allerdings, dass es<br />

nicht nur auf das Gehalt ankommt,<br />

auch wenn das höher ist als beim Kollegen<br />

nebenan. Wenn Mitarbeiter ihren<br />

Job zufrieden und motiviert machen,<br />

dann hat das auch etwas damit zu tun,<br />

ob die Arbeitsbedingungen ihren Vorstellungen<br />

entsprechen, ob sie sich<br />

möglichst frei entfalten und Verantwortung<br />

übernehmen können, kurz, ob der<br />

Arbeitsplatz ihren Vorstellungen weitgehend<br />

entspricht. Nach den Erkenntnissen<br />

der Hirnforschung machen eine<br />

positive Unternehmenskultur, in der<br />

Führungskräfte und Mitarbeiter vertrauensvoll<br />

zusammenarbeiten, eine<br />

optimale Gestaltung der Arbeitsinhalte,<br />

ein gerechtes Vergütungssystem und<br />

langfristige Sicherheit des Arbeitsplatzes<br />

die Menschen im Job zufrieden.<br />

17


<strong>Wirtschaft</strong> <strong>Konkret</strong> <strong>Nr</strong>. <strong>426</strong><br />

Bestätigt wird diese Auffassung<br />

durch eine aktuelle Umfrage, die das<br />

Meinungsforschungsunternehmen TNS<br />

Emnid im Frühjahr 2010 für den<br />

Dienstleister Job AG in Fulda durchgeführt<br />

hat. Mehr als 50 Prozent der über<br />

1.000 befragten Berufstätigen gaben an,<br />

das Arbeitsklima sei für ihr Wohlbefinden<br />

im Beruf entscheidend, das Gehalt<br />

nannten nur 39 Prozent. Wichtiger als<br />

das Geld sind auch die Aufgaben im<br />

Job, die 46 Prozent als entscheidend<br />

bewerten, ein Drittel der Befragen hält<br />

die Sicherheit am Arbeitsplatz für ein<br />

wichtiges Kriterium.<br />

Auch van Suntum hat In seiner<br />

Glücks-BIP-Studie bemerkenswerte<br />

Zusammenhänge festgestellt. So etwa,<br />

dass es wichtig ist, erlernte Fähigkeiten<br />

anzuwenden. „Personen, die im erlernten<br />

Beruf arbeiten, sind im Endeffekt<br />

jedenfalls glücklicher als die Vergleichsgruppe“,<br />

heißt es in der Untersuchung.<br />

Auch die Arbeitszeit spielt<br />

eine gewisse Rolle, wie der Professor<br />

festgestellt hat: Von 1991 bis 2008<br />

nahm die Zahl der Befragten ab, bei<br />

denen vereinbarte und gewünschte<br />

Arbeitszeit übereinstimmte, was die<br />

18<br />

Lebenszufriedenheit tendenziell verringerte.<br />

Mit dem allgemeinen Anschwellen<br />

der Glücksforschung haben natürlich<br />

auch die Unternehmensberater das<br />

Thema „Glücks-Coaching“ entdeckt.<br />

Genauso wie Hasso Plattner gehen<br />

auch sie – völlig zu Recht – davon aus,<br />

dass nur Mitarbeiter, die glücklich und<br />

zufrieden sind, sich auch motiviert und<br />

engagiert für ihr Unternehmen einsetzen.<br />

Damit sie ihr Leistungspotential<br />

entfalten, kommt es darauf an, nicht<br />

nur ihre Kompetenz zu fordern und fördern,<br />

sondern ihnen auch Vertrauen,<br />

Achtung, Aufmerksamkeit und Respekt<br />

entgegen zu bringen.<br />

Manager von m<strong>org</strong>en, so das Fazit<br />

einschlägiger Untersuchungen, müssten<br />

eine partnerschaftliche Unternehmenskultur<br />

und eine ethikorientierte<br />

Führung praktizieren. Dass dies heute<br />

in Deutschland eher nicht die Regel ist,<br />

zeigt eine Umfrage des Gallup-Instituts<br />

von 2008. Danach machen rund zwei<br />

Drittel der Arbeitnehmer Dienst nach<br />

Vorschrift, ein Fünftel hat innerlich<br />

bereits gekündigt, nur ganze 13 Prozent<br />

sind hoch engagiert.<br />

Was ist zu tun?<br />

Regelmäßig loben<br />

Feedback-Regeln einführen<br />

Weiterbildung fördern<br />

Stärken stärken<br />

Verantwortung übertragen<br />

Transparenz schaffen<br />

Teamarbeit fördern<br />

Kooperation vorleben<br />

Vertrauen schaffen<br />

Menschen schätzen<br />

Vorbilder schaffen<br />

Quelle: <strong>Ruckriegel</strong><br />

Letztendlich geht es darum, selbstständige<br />

und selbstbewusste Mitarbeiter<br />

zu beschäftigen und deren Stärken<br />

zu fördern. Menschen in der so genannten<br />

Perfektionsfalle, die nur daran<br />

arbeiten, ihre Schwächen zu beseitigen,<br />

um bessere Chancen in der Status-Tretmühle<br />

zu haben, werden kaum erfolgreich<br />

und motiviert sein. Auch andere<br />

Studien haben erwiesen, dass jemand,<br />

dessen Stärken im Beruf gefördert


werden und der sie selbst fördert, mit<br />

50 prozentiger Wahrscheinlichkeit<br />

mehr Erfolg hat als jemand, der sich<br />

bemüht, seine Schwächen zu reparieren.<br />

Die richtige „Work-Life-Balance“<br />

Dass Erfolg mehr ist als Karriere und<br />

gerade junge Menschen darunter etwas<br />

anderes verstehen als noch die Nachkriegsgeneration,<br />

zeigt sich immer wieder.<br />

„Für mich bedeutet Erfolg Erfüllung<br />

und Zufriedenheit“, beantwortet etwa<br />

ein Blogger im Internet die einschlägige<br />

Frage und ein anderer assistiert:<br />

„Erfolg ist für mich die Anerkennung,<br />

die man von anderen erhält und vor<br />

allem die Anerkennung, die man sich<br />

selbst zuspricht.“ Solche individuellen<br />

Meinungen werden von professionellen<br />

Beobachtern gestützt. In einer Mitteilung<br />

der „Deutschen Universität für<br />

Weiterbildung“ (DUW) in Berlin heißt<br />

es etwa: „Beruflicher Erfolg ist ein<br />

durchaus vielschichtiger Begriff. Er ist<br />

nicht unbedingt mit Karriere gleichzusetzen.“<br />

Heute seien nicht nur die<br />

erfolgreich, die die klassischen Erfolgsstationen<br />

im Berufsleben durchlaufen,<br />

sondern vor allem die, die innere<br />

Zufriedenheit erreichen. „So kann sich<br />

als erfolgreich empfinden, wer in seinem<br />

individuellen beruflichen Rahmen<br />

ein Ziel erreicht, das er sich selbst<br />

gesteckt hat“, erklärt die DUW.<br />

DUW-Gründungspräsidentin Ada<br />

Pellert, eine Professorin für Weiterbildungsforschung<br />

und Bildungsmanagement,<br />

nennt noch einen weiteren<br />

Aspekt für Erfolg: ein ausgewogenes<br />

Verhältnis zwischen Arbeit, Privatleben<br />

und Weiterbildung, eine stimmige<br />

„Work-Life-Balance“ (Siehe <strong>Wirtschaft</strong><br />

<strong>Konkret</strong> <strong>Nr</strong>. 420 „Leben versus Arbeiten?<br />

Arbeitsmodelle der Zukunft“). Beruflicher<br />

Erfolg sei nie unabhängig vom Privatleben<br />

zu sehen. „Wer viel und erfolgreich<br />

arbeitet, privat aber das Gefühl<br />

hat, auf der Strecke zu bleiben, wird<br />

sein Wirken irgendwann in Frage stellen“,<br />

sagt Pellert.<br />

Solche Aussagen werden eindrucksvoll<br />

durch Studien bestätigt. Eine<br />

ausführliche Befragung von Nachwuchsführungskräften<br />

durch die <strong>Wirtschaft</strong>sprüfer<br />

von Pricewaterhouse -<br />

Coopers im Juli 2007 ergab zum<br />

Beispiel, dass Jungmanager nach wie<br />

vor bereit sind, für ihr berufliches Fortkommen<br />

erhebliche Einschränkungen<br />

in Kauf zu nehmen, doch Familie und<br />

persönliche Beziehungen spielen eine<br />

wesentliche Rolle. „Die Vorstellung,<br />

dass beruflicher Erfolg Defizite im<br />

privaten Bereich wettmacht, findet<br />

keinen breiten Konsens mehr“, heißt<br />

es in der Studie.<br />

Ein ähnliches Ergebnis brachte eine<br />

Befragung von Uni-Absolventen der<br />

Personalberatung Kienbaum im Februar<br />

2010 hervor. Danach sind für 68 Prozent<br />

der Studenten die persönlichen<br />

Entwicklungsmöglichkeiten das wichtigste<br />

Entscheidungskriterium bei der<br />

Wahl ihres zukünftigen Arbeitsgebers.<br />

Faktoren für Erfolg<br />

Es gibt zwar kein Patentrezept, aber<br />

erfolgreiche Menschen haben in<br />

ihrem bisherigen Leben die Voraussetzungen<br />

für den Erfolg angelegt.<br />

Sie zeichnen sich insbesondere<br />

dadurch aus, dass sie:<br />

Sich neugierig immer neuen<br />

Herausforderungen stellen,<br />

Sich gut <strong>org</strong>anisieren können,<br />

Ihr Fachwissen auf dem neuesten<br />

Stand halten,<br />

Ihre methodischen Kompetenzen<br />

regelmäßig schulen,<br />

Das Know-How verschiedener<br />

Bereiche verknüpfen können,<br />

Private und berufliche Netzwerke<br />

pflegen,<br />

Gut kommunizieren können,<br />

Spaß an ihrer Tätigkeit haben.<br />

Quelle: Ada Pellert, Deutsche<br />

Universität für Weiterbildung<br />

<strong>Wirtschaft</strong> <strong>Konkret</strong> <strong>Nr</strong>. <strong>426</strong><br />

Auf eine kollegiale Arbeitsatmosphäre<br />

legen 51 Prozent Wert, 43 Prozent wollen<br />

ein ausgeglichenes Verhältnis zwischen<br />

Arbeit und Freizeit. Die Vergütung<br />

kommt erst an vierter Stelle, sie<br />

spielt nur für 31 Prozent der Befragten<br />

eine Rolle.<br />

Zufriedenheit, Freundschaft, Familie<br />

Doch um glücklich zu sein, kommt es<br />

nicht nur auf die Verhältnisse an, in<br />

denen man lebt, sondern auch auf<br />

die eigene Einstellung. Neben den<br />

beschriebenen wirtschaftlichen und<br />

sozialen Faktoren wie beruflicher<br />

Erfolg, Einkommen und Arbeitsbedingungen,<br />

neben der richtigen<br />

„Work-Life-Balance“ spielen auch<br />

soziodemographische und Persönlichkeits<br />

faktoren wie Selbstwertgefühl,<br />

Optimismus, Grundstimmung, Alter,<br />

Geschlecht und Bildung eine Rolle.<br />

Der römische Stoiker Seneca hat das<br />

in die Worte gefasst: „Glücklich ist<br />

nicht, wer anderen so vorkommt, sondern<br />

wer sich selbst dafür hält.“ Und<br />

von Tolstoi stammt der Satz, „Glück ist<br />

nicht, dass ich tun kann, was ich will,<br />

sondern dass ich immer will, was ich<br />

tue“, der voll übereinstimmt mit einer<br />

geflügelten Kalenderweisheit, die da<br />

lautet: Wenn die Wirklichkeit nicht so<br />

ist wie du willst, dann musst du wollen,<br />

wie es ist.<br />

Die Psychologen gehen davon aus,<br />

dass jeder ein vermutlich genetisch<br />

festgelegtes Grundmaß an Zufriedenheit<br />

hat. Es gibt Menschen, die sind von<br />

Natur aus glücklicher als andere, die<br />

sehen das Glas immer halb voll anstatt<br />

halb leer. „Diese Fähigkeit kann man<br />

nicht trainieren, sie ist angeborener<br />

Optimismus“, sagt der Schweizer<br />

Glücksforscher Bruno S. Frey.<br />

19


<strong>Wirtschaft</strong> <strong>Konkret</strong> <strong>Nr</strong>. <strong>426</strong><br />

Auch das Geschlecht und das Alter<br />

spielen eine Rolle. So sind Frauen nach<br />

allen einschlägigen Erkenntnissen im<br />

Durchschnitt glücklicher als Männer.<br />

Ganz im Gegenteil zur populären Auffassung,<br />

dass alte Menschen häufiger<br />

unglücklich seien, stellt Frey fest: „Die<br />

30- bis 50-Jährigen sind die unglücklichsten.“<br />

Junge Menschen seien ziemlich<br />

glücklich, dann gehe es bergab und<br />

jenseits der 50 werde man mit zunehmendem<br />

Alter immer glücklicher. Frey:<br />

„Offenbar kann man sich besser mit<br />

dem Leben auseinander setzen, verfügt<br />

über Alterweisheit, und das übersetzt<br />

sich in Glück.“<br />

Schließlich spielen auch die sozialen<br />

Beziehungen eine wichtige Rolle. Für<br />

Glücks-Ökonomen gehört es zu den<br />

Grundweisheiten, dass mangelnde<br />

soziale Kontakte und Ehescheidungen<br />

zu den wichtigsten Glückskillern überhaupt<br />

gehören (Siehe Grafik „Wie<br />

häufig üben Sie folgende Tätigkeiten<br />

aus, …“). Andererseits sind „stabil<br />

verheiratete, von Freunden und einer<br />

weiteren Gemeinschaft umgebene<br />

Menschen am glücklichsten“, sagt der<br />

britische Forscher Richard Layard. Eine<br />

Einstellung die der Glücks-Autor Precht<br />

bestätigt. Auf die Frage, was ihm lieb<br />

und teuer sei, antwortet er entschieden:<br />

„In allererster Linie meine Angehörigen,<br />

Familie und Kinder. Und dann erst<br />

mal relativ lange nichts“ (Siehe Grafik<br />

„Was bedeutet für Sie persönlich<br />

Glück?“).<br />

Allerdings gibt Frey zu bedenken,<br />

dass bei der Bewertung der Ehe Vorsicht<br />

angebracht ist, denn: „Es ist nicht<br />

ganz klar, ob die Heirat glücklich<br />

macht, oder ob es einfach die Glücklichen<br />

sind, die heiraten.“<br />

20<br />

Was bedeutet für Sie persönlich Glück?*<br />

Eigene Gesundheit allgemein<br />

Die Familie<br />

Freunde / gute Freunde / Freundschaften<br />

Zufriedenheit<br />

Geld zu haben / sich was leisten zu können /<br />

finanziell abgesichert sein / keine Gelds<strong>org</strong>en<br />

Gute Beziehung / gute Partnerschaft /<br />

harmonische Beziehung<br />

Gesundheit für meine Kinder /<br />

Gesundheit für die ganze Familie<br />

Arbeit haben / einen sicheren Job haben<br />

Liebe<br />

keine S<strong>org</strong>en / keine Probleme<br />

Gewinnen / Lottogewinn<br />

Spaß haben / fröhlich sein / lachen können<br />

mein Kind / meine Kinder<br />

Freude / Lebensfreude / Glücksgefühl<br />

Eigentum / ein Haus / eine schöne Wohnung<br />

Erfolg haben / Erfolg im Beruf / Erfolg in der<br />

Schule<br />

Ausgeglichenheit / innere Ruhe<br />

Viel Zeit haben / viel Freizeit<br />

Gutes Arbeitsklima / Freude bei der Arbeit /<br />

Zufriedenheit im Job<br />

wohlbefinden / das ich mich wohl fühle /<br />

das es mir gut geht<br />

Harmonie / ein harmonisches Leben<br />

Urlaub / Reisen / ausgedehnter Urlaub<br />

Politik als Glücksfaktor<br />

Neben den wirtschaftlichen und den<br />

sozialen, den persönlichen und den<br />

soziodemographischen Faktoren spielen<br />

natürlich auch die politischen Verhältnisse<br />

eine Rolle, wenn es um Glück<br />

und Zufriedenheit von Menschen geht.<br />

So hat zum Beispiel Arbeitslosigkeit<br />

einen großen Einfluss, unabhängig<br />

davon, ob eine Person direkt betroffen<br />

ist, oder nicht. Denn es geht nicht in<br />

erster Linie darum, dass Menschen<br />

ohne Arbeit weniger Geld zur Verfü-<br />

223<br />

129<br />

93<br />

87<br />

82<br />

74<br />

58<br />

47<br />

38<br />

32<br />

30<br />

27<br />

24<br />

22<br />

21<br />

19<br />

19<br />

19<br />

18<br />

17<br />

16<br />

15<br />

10 20 30 40 50<br />

Angaben in Prozent<br />

Quelle: marketagent.com<br />

*Basis: 500 Befragte in Österreich, Mehrfachnennungen waren möglich<br />

gung haben, sondern Arbeitslose fühlen<br />

sich ausgegrenzt, ihre Selbstachtung<br />

leidet. „Das größte Problem des<br />

Nicht-Arbeitens ist die negative Auswirkung<br />

auf das Selbstwertgefühl“, sagt<br />

auch Precht.<br />

Auch Menschen, die selbst noch<br />

einen Job haben, machen sich bei steigender<br />

Arbeitslosigkeit immer mehr<br />

S<strong>org</strong>en um ihren Arbeitsplatz. Untersuchungen<br />

zeigen eindeutig: Je höher die<br />

Arbeitslosenquote in einer Region ist,<br />

umso geringer ist die Zufriedenheit der


Beschäftigten. Der britische Ökonom<br />

Andrew Oswald hat sogar ausgerechnet,<br />

wie groß dieser Angsteffekt ist.<br />

Wenn die Arbeitslosenquote um 1,5<br />

Prozent steigt, müsse man jedem Bürger<br />

– nicht nur den Arbeitslosen – rund<br />

400 Euro zahlen, um die höhere Unsicherheit<br />

auszugleichen, die er bezüglich<br />

seines Arbeitsplatzes empfindet.<br />

Aber die Arbeitslosigkeit ist nicht das<br />

einzige politische Thema, bei dem der<br />

Staat Einfluss auf das Glück der Bürger<br />

hat. Für den Schweizer Bruno S. Frey<br />

gehören zwei weitere wichtige Punkte<br />

dazu: das politische Mitbestimmungsrecht<br />

und Föderalismus. „In einer<br />

direkten Demokratie können die Menschen<br />

aktiv mitgestalten, sich somit<br />

besser mit dem Staat identifizieren“,<br />

sagt Frey. In einem dezentralisierten<br />

demokratischen Staat, wie zum Beispiel<br />

der Schweiz, würden die politischen<br />

Entscheidungen vor Ort in den<br />

Gemeinden getroffen. Die lokalen<br />

Unterschiede, von Kritikern als „Kantönligeist“<br />

verspottet, wertet Frey als<br />

Vielfalt, die sich positiv auf das Befinden<br />

der Bürger auswirkt.<br />

Wege zum Glück<br />

Mancher Glücksforscher sieht allerdings<br />

viel mehr Möglichkeiten zum<br />

staatlichen Eingreifen als nur bei der<br />

Beschäftigung und den demokratischen<br />

Regeln. „Politiker haben eine<br />

enorme Macht, den Glückszustand von<br />

Gesellschaften zu ändern“, erklärt<br />

Layard. Ein wichtiges Instrument dafür<br />

sei das Bildungssystem. Die Schulen<br />

sollten sich mehr damit befassen,<br />

fordert der Brite, wie man mit den eigenen<br />

Bedürfnissen und Erwartungen<br />

umgeht, und sich mehr auf die Persönlichkeitsbildung<br />

und Gemeinschafts -<br />

erziehung konzentrieren. Layard:<br />

„Ohne ethische und moralische Erziehung,<br />

ohne eine starke Sozialethik gibt<br />

es keine glückliche Gesellschaft.“<br />

Das zweite und noch wichtigere<br />

Instrument sind für Layard die Steuern,<br />

vornehmlich Luxussteuern. Für ihre<br />

Karriere opferten die Menschen Familienleben,<br />

Kinderwunsch und Freund-<br />

schaften, obwohl höhere Einkommen<br />

die Menschen – zumindest in reichen<br />

Gesellschaften – nicht glücklicher<br />

machen, so Layard. Höhere Steuern<br />

könnten exzessive Arbeit unattraktiv<br />

machen, die Status-Tretmühle zum<br />

Stillstand bringen. Sie würden so dazu<br />

beitragen, ein besseres Verhältnis zwischen<br />

Arbeit und Leben herzustellen.<br />

Ganz nebenbei ist Layard deshalb auch<br />

ein Gegner der Werbung, denn sie animiert<br />

die Menschen nur zu unsinnigem<br />

Konsum, der sie nachweislich nicht<br />

glücklicher macht.<br />

Doch der Schweizer Frey warnt<br />

davor, die Regierenden zu „Diktatoren<br />

des Glücks“ zu machen. Denn die Menschen<br />

mit höheren Steuern glücklich<br />

machen zu wollen, sei „nun wirklich<br />

das Letzte, was ein liberal denkender<br />

Mensch wollen kann“. Und der Niederländer<br />

Veenhoven stellt fest, wenn<br />

überhaupt, könne man aus der Glücksforschung<br />

„eine liberale Politik“ ableiten.<br />

Am stärksten sei die Lebenszufriedenheit<br />

verschiedener Länder nämlich<br />

mit dem Grad der wirtschaftlichen Freiheit<br />

und des Individualismus verbunden.<br />

Und auch der österreichisch-britische<br />

Philosoph Karl Popper warnte vor<br />

totalitären Ideologien mit den Worten:<br />

Der Wunsch, die Menschen glücklich zu<br />

machen, sei das gefährlichste aller politischen<br />

Ideale.<br />

Denn am Ende bestätigt die Forschung<br />

eine alte Volksweisheit: Jeder ist<br />

seines Glückes Schmied. „Es geht darum,<br />

Erfüllung zu finden“, sagt Richard<br />

David Precht.<br />

<strong>Wirtschaft</strong> <strong>Konkret</strong> <strong>Nr</strong>. <strong>426</strong><br />

Testen Sie Ihre<br />

Lebenszufriedenheit<br />

Die Bewertung von fünf einfachen<br />

Aussagen gibt nach Ansicht des amerikanischen<br />

Glücksforschers Ed Diener<br />

Auskunft darüber, wie groß die<br />

Lebenszufriedenheit von Menschen<br />

ist. Die Aussagen lauten:<br />

Im Großen und Ganzen ist mein<br />

Leben so, wie ich es mir wünschen<br />

würde.<br />

Meine Lebensumstände sind<br />

sehr gut.<br />

Ich bin mit meinem Leben<br />

zufrieden.<br />

Bis jetzt habe ich wichtige Dinge,<br />

die ich erreichen wollte, auch<br />

erreicht.<br />

Falls ich mein Leben noch mal<br />

leben könnte, würde ich fast<br />

nichts anders machen.<br />

Um Ihre Zufriedenheit zu ermitteln,<br />

geben Sie auf der Skala von 1 bis 4 an,<br />

inwieweit Sie der Aussage zustimmen.<br />

Es bedeutet:<br />

1: stimmt überhaupt nicht,<br />

2: stimmt überwiegend nicht,<br />

3: stimmt überwiegend,<br />

4: stimmt genau.<br />

Addieren Sie Ihre Werte. Mit mehr als<br />

18 Punkten ist die Lebenszufriedenheit<br />

sehr hoch, mit 15 – 17 hoch, mit<br />

11 bis 14 mittel, 8 bis 10 gering und<br />

weniger als 8 sehr gering. Im Durchschnitt<br />

erreichen deutsche Befragte<br />

einen Wert von 16.<br />

Quelle: SZ‚ Wissen <strong>Nr</strong>. 12<br />

21


<strong>Wirtschaft</strong> <strong>Konkret</strong> <strong>Nr</strong>. <strong>426</strong><br />

Weiterführende Literatur und Links*<br />

Aristoteles: „Die Nikomachische Ethik“,<br />

Artemis Verlag, Zürich<br />

Bellebaum, Alfred (Hg.): „Glücksforschung.<br />

Eine Bestandsaufnahme“,<br />

UVK Verlagsgesellschaft, Konstanz<br />

Binswanger, Mathias: „Die Tretmühlen<br />

des Glücks“, Herder Verlag, Freiburg<br />

Frey, Bruno S., Stutzer, Alois:<br />

„Happiness and Economics“,<br />

Princeton University Press<br />

Frey, Bruno S., Frey Marti, Claudia:<br />

„Glück. Die Sicht der Ökonomie“,<br />

Rüegger Verlag, Zürich<br />

Kenning, P.; Plassmann, H.:<br />

„NeuroEconomics: An overview from<br />

an economic perspective”, in: Brain<br />

Research Bulletin, Vol. 67, Issue 5,<br />

S. 343–354<br />

22<br />

Klein, Stefan: „Die Glücksformel“,<br />

Rowohlt Verlag, Reinbek<br />

Layard, Richard: „Die glückliche Gesellschaft“,<br />

Campus Verlag, Frankfurt/M.<br />

Werle, Klaus: „Die Perfektionierer“,<br />

Campus Verlag, Frankfurt/M.<br />

Precht, Richard David: „Wer bin ich –<br />

und wenn ja wie viele?“, Wilhelm Goldmann<br />

Verlag, München<br />

<strong>Ruckriegel</strong>, Karlheinz: „Bei Mitarbeiterorientierter<br />

Personalführung gewinnen<br />

alle“, in: Personal – Zeitschrift für<br />

Human Resource Management, 61. Jg.,<br />

Heft 6, Seite 14 – 16<br />

Seneca: „Vom glückseligen Leben“,<br />

Kröner Verlag, Stuttgart<br />

www.dbresearch.de<br />

Stefan Bergheim: „BIP allein macht<br />

nicht glücklich“, Deutsche Bank<br />

Research<br />

www.nationalaccountsofwellbeing.<strong>org</strong><br />

Umfassende globale Wohlstandsbilanz<br />

mit Daten über viele Länder<br />

www.worlddatabaseofhappiness.eur.nl<br />

Weltweite Datensammlung über<br />

das Glück des Niederländers Ruut<br />

Veenhoven<br />

www.diw.de/deutsch/soep<br />

Repräsentative Wiederholungsbefragung<br />

seit 1984 des DIW in Deutschland<br />

www.insm.de<br />

Initiative Soziale Marktwirtschaft mit<br />

dem ersten deutschen Glücks-BIP<br />

www.karrierebibel.de<br />

Mai, Jochen: „Die Karriere-Bibel“, dtv,<br />

Frankfurt/M<br />

www.duw-berlin.de<br />

Deutsche Universität für Weiterbildung<br />

www.ruckriegel.<strong>org</strong><br />

Veröffentlichungen zur Glücks forschung


Anhang<br />

In der Reihe „<strong>Wirtschaft</strong> <strong>Konkret</strong>“ sind derzeit folgende Ausgaben verfügbar:<br />

Schutz vor Forderungsausfall<br />

<strong>Nr</strong>. 100 Liefern unter Vorbehalt – Wie Unternehmen ihre Eigentums rechte durchsetzen können<br />

<strong>Nr</strong>. 104* Im sicheren Hafen – Die richtige Finanzierung für hohe Risiken im Auslandsgeschäft<br />

<strong>Nr</strong>. 105 Auf der sicheren Seite – Der richtige Schutz vor Forderungs ausfall und seinen Folgen<br />

<strong>Nr</strong>. 106 Insolvenzprognose 2010 – Entspannung auf hohem Niveau, Stand: November 2009<br />

* Nur im Internet abrufbar. Diese Broschüren liegen als Druckstücke nur unter Vorbehalt vor. Zu beziehen über Euler Hermes<br />

Kreditversicherungs-AG, Hamburg. Alle Ausgaben sind auch im Internet verfügbar unter www.wirtschaftkonkret.de<br />

<strong>Wirtschaft</strong> <strong>Konkret</strong> <strong>Nr</strong>. <strong>426</strong><br />

<strong>Nr</strong>. 107 Insolvenzen in Zeiten der Finanzkrise – Befragung von Insolvenzverwaltern zu Entwicklung, Ursachen, Konsequenzen<br />

Avale<br />

<strong>Nr</strong>. 201 Sicherheiten im Baugeschäft – Wie sich Auftraggeber gegen Ausfälle und Mängel schützen<br />

Schutz vor Veruntreuung<br />

<strong>Nr</strong>. 301* Ein sicheres Netz – Computerrisiken sind Chefsache<br />

<strong>Nr</strong>. 302 Gewappnet für den Ernstfall<br />

<strong>Nr</strong>. 303 <strong>Wirtschaft</strong>skriminalität – Die verkannte Gefahr<br />

Allgemeine Themen<br />

<strong>Nr</strong>. 404* Erfolgreich neue Märkte erobern – Worauf es bei der Expansion ins Ausland wirklich ankommt<br />

<strong>Nr</strong>. 412* Wissen richtig managen – Das Know-how der Mitarbeiter ist das Kapital für künftigen Erfolg<br />

<strong>Nr</strong>. 414 Ursachen von Insolvenzen – Gründe für Unternehmensinsolvenzen aus der Sicht von Insolvenzverwaltern<br />

<strong>Nr</strong>. 416 Fair Trade und Umwelt – Handel(n) ohne Grenzen<br />

<strong>Nr</strong>. 417 Die Zukunft Deutschlands – Bildung und Demografie im Wandel<br />

<strong>Nr</strong>. 418 Rettung aus der Insolvenz – Chancen, Barrieren und die besondere Rolle von Private Equity<br />

<strong>Nr</strong>. 419 Der Charakter der Wissensgesellschaft – Möglichkeiten, Herausforderungen, Grenzen<br />

<strong>Nr</strong>. 420 Leben versus Arbeiten? – Arbeitsmodelle der Zukunft<br />

<strong>Nr</strong>. 421 FinanzKommunikation jetzt krisenfest machen! – Erfolgsrezepte für den Umgang mit Kapitalgebern<br />

<strong>Nr</strong>. 423 Zukunfts-Welten. Lebenswelten 2050 – Wie wir leben werden<br />

<strong>Nr</strong>. 424 Mittelstand in Deutschland – Herausforderungen für die Zukunftsfähigkeit<br />

<strong>Nr</strong>. 425 Schwungrad Finanzkommunikation – Von den Besten lernen<br />

<strong>Nr</strong>. <strong>426</strong>* Glück & Erfolg – Braucht man Glück für den Erfolg – oder Erfolg um glücklich zu sein?<br />

<strong>Nr</strong>. 427* Mobilität – Motor für <strong>Wirtschaft</strong> und Wohlstand<br />

23


Euler Hermes<br />

Kreditversicherungs-AG<br />

Friedensallee 254<br />

22763 Hamburg<br />

Tel. +49 (0) 40/88 34-0<br />

Fax +49 (0) 40/88 34-77 44<br />

info.de@eulerhermes.com<br />

www.eulerhermes.de<br />

Sie finden uns ganz in Ihrer Nähe<br />

Hauptverwaltung<br />

22763 Hamburg<br />

Friedensallee 254<br />

Postanschrift<br />

22746 Hamburg<br />

Tel. +49 (0) 40/88 34-0<br />

Fax +49 (0) 40/88 34-77 44<br />

info.de@eulerhermes.com<br />

Niederlassungen und Geschäftsstellen<br />

Berlin<br />

Tel. +49 (0) 30/20 28 43-00<br />

Fax +49 (0) 30/20 28 43-01<br />

gs.berlin@eulerhermes.com<br />

Bielefeld<br />

Tel. +49 (0) 5 21/9 64 56-0<br />

Fax +49 (0) 5 21/9 64 56-50<br />

gs.bielefeld@eulerhermes.com<br />

Bremen<br />

Tel. +49 (0) 4 21/1 65 97-0<br />

Fax +49 (0) 4 21/1 65 97-49<br />

gs.bremen@eulerhermes.com<br />

Dortmund<br />

Tel. +49 (0) 2 31/1 82 99-0<br />

Fax +49 (0) 2 31/1 82 99-99<br />

gs.dortmund@eulerhermes.com<br />

Frankfurt<br />

Tel. +49 (0) 69/13 48-0<br />

Fax +49 (0) 69/13 48-1 70<br />

nl.frankfurt@eulerhermes.com<br />

Freiburg<br />

Tel. +49 (0) 7 61/4 00 79-0<br />

Fax +49 (0) 7 61/4 00 79-50<br />

gs.freiburg@eulerhermes.com<br />

Hamburg<br />

Tel. +49 (0) 40/2 36 36-0<br />

Fax +49 (0) 40/2 36 36-1 66<br />

nl.hamburg@eulerhermes.com<br />

Hannover<br />

Tel. +49 (0) 5 11/3 64 01-0<br />

Fax +49 (0) 5 11/3 64 01-70<br />

gs.hannover@eulerhermes.com<br />

Köln<br />

Tel. +49 (0) 2 21/9 20 60-0<br />

Fax +49 (0) 2 21/9 20 60-1 59<br />

nl.koeln@eulerhermes.com<br />

Leipzig<br />

Tel. +49 (0) 3 41/9 08 23-0<br />

Fax +49 (0) 3 41/9 08 23-10<br />

gs.leipzig@eulerhermes.com<br />

München<br />

Tel. +49 (0) 89/5 43 09-0<br />

Fax +49 (0) 89/5 43 09-1 66<br />

nl.muenchen@eulerhermes.com<br />

Nürnberg<br />

Tel. +49 (0) 9 11/2 44 05-0<br />

Fax +49 (0) 9 11/2 44 05-30<br />

gs.nuernberg@eulerhermes.com<br />

Stuttgart<br />

Tel. +49 (0) 7 11/9 00 49-0<br />

Fax +49 (0) 7 11/9 00 49-70<br />

nl.stuttgart@eulerhermes.com<br />

Exportkreditgarantien des Bundes<br />

Büro Berlin<br />

10117 Berlin<br />

Friedrichstadt-Passagen<br />

Quartier 205<br />

Friedrichstraße 69<br />

Tel. +49 (0) 30/20 94-53 10<br />

Fax +49 (0) 30/20 94-53 30<br />

aga-berlin@eulerhermes.com<br />

15 9000/<strong>426</strong> 0410

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!