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Heft „Das letzte Rennen” 16 Seiten

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Das <strong>letzte</strong> Rennen<br />

des Grafen Trips<br />

Zeichnung: Walter Neugebauer


Walter Neugebauer<br />

* 28. März 1921 in Tuzla, Jugoslawien;<br />

† 31. Mai 1992 in Geretsried bei München<br />

ISBN 978-3-00-059186-0<br />

Gesamtherstellung:<br />

GRAFIK-NISSEN, Gert Nissen<br />

Kirchenweg 2, 24976 Handewitt<br />

0461|979787, www.grafik-nissen.de


Das <strong>letzte</strong> Rennen<br />

des Grafen Trips<br />

Zeichnung: Walter Neugebauer


Das <strong>letzte</strong> Rennen<br />

des Grafen Trips


Tausende vom Menschen auf den Tribünen entlang<br />

der Strecke fiebern der Antwort auf diese Frage entgegen.<br />

Die Zuschauer sind nervöser als die<br />

Fahrer selbst. Gelassen, ruhig und sicher prüfen<br />

die Mechaniker zum <strong>letzte</strong>n Mal die Wagen.<br />

Bei Geschwindigkeiten über 200 Std./km<br />

müssen die Maschinen präzise wie eine Armbanduhr<br />

arbeiten. Eine vergessene, winzige<br />

Schraube kann den Tod des Fahrers bedeuten.<br />

In wenigen Minuten preschen die Asse der Rennfahr -<br />

elite der Welt auf die Piste von Monza (Italien). Dieses<br />

Rennen um den Großen Preis von Monza ist gleichzeitig<br />

der vor<strong>letzte</strong> Lauf zur Weltmeisterschaft des Grand-<br />

Prix-Sports. Die meisten Chancen auf den Lorbeerkranz<br />

hat Graf Berghe von Trips. Er führt mit 33 Punkten.<br />

Hinter ihm: Phil Hill mit 27 und Stirling Moss mit 21<br />

Punkten. Millionen von Sportfans fragen sich. Schafft<br />

es der sympathische Graf Trips auf seinem roten Ferrari<br />

mit der Nummer 4?<br />

Hals- und<br />

Beinbruch,<br />

alter Junge,<br />

Paß auf<br />

dich auf,<br />

Wolfgang!<br />

Wird schon nichts<br />

schiefgehen.<br />

Adieu.<br />

Da, es ist soweit:<br />

… Achtung!<br />

Achtung!<br />

Alle Fahrer auf<br />

die Plätze …<br />

Graf Trips schafft es nicht. Er kommt<br />

schlecht weg. Kostbarste Sekunden gehen<br />

verloren. Wagen mit hinteren Startplätzen<br />

donnern schon an ihm vorbei. Da heult der rote<br />

Ferrari mit der Nummer vier endlich auf …<br />

Start!<br />

Jetzt entscheiden Bruchteile von Sekunden.<br />

Wer tritt zuerst das Gaspedal durch?


Großer Preis von Monza: Soeben ist die Startflagge<br />

niedergesaust. Graf Berghe von Trips<br />

auf dem roten Ferrari mit der Nummer vier<br />

kommt schlecht weg. Graf Trips hat kostbare<br />

Sekunden vergeudet.<br />

Immer wieder hämmert er sich ein:<br />

Nur nicht Schlußlicht werden.<br />

In der ersten Kurse beweist Trips<br />

seine brillante Kurventechnik.<br />

Zwei, drei Wagen überholt er.<br />

Da… da gellen Schreie aus der<br />

Zuschauermenge: der Hund!<br />

Tatsächlich. Mitten<br />

auf der Piste<br />

steht das Tier.<br />

Wagen Nummer zehn<br />

will ausweichen,<br />

abbremsen …<br />

… und gerät bei einer Geschwindigkeit<br />

von 200 Std./km ins Schleudern.


Die Maschine steht quer. Wie eine<br />

Rakete heult der nächste Wagen heran.<br />

Beide Fahrer kommen mit dem Leben davon. Die Wagen haben<br />

Totalschaden. Graf Trips passiert mit 240 Std./km die Unglücksstelle.<br />

Wenige Meter danach schießen<br />

Stichflammen aus den Auspuffrohren.<br />

Fehlzündungen krachen.<br />

Trips läuft es eiskalt den Rücken herunter.<br />

Er muß die Geschwindigkeit verringern.


Großer Preis von Monza:<br />

Die Asse des Grand-Prix-Sports<br />

donnern mit über 200 Std./km<br />

über die Piste. Das Rennen ist der<br />

<strong>letzte</strong> Lauf zur Weltmeisterschaft.<br />

Trotz schlechtem Start schließt<br />

Graf Trips zum Mittelfeld auf.<br />

Aber …<br />

Glauben Sie, er muß<br />

wegen der<br />

Fehlzündungen<br />

aufgeben?<br />

Schwer zu sagen.<br />

Trips hat nur eine<br />

Möglichkeit:<br />

Weiterfahren.<br />

Der Graf drosselt die Umdrehungszahl<br />

der Maschine noch mehr.<br />

Da schießt bereits ein roter Wagen<br />

aus dem Schlußfeld an dem<br />

roten Ferrari vorbei.<br />

Trips setzt alles auf eine Karte: Vollgas.<br />

Der Motor holt auf und, nein<br />

ein Irrtum ist ausgeschlossen…<br />

Keine Stichflammen - keine Fehlzündungen mehr.<br />

Mit durchgetretenem Gaspedal jagt Trips<br />

in eine Rechtskurve.<br />

Aber er schneidet sie zu spät an,<br />

gerät an den Fahrbahnrand, berührt<br />

die Begrenzung und - fährt weiter.


Doch der Wagen mit<br />

der Nummer 13 geht<br />

der gleichen tückischen<br />

Kurve in die Falle.<br />

Die Maschine bleibt am<br />

Pistenrand liegen.<br />

Mit Hautabschürfungen klettert<br />

der Fahrer heraus.<br />

Ausgeschieden!<br />

Wagen Nummer 13 wird von<br />

der Bahn geschoben.<br />

Inzwischen hat Graf Trips aufgeholt, das<br />

Mittelfeld geschlagen. Schon donnert<br />

er an die Führungsspitze heran.


Das Feld der Konkurrenten lichtet<br />

sich. Trotz schlechten Starts liegt<br />

Graf Berghe von Trips knapp hinter<br />

dem Führungsfeld. Etliche Wagen<br />

sind bereits durch Unfälle ausgeschieden.<br />

Das Grand-Prix-Sportereignis<br />

des Jahres<br />

strebt seinem<br />

Höhepunkt zu.<br />

Graf Trips schafft<br />

den Anschluß an die Spitze. Er schiebt<br />

sich auf einer geraden Strecke an zwei<br />

Wagen vorbei. Fünf liegen noch vor ihm.<br />

Über einem der überholten<br />

Rennwagen schwebt plötzlich<br />

ein Hubschrauber. Der Pilot<br />

muß verrückt sein - so tief zu<br />

fliegen<br />

Geh’n Sie noch<br />

weiter ’runter!<br />

Das verstößt<br />

gegen die Sicherheitsvorschriften.<br />

Die interessieren mich nicht. Ich muß Aufnahmen<br />

aus nächster Nähe machen.<br />

Das wird<br />

gefährlich für die<br />

Rennwagen.<br />

Der Pilot führt den<br />

Befehl des skrupellosen<br />

Kameramannes tatsächlich<br />

aus. Wenige Meter über<br />

den Maschinen schwebt<br />

der Hubschrauber.


Da entstehen<br />

schon höllisch<br />

gefährlich<br />

Wirbelwinde.<br />

Einer der<br />

Rennwagen<br />

gerät bei einer<br />

Geschwindigkeit von<br />

230 Stundenkilometer in<br />

den Sog des Hubschraubers.<br />

Der Fahrer versucht, den schleudernden<br />

Wagen abzufangen…<br />

… zu spät. Wie ein Torpedo<br />

rammt ihn die<br />

folgende Maschine.<br />

In Bruchteilen von Sekunden geht<br />

alles in Flammen auf.<br />

Der falsche Ehrgeiz des<br />

Kameramannes ist an<br />

diesem Unglück Schuld.<br />

Graf Berghe von Trips hört und sieht von der<br />

Katastrophe nichts. Die Stelle liegt bereits<br />

250 Meter hinter ihm.


Die Jagd strebt ihren Höhepunkt zu. Das Rennen wird gleichzeitig als vor<strong>letzte</strong>r<br />

Lauf zur Weltmeisterschaft des Grand-Prix-Sport gewertet. Nach<br />

den bisherigen Punktergebnissen liegt der junge Graf Trips in Führung.<br />

Aber vor vor ihm donnern auf der Piste noch die schärfsten Konkurrenten.<br />

Trips muß schalten - er donnert in<br />

die berüchtigte Vedanokurve<br />

Mit knappen Abstand verfolgt Jim Clark<br />

auf Lotus den Grafen auf Ferrari.<br />

Aber der folgende Jim Clark schaltet<br />

zu spät - bremst zu spät. Das rechte<br />

Hinterrad des Ferrari und das linke<br />

Vorderrad des Lotus berühren sich!<br />

Trips’ Wagen bäumt sich auf<br />

und schießt wie eine Rakete<br />

auf die Zuschauer.<br />

Der Graf wird aus der Maschine<br />

geschleudert und prallt auf die<br />

Piste. Clarks Wagen bleibt auf<br />

der Betonbahn


Jim Clark fängt seinen Lotus<br />

ab, steuert den Pistenrand an<br />

und bringt ihn zum Stehen.<br />

Mit unheimlicher Wucht<br />

kracht der rote Ferrari in die<br />

Zuschauer und richtet ein<br />

entsetzliches Blutbad an.<br />

Jim klettert aus seinem<br />

Rennwagen und läuft zur<br />

Unglücksstätte zurück.<br />

Wolfgang, Wolfgang!<br />

Mein Ehrenwort - ich hab’s<br />

nicht mit Absicht getan.<br />

Sekunden darauf treffen die Sanitätswagen<br />

ein. Aber jede Hilfe ist zu spät.<br />

Ist… ist<br />

er tot?<br />

So endete die Karriere des aussichtsreichsten<br />

deutschen Rennfahrers, Wolfgang Graf Berghe<br />

von Trips. Nach seinem Tode erwies ihm<br />

die Sportwelt eine <strong>letzte</strong> Ehre:<br />

Er wurde zum Sportler des Jahres gewählt.<br />

Ja -<br />

er ist tot


Zur Entstehung der Geschichte …<br />

1958: Walter Neugebauer ist seit einiger Zeit in München<br />

unangemeldet sesshaft. Lange Zeit lebt er mit seinen Kollegen<br />

Vlado Magdic (Tom Biber) und Branimir Karabajic<br />

(Pauli) etwas inoffiziell im Dachgeschoß des Fix & Foxi-<br />

Schlosses zu Grünwald.<br />

Denn eigentlich soll es ab Mitte der 50er Jahren um die<br />

Realisierung des ersten abendfüllenden Zeichentrickfilm<br />

Deutschlands gehen: Münchhausen.<br />

Dass dieser hochfliegende Plan Rolf Kaukas nicht klappte,<br />

das hatte viele Gründe und ist eine ganz andere Geschichte!<br />

Aber: Kein Zeichentrickfilm, keine Arbeit für die Grenzgänger<br />

aus Jugoslawien? Weit gefehlt: Schließlich haben sich ja<br />

inzwischen Eulenspiegel und Fix & Foxi erfolgverprechend<br />

auf dem Markt etabliert!<br />

Die hochrangige Trick-Film-Crew aus Zagreb wechselt nur<br />

die Arbeits-Materialien und produziert fortan FF-Geschichten.<br />

Womit wir jetzt per Zeitraffer im September des Jahres 1965<br />

angelangt sind. Walter Neugebauer hat längst das Dachgeschoß<br />

im Schloss mit einer 30 Quadratmeter großen Wohnung<br />

in der Soyerhof-Straße in München getauscht. Darin<br />

arbeitet er mit seiner Freundin (das Wort Lebensgefährtin<br />

ist da noch nicht erfunden) Gisela Künstner.<br />

Bei näherem Hinschauen ist deren Arbeitsmethode unter<br />

räumlich erschwerten Umständen zu bewundern: Gisela<br />

Künstner sitzt auf einem altesschwachen Sessel an einem<br />

wackelnden Tischchen. Darauf haben Platz: eine großformatige<br />

Seite aus Zeichenkarton, die Tuscheflasche, verschiedene<br />

Pinsel und Federhalter ... samt einem kleinen<br />

Putztuch, um Pisel und Federn zu reinigen. Gisela konturiert<br />

die mit blauen Buntstift gefertigten Vorzeichnungen<br />

von Walter. Fachlich gesagt: Sie inkt Figuren und Hintergründe.<br />

Hinter ihr – mit dem Rücken zur Wand –<br />

ist Walter eingeklemmt. Das Zeichenbrett<br />

auf die beiden Knien gestützt. Er zischelt<br />

kroatische Sprüche, die wir nicht verstehen<br />

... und die ansonsten hier auch nicht niederzuschreiben<br />

sind ...<br />

Das Duo Gisela & Walter ist unter Druck.<br />

Das ist eigentlich Normalzustand, aber<br />

dieses Mal droht der Drucktermin der<br />

nächsten FF-Ausgabe – und ein Drucktermin<br />

ist beim besten Willen nicht zu ignorieren.<br />

Und der Grund für die Hyperaktivität?<br />

Wolfgang Alexander Albert Eduard Maximilian Reichsgraf<br />

Berghe von Trips war zwar bereits vor Jahren bei dem Formel<br />

1-Rennen zu Monza dramatisch zu Tode gekommen –<br />

aber Rolf Kauka will jetzt einen grandios gezeichneten<br />

Comic-Bericht darüber in Fix & Foxi abdrucken lassen.<br />

Sofort und nicht irgendwann!<br />

Spekulation: Kurze Zeit vorher startete in der Micky-Vision<br />

(Kauka-Konkurrenz) die französische Rennfahrer-Story Michael<br />

Voss. Sehr gut möglich also, dass Rolf Kauka mit einer<br />

Geschichte um den deutsche Formel-1-Pilot von Monza<br />

punkten will. Und für einen Schnellschuss ist Walter Neugebauer<br />

natürlich der Mann der Stunde: Der beste und stilsicherste<br />

Zeichner von München!<br />

Es gibt nur ein kleines Problem: Walter hat noch nicht einmal<br />

seinen Führerschein, geschweige denn sah er je Rennwagen<br />

aus der Nähe. Und Rolf Kauka kann Walter nur mit<br />

ein paar alten Zeitungen mit Berichten, Fotos ... und eine<br />

halbseitigen Synopsis als Dokumentation dienen. (Gab es<br />

tatsächlich je eine Zeit ohne Wikipdia?)<br />

Zu dieser fast deprimierenden Produktions-Situation sei vorausschauend<br />

angefügt: Walter ist auch nie diesen Riesentieren<br />

namens Pferden nahegekommen und meistert wenig<br />

später sein Winnetou-Album mir Bravour und Mustangs.<br />

Also: Bis auf das Quietschen der Sitzmöbel, dem Kratzen<br />

der Zeichenfeder auf dem Karton und Walters Flüster-Monologe<br />

herrscht in der Kammer der Soyerhofstraße sehr kreative<br />

Stille.<br />

Irgendwann schaut Rolf Kauka nach dem Rechte. (Heißt:<br />

Kontrolle, ob die Arbeit auch wirklich vertretbar in der Zeit<br />

liegt.) Er ist in Begleitung seiner zweiten Frau ‚Gi’ und die<br />

Neugebauer-Behausung ist mit vier Personen sofort überfüllt.<br />

Das registriert auch der hohe Besuch und verspricht –<br />

die Arbeitsmoral animierend – den<br />

baldigen Umzug in ein Reihenhaus nahe<br />

dem Verlag.<br />

Anmerkung des Autors: Rolf Kauka hält<br />

sein Versprechen und hat seinen Hauptzeichner<br />

ab sofort immer in allernächster<br />

Nähe.<br />

Alles andere ist bekannt. Das Monza-Rennen<br />

mit tödlichem Ausgang wurde in<br />

Fortsetzungen publiziert und ist hier im<br />

Buch in voller Länge nachzulesen.<br />

Peter Wiechmann<br />

Comic-Altmeister Peter Wiechmann<br />

zeichnete unter Rolf Kauka<br />

als Redaktions- & Produktions-<br />

Direktor für den kreativen Part<br />

des Verlags verantwortlich. Als<br />

Selbständiger versorgte er später<br />

25 Jahre lang europaweit Verlage<br />

mit Comics über sein Studio CO-<br />

MICON. (Barcelona)


Berghe von Trips - Entsetzen auch 50 Jahre danach …<br />

MONZA - Es gibt keine Spuren mehr in der Bremszone vor<br />

der Curva Parabolica – nichts, was an den Tod von <strong>16</strong> Menschen<br />

am 10. September 1961 in Monza erinnern könnte. Die<br />

Böschung, auf welcher der von Wolfgang Graf Berghe von<br />

Trips längst nicht mehr zu kontrollierende Ferrari 156 an diesem<br />

sonnigen Nachmittag aufgestiegen ist, existiert nicht<br />

mehr. Auch nicht der hüfthohe Zaun, hinter dem sich damals<br />

die Zuschauer des Großen Preises von Italien in Sicherheit<br />

wähnten, ehe die Front des roten Boliden mit der Startnummer<br />

4 Dutzende von ihnen verletzt oder tötet. Heute steht an<br />

dieser Stelle ein weltweit standardisiertes Absperrsystem:<br />

Eine mehrstöckige Stahlleitplanke, dahinter ein über fünf<br />

Meter hoher Fangzaun aus verstärktem Maschendraht, der<br />

die Parabolica-Tribünen abschirmt.Nach menschlichem Ermessen<br />

könnte sich die Katastrophe, die vor 50 Jahren viele<br />

Familien traumatisierte und den deutschen Motorsport in<br />

eine jahrzehntelange Depression abgleiten ließ, so nicht mehr<br />

ereignen. Weshalb an dieser Stelle der Strecke in der norditalienischen<br />

Stadt nicht einmal eine schlichte Gedenktafel an<br />

die Tragödie erinnert, bleibt indes ein Rätsel.<br />

Zyniker könnten einwenden, dass in den damaligen Zeiten<br />

die Produktion solcher Plaketten ein einträgliches Geschäft<br />

gewesen wäre. Denn der Tod war ein ständiger Begleiter in<br />

jener unseligen Ära des Motorsports, in der die Sicherheitsvorkehrungen,<br />

oder das, was man darunter verstand, mit der<br />

stürmischen Entwicklung der Technik nicht einmal ansatzweise<br />

Schritt zu halten vermochte. Aus heutiger Sicht lässt<br />

sich schwer urteilen, was mehr Abscheu und Entsetzen erregen<br />

muss – die damalige Geringschätzung des hohen Risikos<br />

im Automobil-Rennsport oder doch eher die unfassbare<br />

Selbstverständlichkeit, mit der tödliche Dramen übergangen<br />

und verdrängt wurden.<br />

Der Große Preis von Italien ging an diesem 10. September<br />

1961 einfach weiter, als um 15.13 Uhr die Armbanduhr des<br />

deutschen Formel-1-Idols auf Kerpen-Horrem stehen blieb.<br />

Und so peinigen diese unerträglichen Bilder bis zum heutigen<br />

Tag: Bilder von umherliegenden Opfern, darunter der erst<br />

sechs Jahre alte Roberto Brambilla aus Mailand. Szenen von<br />

der Trips-Bergung, ein erkennbar leblos von der Bahre baumelnder<br />

Arm. Filmsequenzen von Rennautos, die vorbeirasen<br />

am im Gras ausgestreckten Trips-Leichnam, die sich vorbeischlängeln<br />

an Wrackteilen, winkenden Streckenposten und<br />

am Streckenrand geparkten Ambulanzfahrzeugen. Rennautos,<br />

die weiter fahren bis zum Sieg des Trips-Rivalen Phil Hill,<br />

dessen WM-Titelgewinn mit einem Punkt Vorsprung vor<br />

dem toten Teamkollegen nach diesem fragwürdigen Triumph<br />

feststand.<br />

Immerhin lässt sich mit Hilfe der historischen Filmaufnahmen<br />

der Unfallhergang zweifelsfrei analysieren.<br />

Nach einem erfolgreichen Überholmanöver war Trips offensichtlich<br />

zu früh vor dem Engländer Jim Clark wieder auf die<br />

Ideallinie eingeschert. Das linke Hinterrad des Ferrari touchiert<br />

das rechte Vorderrad des Lotus Climax. Der heftige<br />

Schlag destabilisiert das Heck des Ferrari. Von da an ist Trips<br />

nur noch Passagier, ehe er aus dem Cockpit geschleudert wird.<br />

Der italienische Formel-1-Pilot Romolo Tavoni berichtet nach<br />

einem Besuch im Krankenhaus von Monza, er habe an dem<br />

nackten Leichnam des Grafen „keinen Kratzer“ erkennen<br />

können, nur einen Bluterguss im Genick in Höhe des dritten<br />

Wirbels. „Er sah ruhig und gelassen aus, es war, als ob er lächelte“,<br />

sagte Tavoni viele Jahre später in einem Fernsehinterview.<br />

Das Lächeln war das wohl sympathischste äußerliche Markenzeichen<br />

jenes jungen Mannes, der 43 Jahre vor Michael<br />

Schumacher Deutschlands erster Formel-1-Weltmeister hätte<br />

werden können und die Öffentlichkeit im Wirtschaftswunderland<br />

entsprechend elektrisierte. Die Trips-Vita schien wie<br />

geschaffen für die Aura des jugendlichen Helden: In jungen<br />

Jahren von Kinderlähmung genesen, von altem Adelsgeschlecht,<br />

bodenständig, von rheinischem Gemüt geprägt und<br />

offenkundig erfolgreich zu ritterlich wirkendem Sportsgeist<br />

erzogen. Motorsporttalent verrät der junge Graf auf jeglichem<br />

Gefährt. Die ersten Autorennen fährt er unter dem Pseudonym<br />

Axel Linther, weil die Eltern von seinem gefährlichen<br />

Hobby nichts erfahren sollen. Natürlich lässt sich das Aufsehen,<br />

das er erregt, nicht lange geheim halten. Trips macht<br />

schnell Karriere, fährt für Porsche und Mercedes, ehe er als<br />

erster Deutscher einen Vertrag als Ferrari-Werkfahrer erhält.<br />

Auf scheinbar natürliche Weise versteht es Trips, die Herzen<br />

im Sturm zu nehmen, 1957 überlässt er seinem Ferrari-Teamkollegen<br />

Pierro Taruffi den Sieg bei der legendären Mille Miglia.<br />

Mühelos hätte er den am Getriebe lädierten Ferrari<br />

Taruffis überholen können – aber es war das <strong>letzte</strong> Rennen<br />

des Italieners, und der junge Deutsche hat ein untrügliches<br />

Gespür für Fairness und Menschlichkeit – und darüber hinaus<br />

die Fähigkeit, sich mit der latenten Gefahr zu arrangieren.<br />

Seine Sekretärin Elfriede Flosdorf beruhigt er vor dem Start<br />

des Rennens in Monza mit den Worten: „Mir kann nichts<br />

passieren, ich habe das Auto ja getestet.“ Überliefert ist auch<br />

ein Zitat, das sich vor 50 Jahren auf tragische Weise erfüllt<br />

hat: „Sollte ich in einen Unfall verwickelt werden, bei dem<br />

Zuschauer sterben, dann möchte ich lieber auch tot sein.“ Am<br />

10. September 1961 ist das große Herz des Grafen stehengeblieben.<br />

Trips wurde nur 33 Jahre alt.<br />

Olaf Bachmann, September 2011


©picture-alliance / ASA / LAT Photographic<br />

Im Frühjahr 1965 wurde das tragische Rennen<br />

um den „Großen Preis von Italien” in Monza<br />

als Zeichentrickserie in fünf Ausgaben der<br />

„Fix & Foxi-<strong>Heft</strong>e” durch den Zeichner<br />

Walter Neugebauer aufgearbeitet.<br />

Jetzt liegen diese zehn <strong>Seiten</strong><br />

in einer restaurierten Fassung erstmalig wieder vor.<br />

Ergänzend dazu Begleitworte von Peter Wiechmann<br />

(ehemals Chefredakteur beim Kauka-Verlag)<br />

und Olaf Bachmann (Sportjournalist).<br />

ISBN 978-3-00-059186-0<br />

9 783000 591860<br />

5,- EUR

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