Wildpark-West Herbst 2018
Heimatzeitschrift von Bürgern für Bürger in Wildpark-West und Umgebung gemacht.
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„Clara! Auf der Welle lang, den Ellebogen mit hoch nehmen, schöööön weit<br />
vorn Wasser fassen!“ Konzentriert steuert Katrin Wagner-Augustin das kleine<br />
Motorboot neben der Juniorengruppe und gibt per Megaphon ihre Anweisung.<br />
Ein kleines Paradies<br />
VON CARSTEN SICORA<br />
Sie hat alles im Blick und verfolgt<br />
jede Bewegung ihrer<br />
Schützlinge mit der Stoppuhr<br />
in der Hand. Kein Fehler entgeht<br />
ihr.<br />
Die Sonne meint es auch heute<br />
morgen wieder viel zu gut mit den<br />
Sportlern, das bisschen Wind haben<br />
die jungen Olympiahoffnungen nun<br />
im Rücken. „Maurice, 38, gut so!“<br />
Die Jungs in den Einer-Canadiers,<br />
mit breiten Schultern und kräftigen<br />
Oberarmen wahrhafte Modellathleten,<br />
sowie das blonde sympathische<br />
Mädchen im Kajak nehmen den letzten<br />
Kilometer ihrer morgendlichen<br />
Trainingsrunde in Angriff, als es geschieht:<br />
„Fabien! Ruhiger werden!<br />
Halt das Boot stabil!“ Doch der 18jährige,<br />
gerade von der Junioren-Weltmeisterschaft<br />
im rumänischen Pitesti<br />
mit zwei Bronzemedaillen im Gepäck<br />
zurückgekehrt und eher auf der<br />
Sprintstrecke zuhause sowie sein ein<br />
Jahr jüngerer Trainingskamerad Maurice,<br />
der sich wohl noch etwas quälen<br />
muss, um bei der im nächsten Jahr<br />
stattfindenden Europameisterschaft<br />
dabei sein zu dürfen, haben keine<br />
Chance. Die Bugwelle des am Anleger<br />
des Kongresshotels rücksichtslos<br />
ablegenden Wassertaxis trifft die<br />
dicht versetzt fahrenden Boote auf<br />
ihrer Steuerbordseite. Keine Chance<br />
mehr zu reagieren, die Paddel berühren<br />
sich und die beiden Jungs gehen<br />
kopfüber baden. Rettung von Schiffbrüchigen<br />
ist im Taxifahrplan nicht<br />
vorgesehen, doch Katrin Wagner-Augustin,<br />
hat die Situation schon vorausgesehen.<br />
In wenigen Sekunden<br />
bringt der 20 PS starke Außenborder<br />
das Boot der Trainerin zur „Unglücksstelle“.<br />
Ironie oder Zufall, dass am<br />
Heck die blau gelb gestreifte Signalflagge<br />
„Golf“ weht? „Keine Sorge! Die<br />
Jungs schwimmen wie die Fische und<br />
es passiert gar nicht so selten, dass<br />
sie in der Havel landen. In diesem<br />
Sommer ist das Wasser ja wirklich<br />
schön warm. Im Winter bei -8°C sieht<br />
das schon anders aus. Ohne Neopren<br />
heißt es da schnell wieder aus dem<br />
Wasser kommen.“<br />
„Besonders den<br />
neuen Häuslebauern<br />
muss man - bevor<br />
gebaut wird! - sagen,<br />
wie wichtig die<br />
Bäume, wie wichtig<br />
eine intakte Natur<br />
für uns alle ist.“<br />
Katrin Wagner-Augustin<br />
Wunderschöne Natur und Tierwelt<br />
Die junge Frau mit der Sonnenbrille<br />
weiß, wovon sie spricht. In<br />
Kanukreisen ist die vierfache Olympiasiegerin<br />
und zehnfache Weltmeisterin<br />
eine Legende. Seit 2004<br />
lebt sie zusammen mit ihrer Familie<br />
in <strong>Wildpark</strong>-<strong>West</strong>. „Für mich stand<br />
schon immer fest, dass dies mal mein<br />
Zuhause wird, zumal auch meine<br />
Schwester eine Zeitlang dort wohnte.<br />
Vom Wasser aus hat mich die Gegend<br />
eh fasziniert, da ich oft auf der<br />
Regattastrecke vor Werder gefahren<br />
bin. Das kannte ich alles schon. Die<br />
wunderschöne Natur und die Tierwelt,<br />
versteckt im Schilf am Ufer, hat<br />
es mir schon früher angetan. Fast alle<br />
Kanuten lieben die Natur.“<br />
Ihr Vater war Ozier, die Familie<br />
lebte in Potsdam in der Geschwister-Scholl-Straße.<br />
Oft ist sie zusammen<br />
mit ihren älteren Geschwistern<br />
und den Eltern mit den Rädern durch<br />
den <strong>Wildpark</strong> in die Waldsiedlung<br />
gefahren. Entgegen ihrem sonstigen<br />
Naturell, das eher von einer gewissen<br />
preußischen Ungezwungenheit<br />
dominiert wird, gerät sie regelrecht<br />
ins Schwärmen: „Es ist wie ein kleines<br />
Paradies und ich hoffe sehr, dass es<br />
dies auch noch lange bleibt! Ich finde<br />
es ganz gut, dass sich so viele Bürger<br />
hier im Ort für die Waldsiedlung<br />
einsetzen. Die Sache mit den vielen<br />
gefällten Bäumen hat auch mich sehr<br />
nachdenklich gemacht und mit dem<br />
Wissen von heute sehe ich vieles mit<br />
anderen Augen. Besonders den neuen<br />
Häuslebauern muss man - bevor<br />
gebaut wird! - sagen, wie wichtig die<br />
Bäume, wie wichtig eine intakte Natur<br />
für uns alle ist.“<br />
Zusammen mit ihrer Familie und<br />
den zwei Katzen lebt sie nun unter<br />
den alten Kiefern unweit der Havel<br />
und fühlt sich rundherum wohl. Auch<br />
ihre Eltern wohnen am Siedlungsrand.<br />
„Lars, meinen Ehemann, lernte<br />
ich 1998 im Olympiastützpunkt am<br />
Luftschiffhafen kennen“, erinnert<br />
sich die Sportsoldatin. „Es war wohl<br />
eher Sympathie auf den zweiten Blick.<br />
Erst flogen sportlich die Fetzen – die<br />
Liebe kam später. Er war gerade als<br />
frischgebackener Juniorenweltmeister<br />
zu uns gestoßen, doch konnte er<br />
mich mit solch einem Titel natürlich<br />
kaum beeindrucken. Die hier trainierten,<br />
waren alle gut drauf“, verrät sie<br />
lachend. „Die Olympischen Spiele in<br />
Atlanta 1996 hatte ich als 19jährige<br />
verpasst, war nur im Anschlusskader<br />
und bereitete mich schon auf Sydney<br />
2000 vor. Zu diesem Zeitpunkt hatte<br />
Lars bereits das Paddel aus der Hand<br />
gelegt und ein Studium als Betriebswirt<br />
in Angriff genommen. Um gute<br />
Leistungen als Sportler abliefern zu<br />
können und um vielleicht später ein-<br />
Foto: Lars Augustin<br />
20 PORTRÄT WILDPARK WEST HERBST <strong>2018</strong>