«Ich kann mir
das leisten»
Professor Konrad Steffen forscht seit vierzig Jahren
über den Klimawandel. Was er sagt, wird weltweit
anerkannt. Und er nimmt kein Blatt vor den Mund.
Interview: Christian Hug
Bilder: WSL, Michael Wenger
Ohne Feldforschung seien
Wissenschaftler bloss Theoretiker,
sagt Konrad Steffen. Er geht bis
heute regelmässig aufs Eis.
Als Klimatologe haben Sie 40 Jahre
Erfahrung in Sachen Klimawandel. Macht
Sie das zu einem Crack unter den
Klimaforschern?
Das zu beurteilen überlasse ich anderen. Ich
studierte an der ETH Zürich Elektroingenieur,
wechselte dann zu den Naturwissenschaften
und kam in die Klimagruppe beziehungsweise
zu den Gletschern, weil Eis relativ schnell auf
Klima-Änderungen reagiert.
...und haben mit zum Teil selber
entwickelten Geräten Messungen
vorgenommen.
Mit meinem damaligen Professor Fritz Müller
ging ich auf die Station Expedition Fjord auf
Axel Heiberg, der nördlichsten Insel des kanadischen
Archipels, diese Station existierte bereits
seit 1959. Ich habe dann gemeinsam mit
einem Assistenten zwei Winter lang auf dem
Meereis überwintert und Messungen an einer
Polynya vorgenommen.
Polynyas sind eisfreie Flächen inmitten
des arktischen Meereises.
Genau. Wir untersuchten, wie und unter welchen
Umständen sich Eis bildet und wie es sich
verändert. Somit haben wir in den 1970er-Jahren
schon genau das getan, was heute für die
Klimawandel-Forschung zentral ist, nämlich
Veränderungen im Eis beobachten. Damals
werteten wir zehn Meter lange Papierstreifen
von den Schreibern der Messgeräte aus, die ich
als einer der ersten Forscher in einen Datenlogger
übertrug. Die Daten von damals sind heute
wichtige Vergleichswerte. Nebenbei erwähnt:
In den 1970ern ist es in der kanadischen Arktis
über die Jahre kälter geworden.
Bis heute gehen Sie regelmässig in die
Arktis oder in die Antarktis.
Jede Saison, mit meinen Doktoranden. Es gibt
viele Theoretiker, die sind grossartig darin,
elektromagnetische Wellen von Satelliten auszumessen.
Aber die waren noch nie auf dem
Eis. Das ist ein Fehler, denn man muss sehen,
worüber man forscht.
Und Sie sehen viel, weil Sie eben auch
viel Erfahrung haben.
Ich sehe die Auswirkungen des Klimawandels
sogar von blossem Auge.
Können Sie ein Beispiel nennen?
Grönland. Früher war da ein kompakter, fester
Eispanzer. Wir konnten von der Schweizer Polarstation
Swiss Camp mit Skidoos direkt bis
zur Eiskante runterfahren. Heute herrscht an
der Küste ein einziges Chaos. Als hätte jemand
mit einem riesigen Hammer einfach das Eis
zertrümmert. Das ist natürlich sehr trügerisch:
Wenn ein Forscher oder ein Tourist heute zum
ersten Mal dorthin kommt und all das zertrümmerte
Eis sieht, nimmt er an, dass das schon
immer so war. Ist es aber nicht.
Gab es einen Moment, in dem Sie eine
Veränderung sahen und dachten:
PolarNEWS 27