Bild und Grafiken: AWI
wesen. Jedoch waren die wissenschaftlichen
Messungen zu dieser Zeit noch sehr begrenzt;
das Instrumentarium bestand im
Wesentlichen aus einem Thermometer und
ein paar weiteren einfachen Messgeräten –
grossartig für seine Zeit, aber nichts im Vergleich
zu den detaillierten Beobachtungen
von Klimaprozessen, wie wir sie brauchen
und wie wir sie auch aus anderen Teilen der
Welt haben. Wir wiederholen diese Expedition
jetzt zum ersten Mal mit einem grossen
und gut ausgerüsteten Forschungsschiff. Inmitten
der zentralen Arktis arbeiten wir
dann mit den besten Messinstrumenten, die
die Welt heute zu bieten hat. So können wir
die Umweltprozesse in dieser abgelegenen
Region zum ersten Mal im Detail erforschen.
Sicher ist schon jetzt, dass wir höhere
Temperaturen und weniger Eis als Nansen
messen werden.
Wie muss man sich den Ablauf der
Expedition vorstellen?
Es gibt in der zentralen Arktis nur den Ozean,
der von einer Eisschicht überzogen ist.
Die Naturgewalt dieser Eisschicht bestimmt
den Ablauf unserer Expedition. Wir
starten im September 2019 und fahren mit
dem Eisbrecher «Polarstern» in das zu dieser
Jahreszeit dünne sibirische Meereis.
Dort suchen wir eine stabile Scholle, an der
wir das Schiff festmachen können und mit
der wir dann fest eingefroren in das während
des Winters immer dicker werdende
Eis durch die zentrale Arktis driften. Ein
Jahr später werden wir auf diesem Weg die
Framstrasse zwischen Grönland und Spitzbergen
erreichen. Wir werden innerhalb des
Jahres in sechs Fahrtabschnitten mit insgesamt
600 Menschen in der zentralen Arktis
präsent sein.
Das hört sich nach einem sehr grossen
logistischen Aufwand an.
Für die logistische Unterstützung der Expedition
sind zusätzlich zur «Polarstern» vier
weitere Eisbrecher notwendig. Ausserdem
kommen mindestens drei Forschungsflugzeuge
zum Einsatz, von denen einige auf einer
Eislandebahn neben der «Polarstern»
landen und betankt werden. Diese «Tankstelle
beim Nordpol» erlaubt es den Flugzeugen,
erstmals längere Zeit in der Zentralarktis zu
messen. Ausserdem richten wir Treibstoffdepots
auf den Inseln vor der sibirischen
Küste ein, um von dort aus die «Polarstern»
mit Helikoptern erreichen zu können und
Menschen evakuieren zu können – ein Notfallplan
für medizinische Notfälle an Bord.
Um das Schiff herum bauen wir ein ganzes
Netzwerk von Stationen auf dem Eis auf.
Einige dieser Stationen besuchen wir regelmässig
mit Helikoptern von der «Polarstern»
aus, in einem Umkreis von bis zu fünfzig
Kilometern vom Schiff. Das sind logistische
Operationen, die es in diesem Teil der Erde
noch nie gegeben hat.
Warum kam seit Nansen niemand mehr
auf die Idee einer Transpolardrift?
Seit Nansen wagte sich kaum jemand im
Winter in die zentrale Arktis und in die
Transpolardrift. Es gab nur einige russische
Driftcamps mit einfachen Hütten auf Eisschollen
und das kleine in das Eis eingeschlossene
Segelschiff «Tara», das gehört
einer privaten Organisation. Die wissenschaftlichen
Möglichkeiten auf diesen Plattformen
waren aber begrenzt. Die MOSAiC-
Expedition bringt zum ersten Mal überhaupt
einen modernen Forschungseisbrecher mit
PolarNEWS 63