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seventeen goals Magazin

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Eine Sonderbeilage von Projekt 17<br />

in Kooperation mit dem Zeitverlag<br />

Großdenker<br />

Zwei, die<br />

keine Grenzen<br />

akzeptieren<br />

Smogsauger<br />

Wie schmutzige<br />

Luft zu<br />

Schmuck wird<br />

Nr.<br />

01<br />

<strong>seventeen</strong><br />

<strong>goals</strong><br />

Wie Menschen die Welt bewegen<br />

Bildgewalt<br />

Die Epik<br />

des Benjamin<br />

Von Wong


Supermärkte können Kohlekraftwerke ersetzen<br />

Smarte Supermärkte haben das Potenzial, zu aktiven Playern der Energiewende zu werden.<br />

Der Hintergrund: Die Frischhaltung von Lebensmitteln erfordert einen enormen Energiebedarf.<br />

Rund 2 Prozent des Stroms in Europa werden allein durch Supermärkte verbraucht.<br />

Mit heute verfügbaren Technologien kann der Supermarkt vom Energiefresser zum smarten<br />

Energieerzeuger werden. Sowohl die Kühlungsabwärme als auch die ungenutzte Energie der<br />

Kälteanlagen lassen sich flexibel als Stromreserve nutzen. In Spitzenlastzeiten, insbesondere, wenn<br />

die Sonne nicht scheint oder der Wind nicht bläst, steht so Energie für den Eigenverbrauch – und<br />

fürs öffentliche Netz – bereit. Wären alle Supermärkte Europas mit smarten Technologien<br />

ausgestattet und ans Stromnetz angebunden, könnten sie 10 Kohlekraftwerke ersetzen.<br />

Der Supermarkt aktiv & irma in Oldenburg nutzt dieses Potenzial bereits. Mit Technologien, die<br />

energieeffizient und umweltfreundlich sind und zugleich für maximale Lebensmittelsicherheit<br />

sorgen. Dank energieoptimierter Kühlung, Solarenergie und Aufladestationen für<br />

Elektrofahrzeuge können Supermärkte schon heute viele der nachhaltigen Entwicklungsziele der<br />

Vereinten Nationen verwirklichen.<br />

Erfahren Sie mehr unter:<br />

buildings.danfoss.com


Editorial<br />

Liebe Leserin, lieber Leser,<br />

es war ein historischer Moment, als sich im September 2015<br />

die internationale Staatengemeinschaft auf die Verbesserung<br />

und Heilung unserer Erde einigte: mit 17 Zielen für<br />

nachhaltige Entwicklung.<br />

In einer Zeit, die eher von Streit, Misstrauen und neuem<br />

Nationalismus geprägt ist, haben sich alle 193 Länder der<br />

Vereinten Nationen diesem ehrgeizigsten Plan der Menschheit<br />

verschrieben und gehen die großen Herausforderungen<br />

gemeinsam an. Was für eine Nachricht!<br />

Seit wir davon erfuhren, haben uns die international<br />

als Sustainable Development Goals (SDGs) bezeichneten Ziele<br />

begeistert. Mit geschärfter Wahrnehmung stellten wir fest:<br />

Es passiert bereits unglaublich viel in Deutschland und rund<br />

um den Globus. Was uns aber auch auffiel: Obwohl die<br />

Nachhaltigkeitsziele die besten Nachrichten der Welt sind,<br />

wissen nur wenige Menschen davon. Das wollten wir ändern.<br />

Die Idee für dieses <strong>Magazin</strong> war geboren.<br />

Wem immer wir in der Folge von unserer Idee erzählten –<br />

sie stieß auf Begeisterung. Kein Wunder, denn die<br />

Nachhaltigkeitsbewegung in Deutschland und weltweit ist<br />

stärker als je zuvor. Überall sind Menschen mit tollen<br />

Ideen, viel Engagement und der festen Absicht am Werk, schon<br />

heute die Welt zum Positiven zu verändern. Der amerikanische<br />

Autor Paul Hawken hat für diese Entwicklung ein ganz<br />

wunderbares Bild gefunden: Er bezeichnet alle, die sich für<br />

eine gerechtere, fairere, gesündere Welt einsetzen, als das<br />

Immunsystem der Erde. Und darum geht es in diesem <strong>Magazin</strong>:<br />

um positive Geschichten, die vom Wandel erzählen<br />

und zum Handeln motivieren. Es sind Geschichten, die zeigen,<br />

dass es nicht nur auf Organisationen, Unternehmen und die<br />

Politik ankommt, sondern dass jeder Einzelne von uns zum<br />

„Die-Welt-geht-den-Bach-runter“-Antikörper werden kann.<br />

Ideen und Anregungen gibt es in dieser ersten Ausgabe von<br />

<strong>seventeen</strong> <strong>goals</strong> jede Menge. Lassen Sie sich inspirieren. Ihre …<br />

Iris Rodriguez,<br />

Chefredakteurin<br />

Partnerschaften zur Erreichung der Ziele<br />

Keine Armut<br />

Frieden, Gerechtigkeit und starke Institutionen<br />

Leben an Land<br />

Leben unter Wasser<br />

Maßnahmen zum Klimaschutz<br />

Nachhaltige/r Konsum und Produktion<br />

14<br />

13<br />

12<br />

Nachhaltige Städte und Gemeinden<br />

15<br />

11<br />

16<br />

Weniger Ungleichheiten<br />

10<br />

17<br />

9<br />

1<br />

8<br />

2<br />

<strong>seventeen</strong><br />

<strong>goals</strong><br />

Wie Menschen<br />

die Welt bewegen<br />

7<br />

3<br />

Industrie, Innovation und Infrastruktur<br />

Kein Hunger<br />

4<br />

6<br />

Gesundheit und Wohlergehen<br />

5<br />

Hochwertige Bildung<br />

Geschlechtergleichheit<br />

Sauberes Wasser und Sanitäreinrichtungen<br />

Bezahlbare und saubere Energie<br />

Menschenwürdige Arbeit und Wirtschaftswachstum<br />

Bild: © Gregor Hohenberg<br />

WIE MENSCHEN DIE WELT BEWEGEN<br />

03


18<br />

Immer mehr junge<br />

Designer wie Natascha<br />

von Hirschhausen<br />

bieten der Modeindustrie<br />

die Stirn<br />

30<br />

Der Daniel Düsentrieb<br />

des nachhaltigen Designs:<br />

Daan Roosegaarde<br />

06<br />

Begegnet den<br />

Problemen der Welt<br />

mit Kreativität:<br />

Benjamin Von Wong<br />

Inhalt<br />

20<br />

Der Einsatz für eine bessere<br />

Welt eint die Generationen,<br />

wie Gro Harlem Brundtland<br />

und Felix Finkbeiner zeigen<br />

03 Editorial<br />

Die 17 Nachhaltigkeitsziele<br />

05 SOS KINDERDORF baut bei der Umsetzung<br />

der Ziele auf Unternehmenspartner<br />

06 BENJAMIN VON WONG möchte mit seinen Fotos<br />

Veränderung bewirken<br />

11 Schauspielerin Gesine Cukrowski unterstützt<br />

die WELTHUNGERHILFE<br />

12 Wirkungsvolles auf den Punkt gebracht<br />

13 ENGAGEMENT GLOBAL macht die Nachhaltigkeitsziele<br />

für die Menschen erlebbar<br />

17 Initiativen für die Nachhaltigkeit:<br />

Die BÜRGERSTIFTUNG MÜNCHEN verfolgt die 17 Ziele<br />

18 Bei NATASCHA VON HIRSCHHAUSEN dreht<br />

sich alles um ethische Mode<br />

20 Zwei Kämpfer für die Nachhaltigkeit –<br />

GRO HARLEM BRUNDTLAND und FELIX FINKBEINER<br />

25 ÄRZTE OHNE GRENZEN sind für werdende<br />

Mütter im Einsatz<br />

26 Fünf Tipps, wie jeder zu ZIEL 12 beitragen kann<br />

27 Wie der WWF gegen die Klimakrise kämpft<br />

30 DAAN ROOSEGAARDE hat viele<br />

Ideen, die Metropolen lebenswerter machen<br />

33 Das Unternehmen Keen übernimmt<br />

gerne Verantwortung<br />

34 PLACES OF CHANGE – hier ist der Wandel<br />

04 <strong>seventeen</strong> <strong>goals</strong><br />

Bild 1: © Sandra Smiley/MSF Bild 2: © MSF


Ein Beitrag von SOS-Kinderdorf<br />

VON GROSSEN<br />

ZIELEN<br />

UND<br />

KONKRETEN<br />

TATEN<br />

Bild 1: © SOS-Kinderdorf e.V.<br />

„Lasse niemanden zurück!“ Auf diesem Grundsatz beruhen die<br />

Sustainable Development Goals (SDGs) der Vereinten Nationen.<br />

SOS-Kinderdorf setzt sich vehement für diese Ziele ein<br />

und baut dabei auf das Engagement verantwortungsbewusster<br />

Unternehmenspartner<br />

Über eine nachhaltige globale Entwicklung zu<br />

sprechen und sie umzusetzen ist eine absolute<br />

Notwendigkeit. Das gilt für Unternehmen vom<br />

mittelständischen Betrieb bis zum Großkonzern im doppelten<br />

Sinne: Schließlich tragen sie nicht nur eine besondere Verantwortung<br />

für die Gesellschaft, sondern handeln auch in<br />

ihrem eigenen Interesse, wenn sie sich sozial engagieren.<br />

Fachkräftenachwuchs, gesteigerte Reputation, neue Kundenkreise<br />

– wem der langfristige wirtschaftliche Erfolg seines<br />

Unternehmens am Herzen liegt, dem kann ein gelingendes<br />

Gemeinwesen nicht gleichgültig sein.<br />

17 Ziele für eine bessere Zukunft Genau hier setzen die<br />

SDGs an: Von allen UN-Mitgliedsstaaten unterzeichnet, sollen<br />

die insgesamt 17 Ziele bis zum Jahr 2030 wirtschaftlichen<br />

Fortschritt und soziale Gerechtigkeit weltweit in Einklang<br />

bringen. Damit hierbei auch die Belange von Kindern und<br />

jungen Menschen Berücksichtigung finden, hat sich SOS-<br />

Kinderdorf aktiv in die Formulierung der SDGs eingebracht.<br />

Im Fokus der Organisation stehen vor allem die SDGs 1, 4, 8,<br />

10 und 16. In ihnen werden die beteiligten Staaten dazu aufgefordert,<br />

Armut in jeder Form zu beenden, den Zugang<br />

zu hochwertiger Bildung zu verbessern, menschenwürdige<br />

Arbeit zu fördern, Ungleichheit abzubauen und sich für eine<br />

inklusive Gesellschaft einzusetzen. Gerade der Bildung (SDG 4)<br />

kommt eine Schlüsselrolle zu, denn sie ermöglicht es, aus der<br />

Spirale von Armut, Ausgrenzung, Gewalt und dem Zerfall<br />

von familiären Strukturen auszubrechen.<br />

Gemeinsam sind wir stark! Die Erfahrungen zeigen jedoch,<br />

dass politische Maßnahmen allein nicht genügen. SOS-Kinderdorf<br />

sorgt dafür, dass diesen wichtigen Zielen auch konkrete<br />

Taten folgen. Mit Ihrem Unternehmen sind auch Sie bedeutender<br />

Akteur bei der Umsetzung dieser Entwicklungsziele.<br />

Sie prägen durch Ihr wirtschaftliches Handeln und den Einsatz<br />

ihrer Mittel die Bedingungen im Land. Helfen Sie uns als Partner<br />

von SOS-Kinderdorf, Kindern die Chance auf eine bessere<br />

Zukunft zu schenken!<br />

Sie möchten sich mit Ihrem Unternehmen<br />

für benachteiligte Kinder einsetzen?<br />

Sprechen wir gemeinsam darüber! Das Team<br />

Unternehmenskooperationen freut sich<br />

auf Ihre Kontaktaufnahme.<br />

SOS-Kinderdorf e.V.,Unternehmenskooperationen,<br />

Telefon: 089 12606-299,<br />

unternehmen-helfen@sos-kinderdorf.de,<br />

www.sos-kinderdorf.de/unternehmen<br />

WIE MENSCHEN DIE WELT BEWEGEN<br />

05


Changemaker<br />

Die Bildgewalt des<br />

Herrn Von Wong<br />

Mit aufwendig inszenierten, epischen Bildern macht der<br />

Fotograf Benjamin Von Wong auf Probleme dieser Welt aufmerksam<br />

und erreicht damit Millionen Menschent<br />

Text IRIS RODRIGUEZ<br />

06 I7 GOALS


Der Wirbelsturm ist echt, die große<br />

Gleichgültigkeit inszeniert.<br />

Von Wongs Hingucker zum Thema<br />

Klimawandel ist eines der Motive<br />

für den Dokumentarfilm „Cowspiracy“,<br />

der die Auswirkung des globalen<br />

Fleischkonsums auf das Klima aufzeigt<br />

WIE MENSCHEN DIE WELT BEWEGEN<br />

07


Changemaker<br />

E<br />

r jagt Tornados, um mit der herannahenden Katastrophe<br />

auf den Klimawandel aufmerksam zu machen.<br />

Er lässt Meerjungfrauen inmitten von 10.000<br />

Plastikflaschen schwimmen und inszeniert den Wahnsinn der<br />

Meeresverschmutzung. Ein Heer freiwilliger Helferinnen und<br />

Helfer baut mit ihm postapokalyptische Bilder aus Elektroschrott<br />

und mahnt so das Thema Recycling an. Dem kanadischen Fotografen<br />

Benjamin Von Wong ist keine Idee zu verrückt und kein<br />

Aufwand zu groß für seine Fotos. Mit ihrer großen erzählerischen<br />

Kraft verbreiten sich Von Wongs Bilder im Internet und<br />

schaffen Aufmerksamkeit für Themen, die uns alle angehen:<br />

Klimawandel, Umweltverschmutzung, Ressourcenausbeutung,<br />

Menschenrechte, Schutz von Flora und Fauna.<br />

Für eine ganz neue Perspektive auf<br />

Ressourcenverschwendung sortierten<br />

50 Helfer zehn Tage lang 1.900<br />

Kilogramm Elektroschrott wie<br />

Laptops, Tastaturen und Platinen.<br />

Viele dieser Teile enthalten wertvolle<br />

Ressourcen wie Metall, und Gold<br />

In einer Zeit, in der so viele Bilder wie nie zuvor geschossen<br />

und konsumiert werden, wo allein auf Instagram täglich 80 Millionen<br />

neue Bilder hinzukommen, versteht Von Wong es, gesehen<br />

zu werden. Er beherrscht die Kamera ebenso wie die Regeln der<br />

Viralität. Das Internet ist seine Spielwiese. Er hat über 300.000<br />

Abonnenten bei Facebook, ihm folgen über 120.000 Menschen<br />

bei Instagram und Twitter, die Videos seiner Making-ofs werden<br />

hunterttausendfach bei YouTube angesehen. Seine Botschaften<br />

werden gesehen, gemocht, geteilt.<br />

Für den 32-Jährigen ist seine Fotografie eine Kunstform, die<br />

aus dem, was vorhanden ist, etwas Neues schafft. Trockene, sperrige<br />

Themen verwandelt er in spannende Bilder, die bekannten<br />

Sachverhalten neue Perspektiven abgewinnen. Dabei ist er eher<br />

zufällig zur Fotografie gekommen: Als Ingenieur arbeitete er<br />

zunächst in einer Goldmine in Nevada, war fasziniert von der<br />

Weite des Sternenhimmels über der Wüste und kaufte sich eine<br />

Kamera. Kurze Zeit später kündigte er beim Minenbetreiber<br />

und folgte seiner Leidenschaft. Und irgendwann wollte der in<br />

San Francisco lebende Fotograf mehr machen als schöne Fotos.<br />

„Sozialer und gesellschaftlicher Impact ist der einzige Grund, warum<br />

ich tue, was ich tue“, erklärt Von Wong. Ihm gehe es darum,<br />

möglichst viele Menschen zu berühren. Die Sichtbarkeit seiner<br />

08 <strong>seventeen</strong> <strong>goals</strong>


Benjamin Von Wong<br />

ist keine Idee<br />

zu verrückt und kein<br />

Aufwand zu groß<br />

Werke nutzt er, um Veränderungen anzuschieben. „Meine Arbeit<br />

soll sich positiv auswirken auf die Erde, ich möchte die wirklich<br />

wichtigen Geschichten erzählen und damit Teil der Lösung sein.“<br />

Bei seinen großen Produktionen gelingt es dem Kreativen mit<br />

chinesisch-malaysischen Wurzeln immer wieder, Fremde und<br />

Freunde mitzureißen. Dann wird er zu einer Art Cheerleader,<br />

inspiriert, animiert, begeistert und gibt allen Beteiligten das<br />

Gefühl, Teil von etwas Großem zu sein, von etwas, das eine<br />

WIE MENSCHEN DIE WELT BEWEGEN<br />

09


Changemaker<br />

„Wenn die großen<br />

Konzerne ihr Businessmodell<br />

umstellen,<br />

dann können wir<br />

gemeinsam die Kultur<br />

verändern“<br />

Veränderung bewirken kann. „Ich möchte, dass wir alle groß<br />

träumen und dass mein Team und ich gemeinsam etwas tun,<br />

was vorher noch keiner getan hat.“ Einige seiner Helfer – viele<br />

von ihnen über Von Wongs soziale Netzwerke rekrutiert – haben<br />

schon lange Reisen auf sich genommen, um dabei zu sein, wenn<br />

tagelang komplexe und technisch anspruchsvolle Sets aufgebaut<br />

werden. In solchen Momenten kommt in Benjamin Von Wong der<br />

Ingenieur hervor, dann wird der Fotograf zum Visual Engineer,<br />

springt zwischen den Aufbauten hin und her, sprüht vor Energie,<br />

scherzt mit Teammitgliedern, macht Licht- und Kameratests. Und<br />

es wird nie so ganz klar: Was ist Improvisation und was hat er<br />

tatsächlich von Anfang an im Kopf gehabt?<br />

Obwohl er mit vielen seiner Fotos Menschen als Verbraucher<br />

anspricht und sie aufruft, ihr Konsumverhalten zu überdenken,<br />

sieht der Fotograf die Verantwortung für unsere Welt nicht nur<br />

beim Einzelnen. Er möchte vor allem auch den global handelnden<br />

Unternehmen aufzeigen, dass es in ihrem besten Interesse ist,<br />

nachhaltiger zu agieren. „Wenn die großen Konzerne<br />

anfangen, ihr Businessmodell hin zu mehr sozialem<br />

Impact umzustellen, und damit sogar noch zusätzliche<br />

Umsätze machen, dann können wir<br />

gemeinsam die Kultur verändern“, so hofft<br />

Benjamin Von Wong. Dafür möchte er Impulse<br />

geben. „Ich weiß nicht, ob es<br />

klappt, aber ich muss es tun.“<br />

www.vonwong.com<br />

Für sein Projekt „Mermaids hate plastic“<br />

hat der Fotograf eine Petition<br />

gestartet, in der jeder Unterzeichner<br />

verspricht, sich gegen Meeresverschmutzung<br />

zu engagieren. Denn, so<br />

Von Wong: „Jeder Einzelne kann etwas tun“


Ein Beitrag der Welthungerhilfe<br />

„FRAUEN<br />

STÄRKEN HEISST<br />

DEN HUNGER<br />

BESIEGEN.“<br />

Gesine Cukrowski ist eine Frau, die begeistert.<br />

Sie ist Mutter, Schauspielerin und<br />

Aktivistin und unterstützt tatkräftig das große<br />

Nachhaltigkeitsziel „Zero Hunger“,<br />

gemeinsam mit der Welthungerhilfe.<br />

Bild: © M.Knickriem/ Welthungerhilfe<br />

B<br />

ereits 2015 besuchte sie zum ersten Mal zusammen<br />

mit der Welthungerhilfe eine Gegend in Uganda,<br />

über die kaum in den Medien berichtet wird. In<br />

Karamoja, einer der ärmsten Gegenden der Welt mit einer<br />

Analphabetenrate von rund 90 Prozent, konnte sie als Patin<br />

eines „Ziegenprojektes“ sehen, welch Riesenunterschied der<br />

Besitz einer Ziege machen kann.<br />

In dieser Region gibt es sehr viele Witwen und alleinerziehende<br />

Mütter und kaum Möglichkeiten, Geld zu verdienen.<br />

Hier setzt das Projekt „Goat-for-work“ an: Die Frauen arbeiten<br />

gemeinnützig und erhalten als Lohn eine Ziege. Eine Ziege<br />

kostet 26 Euro, ab fünf Ziegen bilden diese eine Herde und<br />

damit verändern sie das Leben einer Familie von Grund auf.<br />

Die Wirkung in den „Ziegenprojekt“-Dörfern ist immens:<br />

Die Kindersterblichkeit ist durch verbesserte Hygiene und die<br />

besonders nahrhafte Ziegenmilch zurückgegangen. Und was<br />

Gesine Cukrowski besonders bewegt: Die Frauen werden durch<br />

die eigene Ziegenherde selbstbewusster und erfahren in der<br />

Gemeinschaft Anerkennung und Gleichberechtigung.<br />

Während dieser Reise erzählten ihr MitarbeiterInnen der<br />

Welthungerhilfe außerdem von den Nachteilen, Infektionsrisiken<br />

und der sozialen Ausgrenzung der Frauen und Mädchen<br />

während der Menstruation.<br />

In Karamoja und vielen anderen Gebieten Afrikas behelfen<br />

sich die Frauen und Mädchen während ihrer Periode mit Blättern<br />

und Stofflumpen. Viele Schülerinnen bleiben während<br />

ihrer Regel der Schule fern. Die Mädchen werden vom Elternhaus<br />

und den Schulen mit dem Problem alleingelassen, die<br />

erwachsenen Frauen oftmals sogar aus der Dorfgemeinschaft<br />

ausgeschlossen. So ist das Projekt „EVA“ entstanden. Die Frauen<br />

lernen innovative und nachhaltige Produkte wie die Menstruationstasse<br />

(Auffangbehälter aus Silikon) kennen und in Schulen<br />

wird über Hygienemaßnahmen aufgeklärt. „Die Teilnehmerinnen<br />

des Projekts sind begeistert, die Frauen werden selbstbewusster<br />

und stärker respektiert, die Mädchen gehen wieder<br />

Gesine Cukrowski<br />

und Familie Lomongin<br />

in Karamoja<br />

ohne Angst und Scham zur Schule“, kann Gesine Cukrowski<br />

nun von ihrer jüngsten Reise Anfang 2018 berichten.<br />

Ein weiteres Beispiel für kleine Schritte, die zum großen<br />

Ziel führen. Eine bessere Schulbildung bei Mädchen erhöht<br />

die Chancen auf eine Zukunft ohne Hunger und Armut. Mehr<br />

Gleichberechtigung in der Gesellschaft für Frauen führt zu<br />

einer verbesserten Versorgungssituation mit Nahrung. Denn<br />

Frauen produzieren in Entwicklungsländern bis zu 80 Prozent<br />

der Nahrung und sorgen dafür, dass ihre Kinder und Familien<br />

etwas zu essen bekommen.<br />

„Mit so kleinen Mitteln wie Menstruationstassen oder<br />

Ziegen können wir die Frauen und Mädchen so wahnsinnig<br />

unterstützen, diese Erfahrungen treiben mich an – wir können<br />

alle etwas tun“, so die Schauspielerin. „Frauen und Mädchen<br />

zu stärken heißt den Hunger zu besiegen. Die Nachhaltigkeitsziele<br />

gehen uns alle an, ich kann meine Augen nicht vor dem<br />

Elend der Welt verschließen. Ich bin fest davon überzeugt,<br />

dass wir eine Welt ohne Hunger, ohne Armut,<br />

mit mehr Gleichberechtigung für Frauen und<br />

besserem Zugang zu Bildung erreichen können.“<br />

Mehr über die Projekte<br />

der Welthungerhilfe unter:<br />

www.welthungerhilfe.de<br />

WIE MENSCHEN DIE WELT BEWEGEN<br />

11


kurz & gut<br />

Young People<br />

Programme<br />

Mit Bildern Botschaften formulieren, Aufmerksamkeit<br />

generieren und jungen Menschen Werkzeuge an die Hand<br />

geben, damit sie ihre Stimme erheben – darum geht<br />

es beim Young People Programme von Canon und der<br />

UN-Aktionskampagne für die Nachhaltigkeitsziele.<br />

Jugendliche aus ganz Europa visualisieren Herausforderungen<br />

und Lösungsansätze rund um die Themen der 17 Ziele.<br />

www.act4sdgs.org<br />

Peace One<br />

Day<br />

Was einer allein bewegen kann,<br />

zeigt Jeremy Gilles mit seiner Idee,<br />

einen Tag für den Frieden ins<br />

Leben zu rufen. Schnell fand er für<br />

seine Idee Unterstützer auf der<br />

ganzen Welt, darunter Kofi Annan,<br />

den Dalai Lama und viele Staatschefs.<br />

2001 stimmte die UN-Vollversammlung<br />

einstimmig für den 21.<br />

September als Weltfriedenstag. Aus<br />

einer Ein-Mann-Mission ist<br />

eine weltweite Bewegung geworden.<br />

www.peaceoneday.org<br />

Discovering<br />

Hands<br />

Je früher Brustkrebs diagnostiziert<br />

wird, desto größer sind die Heilungschancen.<br />

Das Sozialunternehmen<br />

Discovering Hands baut darum auf<br />

eine ganz besondere Gabe: den<br />

Tastsinn von blinden und sehbehinderten<br />

Frauen. Es bildet sie zu<br />

Medizinisch-Taktilen Untersucherinnen<br />

aus, danach fühlen sie Knoten<br />

bereits, wenn diese nur halb so groß<br />

sind wie Routine-Tastergebnisse.<br />

Zahlreiche Frauenärzte in Deutschland<br />

bieten diese Vorsorge mittlerweile an.<br />

www.discoveringhands.de<br />

Filme für die Erde<br />

Es gibt so viele tolle Dokumentarfilme zu Nachhaltigkeitsthemen.<br />

Doch wie all die Filme finden und anschauen?<br />

Ein Team aus der Schweiz hat kurzerhand das<br />

Problem gelöst und die größte und umfangreichste Website<br />

zu Film und Nachhaltigkeit mit 16 Themenseiten,<br />

dynamischer Suchfunktion und über 200 Filmen zum<br />

Direkt-online-Anschauen gestartet.<br />

www.filmefuerdieerde.org<br />

12 <strong>seventeen</strong> <strong>goals</strong><br />

Bilder: Young People Programme © Canon; Peace one day © Peace One Day; Discovering hands © Hannes Casper; Filme für die Erde © Filme für die Erde


Ziele im Fokus: ein Beitrag von Engagement Global<br />

So kommen die 17 Ziele<br />

zu den Menschen<br />

Die 17-Ziele-Bierdeckel in<br />

lokalen Dialekten sind im<br />

Rahmen eines Studierendenprojektes<br />

entstanden<br />

Bild: © Engagement Global<br />

Das Projekt #17Ziele verbindet die Themen der Nachhaltigkeitsziele<br />

mit der Alltagswelt der Menschen – sei es<br />

auf der Arbeit oder in ihrer Freizeit, online oder offline.<br />

Durch Kooperationen mit Vereinen, Hochschulen,<br />

Unternehmen und anderen gesellschaftlichen Gruppen<br />

werden Menschen erreicht, die bislang wenige<br />

Berührungspunkte mit den 17 Zielen und ihren Themen<br />

hatten. Das Projekt wird durchgeführt von Engagement<br />

Global im Auftrag des Bundesministeriums für<br />

wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung.<br />

WIE MENSCHEN DIE WELT BEWEGEN<br />

13


Ziele im Fokus: ein Beitrag von Engagement Global<br />

Nimm’s<br />

persönlich!<br />

In Bonn arbeitet das Projekt #17Ziele von<br />

Engagement Global daran, junge<br />

Menschen an Schulen und Hochschulen,<br />

auf Festivals und Events, über Film<br />

oder Poetry-Slam für die 17 Ziele zu begeistern<br />

und zum Mitmachen anzustiften.<br />

Das Rezept: ganz viel Kreativität<br />

Text KRISTINA LÖHR UND SAMERA ZAGALA<br />

B<br />

unt ist es im Büro des Projektteams #17Ziele im Bonner<br />

Stadtteil Gronau: Messestellwände schmücken<br />

die Wand, riesige Jenga-Würfel sind in einer Ecke<br />

aufgetürmt, Siebdruckrahmen stehen auf dem Regal, ein Stapel<br />

Bierdeckel liegt auf dem Schreibtisch. Überall springen das bunte<br />

Design der 17 Ziele für nachhaltige Entwicklung und Schlagworte<br />

wie „Klimaschutz“, „Gleichheit“ oder „Konsum“ ins Auge.<br />

17 Ziele für eine nachhaltige Entwicklung auf dieser Welt<br />

erreichen – das klingt erst einmal wie eine wirklich große<br />

Aufgabe. Das sieht auch Christian Mäntele, Leiter des Projekts<br />

#17Ziele von Engagement Global so. „Mit den Zielen haben wir<br />

jetzt aber erstmals einen Plan für nachhaltige Entwicklung, eine<br />

Landkarte dafür, wie wir vorgehen wollen“, erklärt er. Dabei<br />

handele es sich nicht nur um Themen, die allein von Politik und<br />

Wirtschaft auf der ganzen Welt behandelt werden sollten; die<br />

Umsetzung fange im Kleinen an, bei jedem einzelnen Menschen<br />

– auch hier in Deutschland, so Christian Mäntele. „Die Frage<br />

ist doch: Was kann ich beitragen, um die 17 Ziele Wirklichkeit<br />

werden zu lassen?“<br />

Um das zu verdeutlichen, hat Engagement Global im Auftrag<br />

des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit<br />

und Entwicklung kreative Wege gefunden, die gerade auch junge<br />

Menschen für die 17 Ziele der Agenda 2030 begeistern.<br />

Spielerisch und konkret statt abstrakt und komplex<br />

Das ist die Devise des Teams in Bonn: Die Ziele sollen Spaß<br />

machen. So ist man mit einem eigens umgebauten Schäferwagen<br />

auf Musikfestivals, Messen und Veranstaltungen unterwegs.<br />

Wo immer das farbenfrohe 17-Ziele-Mobil auftaucht: Es ist ein<br />

Hingucker und weckt Neugier. Ob beim Haldern Pop Festival,<br />

bei Lollapalooza oder auf der Fanmeile der Leichtathletik-Europameisterschaft<br />

in Berlin: Die Menschen schauen vorbei, kommen<br />

ins Gespräch, probieren einfach mal aus, mit einem Fahrrad zur<br />

Energiegewinnung ihr Handy aufzuladen, oder stapeln riesige<br />

Jenga-Würfel im 17-Ziele-Look – auch, um zu erkennen, wie die<br />

einzelnen Ziele zueinander stehen. Immer wieder beeindruckt<br />

sind Jung und Alt vom 3-D-Erlebnis, bei dem virtuelle Brillen sie<br />

mitten in ein Flüchtlingscamp in Jordanien versetzen.<br />

Im Gespräch erlebt das Projektteam des Mobils oft, dass sich<br />

gerade junge Menschen intensiv mit Nachhaltigkeitsthemen beschäftigen.<br />

Konsum, Mobilität und Umweltschutz stehen dabei<br />

im Fokus. Das gilt es mit den 17 Zielen zu verknüpfen und gleichzeitig<br />

aufzuzeigen, was die jungen Menschen direkt in ihrem<br />

Umfeld wie Schule, Freundekreis, Familie, Verein oder Stadt tun<br />

können. „Wir müssen die nachhaltigen Entwicklungsziele auf<br />

den Alltag der Menschen herunterbrechen und ihnen deutlich<br />

14 <strong>seventeen</strong> <strong>goals</strong>


Auf großen Musikfesten wie<br />

dem Highfield Festival in<br />

Leipzig lernen viele Besucher<br />

die 17 Ziele besser kennen<br />

München haben im Rahmen einer Projektarbeit mehrere Filmclips<br />

zu den 17 Zielen für nachhaltige Entwicklung produziert.<br />

„Wir sind mit einer gesunden Portion Selbstironie und Spaß an<br />

das Projekt herangegangen“, erzählt der junge Regisseur.<br />

Dass viel Kreatives entsteht, wenn man junge Menschen mit<br />

einbezieht, beweisen auch die Studierenden der Rheinischen<br />

Fachhochschule Köln. Wie lassen sich die Ziele zum Stadtgespräch<br />

machen? Ihre Antwort: indem wir sie auf Bierdeckel<br />

drucken. Eingekölscht natürlich, schließlich sind Kölner echte<br />

Lokalpatrioten. „Jede Jeck is anders“ heißt es zum Beispiel bei<br />

Ziel 5 zur Geschlechtergleichstellung, oder „Denn he hält m’r<br />

zosamme. Ejal, wat och passeet“ zum Ziel 17, Partnerschaften.<br />

Diese Idee macht Schule – mittlerweile gibt es die 17-Ziele-Bierdeckel<br />

auch im Berliner und Allgäuer Dialekt, weitere Dialekte<br />

sind in Arbeit.<br />

Instagram-Aktionen und Posts entwickelte #17Ziele in Zusammenarbeit<br />

mit der Hamburg Media School und die Ideen zu<br />

einer lebensgroßen Murmelbahn sowie einer digitalen Sanduhr<br />

„...weil Plastik<br />

unkaputtbar ist, die<br />

Erde aber nicht“<br />

machen, warum die Ziele auch sie betreffen und wie viel auch<br />

von ihrem Alltagshandeln abhängt“, erklärt Christian Mäntele.<br />

Dazu eignen sich einfache und praktische Tipps für nachhaltigen<br />

Konsum wie zum Beispiel Strom zu sparen, weniger Wasser<br />

zu verbrauchen, keine Lebensmittel zu verschwenden. So könne<br />

es gelingen, die Menschen zu motivieren und zu ermutigen, sich<br />

aktiv für die Nachhaltigkeitsziele in ihrem Alltag einzusetzen.<br />

Bilder: © Engagement Global<br />

„Die Auseinandersetzung mit den 17 Zielen hat mich motiviert,<br />

selbst aktiv zu werden.“<br />

So sieht es Simon Baumann, einer der Regisseure des Spots<br />

„Schwarzes Loch“. Ihn hat die kreative Herangehensweise inspiriert.<br />

Sein Film über die Grenzen des Konsums wurde auf<br />

den Internationalen Wirtschaftsfilmtagen 2018 mit dem Prix<br />

Victoria in Gold ausgezeichnet und ist unter den Gewinnern der<br />

Cannes Corporate Media & TV Awards 2018. Baumann und seine<br />

Mitstudierenden der Filmhochschulen Macromedia Köln und<br />

Das riesige-Jenga-Spiel<br />

ist fester Bestandteil des<br />

17-Ziele-Mobils<br />

WIE MENSCHEN DIE WELT BEWEGEN<br />

15


Ziele im Fokus: ein Beitrag von Engagement Global<br />

Rita Apel beim<br />

#17 Ziele Poetry-Slam<br />

in Halle<br />

Auch beim Lollapalooza Festival<br />

in Berlin war das 17-Ziele-<br />

Mobil beliebter Treffpunkt<br />

„Kreative Formate<br />

und Methoden sind<br />

gefragt“<br />

mit Quizfragen zur spielerischen Vermittlung der 17 Ziele kamen<br />

von der Vitruvius Hochschule in Leipzig. So beschäftigen<br />

sich die Studierenden mit den nachhaltigen Entwicklungszielen<br />

und inspirieren Kommilitonen, Freunde und weitere junge Menschen,<br />

sich ebenfalls einzubringen.<br />

und jeder Einzelne – alle können einen Beitrag leisten: sei es<br />

Verpackungsmüll zu vermeiden, mehr Fahrrad zu fahren oder<br />

in einer Bürgerinitiative aktiv zu werden. Je mehr Menschen<br />

mitmachen, desto eher gelingt es, gemeinsam eine bessere,<br />

gerechtere und nachhaltigere Welt zu gestalten.<br />

„Der Wal sucht vergeblich ein Mahl und dem Hecht geht es<br />

schlecht.“<br />

Poetry-Slam bewegt – gerade junge, politisch-kulturell Interessierte<br />

fühlen sich von den witzigen, nachdenklichen oder provokativen<br />

Texten angesprochen. Beim #17 Ziele Poetry-Slam traten<br />

in den Vorentscheiden in vier Städten und beim großen Finale<br />

in Berlin Slammerinnen und Slammer aus ganz Deutschland<br />

gegeneinander an. Rita Apels „Kindergedicht vom Mikroplastik“<br />

war eines der Höhepunkte der Veranstaltungsreihe, ihr<br />

Abschlussreim hallte lange nach: „... weil Plastik unkaputtbar<br />

ist, die Erde aber nicht.“<br />

Meeresverschmutzung, Klimawandel oder Konsum – bereits<br />

Grundschüler setzen sich mit solchen Themen auseinander.<br />

Während der bundesweiten SchulKinoWoche 17 Ziele – Eine<br />

Zukunft lernen Kinder ab acht Jahren gemeinsam mit ihren<br />

Lehrerinnen und Lehrern die 17 Ziele kennen und bekommen<br />

über spannende Filme Einblicke, welche Auswirkungen ihr<br />

Konsum auf der anderen Seite der Welt hat. Und sie haben dabei<br />

verstanden, was Rita Apel in ihrem Gedicht so gut auf den Punkt<br />

bringt.<br />

Die vielfältigen Ideen kommen an: Filmclips schaffen es<br />

in die Kinos – gewinnen gar Preise –, Bierdeckel werden der<br />

Aufmacher der Zeitung und ein Poetry-Slam-Text wird zum<br />

Hit. Für Christian Mäntele steht fest: „Kreative Formate und<br />

Methoden sind gefragt, um möglichst viele Menschen für<br />

die 17 Ziele zu gewinnen und zum Mitmachen zu bewegen.“<br />

Letztlich hängt der Erfolg der Agenda 2030 davon ab, dass<br />

alle mitmachen. Staaten und Organisationen genauso wie jede<br />

WENN JUGEND FORSCHT UND OMA SLAMMT<br />

Reime waren schon immer Rita Apels Ding. Beim #17Ziele<br />

Poetry-Slam schaffte sie es bis ins Finale in Berlin. Ihr „Kindergedicht<br />

vom Mikroplastik“ ist mittlerweile ein YouTube<br />

Hit mit weit über einer halben Million Aufrufen. Geschrieben<br />

hat sie den Text für ihre Enkel. Die beiden haben bei<br />

„Jugend forscht“ ein Projekt zum Thema Mikroplastik präsentiert<br />

und waren enttäuscht, dass es trotz des dort gewonnen<br />

Preises nicht mehr Interesse für das Thema bei<br />

anderen Kindern an ihrer Schule gab. Rita Apel hatte eine<br />

Idee: „Ich habe einen kindgerechten Text zum Thema Mikroplastik<br />

gedichtet und geslammt, der dann bei YouTube<br />

hochgeladen wurde – für mehr Aufmerksamkeit in den<br />

Schulen.“ Es hat funktioniert, wie die vielen Aufrufe und die<br />

Nachfragen von Schulen nach ihrem Text belegen.<br />

Mitmachen: mehr Informationen unter<br />

www.17Ziele.de, www.engagement-global.de<br />

Twitter: @17Ziele, Instagram: 17ziele.de, YouTube: #17Ziele<br />

16 <strong>seventeen</strong> <strong>goals</strong><br />

Bild 1: © Robert Bergmann, Bild 2: © Engagement Global


Stiftungen<br />

Wandel<br />

von<br />

unten<br />

Die Bürgerstiftung München setzt die globalen<br />

Ziele in der eigenen Stadt konsequent<br />

um und zeigt damit: Die Welt verändert man vor Ortt<br />

Text IRIS RODRIGUEZ<br />

G<br />

ärten in München sind überraschend<br />

vielfältig: Es gibt Experimentier- und<br />

Mitarbeitergärten, therapeutische<br />

und pädagogische Gärten, Kräutergärten, Nachbarschafts-,<br />

Gemeinschafts- und Prälatengärten.<br />

Dort wird gegraben, gerecht, gepflanzt – eine Graswurzelbewegung<br />

im wahrsten Sinne. Viele dieser<br />

grünen Oasen sind Teil des Netzwerks „Urbane<br />

Gärten München“. Ins Leben gerufen haben das<br />

Netzwerk fünf Münchner Stiftungen, koordiniert<br />

wird es von der Bürgerstiftung München. „Es<br />

ist ein schönes Projekt, das zeigt, wie Menschen<br />

durch Engagement ihre Stadt nachhaltig mitgestalten<br />

können“, erklärt Carmen Paul, eine der<br />

Geschäftsführerinnen der Bürgerstiftung. Die<br />

Stiftung fühle sich dem Gedanken der Nachhaltigkeit<br />

verpflichtet, so die Münchnerin, und achte bei<br />

der Auswahl der Projekte darauf, dass sie zu den 17<br />

Nachhaltigkeitszielen passen.<br />

Mit solchen kleinen, überschaubaren Projekten<br />

vor Ort, mit denen sich die Menschen gut<br />

identifizieren können, trägt die Bürgerstiftung<br />

dazu bei, die globalen Nachhaltigkeitsziele lokal<br />

umzusetzen. So unterstützt und koordiniert sie<br />

auch gemeinsam mit Partnern die Münchner<br />

Initiative Nachhaltigkeit (MIN). Dieses Bündnis<br />

von inzwischen über 50 lokalen Organisationen hat<br />

es sich zur Aufgabe gemacht, an der Umsetzung<br />

der 17 Ziele in München mitzuwirken und dabei<br />

die Stadtgesellschaft aktiv einzubeziehen. „Die Initiative<br />

ist, glaube ich, einzigartig“, erklärt Carmen<br />

Paul, „zumindest ist mir nicht bekannt, dass es das<br />

in der Form in Deutschland schon gibt.“<br />

Am 4. Februar 2019 wird die erste Münchner<br />

Nachhaltigkeitskonferenz stattfinden. In kreativen,<br />

für alle offenen Themenmanufakturen entwickeln<br />

engagierte Menschen in Bayerns Landeshauptstadt<br />

Ideen und Umsetzungsvorschläge, zum Beispiel in<br />

den Manufakturen „Klimaschutz und Erneuerbare<br />

Energien“ zu den Zielen 7 und 13 oder „Bildung<br />

für nachhaltige Entwicklung und globales Lernen“<br />

zu Ziel 4. Die Bürgerstiftung nutzt ihr großes<br />

Netzwerk, um möglichst viele Menschen auf die<br />

Nachhaltigkeitsziele aufmerksam zu machen.<br />

Damit wird sie auch gleich noch Ziel 17, „Partnerschaften<br />

zur Erreichung der Ziele“, gerecht.<br />

Mitmachen: Über 300 Bürgerstiftungen<br />

freuen sich über noch mehr engagierte Bürger.<br />

www.buergerstiftungen.org<br />

WIE MENSCHEN DIE WELT BEWEGEN<br />

17


Nachhaltige Mode<br />

Restlos schön<br />

Mit einer ausgetüftelten Technik zeigt das kleine Modelabel<br />

Natascha von Hirschhausen den Giganten der Branche: Schöne Kleider<br />

und Rücksicht auf die Umwelt passen gut zusammen Text STEPHANIE EICHLER<br />

E<br />

in zeitlos-eleganter Stil, rundum nachhaltige Materialien,<br />

Schnitte, bei denen keine Stoffreste anfallen, und<br />

das Vertrauen darauf, dass ihre Jacken, Hosen, Kleider<br />

ein Leben lang gern getragen werden – aus diesen Versatzstücken<br />

hat Natascha von Hirschhausen ein Konzept entwickelt, mit dem<br />

sie zeigt, dass Mode Spaß machen kann, ohne die Umwelt zu<br />

belasten.<br />

Die Stoffreste für einen Anzug sind so gering, dass sie an einen<br />

Ohrring passen, den von Hirschhausens Stylistin zur Veranschaulichung<br />

entworfen hat. „Ich feile lange an meinen Schnitten,<br />

für meinen ersten Blazer habe ich fünf Wochen gebraucht“<br />

Das tut not, denn die Probleme in der Textilbranche sind<br />

groß: 80 Milliarden Kleidungsstücke überschwemmen jährlich<br />

den Markt, ein Großteil davon landet nach einer kurzen Lebensspanne<br />

auf dem Müll. Auf diese Weise werden Ressourcen wie<br />

Anbauflächen, Wasser und menschliche Arbeit verschwendet.<br />

Giftstoffe, die in den Textilfabriken zum Einsatz kommen, verseuchen<br />

in den Produktionsländern wie China oder Bangladesch<br />

die Seen und Flüsse.<br />

Für ihr Engagement wurde Natascha von Hirschhausen 2017<br />

mit dem Bundespreis Ecodesign ausgezeichnet, eine Ehrung, die<br />

das Bundesumweltministerium (BMU) und das Umweltbundesamt<br />

(UBA) an Vorreiter auf dem Gebiet des ökologischen Designs<br />

vergeben. „Wir brauchen kleine Modelabel, um den schnelllebigen<br />

Trends der Bekleidungsketten hochwertige Lieblingsstücke<br />

entgegenzusetzen, die lange halten“, davon ist die Berlinerin<br />

überzeugt. Nur so sei Mode nachhaltig.<br />

2016 gründete sie ihr eigenes Label. Ein 14-tägiger Studienaufenthalt<br />

in Bangladesch gab dafür den Ausschlag. „Die Region<br />

wirkte wie ein großer Müllberg“, erinnert sich von Hirschhausen.<br />

„Enorme Mengen von Stoffresten und die Masse an Kleidung,<br />

die dort, salopp formuliert, für den Mülleimer produziert wird,<br />

all das hat mich darin bestärkt, anders zu arbeiten.“ Seitdem hat<br />

die Designerin in Berlin-Wedding Hunderte von Bestellungen<br />

entgegengenommen. „Jedes Stück fertigen eine Schneidermeisterin<br />

oder ich von Hand“, erklärt von Hirschhausen und beugt<br />

sich über einen riesigen hölzernen Zuschnitt-Tisch. Das auf<br />

einen Bogen Pappe gezeichnete Schnittmuster eines Anzugs<br />

platziert sie auf eine schwarze Stoffbahn. Dabei fällt auf: Die<br />

einzelnen Schnittteile sind gekonnt ineinander verschachtelt anstatt<br />

nur nebeneinander gereiht. Mit diesem besonderen Prinzip<br />

gelingt es ihr, Verschnitt nahezu vollständig zu vermeiden, und<br />

es unterscheidet sich grundlegend von der Art, wie die Modeindustrie<br />

fertigen lässt. In den Fabriken fallen beim Zuschnitt der<br />

Kleidung in der Regel rund 20 Prozent Stoffreste an.<br />

Und dass einige große Textilkonzerne zunehmend Biobaumwolle<br />

verwenden? Zwar begrüßt die Designerin diese Entwicklung,<br />

gibt aber zu bedenken, dass das nachhaltige Engagement<br />

von Unternehmen zu Unternehmen sehr unterschiedlich sei.<br />

Gegen den Abfall, den Einsatz von giftiger Chemie in Spinnereien<br />

und Webereien sowie die schlechten Arbeitsbedingungen<br />

gingen die Konzerne oft nicht vor. Deshalb könnten sie ihre<br />

Kleidung weiterhin zu geringen Preisen anbieten und verwiesen<br />

die steigende Zahl der Ethiklabels in die Nischen.<br />

Zur Stärkung ihrer Zunft hat Natascha von Hirschhausen<br />

das Netzwerk Aethic gegründet. Neben vielen anderen Aktivitäten<br />

ist es auch eine Einkaufsgemeinschaft. „Stoffe werden oft<br />

nur in großen Mengen abgegeben. Nun können wir<br />

uns zusammenschließen und Sammelbestellungen<br />

aufgeben“, erklärt die Unternehmerin. Ihrer Vision,<br />

ästhetisch anspruchsvoller und dabei sozial-<br />

und umweltverträglicher Mode eine<br />

Zukunft zu geben, kommt sie damit noch<br />

ein Stück näher.<br />

Mitmachen: Kleidung zu tauschen, auszuborgen oder zu leihen<br />

trägt zum Umweltschutz bei. Auf Zertifizierung achten: Siegel von<br />

GOTS, IVN Best und Made in Green garantieren Umweltund<br />

Sozialverträglichkeit entlang der gesamten Wertschöpfungskette.<br />

www.nataschavonhirschhausen.com<br />

Bilder: © Kerstin Jacobsen<br />

18 <strong>seventeen</strong> <strong>goals</strong>


Neben den ausgefeilten<br />

Schnittmustern, die nahezu<br />

keine Stoffreste entstehen<br />

lassen, achtet die junge<br />

Designerin darauf, nur<br />

Baumwolle, Kaschmir,<br />

Seide und Wolle zu verwenden,<br />

die mit den Siegeln<br />

GOTS- oder IVN Best<br />

gekennzeichnet sind<br />

„Wir müssen den<br />

schnelllebigen<br />

Trends hochwertige<br />

Lieblingsstücke<br />

entgegenzusetzen“<br />

WIE MENSCHEN DIE WELT BEWEGEN<br />

19


2011<br />

Dr. Gro Harlem Brundtland<br />

bei einem Spendenaufruf<br />

von Hilfsorganisationen<br />

in Genf<br />

2017<br />

Mitglieder von<br />

The Elders treffen den<br />

UN Generalsekretär<br />

2013<br />

bei der Verleihung des<br />

Deutschen Nachhaltigkeitspreises<br />

in Düsseldorf<br />

Zwei,<br />

die bewegen<br />

Fast 60 Jahre Altersunterschied liegen zwischen<br />

Gro Harlem Brundtland (79) und Felix Finkbeiner (21). Was die<br />

Vorkämpferin der globalen Nachhaltigkeitsbewegung und<br />

den jüngsten Gründer einer Kinder- und Jugendinitiative eint,<br />

ist der unbeirrbare Glaube an eine nachhaltige Zukunft<br />

Interview EDDA JONSDOTTIR UND IRIS RODRIGUEZ<br />

2014<br />

Felix Finkbeiner am<br />

Nordpol<br />

2018<br />

Der Student hat noch<br />

viel vor auf<br />

unserem Planeten<br />

2014<br />

Bäume bewegen<br />

ihn und<br />

seine Mitstreiter<br />

2018<br />

Verleihung des<br />

Bundesverdienstkreuzes


Interview<br />

Seit über 45 Jahren kämpft die ehemalige Ministerpräsidentin<br />

Norwegens, GRO HARLEM BRUNDTLAND,<br />

für Menschenrechte, Klimaschutz und Gesundheitsvorsorge.<br />

Unter ihrer Leitung entstand 1987 „Our Common<br />

Future“, der auch als Brundtland-Report bekannt<br />

gewordene Bericht der Weltkommission für Umwelt und<br />

Entwicklung der Vereinten Nationen. Heute ist die rastlose<br />

Norwegerin Vorsitzende von The Elders und treibt<br />

mit dieser kleinen Gruppe entschlossener Führungspersönlichkeiten<br />

den Wandel voran.<br />

Frau Dr. Brundtland, sind wir auf dem Weg zu einer nachhaltigen<br />

Welt? Sind Sie zufrieden mit dem Erreichten?<br />

Uns ist der Durchbruch geglückt, wir haben mehr erreicht, als<br />

wir zu hoffen gewagt hatten, das habe ich hautnah miterlebt.<br />

Es hat sich vieles getan. Ich habe den Wandel unterstützt und<br />

gesehen, wie sich Dinge in die richtige Richtung entwickeln.<br />

Dennoch gab es auch Rückschläge und Enttäuschungen. Die<br />

Entwicklungen haben sich stets langsamer vollzogen, als wir es<br />

uns gewünscht hätten. Der Brundtland-Bericht „Our Common<br />

Future“ kam 1987 heraus und hat als Bericht für unsere gemeinsame<br />

Zukunft erstmals das Konzept der nachhaltigen Entwicklung<br />

formuliert und definiert. Seither wurden viele Meilensteine<br />

erreicht. Zum Beispiel die Ziele für nachhaltige Entwicklung und<br />

das Klimaabkommen. Wenn man bedenkt, dass die UNO aus<br />

193 Mitgliedsstaaten besteht, die sich in Kultur und Entwicklung<br />

sehr unterscheiden, ist das ein großer Erfolg. Vielleicht ist es<br />

da auch kein Wunder, dass es 28 Jahre gedauert hat. Also, im<br />

Grunde lautet die Antwort: Ja. Ich bin zwar ungeduldig, aber<br />

ich bleibe zuversichtlich, denn ich sehe, wie sich alles langsam<br />

vorwärtsbewegt und das Bewusstsein in der Bevölkerung wächst.<br />

Sie werden gerne als Mutter der Nachhaltigkeit bezeichnet. Sehen<br />

Sie sich selbst auch in dieser Rolle?<br />

Nachhaltigkeit ist von essenzieller Bedeutung für die Welt, davon<br />

bin ich fest überzeugt und dafür kämpfe ich. Wie andere mich sehen,<br />

ist mir nicht so wichtig, auch wenn ich nichts dagegen habe,<br />

dass ich so genannt werde. Vielleicht finde ich so eher Gehör! Das<br />

kann hilfreich sein, wenn man andere davon überzeugen will,<br />

dass Wandel notwendig ist. Im Grunde ist es meine innere Stimme,<br />

die mich antreibt, die Arbeit mit The Elders fortzusetzen.<br />

Wie definieren Sie Verantwortung in Bezug auf nachhaltige<br />

Entwicklung?<br />

Die einfachste Definition, die ich immer wieder anführe, lautet:<br />

Wir sind alle verantwortlich. Das heißt, jeder einzelne Bürger<br />

trägt Verantwortung. Jeder von uns ist Teil der Lösung, ob nun<br />

als Geschäftsmann, als Entscheidungsträger oder in sonst einer<br />

Bilder oben: © dpa-Fotoreport, epa Keystone Gillieron; © UN Photo/Mark Garten; © dpa - Fotoreport<br />

Bilder unten: © Plant-for-the-planet<br />

FELIX FINKBEINER wurde bekannt als der Junge, der<br />

Bäume pflanzt. Als Neunjähriger gründete er 2006 die<br />

Initiative „Plant-for-the-Planet“. Mit 13 Jahren sprach<br />

er vor den Vereinten Nationen. Für sein Engagement<br />

erhielt er unzählige Auszeichnungen, zuletzt 2018 das<br />

Bundesverdienstkreuz. Nach wie vor reist er um die Welt<br />

und stiftet Menschen an, Bäume zu pflanzen. 1.000<br />

Milliarden sollen es werden, das sind 150 pro Mensch.<br />

Finkbeiner ist keiner, den Superlative erschrecken.<br />

Sie arbeiten daran, weltweit eine Billion Bäume zu pflanzen. Das<br />

sind also 1.000 Milliarden! Wie kommt man auf eine so unfassbar<br />

hohe Zahl?<br />

Wir haben uns einfach gefragt: Wie viele Bäume gibt es eigentlich<br />

auf der Erde? Und wie viele zusätzliche haben noch<br />

Platz? Selbst Wissenschaftler hatten darauf keine Antworten,<br />

diese Fragen hatte noch niemand gestellt. Schließlich fand ein<br />

Forschungsteam in Yale heraus, dass es drei Billionen Bäume<br />

weltweit gibt und eine weitere Billion Bäume Platz hätten, die<br />

ein Viertel des vom Menschen gemachten CO2-Ausstoßes<br />

aufnehmen und darüber hinaus sogar noch Millionen von Arbeitsplätzen<br />

in Ländern des Südens schaffen könnten. Und so<br />

ist unsere Vision von der Billion entstanden. Natürlich können<br />

wir die nicht alle selber pflanzen, aber wir können die Idee in<br />

die Welt hinaustragen.<br />

Haben Sie immer schon so groß gedacht?<br />

Als wir vor zwölf Jahren als ganz kleines Schulprojekt anfingen,<br />

war ich in der vierten Klasse und wusste nicht einmal genau,<br />

was eine Million ist. Aber ich hatte damals von Wangari Maathai<br />

erfahren, der Friedensnobelpreisträgerin, die in 30 Jahren 30 Millionen<br />

Bäume gepflanzt hatte, und dachte: Das können wir Kinder<br />

auch. Wir haben losgelegt, andere Schulen haben mitgemacht, es<br />

entstand ein richtiger Baumpflanzwettbewerb. Nach einem Jahr<br />

waren es schon 50.000 Bäume, nach drei Jahren hatten wir unser<br />

Millionenziel erreicht. Inzwischen haben wir mit Unterstützung<br />

von Regierungen, Unternehmen und Organisationen 15 Milliarden<br />

Bäume weltweit in die Erde gesetzt.<br />

Es sind Kinder, die der Welt empfehlen, wie viele Bäume gepflanzt<br />

werden sollten – wie finden Sie international Gehör?<br />

Zum einen sind wir als Organisation sehr gut vernetzt mit anderen<br />

Organisationen, die gegen die Klimakrise aktiv sind. Zum<br />

anderen arbeiten wir mit einem Team, dem Crowther Lab an der<br />

Technischen Hochschule ETH in Zürich, zusammen, dessen<br />

Forschungen bis 2030 schon fest finanziert sind. Es liefert den<br />

wissenschaftlichen Hintergrund für Plant-for-the-Planet und<br />

informiert uns, wo aufgeforstet werden kann und sollte und welchen<br />

Impact diese Billion Bäume haben werden – im ökonomischen<br />

und auch im ökologischen Sinne. Zudem hat das Crowther<br />

Lab Karten entwickelt, die aufzeigen, welche Baumarten man<br />

wo pflanzen kann und was man in der Aufforstung priorisieren<br />

sollte. Jeder kann diese Infos abrufen.<br />

WIE MENSCHEN DIE WELT BEWEGEN<br />

21


2014<br />

Besuch einer<br />

Klinik im Grenzgebiet,<br />

Myanmar<br />

1998<br />

Brundtland ruft<br />

zum Start von<br />

„Roll Back Malaria“ auf<br />

Funktion. Die Verantwortung liegt bei uns allen. Das ist ein<br />

grundsätzlich demokratischer Ansatz. Um die Voraussetzungen<br />

für einen Wandel zu schaffen, ist es wichtig, dass den Menschen<br />

bewusst ist, was sie tun können, dass sie aufgeklärt sind und ein<br />

Interesse haben, sich zu engagieren. Das gilt für jeden von uns.<br />

Aber je mehr Macht und Möglichkeiten jemand hat, desto größer<br />

ist natürlich die Verantwortung.<br />

Gibt es unter den Zielen für nachhaltige Entwicklung eines, das<br />

Ihnen besonders am Herzen liegt?<br />

Wissenschaft, Forschung, ein riesiges Netzwerk – Bäume pflanzen<br />

scheint keine einfache Sache zu sein.<br />

Wenn man das auf einer globalen Ebene macht, muss man schon<br />

vieles beachten: mit den richtigen Baumarten die Artenvielfalt<br />

unterstützen, Landrechte respektieren, sicherstellen, dass der<br />

Wald auch langfristig geschützt ist. Zudem ist ein Baum nicht<br />

in allen Regionen gleich wertvoll. Nahe dem Polarkreis hat er<br />

kaum eine Wirkung, in den Tropen nimmt er hingegen deutlich<br />

mehr CO2 auf. Mit all diesem Wissen sind wir jetzt sehr gut<br />

aufgestellt. Falls also ein Milliardär kommt, der uns eine große<br />

Summe Geld geben möchte, dann wissen wir, wie man wo am<br />

besten pflanzt.<br />

Denken Sie, dass junge Menschen konsequent genug nachhaltiges<br />

Handeln an den Tag legen?<br />

Junge Menschen haben insbesondere bei der Klimakrise eine<br />

andere Perspektive, weil sie die Probleme ausbaden müssen.<br />

Uns betrifft es viel mehr und länger. Das verstehen viele der<br />

über 70.000 jugendlichen Botschafter, die bei uns mitmachen.<br />

Grundsätzlich sehe ich aber nicht, dass in den Jugendlichen die<br />

Antwort auf alle unsere Probleme liegt, denn wir können nicht<br />

warten, bis sie erwachsen sind, und darauf hoffen, dass sie dann<br />

schon alles richtig machen werden.<br />

Sehen Sie, dass die ältere Generation genug tut?<br />

Es gab und gibt unglaublich viele Menschen, die Großes geleistet<br />

haben und durch die unsere Arbeit überhaupt erst möglich ist.<br />

Hier möchte ich Gro Harlem Brundtland nennen, die mit der<br />

Brundtland-Kommission und deren Abschlussbericht „Our Common<br />

Future“ von 1987, mit dem Erdgipfel in Rio 1992 und mit<br />

den internationalen Klimaverhandlungen die Nachhaltigkeitsbewegung<br />

maßgeblich mitgestaltet hat. Wir sind auch unglaublich<br />

dankbar für den Club of Rome und für Greenpeace, die über<br />

die letzten fast 50 Jahre so vieles bewegt haben. Vor allem ist es<br />

durch diesen unermüdlichen Einsatz gelungen, dass die Welt<br />

mittlerweile gelernt hat, wie wichtig Umweltthemen sind.<br />

Dennoch gibt es immer noch die Leugner des Klimawandels<br />

– selbst in den allerhöchsten Positionen der Weltpolitik. Wie<br />

können wir die überzeugen?<br />

Man muss die Klimakrise nicht als solche anerkennen, um<br />

eine Billion Bäume pflanzen zu wollen. Aufforstungen haben<br />

so viele andere Vorteile in so unterschiedlichen Bereichen, dass<br />

man auch Leugner oder Zweifler überzeugen kann. Bäume<br />

verhindern die weitere Ausbreitung von Wüsten, sind positiv<br />

„1.000 Moskitos können<br />

ein Nashorn dazu<br />

bringen, die Richtung<br />

zu wechseln“<br />

22 <strong>seventeen</strong> <strong>goals</strong>


Nachhaltigkeit ist für mich der Oberbegriff, Klima ist dabei ein<br />

wichtiges Thema. Ich habe mich persönlich auch sehr für die Ziele<br />

zur Gesundheit und Gleichstellung von Frauen eingesetzt. Aber<br />

mein Hauptaugenmerk liegt darauf, dass die Kinderehe bis 2030<br />

abgeschafft wird. Dieses Ziel liegt mir und auch anderen Elders<br />

besonders am Herzen. 2010 haben wir beschlossen, dass wir uns<br />

dieses Themas annehmen würden, weil es innerhalb der globalen<br />

Diskussion kaum Beachtung fand. Jedes Jahr werden Millionen von<br />

Mädchen bereits als Zehnjährige entführt, um dann mit 13 Jahren<br />

schon Mutter zu werden. Das ist eine Verletzung der Mädchen- und<br />

Frauenrechte. Natürlich sind auch Jungen betroffen, aber vor allem<br />

Mädchen. Im Laufe der Zeit ist es uns Elders gelungen, immer<br />

mehr Menschen zu aktivieren und Länder wie Indien und Äthiopien<br />

zu besuchen. Wir haben eine Bewegung gegen die Kinderehe<br />

ins Leben gerufen, die sehr aktiv ist. In den Zielen für eine nachhaltige<br />

Entwicklung ist es uns geglückt, unter Ziel 5 zur Geschlechtergleichstellung<br />

auch die Abschaffung der Kinderehe als Ziel zu<br />

formulieren.<br />

„Unternehmen<br />

tragen eine große<br />

Verantwortung“<br />

Wie sehen Sie die Rolle der Wirtschaft beim Erreichen der Ziele<br />

einer nachhaltigen Entwicklung?<br />

Noch zur Jahrtausendwende habe ich blödsinnige Kommentare<br />

gehört, die die Diskussionen im letzten Jahrhundert beherrscht<br />

haben. Dass es nämlich Aufgabe der Regierung sei, Probleme wie<br />

Umweltschutz, Gleichberechtigung, soziale Fragen und Klimawandel<br />

zu lösen. „Als Unternehmer sind wir einzig für die Bilanz<br />

zuständig“ – so war die vorherrschende Meinung, die die Debatte<br />

bis weit in die 1990er-Jahre geprägt hat. Heute würde sich keiner<br />

mehr trauen, so etwas zu sagen, das Denken hat sich verändert.<br />

Unternehmen tragen eine große Verantwortung. Je innovativer<br />

sie werden und je mehr sie den Weg in eine nachhaltige Zukunft<br />

weisen, desto besser.<br />

Welche Rolle sollte die Zivilgesellschaft spielen?<br />

Die Leute fragen oft: „Was kann ich tun?“ Das finde ich gut.<br />

Je nach dem, wofür sich jemand interessiert, gibt es viele Optionen.<br />

Wichtig ist bloß: Jeder kann was tun! Findet ein Thema,<br />

das euch begeistert! Durch das Internet und die sozialen<br />

Medien hat man sogar noch mehr Möglichkeiten, nachhaltige<br />

Entwicklung zu fördern. Mit eurem Engagement könnt ihr zur<br />

Lösung beitragen. Ihr könnt etwas bewirken! Hier denke ich vor<br />

allem an die NGOs. Ob man einer politischen Partei beitritt oder<br />

einer Organisation, die sich für die Abschaffung von Kinderehen<br />

einsetzt, sich um Frauenrechte, Solarenergie, CO2-Ausstoß oder<br />

für das Wasser, die Artenvielfalt und die Ernährungssicherung.<br />

Und sie schaffen Arbeitsplätze! Ich glaube, wenn man solche<br />

wirtschaftlich relevanten Gründenennt, kann das bei diesen<br />

Menschen mehr bewirken.<br />

2018<br />

Esri User Conference<br />

in San Diego<br />

Vor der UN-Vollversammlung haben Sie als 13-Jähriger gesagt:<br />

„Ein Moskito kann gegen ein Nashorn nichts ausrichten, aber<br />

1.000 Moskitos können dessen Richtung ändern.“ Haben Sie das<br />

Gefühl, dass das Nashorn Globalisierung seit her in die richtige<br />

Richtung läuft?<br />

Nein, natürlich nicht, sonst hätten wir solche Probleme wie<br />

Bilder oben: Bild 1: © The Elder; Bild 2 © UN Photo/Greg Kinch<br />

Bilder unten: Bild 1 © (San Diego): Eric Johnson/Esri; Bild 2,3: © Plant-for-the-planet<br />

2009<br />

Beginn der Kampagne<br />

mit Promis<br />

2018<br />

Baumpflanzen mit<br />

Prinz Albert von<br />

Monaco<br />

WIE MENSCHEN DIE WELT BEWEGEN<br />

23


Interview<br />

„Wichtig ist bloß:<br />

Jeder kann was tun!<br />

Findet ein Thema,<br />

das euch begeistert!“<br />

Verkehrslösungen kümmert, bleibt jedem selbst überlassen.<br />

Man kann aus einer Vielzahl von interessanten Themen wählen.<br />

Jeder kann mitmachen, deshalb haben wir ja auch so eine große<br />

globale Gemeinschaft von NGOs.<br />

Ist jeder ethisch verpflichtet, sich zu engagieren?<br />

Ja, ich sehe es schon als ethische Verpflichtung, auch wenn ich<br />

auf niemandem mit dem Finger zeige. Am Ende entscheidet<br />

jeder selbst. Es gibt so viele Bereiche, in denen Unterstützung<br />

nottut. Ganz gleich, wofür man sich engagiert, es bewirkt etwas.<br />

Wie sieht es mit der jüngeren Generation und ihrem Engagement<br />

aus?<br />

Ich denke schon, dass es unter den Jüngeren viel Engagement<br />

und Einsatzbereitschaft gibt. Die jungen Leute verbinden sich<br />

über die sozialen Netzwerke und sprechen wichtige Themen an,<br />

die zur Nachhaltigkeit gehören. Das sehe ich positiv. Allerdings<br />

ist die Entwicklung leider zweischneidig: Im Internet findet man<br />

Informationen zu allen Bereichen nachhaltiger Entwicklung und<br />

über die sozialen Netzwerke kann man sich mit Menschen aus<br />

aller Welt verbinden. Gleichzeitig wächst aber auch die Zahl an<br />

Hassbotschaften, Falschmeldungen und Unwahrheiten, was mir<br />

Sorge bereitet. Weder die Regierungen in aller Welt noch NGOs<br />

haben dafür bislang eine Lösung gefunden. Wie bekommt man<br />

das in den Griff, ohne die Freiheit, seine Meinung zu äußern,<br />

einzuschränken? Darauf habe ich keine Antwort. Ich weiß nur,<br />

dass es ein ernst zu nehmendes Problem darstellt.<br />

Was halten Sie von Felix Finkbeiners Initiative?<br />

Es zeigt, dass man immer etwas tun kann, und in seinem Fall<br />

sogar sehr viel. Von Felix können sich die Leute eine Menge<br />

abgucken. Großartig! Er ist wirklich ein tolle Beispiel dafür, was<br />

man mit Engagement und Herzblut erreichen kann.<br />

Was wäre Ihr persönlicher Appell?<br />

Engagiert euch! Macht etwas, was relevant<br />

ist für die Zukunft, die Gesellschaft und für<br />

die Welt. Jeder kann viel tun<br />

www.theelders.org<br />

Auf jeden Fall! Er sollte allerdings im Baumzähler auf unserer<br />

Website registriert werden. Jeder, der einen Baum pflanzt, kann<br />

ihn dort eintragen – vom Hobbygärtner bis zur chinesischen<br />

Regierung, die im Jahr übrigens 2,7 Milliarden Bäume pflanzt.<br />

Bald wird dieser Baumzähler sogar zu einer Art Uber fürs<br />

Bäumepflanzen: Er bringt Initiativen, die von Experten auf ihre<br />

Qualität eingeschätzt wurden, mit Menschen zusammen, die das<br />

Bäumepflanzen unterstützen möchten. Über unsere Plattform<br />

erfahren Interessierte, wie ihre Spende eingesetzt wird und was<br />

sie bewirkt.<br />

2012<br />

Rede for Bürgern<br />

in Warnemünde<br />

die Klimakrise nicht. Dennoch sollten wir die Probleme etwas<br />

differenzierter sehen. Wer die Globalisierung pauschal schlechtmacht,<br />

hat die gesamte Weltwirtschaft gegen sich. So können wir<br />

die Probleme auf keinen Fall lösen. Nur wenn wir alle gemeinsam<br />

daran arbeiten, kann es gelingen, dass das Nashorn in die<br />

richtige Richtung läuft.<br />

Zählt eigentlich ein frisch gepflanzter Apfelbaum im eigenen<br />

Garten auch zu der Billion Bäume?<br />

Was erwidern Sie Menschen, die sagen: „Ich allein kann nichts<br />

ändern“?<br />

Es gibt vieles, was eigentlich jeder umsetzen kann, zum Beispiel<br />

weniger Fleisch essen – einer der wertvollsten und einfachsten<br />

Beiträge. Oder viel bewusster einkaufen, öfter mal das Fahrrad<br />

nehmen – und natürlich Bäume pflanzen. Auf unserer Website<br />

kann man dafür spenden, dass in unserem Aufforsstungsprojekt<br />

Bäume gepflanzt werden. Das heißt<br />

für mich allerdings nicht, dass die Verantwortung im<br />

Kampf gegen die Klimakrise bei jedem Einzelnen<br />

liegt. Wenn wir das meistern wollen,<br />

dann schaffen wir das nur mit politischen<br />

Veränderungen.<br />

www.plant-for-the-planet.org<br />

24 <strong>seventeen</strong> <strong>goals</strong><br />

Bild 1: © Plant-for-the-planet


Eine Anzeige von Ärzte ohne Grenzen<br />

Ärzte ohne Grenzen<br />

im Einsatz gegen<br />

Müttersterblichkeit.<br />

Damit Frauen<br />

überleben<br />

Täglich sterben weltweit 800 Frauen während<br />

Schwangerschaft und Geburt.<br />

Ärzte ohne Grenzen will dazu beitragen,<br />

dies zu verhindern – auch mit neuen Ansätzen<br />

K<br />

ämpfe und Konflikte prägen vielerorts das Leben<br />

in der Demokratischen Republik Kongo – so wie in<br />

der Gegend um Masisi. „Viele schwangere Frauen<br />

machen sich hier spät auf den Weg ins Krankenhaus“, berichtet<br />

die Hebamme Stefanie Hofstetter von Ärzte ohne Grenzen.<br />

„Sie haben Angst und wollen sich so wenig wie möglich auf<br />

den Straßen aufhalten. Auch Vorsorgeuntersuchungen kommen<br />

deshalb zu kurz“, so Hofstetter, die zehn Monate vor Ort<br />

arbeitete. Zur schwierigen Sicherheitslage kommt hinzu, dass<br />

es in der Gegend ohnehin zu wenig medizinische Einrichtungen<br />

gibt. Dadurch müssen schwangere Frauen oft weite Wege<br />

auf sich nehmen – manche sind mehrere Tage unterwegs, bis<br />

sie ein Krankenhaus erreichen.<br />

In Masisi betreibt Ärzte ohne Grenzen ein Krankenhaus.<br />

Doch dies allein reichte nicht aus. Das Team errichtete direkt<br />

neben der Klinik ein Willkommensdorf für Schwangere.<br />

In mehreren Holzhütten können Frauen, die bereits wenige<br />

Wochen später entbinden werden und bei denen Risiken wie<br />

Mehrlingsgeburten oder Bluthochdruck hinzukommen, bis<br />

zur Geburt bleiben. So stellt das Team sicher, dass die Frauen<br />

stets medizinisch überwacht werden und im Notfall umgehend<br />

Hilfe bekommen – eine wichtige Ergänzung zur Arbeit<br />

im Krankenhaus.<br />

„Einmal kam eine hochschwangere Frau zu uns, die zwei<br />

Tage zu Fuß gelaufen war“, erinnert sich Stefanie Hofstetter.<br />

„Sie hatte bereits drei Kinder bei oder kurz nach der Geburt<br />

verloren und suchte Hilfe. Wir brachten sie im Willkommensdorf<br />

unter, denn ihr Bauch war sehr groß. Wir vermuteten<br />

eine Zwillingsschwangerschaft – ein Ultraschallgerät haben<br />

wir nicht“, erzählt die Hebamme. Nach zwei Wochen setzten<br />

die Wehen ein, doch weil die Kinder sich falsch gedreht<br />

hatten, musste das Team einen Kaiserschnitt vornehmen.<br />

„Die Überraschung war groß, als Drillinge zur Welt kamen“,<br />

so Hofstetter. „Nach zwei Wochen konnten wir sie gesund<br />

entlassen. Ohne unsere Hilfe hätten wahrscheinlich weder<br />

die Kinder noch die Mutter überlebt.“ Neben der medizinischen<br />

Versorgung leisten die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter<br />

in den Willkommensdörfern auch wichtige Informationsarbeit:<br />

Sie sprechen mit den werdenden Müttern über die<br />

Bedeutung des Stillens und andere Gesundheitsthemen wie<br />

Verhütung und Familienplanung. Denn wenn Frauen weniger<br />

Kinder bekommen, sinkt das Risiko von tödlichen Komplikationen<br />

während Schwangerschaft und Geburt. Die Vereinten<br />

Nationen haben es sich zum Ziel gesetzt, bis 2030 die Müttersterblichkeit<br />

weltweit signifikant zu senken: auf weniger<br />

als 70 Todesfälle bei 100.000 Geburten. Mit jährlich mehr<br />

als 280.000 begleiteten Geburten wird Ärzte ohne Grenzen<br />

weiterhin seinen Beitrag leisten, um den schwächsten Müttern<br />

und Kindern zu helfen.<br />

Bild 1: © Sandra Smiley/MSF, Bild 2: MSF<br />

WIE MENSCHEN DIE WELT BEWEGEN<br />

25<br />

Die Leiterin des Willkommensdorfes Agathe Farini Sena spricht<br />

nach der Morgenrunde mit den Frauen über Gesundheitsthemen<br />

Die Hebamme Stefanie Hofstetter untersucht eine schwangere<br />

Frau im Willkommensdorf von Ärzte ohne Grenzen<br />

Wir sind gerne für Sie da! Ärzte ohne Grenzen e.V.<br />

Sonja Röhrborn / Leitung Spenderservice<br />

Tel. +49 (0) 30 700130-136<br />

sonja.roehrborn@berlin.msf.org<br />

www.aerzte-ohne-grenzen.de


Nachhaltiger Konsum<br />

5 für 12<br />

Illustration JANEK VAN LESSEN<br />

Es ist nie zu spät, um die eigenen Konsumgewohnheiten zu überdenken.<br />

Hier stellen wir fünf Maßnahmen vor, die jeder sofort ergreifen kann, um Ziel 12 für<br />

nachhaltigen Konsum zu unterstützen. Schon mit kleinen Änderungen<br />

in der täglichen Routine lässt sich vieles erreichen. Und je mehr mitmachen ...<br />

1<br />

Weniger<br />

Fleisch geht<br />

immer<br />

Es muss ja nicht jeden<br />

Tag sein, aber weniger<br />

Fleisch zu essen, tut der<br />

Welt gut. Mit der App<br />

Vanilla Bean findet man<br />

vegetarische und vegane<br />

Restaurants in der<br />

Nähe. Und wer auch auf<br />

Reisen in Deutschland<br />

Wert auf Nachhaltigkeit<br />

legt, wird mit<br />

der App Such dich grün<br />

mit Tipps für Restaurants,<br />

Hotels, Märkte<br />

und mehr fündig.<br />

2<br />

Die Sofa-<br />

Bewegung<br />

Entspannt vom Sofa<br />

aus in den sozialen<br />

Medien unterwegs?<br />

Auch dann lässt sich<br />

etwas tun: Spannende<br />

Infos, die Ziel 12 betreffen,<br />

wie z.B. Postings<br />

über Plastikeinsparung,<br />

Energieeffizienz oder<br />

fairen Handel schnell<br />

mal teilen, nicht nur<br />

liken.<br />

3<br />

unterwegs<br />

& grün<br />

Immer mehr Unterkünfte<br />

bieten umweltund<br />

sozialverträgliche<br />

Urlaubserlebnisse an.<br />

Zwei Internetplattformen<br />

geben hier<br />

einen umfassenden<br />

Einblick ins Thema<br />

„nachhaltig reisen“:<br />

bookitgreen.com/de<br />

(bewertet Angebote) und<br />

goodtravel.de<br />

(hat handverlesene<br />

Reisen im Angebot).<br />

4<br />

Reparieren<br />

statt wegwerfen<br />

Kaputt, wegschmeißen,<br />

neu kaufen – oder einfach<br />

mal reparieren. So<br />

wie früher. Die Website<br />

reparatur-initiativen.de<br />

gibt einen guten<br />

Überblick über 600<br />

Repair-Cafés mit Adressen<br />

und Terminen<br />

und informiert, welche<br />

Art von Produkten zum<br />

jeweiligen Termin von<br />

versierten Hobbyhandwerkern<br />

wieder instand<br />

gesetzt werden.<br />

5<br />

5<br />

Vorräte<br />

plündern<br />

Der Küchenvorratsschrank<br />

wird immer<br />

voller? Dieselben<br />

Konserven sind seit<br />

Jahren Stammgäste? Da<br />

hilft nur Shelfcooking!<br />

Konsequent alles mal<br />

wegkochen und essen.<br />

So landet nichts Abgelaufenes<br />

in der Tonne<br />

und neue Rezepte<br />

entdeckt man gleich<br />

noch mit. Zum Beispiel<br />

bei restegourmet.de<br />

– die zutatenbasierte<br />

Rezeptsuche.<br />

3<br />

2<br />

1<br />

4<br />

26 <strong>seventeen</strong> <strong>goals</strong>


Ziele im Fokus: ein Beitrag des WWF<br />

Was haben Pandas<br />

mit der Klimakrise<br />

zu tun?<br />

Bild: © Sharon Fisher/ WWF<br />

Der WWF, das ist der Panda. Aber der Panda, der isst Bambus. Fast ausschließlich. Und deswegen<br />

ist er von der Klimakrise bedroht. Wird es wärmer, kommen Bambus und Panda vielleicht nicht mehr im<br />

gleichen Gebiet vor. Dann hat der Panda Probleme, Nahrung zu finden.<br />

Und nicht nur er: Die Dürre diesen Sommer hat uns gezeigt, wie schnell auch die Ernten bei uns<br />

rapide sinken können. Solche Dürren werden mit der Erderhitzung nur häufiger. Daher liegt dem<br />

WWF das Ziel 13 – Maßnahmen zum Klimaschutz – auch besonders am Herzen, stellvertretend für viele<br />

andere. Wenn wir unser Klima nicht endlich besser schützen, stehen auch zahlreiche der anderen Ziele<br />

auf dem Spiel: Die Klimakrise gefährdet das Leben an Land und in den Meeren, verschärft Konflikte,<br />

Hunger, Armut, erschwert den Zugang zu sauberem Trinkwasser – die Liste könnte noch viel länger sein.<br />

Daher kämpft der WWF für besseren Klimaschutz und so auch für Panda. Er – wie wir – ist nur Teil eines<br />

Systems, das aus dem Gleichgewicht zu geraten droht. Einen Schwerpunkt macht dabei unsere<br />

politische Arbeit aus. Denn der oder die Einzelne kann zwar den eigenen CO2 -Ausstoß reduzieren –<br />

unter der gefährlichen Schwelle von 2, besser noch 1,5 Grad zu bleiben, wie im Pariser Klimaabkommen<br />

beschlossen, schaffen wir aber nur als Gesellschaft. Dafür muss die Politik den richtigen Weg vorgeben.<br />

Und wir können sie dazu bewegen, indem wir gemeinsam die Stimme erheben – etwa mit unserer<br />

Petition www.wwf.de/kohlefrei.<br />

Daneben setzen wir Klimaschutz konkret um. Etwa, wenn wir in Indonesien den Wasserhaushalt der<br />

Moore mit Hilfe der Menschen vor Ort wiederherstellen, um CO2 zu binden, statt in die Atmosphäre<br />

zu entlassen. Oder wenn wir Unternehmen dabei unterstützen, sich klimaverträglich aufzustellen, um so<br />

auch die Wirtschaft nachhaltig und damit zukunftsfähig zu machen.<br />

WIE MENSCHEN DIE WELT BEWEGEN<br />

27


Ziele im Fokus: ein Beitrag des WWF<br />

Die Solar Sisters<br />

bringen ihrem Dorf in<br />

Myanmar das Licht<br />

Aktiv an vielen<br />

Fronten<br />

Der WWF kämpft gegen die Klimakrise –<br />

in der Politik, in der Wirtschaft und vor Ort.<br />

Drei Geschichten vom Klimaschutz<br />

Frauen-Power aus Myanmar<br />

Man nennt sie die Solar Sisters, denn sie brachten ihrem Dorf Hin<br />

Ka Pi im Süden Myanmars das Licht. Wie in vielen ländlichen<br />

Gegenden des Landes ist Strom hier Mangelware. Die wenige<br />

Energie, die es gibt, stammt aus stinkenden Dieselgeneratoren,<br />

die unzuverlässig arbeiten und die sich nur wenige leisten können.<br />

Fast zwei Drittel der Bevölkerung Myanmars haben keinen<br />

regelmäßigen Zugang zu Strom. In Hin Ka Pi war das nicht<br />

anders. Bis es ein einzigartiges Projekt erreichte.<br />

Mit Unterstützung des WWF wählte das Dorf fünf Bewohnerinnen,<br />

um sie im indischen Barefoot College zu Solartechnikerinnen<br />

auszubilden. Keine leichte Entscheidung für die<br />

Frauen, die bislang keinen Fuß in ein Flugzeug gesetzt hatten,<br />

geschweige denn sechs Monate von ihrer Familie getrennt waren.<br />

Aber eine, die sich gelohnt hat.<br />

Das Barefoot College bildet Frauen aus Entwicklungsländern<br />

aus, um einfache Solaranlagen zu installieren und zu warten.<br />

Weil viele von ihnen nie schreiben und lesen gelernt haben<br />

und sie aus ganz unterschiedlichen Teilen der Welt kommen,<br />

funktioniert die Verständigung meist über Zeichensprache.<br />

Die Bauanleitungen sind farblich gekennzeichnete Pläne im<br />

Comicstil.<br />

Mittlerweile haben die fünf Frauen aus Hin Ka Pi bereits<br />

235 Haushalte mit Strom versorgt. Der WWF finanzierte die<br />

ersten Solarpanels mit einer Art Mikrokredit. Die eingesparten<br />

Energiekosten z.B. für Diesel und Generatoren fließen in einen<br />

Fonds des Dorfes, aus dem weitere Anlagen finanziert werden.<br />

Noch in diesem Jahr wollen die Solar Sisters ihre Aktivitäten auf<br />

Nachbardörfer ausweiten.<br />

28 <strong>seventeen</strong> <strong>goals</strong><br />

Bild: © Hkun Lat/WWF Myanmar


Ein Versprechen von der Kanzlerin<br />

Es war eine Aussage mit Nachhall: „Wir werden Wege finden, wie<br />

wir bis 2020 unser 40-Prozent-Ziel einhalten. Das verspreche<br />

ich Ihnen.“ Das Versprechen galt Deutschlands Klimaziel, bis<br />

zum Jahr 2020 40 Prozent weniger Treibhausgase auszustoßen<br />

als 1990. Es wurde Lisa Storcks gegeben, die sich in der WWF-Jugend<br />

engagiert, seit sie zwölf ist. Und die im September 2017<br />

bei einer Wahlshow des ZDF zu Gast war, um Angela Merkel die<br />

entscheidende Frage zum Klimaschutz zu stellen.<br />

Ein Jahr später hat die Kanzlerin das Ziel – und damit auch<br />

ihr Versprechen gegenüber Lisa – kassiert, ohne jeden Ersatz.<br />

Lisa ist enttäuscht, aber nicht überrascht: Die Zeichen standen<br />

nicht gut, das Ziel überhaupt noch erreichen zu können. Seit<br />

neun Jahren ist Deutschlands CO2-Ausstoß konstant hoch. Passende<br />

Maßnahmen fehlen. Doch gerade die hätte das Versprechen<br />

nun nach sich ziehen müssen: „Für mich macht es einen<br />

großen Unterschied, ob man alles in seiner Macht Stehende tut<br />

und dann ein Ziel womöglich doch verfehlt oder ob man aufgibt,<br />

bevor man es überhaupt versucht hat“, sagt Lisa.<br />

Die 24-jährige Studentin aus Bochum hat jedenfalls nicht<br />

aufgegeben. Sie kämpft weiter für den Klimaschutz, etwa bei<br />

den Demonstrationen am 1. Dezember 2018 im Vorfeld der<br />

Weltklimakonferenz, bei denen sie die Bundesregierung an<br />

ihre Pflicht erinnern wird, die Erderhitzung aufzuhalten – damit<br />

auch künftige Generationen, Tiere und Pflanzen auf dieser Erde<br />

leben können. Mitstreitende, die die klimapolitische Arbeit der<br />

WWF-Jugend und des WWF aktiv oder finanziell unterstützen,<br />

kann sie dabei immer gut gebrauchen.<br />

Nachhaltig investieren<br />

Im Minutentakt reicht der Barista morgens den Kaffee in Keramik-Pfandbechern<br />

über den Tresen. Seit drei Jahren ist Schluss<br />

mit Plastik in der Münchner Zentrale der Allianz. Das Umtauschsystem<br />

schlägt sich positiv in der CO2-Bilanz nieder und<br />

gehört zu einem Klimaschutzprogramm des Versicherers, an<br />

dem auch WWF-Finanzexperte Matthias Kopp mitwirkt: Er berät<br />

das Unternehmen dabei, wie die Kapitalanlage der Versichertengelder<br />

nicht nur wie bisher nachhaltige Kriterien berücksichtigt,<br />

sondern bis 2050 konsequent klimaneutral ausgerichtet werden<br />

kann. „Wie Kapitalströme gelenkt werden, hat erheblichen<br />

Einfluss auf das Weltklima. Wir müssen sie in Einklang mit<br />

unseren planetaren Grenzen bringen“, erklärt Kopp. So sollen<br />

etwa kohlebasierte Geschäftsmodelle schrittweise auslaufen –<br />

und daneben soll natürlich der eigene ökologische Fußabdruck<br />

minimiert werden. Noch liegt viel Arbeit vor WWF und Allianz:<br />

Aussagekräftige Klimadaten sind ein neues Feld für Investoren.<br />

WWF-Aktivistin<br />

Lisa Storcks<br />

lässt nicht locker<br />

WWF-Finanzexperte<br />

Matthias<br />

Kopp will Geldströme<br />

grünen<br />

Bild 1: Lisa Storcks: © Markus Winkler/WWF Bild 2 Matthias Kopp: © Sonja Ritter/WWF<br />

Genau sie sind aber entscheidende Informationen für Anlagemanager,<br />

besonders für Versicherungsunternehmen mit<br />

langfristigen Anlagezielen, die abschätzen müssen, wie zukunftsfähig<br />

Unternehmen oder Projekt sind in die investiert<br />

werden soll: Ist das Geschäftsmodell auf Umweltrisiken wie<br />

Ressourcenknappheit und Regulierung von Treibhausgasemissionen<br />

ausgerichtet? Legt das Unternehmen eine Klimastrategie<br />

vor, die dem aktuellen wissenschaftlichen Stand entspricht?<br />

Dafür entwickelt das Projektteam von WWF und Allianz im<br />

Rahmen der Science Based Targets Initiative passende Methoden,<br />

an denen es bislang noch fehlte. Im besten Fall entstehen<br />

auf diese Weise marktfähige Analysestandards, mit denen die<br />

SDGs die globalen Märkte durchdringen.<br />

Aktiv werden: Sie können uns helfen, der Klimakrise die Stirn<br />

zu bieten und unsere Erde zu schützen. Wie, das erfahren Sie unter:<br />

www.wwf.de/aktiv-werden<br />

WIE MENSCHEN DIE WELT BEWEGEN<br />

29


Technologie<br />

Aus Smog<br />

wird Schmuck<br />

Mit einem Riesenstaubsauger-Turm holt der niederländische<br />

Erfinder Daan Roosegaarde Smogpartikel aus der Luft und verwandelt sie in<br />

kleine Juwelen. So schafft er saubere Luft, wo eigentlich keine ist<br />

Text KATHARINA FINKE<br />

30<br />

<strong>seventeen</strong> <strong>goals</strong>


Einer der sieben Meter hohen<br />

Smog-Free-Türme aus Aluminium<br />

steht in Rotterdam, andere<br />

Türme werden bereits erfolgreich in<br />

China und Polen eingesetzt<br />

WIE MENSCHEN DIE WELT BEWEGEN<br />

31


Technologie<br />

E<br />

infach mal Frischluft tanken – das ist in den meisten<br />

Großstadtzentren der Welt heute unmöglich. Grund<br />

dafür: die Luftverschmutzung. An einem schlechten<br />

Tag entspricht der Smog im Zentrum von London etwa dem<br />

Konsum von 70 Zigaretten. In Peking kann man nicht einmal<br />

mehr bis zur anderen Straßenseite gucken. Das wollte Designer<br />

Daan Roosegaarde nicht länger hinnehmen und machte sich auf<br />

die Suche nach einer Möglichkeit, den Smog in saubere Luft zu<br />

verwandeln.<br />

„Die meisten erklärten mich für verrückt“, erzählt der<br />

niederländische Erfinder, der sich davon nicht entmutigen ließ.<br />

Zusammen mit seinem Team vom Studio Roosegaarde, das er<br />

2007 gegründet hat, und der Technischen Universität Eindhoven<br />

entwickelte er eine entsprechende Technik: ein elektrostatisches<br />

Feld, das in einem Turm untergebracht ist und pro Stunde<br />

30.000 Kubikmeter versmogte Luft an sich zieht. „Quasi wie ein<br />

Riesenstaubsauger“, erklärt Roosegaarde. Der saugende Turm<br />

nimmt innerhalb von eineinhalb Tagen den Smog vom Volumen<br />

eines Fußballstadions auf und schafft so in seinem Umfeld – je<br />

nach Luftzirkulation – bis zu 70 Prozent saubere Luft.<br />

In London entspricht<br />

der Smog im Zentrum<br />

in etwa dem Konsum<br />

von 70 Zigaretten<br />

Der erste Smog-Free-Tower wurde mithilfe einer Kickstarter-<br />

Kampagne finanziert und 2015 neben der sogenannten Dreamfactory<br />

in Rotterdam, dem Sitz von Roosegaardes Designlab,<br />

aufgestellt. Danach ging der ambitionierte Kreative auf große<br />

China-Tour. „Ich überzeugte die Regierung in Peking, einen<br />

Turm für bessere Luft aufzustellen“, sagt der Daniel Düsentrieb<br />

der Nachhaltigkeit stolz. Schanghai, wo Roosegaarde eine Zweigstelle<br />

hat, sowie weitere chinesische Städte folgten. Seit Anfang<br />

des Jahres steht auch in Polen ein Smog-Free-Tower. In Indien,<br />

Mexiko und Kolumbien sollen die sieben Meter hohen technologischen<br />

Meisterstücke Ende des Jahres fertiggestellt werden.<br />

Und was passiert dann mit den gesammelten Smogpartikeln?<br />

Daraus werden Ringe gemacht. Gepresst und in einen<br />

kleinen Glaswürfel gefasst, kostet ein solches Kohlendioxid-<br />

Schmuckstück 250 Euro. Gekauft werden sie meist von Hochzeitspaaren<br />

oder anderen, denen die Zukunft des Planeten am<br />

Herzen liegt, weiß der Erschaffer. Seit Neuestem gibt es auch<br />

Manschettenknöpfe. Die Einnahmen werden wieder in Projekte<br />

investiert. Eines davon: das Smog-Free-Bicycle. Es funktioniert<br />

mit der gleichen Technik wie der Smog-Free-Tower: Verschmutzte<br />

Luft wird aufgesaugt und über eine Vorkehrung am Lenkrad<br />

gefiltert, sodass beim Fahren saubere Luft eingeatmet wird. Der<br />

Prototyp soll dieses Jahr fertig sein.<br />

Auch wenn das Smog-Free-Projekt weiter wächst, wird es<br />

die Probleme von heute, wie den Anstieg des Meeresspiegels,<br />

CO2-Emissionen und Luftverschmutzung, nicht lösen. Das ist<br />

Roosegaarde bewusst. „Aber ich will nicht auf die Veränderung<br />

warten, ich will sie selbst schaffen“, sagt der 39-Jährige, der sich<br />

mit einer Tennisballmaschine vergleicht, die Ideen statt Bälle<br />

ausspuckt. Damit diese Ideen verwirklicht werden können,<br />

braucht er Partner. Das sind Kommunen ebenso wie Unternehmen<br />

oder Museen. Sie finanzieren 60 Prozent der Projekte,<br />

die anderen 40 Prozent finanziert das Studio Roosegaarde in<br />

Eigenregie.<br />

So entstand unter anderem der Van Gogh Path in Eindhoven,<br />

der aus 50.000 fluoreszierenden Steinchen besteht und ohne<br />

Energieverbrauch Radfahrern in der Dunkelheit den Weg<br />

weist. Oder Waterlicht, eine Installation, die den Anstieg des<br />

Meeresspiegels mit blauem Licht simuliert. Derzeit arbeitet<br />

Roosegaarde an weiteren Projekten, die sich vor allem der<br />

Biotechnologie bedienen, wie Gates of Light, ein Beispiel für<br />

eine energieneutrale Landschaft, die Prismen nutzt, um das<br />

Licht von Fahrzeugen zu reflektieren. Sein Space Waste Lab<br />

widmet sich dem Smog im All. Der Künstler wünscht sich, dass<br />

aus seiner Arbeit in Zukunft eine Bewegung entsteht:<br />

„Lasst uns gemeinsam Technologie und Kreativität nutzen,<br />

um die Welt zu verändern, und statt in Problemen lieber in<br />

Vorschlägen denken.“<br />

Mitmachen: Ob Städte, Kommunen oder Museen –<br />

überall können Roosegaardes Türme eingesetzt werden<br />

und so ihr Umfeld smogfrei halten.<br />

www.studioroosegaarde.net<br />

32 <strong>seventeen</strong> <strong>goals</strong><br />

Foto: © Studio Roosegarde


Going Green<br />

Der Keen-Effekt Mehr und mehr Unternehmen<br />

setzen Nachhaltigkeitsstrategien um und zeigen, dass verant-<br />

wortungsvolles unternehmerisches Handeln zukunftsfähig ist. So wie<br />

Keen: Dem Outdoor-Schuhhersteller steckt der Schutz von Umwelt und<br />

Natur in den Unternehmensgenen. Drei Fragen an Chris Enlow<br />

Was war bei Keen der Auslöser, nachhaltig<br />

wirtschaften zu wollen?<br />

Das war der verheerende Tsunami im<br />

Indischen Ozean 2004. Keen war damals<br />

erst ein Jahr alt und spendete sein Werbebudget<br />

von einer Million US-Dollar für<br />

die Katastrophenhilfe. Bis heute ist dieser<br />

„Keen-Effekt“ unsere Unternehmensphilosophie:<br />

etwas zurückgeben, aktiv werden,<br />

den eigenen negativen Einfluss auf die<br />

Umwelt minimieren. Wir möchten zeigen,<br />

dass ein nachhaltiges unternehmerisches<br />

Handeln und die Verwirklichung der eigenen<br />

Werte auch zu geschäftlichem Erfolg<br />

führen können.<br />

Welchen besonderen Herausforderungen<br />

sind Sie begegnet?<br />

Ein Beispiel: PFC. Das sind Chemikalien,<br />

die Kleidung wasserabweisend machen.<br />

Sie sind zwar sehr effektiv, aber nicht umweltfreundlich.<br />

Es war eine echte Herausforderung,<br />

sie zu ersetzen, aber wir haben<br />

es geschafft. Nach fast vier Jahren intensiver<br />

Forschung und Aufklärungsarbeit<br />

entlang unserer Lieferkette sind 95 Prozent<br />

unserer Schuhe mittlerweile PFC-frei.<br />

Was tun Sie, um auch andere Unternehmen<br />

für nachhaltiges Handeln zu begeistern?<br />

Wenn wir eine dauerhafte Veränderung<br />

erreichen möchten, ist Teamwork nötig.<br />

KEEN ist in sehr vielen Verbänden und<br />

Arbeitsgruppen mit anderen Outdoor-Unternehmen<br />

aktiv und Gründungsmitglied<br />

der Non-Profit-Koalition „It’s Great Out<br />

There“. Es bedarf überzeugender Beispiele,<br />

die anderen Unternehmen aufzeigen,<br />

dass Nachhaltigkeit als Geschäftsgrundlage<br />

operationalisiert werden kann und<br />

zugleich mit der Marke auch Erlebnisse<br />

und Werte für den Endverbraucher geschaffen<br />

werden können, die wiederum<br />

Nachhaltigkeit fördern. Veränderung kann<br />

stattfinden, wenn man aktiv wird.<br />

www.keenfootwear.com<br />

Chris Enlow,<br />

CSR-Direktor des<br />

Unternehmens<br />

PUBLIKATIONEN Ja, ich möchte gerne mehr erfahren und bestelle kostenfrei die angekreuzten Publikationen:<br />

Bitte ankreuzen:<br />

Ärzte ohne<br />

Grenzen<br />

Unsere weltweite Nothilfe<br />

SOS-KINDERDORF E.V.<br />

Schenken Sie Kindern,<br />

Jugendlichen und Familien<br />

eine positive Zukunft<br />

M 01 WWF<br />

M 02 ÄRZTE OHNE M 03 WELTHUNGERHILFE M 04<br />

WWF und LichtBlick werfen<br />

GRENZEN E.V.<br />

Der Welthunger-Index zeigt<br />

einen umfassenden<br />

Informationen über unsere<br />

aktuelle Entwicklungen<br />

Blick auf die Kohlewirtschaft<br />

weltweite Nothilfe<br />

in der Hungerbekämpfung<br />

Vorname<br />

Straße<br />

Name<br />

Hausnummer<br />

WEGE ZUR BESTELLUNG:<br />

E-Mail:<br />

anja.seidler@projekt17.net<br />

PLZ<br />

Telefon<br />

Datum<br />

Ort/Stadt<br />

E-Mail<br />

Unterschrift<br />

Postanschrift:<br />

Projekt 17, Anja Seidler,<br />

Luruper Chaussee 125,<br />

Haus 8 Süd,<br />

22761 Hamburg


Places of Change<br />

Der Wandel ist unaufhaltsam – überall in Deutschland gibt<br />

es großartige Orte, wo Menschen im Sinne der<br />

Nachhaltigkeitsziele agieren. Hier stellen wir einige vor:<br />

FTZ-NK, HAW Hamburg<br />

Das Forschungs- und Transferzentrum<br />

für Nachhaltigkeit & Klima unterstützt<br />

gemeinsam mit seinem internationalen<br />

Netzwerk und seinen Forschungsprojekten<br />

die Umsetzung der SDGs und sucht<br />

nach nachhaltigen Lösungen für die<br />

Anpassung an den Klimawandel.<br />

+<br />

HAMBURG<br />

Nachhaltige<br />

Urlaubsregion<br />

In einer der am dünnsten besiedelten<br />

Regionen Deutschlands mit ausgedehnten<br />

Naturschutzgebieten setzen viele<br />

Gastgeber und Gemeinden nachhaltige<br />

Konzepte konsequent um.<br />

www.tourismus-uckermark.de<br />

+<br />

LÜNEBURG<br />

+<br />

UCKERMARK<br />

GLS Bank<br />

Die erste sozial-ökologische Bank der Welt.<br />

Seit 1974 ist hier Geld für die Menschen da.<br />

Und seitdem ist sie die Referenz für nachhaltiges<br />

Banking – mit allen Leistungen<br />

einer zukunftsweisenden Bank: vom Girokonto<br />

bis zu Beteiligungen und Schenkungen.<br />

Das macht Sinn!<br />

+<br />

+<br />

BONN<br />

BOCHUM<br />

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DARMSTADT<br />

Global Festival of Action<br />

Unterstützer der SDGs aus der ganzen Welt<br />

kommen vom 2. bis 4. Mai 2019 zum dritten<br />

Global Festival of Action am UN Campus in<br />

Bonn. Toll zu sehen, was weltweit passiert.<br />

www.globalfestivalofaction.org<br />

Leuphana Universität<br />

Die Fakultät Nachhaltigkeit will mit ihrem<br />

Studienmodell zur Bewältigung der aktuellen<br />

Herausforderungen beitragen und<br />

die Gesellschaft zukunftsfähig gestalten.<br />

www.leuphana.de<br />

MÜNCHEN<br />

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Container in gut<br />

Tschüss Metall, hallo Holz: Mit mobispace®<br />

entstehen schnell Gebäude, wie Schulen,<br />

die danach – an einem neuen Ort – zu Büros<br />

oder Rathäusern werden. Für zwei bis<br />

200 Jahre – hochwertig und nachhaltig.<br />

Container in gut also.<br />

www.mobispace.de<br />

LEIPZIG<br />

Eine Kooperation von<br />

EY Public Value Award<br />

for Start-ups<br />

Hier werden junge Unternehmen<br />

ausgezeichnet, die sich mit ihren<br />

Gründungsideen den gesellschaftlichen<br />

Fragestellungen unserer Zeit stellen<br />

und ihre Innovationskraft nutzen,<br />

um diese zu lösen. Die besten<br />

Bewerber pitchen jeweils im Herbst<br />

live vor Publikum.<br />

www.eypva.com<br />

Oekom Verlag<br />

Oekom konzentriert sich auf Themen<br />

wie Klimaschutz, nachhaltiger Umgang<br />

mit natürlichen Ressourcen oder<br />

Schutz der Artenvielfalt, sowie zentrale<br />

Herausforderungen für Politik,<br />

Wirtschaft und Gesellschaft.<br />

www.oekom.de<br />

IMPRESSUM SEVENTEEN GOALS<br />

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HERAUSGEBER<br />

Projekt17 GbR<br />

Büro Berlin: Motzstr. 63,<br />

10777 Berlin<br />

Büro Hamburg: Luruper Chaussee 125,<br />

Haus 8 Süd, 22761 Hamburg<br />

KONZEPTION<br />

Projekt17 GbR<br />

REDAKTION<br />

Projekt17 GbR<br />

redaktion@projekt17.net<br />

CHEFREDAKTION<br />

Iris Rodriguez<br />

iris.rodriguez@projekt17.net<br />

ART DIRECTION<br />

André Wyst, Berlin<br />

MITARBEITER DIESER AUSGABE:<br />

Inhalte: Benita von Behr,<br />

Stephanie, Eichler,<br />

Edda Jonsdottir, Katharina<br />

Finke, Petra Knese<br />

Bilder: Gregor Hohenberg,<br />

Kerstin Jacobsen,<br />

Janek van Lessen<br />

ANZEIGEN<br />

Projekt17 GbR<br />

Luruper Chaussee 125,<br />

Haus 8 Süd,<br />

22761 Hamburg<br />

Kontakt: Anja Seidler,<br />

Tel. 040 55422617<br />

anja.seidler@projekt17.net<br />

PRODUKTION<br />

Werbeproduktion Bucher, Berlin<br />

DRUCK<br />

Mohn media Mohndruck GmbH,<br />

Gütersloh<br />

100 % Recyclingpapier<br />

Inhalt: Charisma Silket<br />

Umschlag: Circle Matt<br />

34 <strong>seventeen</strong> <strong>goals</strong>


GEORGE<br />

NDUBI,<br />

KENIA<br />

Als Betreiber eines Solarparks<br />

versorgt er eine<br />

ganze Region mit sauberem<br />

und verlässlichem Strom<br />

und schafft Arbeitsplätze.<br />

© Thomas Imo/Phototek<br />

EDNA<br />

BOAFO,<br />

GHANA<br />

Als Schulleiterin in einem<br />

B er u fs bi l d un gsze ntr um i n<br />

Accra bildet sie junge Frauen<br />

und Männer in technischen<br />

Berufen aus.<br />

© Thomas Imo/Phototek<br />

NACHHALTIGKEIT HAT VIELE GESICHTER –<br />

WIR UNTERSTÜTZEN MENSCHEN WELTWEIT.<br />

Wir leben in einer Welt – jeder von uns trägt Verantwortung.<br />

Der Beitrag der Entwicklungspolitik<br />

zur Agenda 2030: Eine Welt ohne Hunger. Globalisierung<br />

gerecht gestalten. Klima schützen und<br />

Ressourcen bewahren. Fluchtursachen bekämpfen.<br />

SHEILA<br />

KAUWENJE,<br />

MALAWI<br />

Als lokale Beraterin<br />

unterstützt sie Kleinbäuerinnen<br />

und -bauern,<br />

ihre Felder umweltschonend<br />

zu bewässern.<br />

MEHR INFORMATIONEN:<br />

bmz.de/marshallplan<br />

bmz.de/ernaehrung<br />

bmz.de/berufsbildung<br />

bmz.de/sdg<br />

© Joerg Boethling


TSCHAD © Sebastian Bolesch<br />

MIT IHRER HILFE RETTET<br />

ÄRZTE OHNE GRENZEN LEBEN.<br />

WIE DAS DER KLEINEN ALLERE FREDERICA AUS DEM TSCHAD: Das Mädchen ist plötzlich schwach und<br />

nicht mehr ansprechbar. Sie schläft zwar unter einem Moskitonetz. Dennoch zeigt der Schnelltest,<br />

dass sie Malaria hat – die von Mücken übertragene Krankheit ist hier eine der häufigsten Todesursachen<br />

bei kleinen Kindern. Ärzte ohne Grenzen behandelt die Zweijährige, bis sie wieder gesund<br />

ist und nach Hause kann. Wir hören nicht auf zu helfen. Hören Sie nicht auf zu spenden.<br />

Spendenkonto:<br />

Bank für Sozialwirtschaft<br />

IBAN: DE 72 3702 0500 0009 7097 00<br />

BIC: BFSWDE33XXX<br />

www.aerzte-ohne-grenzen.de/spenden

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