blu Oktober 2018
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MUSIK<br />
NACHGEFRAGT<br />
GUTE NEUIGKEITEN<br />
AUS IRLAND<br />
FOTO: RICH GILLIGAN<br />
Im Zeitalter von Trump<br />
und Brexit, von AfD und<br />
Wahlsiegen und Aufmärschen<br />
rechter Populisten freut man sich<br />
über jede Nachricht, die dem Trend<br />
entgegensteht – wie als vor einigen<br />
Wochen Irland der Katholischen<br />
Kirche und Leuten, die anderen<br />
Leuten vorschreiben wollen, was<br />
sie mit ihrem Körper zu tun haben,<br />
in ihre Schranken verwiesen hat.<br />
Die Iren haben mit satter Mehrheit<br />
Abtreibung legalisiert.<br />
„Und 2015 haben wir ja auch endlich die<br />
Gleichheit der Ehe bekommen, schon<br />
das war ein riesiger Umschwung“, erklärt<br />
Conor J. O‘Brien. Der Kopf der Villagers<br />
ist stolz auf diese Entwicklungen. „Die<br />
neue Generation hat ihre Ansprüche<br />
angemeldet – und durchgesetzt. Wir<br />
holen uns das Land von der Kirche und<br />
drängen ihren Einfluss zurück.“ Für diese<br />
Entwicklung steht Conor exemplarisch,<br />
denn auch er begann als Katholik und<br />
fiel nach und nach vom Glauben ab. „Es<br />
gibt eine grundsätzliche Bewegung hin<br />
zu Humanismus und Agnostizismus. Sei<br />
einfach gut zu deinem Nächsten, ohne<br />
Drohungen der Kirche.“<br />
Natürlich hat sich Irland auch in anderen<br />
Bereichen gewandelt. Wo es früher eine<br />
kleine Musikszene gab, die sich – wenn es<br />
nicht um Folk ging – fast nur auf Dublin<br />
konzentrierte, blüht heute das ganze<br />
Land und präsentiert viele Stile. „Noch<br />
2000 bedeutete Musik in Irland, jemand<br />
spielt eine akustische Gitarre. Das machte<br />
man eben so. Jetzt gibt es so viel … zur<br />
Zeit kommt gerade eine unglaubliche<br />
Rap-Szene zum Vorschein mit großartigen<br />
Rappern, richtig guten Produzenten.<br />
Es gibt sehr guten Techno und fantastischen<br />
Ambient. Und tollen Rock.“<br />
Das zeigt auch gleich die Offenheit von<br />
Conors Musikgeschmack, selbst wenn<br />
seine Band als Indie-Folk geführt wird.<br />
Und zuhause gehen die Villagers immer<br />
praktisch automatisch auf Platz eins,<br />
obwohl nichts an ihren Liedern auf Erfolg<br />
getrimmt ist. „Mein Manager ist ein<br />
bisschen obsessiv wegen der Platzierungen<br />
– er hat jetzt schon gecheckt, was<br />
noch an unserem Release Date erscheinen<br />
wird. Er macht sich ein wenig Sorgen<br />
wegen Christine and the Queens“, lacht<br />
Conor. Wenn man „The Art of Pretending<br />
to Swim“ hört, ist klar, dass Conor solche<br />
Fragen nicht durch den Kopf gehen. Er<br />
hat mit seiner Band Musik aufgenommen,<br />
die auch ihre Fans nicht einfach<br />
mit Comfort-Food bedient. Es ist ein<br />
Album, das sich mit all den Problemen<br />
der neuen schönen sozialen Medienwelt<br />
auseinandersetzt und all ihren Widersprüchen<br />
– Conor ist z.B. selbst begeistert auf<br />
Twitter unterwegs. „Ich hatte aufgehört,<br />
Bücher zu lesen, weil ich ständig mein<br />
Handy checkte. Mein Gehirn funktionierte<br />
nicht mehr ordentlich. Erst als ich wieder<br />
las, begriff ich, dass ich das Leben eines<br />
Abhängigen geführt hatte. Ich drückte<br />
einen Knopf für meinen Dopaminrausch<br />
als wäre es Heroin.“ Aber er hat es in<br />
den Griff bekommen, auch durch die<br />
Musik, indem er mit neuem, elektronischem<br />
Grundklang die positive Seite der<br />
Technik gelebt hat. „Ich wollte, dass alles<br />
auf einem Groove basiert. Mein Körper<br />
hat beim Machen nie still gestanden.“<br />
Letztlich hatte er also noch eine gute<br />
Nachricht aus Irland für uns – man kann<br />
von seiner Handysucht wieder loskommen!<br />
*fis