asphalt 06/18
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Meinung<br />
1<br />
Für eine ehrliche<br />
Zuwanderungspolitik<br />
Susanne Gräfin Kesselstatt, geschäftsführende Gesellschafterin<br />
J. Friedrich Storz Verkehrswegebau GmbH & Co KG<br />
„Sage mir, Muse, die Taten des vielgewanderten Mannes …“ – wir alle kennen diesen wunderbaren<br />
Vers, mit dem die Odyssee beginnt. Die dramatische Irrfahrt durchs Mittelmeer schlägt Menschen seit<br />
über zweieinhalbtausend Jahren in Bann.<br />
Die heutigen Nachrichten von dort schlagen uns auch in Bann – aber selten faszinieren sie uns. Wer als<br />
Migrant übers Mittelmeer zu uns kommt, erhält hier keine königlichen Gastgeschenke. Er oder sie werden<br />
Teil von Verfahren, welche unser Rechtsstaat vorsieht für Menschen, die aus den unterschiedlichsten<br />
Gründen ihre Heimat verlassen: als Verfolgte, als Flüchtlinge, als Migranten. Eine unübersichtliche<br />
Regelungslandschaft. Paradox: Einerseits brauchen wir Zuwanderung nach Deutschland wegen<br />
unseres Arbeitskräftemangels, zumal in der Bauwirtschaft. Wir brauchen Werktätige, die in die Sozialsysteme<br />
einzahlen und so ihre und unsere Zukunft sichern. Und wir wünschen uns, dass sich Menschen<br />
aus anderen Erdteilen bei uns integrieren. Wie ginge das besser als am Arbeitsplatz?<br />
Sicher – nicht alle wollen oder können hier arbeiten, wie sie und wie wir es gewohnt sind. Vielfach<br />
mangelt es an Qualifikation, dann an Sprachkenntnissen. Straßen baut man hierzulande mit modernsten<br />
Maschinen, digital gesteuert und vernetzt. Aber denjenigen, die hierbleiben und mit uns etwas aus<br />
sich machen wollen, als Auszubildende oder als gewerbliche Mitarbeiter, sollten wir nicht die Tür<br />
weisen. Sie sind diejenigen, die wir insbesondere in unserer Branche brauchen, die zupacken und sich<br />
nicht für die harten Jobs im Verkehrswegebau zu schade sind.<br />
Viele Unternehmen – auch unser familiengeführtes – haben in den vergangenen Jahren Geflüchtete<br />
aufgenommen, zahlreiche aus Afrika, mit Duldungen, um so besser dem akuten Fachkräftemangel und<br />
dem demografischen Wandel zu begegnen. Vielen dieser Kollegen droht jetzt die Abschiebung. Sind<br />
es wirklich diese Menschen, welche eine Abschiebung verdienen? Diejenigen, die sich nach weislich<br />
integrieren, unsere Sprache erlernen und sich hier eine Existenz aufbauen wollen? Die wir als Kollegen<br />
schätzen gelernt haben und die wir als Steuer- und als Beitragszahler dringend benötigen? Bestrafen<br />
wir da nicht die Falschen, und unsere Firmen noch dazu? Gut 100 mittelständische Unternehmen vom<br />
Bodensee und aus Oberschwaben – quer durch alle Branchen – wollten helfen bei der politisch<br />
gewünschten Integration und wurden enttäuscht. Sie haben sich in diesem Jahr zusammengetan und<br />
bei ihrer Landesregierung protestiert – mit erheblicher Medienwirkung. Ihre Kritik: Es darf nicht sein,<br />
dass sich mehr oder weniger auf Landkreisebene entscheidet, ob jemand abgeschoben wird oder<br />
nicht. Inzwischen findet das Thema auch bundespolitisch Beachtung – gut so!<br />
Wir brauchen endlich einfache, verständliche und verbindliche Regelungen für die Zuwanderung zu<br />
uns. Regeln, die verständlich sind für Deutsche und für Menschen, die zu uns kommen wollen. Die sollten<br />
nämlich nachvollziehen können, ob sie eine Perspektive haben oder nicht. Wir sollten endlich<br />
zugeben: Deutschland ist als wirtschaftsstarke Nation sehr attraktiv für Arbeitswillige aus ärmeren Ländern.<br />
Warum geben wir einigen von ihnen nicht die Chance, bei uns und mit uns ihr Glück zu machen?<br />
Warum sind wir nicht großzügig und wagen einen Neuanfang in unserer Zuwanderungspolitik?<br />
Miteinander arbeiten hat immer zu einem friedlichen Miteinander geführt. Das war schon zu Odysseus‘<br />
Zeiten so, und das sollte auch künftig so bleiben.<br />
Quelle: Storz<br />
Herzlichst Ihre<br />
Susanne Gräfin Kesselstatt<br />
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