Berliner Kurier 02.10.2018
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*<br />
POLITIK<br />
Solangsam kommt die<br />
sächsische Justiz auf<br />
Touren: Erst die Ruck-zuck-<br />
Verfahren („Hitlergruß“),<br />
jetzt die Razzia gegen die im<br />
Aufbau begriffene Terrorgruppe<br />
„Revolution Chemnitz“.<br />
Der Staat beginnt, klare<br />
Kante zu zeigen. Das ist<br />
gut so. Es ist aber auch<br />
höchste Zeit. Denn längst<br />
haben sich Fußball-Hooligans<br />
mit Skinheadsund<br />
Neonazis vernetzt.Dazu<br />
kommt das engeGeflecht<br />
zwischen der Identitären<br />
Bewegung, den Hetzern von<br />
Pegida, dem neurechten<br />
Netzwerk „Ein Prozent“,<br />
der rechten Zeitschrift<br />
„Compact“.Und dann, quasi<br />
als politischer Arm, die AfD.<br />
Das rechte Hass-Geflecht<br />
flößt Angstein. Es besteht<br />
eben nicht nur aus pöbelnden<br />
Dumpfbackenmit dem<br />
IQ knapp oberhalb einer<br />
Bierdose. Seitdemdie Beobachtung<br />
durch den Verfassungsschutz<br />
im Gespräch<br />
ist, bemühen sich Gauland<br />
und Co. um eine Abgrenzung<br />
zum Extremismus.Ein<br />
leicht zu durchschauendes<br />
Manöver. Vermutlich sind<br />
die jetzt festgenommenen<br />
Terrorverdächtigen unlängst<br />
noch Seit’ an Seit’ mit<br />
der AfD durch Chemnitz<br />
marschiert.<br />
JerryBrown<br />
MEINE<br />
MEINUNG<br />
Der Gouverneur von Kalifornien<br />
greift zu drastischen<br />
Maßnahmen, damit<br />
mehr Frauen in die Führungsetagen<br />
von Konzernen<br />
einrücken.<br />
Brown<br />
unterzeichnete<br />
ein Gesetz,<br />
das<br />
eine<br />
Frauenquote vorschreibt.<br />
Andernfalls drohen Bußgelder<br />
von bis zu 300000<br />
Dollar. Betroffen sind unter<br />
anderem Apple, Google und<br />
Facebook, die ihren Sitz in<br />
Kalifornien haben.<br />
Foto: picturealliance<br />
Von<br />
Dierk<br />
Rohwedder<br />
Spitze des rechten<br />
Hass-Geflechts<br />
MANN DES TAGES<br />
Terror vonrechts:<br />
Sieben Festnahmen<br />
Chemnitz: Eine Neonazi-„Bürgerwehr“ plante Blutbad am Tagder Einheit<br />
Chemnitz – Sie planten ein<br />
grausames Blutbad in<br />
Deutschland. In Sachsen und<br />
Bayern wurden sieben Männer<br />
aus der Rechtsradikalenszene<br />
festgenommen. Sie sollen<br />
die terroristische Vereinigung<br />
„Revolution Chemnitz“<br />
gebildet und Angriffe<br />
auf Ausländer am 3. Oktober,<br />
dem Tag der Deutschen Einheit,<br />
geplant haben. Und sie<br />
wollten weiter morden.<br />
Der Rädelsführer Christian K.<br />
(31) wurde bereits vor zwei<br />
Wochen festgenommen. Er<br />
sitzt seitdem wegen Verdachts<br />
auf besonders schweren Landfriedensbruch<br />
in U-Haft. Gestern<br />
früh durchsuchten rund<br />
100 Beamte der sächsischen<br />
Polizei mehrere Wohnungen<br />
in Sachsen und Bayern. Laut<br />
Generalbundesanwalt gehören<br />
die beschuldigten Sten E.,<br />
Martin H., Marcel W., Sven W.,<br />
Hardy W. und Tom W. im Alter<br />
zwischen28und 30 Jahren<br />
zur Hooligan-, Skinhead- und<br />
Neonazi-Szene. Sie hätten sich<br />
Ein weiterer Terrorist aus der Terrorgruppe, die jetzt aufflog.<br />
am 11. September, zwei Wochen<br />
nach den gewaltsamen<br />
Ausschreitungen in Chemnitz,<br />
zur Terrorgruppe zusammengeschlossen.<br />
Die Mitglieder sollen versucht<br />
haben, sich Schusswaffen<br />
zu besorgen. Die Ermittler<br />
gehen davon aus, dass die<br />
Gruppe Attacken auf Journalisten,<br />
Parteipolitiker und „Angehörige<br />
des gesellschaftlichen<br />
Establishments“ planten,<br />
so die Süddeutsche Zeitung“.<br />
Ein verdächtiger<br />
Terrorist wird<br />
nach seiner<br />
Ankunft beim<br />
BGH in Karlsruhe<br />
abgeführt.<br />
Das Ziel der Terroristen: Der<br />
rechtsradikale Umsturz der Republik.<br />
Die Gruppe sah sich als Elite<br />
der rechten Szene, heißt es aus<br />
Ermittlerkreisen. Aus abgehörten<br />
Telefonaten und ginge hervor,<br />
dass die Mitglieder am 3.<br />
Oktober, dem Tag der Deutschen<br />
Einheit, losschlagen<br />
wollten. Für die geplante Tat<br />
gab es laut Ermittlung eine Art<br />
„Probelauf“: Fünf der Männer<br />
sollen am 14. September als<br />
Fotos: dpa<br />
„Bürgerwehr“ auf der Schlossteichinsel<br />
in Chemnitz mehrere<br />
Ausländer eingekreist, beschimpft,<br />
angegriffen und verletzt<br />
haben. Ein Opfer wurde<br />
durch den Wurf einer Glasflasche<br />
am Hinterkopf verletzt.<br />
Die Gruppe wollte mehr<br />
Angst und Schrecken verbreiten<br />
als die bislang gefährlichste<br />
Terrorgruppe, der Nationalsozialistische<br />
Untergrund (NSU).<br />
Deren Mitglieder, Uwe Mundlos,<br />
Uwe Böhnhardt und Beate<br />
Zschäpe, hatten zehn Menschen<br />
ermordet, Bomben gelegt.<br />
Für die Mitglieder der „Revolution<br />
Chemnitz“ wäre die<br />
NSU nur eine „Stümpertruppe“<br />
gewesen, berichtet die „Süddeutsche<br />
Zeitung“.<br />
Innenminister Horst Seehofer<br />
(CSU) begrüßte die Festnahmen.<br />
„Das ist die Realisierung<br />
unseres Grundsatzes ,Null<br />
Toleranz gegenüber Rechtsradikalen<br />
und Rechtsextremisten‘“.<br />
Seehofer warnte vor einer<br />
unverändert hohen Terrorgefahr,<br />
nannte aber keine Details.<br />
ROH