seventeen goals #1
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Nr.
02
seventeen
goals
Eine Sonderbeilage von Projekt 17
in Kooperation mit dem Zeitverlag
Wie Menschen die Welt bewegen
ANGELINA JOLIE
Einsatz jenseits
von Hollywood
KUNST AUS LEIPZIG
Bilder von einer
anderen Welt
MOBILITÄT
Die Welt ist aufs
Rad gekommen
Editorial
2.616 Kilometer
Engagement
Die Läuferin und Aktivistin Mina Guli lief in 62 Tagen 62 Marathons,
um auf die die globale Wasserkrise aufmerksam zu machen.
Was sie antreibt: Seite 29
Liebe Leserin, lieber Leser,
„Das habe ich noch nie vorher versucht ... also bin ich völlig
sicher, dass ich es schaffe.“ Diese erfrischend zuversichtlichen
Worte stammen vom wohl berühmtesten Mädchen der Welt:
Pippi Langstrumpf. Mutig und voll Vertrauen in die eigene
Stärke hat Pippi immer wieder Neues gewagt. Obwohl Astrid
Lindgren ihr diese Worte schon vor über 60 Jahren in den Mund
legte, ist die Haltung, die dahintersteht, heute wichtiger denn je.
In den 17 Zielen für nachhaltige Entwicklung kommt diese
Haltung zum Tragen. Es war ein historischer Beschluss, als
sich im September 2015 in New York 193 Staaten einigten, die
großen Herausforderungen, vor denen wir stehen, anzugehen.
Dieser ehrgeizigste Plan der Weltgemeinschaft ist verknüpft
mit dem Gedanken: Gemeinsam können wir es schaffen. Die
Nachhaltigkeitsziele berücksichtigen ökologische, ökonomische
und soziale Aspekte. Um sie zu erreichen, muss viel getan
werden – vieles anders, das meiste zum ersten Mal.
Dazu braucht es nicht nur Staats- und Regierungschefs,
die umdenken, sondern jeden Einzelnen. Es braucht positive
Beispiele, die inspirieren, und gute Nachrichten, die motivieren.
Als Herausgeber dieses Magazins sind wir täglich über
Nachhaltigkeit im Gespräch und spüren: Hinter den 17 Zielen
stehen Themen, die die Menschen begeistern und in denen sie
wahren Sinn sehen. Nachhaltigkeit erzeugt Optimismus.
Und weckt Lust, mitzumachen, zum Wandel beizutragen.
Darum erzählt seventeen goals Geschichten von Menschen,
die auf sehr unterschiedliche Art die Welt bewegen. Und zeigt
gleichzeitig viele Wege auf, wie jeder im Rahmen der eigenen
Möglichkeiten zum Wandel beitragen kann. Warum nicht
einfach mal Dinge tun, die man noch nie versucht hat? Eine
vegetarische oder vegane Woche einlegen, bei einem Clean-up
mitmachen, für das Klima demonstrieren oder eine Petition
unterschreiben, ein faires Konto bei einer Nachhaltigkeitsbank
eröffnen oder nach Siegeln fairer Produktion beim Kleiderkauf
schauen. Wir brauchen mehr Pippi-Langstrumpf-Denker. Ihre …
Iris Rodriguez,
Chefredakteurin
Partnerschaften zur Erreichung der Ziele
Keine Armut
Bild: © Mina Guli
Bild: © Gregor Hohenberg titelmotiv: © UNHCR/Ivor Prickett
Frieden, Gerechtigkeit und starke Institutionen
Leben an Land
Leben unter Wasser
Maßnahmen zum Klimaschutz
Nachhaltige/r Konsum und Produktion
14
13
12
Nachhaltige Städte und Gemeinden
15
11
16
Weniger Ungleichheiten
10
17
9
1
8
2
seventeen
goals
Wie Menschen
die Welt bewegen
7
3
Industrie, Innovation und Infrastruktur
Kein Hunger
4
6
Gesundheit und Wohlergehen
5
Hochwertige Bildung
Geschlechtergleichheit
Sauberes Wasser und Sanitäreinrichtungen
Bezahlbare und saubere Energie
Menschenwürdige Arbeit und Wirtschaftswachstum
02 seventeen goals
WIE MENSCHEN DIE WELT BEWEGEN
03
Ein Beitrag von RaboDirect
www.17goalsmagazin.de
06
Hartmut Kiewert
zeigt Mensch
und Tier in
vollkommener
Harmonie
20
Angelina Jolie macht
sich seit 20 Jahren stark
für Flüchtlinge
Das von RaboDirect
geförderte Bildungsprojekt
School Lunch ermöglicht
Grundschulen nachhaltige
Koch-Workshops
LEBENSMITTELRETTER:
UMDENKEN MACHT SCHULE
13
Tolle Konzepte
und Ideen für die
Zukunft beim
Festival der Taten
Inhalt
03 Editorial
03 Die 17 Nachhaltigkeitsziele
05 Bei RaboDirect dreht sich alles um Ziel 2 „Kein Hunger“
06 Positiver Appell – die Utopien des Malers Hartmut Kiewert
11 Durch Kinderhilfe Gesellschaften stärken –
SOS Kinderdörfer weltweit
12 Kurz & gut – Wirkungsvolles auf den Punkt gebracht
13 Junge Köpfe für die Ziele beim
Festival der Taten von Engagement Global
17 Prof. Dr. Günther Bachmann – Gestalter der Nachhaltigkeit
30
Wie David Katz
mit dem Plastikwahnsinn
ein wirksames Sozialunternehmen
betreibt
19 Ärzte ohne Grenzen – Wirkungsvolle Nothilfe
in über 70 Ländern
20 Sondergesandte des UNHCR – die unbekannte
Rolle der Angelina Jolie
23 TePe zeigt, was Zahnhygiene mit Klimaschutz zu tun hat
24 Kommt Zeit, kommt Rad – Nachhaltigkeitstrend in Zahlen
26 Wie sich der WWF für ein nachhaltiges Finanzsystem einsetzt
29 Läuferin Mina Guli rennt für Wasser um die Welt
30 Die Plastic Bank gibt den Ärmsten der Armen eine Perspektive
34 Impressum
Bilder: Roosegarde: © Studio Roosegaarde; Von Wong: © Benjamin Von Wong; von Hirschhausen: © Kerstin Jacobsen; Finkbeiner: © Plant-for-the-Planet; Brundtland: © dpa/Revierfoto
Bild 1: ©
In Deutschland werden laut WWF jährlich 18 Millionen Tonnen
Lebensmittel weggeworfen. 10 Millionen könnten gerettet
werden. Ein Weg: weniger Lebensmittelverschwendung
„Kein Hunger“ lautet das zweite der 17 UN-Nachhaltigkeitsziele.
Doch wertvolle Nahrung, die dringend gebraucht würde, landet
stattdessen auf dem Müll. 92 Prozent der Deutschen haben in den
vergangenen zwölf Monaten Lebensmittel weggeworfen. Knapp
zwei Drittel davon mindestens einmal im Monat, jeder Fünfte
mindestens einmal pro Woche. Zu diesem Ergebnis kommt die
aktuelle Sparstudie, die das Meinungsforschungsinstitut Forsa für
die Direktbankenmarke RaboDirect durchgeführt hat. Private Haushalte
haben an der Verschwendung einen Anteil von 40 Prozent!
Den Wert der Nahrung erlernen Das Grundschulprojekt School
Lunch, eine Kooperation von RaboDirect und dem gemeinnützigen
Berliner Bildungsverein Restlos Glücklich e. V., zeigt, wie man
Kinder schon früh für den Wert von Lebensmitteln sensibilisieren
kann. Nina Schröder, Bildungskoordinatorin des Vereins, erklärt:
„Im Fokus des Projekts steht, den Schülern auf spielerische Weise
zu vermitteln, wie kostbar unsere Nahrung ist und wie jeder Einzelne
aktiv werden kann, um weniger wegzuwerfen und mehr zu
verwerten. Im vergangenen Jahr konnten wir so gemeinsam mit
RaboDirect mehr als 1.000 Lebensmittelretterinnen und -retter
ausbilden.“
Akuter Nachholbedarf in Deutschland Wie notwendig derartige
Konzepte hierzulande sind, belegen auch die nachfolgenden
Erkenntnisse der von RaboDirect durchgeführten Studie. Danach
wirft knapp ein Drittel der Konsumenten Lebensmittel weg, weil sie
zu viel gekocht (32 Prozent) oder eingekauft (29 Prozent) haben. Bei
jedem Fünften ist das abgelaufene Mindesthaltbarkeitsdatum ein
Grund, um die Produkte in den Müll zu befördern. Und 15 Prozent
der Befragten entsorgen ihre Nahrungsmittel, weil es ihnen nicht
schmeckt. „Um das alltägliche Konsumverhalten in den Haushalten
zu verändern, ist die Sensibilisierung für das Thema ein wichtiger
erster Schritt“, davon ist Marc Schäfer, Strategie-Geschäftsführer
RaboDirect, überzeugt. „Wir setzen auf gezielte Bildungsprojekte
mit Kindern und Jugendlichen, die ihr neu erworbenes Wissen
dann wiederum in ihre Familien tragen.“
Banking for Food Als Teil der auf den Lebensmittel- und Agrarbereich
spezialisierten Rabobank engagiert sich RaboDirect unter
dem Motto Banking for Food für eine zuverlässige
Lebensmittelversorgung der Weltbevölkerung sowie
für faire Bedingungen in den Erzeugerländern.
www.rabodirect.de/banking-for-food
Mitmachen: Wer bei RaboDirect Geld
auf einem Tagesgeldkonto anlegt,
unterstützt weltweit Projekte gegen
Lebensmittelverschwendung.
04 seventeen goals WIE MENSCHEN DIE WELT BEWEGEN
05
Changemaker
Mit seiner Kunst bricht der
Leipziger Maler Hartmut Kiewert
gewohnte Wahrnehmung auf
und zeigt seine Utopie eines
alternativen Gesellschaftsmodells
COFFEE BREAK, 2016
Öl auf Leinwand, 160 x 190 cm
Utopien
in Öl
Text IRIS RODRIGUEZ
Der Leipziger Maler Hartmut Kiewert zeigt in befremdlich-schönen
Gemälden seine ganz eigene Vorstellung von der Zukunft,
in der Menschen und Tiere in vollkommener Harmonie zusammenleben.
06 I7 GOALS
WIE MENSCHEN DIE WELT BEWEGEN
07
Changemaker
K
ühe schlendern durch ein Einkaufszentrum. Ein
kleiner Junge kuschelt sich auf den Bauch eines schlafenden
Schweins. Kälber entspannen gemeinsam mit
Menschen auf der Picknickdecke. Die Ölgemälde von Hartmut
Kiewert sind schon fast paradiesisch anmutende Augenblicke
– und gerade deshalb so irritierend, denn diese Tiere sind
eben lebendiger Teil unseres Alltags. Wir begegnen ihnen nur
portionsweise und hygienisch verpackt im Supermarkt als Eier,
Milch- und Fleischprodukte. Durch das ungesehen harmonische
Miteinander schafft der Künstler eine Nähe zwischen Mensch
und Tier, die es in Wirklichkeit so nicht gibt. „Insbesondere die
Fleischproduktion wird in unserer Gesellschaft stark aus dem
allgemeinen Bewusstsein verdrängt“, erklärt der Leipziger. Man
habe nur noch die Waren, nicht aber die Individuen vor Augen.
Die dahinterstehende Industrie wird nur selten in dem Ausmaß,
wie sie tatsächlich arbeitet, wahrgenommen.
Auf dem Werksgelände der ehemaligen Baumwollspinnerei in
Leipzig, wo nach der Wende Kunst und Kultur die Fabrikgebäude
erobert haben, hat der 39-jährige Maler sein Atelier. Halbfertige
Bilder lehnen an weißen Wänden, die Sonne scheint durch große
Fenster auf den rotbraun lackierten Estrichboden, ein Rollwagen
mit veganer Ölfarbe und Pinseln neben der Staffelei. Seit über
zehn Jahren setzt sich Kiewert in seiner Kunst mit Fragen zum
gesellschaftlichen Mensch-Tier-Verhältnis auseinander. Sein
Ansatz: Wie werden sogenannte Nutztiere wahrgenommen?
Wie kann ich in der Vorstellungswelt etwas verändern? Wie zu
einer anderen Sichtweise auf die Tiere beitragen? Er versteht
seine Bilder nicht als utopische Blaupausen, sondern als Denkanstöße,
die auf die Leinwand gebracht wurden. Ganz bewusst
zeigt er in seinen Werken nicht das Elend, erhebt er nicht den
Zeigefinger, sondern setzt auf die Kraft positiver Bilder. Die
BROTHERS FROM DIFFERENT
MOTHERS entstand 2016 und
berührt durch die Selbstverständlichkeit,
mit der die Jungen
und die Ferkel interagieren
BROTHERS FROM DIFFERENT
MOTHERS, 2016
Öl auf Leinwand, 145 x 195 cm
„Man hat nur noch
die Waren, nicht
aber die Individuen
vor Augen“
friedvollen Szenen, die in seiner Fantasie entstehen, sind bis zu
15 Quadratmeter groß und ziehen den Betrachter in den Bann.
Häufig spürt er dann, dass etwas in den Köpfen stattfindet und es
über die Kunst gelingt, Menschen durch einen positiven Ansatz
zum Nachdenken anzuregen. „Ich werde es jetzt nicht allein mit
meinen Bildern schaffen, dass die Menschen aufhören, tierische
Produkte zu konsumieren“, räumt er ein, „aber ich werfe mit
meiner Arbeit Steine in eine Waagschale, in die auch viele andere
etwas hineinlegen. Vielleicht kommt irgendwann der Moment,
wo Menschen tatsächlich in ihrem Alltag etwas verändern
möchten“, fügt er optimistisch hinzu. Hartmut Kiewert selbst
hat das vor langer Zeit getan: 2001 traf er die Entscheidung,
sich vegetarisch, später dann auch vegan zu ernähren. „Ich habe
mich mit meinen Maßstäben nach dieser Entscheidung mehr
eins gefühlt“, erklärt er rückblickend. Er versteht dennoch, dass
Menschen mit Vegetarismus und Veganismus hadern und darin
08 seventeen goals
WIE MENSCHEN DIE WELT BEWEGEN
09
Changemaker
Ein Beitrag der SOS-Kinderdörfer weltweit
Denkanstöße,
die auf die Leinwand
gebracht wurden
TEPPICH III, 2017
Öl auf Leinwand, 160 x 190 cm
eher den Verzicht sehen. „Ich bin ja auch nicht als Vegetarier
geboren und weiß, dass es manchmal schwerfällt“, räumt er ein.
„Der Mensch ist ein Gewohnheitstier und es erfordert Energie,
Gewohnheiten zu ändern.“ Doch viel schwieriger empfand er den
Druck aus dem sozialen Umfeld. „Als ich vor 18 Jahren aufgehört
habe, Fleisch zu essen, fühlte ich mich manchmal wie der lebende
Vorwurf – es ist leichter, auf Wurst und Steak zu verzichten als
das auszuhalten“, weiß er aus eigener Erfahrung.
Befreite Tiere, die in einer zukünftigen Landschaft vor
verfallenen Schlacht- und Masthöfen ihr Leben in Freiheit genießen
– auch dies sind Motive seiner Reihe Animal Utopia. In
seiner Vorstellungskraft hat Hartmut Kiewert die
Tierbefreiung bereits vollzogen, die es in der Realität
vielleicht niemals geben wird. Doch so ist das Wesen
von Utopien: Sie zeigen Träume von einer
anderen, alternativen Welt. Und regen über
positive Bilder an, einfach auch mal den
Status quo infrage zu stellen.
CALL TO ACTION: Pflanzliche Alternativen zu Tierprodukten
ausprobieren und darüber reden. Vielleicht gemeinsam mit Freunden
eine vegetarische oder vegane Woche machen und schauen,
wie sich das anfühlt. Und mit dem eigenen Enthusiasmus auch andere
anstecken. Darauf lässt sich aufbauen. www.hartmutkiewert.de
HILFE NACH MASS
Wie die SOS-Kinderdörfer weltweit mit individueller Unterstützung einzelner
Kinder und Familien letztlich ganze Gesellschaften verändern
Es ist erwiesen, dass Schutz
und Förderung vulnerabler
Kinder und Jugendlicher
die gesamtgesellschaftliche,
sozioökonomische Entwicklung
eines Landes fördern
Nutztiere, die keinen Nutzen mehr
zu haben brauchen, leben auf den
Leinwänden des Leipziger Künstlers
Hartmut Kiewert in harmonischer
Koexistenz mit den Menschen
A
ls wir mit unserer Arbeit vor 70 Jahren begannen, dachte
man nicht über nachhaltige Entwicklungsziele nach.
Was das SOS-Gründerteam antrieb, waren Mitgefühl
und eine intuitive, menschliche Bauchentscheidung. Mit dieser
Haltung und unserem ganzheitlichen Kinderschutz- und Familienhilfe-Ansatz
arbeiten wir bis heute und tragen so zur Erreichung
von mindestens elf der 17 Ziele für nachhaltige Entwicklung bei.
Das SOS-Gründerteam wollte stets nur eines: verlassenen Kindern
den Schutz und die Geborgenheit einer Familie bieten und
damit eine Chance auf ein selbstbestimmtes Leben ohne Armut.
Um das zu erreichen, vermittelten sie stabile Bezugspersonen,
ermöglichten den Zugang zu Schulen und eine gute Berufsausbildung
ihrer Schützlinge. Sie sorgten für medizinische Versorgung
und gaben Werte wie Gleichberechtigung und Toleranz mit auf
den Lebensweg.
Unser Ziel hat sich nicht verändert: Kindern, Jugendlichen
und Familien im Kampf gegen Armut und Ungleichheit zur Seite
zu stehen. Doch wenn wir gerufen werden, hat sich die Armut
mit all ihren Begleiterscheinungen wie Kinderarbeit, Missbrauch,
Vernachlässigung, Frühverheiratung oder Kinderhandel in der
Gemeinde oder der Region schon manifestiert. Dann braucht es
eine maßgeschneiderte, die Ursachen bekämpfende, gründliche
Therapie.
Die SOS-Kinderdörfer weltweit haben deshalb die Programme
ausgebaut und um Schulen, Sozialstationen und medizinische
Zentren ergänzt. Weil wir weiterhin Schwerpunkte verlagert und
Erfahrungen umgesetzt haben, steht heute Prävention im Vordergrund.
So unterstützen wir Familien in Not, bevor sie zerbrechen
und schaffen ein gesellschaftliches Bewusstsein für Gesundheit
und Kinderschutz. Unsere Erfolgskriterien sind schlicht, aber
ehrgeizig:
• Wir sind erfolgreich, wenn wir Kinder und Jugendliche ohne
elterliche Fürsorge und Kinder und Jugendliche aus vulnerablen
Familienverhältnissen schützen vor Vernachlässigung,
Missbrauch, Ausbeutung und Gewalt. Wir fördern sie liebevoll
und adäquat in ihrer individuellen Persönlichkeitsentwicklung.
• Wir sind erfolgreich, wenn wir einer Familie helfen konnten,
den Teufelskreis der Armut zu durchbrechen.
• Wir sind erfolgreich, wenn diese Kinder und
Jugendlichen im Erwachsenenalter am
gesellschaftlichen Leben teilhaben und
einen positiven Beitrag zur Entwicklung
ihrer Gemeinden und Länder leisten.
Mitmachen: Unterstützen Sie die
SOS-Kinderdörfer weltweit. Mehr unter
www.sos-kinderdoerfer.de
BUNTE STUFEN, 2017
Öl auf Leinwand, 120 x 150 cm
Bilder: © Hartmut Kiewert
Bilder: © Peter Käser
10 seventeen goals WIE MENSCHEN DIE WELT BEWEGEN
11
kurz & gut
Ziele im Fokus: Ein Beitrag von Engagement Global
Goood telefonieren
Der umkämpfte Markt der Telefon- und Surftarife wird
nachhaltiger: Das Sozialunternehmen goood bietet vier
günstige Tarife an und spendet 10 Prozent der Grundgebühr.
Die Kunden wählen selbst aus, welches der über 250 sozial
und ökologisch nachhaltigen Projekte sie unterstützen.
„Wir wollen zeigen, dass die Gemeinschaft wirklich etwas
bewegen kann“, erklärt Claudia Winkler, Gründerin von
goood. 2019 wurde das Team dafür zu den „Most Impactful
Global Social Innovators 2019“ weltweit gewählt.
www.goood.de
Lesen tut gut
Erst mal sehen, was die faire Online-Buchhandlung hat:
Alternative Buchanbieter wie Buch7 haben zwar nicht –
wie der Marktführer – jedes der neun Millionen in
Deutschland verfügbaren Bücher im Angebot. Dafür spendet
sie Teile ihrer Erlöse: Bei Buch7 gehen 75 Prozent an
kulturelle, ökologische oder soziale Projekte. Bücher,
E-Books, CDs und Filme werden versandkostenfrei geliefert.
www.buch7.de
Beim ersten FESTIVAL DER
TATEN haben junge Engagierte
aus ganz Deutschland
gezeigt, was gute Ideen und
der Wille für Veränderung
schaffen können
So kommen die 17 Ziele
zu den Menschen
Grünes Geld
Was macht meine Bank eigentlich mit meinem Geld?
Wird es in die Produktion von Waffen oder den Erhalt von
Kohlekraft investiert? Trägt es zu Umweltzerstörung und
Klimawandel bei? Oder nutzt die Bank die Gelder, um den
sozialen und ökologischen Wandel voranzutreiben?
Der Fair Finance Guide hat 14 Banken analysiert und zeigt,
wie sie zu nachhaltiger Geldanlage stehen. Je nach Ergebnis
heißt es dann: Handeln und zu den Guten wechseln.
www.fairfinanceguide.de
Bitte auffüllen!
Die bundesweite Bewegung Refill hat dem Wahnsinn
von Wasser in Plastikflaschen den Kampf angesagt. Die Idee:
In Geschäften, Cafés, Apotheken, Behörden und vielen
anderen Stationen kann man sich Leitungswasser in einer
mitgebrachten Flasche abfüllen. „Mittlerweile gibt es
rund 5.000 teilnehmende Refill-Stationen und täglich
kommen circa 30 hinzu“, so Gründerin Stephanie
Wiermann. Einfach auf den blauen Tropfenaufkleber achten
oder online bzw. in der App Stationen finden.
www.refill-deutschland.de
Bilder: © oben links: Goood oben rechts: Christian Dubovan/Unsplash unten links: Kinga Cichewicz/Unsplash unten rechts: Refill Deutschland
Bilder: © Engagement Global/Frederik Schramm
Das Projekt #17Ziele verbindet die Themen der
Agenda 2030 mit der Alltagswelt der Menschen – sei es
auf der Arbeit oder in ihrer Freizeit, online oder offline.
Durch Kooperationen mit Vereinen, Hochschulen,
Unternehmen und anderen gesellschaftlichen Gruppen
werden Menschen erreicht, die bislang wenige
Berührungspunkte mit den 17 Zielen und ihren Themen
hatten. So wie auch beim Festival der Taten, das
erstmals 2019 in Berlin stattgefunden hat. #17Ziele wird
durchgeführt von Engagement Global im Auftrag
des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit
und Entwicklung.
12
seventeen goals
WIE MENSCHEN DIE WELT BEWEGEN
13
Ziele im Fokus: Ein Beitrag von Engagement Global
400 Köpfe für
die Zukunft
Mit kreativen Design-
Thinking-Methoden
entwickelten die Teilnehmer
viele spannende Ideen
Mit der geballten kreativen Energie
junger Menschen aus ganz Deutschland
ist das Festival der Taten von
Engagement Global in die erste Runde
gestartet. Im Mittelpunkt standen
die 17 Ziele. Herausgekommen sind
unkonventionelle Lösungen
Text KATHARINA FINKE
V
ier große Darrschlote ragen im Süden Berlins in den
Himmel. Sie gehören zur Malzfabrik in Berlin-Tempelhof.
Früher dienten die drehbaren Hauben
dazu, die in der Mälzerei hergestellten Bierzutaten zu trocknen.
Inzwischen steht die Landmarke der Hauptstadt unter Denkmalschutz
und ist ein Ort für Kreativität. Genau deswegen hat ihn
Engagement Global für sein Festival der Taten ausgesucht: ein
intensiver Ideen-Workshop, bei dem an zwei Tagen innovative
Ideen und konkrete Lösungsansätze für die Umsetzung der 17
Ziele im Alltag gebraut wurden.
Im kühlen Maschinenraum in einem der alten Backsteinbauten
versammeln sich an diesem heißen Tag im Mai die aus
ganz Deutschland angereisten Teilnehmenden. „Schaut euch
um und ihr werdet einen großen Raum voller Potenzial sehen“,
begrüßt Christian Mäntele, Leiter des Projekts #17Ziele, die
Zukunftsgestalter. Damit sich alle besser kennenlernen, werden
sie aufgefordert, mit gesenktem Blick durch den schwarz-weiß
gefliesten Raum zu schlendern und „sich ein engagiertes Paar
Schuhe“ zu suchen. Auf ein Signal bleibt jeder vor einem Gegenüber
stehen, die beiden stellen sich vor und erzählen, warum
sie teilnehmen. „Ich interessiere mich für Nachhaltigkeit“, „Ich
wollte gerne Gleichgesinnte kennenlernen“ und „Ich habe Lust,
etwas zu verändern“ sind einige der Aussagen.
Je nachdem, welches der globalen Nachhaltigkeitsziele die
Visionäre besonders interessiert, können sie sich dann einer
der 30 Gruppen anschließen. Und schon bald sind alle mitten
im Design-Thinking-Prozess, einer Methode, wonach sich neue
Ideen besser entwickeln lassen, wenn gemeinsam Konzepte
ausgearbeitet und mehrfach überprüft werden. In der Auseinandersetzung
mit Themen, die sie bewegen, lernen die Anwesenden
gleichzeitig, scheinbar lose Ideen zu konkretisieren, zu visualisieren
und andere dafür zu gewinnen.
Auf dem gesamten Gelände, vom Keller bis zum Speicher,
draußen auf der Wiese und der Terrasse haben sich die Teams
verteilt. Gedanken werden gesammelt, Ideen skizziert, Wände,
Böden, Tische, Flip-Boards und Säulen mit Entwürfen beklebt. Ein
inspirierter, kreativer und konzentrierter Austausch. Genau dies
sei auch das Ziel des Festivals der Taten, erklärt Dr. Jens Kreuter,
Geschäftsführer von Engagement Global. „Wir möchten jungen
Menschen ganz konkret Werkzeuge an die Hand geben, Impulse
schaffen, den Austausch mit Gleichgesinnten ermöglichen und
aufzeigen, wie sich die 17 Ziele durch Aktionen und Projekte hier
in Deutschland umsetzen lassen“, sagt er. Jeder zwischen 18 und
35 Jahren konnte sich bewerben. Herausgekommen ist eine bunte
Mischung unterschiedlicher Persönlichkeiten, die sich gegenseitig
inspirieren. Am zweiten Tag hätte man Erschöpfung erwarten
können, doch das Gegenteil ist der Fall. Schwer zu sagen, ob die
Engagierten aufgeregter sind, ihre eigenen Ideen zu pitchen oder
die der anderen Gruppen kennenzulernen. Der Tag startet mit der
Vorbereitung der Präsentationen. Annalena Stockhoff (22), die
in Duisburg nachhaltige Sozialpolitik studiert, ist mit ihrem fünf
Bilder: © © Engagement Global/Frederik Schramm
Alte Backsteinbauten und
feinstes Wetter – die
Malzfabrik in Berlin ist ein
echt inspirierender Ort
14
seventeen goals WIE MENSCHEN DIE WELT BEWEGEN
15
Ziele im Fokus: Ein Beitrag von Engagement Global
Interview
„Schaut euch um:
Ihr seht einen Raum
voller Potenzial“
19. Jahreskonferenz
des Rates für Nachhaltige
Entwicklung am
04.06.2019 in Berlin
Monate alten Sohn hier: „Mir ist es wichtig, nachhaltigen Konsum
vorzuleben“, sagt sie, „mir gefällt der Austausch beim Festival der
Taten sehr gut und ich bin gespannt auf die Ergebnisse.“
Und schon geht es los: Jedes Team hat wenige Minuten, um
seine Idee zu einem der 17 Ziele vorzustellen.
Nach den Präsentationen wird bewertet; jeder Teilnehmer
kann dabei fünf Punkte vergeben. Die Gruppen mit den meisten
Punkten dürfen dann später draußen auf der Festivalbühne ihre
Idee noch einmal vorstellen. Die Lösungsansätze reichen von einer
No-Poverty-Messe (Ziel 1) über ein neues Schulfach Zukunft (Ziel 4)
bis zu einem kooperativen Bestellsystem im Unverpackt-Laden
in der Mehrweg-Box (Ziel 12). So unterschiedlich die Ideen, so
unterschiedlich sind auch die Darstellungsformen, sei es ein
eigens angefertigtes Video, ein selbst konzipiertes Schauspiel oder
die spontane Nachrichtenschalte oder ein Prototyp aus Karton – so
wie die Gruppe des Kiezmobils, einem Treffpunkt für Jung und
Alt, der dem nachbarschaftlichen Miteinander dient. Hauptanliegen
des Beitrags zu nachhaltiger Stadtentwicklung (Ziel 11): den
Kiez grüner machen und für Kinder einen autofreien Raum zum
Spielen schaffen.
Das Publikum kann während der Präsentatinen Kommentare
abgeben, die live auf einer Leinwand an der Bühne zu sehen sind. „Ich
wusste gar nicht, was auf mich zukommt“, sagt Tobias Müller (28)
aus Bamberg, dem es wichtig ist, Nachhaltigkeit in seinen Alltag
zu integrieren, „aber ich bin positiv überrascht über die tollen
In 30 Teams wurden unter
Anleitung vorher ausgebildeter
Teamerinnen und Teamer
Projektideen zu den Nachhaltigkeitszielen
umgesetzt
Ideen beim Festival.“ Besonders begeistert sind viele von der Idee,
Berater auf Bauernhöfe zu schicken, um den Landwirten vor Ort
zu helfen, ihre Produktionsbedingungen ökologisch zu gestalten.
Aber was passiert eigentlich nach zwei Tagen voller Engagement
mit den Visionen? „Wichtig für uns war, dass jeder und jede
mit einer konkreten Idee aus dem Festival kommt, die er oder sie
morgen umsetzen möchte“, sagt Dr. Kreuter von Engagement
Global, „wir hoffen, dass sie daran weiterarbeiten und sich weiter
vernetzen.“ Dazu dient ihnen eine spezielle Online-Community.
Arani Ganeshalingam (21) von der Hochschule Osnabrück ist
ganz sicher: „Wir haben in kurzer Zeit viel geschafft und dieser
Input ist sehr wertvoll für mich“, sagt sie und hat vor, die Ideen in
die Arbeitsgruppe Nachhaltigkeit an ihrer Hochschule zu tragen
und dort weiterzuentwickeln.
Und das ist nicht der einzige Lichtblick für die Zukunft: Das
zweite Festival der Taten ist bereits in Planung – mit einem lokalen
Bezug, mit Zukunftsgestaltern aus der Region und wieder
getreu dem Motto: Tu Du’s.
Mitmachen: Mehr Informationen unter www.17ziele.de,
www.engagement-global.de
Twitter: @17Ziele, Instagram: 17ziele.de, YouTube: #17Ziele
Bild: © Engagement Global/Frederik Schramm
Bild: © RNE, Foto by Andreas Domma
„Ich möchte das
Set-up verändern“
2001 wurde der Nachhaltigkeitsrat unter der rot-grünen Regierung
Schröder ins Leben gerufen. Was hat sich in Deutschland
durch die Arbeit des Rates verändert?
Laut einer Umfrage der Bundesregierung können heute 84 Prozent
der Deutschen etwas mit dem Begriff Nachhaltigkeit anfangen,
2001 waren dies gerade einmal 13 Prozent. Das geht natürlich
nicht alles auf uns zurück, aber wir konnten so manche gesellschaftliche
Veränderung anschieben: durch Ermutigung, Zuspruch,
viele eigene Initiativen und indem wir Ziele vorschlagen.
Sie müssen wichtig und spannungsreich sein und die Menschen
müssen sich konkret etwas darunter vorstellen können. Ein
Beispiel ist der Ökolandbau. Das damals von uns aufgestellte
Ziel lautete 20 Prozent ökologisch bebaute Fläche. Da haben alle
gesagt: „Das ist doch verrückt, total illusionär.“ Aber heute gibt
es einen regelrechten Run: Immer mehr Landwirte wollen in den
Ökolandbau, weil man damit noch Geld verdient und zu den Guten
gehört. Die Supermärkte haben ebenfalls reagiert. Das ist eine
Entwicklung, die vor 20 Jahren keiner für möglich gehalten hätte.
Worin sehen Sie für Ihre Arbeit die Herausforderung?
Als ich 2001 die Chance bekam, meine jetzige Position zu
übernehmen, dachte ich mir: Wenn mich keiner aufhält, mache
Seit über 18 Jahren berät
Prof. Dr. Günther Bachmann als
Generalsekretär des Nachhaltigkeitsrates
die Bundesregierung.
Mit Kreativität und manch
unkonventioneller Vorgehensweise
hat er die Entwicklung der
Nachhaltigkeit in Deutschland
maßgeblich mitgestaltet.
Interview IRIS RODRIGUEZ
16 seventeen goals
WIE MENSCHEN DIE WELT BEWEGEN
17
seventeen goals
Eine Anzeige von Ärzte ohne Grenzen
Bild: © © Andreas Domma, © Rat für Nachhaltige Entwicklung (RNE)
„Du redest ja
immer noch über
Nachhaltigkeit,
hast du nicht mal
etwas Neues?“
ich einiges anders – solange, bis mich jemand aufhält. Ich habe
mich gefragt: Was kann ich tun, um das Set-up zu verändern?
Darauf habe ich in meiner Arbeit immer die meisten Gedanken
verwendet.
Welchen Schwierigkeiten sind Sie beim Voranbringen nachhaltiger
Entwicklung begegnet?
Ich würde sagen, der Umstand des weit verbreiteten Silodenkens
in unserem Land. Da denken Lehrer über Bildung für nachhaltige
Entwicklung nach, sitzen Landwirte zu Themen wie Naturschutz
und Milchpreise zusammen, stellen Förster fest, dass es einen
Waldumbau braucht. Ein Autohaus wiederum möchte von Benzin-
auf Elektroautos umstellen und ein Bäcker bietet an, nicht
gegessenes Brot zurückzunehmen – und alle machen es unter
dem Stichwort Nachhaltigkeit. Übereinander allerdings wissen sie
nichts. Da haben wir gesagt: Wir verknüpfen die Silos. Und weil
das nur regional geht, haben wir vier regionale Vernetzungszentren
gegründet, die RENN.
Was macht Ihnen an Ihrer Arbeit besonders viel Spaß?
Nachhaltigkeit inhaltlich so zu fassen und zu präsentieren, sodass
ich in den Gesichtern der Leute sehe: Jetzt verändert sich
gerade etwas und die Menschen sagen: Das geht mich etwas an.
Solche Interventionen immer wieder hinzukriegen, darin liegt
für mich der Charme, das macht mir Spaß. Das gilt übrigens
auch im Rat intern mit unserem Team. Vergangenes Jahr sind
wir in die Schachtanlage Asse gefahren, wo für 100.000 Jahre
der radioaktive Müll gelagert wird. Wir kommen also unten im
Salzstock an und plötzlich plätschert es. 12 Kubikmeter Wasser
dringen da unten täglich ein. Wasser, Salz? Atommüll im Wasser?
Das ist eine körperliche Erfahrung, als Lehrstück besser als jedes
Seminar über unsere Fähigkeit zu dauerhaften Lösungen und
zur Langfristigkeit von Generationsverträgen. Man spürt fast
körperlich: Da stimmt etwas nicht.
In Ihrer Position konnten Sie viel bewegen – worauf sind Sie
besonders stolz?
Dass wir es als Team des Rates und der Geschäftsstelle geschafft
haben, das Thema Nachhaltigkeit auf der Höhe der Politik zu
halten, und zwar während fünf verschiedener Regierungen mit
vier Farben. Da hätte man auch schon mal abstürzen oder in
Vergessenheit geraten können. Ich höre von politischen Profis oft:
„Du redest ja immer noch über Nachhaltigkeit, hast du nicht mal
etwas Neues?“ Ich antworte: „Es ist das Thema des 21. Jahrhunderts
und man muss verstehen, dass alle modernen Themen wie
Digitalisierung im materiellen Kern etwas mit Nachhaltigkeit –
oder auch mit Nicht-Nachhaltigkeit – zu tun haben.“ Das Thema
erledigt sich nicht, nur weil bereits ein paar Jahre darüber geredet
wurde. Das ist eine falsche Perspektive. Gut war auch, dass wir die
UN-Ziele zur Nachhaltigkeit von Anfang an und früher als andere
unterstützt und auf die deutsche Situation hin angewendet haben.
WIE MENSCHEN DIE WELT BEWEGEN
Das hat die Bundesregierung zu einer grundlegenden Neufassung
der Nachhaltigkeitsstrategie bewogen.
Was ist nicht so gut gelaufen?
Zwei Beispiele. Mobilität: Wir sind aus dem Technikpfad Verbrennungsauto
zu lange nicht herausgekommen. Als es bereits
2001/2002 um die Mobilität ging und wir den Dialog mit Industrie
und Regierung als Teil der Nachhaltigkeitsstrategie angestoßen
hatten, wollten die Konzerne nicht in die Elektromobilität
hinein. Damals hätte man statt Dialog ohne Ende besser ganz
präzise die Alternativen auf den Tisch gelegt: Gesetz und Fördermaßnahmen.
Deutschland hat da 15 Jahre verloren. Ökosteuer:
Wir hatten vor 13 Jahren einen guten internen Entwurf der Umwelt-
und Industrievertreter im Rat für eine engagierte Ökosteuer,
die „gelbwestenfest“ war (damals machten in Deutschland der
ADAC und die Bild-Zeitung die Opposition aus). Aber wir haben
das nicht durch den RNE gekriegt.
Einmal jährlich findet der Deutsche Nachhaltigkeitspreis statt,
den Sie mit ins Leben gerufen haben. Ein Projekt mit Strahlkraft.
Ja, 12 Jahre ohne einen Fall von billigem GreenWashing. Den
Unternehmen ist es ernst. Sie sind verpflichtet, alles offenzulegen.
Vor allem aber fördert der Preis den Wettbewerb hin zu mehr
Nachhaltigkeit. Als wir zum Beispiel 2012 Unilever für seine
Zukunftsstrategie auszeichneten, hat der Konzern im Nachgang
gemeinsam mit Henkel und anderen das Forum Palmöl gegründet.
Oder die Auszeichnung des Herstellers Frosch 2009: Das
Unternehmen hat daraufhin seine Recyclat-Initiative gestartet
und ein wichtiges Signal für die Plastikdebatte gesetzt. Der Preis
vermittelt die Frage: Schaut, die können es, warum können es die
anderen nicht?
2020 verlassen Sie den Nachhaltigkeitsrat. Werden Sie auch in Ihrer
neuen Lebensphase den Nachhaltigkeitsthemen treu bleiben?
Keine Sorge, ich schalte dann nicht auf Hyperkonsum und Wegwerflogik
um. Wo und wie genau ich mich weiter einschalte, das
wird sich zeigen. Aber Abschalten ist mein Plan nur, was Atomund
Kohlekraftwerke angeht, aber nicht Engagement.
Zur Erreichung der Nachhaltigkeitsziele kann jeder beitragen.
Was ist Ihr Aufruf an jeden Einzelnen?
Die meisten Menschen wählen, aber kaum jemand fragt seine
Wahlkreisabgeordneten, was sie zum Thema Nachhaltigkeit tun.
Das ist mein Appell: Einfach mal ins Wahlkreisbüro gehen und
nachfragen. Dort wäre man mitunter sicherlich sehr überrascht.
Der Rat für Nachhaltige Entwicklung (RNE), 2001 von der
rot-grünen Regierung berufen, hat die Verankerung der 17
Nachhaltigkeitsziele in der Agenda 2030 aktiv mit begleitet.
Der Rat wirkt als Schwungrad für die deutsche Nachhaltigkeitspolitik.
Seine Mitglieder werden alle drei Jahre neu berufen
oder bestätigt, seit 2001 gehörten ihm rund 50 Personen
aus allen Bereichen der Gesellschaft an. Über die Position
des Generalsekretärs entscheidet das Bundeskanzleramt.
Beispielhafte Initiativen und Projekte des Rates: Taten für
Morgen, Aktionstage Nachhaltigkeit, Hub Sustainable
Finance, Deutscher Nachhaltigkeitskodex, Regionale
Netzwerkstellen Nachhaltigkeitsstrategie (RENN), Deutscher
Nachhaltigkeitspreis www.nachhaltigkeitsrat.de
Bild : © Sarah Pierre/MSF © MSF
EIN GESUNDES
LEBEN FÜR ALLE
„Gesundheit ist ein Menschenrecht“,
sagt Luise Jähne. Damit Menschen in Not
medizinische Versorgung erhalten,
leistet die Hebamme von Ärzte ohne Grenzen
Hilfe – auch im Konfliktgebiet
Nach Jahren der Kämpfe gibt es im Südsudan kaum
intakte Krankenhäuser“, erzählt die Hebamme
nach ihrer Rückkehr aus dem Bürgerkriegsland
im Oktober 2018. Sie half dort Frauen, ihre Kinder gesund zur
Welt zu bringen. Die Senkung der Kinder- und Müttersterblichkeit
ist Ärzte ohne Grenzen ein wichtiges Anliegen. „Unsere
Patientinnen laufen sehr weite Wege zu uns, so wie zum
Beispiel Deborah Nyawich, die drei Stunden bis zu uns ins
Gesundheitszentrum lief. Das ist absolut nicht ideal, wenn du
Schmerzen und Wehen hast“, so Jähne.
Ein Unterziel des Nachhaltigkeitsziels 3 ist es, bis 2030 die
Neugeborenensterblichkeit weltweit signifikant zu senken: auf
weniger als zwölf Todesfälle bei 1.000 Geburten. „Als Deborahs
Baby zur Welt kam, mussten wir es fünfzehn Minuten reanimieren.
Einen Tag später konnten Mutter und Baby gesund
unser Behandlungszelt verlassen. Es sind Momente wie dieser,
weshalb ich diesen Job mache. Es sollte keine Rolle spielen,
18 seventeen goals
WIE MENSCHEN DIE WELT BEWEGEN
19
ob ich im Südsudan geboren werde oder in Deutschland“, so
Jähne. „Im Team dazu beizutragen, dass Frauen und Säuglinge
bessere Überlebenschancen haben, macht mich stolz und froh.“
In Notsituationen wie Kriegen oder Epidemien legt Ärzte
ohne Grenzen spezielles Augenmerk auf Risikogruppen, die
besonders gefährdet sind, weil ihr Immunsystem schwächer ist
und sie sich folglich schneller anstecken – so wie Schwangere
und Kinder unter fünf Jahren. Wenn aufgrund der Not eine
mangelhafte Ernährung hinzukommt, können ihre Körper das
deutlich schlechter kompensieren. Das Ziel 3 – Gesundheit und
Wohlergehen – darf nicht an Ländergrenzen oder am Zugang
zu Konfliktgebieten scheitern: Das ist das Selbstverständnis von
Ärzte ohne Grenzen.
„In mehr als 440 Projekten in rund 70 Ländern sind unsere
Teams weltweit aktiv“, sagt Barbara Gerold-Wolke, Leiterin der
Spendenabteilung von Ärzte ohne Grenzen in Deutschland. „In
Konfliktgebieten wie im Südsudan ist es wichtig, dass wir unabhängig
sind. Nur so können wir außerhalb des Konfliktes stehen
und Nothilfe leisten. Deshalb nehmen wir in Deutschland
keine staatlichen Gelder an. Wir finanzieren unsere Hilfe durch
private Spenderinnen und Spender – jede Spende macht uns
stark.“ Ärzte ohne Grenzen fragt seine Patientinnen
und Patienten nicht nach politischer Überzeugung,
ethnischer Herkunft oder Religionszugehörigkeit:
Jeder hat den Anspruch auf ein gesundes Leben.
Mitmachen: Sie können sich für Gesundheit
weltweit einsetzen. Mehr über unsere
Arbeit unter: www.aerzte-ohne-grenzen.de,
Spenderservice-Telefon: 030 700 130 130
links: Gesundheitszentrum von
Ärzte ohne Grenzen in der umkämpften
Region Leer, Südsudan
unten: Die Hebamme Luise Jähne
während ihres Einsatzes im Südsudan
Changemaker
„Wir brauchen
Menschlichkeit
mehr denn je“
Januar 2018, Mafrq/Jordanien;
Treffen mit jungen Syrerinnen im
Za‘atari Camp; rund 5,5 Millionen
Syrer flohen in Nachbarstaaten
Text IRIS RODRIGUEZ
ANGELINA
Juni 2018, Domiz/Irak, UNHCR-
Sondergesandte Angelina Jolie
dankt während ihrer 61. Mission den
Irakern für ihre Großherzigkeit gegenüber
den syrischen Flüchtlingen –
im Hintergrund ein Flüchtlingslager
für Tausende Menschen
Bild : © UNHCR/Ivor Prickett
Bild : © UNHCR/Andrew McConnell:
Jenseits von Hollywood spielt
Angelina Jolie eine weniger bekannte
Rolle: Als Sondergesandte des Hohen
Flüchtlingskommissars der Vereinten
Nationen kämpft sie unermüdlich
für eine Verbesserung der Situation
von Flüchtlingen und Vertriebenen.
Ihre Stimme wird gehört
Staubige Springerstiefel, schwarze Hose und in Sicherheitsweste:
Angelina Jolie steigt über Schutthaufen vorbei
an Ruinen. Staub und flirrende Hitze. Die apokalyptische
Szenerie einer vollkommen zerstörten Stadt ist jedoch kein
Hollywood-Set, sondern die bittere Realität Mossuls. Die einstmals
an kulturellem Leben so reiche Stadt im Irak ist auch im Juni
2018, ein Jahr nach der Befreiung, katastrophal zerstört. „Dies ist
die schlimmste Verwüstung, die ich in all meinen Jahren beim
UNHCR gesehen habe“, erklärt die Sondergesandte bei ihrem
bereits fünften Besuch im Irak. „Diese Menschen haben alles
verloren und das Trauma und der Verlust, den sie erlitten haben,
sind beispiellos.“
Seit fast zwei Jahrzehnten widmet sich Angelina Jolie Flüchtlingen
und Vertriebenen. 2001 übernahm sie die Aufgabe der
Sonderbotschafterin des UNHCR, 2012 wurde sie zur Sondergesandten
ernannt. Seitdem hat sie in über 60 Einsätzen Flüchtlingslager
und Krisengebiete in aller Welt besucht, um sich immer
wieder ein persönliches Bild von der Situation und dem Leben der
Menschen zu machen.
Es waren die Dreharbeiten zum Film Tomb Raider im Jahr 2000
in Kambodscha, die in ihr den Wunsch weckten, sich für humanitäre
Zwecke einzusetzen. Die damals 25-Jährige spürte eine große
Ehrfurcht vor den Menschen des vom Terrorregime der Roten
Khmer traumatisierten Landes und deren Fähigkeit, trotz großer
Armut ihre Würde zu behalten. Nachhaltige Eindrücke, die Jolies
Leben von da an prägten. Kurz darauf adoptierte sie ihr erstes
Kind: den kambodschanischen Jungen Maddox, später dann Pax
aus Vietnam sowie die Äthiopierin Zahara, bevor sie mit Brad Pitt
noch drei leibliche Kinder bekam.
Die globale Bekanntheit der Oscar-Preisträgerin ist ein starker
Hebel und sie nutzt ihn. Als Sondergesandte repräsentiert sie die
UN-Flüchtlingskommission und den Hohen Kommissar auf diplomatischer
Ebene und arbeitet an langfristigen Lösungen für die
großen Krisenherde. Sie macht auf die Rechte und die Schicksale
20 seventeen goals
WIE MENSCHEN DIE WELT BEWEGEN
21
Changemaker
Ein Beitrag von TePe
von Vertriebenen und Flüchtlingen weltweit aufmerksam. In ihrer
bedeutenden Funktion appelliert sie immer wieder an die Staatsund
Regierungschefs und fordert sie zum Handeln auf. Während
ihrer Reise nach Kolumbien im Juni 2019 zu den aus Venezuela
Geflüchteten trat sie vor die Pressemikrofone: „Führung bedeutet
Verantwortung zu übernehmen, ebenso wie es Generationen vor
uns getan haben, um auf die Bedrohung von Frieden und Sicherheit
zu reagieren und eine auf Regeln basierende Weltordnung zu
schaffen“, mahnte sie – im Hintergrund ein Meer aus Zelten des
derzeit größten Flüchtlingslagers der Welt. „Heute brauchen wir
Menschlichkeit mehr denn je“, fuhr sie fort, „und wir brauchen
das rationale Denken von Menschen, die keine Angst davor haben,
Verantwortung zu übernehmen und Führungsstärke zu zeigen.“
Wenn Angelina Jolie die Flüchtlinge besucht, spricht sie mit
vielen Menschen und hört ihre Schicksale. Die 17-jährige blinde
Ester, die mit ihrer Familie Venezuela verlassen musste, weil es
dort für sie keine medizinische Versorgung gibt. Die 90-jährige
Rohinya im Flüchtlingslager in Bangladesch,
die in ihrem Leben keinen Frieden erlebt hat
und viele Male vertrieben wurde. Die junge
Syrerin aus einer Break-Dance-Gruppe im
jordanischen Lager Za’atari, die davon träumt,
„Ihre Großherzigkeit
ist
eine Inspiration
für uns alle“
dass Mädchen in Syrien in der Zukunft führende
Rollen einnehmen werden. Sie alle wünschen
sich nichts sehnlicher, als die Rückkehr in ihre
Heimat und ein Leben in Sicherheit. Angelina
Jolie hört zu, streichelt und umarmt, spendet
Trost, lacht mit den Kindern, teilt das Entsetzen
und macht immer wieder Mut. Die Menschen
spüren, dass sie in ihrem Leid und Schicksal
gesehen und ernst genommen werden.
Ruud Lubbers, ehemaliger Hoher Kommissar,
hat vier Jahre mit Jolie gearbeitet. Im
Vorwort ihres Buches Notes from my travels
schreibt er: „Angelina hat meine Erwartungen
weit übertroffen. Sie hat dazu beigetragen, die
Schicksale der Geflüchteten greifbar zu machen.
Ihre Großherzigkeit und mitfühlende Art
sind eine Inspiration für uns alle“, so Lubbers.
Sechsfache Mutter, Schauspielerin, Regisseurin,
Drehbuchautorin, Produzentin. Sie
könnte ihr Leben in Hollywood führen, sich
der Familie und dem angenehmen Glamourleben
widmen. Aber sie möchte mehr bewirken
und macht auf höchster Ebene das, was
jeder tut, der sich engagiert: Sie verlässt ihre
Komfortzone. Für andere, für etwas Größeres, für eine bessere
Welt. So, wie es Millionen Freiwillige tun, die sich
täglich einsetzen – sei es für Umwelt, Tiere oder
das Klima, Menschenrechte, Geschlechtergleichheit
oder den örtlichen Sportverein. Mit hohem
persönlichem Einsatz, viel Empathie und
Unbeirrbarkeit gehört Angelina Jolie zu den
Menschen, die die Welt bewegen.
Mitmachen: Auf regionaler Ebene helfen – Anlaufstelle für mehr Infos
sind die Landesflüchtlingsräte der Bundesländer: www.fluechtlingsrat.de
Auf www.bamf.de unter „Willkommen in Deutschland“ und „Bürgerschaftliches
Engagement“ findet man Hunderte Projekte, um sich einzubringen.
International helfen mit Freiwilligenprogrammen, z.B. UN Volunteers
Programme (www.unv.org), Senior Expert Service (www.ses-bonn.de)
oder Arbeitsmöglichkeiten und Praktika innerhalb des UN-Systems
(www.unric.org/de)
Februar 2019, Bangladesh/Cox’s
Bazar; Jolie macht sich ein Bild der
humanitären Lage im Rohingya-
Flüchtlingslager Chakmarkul
Juni 2018, West-Mossul,
Hassan– hier mit seinen
drei Kindern – baut
mithilfe des UNHCR
sein Haus wieder auf
Bilder: © oben: © UNHCR/Andrew McConnell unten: © UNHCR/Santiago Escobar-Jaramillo
Nachhaltigkeit
mit Biss
Am Anfang war das erste dreieckige Zahnholz,
1965 entwickelt von einem Holzschnitzer
und zwei Professoren der Universität Malmö.
Seitdem steht bei TePe, dem schwedischen
Hersteller von Zahnpflegeprodukten, das
Wohl von Mensch und Umwelt im Mittelpunkt
J
ahrhundertelang wurde Zuckerrohr angebaut und zu
Rohrzucker verarbeitet. Doch seit wenigen Jahren kann
diese Pflanze viel mehr sein als nur süß: Sie kann eine
Zahnbürste werden. In einem innovativen Verfahren produziert
TePe aus Biokunststoff, der aus Zuckerrohr hergestellt wurde,
seine Zahnbürste GOOD. Das Gute an GOOD: Sie ist zu
95 Prozent klimaneutral, denn das emittierte CO2, das während
des Produktlebenszyklus der Zahnbürste entsteht, wird weitgehend
ausgeglichen. Die Pflanzenrohstoffe nehmen CO2 auf, das von
der Herstellung bis zum Recycling oder der Entsorgung entsteht,
und tragen so zu einer besseren Bilanz bei. Bedenkt man, dass
sich Milliarden Menschen jeden Tag die Zähne putzen und diese
Zahnbürsten weltweit millionenfach entsorgt werden, ist diese
GOOD-Zahnbürste ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung.
Ihrem Unternehmensgrundsatz sind die Schweden immer
schon treu: Die Auswirkungen ihres Handelns auf die Umwelt
zu minimieren. TePe forscht und entwickelt zukunftsweisende
Technologien und Produkte, die von fossilen Rohstoffen unabhängig
sind und dazu beitragen, den CO2-Fußabdruck in der
gesamten Wertschöpfungskette weiter zu reduzieren – und zwar
vom Lieferanten bis zum Kunden. 2018 hat TePe sein gesamtes
Nachhaltigkeitsstreben konsequent an den von der Weltgemeinschaft
verabschiedeten 17 Zielen für nachhaltige Entwicklung
ausgerichtet. Acht dieser Ziele sind in die Unternehmensstrategie
eingeflossen. „Wir haben diese Ziele ausgewählt, die für unser Geschäft
besonders relevant sind und wo wir unseren größten Beitrag
zu nachhaltiger Entwicklung sehen“, erklärt CEO Joel Eklund die
Entscheidung.
Natürlich steht Ziel 3 – Gesundheit und Wohlergehen – an
erster Stelle. Schließlich dreht sich bei TePe alles um Mundgesundheit,
die erwiesenermaßen einen starken Einfluss auf die
allgemeine Gesundheit sowie Lebensqualität hat. Aber auch zu
Ziel 7 – Bezahlbare und saubere Energie – leistet das Unternehmen,
das heute in über 60 Länder exportiert, einen wichtigen Beitrag und
nutzt grundsätzlich nur grüne Energie aus dem Netz. Außerdem
hat TePe Malmös größte Solaranlage mit 955 Solarpanels errichtet,
rund 220.000 Kilowattstunden Energie werden pro Jahr und direkt
vor Ort produziert. Auch so werden die Schweden dem Ziel 13 zur
Forcierung von Maßnahmen zum Klimaschutz gerecht.
Doch weil Nachhaltigkeit neben ökologischen und ökonomischen
auch soziale Aspekte spiegelt, sind beispielsweise auch ein positives
Arbeitsumfeld, regionale soziale Projekte, Mitarbeitergesundheit,
Weiterbildung und ein zahlenmäßig ausgeglichenes Verhältnis
zwischen weiblichen und männlichen Mitarbeitern wichtig – im
TePe-Headquarter in Malmö sind 50 Prozent der Belegschaft auf
Managerebene weiblich, weltweit sind es 45 Prozent. Bereits 2015
hat die Eklund-Familie zum 50-jährigen Unternehmensjubiläum die
Eklund Foundation zur Förderung zahnmedizinischer Forschung
und Lehre gegründet. So wird mit Ausdauer, Know-how
und viel Engagement die Zukunft mitgestaltet.
Mitmachen: Die Zahnbürste GOOD ist in drei
Größen in Apotheken oder in zwei Größen bei DM
erhältlich. Informationen zu GOOD sowie dem
Unternehmen TePe: www.tepe.com/good
Aus Zuckerrohr wird Biokunststoff
und daraus eine Zahnbürste
mit 95 Prozent klimaneutralem
Produktlebenszyklus.
22 seventeen goals
WIE MENSCHEN DIE WELT BEWEGEN
23
Nachhaltigkeitstrend
2009
Jahr, in dem Montreal
erstes Bike-
Share-System der
Welt einführte
Quelle: Dycling Embassy Copenhagen
4.400.000
Anzahl
E-Bikes in
Deutschland
Ende 2018
Quelle: ZIV
1. Platz
Kopenhagen
fahrradfreundlichste
Stadt der Welt
Quelle: Copenhagenize Index 2019
2025
Jahr, in dem
norwegische
Innenstädte autofrei
sein müssen
Quelle: Dycling Embassy Copenhagen
Ziele im Fokus: Ein Beitrag des WWF
Mit grünem Geld
zu gutem Klima
Umweltschutz in Gummistiefeln ist das eine. In Budapester-Schuhen
funktioniert er aber auch. Und es braucht ihn sogar
M
atthias Kopp trägt Anzug. Oder zumindest ein
Hemd, selbst an Tagen ohne Außentermine.
T-Shirt, Sneaker, Drei-Tage-Bart – Fehlanzeige.
Wie der stereotype Umweltschützer sieht Kopp damit nicht aus.
Aber wenn er morgens um acht ins Büro in Berlin-Mitte kommt,
ist genau das seine Aufgabe: Matthias Kopp ist Anzug-Aktivist.
Im besten Sinne. Beim WWF Deutschland arbeitet er daran, das
deutsche und europäische Finanzsystem nachhaltig aufzustellen.
Damit ist er ein Umweltschützer par excellence. Denn das Finanzsystem
grüner zu machen, ist einer der wichtigsten Hebel, um
unsere Lebensgrundlagen langfristig zu schützen.
Das liegt an den zwei großen Eigenschaften von Geld. Da
wäre zum einen die schöne: Geld kann befähigen. Fließt es zum
Beispiel in den Ausbau erneuerbarer Energien, in Wiederaufforstungsprojekte,
in nachhaltig gemanagte Ackerflächen und
Tierzucht, hilft es dabei, zukunftsfähige Strukturen aufzubauen
und aufrechtzuerhalten – und damit die Zerstörung der Natur
einzugrenzen, die Erderhitzung unter 1,5 Grad zu halten und den
Artenverlust zu bremsen.
Dann wäre da die schlechte: Geld kann zerstören. Indem
es wiederum Strukturen am Leben hält, die allen das Leben
schwermachen. So wie es in Kohlekraftwerke und -minen fließt,
obwohl Kohleverstromung der größte Einzelverursacher vom
Treibhausgas CO2 ist, das die Klimakrise anheizt. Oder in kommerzielle
Sojaplantagen in Südamerika, die sich ihren Platz vom
Amazonas-Regenwald rauben.
Matthias Kopps Ziel ist es, dass Geld transformiert. „Geld soll
Mittel zum Zweck sein, um veraltete und womöglich schädliche
Wirtschaftsmodelle fit für die Zukunft zu machen. Denn das Ziel
muss immer sein, möglichst viele Unternehmen mitzunehmen
statt sie zurückzulassen“, sagt er. Würden sich Finanz- und dadurch
auch die Realwirtschaft nachhaltig aufstellen, würde die
Menschheit im Rahmen der planetaren Grenzen leben können.
Und das gut.
Aber davon ist sie derzeit weit entfernt. Stattdessen spielt sich
das größte Massenartensterben seit den Dinosauriern ab und die
durchschnittliche Temperatur hat sich seit der Industrialisierung
bereits um einen Grad erhöht. Was das für Auswirkungen hat,
Die WWF-Mitarbeiterin
Eva Klebelsberg, die in
der russischen Arktis gegen die
Klimakrise kämpft, und
Matthias Kopp, der
sich für die Transformation des
Finanzsystems stark macht
erleben auch die Menschen in Deutschland durch die inzwischen
häufigeren und extremen Wetterlagen. Besonders spürbar werden
die Folgen der Klimakrise aber andernorts, wo die Einheimischen
selbst am wenigsten Verantwortung für die Erderhitzung tragen.
Am Beringmeer in der russischen Arktis liegt das Dorf Ryrkaipiy,
in dem vornehmlich indigene Chukchi von traditioneller
Fischerei leben. Doch in den vergangenen Jahren ist das Leben
schwieriger geworden: Die Klimakrise drängt Eisbären verstärkt
an Land – und damit auch in das Dorf. Einem hungrigen weißen
Riesen wollen aber die wenigsten auf dem Weg zur Schule oder
zur Arbeit begegnen.
Bilder: © Coast Chukotka WWF RU © Irina Onufrenya, Portrait Eva Klebelsberg © privat,
Portrait Matthias-Kopp © Daniel-Seiffert/WWF
Gemeinsam mit dem WWF wird im Rahmen eines großen
Klima- und Naturschutzprojektes in der russischen Arktis daher
nun ein Anpassungsplan an die regionalen Folgen der Erderhitzung
erstellt: Wo genau liegen die Probleme, was sind mögliche
Lösungen? „Das könnten etwa bessere Müllsammelsysteme
sein, damit die Eisbären von den offenen Müllhalden nicht
mehr angelockt werden. Die Gemeinde möchte außerdem eine
Eisbärenpatrouille einrichten“, schildert Eva Klebelsberg, die das
Projekt leitet.
Auch in einer zweiten Projektregion auf der Taimyrhalbinsel
im Nordwesten Russlands spüren die Menschen die Folgen der
Klimakrise. Hier leben viele Einheimische, die größtenteils zur
indigenen Gruppe der Nenzen gehören, von der Rentierzucht.
Doch mit den längeren, feuchteren Sommern nehmen die Parasiten
zu, die den Rentieren zu schaffen machen. Und damit
auch ihren Züchtern.
Gleichzeitig steigt das industrielle Interesse an der Region.
„Die Arktis hat sich zweimal so schnell erwärmt wie der Rest
der Welt. Wo früher Eis lag, ist heute der Weg frei für Öl- und
Gasbohrungen“, erklärt Klebelsberg. Doch der wachsende Rohstoffhunger
ist nicht nur schlecht für Klima und Natur: Er ist auch
schlecht für die Menschen vor Ort, denn eine Teilhabe an neuen
Wirtschaftsaktivitäten ist nicht garantiert. Auch deshalb arbeitet
„Die Transformation
des Finanzsektors
wäre ein großer Schub“
der WWF in seinem Projekt explizit auch mit den Indigenen vor
Ort zusammen, die noch viel stärker in Einklang mit der Natur
leben und deshalb auch viel unmittelbarer auf eine gesunde
Umwelt angewiesen sind.
Und da rücken wieder die Finanzen in den Blick. Damit die
Entwicklung nicht in Richtung weiterer Erschließungen von Öl,
Gas- und Kohlevorkommen geht, muss das Finanzsystem ein Signal
senden: „Mit den Gefahren, die von der Klimakrise und dem
Massenartensterben ausgehen, werden manche Geschäftsfelder
schlicht zu riskant“, sagt Kopp. „Einerseits, weil weitere Geldflüsse
die Probleme an sich verschärfen. Andererseits, weil Wertverluste
drohen, wenn die Weltgemeinschaft zum Erhalt der Lebensgrundlagen
ernst macht und die Erderhitzung auf möglichst 1,5 Grad
begrenzt – wie es in Paris 2015 beschlossen wurde.“
Diese Umwelt- und Klimarisiken sind aber bislang fast noch
überhaupt nicht auf dem Finanzmarkt eingepreist, geschweige
180 Milliarden
Betrag in Euro, der derzeit jährlich
an zusätzlichen Investitionen fehlt,
um das EU-Klimaziel 2030
zu erreichen.
> 300
Zahl der Regulierungen im Bereich
nachhaltige Investments, die
von den 50 größten Volkswirtschaften
bereits umgesetzt sind.
26
seventeen goals
WIE MENSCHEN DIE WELT BEWEGEN
27
Ziele im Fokus: Ein Beitrag des WWF
Changemaker
Die Rentierzüchter in der
russischen Arktis bekommen
die Folgen der Klimakrise
schon heute zu spüren
Mina
rennt
Usbekistan, Schiffsfriedhof
nahe Muynak – in den 70er-
Jahren gab es hier noch
den Aralsee, der heute zu
90 Prozent ausgetrocknet ist
Die Australierin Mina Guli macht mit
spektakulären Läufen auf die weltweite
Wasserknappheit aufmerksam –
und hat eine globale Bewegung initiiert
Text STEPHANIE EICHLER
„Es braucht jeden
Einzelnen, um Druck
auszuüben“
denn sichtbar. Und wie ein Investment aussieht, das der Wirtschaft
hilft, sich nachhaltig und zukunftsfit aufzustellen, dafür besteht
auch noch kein gemeinsames Verständnis. Im Gegensatz zu vielen
anderen Unternehmen haben zumindest einige Versicherungen die
Zeichen der Zeit mittlerweile erkannt und bewerten die Risiken der
Klimakrise als enorm.
Damit es hier weiter vorangeht, braucht es neben den WWF-
Mitarbeitern wie Eva Klebelsberg, die in voller Outdoor-Montur
in der russischen Arktis unterwegs ist, auch den Anzugträger
Matthias Kopp, der in Berlin, Frankfurt und Brüssel darauf einwirkt,
die Finanzprozesse in die rechte Bahn zu lenken. Damit eben keine
Ölbohrungen vor der Taimyrhalbinsel finanziert werden, sondern
Unternehmen, die selbst klimaneutral werden oder umweltfreundliche
Technologien entwickeln.
Und es braucht jeden Einzelnen. Nicht nur, um selbst nachhaltiger
zu leben, sondern auch, um Druck auf Politik, Wirtschaft und
Finanzwelt auszuüben und damit Veränderungen zu bewirken.
Würden alle Verbraucherinnen und Verbraucher ihre Bank nach umweltfreundlichen
Produkten fragen, ihre Pensionskasse nach deren
Anlagekriterien, ihre politischen Vertreterinnen und Vertreter nach
deren Klimaschutzstrategien, würde der Handlungsdrang steigen.
Nichts anderes beweisen die Jugendlichen der Fridays-for-
Future-Bewegung, die jeden Freitag ihre Forderungen lautstark
kundtun und Antworten auch von der Bundesregierung verlangen,
die gegen das Aufheizen des Klimas bislang wenig getan hat. An den
Demonstrationen nehmen auch viele der (nicht nur jugendlichen)
Unterstützer des WWF teil. Der WWF fordert ein wirksames Paket
an Klimaschutzgesetzen und -maßnahmen bis Ende des Jahres. Die
Einbindung des Finanzsektors hat dabei Matthias Kopp mit seinem
Team im Blick, während in der russischen Arktis bereits daran gearbeitet
wird, welche Lösungen es für die nicht mehr vermeidbaren
Folgen der Klimakrise gibt.
So kann am Ende nicht nur SDG (Sustainable Development
Goal) 13 – Climate Action erfüllt werden. Die Transformation des
Finanzsektors und der Wirtschaft würde für alle Ziele der UN einen
großen Schub in eine ökologisch und ökonomisch vertretbare
Richtung bedeuten. Viel mehr Umwelt-, Klimaschutz und soziale
Gerechtigkeit geht nicht.
Mehr erfahren und selbst aktiv werden:
www.wwf.de/themen-projekte/projektregionen/arktis
www.wwf.de/aktiv-werden
Bilder: © Nenets reindeer herder © Staffan Widstrand / WWF
Bilder: © Mina Guli
Sie läuft durch Wüsten und Schnee, bei Hitze und Regen,
durch Europa, Indien und China, den Mittleren Osten,
Nordamerika, Südafrika. Und noch viel weiter. Mit ihrer
so verrückten wie aufmerksamkeitsstarken Initiative #RunningDry
inspiriert die Ultradistanzläuferin Mina Guli Menschen auf der
ganzen Welt, mitzulaufen und bewusster mit der knappen Ressource
Wasser umzugehen. Für ihr Wirken wurde sie 2016 vom
Magazin Fortune zu einer der 50 global einflussreichsten Persönlichkeiten
gewählt.
Wasser ist für Mina zum Lebensinhalt geworden. 2012
gründete sie Thirst. Die Initiative klärt junge Konsumenten über
„unsichtbares Wasser“ auf, das in Kleidung, Konsumgütern,
Nahrungsmitteln steckt. In China arbeitet Thirst mit über 1.000
Schulen zusammen und rund 1,4 Millionen junge Chinesen haben
in Thirst-Bildungsprogrammen gelernt, dass ihr eigenes Konsumverhalten
Auswirkungen hat.
Um global noch mehr Interesse zu erzeugen, setzte sich Guli
selbst medienwirksame läuferische Herausforderungen. 2016 lief
sie 1.688 Kilometer durch sieben Wüsten in sieben Wochen. 2017
waren es 40 Marathons in 40 Tagen auf sechs Kontinenten. „Bei
meinen Läufen begegnen mir viele Menschen, die schon heute
unter Wassermangel leiden“, erklärt die Aktivistin. Ihnen zu helfen
ist ihr Antrieb. 2018 rief sie schließlich #runningdry ins Leben,
auch dies mit einem atemberaubenden Ziel: 100 Marathons in
100 Tagen zu laufen. Beim 62. Marathon brach sie sich das Bein,
aber da hatte sich die Bewegung schon so verselbständigt, dass
die Community für sie weitermachte und zurückgelegte Kilometer
auf der Plattform #RunningDry spendete. Und weil alles so gut
lief, hieß es dann: 100 Marathons in einem Tag – gemeinsam und
überall auf der Welt. Dabei übertrafen sich die Wasserläufer selbst,
denn am Ende waren es sogar 201 Marathons. „Wenn
solche Leistungen möglich sind, dann können wir auch
unsere Lebensweise ändern, um die weltweite Wasserkrise
in den Griff zu bekommen“, ist sich Mina sicher.
Mitmachen: Second-Hand-Kleidung kaufen, und weniger Lebensmittel
wegwerfen, denn die Herstellung von Kleidung und Nahrung verschlingt
Unmengen an Wasser. Andere Menschen auf die globale Wasserkrise
aufmerksam machen. www.minaguli.com
28 seventeen goals
WIE MENSCHEN DIE WELT BEWEGEN
29
Digitale Transformation
Der
Wertstoffhändler
Mit der Blockchain gegen die
Plastikflut: Gründer David Katz hat
einen digitalen Recyclingkreislauf
geschaffen, in dem Sammler
ein Konto eröffnen und Projektpartner
die Lieferkette lückenlos
zurückverfolgen können
David Katz sammelt Plastikmüll,
damit er nicht im Meer landet. Eigentlich
verfolgt der Sozialunternehmer
aber ein anderes Ziel: Er will Armen
eine neue Perspektive geben
Text MARC WINKELMANN
„Ich tue, was ich kann,
und werde weiter
versuchen, andere zu
inspirieren“
Wenn Unternehmer sich öffentlich äußern, haben
sie eine goldene Regel. Sie lautet: Niemals über
andere Firmen herziehen. Schon gar nicht, wenn
man mit ihnen noch ins Geschäft kommen könnte. David Katz
hält davon nichts.
Der Kanadier hat die Plastic Bank gegründet, ein Sozialunternehmen,
das in Entwicklungsländern Plastikmüll von Armen
aufkauft. Katz möchte ihnen ein Einkommen sichern und
verhindern, dass noch mehr Kunststoffe in den Meeren landet.
Damit das gelingt, verkauft er das gesammelte Plastik wieder –
an Konzerne, die daraus neue Verpackungen fertigen. Katz ist
also auf die Zusammenarbeit mit der Wirtschaft angewiesen.
Wenn die sich aber weigert, kann sich der 50-Jährige schon
mal ordentlich in Rage reden, wie jetzt am Telefon. Er sitzt in
Vancouver, der Zentrale seiner Firma, die inzwischen 80 Mitarbeiter
hat, und sein WhatsApp-Profilfoto auf dem Display,
auf dem er eine verspiegelte Sonnenbrille trägt und frontal in
die Kamera grinst, passt so gar nicht zu seiner Tirade über den
Konsumgüterhersteller Procter & Gamble. „Ich habe mit den
Managern mehrere Gespräche über unser Programm geführt
und dass sie Tag für Tag die Umwelt zerstören. Aber die reden
nur und handeln nicht. Denen geht es nur um sie selbst“, lästert
er. „Das ist eine Krankheit.“
Der Kapitalismus, vor allem der auf Gewinnmaximierung
und Ressourcenausbeutung fixierte, ist Schuld an dem desolaten
Zustand der Erde. Das steht für Katz außer Frage. Und das omnipräsente
Plastik ist für ihn eines der sichtbarsten Zeichen der
damit einhergehenden Konsum- und Wegwerfkultur.
Bis Mitte des 20. Jahrhunderts waren Kunststoffe kaum verbreitet.
Dann stieg die Nutzung rapide an. Inzwischen setzen Hersteller
sie für Kleidung, Smartphones, Stoßstangen, Fallschirme,
DVD-Hüllen, Spielzeug, Duschvorhänge, Gasrohre und vieles
mehr ein. Sie können nicht ohne, weil das einstige Nebenprodukt
der chemischen Industrie flexibel, robust, leicht und billig ist. Die
Kehrseite: Von den 8,3 Milliarden Tonnen, die zwischen 1950 und
2015 weltweit hergestellt wurden, konnten bislang nur weniger
als zehn Prozent recycelt werden. Die Plastic Bank will das jetzt
ändern. „Zu viele Menschen schauen nur auf die Probleme. Wir
brauchen Lösungen, Lösungen, Lösungen.“
Katz, der sich als spirituell bezeichnet und laut eigener
Aussage seit seinem 12. Lebensjahr Unternehmer ist, kann sehr
überzeugend über die Plastic Bank sprechen. Bei Interviews oder
Reden tritt er häufig mit pastoraler, fast beschwörender Miene
auf. Als Kind, sagt er, sei er über den Strand von Vancouver Island
an der Westküste Kanadas zur Schule gegangen, über die Jahre
musste er aber zusehen, wie immer mehr Plastik in den Meeren
und in der Natur und der Umwelt landet. Vor allem in weniger
entwickelten Ländern ist das ein Problem. Es fehlt an Systemen
zur Entsorgung und zum Recycling und die Menschen vor Ort
müssen in dem Müll leben.
Um ihnen einen Anreiz zum Sammeln zu bieten, fing David Katz
an, dem Plastik einen monetären Wert zu geben. 2013 stellte er
in Haiti einen ersten Container auf, malte ihn grün an, besorgte
eine Waage und hing ein Preisschild auf. Seitdem können sich
Sammler ihre Ware in Bargeld auszahlen lassen oder Sachleistungen
erhalten: Strom zum Aufladen ihrer Handys, einen Ofen
zum Kochen, der die offene Feuerstelle im Haus ersetzt, eine
Behandlung beim Arzt, Versicherungen. „Social plastic“ nennt
Katz das, weil nicht nur Straßen, Strände und Wälder gesäubert
werden, sondern die Sammler Geld verdienen.
Thomas Müller-Kirschbaum ist fasziniert von diesem doppelten
Effekt, wie er sagt. Trotz der zahlreichen Initiativen, die
weltweit versuchen, den Plastikabfall in der Welt zu reduzieren,
habe er nirgendwo anders ein vergleichbares Geschäftsmodell
kennengelernt. Müller-Kirschbaum, der die Forschung und
Entwicklung des Bereichs Laundry & Home Care des Konzerns
Henkel leitet, arbeitet seit fast zwei Jahren mit der Plastic Bank
zusammen. In der Praxis funktioniert das so: Die in Haiti gesammelten
PET-Flaschen und Polyethylen-Kappen werden getrennt
voneinander geschreddert und nach Österreich verschifft –
„CO2-effizient“, wie man bei Henkel betont. Ein Aufbereiter
reinigt die Plastikschnitzel, macht aus ihnen Granulat, anschlie-
Bilder: © Plastic Bank
30 seventeen goals WIE MENSCHEN DIE WELT BEWEGEN
31
In über 300 Sammelstellen in
vier Ländern können Menschen
ihr Plastik abgeben gegen
Geld und Sachleistungen
Konto, über das er mit dem Handy Geld überweisen oder Guthaben
ansparen kann. Die finanzielle Abrechnung erfolgt über die Blockchains.
Der Vorteil: „Das System ist dezentral, fälschungssicher
und lässt sich leicht skalieren“, sagt Elke Kunde, IT-Architektin
bei IBM in Kelsterbach. „Außerdem können die Partnerunternehmen
der Plastic Bank von ihrem Standort aus jederzeit lückenlos
verfolgen, wo in der Lieferkette sich ihr Plastik gerade befindet.“
Und der Energiebedarf sei auch nicht besonders hoch, versichert
An Nachschub mangelt es nie –
wie hier auf den Philippinen
sie. Einige ältere Blockchain-Anwendungen verbrauchten bislang
unverhältnismäßig viel Strom, was, wenn die Energie aus fossilen
Quellen gewonnen wird, die Erderwärmung befördert. Darauf
habe man bei der Entwicklung der Technologie für die Plastic Bank
geachtet, so Elke Kunde.
Für David Katz geht es jetzt darum, weitere Partner von seiner
Idee einer neuen Weltwährung zu überzeugen. Das können auch
Unternehmen sein, die kein Plastik herstellen, ihren Konsum aber
nach dem Vorbild der CO2-Kompensation durch Spenden ausgleichen
wollen. Neben Henkel sind derzeit die Drogeriekette DM,
der Discounter Aldi und SC Johnson dabei, ein US-Hersteller von
Reinigungs- und Hygieneprodukten. Noch nicht sehr viele. Einige,
wie Procter & Gamble, weigern sich beharrlich. Katz aber bleibt
dran. Sagt, jetzt wieder mit ruhiger Stimme: „Ich tue, was ich kann,
und ich werde weiter versuchen, andere zu inspirieren.
Meine Hoffnung ist groß, dass wir nicht nur etwas für
unsere Umwelt tun können, sondern auch für uns
gegenseitig. Wir haben gerade erst begonnen.“
Mitmachen: Flaschen zum Wiederbefüllen
nutzen; wann immer möglich: Obst und
Gemüse unverpackt kaufen und Unverpacktläden
unterstützen; Seifenstück statt Flüssigseife aus
Einweg-Plastikspendern; zertifizierte Naturkosmetik
ist frei von Mikroplastik; Pfandsysteme
für Coffe-to-go nutzen. www.plasticbank.com
Der monetäre Wert
von Plastik gibt
Anreiz zum Sammeln
ßend entstehen „Pre-Forms“, Mini-Flaschen, die in der Fabrik zu
ihrer echten Größe aufgeblasen und neu befüllt werden.
200 Tonnen wird Henkel der Plastic Bank nach eigener
Schätzung in diesem Jahr abnehmen und daraus rund fünf
Millionen Flaschen mit einem Recyclinganteil von bis zu
50 Prozent herstellen. Verglichen mit dem Gesamtbedarf entspricht
das nur einem „niedrigen Prozentsatz“, wie Müller-Kirschbaum
einräumt. Der Düsseldorfer Konzern benötigt weltweit
mehrere Hunderttausend Tonnen Kunststoff pro Jahr. Aber der
Manager setzt auf Wachstum. „Ich traue es David Katz und seiner
Organisation zu, dass sie sich in den kommenden fünf bis zehn
Jahren zu einem der zehn größten Recyclern entwickeln.“
Wie viel Henkel dem Sozialunternehmen für das gesammelte
Plastik zahlt, will der Hersteller nicht sagen. Für das andere Ende
der Lieferkette versichert David Katz, dass Sammler „nur wenige
Kilogramm“ abliefern müssen, um die Sachleistungen zu erhalten.
Mehr als 300 Collection Center gibt es mittlerweile, sagt er,
auch in Indonesien und auf den Philippinen. Die ersten Schulen,
Krankenhäuser und Ärzte sind an das System angeschlossen und
akzeptieren Überweisungen durch die Plastic Bank; in Brasilien
ruft eine Kirche ihre Gemeinde zum Sammeln auf.
Die Plastic Bank trägt zu 14 der
17 Nachhaltigkeitsziele bei, z.B. zu
Ziel 1 (Keine Armut) oder
Ziel 4 (Hochwertige Bildung)
Geht es nach dem Gründer, kommen bald weitere Gotteshäuser
dazu. Beim Vatikan ist er schon vor einiger Zeit vorstellig geworden,
im vergangenen August nun hatte Katz ein Treffen mit dem
Papst. Seine Hoffnung: Die Katholische Kirche verbreitet seine
Botschaft und ruft ihre Mitglieder dazu auf, weltweit den Müll zu
einer Plastic Bank vor Ort zu tragen.
Damit sich die Filialen zügig vermehren, setzt Katz auf digitale
Technologien. Betreiber müssten sich bloß einen Plastikverwerter
in ihrer Gegend suchen und eine App mit einem Warenwirtschaftssystem
auf ihrem Smartphone oder Tablet installieren – schon
könne es losgehen. Jeder Sammler erhält ein personalisiertes
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