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Die Suche nach al-Andalus - Teil V. - Persien - Wasserbau und paradiesische Gärten

... und im Iran, dem ehemaligen Persien, fand ich die Antworten auf meine letzte Frage: woher kam das Wissen der Mauren um Wasserbau, ja, um eine regelrechte Wasserkultur und damit auch nach dem Ursprung ihrer viel gerühmten Gärten. Schon im Altertum, lange vor unserer Zeitrechnung betrieben die Perser Wasserbau und Wassermanagement mit verblüffend effektiven hydraulischen Systemen. Der erste bekannte persische Wasserbau und die ersten persischen Gärten waren die der antiken Ausgrabungsstätten von Pasargadae und Persepolis im heutigen Iran, lange vor unserer Zeitrechnung. Das Neupersische Reich der Sassaniden ging ab dem Jahr 651 in den arabischen Eroberungszügen unter und der größte Teil Spaniens wurde Anfang des 8. Jahrhunderts von den Arabern erobert. Der direkte Zusammenhang wird in dem Dokument deutlich und lässt sich nicht von der Hand weisen. Vor allem im heutigen Andalusien finden wir noch Beispiele uralter Wasserbautechnik und herrlicher Gärten wie die der Alhambra in Granada mit eigenen, den persischen sehr ähnlichen und effektiven hydraulischen Systemen ...

... und im Iran, dem ehemaligen Persien, fand ich die Antworten auf meine letzte Frage: woher kam das Wissen der Mauren um Wasserbau, ja, um eine regelrechte Wasserkultur und damit auch nach dem Ursprung ihrer viel gerühmten Gärten. Schon im Altertum, lange vor unserer Zeitrechnung betrieben die Perser Wasserbau und Wassermanagement mit verblüffend effektiven hydraulischen Systemen. Der erste bekannte persische Wasserbau und die ersten persischen Gärten waren die der antiken Ausgrabungsstätten von Pasargadae und Persepolis im heutigen Iran, lange vor unserer Zeitrechnung. Das Neupersische Reich der Sassaniden ging ab dem Jahr 651 in den arabischen Eroberungszügen unter und der größte Teil Spaniens wurde Anfang des 8. Jahrhunderts von den Arabern erobert. Der direkte Zusammenhang wird in dem Dokument deutlich und lässt sich nicht von der Hand weisen. Vor allem im heutigen Andalusien finden wir noch Beispiele uralter Wasserbautechnik und herrlicher Gärten wie die der Alhambra in Granada mit eigenen, den persischen sehr ähnlichen und effektiven hydraulischen Systemen ...

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DIE SUCHE NACH AL-ANDALUS

in Marokko – Syrien – Usbekistan – Jordanien – Iran

Teil V. – Persien

Wasserbau und paradiesische Gärten

Dieser Teil wurde 2019 auf vielfachen Wunsch als Buch veröffentlicht. Daher stehen in

dieser kostenlosen digitalen Fassung in unregelmäßigen Abständen einige Texte und/oder

Bilder aus Gründen des ©copyrights nicht zur Verfügung.

Nach der Danksagung ist eine 3-seitige Information über das Buch eingefügt:

IRAN und AL-Andalus – Wasserbau und paradiesische Gärten

©Isabel Blanco del Piñal


Danksagung

Allem voran möchte ich mich hier bei allen Personen und Freunden im Iran, in Deutschand

und in Spanien ganz herzlich für ihre Unterstützung bedanken. Ohne ihre wertvolle Hilfe

hätte ich dieses spannende Projekt nicht durchführen können:

Acknowledgement

Herewith I would like to express my sincere thanks to all persons and friends in Iran, in

Germany and in Spain who supported me in an extraordinary way in realizing this ambitious

scheme. Without your help I could not have successfully concluded this project:

Ana Carreño Leyva, El Legado Andalusí, Departamento Cultural, Freelance journalist

writer, Granada, Spain

Tannaz Noori, Manager, Kohan Hotel, Yazd, Iran

Ebrahim Kazemnazand, Manager, MA. Archeology Yazd, ICHTO. Cultural Heritage

Base Historic City of Yazd, Iran

Captain Behnam Enjezab and his family: his wife Atefeh Ghelmani, his son Amir and

his daughter Marjan, Yazd, Iran

Hanieh Rafiee, PhD in Medicinal Plants, Teheran, Iran

Keivan Kaveh und Marzieh Iranshahi, Technische Universität München, (TUM)

Abtlg.Wasserbau und Wasserwirtschaft

Javier Rodriguez Jiménez, Fotograf aus Leidenschaft – verliebt in die Alhambra,

Granada, Spain

Vala Parsian Tour, Travel Office

Hossein Memar Pouri, General Manager and

Reza Nouri, Tour & Marketing Manager

No. 2, Corner of Bagh St., North Sohrevardi Ave., Tehran,

Phone: +98 21 88516060 (6 lines)

valaparsiantour@yahoo.com and

vala@parsiantour.com - website: https://parsiantour.com

Behin Golab Co.,

Mojteba Mazloomian

Boulevar Saheli

Qamsar / Iran

Phone: +98 031 5564 3080

behingolab@yahoo.com

2


Rose Noire

Isabel Blanco del Piñal

NEU!

1/

UStNo. DE 170551897 – Steuerno. 147/110/60074 – E-mail: rosenoiregf@gmail.com

Günderodestr. 20 – D 81827 München – Tel. +49 (0)89 439 53 21

Kreissparkasse Ottobrunn IBAN DE57 7025 0150 0009 3775 65


Rose Noire

Isabel Blanco del Piñal

Die Geschichte des Buchs „IRAN und Al-Andalus“

„„Nur wer die Geschichte der Völker kennt kann sie und ihre Länder heute verstehen“

ist eins meiner Leitmotive. Jedes meiner vorangegangenen fünf Bücher betrachtet

die fast acht Jahrhunderte des maurischen Spanien (von 711 bis Ende 15. Jh.) aus

einer anderen Warte. Bis zum 13. Jh. hatte die maurische Zivilisation in Spanien

einen außergewöhnlich hohen wissenschaftlichen, kulturellen und technischen

Stand erreicht. Als die Bücher geschrieben waren begann ich eine digitale Reiseserie

mit dem Titel „Die Suche nach al-Andalus“. Jetzt ging es mir darum herauszufinden

woher die arabischen Wüstensöhne ihr Wissen -ganz gleich auf welchem Gebiet sei

es nun Medizin, Astrologie, Philosophie, Mathematik oder Wasserbau- erhalten

hatten. Ich hatte fünf Fragen an fünf Länder von denen ich ahnte dass sie zu der

Entwicklung von al-Andalus erheblich beigetragen haben mussten: Marokko, Syrien,

Usbekistan mit der Großen Seidenstraße, Jordanien und Iran, das Alte Persische

Imperium. Meine letzte Frage betraf das Thema Wasser – zu jeder Zeit das

wichtigste Thema der Menschheit. Wie kamen die Kenntnisse von Wasserbau, von

hydraulischen Systemen, Wassermanagement und herrlichen Gartenanlagen nach

al-Andalus und -über das muslimische Spanien- auch nach Europa?

Vor der Geburt des Islam im 7. Jh. war die Heimat der Araber die endlose Weite der

Wüsten gewesen und ihr bis dahin kostbarstes Wissen betreffend das Element

Wasser war die Kenntnis von der Lage lebensnotwendiger Oasen. Dagegen besaßen

die Alten Perser schon lange vor unserer Zeit ein umfangreiches Wissen über

Wasserbau und Wasserkultur: Die bis heute älteste bekannte hydraulische Struktur

ist die Wasserreinigungsanlage in Tschoga Zanbil (Chuzestan, gebaut 1250 BCE) und

der erste Garten wurde in der persischen Ausgrabungsstätte Pasargadae gefunden –

der ersten stadtähnlichen Siedlung von Großkönig Kyros II. (5. Jh. BCE). Beide

gehörten zum persischen Imperium und liegen in Iran. Kyros II. gilt als Vater des

persischen Gartens der viele Jahrhunderte später auch Vorbild für maurische und

europäische Gärten werden sollte. Die Antwort auf meine Frage um den

Wissenstransfer der letztendlich auch das mittelalterliche Europa befruchtete gerät

somit in einen unmittelbaren historischen Zusammenhang: Um die Mitte des 7. Jh.

wurde das Persische Reich von muslimischer Arabern erobert und im Jahr 711

begann ihre Eroberung der Iberischen Halbinsel.“

Von der digitalen Reihe Die Suche nach al-Andalus ist aufgrund vieler Anfragen nur

dieser Teil in Buchform erschienen.

München, Juli 2019

UStNo. DE 170551897 – Steuerno. 147/110/60074 – E-mail: rosenoiregf@gmail.com

Günderodestr. 20 – D 81827 München – Tel. +49 (0)89 439 53 21

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Rose Noire

Isabel Blanco del Piñal

Das Buch :

Sprache: Deutsch

Haupttitel: IRAN und Al-Andalus (das maurische Spanien)

Untertitel: Wasserbau und paradiesische Gärten im Alten Persien

Autorin: Isabel Blanco del Piñal

ISBN: 978-3-933653-10-9

Abmessungen: 21 x 21 cm

Seiten: 152

Bilder: 153 (4/4 Farben)

Gewicht: 520 grs.

Einband: hochwertig broschiert, kartoniert, Umschlag 320 grs.

Preis: 21,50€

RoseNoire Verlag Gisela Fischer

Günderodestr. 20

D-81827 München

Tel. +49 (0) 89 - 439 53 21

Email: rosenoiregf@gmail.com

Home: www.rosenoire.de – Instagram: @rosenoiregf

Digitale Magazine (e-Mags) www.yumpu.com/user/rosenoiregf

Facebook:/www.facebook.com/isabel.blancodelpinal

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UStNo. DE 170551897 – Steuerno. 147/110/60074 – E-mail: rosenoiregf@gmail.com

Günderodestr. 20 – D 81827 München – Tel. +49 (0)89 439 53 21

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DIE SUCHE NACH AL-ANDALUS

in Marokko – Syrien – Usbekistan – Jordanien – Iran/Persien

Inhalt der Reihe

©Isabel Blanco del Piñal

Teil I. Marokko und al-Andalus – Hüter des maurischen Erbes

(veröffentlicht)

https://www.yumpu.com/user/rosenoiregf

Teil II. Syrien und Al-Andalus – Reichtum und Toleranz

(veröffentlicht)

https://www.yumpu.com/user/rosenoiregf

Teil III. Usbekistan, die Seidenstraße und Al-Andalus – Wissen und Handel

(veröffentlicht)

https://www.yumpu.com/user/rosenoiregf

Teil III. Uzbekistan, the Silk Road and al-Andalus – Knowledge and Trade

English version – (published)

https://www.yumpu.com/user/rosenoiregf

Teil IV. Jordanien und al-Andalus – Herrschen und Genießen

(veröffentlicht)

https://www.yumpu.com/user/rosenoiregf

Teil V. Persien und al-Andalus – Wasserbau und paradiesische Gärten

(veröffentlicht)

https://www.yumpu.com/user/rosenoiregf

Ψ

Titelbild: Pahlavan Pour Garten, Mehriz, Iran. Er ist berühmt für seinen Obstgarten, er ist ein

klassisches Beispiel für einen historischen, persischen Garten.

Anmerkungen:

Jedes Kapitel ist separat verfügbar und jedem Kapitel liegt das Verzeichnis der gesamten Reihe „Die

Suche nach al-Andalus“ bei. Bei unterstrichenen Links in Fußnoten oder im Text: mit dem cursor auf

den link gehen, Strg gedrückt halten und anklicken

Inhaltsbeschreibungen der Bücher und alle digitalen Veröffentlichungen kostenlos lesen:

https://www.yumpu.com/user/rosenoiregf website: https://www.rosenoire.de

Facebook https://www.facebook.com/isabel.blancodelpinal Instagram: @rosenoiregf

3


Einstimmung

Erst gegen Ende des 19. Jahrhunderts, mit dem überraschenden Welterfolg der ERZÄHLUNGEN VON

DER ALHAMBRA des Amerikaners Washington Irving, besann sich die Arabische Welt wieder auf die

Maurenzeit in Spanien, und das Abendland entdeckte al-Andalus mit romantischer Begeisterung.

Der Glanz der arabischen Hochkultur im Abendland und ihr dramatischer Untergang fesselten und

berührten auch mich. Das Ergebnis waren vier eigene Bücher – jedes für sich betrachtet die spanische

Maurenzeit aus einer anderen Warte. Die Blütezeit der islamischen Kultur hatte mit den osmanischen

Eroberungen im Vorderen Orient ein jähes Ende gefunden: vom Byzantinischen Reich (1453) über

Persien, Syrien, Ägypten und ganz Nordafrika bis an die Grenze des marokkanischen Königreichs. Der

fast zu gleicher Zeit stattfindende Überlebenskampf der spanischen Mauren mehrere tausend Meilen

westwärts und der letztendliche Untergang von al-Andalus am Ende des 15. Jh., blieben fast unbemerkt.

Meine Suche nach Zusammenhängen führte mich in die Länder von denen ich wusste oder vermutete,

dass sie schon im frühen Mittelalter einen kulturellen Einfluss, einen bedeutenden Anteil an der

erstaunlichen Entwicklung des früheren, recht rustikalen, westgotischen Hispanien zum legendären, im

Orient und Abendland gleichermaßen und bis heute viel gepriesenen "Paradies al-Andalus" gehabt

hatten: Marokko, Syrien, Usbekistan, Jordanien und Persien, der heutige Iran. Könnte ich heute noch in

diesen Ländern anschauliche Spuren, greifbare Zeugen von ihrem Einfluss auf al-Andalus oder ihrer

befruchtenden Verbindung mit dem islamischen Spanien finden die mir erlaubten das

nachzuvollziehen? Oder umgekehrt, in welchem Land hatte al-Andalus ein nachhaltiges Erbe

hinterlassen? Bei allen Reisen waren meine Fragen dieselben:






Vom 8. bis zur Mitte des 13. Jh. erlebte die gesamte islamische Kultur eine Blütezeit die

allgemein als „Goldenes Zeitalter des Islam 1 “ bezeichnet wird. Wie konnte das maurische

Spanien den außerordentlichen Wissensstand, das hohe Niveau an Gelehrtheit erreichen die

auch das mittelalterliche Europa bereicherten und befruchteten? Lag das Land nicht am

äußersten westlichen Ende der damals bekannten Welt?

Fast 8 Jahrhunderte lang war die Iberische Halbinsel die Heimat der Mauren gewesen. Al-

Andalus gilt heute als leuchtendes Beispiel für das tolerante Miteinander der Religionen.

Tatsächlich gab es diese Toleranz nur in wenigen Jahrhunderten. In welchem muslimischen Land

würde ich noch greifbare Hinweise auf diese Toleranz finden?

Wie kam es zu dem legendären Reichtum von al-Andalus?

In welchem Land würde ich Zeugen finden von der Lebensfreude der syrischen und maurischen

Umayyaden? Im 8. Jh., in der Zeit des noch jungen Islam, herrschten sie über ein Großreich: vom

damaligen Syrien über ganz Nordafrika und den größten Teil der Iberischen Halbinsel. Unter den

maurischen Emiren und Kalifen der Dynastie erreichte das orientalisch-sinnliche Raffinement in

al-Andalus einen Höhepunkt und … gab es schon immer ein Bilderverbot im Islam?

Al-Andalus wird gerühmt für Wasserbau, hydraulische Systeme und paradiesische Gärten.

Woher hatten die spanischen Araber dieses Wissen? So fortschrittlich war ihr

Wassermanagement dass es nach der Abschluss der Rückeroberung von al-Andalus im Jahr 1498

des 15. Jh. von den Christen übernommen wurde. Als ein Beispiel gilt das Wassergericht von

Valencia. Es tagt heute noch regelmäßig und gilt als die älteste Institution Europas.

1 Mehr über diesen Begriff unter: https://de.wikipedia.org/wiki/Bl%C3%BCtezeit_des_Islam

4


Al-Andalus, das hispano-arabische Spanien nach

der Eroberung 711. Bis in die Mitte des 11. Jh.

sollte es bei dieser Aufteilung bleiben

Mein bisheriger Streifzug durch die Geschichte

der Länder ergab, dass al-Andalus in Marokko mit

seiner Musik, seiner Architektur und seinen

Traditionen fest verankert ist. Zwischen beiden

Ländern hatte seit dem frühen Mittelalter 2 eine

Symbiose stattgefunden, der Geist von al-Andalus

ist seit dem 9. Jh. bis heute immer präsent

geblieben. Al-Andalus lebt weiter auf der

anderen Seite der Meerenge von Gibraltar.

Syrien war das Mutterland der arabischen Kultur

im Abendland. In den ersten Jahrhunderten nach

der Eroberung war al-Andalus noch ein Übersee-

Emirat des ausgedehnten Omaijadenreichs. In

der ersten Hälfte des 10. Jh. sagte sich das Große Kalifat von Cordoba vom arabischen Mutterland los –

das maurische Spanien wurde ein unabhängiger Staat. Er entwickelte im Lauf der Jahrhunderte einen

ganz eigenen hispano-arabischen Charakter der zu einem großen Teil auch von den günstigen,

klimatischen Gegebenheiten bestimmt wurde. In Damaskus und Aleppo fand ich überzeugende

Beispiele zu meinen Fragen nach Toleranz und Reichtum. Meine Reisen nach Usbekistan und an die

Große Seidenstraße waren nur eine logische Folge um Antworten auf die Frage zu finden wie Reichtum

durch regen Handel generiert wurde und wie Wissenschaften und neue Technologien ihren Weg in die

gesamte muslimische Welt fanden, ihren Beitrag zum Goldenen Zeitalter des Islam 3 leisteten und

letztendlich auch al-Andalus, das Land am äußersten Ende der damals bekannten westlichen Welt,

befruchteten. Es war nicht einfach historische Verbindungen zum Bilderverbot im Islam oder zur

Lebensfreude der Omaijaden zu finden. Sie waren die syrischen Stammväter der arabo-andalusischen

Emire und Kalifen gewesen. Aus dieser Herrscherdynastie gingen auch die ersten Kalifen nach dem

Propheten im Orient hervor. Es war die Zeit des jungen Islam, noch bevor sich im Lauf der

nachfolgenden Jahrhunderte, wie auch in der christlichen Religion, religiöse Gesetze und Regeln

verschärfen sollten. Einst gehörte auch Jordanien zum Omaijadenreich nur ist dort verschwindend

wenig aus dieser Zeit erhalten geblieben. Aber, um es gleich vorweg zu nehmen: Auch meine

anfängliche, vorletzte Frage wurde in Teil IV. „Herrschen und genießen“ zufriedenstellend beantwortet.

Im Iran, dem ehemaligen Persien, fand ich die Antworten auf meine letzte Frage nach dem Wissen der

Mauren um den Wasserbau und damit auch nach dem Ursprung der so oft gerühmten persischen

Gärten. Schon im Altertum, lange vor unserer Zeit und im frühen Mittelalter betrieben die Perser

Wasserbau und Wassermanagement mit einfachen aber effektiven hydraulischen Systemen. Das

persische Reich der Sasaniden ging ab dem Jahr 651 in den arabischen Eroberungszügen unter und der

größte Teil Spaniens wurde Anfang des 8. Jahrhunderts von den Arabern erobert. Der Zusammenhang

lässt sich nicht von der Hand weisen. Vor allem im heutigen Andalusien finden wir noch herrliche

maurische und ihnen nachempfundene Gärten wie die der Alhambra in Granada oder des Alcázar in

Cordoba mit eigenen, den persischen sehr ähnlichen und effektiven hydraulischen Systemen; und die

jahrhundertealte Tradition der andalusischen patios lässt unzählige andalusische Innenhöfe kleinen

Paradiesen gleichen.

Ψ

2 wie z. B. die Gründung des Viertels der Andalusier/Quartier des Andalous in Fès (9. Jh.) durch hispano-arabische

Einwanderer

3 749 – 1258 n. Chr.

5


Iran ist kein arabisches Land

Zunächst etwas Grundlegendes: Der Name Iran kommt vom altpersischen Eran (Land der Arier). Bis

zum Jahr 1935 trug Iran den historischen Namen „Persien“; heute gehört er mit ca. 80 Millionen

Einwohnern zu den 20 größten Staaten der Erde. Das Land wird nicht Arabien zugeordnet – es

gehört zu Vorderasien, die Landessprache ist Persisch, eine Variante davon, das Farsi wird in

einigen Gegenden gesprochen. Die Iraner sind stolz darauf dass ihre Sprache im Gegensatz zu der

arabischen die zu der semitischen Sprachfamilie gehört, den indogermanischen bzw.

indoeuropäischen Völkern zugeordnet wird genauso wie auf die glanzvolle Vergangenheit Persiens

die bis in die Antike zurückreicht – eine Zeit in der Persien bereits eine Hochkultur und das erste

Weltreich war, das den Namen „Imperium“ verdiente. Bis zum Jahr 331 4 v. Chr. war Persien das

erste Großreich in der Geschichte, noch vor dem römischen Imperium.

Die IranerInnen sind höflich, ausgesprochen freundlich und aufgeschlossen westlichen Besuchern

gegenüber, sehr gastfreundlich, kontaktfreudig und fröhlich. Jeden Tag wurde ich mehrfach auf der

Straße, auf Plätzen -meistens von Frauen und jungen Mädchen- angesprochen ob ich mit einem

gemeinsamen Foto einverstanden wäre – natürlich war ich es, den Gefallen tat ich Ihnen gern.

Die junge Generation ist sehr wissbegierig betreffend westliche Bräuche und Politik – was sie aber

noch mehr interessiert ist was Besucher vom Iran denken. Sie strahlen wenn man ihr Land, seine

Schönheiten lobt und die Liebenswürdigkeit der Menschen, was auch den Tatsachen entspricht.

Aber sie fragen auch was man über die iranische Regierung oder die Kleidungsvorschriften denkt

wie z. B. die Vorschrift in der Öffentlichkeit das Kopfhaar zu bedecken. Man tut gut daran erst

einmal diplomatisch zu antworten meistens wird sehr schnell klar dass die Fragenden mit manchem

so gar nicht einverstanden sind. Es gibt sehr viele StudentInnen – viele angehende ÄrztInnen, auch

viele Mädchen die Ingenieurswesen oder und Umweltberufe studieren.

Obwohl das geschriebene Persisch aussieht wie Arabisch sind es zwei verschiedene Sprachen die

nur wenige Wörter gemeinsam haben. Die iranische Sprache ist die größte Sprachfamilie der Welt

die für rund drei Milliarden Menschen Muttersprache ist. Ihre große Verbreitung ist das Ergebnis

von Völkerwanderungen im Laufe der Jahrtausende, darunter auch der europäischen Expansion seit

dem 15. Jahrhundert. Es werden 13 iranische Hauptsprachen angenommen die noch gesprochen

werden. Die älteste überlieferte ist das Avestische eine Religionssprache aus dem Jahr 300 v. Chr.

Sie war die Sprache der Zoroastrier – der Anhänger der damals weit verbreiteten Religion des

Propheten Zarathustra. Sie war epochenweise Staatsreligion im Alten Persien. Ein verlässliches Zitat

zum Thema ist 5 :

„Ende des 18. Jahrhunderts entdeckte der britische Jurist und Indologe William Jones

durch vergleichende Sprachforschung, dass viele Sprachen in Europa und Asien

einander so ähnlich sind, dass sie gemeinsame Wurzeln haben müssen. Zu der so

entdeckten indogermanischen Sprachfamilie gehören in Europa alle germanischen,

slawischen, baltischen, keltischen und italischen Sprachen sowie Albanisch, Armenisch

und Griechisch. In Asien gehören die indoarischen und die indoiranischen sowie die

Nuristani-Sprachen dazu …“.

Ψ

4 Bzw. 333. Die Schlacht bei Issos zwischen Persern, Makedonern und dem Korinthischen Länderverbund mit dem König

und Feldherr Alexander der Große besiegelte das Ende des persischen Großreichs. Archäologen vermuten dass das

antike Issos die Ausgrabungsstätte Kinet Höyük in der Nähe von Dörtyol/Türkei sein könnte.

5 Indogermanische Ursprache. https://de.wikipedia.org/wiki/Indogermanen#Die_indogermanische_Ursprache

6


Der persische Garten

Die Sehnsucht nach Gärten mit Wasserläufen, Grünflächen und Bäumen gab es schon weit vor

unserer Zeit, lange vor dem „islamischen Paradiesgarten“. Das Wort „Paradies“ kommt von dem

persischen Wort Paradeisos 6 . Die persische Geschichte und der Wasserbau sind Jahrtausende alt,

sie reichen zurück bis ins Altertum. Die alten Araber kamen erst in Berührung mit Wasserbau und

Gärten kurz nach der Entstehung des Islam, nach der Eroberung des Persischen Reichs die um das

Jahr 637 mit der verlorenen Schlacht der Perser bei Kadesia begann. Von Wissenschaftlern wird

bestätigt dass der Ursprung der orientalischen Gartenkultur im persischen Garten liegt – mit den

arabischen Eroberern kam sie ab Anfang des 8. Jahrhunderts auch nach Spanien.

In dem vielbeachteten Werk der Arabistin und Andalusforscherin Professor María Jesus Rubiera „La

Arquitectura en la Literatura Árabe“ 7 das ich ins Deutsche übersetzt habe, weist sie mehrmals auf

den befruchtenden Einfluss der persischen Architektur und der Gartenkultur auf die arabische

Architektur hin:

„… Ganz sicher war die Oase der Anfang des arabischen Gartens, die Oase, die mit ihren

hell-dunklen Schattenspielen ganz besonders den Schönheitssinn der Beduinen erfreute.

Wie ein schwarzer Fleck tauchte sie am gleißenden Horizont auf und später, wenn sie

sich unter ihren Palmen niederlassen, wird sie alle Sinne erfreuen: Mit der Kühle ihres

Schattens und mit ihrer Quelle, deren Wasser in einem spiegelgleichen Teich ruht oder

singend in den kleinen Bächen und einfachen Kanalrinnen plätschert, die dort ihren

Anfang haben. Der Prophet des Islam ergründete diese Empfindungen, und während die

Perser aus ihren Gärten Paradiese erschaffen hatten, machen die Araber aus dem

Paradies einen Garten… 8 “. Und weiter „… Aber die Oase wird erst zum [arabischen]

Garten das heißt, sie wird Architektur in Berührung mit anderen Zivilisationen wie mit

der persischen, die Gärten -Paradiese- schuf als Abbild des Kosmos. Sie wurden durch

zwei gerade, sich kreuzende Wasserkanäle in viel Teile unterteilt und an ihrem

Schnittpunkt befand sich ein Springbrunnen oder ein Pavillon, der den Berg darstellen

sollte, der Mittelpunkt des Universums ist 9 . Diese Aufteilung wird von den andalusischen

Gärten auf das Genaueste vorgeführt 10 …“. An anderer Stelle „… Die arabische

Architektur und mit ihr die Vorstellung vom Paradies wird geboren, als das persische

Rundzelt die Behausung aus Kamelhaut ersetzt“ 11 .

Auch der Architekt Antonio Fernández Alba, Mitglied der Königlich Spanischen

Akademie, greift dies im Vorwort zu Rubieras Werk auf: … „Die Araber aus

vorislamischen Zeiten „lebten in Zelten aus Leder“ – das ist der Raum des Nomaden …“ 12 .

Ψ

6 Das Wort wurde im Griechischen als pairi-daēza übernommen Es bezeichnete ursprünglich auch persische

Königsgärten; in biblischem Zusammenhang wurde daraus „Gottesgärten“ und in der Septuaginta, der griechischen

Übersetzung der Tora, wurde es u. A. zum „Garten Eden“

7 Deutscher Titel Rosen der Wüste – Die Architektur in der arabischen Literatur, übersetzt von Isabel Blanco del Piñal,

erschienen 2001, verlegt von RoseNoire Gisela Fischer, München

8 Ebd. S. 91

9 Rosen der Wüste, S. 91 und Les jardins de l’Islam, Icomos 2ème Colloque international sur la protection et la

restauration des jardins historiques organisé par l’Icomos et l’Ifla, Granada 1973, S. 130.

10 Ebd. S. 92

11 Ebd. S. 19

12 Ebd. S. 11

7


Oben: Palast Ali Qapu am Platz Naqsch-e Dschahan (spätes 16. Jh.) Isfahan. Dahinter liegen die

königlichen Gärten mit weiteren Pavillons, der Thronhalle und dem berühmten Tschehel Sotun-

Garten. Unten: Palastpavillon im Garten Tschehel Sotun, Isfahan. Er wurde 1647 unter Schah Abbas

II. fertiggestellt. Er gehört zu den schönsten Beispielen safawidischer Architektur, auch weil er noch

von der einstigen Gartenanlage umgeben ist.

8


Wenn ich nach meiner ersten Reise in den Iran im Jahr 2017 gefragt wurde was mich dort am

meisten beeindruckt hat kamen mir, neben den iranischen Eigenschaften wie Höflichkeit,

Gastfreundschaft, Hilfsbereitschaft und fröhliche Liebenswürdigkeit sofort die Begriffe „Wasser“

und „Grün“ in den Sinn. Ein erstaunliches Ergebnis für ein Hochland dessen Großteil aus Wüste und

beeindruckend kahlen, hohen Gebirgszügen besteht – einige so hoch dass selbst im Sommer Schnee

auf ihren Gipfeln liegen bleibt. Nach meinen vielen Jahre in Andalusien, meiner langjährigen

Beschäftigung mit der hispano-arabischen Geschichte und der Leidenschaft für die maurischen

Errungenschaften im muslimischen Spanien, deren Erbe nicht nur die traditionellen andalusischen

Innenhöfe sind sondern auch eine jahrhundertealte Tradition des Wasserbaus und herausragender

Wasserverwaltung, war ich natürlich besonders empfänglich für persische Gartenanlagen und für

alles was mit Wasserwirtschaft im allgemeinen zu tun hat.

In Isfahan, Schiras, Yazd oder Kashan hatte ich historische Gärten bewundert mit ihren

Wasserbecken und schmalen, plätschernden Wasserwegen, mit symbolhafter Baum- und

Grünflächenaufteilung und sorgfältig geplanter Platzierung von Farbtupfern aus bunten

Blumenbeeten, mit entzückenden kleinen, aber geschmackvoll gestalteten Gartenschlösschen

deren Bestimmung wohl am besten der französischen Bezeichnung „résidences de plaisance 13 “

entspricht was ich im Hinblick auf Persien als „Residenzen des Wohlfühlens“ übersetzen würde,

denn diese kleinen Palastpavillons verfügten zwar über die Annehmlichkeiten ihrer Zeit, haben

jedoch nichts mit den mittelalterlichen, prunkvollen Schlössern oder Palästen in Europa und deren

Gärten zu tun. Im Gegenteil, wenn manche auch innen prunkvoll ausgestattet sind wirken sie

anmutig, zierlich. Dorthin zogen sich Herrscher mit kleinem Hofstaat zurück um zu entspannen und

sich von den Staatsaufgaben zu erholen oder um hohe Besucher zu empfangen.

Gartenanlagen wurden nicht nur für Herrscher, Fürsten oder Statthalter angelegt, sondern auch in

und um Grabstätten für Personen des öffentlichen Lebens wie besonders verehrte Poeten und

Literaten wie Saadi 14 aus Schiras oder Hafis 15 aus derselben Stadt, der in Deutschland besonders von

Johann Wolfgang von Goethe so leidenschaftlich verehrt wurde dass der „Diwan 16 “ des persischen

Dichters den Deutschen derart beflügelte dass er selbst eine Gedichtsammlung in 12 Bänden

schrieb – den West-Östlichen Diwan (1819).

Anders als der Dichter Rudyard Kipling („Ost ist Ost, West ist West, sie werden nie zueinander

kommen“) begegnete das lyrische Ich bei Goethe dem Islam mit Gelassenheit, er betrachtet die

persische Dichtung als gleichberechtigt. Ein denkwürdiges Zitat Goethe‘s stammt aus seinem West-

Östlichen Diwan:


„Wer sich selbst und andere kennt,

Wird auch hier erkennen:

Orient und Okzident

Sind nicht mehr zu trennen.“


Ψ

13 Lustschloss. In Persien: geschmackvoll, oft mit kunstvollen Fresken verzierter palastähnlicher Gartenpavillon mit

mehreren Zimmern mit reduzierten Abmessungen und häufig nur Sommerresidenz.

14 Saadi (geb. um 1208/1210 in Schiras, Iran; gest. um 1291/1291 ebenda) war ein volksnaher und zuweilen

gesellschaftskritischer Dichter. Er ist ebenso bekannt wie Hafis/Hafez. Sein Mausoleum wurde inmitten von einem

weitläufigen Garten errichtet und ist ebenso vielbesucht wie Garten und Mausoleum seines Dichterkollegen Hafis.

15 Hafis oder Hāfez (geb. um 1315 in Schiras, Iran; gest. um 1390 ebenda) ist einer der bekanntesten persischen Dichter

und Mystiker. Jeder im Iran kennt ihn und alle Iraner, ob Jugendliche oder Erwachsene kennen und verehren ihn.

16 Eine (umfangreiche) Gedichtsammlung in Persien und in der Arabisch sprechenden Welt

9


Legenden und Überlieferungen – Die Hängenden Gärten von Babylon

Bild: Ein Beispiel für die Vorstellung der Hängenden Gärten von Babylon

Text und Bild stehen nicht zur Verfügung

10


Der Turmbau zu Babel

Bild: Der Turm von Babylon gemalt von Abel Grimmer (ca. 1565–1620) 17

Text und Bild stehen nicht zur Verfügung

17 Turm zu Babel, entstanden 1604, Source: http://www.christies.com/lotfinder/paintings/abel-grimmer-the-tower-ofbabel-5701782-details.aspx

Uploaded by Caravaggista, 13.11.2015. ©Wikimedia Commons, public domain.

https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Grimmer_tower_of_babel.jpg

11


Wasserbau im persischen Altertum: das Königreich Elam

2.900 – 640 v. Chr.

Das Königreich ELAM 18 (ca. 2.900-640 v. Chr.)

Persiens Antike und Entwicklung sind kompliziert, sie werden vorwiegend geprägt von

Landeroberungen, von Großreichen gewaltigen Ausmaßes und vom Ringen um die

Vormachtstellung im Vorderen Orient und im mittelasiatischen Raum mit dem römischen

Imperium. Daher zähle ich in dieser Veröffentlichung bei jedem wichtigen Zeitabschnitt für unser

Thema Wasserbau und Gärten nur die unbedingt erforderlichen geschichtlichen Eckpunkte auf.

In der Zeitfolge weist alles darauf hin dass die Entwicklung dessen was wir Zivilisation der

Menschheit nennen vom fruchtbaren Halbmond 19 ausging, zu dem auch das mesopotamische

Königreich Babylonien zählte. Seit dem 12. Jahrtausend vor unserer Zeitrechnung betrieben

Menschen in dieser breitgefächerten Kulturlandschaft schon Ackerbau und Viehzucht. Das heißt

dass es in Babylonien Wasserbau bzw. einfache hydraulische Systeme gegeben haben muss wenn

dort bereits vor 5.000 Jahren Zikkurate erbaut wurden. Zu einer Bautätigkeit gehören Menschen die

in Ansiedlungen leben, Landwirtschaft mit Bewässerung und Viehzucht betreiben und Trinkwasser

für die tägliche Versorgung brauchen.

Nachdem ich 2017 zum ersten Mal im Iran war begann ich ganz gezielt meine Zeitreise durch

Persiens Wasserbau und Gärten im April 2018 im Südwesten des Iran. Sie führte mich in eine

Gegend die lange vor unserer Zeit und noch vor dem ersten Großreich Persiens zum ehemaligen

Königreich ELAM gehörte: nach Tschogha Zanbil. Dort waren die Überreste einer Tempelstadt, eine

wunderbar sorgfältig teilrestaurierte Zikkurat und die erste heute bekannte und rund 3.000 Jahre

alte Wasser“aufbereitungsanlage“ der Zivilisation.

18 Karte Elam: ©German map of Elam (Persian), uploaded by Timk70 March, 4th March 2014.

https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Elam_Map-de.svg Creative Commons Attribution-Share Alike 3.0.

Public Domain

19 Mesopotamien ist der Name einer Kulturlandschaft, Babylonien war ein Königreich in derselben. Mesopotamien war

ein Teil des sogen. fruchtbaren Halbmonds, der sich vom Persischen Golf im Süden des heutigen Irak, über den Norden

von Syrien, den Libanon, Israel, Palästina und Jordanien erstreckt. Mehr dazu unter:

https://de.wikipedia.org/wiki/Fruchtbarer_Halbmond

12


Die Zikkurat von Tschogha Zanbil und die älteste bekannte

Wasseraufbereitungsanlage der Welt

Die Zikkurat von Tschogha Zanbil

Die Zikkurat wurde von Untash Napirisha, König des Reichs Elam, um 1250 v. Chr. in der Nähe der

damaligen Hauptstadt Susa 20 für eine neue Residenz- und Tempelstadt mit dem elamitischen

Namen Dur Untash, dem heutigen Tschogha Zanbil 21 gebaut, möglicherweise als politisch-religiöses

Bindeglied zwischen dem Unteren und dem Oberen Elam. Tschohga Zanbil liegt rund 40 km von der

ehemaligen Königsstadt Susa entfernt auf einem Hochplateau im Südwesten des Iran, in der Provinz

Chuzestan. Im Iran gibt es einige Zikkurate, doch ist keins so gut erhalten wie die von Tschogha

Zanbil. Die Zikkurat von Tschogha Zanbil wurde 1935 bei Luftaufnahmen entdeckt, die

Ausgrabungen erfolgten um die Hälfte des 20. Jh. und im Jahr 1979 wurde das Bauwerk in die Liste

der UNESCO als Weltkulturerbe aufgenommen. Wir haben es schon beim Turm von Babel gesehen

– eine Zikkurat 22 ist ein gestufter Tempelturm, von der runden, babylonischen Form gibt es jede

Menge phantasievoller Gemälde, hier sah ich zum ersten Mal dass eine Legende die in zwei

Religionen eingeflossen ist -der hebräischen und der christlichen- einen wahren Hintergrund hat. Es

wurden zwei Terrassen ausgegraben und sorgfältig, man könnte fast sagen liebevoll, restauriert. Die

oberen Terrassen waren in mehr als 3.000 Jahren der Erosion zum Opfer gefallen – von ihnen blieb

nur eine hügelähnliche Masse von Lehm und Ziegeln.

20 Auch: Shush

21 Auch Choga Zanbil. Dur Untash hieß auf Elamitisch so viel wie „das Haus/das Zuhause des Untash“. Die Übersetzung

Tschogha Zanbil kommt aus dem Persischen.

22 auch Ziggurat oder Schiggorat (babylonisch: hoch aufragend/aufgetürmt, Himmelshügel, Götterberg)

13


Bild steht nicht zur Verfügung

Einer von den vier Eingängen zur Zikkurat mit einem Rundaltar davor

Am Fuß des Tempelturms, vor den 25 ausgegrabenen Metern, kam ich mir klein

vor, und ich konnte mir gut vorstellen wie die Zikkurat von Babylon mit einer Höhe

von 91m auf die Menschen im Altertum gewirkt haben muss: ein Götterberg, wie

eine Himmelsleiter – was von anderen Religionen durchaus als gotteslästerliche

Vermessenheit interpretiert werden konnte und ihre Zerstörung durch die Hand

Gottes zur Folge gehabt hätte. Soweit die Überlieferung in den verschiedenen

religiösen Erzählungen.

Ψ

14


Auf der letzten Stufe der Zikkurat stand ein Hochtempel oder Schrein für die wichtigsten Gottheiten

der Elamiter: für den männlichen Hauptgott Inshushinak und die Hauptgöttin Kirinisha –sie werden

auf den erklärenden Tafeln rund um das Bauwerk erwähnt. Die iranischen Zikkurate unterschieden

sich von den babylonischen bei denen ein Weg außen herum in die Höhe führte, dahingehend, dass

man nur über ein kompliziertes System von Innentreppen mit Scheingängen die nirgendwo

hinführten das Allerheiligste ganz oben erreichen konnte. Nur Priester die dem Stufentempel

zugeteilt waren hatten dort Zugang.

Tschogha Zanbil ist ein Quadrat mit einer Seitenlänge von je 105,2m. Der gesamte Tempelbau war

53m hoch; ausgegraben und sorgfältig restauriert wurde er nur bis zu einer Höhe von knapp 25m.

Die Backsteine im Inneren des Baus waren an der Sonne getrocknet worden, die Ziegelsteine der

Außenmauern, gebrannt. In der Mitte jeder Seite gibt es einen Eingang, vor jedem stand ein

gemauerter Rundaltar. Auf die Zikkurat führte eine Prozessionsstraße zu die mit Backsteinfliesen

gepflastert war. Um den Tempelturm herum gibt es noch zahlreiche dieser Fliesen die zum Teil

noch recht gut erhalten sind. Es wird angenommen dass an bestimmten Feiertagen Prozessionen

zur Zikkurat stattfanden und den Gottheiten die dann auf den Rundaltären standen, Opfer

dargebracht wurden.

In den Mauern wurden an die 5.000 Ziegelsteine mit Inschriften in akkadischer bzw. elamischer

Keilschrift entdeckt – auf denen immer wieder der König und die Gottheiten erwähnt werden. Zum

Teil beschreiben sie auch wie das Bauwerk ausgesehen hat: die verschiedenen Terrassen waren

offenbar mit glasierten zum Teil farbigen Ziegelfliesen verkleidet und die oberen Stockwerke mit

glasierten Knaufziegeln 23 verziert. Am Haupteingang der Zikkurat wurden halb-lebensgroße,

ebenfalls farbig glasierte, Tonfiguren von mythischen Mischwesen mit Greifköpfen und Stierkörpern

gefunden. Beide Tiere waren Symbole für Wachsamkeit und Stärke und wiederholen sich in

späteren Jahren auch in zahlreichen historischen Stätten des Altpersischen Reichs wie z. B. in

Persepolis.

Text steht nicht zur Verfügung

23 Auch: Tonnägel (Applikationen die wie Nagelköpfe geformt sind)

15


Bild steht nicht zur Verfügung

Vorwiegend elamische, teilweise auch akkadische Keilinschriften auf

Backsteinen im Mauerwerk des Tempelturms

16


Oben: Hochplateau von Tschogha Zanbil mit dem Fluss Dez im Hintergrund, in dem sich der Himmel

spiegelt. Unten: Ansicht der Zikkurat vom ehemaligen Palastbereich aus.

17


Die beiden noch vorhandenen Elemente der Wasserversorgung wurden ausgegraben und behutsam

restauriert. Beide Konstruktionen gelten als die Überreste der ersten bis heute bekannten

Wasseraufbereitungsanlage der Welt. Ich erinnere mich nicht genau aber ich glaube ich war fast

enttäuscht als ich sah wie simpel das Prinzip war mit dem sie funktioniert hatte. Wir sind so an

moderne Technik gewöhnt dass es einem schwer fällt nach den einfachsten Regeln zu denken. Um

es ganz einfach auszudrücken: es war das Prinzip von zwei miteinander verbundenen Gefäßen,

Rücken an Rücken, auf verschiedener Höhe. Sobald das Wasser von einem Gefäß die Verbindung

mit dem zweiten erreicht hat fließt es dort hinein.

Übersetzt auf die Anlage von Tschogha Zanbil heißt das, dass das Wasser von einem tiefen großen

Becken durch gemauerte vertikale Schächte hochstieg bis es die Höhe der Öffnungen zu einem

höher gelegenen, flachen Becken erreichte und hineinfloss. Das Erstaunliche ist dass sich die

vertikalen Schächte im Inneren der dicken Trennmauer zwischen beiden Becken befinden. Durch

den langsamen Anstieg in den Schächten im ersten Becken, blieb das Wasser ruhig – immer noch

verbliebene Sedimente konnten sich setzen bis das Wasser oben auf der anderen Seite langsam

herauslief. So wurde der Wasserfluss zur Tempelstadt zwar ständig und mit geringer

Geschwindigkeit in Bewegung gehalten.

Das erste erhaltene Bauwerk ist ein großes Reservoir (Bild 1, oben) in dem das Wasser aus dem

Kanal von Susa ankam. Wände und Boden des Reservoirs waren mit gebrannten Ziegelsteinen

ausgekleidet und mit Teer abgedichtet. Es ist 10,70m lang, 7,25m breit und 4,35m tief und hat ein

Fassungsvermögen von 350m3. An der Stirnseite unten hat es 9 senkrechte, schmale Öffnungen.

Die zweite Konstruktion ist an die Rückseite des großen Reservoirs gebaut. Ihre Oberkante ist die

Unterkante des Mauerausschnitts der an der Stirnseite des großen Reservoirs oben zu sehen ist. An

diesem zweiten Bauwerk sind ebenfalls schmale Öffnungen zu sehen. (Bild 2, unten). Beide Teile

der Anlage sind im Inneren der Mauer miteinander verbunden – von den Öffnungen im großen

Reservoir führen 9 schmale Stollen nach oben die auf dem Niveau der Öffnungen an der Rückseite

enden. Stieg das Wasser im großen Becken, stieg auch das Wasser in den neun Schächten. War es

es bis knapp unter den Mauerausschnitt angestiegen hatte es auch die Öffnungen an der Rückseite

erreicht und floss durch die Ausgänge in ein kleines Becken. Von dort aus wurde es mit Rohren aus

Ton 24 unterirdisch in die Stadt geleitet. Die Austrittsöffnungen zum höher gelegenen, flachen

Becken sind ebenfalls noch gut zu sehen, das Becken kann man nur noch erahnen.

Es ist anzunehmen dass die Wasserzufuhr vom Kanal aus mit Flutschiebern zeitweise gesperrt und

das große Becken regelmäßig gereinigt wurde. Beide Bauwerke waren Teil der äußeren Stadtmauer.

Das große Reservoir war zusätzlich durch rundum durch Mauern geschützt.

Ψ

Im Jahr 640 v. Chr. ging das Königreich Elam im ersten Persischen Imperium auf, blieb jedoch in

mancher Hinsicht eine selbständige Provinz. Seine Geschichte ist untrennbar mit der Geschichte des

heutigen Iran verbunden.

Ψ

24 wahrscheinlich. Eine offene Wasserleitung hätte wieder Verschmutzung bedeutet.

18


Bilder 1 und 2 stehen nicht zur Verfügung

Oben, Bild 1: Reservoir für das ankommende Wasser das schon einige

Sedimentierungsbecken durchlaufen hatte. Im Hintergrund die Zikkurat. Unten Bild 2:

An der Rückseite des Reservoirs mit den senkrechten Öffnungen kam das Wasser im

kleinen höher gelegenen Becken durch ähnliche Öffnungen heraus.

19


Das Reich der Achämeniden 25 Großkönig Kyros II. und

der erste persische Garten

Wir überspringen jetzt rund 750 Jahrhunderte und kommen im 6. Jh. v. Chr. im altpersischen

Großreich der Achämeniden an. Ab dem Jahr 550 v. Chr. gab es unter König Kyros II. der Große 26

eine persische Landeroberung der anderen, das Königreich breitete sich immer weiter aus bis es

unter einem seiner Nachfolger, König Darius I. 27 seine größte Ausdehnung erreichte. Im späten 6.

Jahrhundert v. Chr. bis fast am Ende des 4. Jh. v. Chr. gehörten die heutigen Länder Türkei, Zypern,

Iran, Irak, Afghanistan, Usbekistan, Tadschikistan, Turkmenistan, Syrien, Libanon, Israel, Palästina

und Ägypten dazu. Heute noch erwähnen die zahlreichen patriotischen Iraner König Kyros II. immer

mit dem Zusatz „der Große“ oder „König der Könige“, weltweit ist er mehr unter dem englischen

Namen Cyrus II., The Great bekannt.

Der bisher älteste persische Garten genannt „Die Vier Gärten“ wurde mit den Ausgrabungen in

Pasargadae 28 gefunden, der ersten Residenzstadt der Achämenidendynastie die König Kyros II., der

Große, im Südwesten des Iran, ca. 110km von Schiras entfernt, errichten ließ. Pasargadae und

Garten stammen aus dem 6. Jh. v. Chr., also mehr als 1000 Jahre bevor es Gärten in Arabien oder

gar in Europa gab. Unter vielen anderen Ländern eroberte Kyros II. im Jahr 539 v. Chr. auch

Mesopotamien mit der Hauptstadt Babylon. Hatte er dort die legendären „Hängenden Gärten

gesehen? Setzte er in Pasargadae die Sehnsucht nach Wasserläufen die eine Gartenanlage mit

erfrischendem Grün und Pflanzen durchziehen, um?

Die beeindruckende Ausgrabungsstätte der antiken Stadt in der auch die Überreste der „Vier

Gärten“ identifiziert werden konnten wurden von der UNESCO als

„…herausragendes Zeugnis der königlichen achämenidischen Kunst und Architektur in Persien …“

gewürdigt. Weiter heißt es im Text: „…Die „Vier Gärten“ wurden zum Prototypen für westasiatische

Architektur und Kunst…“. Die Institution rühmt auch die Herrscherqualitäten des Königs: „…

Pasargadae war die Hauptstadt des ersten multikulturellen Großreichs in Westasien. Es umfasste

Länder vom östlichen Mittelmeer und Ägypten bis zum Fluss Indus. Es gilt als das erste

multikulturelle Imperium von Westasien und das erste Großreich das die kulturelle Vielfalt seiner

Untertanen respektierte. Diese Vielfalt spiegelt sich auch in der Baukunst wieder …“ 29 .

Die Antwort auf die Frage ob der Großkönig diese Herrscherqualitäten tatsächlich besaß könnte

dahingestellt bleiben – Fakt ist jedoch dass sich ein Reich dieser Ausdehnung nur regieren ließ wenn

die eingegliederten Völker ihre verschiedenen Bräuche und Religionen behalten durften – das war

im Altertum etwas ganz Neues.

Kyros II. gilt als Vater des Persischen Gartens. Es gibt verschiedene traditionelle Arten von Gärten,

Könige oder Fürsten pflegten den Tschāhār-Bāgh-Stil. Dieser Gartentyp hat eine genaue Struktur:

mit einem Wasserbecken und Wegen zum lustwandeln, mit Grünflächen und Bäumen die von sanft

plätschernden Wasserläufen durchquert werden. Ein Tschāhār-Bāgh-Garten war meist repräsentativer

Natur, das Verhältnis von Bauwerken darin zu Grünflächen ist harmonisch, ausgewogen.

Wichtige Besucher wurden gern im Palastpavillon eines solchen Gartens empfangen. Blumenbeete

kamen später dazu, wahrscheinlich im Hochmittelalter – eine Folge von Begegnungen mit

westlichen Kulturen.

25 Altpersisches Reich – ca. 641 – 330 v. Chr.

26 König Kyros II. der Große (geb. um 590 bis 580 v.Chr. – gest. Aug. 530 v. Chr.). 6. König des Persischen Imperiums.

27 S. Karte auf der nächsten Seite. König Darius I. war der 9. Großkönig des Altpersischen Reichs.

28 Auch: Pasargadai

29 https://whc.unesco.org/en/list/1106 (englisch)

20


Bild steht nicht zur Verfügung

Oben: Der Platz und öffentliche Garten Naqsch-e-Dschahan, Isfahan, ist wie auf dem Reißbrett angelegt.

Nach dem Platz des himmlischen Friedens in Peking ist er mit 560m Länge und 160m Breite der zweitgrößte

Platz der Welt. Gegenüber liegt die Moschee Masjed-e Schah, links die Moschee Lotfollah und rechts der

Palast Ali Qapu. Das vierte monumentale Gebäude ist das Eingangstor zum Basar. Von dort oben konnte ich

das Foto machen. Unten: Nachts verwandelt sich der Platz in einen Märchengarten.

Bild steht nicht zur Verfügung

21


Persische Gärten können innere oder äußere, kleine oder große Anlagen sein. Die inneren Gärten

sind Symbol für das Häusliche, ähnlich dem Brauch der Innenöfe, der patios in Andalusien, während

die äußeren die umgebende Welt wiedergeben. Auch wurde ein Garten gern als Ort der Spiritualität

und sozialer Aktivitäten, im Mittel- und Spätmittelalter und noch danach, trotz der islamischen

Prägung Persiens, für Geselligkeiten oder Gelage genutzt. In der persischen Malerei und Dichtkunst

werden Gärten auch immer wieder als Treffpunkt für Schäferstündchen dargestellt bzw. besungen.

Im Jahre 1928 begannen die Ausgrabungsarbeiten von Pasargadae. Der Archäologe Ernst Emil

Herzfeld 30 hatte auf der Basis von historischen Gegebenheiten und Fundstücken altpersischer Kunst

nachgewiesen dass dort gefundene Skulpturen und der Palast der Zeit von Kyros II. angehören.

Auch alle anderen Denkmäler und Bauwerke datierte er in diese Zeit. E. Herzfeld und sein damaliger

Assistent Friedrich Krefter arbeiteten zusammen in Pasargadae. Von 1931 bis 1934/35 leitete

Herzfeld dann die Ausgrabungen des University of Chicago Oriental Institute im nahen Persepolis,

während F. Krefter in der gleichen Zeit die Leitung in Pasargadae übernahm. Ihm verdanken wir die

gezeichnete Rekonstruktion der Gärten auf der nächsten Seite, die ein Archäologe namens David

Stronach 31 als solche identifizierte. Eine schwierige Aufgabe da Überlieferungen aus der

altpersischen Antike kaum vorhanden waren und es immer noch sind – in der Antike wurde auf

Papyrusrollen, auf Wachs- oder Tontafeln geschrieben. Zum besseren Verständnis für den Mangel

an Überlieferungen greife ich kurz der Geschichte vor wenn ich hier erwähne dass das Persische

Reich im 7. Jh. unserer Zeitrechnung im Eroberungssturm arabischer Streitkräfte eingenommen und

dabei wahrscheinlich alles Geschriebene auf den vorher erwähnten Materialien vernichtet wurde.

Der Nachwelt sind altpersische Inschriften vorwiegend auf gewaltigen Felsdenkmälern und nur

gezählte beschriebene Gegenstände aus anderen Materialien geblieben.

Bedeutend ist daher die früheste schriftliche Beschreibung eines persischen Gartens bei dem

griechischen Geschichtsschreiber Xenophon 32 . Er erzählt wie ein Staatsmann und Feldherr aus

Sparta namens Lysander um 400 v. Chr. als Gesandter nach Sardes 33 kam und den dortigen Garten

eines persischen Prinzen namens Kyros der Jüngere 34 bewunderte. Der Prinz soll seinen Gast

persönlich empfangen und ihm versichert haben dass er den Garten selbst angelegt und bepflanzt

habe. Zitat 35 :

„…Der älteste erhaltene persische Palast-Garten geht auf Kyros II., der Große, zurück. Die Überreste

wurden in Pasargadae in [in der Provinz] Fars gefunden. Dieser Garten hatte einen rechteckigen

Grundriss und steingefasste Kanäle. Er wies auch auf einen Pavillon hin ….“. Und:

„Xenophon überliefert wie der Spartaner Lysander um 400 v. Chr. als Gesandter nach Sardes kam,

und den dortigen Garten des persischen Prinzen Kyros des Jüngeren bewunderte. Kyros soll seinen

Gast persönlich empfangen und ihm versichert haben, dass er den Garten selbst angelegt und

bepflanzt habe…“ 36 .

30 Geb. 23. Juli 1879 in Celle – gest. 21. Januar 1948 in Basel

31 David Stronach (geb. 1931), schottischer Archäologe besonders für Iran und Iraq, ein Experte für Pasargadae. Er war

in den 60er und 70er Jahre des 20. Jh. Direktor des British Institute of Persian Studies in Tehran.

32 (geb. zwischen 430 und 425 v. Chr. in Athen – gest. nach 355 v. Chr. in Korinth) antiker griechischer Politiker, Feldherr

und Schriftsteller in den Bereichen Geschichte, Politik, Ökonomie und Philosophie und war ein Schüler des Sokrates

33 Sardes war die Hauptstadt von Lydien das zum persischen Großreich gehörte. Ihre Ruinen liegen heute in der Türkei

34 Kyros war der zweitälteste Sohn des späteren persischen Großkönigs Dareios II. Griechische Quellen nennen ihn „den

Jüngeren“, um ihn von König Kyros II. zu unterscheiden Er wurde kurz nach der Thronbesteigung seines Vaters geboren.

(geb. 423 v. Chr. - gest. 401 v. Chr.)

35 https://de.wikipedia.org/wiki/Persischer_Garten#Geschichte_der_persischen_Gartenkultur

36 Wahrscheinlich aus dem Werk Kyrupädie über die Erziehung von Kyros II., eine Schrift zur politischen Bildung über

den als idealen Herrscher dargestellten, persischen Großkönig Kyros II.

22


Rekonstruktion von Friedrich Krefter von Pasargadae mit den Gärten 37 , lt. Bildbeschriftung

sind die Gebäude in ihrer Reihenfolge von links unten bis rechts oben benannt: Eingangstor,

Empfangshalle, Pavillon am Eingang vom Garten und oben rechts das Throngebäude.

Wahrscheinlich dürfen wir uns Pasargadae unter Kyros II. nicht als Stadt im herkömmlichen Sinn

vorstellen, der Ort hatte eher den Charakter eines Heerlagers für Tausende von Menschen von

denen die meisten Krieger waren, dazu kamen Handwerker aller Berufssparten mit ihren Familien

und Händler. Die Krieger lebten möglicherweise in geräumigen soliden Zelten und es ist möglich,

dass König Kyros selbst in einem großen persischen Rundzelt wohnte das, wie zu jenen Zeiten

üblich, prunkvoll ausgestattet war. Aus festem Material waren vermutlich zunächst nur die

Säulenhallen um den Garten herum, ein Pavillon mit einem Thron -wahrscheinlich der

Empfangsbereich des Großkönigs für Honoratioren der zu seinem Hoheitsgebiet gehörenden

Länder- und Bewässerungsanlagen. Steingefasste Wasserläufe definierten angrenzende Gärten.

Stronach nahm an, dass der Thron des Kyros in der Achse von einem der Gärten stand. Es gab

weitere Wasserläufe die zur Querwand des Palasts im Norden und zu einem kleinen Pavillon im

Süden führten. Der Pavillon hatte eine steinerne rechteckige Basis, im Nordosten und Südwesten

hatte das Bauwerk jeweils einen Portikus der höher als das Gebäude selbst war. Von dem Gebäude

selbst hatten sich nur wenige Reste erhalten. Eine große steinerne Brücke führte über einen der

Hauptkanäle. Die Residenzstadt hatte bereits ein unterirdisches Bewässerungssystem. Als Kyros II.

im Jahr 530 oder 529 v.Chr. in einer Schlacht starb war Pasargadae unvollendet, die Stadt wurde

unter Kambyses II., Sohn und Nachfolger von Kyros II. zwischen 559 v. Chr. und etwa 525 v. Chr.

ausgebaut. Sie blieb Hauptstadt des Großreichs bis Kambyses II. in Susa, 45 km von Tschogha Zanbil

entfernt, eine neue Stadt bauen ließ die jedoch vorwiegend Verwaltungzwecken diente.

37 Geb. 15.10.1898 in Emden – gest. 25.01.1995 in Bad Honnef. Quelle der Zeichnung:

http://www.iranicaonline.org/articles/art-in-iran-iii-achemenian (Fig. 34)

23


Karte steht nicht zur Verfügung

Das Achämenidenreich nach der Eroberung von Teilen Arabiens und

weiteren Territorien unter König Dareios I. der Große. 38

Der nächste Großkönig der Kyros II. in der geschichtlichen Bedeutung gleichwertig sein sollte war

Dareios I. 39 Er wurde um 549 v. Chr. als Sohn des Fürsten Hystaspes geboren der ebenfalls aus dem

Geschlecht der Achämeniden stammte. Hystaspes war unter den Perserkönigen Kyros II. und

Kambyses II. Statthalter der altpersischen Landschaft Parthien.

Unter Dareios I. erreichte das Imperium um ca. 500 v. Chr. seine größte Ausdehnung mit Teilen von

Libyen, Griechenland, Bulgarien, Pakistan, mit Gebieten im Kaukasus, Zentralasien und Sudan –

obwohl die endgültige Eroberung des ausgedehnten Perserreichs bis in die allerletzten Provinzen

noch einige Jahre länger dauerte. Als 9. Perserkönig des Großreichs gründete Darius I. im Jahr 520 v.

Chr. die Stadt Persepolis und verlegte die königliche Residenz dorthin; sie liegt rund 50 km von

Pasargadae entfernt. Die antike Ausgrabungsstätte von Persepolis ist sehr weitläufig und ungemein

beeindruckend – will man alles in Ruhe und ausführlich sehen sollte man einen Tag einplanen. Auch

dort gab es ein hydraulisches Netz und einen Garten.

Das Ende des Altpersischen Imperiums begann im Jahr 331 v. Chr. mit den Eroberungszügen

Alexanders des Großen, König von Makedonien und Anführer des Korinthischen Bundes 40 . Die

Königsstadt Persepolis wurde geplündert, geschleift und das was noch vorhanden war, in Brand

gesteckt. In der Schlacht im Jahr 333 v. Chr. bei Issos wurde das persische Heer endgültig und

vernichtend von Alexander dem Großen geschlagen. Es wurde zwar ein Friedensvertrag

ausgehandelt aber die Macht des persischen Weltreichs war endgültig gebrochen.

38 Karte von Persien/Achämenidenreich, uploaded by History of Persia „darius conquered the indus“ on 10th August

2015. Creative Commons Attribution-Share Alike 2.5 Generic, 2.0 Generic and 1.0 Generic license

https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Map_achaemenid_empire_en.png The original author of this map was

Fabienkhan, on 24th of August 2006 (Inspired by Historical Atlas of Georges Duby (p.11, map D)).

39 Auch latein. Darius I. geb. 549 – gest. 486 v. Chr.

40 Staatenverbund im antiken Griechenland

24


Rekonstruktion von Persepolis anhand der Ausgrabungen, angefertigt 1884 von Charles Chipiez 41

Bild steht nicht zur Verfügung

Die Reliefs von Persepolis sind berühmt. Bewundernswert: die zahlreichen restaurierten Originale.

41 Ch. Chipiez war ein bekannter Ägyptologe, Iranologe und französischer Architekt (1839-1901)

https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Persepolis_vue_d%27oiseau_Chipiez.jpg

25


Persepolis: Der Eingang zur Stadt führt auch heute durch das Tor aller

Länder. Hier hielten Fürsten und Honoratioren aus allen Ländern des

Persischen Weltreichs ihren Einzug um König Darius I. und seinen

Nachfolgern ihre Ehrerbietung zu erweisen. Die gewaltigen Skulpturen am

Eingangstor sind mythische Mischwesen genannt Lamassus: Stierkörper mit

sichelförmigen Adlerflügeln und menschlichen Gesichtern die einen

assyrischen Einfluss zeigen. Sie sind ein Symbol für Wachsamkeit und Stärke

in der antiken persischen Geschichte.

Ψ

26


Das Neupersische Reich – Das Reich der Sassaniden 42

Schuschtar, ein komplexes hydraulisches System

Abschließend zum vorangegangenen Kapitel und als Überleitung vom Altpersischen Großreich zur

Neuzeit, sprich in unsere Zeitrechnung, möchte ich noch erwähnen dass die Iraner heute, allem

Nationalstolz zum Trotz durchaus Größe anerkennen – auch bei einem ehemaligen Feind. So

werden die drei „Großen“ der altpersischen Geschichte nicht selten zusammen erwähnt wie in dem

Spruch: „Es gab drei Große in der persischen Geschichte – Kyros II. der Große, Darius I. der Große

und Alexander der Große“.

Nach dem Tod Alexanders im Jahr 323 v. Chr. in Babylon wurden im ehemaligen Großreich Persien

die Machtverhältnisse neu geordnet. Am Ende dominierte ein iranischer Volksstamm aus einer

Gegend südöstlich vom Kaspischen Meer und gründete das Reich der Parther. Es gelang ihnen vom

3. Jahrhundert v. Chr. bis zur Machtübernahme durch die persischen Sassaniden im Jahr 224

unserer Zeitrechnung ein fast ebenso großes Reich zu erhalten bzw. wieder aufzubauen wie es einst

das altpersische gewesen war.

Als Gründer des Sassanidenreichs gilt König Ardaschir I., ein Kleinkönig in der parthische Provinz

Persis im Südosten des Iran. Er stammte aus der Familie der Sassaniden und strebte nach Höherem,

zettelte einen Aufstand an, ermordete den letzten König des Partherreichs, eroberte 226 n.Chr. die

parthische Hauptstadt Ktesiphon 43 errichtete dort herrliche Bauwerke und regierte bis ins Jahr 240.

Die Zeit der Sassaniden wurde einerseits von einem ständigen Ringen mit dem Römischen Reich um

die Vormachtstellung im Vorderen Orient, in Mittelasien und zuweilen sogar in Kleinasien geprägt,

andererseits war es eine Ära großer technischer Fortschritte, vor allem im Wasserbau. War das

Verhältnis zwischen beiden Großmächten anfangs sehr gespannt scheint es sich im Lauf der

Jahrhunderte dahingehend gebessert zu haben, dass beide Großreiche, bzw. ihre Könige und

Cäsaren sich als ebenbürtige Gegner, als Vertreter gleichwertiger Zivilisationen zu betrachten

schienen. In der Zeit der Perserkönige Schapur II. bis Yazdegerd I. (309-420) ging man

ausgesprochen höflich miteinander um, was aus der überlieferten Korrespondenz zwischen den

jeweiligen Herrschern herauszulesen ist. So bedienten sie sich zum Beispiel des Wortes „Bruder“

wenn sie sich schrieben. Hier ein Zitat aus einem Briefwechsel zwischen dem Sassanidenkönig

Schapur der von 240/42–270 n. Chr. regierte und Caesar Konstantin 44 :

„Ich, König der Könige, Sapor, Gefährte der Sterne, Bruder von Sonne und Mond,

entbiete dem Caesar Constantius, meinem Bruder, alles Gute.“

Die Antwort des römischen Kaisers war ebenso höflich:

„Ich, Sieger zu Wasser und zu Lande, Constantius 45 , allzeit Augustus, entbiete meinem

Bruder, dem König Sapor, alles Gute.“

Bis zum 6. Jh. hatte sich ein ausgefeiltes diplomatisches Protokoll entwickelt das bei oströmischpersischen

Kontakten beachtet wurde. So gehörte es offenbar auch zum guten Ton Thronwechsel

im eigenen Reich dem jeweils anderen offiziell mitzuteilen ohne dass jedoch die Kampfhandlungen

deswegen eingestellt wurden.

42 (224-651) Auch: Sassaniden. Inzwischen scheinen sich die Historiker auf die Schreibweise mit nur einem „s“ geeinigt

zu haben. https://de.m.wikipedia.org/wiki/Sassanidenreich

43 Ursprünglich zwei Städte die zusammenwuchsen: Seleukia am Tigris und Ktesiphon. Unter Parthern und Sasaniden

die Hauptstadt des Reichs.

44 Zitat aus:

https://de.wikipedia.org/wiki/Sassanidenreich#Die_Gr%C3%BCndung_des_Neupersischen_Reichs_%E2%80%93_Ardasc

hir_I._und_Schapur_I.

45 Constantius II. Sohn von Konstantin, der Große, nach dessen Tod ab 337 Kaiser im Osten des Römischen Reiches

27


Bild steht nicht zur Verfügung

Ein weiterer Pavillon in den ehemaligen königlichen Gärten. Heute ist er der Eingang

zum Palastpavillon Tschehel Sotun, Isfahan, (s. Seite 8). Erbaut und angelegt wurden

beide ebenfalls von Schah Abbas II. Er regierte 1642 – 1666

Ψ

28


Fluss Karun

Während der Sassanidenherrschaft vom 3. bis zum 7. Jahrhundert n. Chr. und unter dem Einfluss

des Zoroastrismus 46 wurde das Wasser auch in der Kunst als Springbrunnen und Seen in Gärten

dargestellt. Ardaschir I. der erste sassanidische Herrscher, legte in Firuzabad einen ummauerten

Garten an in dessen Zentrum ein runder See lag. Er war wegen seiner zahlreichen Rosenarten und

Obstbäume berühmt. Im Palast Königs Chosrau I. (531–579) teilten Wasserläufe

blumengesprenkelte Wiesen die von blühenden Obstbäumen gesäumt waren – Die Beschreibung

ist durch arabische Autoren wie Tabari 47 überliefert. Ansonsten hat nicht einmal ein Plan eines

sassanidischen Gartens überlebt. Aber es gibt eine Überlieferung von einem Garten den König

Chosrau II. für seine über alles geliebte Gemahlin Schirin bauen ließ. Die Geschichte erzähle ich am

Ende dieses Kapitels. Eine Überlieferung ist anders zu betrachten als eine Legende, sie beruht auf

Tatsachen kann aber, vor allem in der arabischen Literatur romanhaft ausgeschmückt sein.

Dafür wird das Thema Wasserbau unter den Sassaniden mit greifbaren Tatsachen ab dem 3. Jh.

umso spannender. Im Jahr 260 n. Chr. erhielt er einen entscheidenden Impuls. Der Grund hierfür

war eine noch nie dagewesene Niederlage der Römer im Oströmischen Reich und eine unerhörte

Demütigung für Rom. In einer siegreichen Schlacht bei Edessa im Jahr 260 nahm Schapur I. König

der Perser, den römischen Cäsar Valerian 48 und alle seine Soldaten gefangen.

46 Die Religion des Zoroastrismus wurde vom Propheten Zarathustra gegründet, seine Anhänger werden Zoroastrier

genannt. Wann er genau gelebt hat ist nicht bekannt, es wird angenommen zwischen 1800 und 600 v. Chr. Die Religion

entstand im östlichen Perserreich, in der Provinz Baktrien (das heutige Usbekistan gehörte z. B. dazu) und war viele

Jahrhunderte lang Staatsreligion im Alten Persien

47 Muhammad ibn Dscharir al-Tabari, (geb. 839 in Amol, Tabaristan – gest. 19. 01. 923 in Bagdad) war ein persischer

islamischer Historiker und Gelehrter in Bagdad.

48 Von 253 bis 260 römischer Kaiser

29


Bild steht nicht zur Verfügung

Brücke und Stauwehr Band-e Kaisar (3. Jh.). Links im Vordergrund sind noch ein paar

ursprüngliche Rundbögen zu sehen; ein paar Seiten weiter zeigt ein Foto einige, im Lauf

der Jahrhunderte instandgesetzte mit Spitzbögen.

Kaiser Valerian verschwand im Dunkel der Geschichte – er kommt in keiner historischen

Chronik mehr vor. Es gibt eine schaurige, überlieferte Legende über sein Schicksal, es

heißt dass ihm die Haut abgezogen, rot eingefärbt und öffentlich ausgestellt wurde. Von

seinen Soldaten jedoch weiß man umso mehr: sie wurden zum Realisierung von

wichtigen Bauvorhaben eingesetzt. In Überlieferungen ist die Rede von 70.000

Gefangenen was übertrieben erscheinen mag, auf jeden Fall waren es ihrer genug um

die Bauwerke zu schaffen die König Schapur im Sinn hatte. Schuschtar war eine der

altpersischen Königsstädte in der Provinz Chuzestan, im Südwesten des heutigen Iran.

Sie lag an der sogenannten Königsstraße von Ktesiphon nach Pasargadae. Direkt an der

Stadt vorbei führte der Fluss Karun, der wasserreichste Fluss im Iran; bislang war ein

zeitraubender Umweg nötig um auf der Königsstraße zu reisen. Die Sassaniden hatten

schon einmal versucht eine Brücke über den Karun zu bauen – der Versuch schlug fehl.

Die gefangenen Soldaten mussten zum Arbeitsdienst für ein umfassendes 3-Phasen-

Wasserbauprojekt antreten: eine Abzweigung für den künstlichen Kanal GarGar mit dem

Damm Band-e Mizan und eine Brücke in Verbindung mit einem Stauwehr namens Bande

Kaisar. Zunächst wurde der Karun trocken gelegt, das Wasser wurde in den GarGar

umgeleitet. Der Kanal verlief damals und verläuft auch heute zum Teil an der Stadt

vorbei, zum Teil unter ihr hindurch, dann weiter südlich über gute 40-50km und

bewässert dabei ausgedehnte Anbaugebiete von Zuckerrohr, Reis und Obstplantagen,

bis er wieder in den Karun mündet. Das wuchtige Bauwerk nahm fast die Hälfte vom

Flusslauf ein, verengte ihn dement-sprechend und beschleunigte damit die

Geschwindigkeit des Wasserlaufs.

30


Bild steht nicht zur Verfügung

Oben: Flussscheide des Karun. Oben im Bild setzt der Fluss seinen Lauf fort, unten

fließt er in die verschiedenen Fluttore vom Damm Band-e Mizan. (3. Jh.)

Unten: Rückseite des Band-e Mizan, Anfang vom Kanal GarGar

31


Band-e Kaisar. Die ursprünglichen Rundbögen wurden im Lauf der Jahrhunderte bei

Instandsetzungsarbeiten durch Spitzbögen ersetzt

Über das Stauwehr verlief eine 500 m lange, allerdings nicht gerade ausgerichtete Straße, Bögen

und Pfeiler wurden nach der Bodenbeschaffenheit angebracht; es scheint, dass der Band-e Kaisar

ursprünglich 40 Bögen hatte. Heute sind auch Spitzbögen zu sehen, die Folge von zahlreichen

Reparaturen und Instandsetzungen im Lauf der Jahrhunderte. Der Brückendamm Band-e Kaisar

erfüllte seinen Zweck bis ins späte 19. Jh., heute ist er fast ganz verfallen. Inzwischen führt eine

moderne 4-spurige Brücke auf die andere Seite vom Karunufer. Aber der Name des historischen

Bauwerks erinnert immer noch an die Umstände unter denen die östlichste aller römischen

Brücken gebaut wurde: der Band-e Kaisar –Brückendamm des Cäsar. Ab dieser Zeit galten diese

römischen Bauwerke als Grundlage für alle iranischen Wasserbau- Architekten.

Wie wir an Pasargadae gesehen haben gab es im Alten Persien bereits im Altertum -wie bei allen

anderen Zivilisationen- Wasserbau zur Versorgung von Landwirtschaft und Bevölkerung, lange vor

den Sassaniden oder Römern. So auch in Schuschtar. Aber er war weit entfernt von dem

ausgeklügelten System das mit den Römern seinen Anfang nahm. Die drei römischen Bauwerke

schufen die Grundlage für eine komplexe hydraulische Anlage das die Perser im Lauf vieler

Jahrhunderte bis in die Neuzeit weiter entwickelten.

Ψ

32


Die Wassermühlen von Schuschtar

Der Kanal GarGar windet sich zunächst friedlich zwischen Sandsteinfelsen und Grün hindurch bis er

ein großes Becken mit ringsum steil abfallenden Felswänden erreicht. Denkt man zunächst es ist

das Ende des Kanals, ein Auffangbecken, wird man schnell eines Besseren belehrt:

ununterbrochenes Wasserrauschen, hochwirbelnde weiße Gischt, aus Felsöffnungen stürzen

Wasserfälle in die Tiefe – bei der Hitze im April sind allein der Anblick und das Rauschen eine

Wohltat. Rund um das Becken stehen Überreste von Gebäuden, die einen größer, andere

bescheidener, aber jeder Zentimeter um das Becken scheint einmal bebaut gewesen zu sein – erst

bei der genauen Besichtigung der ganzen Anlage sieht man dass die Gebäudereste nur die Spitze

einer Handwerkszunft sind: Rund um das Becken hatten sich im Lauf der Jahrhunderte bis zu 36

Müller angesiedelt, das Herzstück einer jeden Mühle -ein großes hölzernes Flügelrad- war unter

Wasserniveau installiert war, wurde von der Strömung angetrieben 49 . Durch einen kräftigen runden

Holzpfosten war es mit dem Mahlstein im Raum darüber verbunden und hielt ihn in Bewegung 50 .

Und die Wasserfälle, was hatte es mit damit auf sich? Durch die Sandsteinfelsen auf denen

Schuschtar teilweise liegt wurden Stollen gegraben die Wasser vom GarGar vor dem Becken

ableiteten um es im Felsinneren in den Bereich mit Mühlen zu leiten der nicht direkt an der

Strömung lag. Man sieht dass das Becken im Lauf der Zeit erweitert, ein zweiter Wassertunnel als

Beckenablauf und ein Bereich für weitere Mühlen in ein zweites Becken gebaut wurde. Der Rest des

Stollenwassers stürzte dann damals wie heute mit großer Kraft aus den Felsstollen und verliehen

auch dem Wasser im Durchflussbecken mehr Geschwindigkeit. 51

Text steht nicht zur Verfügung

Ψ

49 S. am Ende dieses Kapitels den Querschnitt einer Mühle und ein Foto vom Inneren einer solchen.

50 S. die Bilder vom Querschnitt durch eine Mühle und von einem Flügelrad aus dem Wassermuseum der Wüstenstadt

Yazd auf den Folgeseiten

51 Ebd.

33


Am ersten Tag in Schuschtar hatte ich viel Zeit bei den beiden Dämmen Band-e Kaisar und Band-e Mizan

verbracht – ich kam erst kurz vor Sonnenuntergang bei den Wassermühlen an. Oben: Das erste große

Durchlaufbecken vom GarGar. Im Hintergrund und rechts auf den Felsen stehen noch einige

Mühlengebäude, dicht aneinander gedrängt. Ebenfalls im Hintergrund, hinter dem Kahn, ist ein

Abflusstunnel zu sehen. Unten im Hintergrund: Einmündung vom Kanal GarGar im Durchlaufbecken.

34


In den Wassermühlen wurde alles bearbeitet was überhaupt mit großen, kleinen, groben oder

feinen Mahlsteinen bearbeitet werden konnte: von Getreide über medizinische Kräuter bis hin zum

Schälen von Reis – heute noch ein Grundnahrungsmittel im Iran. Bei der Besichtigung und auf den

Bildern kann man nur die äußeren Gebäude der Anlage sehen, die Lagerhäuser der Müller. Der

Arbeitsbereich, sprich, der Raum für den Mahlstein und für das noch ein Stockwerk tiefer liegende

Flügelrad darunter sind im Inneren vom Fels verborgen und zum Teil verfallen – es wäre zu

gefährlich Besichtigungen zu erlauben. Aber nachdem ich erklärt hatte was mein Projekt war ließ

mich der zuständige Herr von der Verwaltung zumindest ein Foto von einem Raum machen in dem

der Mahlstein untergebracht war 52 . Der letzte Handwerker auf der Anlage eröffnete sein Geschäft

1954. Er stellte Eis her und schloss seinen Betrieb in den 60er Jahren des letzten Jahrhunderts.

Das Becken hatte zu allen Seiten Steilhänge, erst als ich durch den ganzen Bereich lief sah ich, dass

es eigentlich zwei Becken waren. Es sah so aus als wäre das Becken vom ersten Bild der Anlage

oben auf der Vorseite, das erste gewesen an dem Mühlen gebaut wurden – dieser Bereich war

offenbar restauriert worden. Das zweite Becken lag etwas höher und war ebenfalls ein

Durchflussbecken. Genauso wie das erste, bekam es auch Wasser aus den umliegenden Felsen –

das heißt dass die ganzen Steilwände rund um das Becken herum von Wasserstollen durchlöchert

waren. Im zweiten Becken (s. Bild auf der nächsten Seite) steht keine Mühle mehr, aber die Zahl der

hochragenden Rahmen der eisernen Flutschieber die ihren Zweck nicht mehr erfüllen erzählen

davon wie dicht nebeneinander die Müller hier arbeiteten. Wurde in einer Mühle gerade nicht

gearbeitet, schloss der Müller die Wasserzufuhr zu seinem Betrieb mit seinem Flutschieber, das

Wasser floss vorbei oder stürzte in eins der Durchflussbecken.

Ich war überrascht keine ausländischen Touristen zu sehen, das sollte auch am nächsten Tag so

bleiben. Alle Besucher waren Iraner und äußerst liebenswürdig; wieder und wieder wurden Bilder

mit mir gemacht – seit meiner Reise im Jahr 2017 war ich schon daran gewöhnt; ob jung oder alt,

Frauen wie Männer, sie freuten sich so sehr wenn ich einverstanden war.

Die Bekanntschaft des Führers machte ich dann später am Abend als alle Besucher gebeten wurden

die Anlage zu verlassen. Er war ein äußerst liebenswürdiger älterer Herr mit umfassenden

Geschichtskenntnissen, ich war froh ihn kennengelernt zu haben – das sollte mir noch zu Gute

kommen: Es stellte sich heraus dass er der -in jeder Hinsicht- älteste Führer der Stadt war. Wir

verabredeten uns für den nächsten Tag – er meinte er wolle mir etwas Besonderes zeigen.

Ψ

52 Ebd.

35


Oben: Das 1. Durchflussbecken mit dem GarGar im Hintergrund, mit Mühlenresten am Steilhang und

rechts. Unten: Ein Teil vom 2. Durchflussbecken, es sind nur noch die Fundamente ehemaliger Mühlen

zu sehen; die hochragenden Eisengestelle der Flutschieber zeigen wie dicht die Mühlen dort standen.

36


Auf einmal war die Sonne war fast untergegangen – es wurde schnell Nacht. Die

Besucher durften noch ein Weilchen bleiben um alles mit der Nachtbeleuchtung

bewundern zu können

Bild steht nicht zur Verfügung

37


Bild steht nicht zur Verfügung

Die Mühlen waren so nah aneinander gebaut, dass der Arbeitsplatz eines Müllers sehr

beengt war. Über diesem Raum liegt der Lagerraum für die Säcke mit der

bearbeiteten Ware. Der Mahlstein lag in der runden Vertiefung unten, in der Mitte

verband ihn ein kräftiger Holzpfosten mit dem Flügelrad im Wasser darunter. S. Querschnitt

durch eine Mühle auf der nächsten Seite oben rechts.

Ψ

38


Zeichnung steht nicht zur Verfügung

Oben: 1) Wasserzufuhr zur Mühle, 2) es stürzt in den Schacht der zum Flügelrad führt, 3) wenn nicht

gearbeitet wurde sperrte der Müller mit einem Flutschieber die Wasserzufuhr 4) Flügelrad

verbunden mit 5) Mahlstein 6) Lagerhaus der Mühle. Unten: ein altes Flügelrad im Wassermuseum

der Wüstenstadt Yazd mit dem runden Verbindungsstamm zum Mahlstein..

39


Am nächsten Tag holte ich den Führer an den Wassermühlen ab – wir fuhren ein Stück mit dem Taxi

auf die andere Seite der Felsen und Steilhänge um die Becken der Wassermühlen – zur ehemaligen

Festung der Sassaniden auf einem Hügel, von der nur noch ein paar unscheinbare Lehmreste

geblieben sind. Fast zwei Jahrtausende lang hat die Erosion ganze Arbeit geleistet – die Festung war

viel zu spät unter die Fittiche der iranischen Verwaltung für Altertümer gekommen.

Vor einem soliden Gitter das mit einem großen Schloss gesichert war machten wir Halt, dahinter

sah ich eine Treppe die tief hinunter ging. Vor dem Gitter stand in Englisch auf einem etwas

mitgenommenen Schild: „Dariun – Sassanidenzeit, möglicherweise Achämeniden.“ Mein Führer zog

einen Schlüsselbund hervor – mit vereinten Kräften brachten wir das Schloss auf. Ich war gespannt

– etwas Besonderes? Ich dachte er würde mit einen Qanat zeigen, das wäre ja auch sehr interessant

gewesen, dafür war ich ja auch gekommen. Aber was ich dann sah war tatsächlich besonders und

vollkommen unerwartet. Der Führer hatte mir inzwischen erklärt dass ich den Kanal Dariun sehen

würde der vor rund 2.000 Jahren gebaut wurde um Wasser für die landwirtschaftlichen Flächen von

Schuschtar von einer Seite des Felsens auf die andere zu bringen. Der Dariun hatte sich mit den

späteren, römischen Bauwerken, mit der Umleitung vom Fluss Karun, mit der Brücke, den

römischen Stauwehren und Dämmen ab der Hälfte des 3. Jahrhunderts erübrigt. In der Nähe der

Treppe sorgte ein vorsintflutlicher Schalter und weiter unten ein paar Glühbirnen für spärliches

Licht und ich traute meinen Augen kaum: Ich hatte einen Qanat erwartet, vielleicht etwas großzüg

angelegt … aber das was ich sah würde ich fast eine Wasserschnellstraße nennen. Der Kanal war

riesig – riesig in der Höhe, riesig in der Breite. Inzwischen war der Boden befestigt, aber er war grob

durch den Sandsteinfels gehauen. Rechts und links am Boden sah ich dass der Fels unterspült war,

das zeigte dass dort tatsächlich ein Wasserweg gewesen war. Mein Führer setzte sich auf die

Treppe und meinte er hätte es nicht eilig, ich solle mir Zeit lassen.

Der spärlichen Beleuchtung zum Trotz verzichtete ich auf Blitzlicht, es war ein Vabanquespiel –

entweder die Bilder wurden etwas oder auch nicht – eine zweite Gelegenheit würde ich nicht

bekommen. Die nächsten zwei Seiten zeigen das Ergebnis: Auf den Fotos erscheinen Farben die es

unten gar nicht gab – dort war mit bloßem Auge nur das weißliche Licht der Glühbirnen zu sehen

gewesen die von der Decke hingen!

Ψ

Im Jahr 2009 wurde das gesamte hydraulische System von Schuschtar aus dem 3. Jh. n. Chr. zum

UNESCO-Weltkulturerbe erklärt, die Organisation bezeichnete es enthusiastisch als (Zitat)

„Meisterwerk menschlichen Genies“.

Ψ

40


Ein Größenvergleich im Kanal Dariun, Schuschtar: Der Führer blieb auf der

Treppe am Eingang sitzen und überraschte mich nach meinem

Erkundungsgang mit diesem Bild das er von mir mit dem Smartphone

aufgenommen hatte. Erst damit sieht man wie riesig der Kanal ist und winzig

ich in diesem gewaltigen unterirdischen Kanal erscheine.

Ψ

41


Bild steht nicht zur Verfügung

Im Kanal Dariun, Schuschtar

Ψ

42


Bild steht nicht zur Verfügung

Im Kanal Dariun, Schuschtar. Woher die unglaublichen Farben kommen,

kann ich nicht sagen. Als ich unten war sah ich keine. Von der Decke hingen

nur ganz einfache weiße Glühbirnen. Bei den Aufnahmen hatte ich keinen

Blitz zugeschaltet,

Ψ

43


Chosrau II., Großkönig der Sassaniden und das Ende des Persischen

Reichs

Wieder überspringen wir ein paar Jahrhunderte bis im Jahr 590 unserer Zeitrechnung noch einmal

ein Großkönig namens Chosrau II. mit dem Zusatz Parwez 53 -was so viel heißt wie „der Siegreiche“-

das Schicksal Persiens und der Dynastie der Sassaniden lenken sollte. Er war der letzte bedeutende

Großkönig des Perserreichs, regierte bis ins Jahr 628 und wurde Anfang dieses Jahres ermordet.

Bevor wir zum Kapitel der Qanate kommen lassen wir das Reich der Sassaniden hinter uns mit einer

Überlieferung aus dem Leben des Chosrau Parwez die von seiner leidenschaftlichen Liebe zu seiner

Gemahlin Schirin erzählt und auch mit Gärten zu tun hat.

Der Palast von Schirin 54

Zitat aus Rosen der Wüste, die Architektur in der arabischen Literatur: „„Ein mythischer persischer

Palast ist für die Araber der Palast von Schirin, sie war Christin und die Lieblingsfrau des Chosrau

Parwez, den wir schon erwähnten. Die Überlieferung einer schönen Frau gab dem Palast seinen

Namen wie es auch später bei Medinat al-Zahra 55 gewesen sein soll. Den Palast hat es wirklich

gegeben und es gibt heute noch es einen Ort im Iran der Qasr-e Shirin heißt. Eine Überlieferung

verdanken wir dem arabischen Literaten Al-Qazwini der sie wie folgt niederschrieb 56 : „Zwischen

Bagdad und Hamadhan gibt es eine Ebene die sich neben einem Fluss ausbreitet. Der Chosrau Parwez

erbaute dort einen Palast für Schirin, eine seiner Frauen, das lieblichste Geschöpf auf Erden. Die Perser

sagen: Parwez besaß drei Dinge die vor ihm niemand hatte und auch in Zukunft niemand haben werde:

seine Ehefrau Schirin, seinen Sänger Barbad und sein Pferd Schabdiz. Der Palast von Schirin existiert

heute noch: Es ist ein großes Bauwerk mit weiten Säulenhallen, Gewölben, Säulengängen und Terrassen.

Es gibt verschiedene Versionen über die Gründe für seine Erbauung: In den Büchern der Ungläubigen

heißt es, dass Schirin die Tochter eines armenischen Königs war, und das schönste Geschöpf auf Erden.

Man hinterbrachte dies dem Chosrau, der verliebten Gemütes war. Er entsandte einige Boten die die

Prinzessin umgarnten damit sie auf Schabdiz‘ Rücken entfliehe. Als sie im Irak ankam, war Chosrau

abwesend, und als seine Frauen und Konkubinen sie sahen begriffen sie, dass der König sie bevorzugen

werde. Voller Neid wählten sie ein ungesundes und übelriechendes Stück Land aus und sagten zu ihr:

“Der König hat befohlen, dass wir dir hier einen Palast errichten.” Aber der Palast von Schirin liegt neben

einem Fluss, der süßes Wasser führt. Man erzählt sich, dass Schirin frisch gemolkene Milch liebte aber da

der Palast weit entfernt von den Viehweiden lag hatte die Milch, wenn man sie ihr brachte, ihre Wärme

verloren. Man suchte nach einer Lösung und beschloss, einen Kanal aus Stein von den Viehweiden bis

zum Palast zu führen. Dann suchten sie jemanden der dies verwirklichen konnte, und man nannte ihnen

einen Architekten namens Farhad, den sie baten, einen Bach von den Viehweiden aus zu bauen, so lang

wie eine Stunde zu Pferde. Der Palast lag oben und die Weiden unten, daher errichtete der Architekt eine

Mauer, die über zwei Pferdestunden lang und zwanzig Ellen hoch war. Auf der Mauer ließ er einen.

Wasserlauf aus Stein anlegen, der mit großen Platten zugedeckt war und von einem Sammelbecken auf

den Weiden bis zum Palast reichte.

53 auch Chosrau Parviz

54 Zitat aus: Rosen der Wüste, die Architektur in der arabischen Literatur, S. 41-43, von María Jesús Rubiera, ins

Deutsche übersetzt von Isabel Blanco del Piñal

55 Palaststadt von Abd al-Rahman III. in der Nähe von Cordoba (Andalusien/Spanien)

56 S. 440–441, Buch Athar al-Bilad. Al-Qazwini war ein persischer Arzt, Astronom und Geograf (*1203 in Qazvin; † 1283 )

Zitat aus seinem geographischen Lexikon Athar al-bilād. Übersetzt lautet der lange Titel in etwa Monument der Orte

und Geschichte der Leibeigenen Gottes

44


Garten Bagh-e Eram in Schiras. Er gehört wegen seiner Schönheit, seiner Größe und

seines Alters zu den bekanntesten historischen Gärten des UNESCO Weltkulturerbes.

Er wurde in der Zeit der Dynastie der Seldschuken angelegt. (1038–1194). Ein Mitglied

des Stammes der Kaschgai ließ unter der Zanddynastie (1750-1794) den herrlich

verzierten Palastpavillon mit Garten bauen.

Garten und Pavillon wurden einst für Fürsten und Könige errichtet, heute ist die Anlage

ein botanischer Garten für die Universität von Schiras, eine historische

Sehenswürdigkeit für Touristen und ein Erholungsort für die Einwohner von Schiras.

Der Palastpavillon kann innen nicht besichtigt werden.

Ψ

45


All das hat bis zum heutigen Tag überdauert und ich habe es gesehen, als ich dort vorbeikam“ 57 .

Ein anderer Gelehrter, Muhammad al-Hamadhani 58 schreibt den Palast von Schirin, der eins der

Wunder dieser Erde ist, jedoch einem anderen Ursprung zu:

„Chosrau Parwiz hielt sich an seinem Hof in Qirmisin auf und befahl, dass in einer Entfernung von zwei

Pferdestunden ein Garten gebaut werden solle für Vögel und andere Tiere, die dort aufwachsen sollten.

Mit dem Bau wurden eintausend Mann betraut, denen er während der sieben Jahre die sie daran

arbeiteten, Lohn bezahlte. Als sie ihn fertig gestellt hatten, nahm ihn der König in Augenschein und er

gefiel ihm so sehr, dass er den Bauarbeitern mehr Geld gab. Eines Tages sagte er zu Schirin: „Du darfst

dir etwas wünschen” und sie erwiderte: „Ich möchte, dass du mir einen Palast in diesen Garten baust,

wie es keinen anderen in deinem Reich gibt, und dass du mir einen Fluss aus Stein baust, in dem Wein

fließt.” Chosrau stimmte zu aber danach vergaß er es und Schirin sprach zum Sänger Barbad: „Wenn du

ihn mit einem Lied daran erinnerst, gebe ich dir mein Landgut in Isfahan.” Der Sänger nahm den Handel

an, verfasste ein Gedicht und sang es dem Parwiz vor, der sagte: „Du hast mich an den Wunsch von

Schirin erinnert.” Und er baute den Palast und den Fluss. Schirin bezahlte Barbad mit dem Landgut, der

Sänger zog dorthin um und es gibt dort eine Familie, die von ihm abstammt.““

Chosrau Parwez II. trat von seinem Vorgänger Chosrau I. ein ruhmreiches Erbe an – unter ihm

erreichte das Sassanidenreich fast wieder die Größe des Altpersischen Reichs in der Antike. Im Jahr

603 kam es zum letzten großen Krieg zwischen Römern und Persern. Bis 619 konnten Syrien und

Ägypten wieder den Sassaniden zugeordnet werden. Gegen Ende der Regierungszeit von Chosrau

Parwez wurden die Perser im Jahr 627 in Mesopotamien, in der Schlacht bei Ninive von Ost-Rom

geschlagen. Fast gleichzeitig fielen die Türken an der Ostgrenze des persischen Reichs ein, die

Sassaniden wurden in einen fatalen Zweifrontenkrieg verwickelt. Chosrau Parwez wollte den Krieg

mit Ost-Rom nicht abbrechen, der persische Adel sah in den Türken jedoch die größere Gefahr.

Chosrau II. wurde Anfang 628 abgesetzt und kurz darauf ermordet. Die Perser gaben 629/30 die

verlorenen Gebiete an Ost-Rom zurück. Das Sassanidenreich war von den langen Kriegen und den

inneren Unruhen die vor und nach der Entmachtung des Chosrau II. das Reich erschütterten so

geschwächt, dass seine wechselnden Nachfolger bis zu König Yazdegerd III. keine Gelegenheit

hatten das Reich zu ordnen und zu festigen, und dem Ost-Römischen Reich ging es ähnlich.

Beide Großmächte der Spätantike waren geschwächt, sie konnten dem plötzlichen

Eroberungssturm der muslimischen Araber wenig entgegensetzen. 634 wehrten die Perser sie in

einer bedeutenden Schlacht zwar noch einmal ab aber die Muslime eroberten in recht kurzer Zeit

die römischen Ostprovinzen und 637, nach der Schlacht von Kadesia im heutigen Südirak, auch

Mesopotamien. 642 konnten sie das letzte sassanidische Heer bei Nehawend vernichtend schlagen.

Yazdegerd III. wurde 651 bei Merw im Nordosten des Iran getötet. Das letzte vorislamische

Großreich war damit untergegangen und ein bedeutender Abschnitt der antiken Geschichte

beendet. Die Perser wurden in der Folgezeit schrittweise islamisiert, sie behielten jedoch ihre

Sprache und ihre Kultur bis heute. Es sollte bis zum Ende des 15. Jh. dauern bis sich ein neues

glanzvolles Perserreich unter der Dynastie der Safawiden entstehen sollte.

Ψ

57

Qasr-e Schirin ist eine Stadt in der iranischen Provinz Kermanschah nahe der Grenze zum Irak. Die Stadt liegt auf der

rechten Seite vom Fluss Hulwan. Qasr-e Schirin war eine wichtige Karawanserei auf der Handelsroute, die Bagdad mit

dem Iran verband. Die Stadt beherbergt viele Ruinen aus der Periode der Sassaniden. Dazu gehören auch Palastruinen.

Der Name der Stadt bedeutet Schirins Palast. https://de.wikipedia.org/wiki/Qasr-e_Schirin

58 893-945 n. Chr, ein muslimischer Araber, berühmter Geograf, Chemiker, Dichter, Sprachgelehrter, Historiker und

Astronom vom Stamm der Banu Hamadan (Amran/Jemen)

46


Bild steht nicht zur Verfügung

Kharanaq, Provinz Yazd: Die Lehmstadt war 5.000 Jahre lang immer wieder bewohnt. Das

älteste Haus wird auf 1.000 Jahre geschätzt. Heute ist der alte Teil des Orts verlassen, viele

Gebäude sind halb verfallen. Die letzten Einwohner verließen Kharanaq in den 60er Jahren des

20. Jh. – direkt daneben entstand das neue Dorf. Wassermangel gibt es offenbar nicht – um

das alte Kharanaq läuft ein Qanat, Er bewässert die weiten landwirtschaftlichen Flächen die

ich rings um die alte Stadt sah.

Eine Besichtigung ist nicht ganz ungefährlich: Lehm wird mit der Zeit brüchig wenn er nicht

immer wieder mit Wasser gesprengt und ausgebessert wird. Die Lehmpfade durch das Dorf

führen zum Teil über darunter liegende Räume bzw. Gewölbe Das wurde mir allerdings erst

bewusst, als hinter mir ein großes, mit Holzplanken bedecktes Loch im Weg lag und vor mir ein

etwas kleineres. Sollte ich weitergehen oder zurück? Das Risiko blieb dasselbe. Warnschilder

waren nirgends zu sehen gewesen.

Ψ

47


Der persische Qanat

Vor meiner ersten Reise 2017 bewegte mich vor allem eine Frage: Der Iran war ein riesiges Land

und zu einem großen Teil wüstenartiger Beschaffenheit – wie kam das Wasser bis in die

entlegensten Ortschaften, wie hatte es vor Jahrhunderten, ja, vor Jahrtausenden, in Persien die

Bevölkerung erreicht, die Wasserbecken von Moscheen oder historischen Gärten gefüllt bevor das

moderne Zeitalter auch im Iran einzog, Stauseen eingerichtet und Städte und Häuser mit modernen

Wasserleitungen versehen wurden?

Bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts, also bis vor wenigen Jahrzehnten, wurde das Land

flächendeckend durch mehr als 30.000 Qanate 59 versorgt. Wie schon im vorherigen Kapitel

angesprochen ist ein Qanat ist ein unterirdischer Wasserlauf zur Versorgung mit Frischwasser für

die Bevölkerung und für die Bewässerung von Feldern in Ländern, die grundsätzlich wasserarm sind

und/oder einen bedeutenden Anteil an Wüste haben. In geschlossenen Ortschaften verliefen sie

überwiegend unter der Erde. Je nach Größe des Orts wurden sie mit einer oder mehreren Treppen

nach unten zugänglich gemacht bis zu der Stelle an der die Bevölkerung sich mit Wasser versorgen

konnte. Der Zugang zu einer unterirdischen Wasserstelle wird payab genannt. Außerhalb der Orte

versorgten die Qanate die Landwirtschaft. Sie wurden in allen Ländern die mit der persischen oder -

nach der Eroberung Persiens durch die muslimischen Araber im 7. Jh.- mit der arabischen Kultur in

Berührung gekommen waren, nachgewiesen. Vom Iran aus verbreitete sich die Technik der

unterirdischen Wasserläufe in der Antike vorwiegend über die Große Seidenstraße bis nach

Ägypten (ca. 525 v. Chr.). Also nicht nur am Persischen Golf, auch im heutigen Afghanistan, in

Pakistan, Syrien, Ägypten, Libyen oder Nordafrika – selbst am Rand der chinesischen Taklamakan-

Wüste und in Spanien, dem damaligen al-Andalus 60 , gab es und gibt es zum Teil immer noch

funktionierende Qanate.

Anfang des 8. Jahrhunderts wurde auch das damalige Hispanien von muslimischen Arabern erobert,

sie brachten das Wissen um die Technik der Qanate mit. Es gab flächendeckend Qanate in allen

maurischen Gebieten. Die spanische Hauptstadt Madrid war damals ein Dorf und auch dort in der

heutigen Millionenstadt, sind noch Überreste von Qanats gefunden worden. Heute funktionieren in

Spanien nur noch ganz wenige wie auf den Kanarischen Inseln oder in der berühmten maurischen

Palaststadt der Alhambra in Granada.

Inzwischen gilt als gesichert dass die Qanat-Technik vor über 2000 v. Chr. im Alten Persien, dem

heutigen Iran, begann. Wahrscheinlich ist sie noch älter. Erstmals werden sie in einem Bericht in

akkadischer Keilschrift über einen Feldzug des assyrischen Königs Sargon II. 61 erwähnt. Als einer der

frühesten Qanate im Iran kann der von Zavareh in der Provinz Ardestan betrachtet werden, er ist

wahrscheinlich an die 5.000 Jahre alt. Der Qanat von Gonabad mit einem Mutterbrunnen in 350m

Tiefe, mit einer Länge von etwas über 33km und einem Alter von rund 2500 Jahren gehört ebenfalls

zu den ältesten.

59 Ein Qanat wird auch auf Persisch Kareez/Kariz genannt und wird im Deutschen oft als Kanat geschrieben. Das Wort

Qanat ist semitischen Ursprungs und ist das geläufigste im heutigen iranischen Sprachgebrauch. S. auch:

https://de.wikipedia.org/wiki/Qanat

60 Die Präsenz der Mauren (der Araber) in Spanien dauerte von der Eroberung der Halbinsel Anfang des 8. Jh. bis zur

vollkommenen Rückeroberung all ihrer Territorien durch die spanischen Christen bis Ende des 15. Jh.

61 Sargon II. war von 721 bis 705 v. Chr. König des neuassyrischen Reichs. Die assyrischen Fels- und Steininschriften

waren in Keilschrift verfasst und wurden zum größten Teil entziffert, s. hierzu u. A. Das akkadische Syllabar, 4.

durchgesehene und erweiterte Auflage von Wolfram von Soden und Wolfgang Röllig, Editice Pontificio Instituto Biblico,

Rom, 1991

48


Querschnitt durch einen Qanatbau: Mother well = Mutterbrunnen, Access Shaft = Wartungsund

Lüftungsschächte, Qanat Channel = (unterirdischer) Qanatverlauf, Outlet = der Qanat tritt

an die Oberfläche, Distribution = Verteilung des Wassers an die Landwirtschaft. Irrigated Land =

bewässertes Land. Watertable = Grundwasserspiegel, Bedrock = Felsiger Untergrund, Alluvium

= Alluvialboden.

Wichtig waren bei der Planung eines Qanats zunächst die Stelle zu finden wo das Grundwasser

angezapft werden konnte: einen Mutterbrunnen. Dafür eignete sich Persien besonders – Iran liegt

auf einem Hochplateau und ist von sehr hohen Gebirgen umgeben die ideale Wasserspeicher sind.

Hatte man die Stelle gefunden musste das Gefälle auf die ganze Länge des Qanats berechnet

werden. Das Wasser sollte über die ganze Länge fließen nicht zu schnell, aber es durfte auch nicht

zum Stillstand kommen – stehendes Wasser wird modrig. Es galt ja nicht nur die Landwirtschaft mit

Wasser zu versorgen, auch die Menschen am Qanatverlauf waren von Frischwasser abhängig. Dazu

galt es das Wartungs- und Lüftungssystem von Anfang an im Auge zu behalten, d. h. wie viele

vertikale Schächte und in welchem Abstand voneinander mussten sie angelegt werden. Das war

ebenso wichtig wie alles andere.

An der Erdoberfläche ist ein Qanatverlauf leicht an den Stollenhügeln zu erkennen die sich über die

Landschaft winden, wie riesige Maulwurfshügel. Bei jedem Qanat wurden für Lüftung und Wartung

in regelmäßigen Abständen vertikale, nach oben offene Schächte, genannt shafts, angelegt durch

die nur ein einzelner Mann passt der mit einer Winde heruntergelassen und wieder hochgezogen

wird. Da Aus- und Eintrittsöffnungen der Stollen nur im Bereich von Städten und Dörfern befestigt

sind führt das Wasser immer wieder Geröll oder andere Verunreinigungen mit sich die ausgeräumt

werden müssen. Auch da kommt die Winde zum Einsatz: ein Arbeiter befindet sich unten im

Stollen, füllt Behälter die hochgezogen und wieder leer heruntergelassen werden. Dort wo es

Qanate gab bzw. gibt wie im Iran, ist das ganze Land mit Qanatstollen buchstäblich „untergraben“.

In alten Zeiten erfolgte das Herunterlassen der Arbeiter in die Stollen und die Wartung mit einem

Seil, mit der Hand mit Seilwinden aus Holz. Heute treiben kleine, leicht zu transportierende

Motoren ähnliche Gestelle aus Metall an. Ich hatte oft Glück im richtigen Moment am richtigen Ort

zu sein und so gibt es auf den nächsten Seiten wenig Text und viele Bilder.

49


Innenhof

vom

Wassermuseum in der Wüstenstadt Yazd

Neun iranische Qanate gehören heute zum UNESCO Weltkulturerbe, es gibt allerdings kaum noch

Qanate die ihren ursprünglichen Zweck erfüllen. Ich hatte das Glück ein paar davon sehen zu

können –einer lag in einer wüstenähnlichen Einöde, der erste, genannt Goharriz Qanat Joupar

verlief in unmittelbarer Nähe vom Dorf Joupar 62 in der Provinz Kerman . Dort konnte ich wunderbar

den Qanatverlauf auf dem Land sehen, wo und wie er im Dorf an- und später an die Oberfläche

kommt und dann in ein einfaches, aber effektives Verteilungssystem für die Landwirtschaft geleitet

wird.

Aber zunächst einmal Bilder aus dem Wassermuseum der Wüstenstadt Yazd. Es wurde in einem

ehemaligen großen Privathaus eingerichtet das einen eigenen payab hatte – einen eigenen Zugang

zum Zarch-Qanat 63 in der Zeit als Yazd nur auf den Qanat angewiesen waren. Das Museum ist

sehenswert. Nicht nur der der Zugang ist erhalten, dort ist auch alles ausgestellt was zum Bau, zur

Wartung und zur Bemessung der fließenden Wassermenge -auch für die Landwirtschaft- früher

gebraucht wurde. Es ist faszinierend zu sehen was Menschen ohne jegliche Technik in der Lage

waren zu planen und zu bauen.

62 Auch: Joopar

63 Auch Zarach geschrieben, es wird in Yazd selbst meistens nur als Zarch-Qanat ausgeschildert.

50


Bild steht nicht zur Verfügung

Oben links und rechts:

Zugang zur Wasserstelle des Qanats im Wassermuseum von Yazd. Der Zarch-Qanat in

Yazd ist berühmt – eine ganze Stadt und umliegende Felder, der Wüste abgerungen,

wurden dank des Qanats mit Trinkwasser und einem umfassenden Bewässerungssystem

versorgt.

Links: die alte Wasserstelle; der Qanat füllte das Becken und lief weiter

51


Bild steht nicht zur Verfügung

52


Der Gowhar-riz Qanat Joupar

Mein Größenvergleich mit dem Hügel für einen der Qanatschächte.

Die Aufschüttung der Hügel erleichtert die Orientierung für die Wartung

Keine Frage, der kleine Ort Joupar wusste was er der Ernennung seines Qanats zum UNESCO-

Weltkulturerbe schuldig war: fast schulbuchmäßig konnte ich die verschiedenen Stationen des

Qanats verfolgen – von seinem Verlauf außerhalb des Dorfs, seine Ankunft dort wo die kleine

Moschee ihn gebührend würdigt, bis zu der Stelle wo er, nachdem er den kleinen Ort noch unter

der Erde in einem Stollen durchquert hat, als ansehnlicher, baumgesäumter Bach zu Tage tritt und

in ein Verteilersystem zur Bewässerung der Landwirtschaft geleitet wird.

Gerade als ich am Bach an der Austrittstelle des Qanats ankam, sah ich eine Schulklasse mit ihrem

Lehrer. Turnusmäßig kümmern sich offenbar Schüler des Orts um die Säuberung des Stollens unter

dem Dorf, dort wo er zugänglich ist. Darin beseitigen sie Geröll, auch ab und zu Plastiküberreste

oder Papier, oder sie entdecken ein seltenes Fundstück wie das was die Schüler ihrem Lehrer

brachten und ihn um Erklärung baten: es war eine handgefertigte Kette mit vielen kleinen

angehängten, einzeln gefalteten und verschnürten Pergamentpäckchen mit Schriftzeichen darauf.

Eine wunderschöne Handarbeit! Uns wurde erklärt, dass Mädchen und Frauen solche Ketten

fertigen um etwas zu erbitten. In jedem Päckchen wird ein (oder ein und derselbe) Wunsch

aufgeschrieben und Heilige oder Gott werden angerufen damit er ihr gewährt wird 64 Sie werfen die

Kette in einen Qanatschacht und hoffen dass das Wasser ihn zu einem Ort bringt wo ihr Wunsch

gehört würde. Lehrer und Schüler vertrauten die Kette dann dem Moscheewächter an, dort war sie

gewiss gut aufgehoben.

Ψ

64 s. Bild auf S. 56

53


Bild steht nicht zur Verfügung

Der Verlauf des Qanats ist bis an den Gebirgsrand zu sehen. Oft konnten die

unterirdischen Stollen nicht gradlinig angelegt werden, sie richteten sich nach der

Bodenbeschaffenheit – je nachdem ob die Arbeiter auf Felsgestein stießen oder sich

nur durch Erde graben mussten.

Ψ

54


Von hier sieht man die nächsten Stollenhügel, bei diesem Qanat liegen sie

jeweils 20m voneinander entfernt

Ψ

55


Links: Tragbare Seilwinde mit der früher Arbeiter in die Schächte heruntergelassen wurden und

Schmutz aus dem Qanat hochgezogen wurde. An einem Qanatverlauf wurde sie von einem Schacht

zum anderen transportiert. Rechts: Infotafel auf Persisch und Englisch mit technischen Einzelheiten

über den Qanat. Unten: Die kleine Moschee von Joupar.

56


Bild steht nicht zur Verfügung

Oben: Unter der Moschee kommt der Qanat an und wird wirkungsvoll in einem

ein Schacht mit Dekors-Fliesen präsentiert – Wasser ist heilig in diesem Land und

wo wäre der erste Blick auf das Wasser besser aufgehoben als hier? Unten: in

diesem Wassertunnel hatten die Schüler die fromme Kette bei ihrer

Reinigungsaktion gefunden.

57


Oben: Wer weiß wo am Qanat die Kette in einen Schacht geworfen und dem

Wasser anvertraut wurde? Wenn ich richtig verstanden hatte sollte sie dem

Moscheewächter zur Aufbewahrung übergeben werden.

Unten: Wenn der Qanat am Dorfende ans Tageslicht kommt ist er ein

ansehnlicher Bach mit kristallklarem Wasser geworden.

58


Oben und unten: weiter unten, schon fast außerhalb vom Dorf fließt der Bach in dieses

Sammelbecken und dann in ein Irrigationsverteilungssystem für die Landwirtschaft.

Text steht nicht zur Verfügung

59


Ganz in der Nähe von Joupar, nur sechs Kilometer weiter, liegt das Städtchen Mahan

und der entzückende persische Garten Schāhzādeh (Prinzengarten). Er liegt wie eine

Oase inmitten der Wüste und wird ebenfalls durch den Qanat genährt. Das

Eingangsportal gehört zu einem palastähnlichen Empfangsgebäude. Durch die

Springbrunnen auf den Wassertreppen erahnt man ein weißes zweistöckiges

Gebäude, das war die schlossartige Unterkunft der Fürsten aus Kerman wenn sie im

Sommer hierher kamen. Wassertreppen und –fontänen bilden ein geschlossenes

System, kein Wassertropfen wird vergeudet. Auch er gehört zum UNESCO

Weltkulturerbe.

Ψ

60


Bild steht nicht zur Verfügung

Das Eingangstor ist das Zentrum eines eindrucksvollen Pavillons für den offiziellen

Empfang von Gästen. Der Garten wurde 1850 vom Kadscharenprinz Mohammad

Hasan Khan Katschar Sardari Iravani angelegt und 1890 vom Statthalter der Provinz

Kerman endgültig fertiggestellt. Die Anlage diente als Sommerresidenz der

Fürstenfamilie, sie bewohnten den zierlichen, weißen Palaston oben im Garten. Die

Anlage ist rechteckig, ringsum von einer Mauer umgeben und hat eine Fläche von 5,5

ha. Ich kam noch vor Sonnenuntergang im Schahzadeh-Garten an, das Himmelsblau

begann zu verblassen und effektvolle Strahler fingen langsam an ein warmes Licht zu

verbreiten. Der kleine Palast schien bei Sonnenuntergang einem Märchen aus 1001

Nacht entnommen.

Ψ

61


Die Wüstenstadt Yazd und ihr Qanat

Das alte Yazd ist tatsächlich eine Stadt aus an der Sonne getrockneten Backsteinen, aus Lehm und

Stroh – enge verwinkelte Gassen, dunkle, schattige Durchgänge, schöne aber nicht pompöse

Moscheen die fast von usbekischen Kunsthandwerkern hätten gefertigt worden sein können – so

sehr ähneln sie sich in ihrem Baustil, in den Fassadendekorationen aus Mosaik und kalligraphischer

Ornamentik; auch die Glück bringende Swastika ist hier grün und in gleicher Weise an Fassaden der

Gebetshäuser zu sehen ... Wer hat wen geprägt, bereichert ...? Das ist schwer zu sagen - im

Hochmittelalter herrschten Araber, Perser und die Timuriden 65 immer wieder über weite Gebiete

der jeweils anderen.

Yazd ist über 3.000 Jahre alt. Ursprünglich lag sie an einer Oase, ihre Quelle versiegte im Lauf der

Zeit. Die gesamte Altstadt ist UNESCO Weltkulturerbe. Hier läuft das Leben im ralenti ab, morgens

um 09.00 sind die Gassen noch menschenleer und von 13.00 bis ca.17.30 ist alles geschlossen ...

Abends nach 20.00 streifen nur noch vereinzelte Touristen durch das alte Yazd. Viele wohnen auch

hier weil es inzwischen an die sechs kleinere, richtig hübsche gemütliche Hotels gibt. Dafür wurden

alte, traditionelle Häuser liebevoll hergerichtet. Einfach, aber geschmackvoll, mit herrlichen

Innenhöfen mit Blumen, Brunnen oder Wasserbecken.

In Yazd wurde mir bei meiner Reise 2017 sehr deutlich klar: es gibt mehrere Iran. Die Menschen

hier sind ernsthaft, traditionsbewusst, tief religiös, konservativ aber freundlich. Sie leben in einer

Wertegesellschaft wie sie überall auf der Welt noch bei Menschen die in der Einöde leben, existiert.

Keine Spur mehr vom bunten Trubel in Isfahan – abends treffen sich am und im Amir Chakhmaq

Komplex junge Leute an dieser Schnittstelle zwischen dem alten und neuen Yazd. Dort ragt die sehr

schöne Fassade eines religiösen Gebäudes hinter einem sehr großen Wasserbecken malerisch in

den Abendhimmel. Dahinter liegen kleine Lokale, Garküchen, ein 2-stöckiges Einkaufszentrum und

eine alte Karawanserei. Überall in der Altstadt gibt es etwas zu sehen, vorausgesetzt man mag alte,

einfache Lehmstädte. Hier ist ein Bauwerk dem nachgesagt wird von Alexander des Großen gebaut

worden zu sein, dort eine Wassermühle 25 m unter der Erde, heute außer Betrieb, immer wieder

die lebensnotwendigen konisch zulaufenden Wasserspeicher und die vielen verschiedenen

Windtürme – sie sind das Wahrzeichen der Stadt und zugleich die jahrtausendealten Vorläufer

unserer Klimaanlagen.

Die Windtürme sind charakteristisch für das Stadtbild und brauchen keinen Strom. Einfache

Versionen haben zwei vertikale Schlitze für zwei Himmelsrichtungen, die Raffinesse geht bis zur

DeLuxe-Ausführung mit jeweils acht, zwei für jede Himmelsrichtung. Sie fangen selbst die leichteste

Brise ein und leiten sie nach unten ins Haus 66 . Auch sie sind eine persische Erfindung aus einer Ära

weit vor unserer Zeitrechnung. Sie dienen der Lüftung und vor allem der Kühlung der Häuser und

Wasserspeicher. Im Turm selbst sind, hinter den vertikalen Öffnungen senkrechte bewegliche, feine

Metalllamellen angebracht. Sie können schwächste Luftbewegungen einfangen. Je mehr Öffnungen

ein Windturm hat desto größer ist seine Wirkung. Dass sie hervorragend funktionieren kann ich nur

bestätigen: bei meiner Reise 2017 wohnte ich auch in einem kleinen traditionellen Hotel, es war

zwar warm aber trotz der Hitze tagsüber nachts immer angenehm. Wegen der Mücken hätte man

auch in der kühleren Nacht keine Fenster aufmachen können.

Ψ

65 =Turkvolk, s. Tamerlan/Amir Timur - Usbekistan

66 https://en.m.wikipedia.org/wiki/Windcatcher

62


In Yazd gibt es keine Brunnen und Niederschlag den man speichern könnte gibt es auch nicht. Wozu

dann die Wasserspeicher, die ab-Anbars, die alte unterirdische Wassermühle und, wird das

kostbare Nass nicht durch großzügige Wasserbecken in der Stadt und in Privathäusern vergeudet?

Die Antwort ist, dass Yazd an einem der berühmtesten persischen Qanate liegt: dem Zarch-Qanat.

Er hat eine Länge von zwischen 60-80km – hier sind die Quellen nicht ganz genau. Alle Orte und die

gesamte Landwirtschaft der Provinz waren von dem „unterirdischen Aquäduct“ abhängig 67 .2018

wohnte ich im Qanat Traditional Hotel, im Innenhof hatte ich gleich einen hochgemauerten

Qanatschacht entdeckt und darauf eine alte Seilwinde. Also gab es hier einen Qanat. Bei einem

späteren Erkundungsgang sah ich nirgends einen Zugang, also gab ich erst einmal die Suche auf und

machte meinen Rundgang durch den alten Teil der Stadt bis zur Freitagsmoschee. Zwei Tage später

zeigte mir der Hausmeister den alten Qanat. Es lag gute 15m unter der Erde; auf dem Weg nach

unten sah ich dass man dabei war ihn zu restaurieren. Der Abstieg war nicht ganz einfach, teilweise

waren Stufen noch nicht wiederhergestellt, Baumaterial stand im Weg, und viel Sand auf dem man

nur schwer Halt fand lag auf dem oberen Treppenabschnitt des Zugangs. Einmal unten

angekommen sah ich einen historischen Schatz: ich war überrascht wie groß dieser Zugang zur

Wasserstelle gewesen und wie lang die Abzweigung des der Zufuhrstollens vom offiziellen Qanat

war; er war breit aber niedrig. Und wieder, obwohl dort unten nur eine einfache weiße Glühbirne

am Anfang der Treppe hing und die Taschenlampe des Hausmeisters nur ein schwach-weißes Licht

abgab, fing die Kamera wieder ein besonderes, farbiges Leuchten ein wie im Dariun Kanal in

Schuschtar.

67 Mehr zu den persischen Qanate:https://www.unesco.de/kultur/2016/qanat-bewaesserungssystem

und http://whc.unesco.org/en/list/1506/

63


Garten Dowlat Abad in Yazd, auch ein UNESCO-Weltkulturerbe. Er wurde um 1750 angelegt

und folgt den klassischen Regeln persischer Gärten: Viel Grün, Schatten spendende hohe

Bäume ein großes Wasserbecken mit Wasserspielen vor dem zierlichen Palastpavillon, kaum

Blumen.

Nach Joupar und Mahan fuhr ich mit dem Bus in eine meiner Lieblingsstädte: die Wüstenstadt

Yazd. Dort wollte ich unter anderem auch den berühmten Zarch-Qanat 68 von innen sehen. Es

gibt viele stillgelegte payabs 69 aus der Zeit als die Bevölkerung noch kein fließendes Wasser

hatte und das kostbare Nass an unterirdischen Wasserstellen holen musste.

68 Auf einigen deutschen oder englischen Informationsseiten findet man ihn als Zarach-Qanat, in Yazd steht der Name

auf Hinweisschildern oft ohne „a“.

69 Zugänge zu den eingerichteten Wasserstellen

64


Oben und unten: Eine Freundin hatte mich in einer gerade eröffneten Unterkunft in der Altstadt von

Yazd unter-gebracht: im Traditional Qanat Hotel. Ich hatte gleich bei Ankunft den hochgemauerten

Schacht eines Qanats mit einer alten Seilwinde aus Holz entdeckt. Das sah vielversprechend aus.

65


Bild steht nicht zur Verfügung

Ehemaliger Zugang unter dem Qanat Hotel zur Wasserstelle. Die damaligen Besitzer des großzügigen

Privathauses richteten seinerzeit eine eigene Abzweigung vom öffentlichen Qanat ein. Das

Hotel hat inzwischen mit Restaurierungs-arbeiten begonnen.

Links oben: Wie man am oberen Teil der Treppe sieht mussten wir auf dem Zugang zur ehemaligen

Wasserstelle große Vorsicht walten lassen, Stufen waren kaum mehr vorhanden.

Rechts oben: in diesem Teil des Qanatstollens fragte ich mich wie die Arbeiter vor langer, langer Zeit

den Zufuhrstollen wohl gegraben hatten. Das konnte nur knieend möglich gewesen sein.

Bild steht nicht zur Verfügung

Links: Nach dem Rundgang, in der

Nähe zur Wasserstelle, konnten

wir uns zwar nicht aufrecht, aber

doch gebückt vorwärts bewegen.

66


Der Zarch 70 Qanat

Gleich am nächsten Tag meiner Ankunft eilte ich zur Freitagsmoschee von Yazd: im Innenhof ist ein

öffentlicher Zugang zum Zarch-Qanat. Dort war ich mit einem befreundeten iranischen Ehepaar aus

Yazd verabredet – zum Glück kann ich nur sagen. Der Moscheewächter gab mir nur zu verstehen

dass der Zugang bis auf unbestimmte Zeit gesperrt sei. Was für eine Enttäuschung! Als meine

Freunde ankamen ging der Mann noch einmal zum Moscheewächter – bald waren beide in ein

reges Gespräche verstrickt, es wurde etwas gestikuliert, dann in eine Richtung gezeigt, mein Freund

schien sich zu bedanken und kam mit freudigem Gesicht wieder zurück: Ihm, uns, war empfohlen

worden doch zum nahegelegenen Büro Cultural Heritage Base Historical Yazd zu gehen, dort dem

Chef unser Anliegen vorzutragen, vielleicht hätte er ein Einsehen. Und so war es: ich sollte erzählen

wer ich war, dem freundlichen Herrn genau erklären was ich im Sinn hatte und dass ich nur noch 2

Tage mehr in der Stadt wäre. Er hörte aufmerksam zu, stand irgendwann auf, zog sein Jackett an,

holte einen dicken Schlüsselbund aus einer Schublade und meinte nur „Let’s go“ … Ich konnte mein

Glück kaum fassen … und meine Freunde strahlten weil ich dank ihrer Hilfe doch alles Mögliche

sehen würde. Dicke Schlösser mit denen die schweren Schutzgitter vor den Zugängen zu den

Wasserstellen gesichert waren wurden von beiden Herren geöffnet. Die payabs waren mit der

Einkehr vom fließenden Wasser in den Häusern überflüssig geworden, um Unfällen vorzubeugen

waren sie stark gesichert. Am Ende des Tages war ich zwar nicht im kleinen Teil des Zarch-Qanats

im Moscheehof gewesen den jeder Besucher zu sehen bekommt, ich hatte aber alle möglichen

Zugänge und einen der eindrucksvollsten Abschnitte des Qanats gesehen, der sonst nicht einfach zu

sehen ist. Ich konnte überall nach Belieben hinuntersteigen, mich umschauen und fotografieren.

Der Herr vom Cultural Heritage Büro ließ mich allerdings nicht aus den Augen, manche Zugänge

waren etwas baufällig, in anderen waren offenbar Bauarbeiten im Gange, Werkzeug lag herum und

die Beleuchtung war zuweilen schwach. Ich kann heute nicht mehr sagen wie viele Treppen und

Stufen ich an diesem Tag hinunter- und wieder hinaufgestiegen bin – ich erinnere mich vor allem an

den Muskelkater am Tag danach.

Auf dem Weg von einem Zugang zum anderen erfuhr ich, dass Yazd eine „Route des Qanats plant –

ein phantastischer Gedanke, denn die Altstadt von Yazd ist nicht nur berühmt für ihre Bauweise aus

Lehm, Stroh oder Lehmbacksteinen. Beides – Altstadt und Zarch Qanat wurden zum UNESCO

Weltkulturerbe erklärt. Es gibt viele Touristen die hierher kommen, sei es der Stadt wegen oder

weil sie Ausgangspunkt für Wüstentourismus ist.

In der UNESCO-Bekanntgabe zum Weltkulturerbe Yazd heißt es:

Die Stadt Yazd liegt mitten auf dem iranischen Hochplateau, 270 km südöstlich von Isfahan, in der

Nähe der Handelswege Gewürz- und Seidenstraße. Sie ist ein lebendiges Beispiel dafür wie

begrenzte Ressourcen das Überleben in einer Wüste möglich machen. Die Stadt wird durch ein

Qanatsystem mit Wasser versorgt das von Grundwasser genährt wird. Die Lehmstrukturen von Yazd

konnten den Modernisierungen widerstehen die leider viele traditionelle Lehmstädte zerstört hat.

Die Stadt hat ihre traditionellen Viertel, das Qanatsystem, traditionellen Häuser, den Bazar, die

Hamams, Moscheen, Synagogen, den zoroastrischen Tempel und den historischen Garten Dowlat

Abad 71 bewahrt“.

Ψ

70 Auf einigen deutschen oder englischen Informationsseiten findet man ihn als Zarach Qanat, in Yazd steht er auf den

Hinweisschildern meistens ohne das 2. „a“.

71 Auch: Dolat Abbad

67


Oben: Dieser Zugang zum Qanat hat

einen richtig eindrucksvollen Eingang.

Unten links: Anfangs war die Treppe

nach unten noch beleuchtet.

Unten rechts:

An der Wasserstelle angekommen

herrschte fast vollkommene Dunkelheit.

Ein schwacher Scheinwerfer

beleuchtete den Qanatverlauf.

Zuweilen war auch der Aufenthalt im

Untergrund etwas abenteuerlich.

Bei unserer Tour durch die Unterwelt

von Yazd musste ich oft entscheiden

ob ich Aufnahmen mit oder ohne Blitz

machen sollte – ich zog letzteres vor;

die Bilder geben genau die

Verhältnisse unter der Erde wieder, so

wie sie waren.

Bilder stehen nicht zur Verfügung

68


Bild steht nicht zur Verfügung

Oben: In einer Gasse trafen wir auf Arbeiter die gerade dabei waren einen Teilabschnitt des Qanats

durch einen Wartungsschacht zu reinigen.

Unten: Der einzige Unterschied zu „alten Zeiten“ als die Stollen noch mit einer handbetriebenen

Holzwinde von Geröll und anderen Verschmutzungen gereinigt wurden bestand darin, dass jetzt ein

kleiner Motor dabei half den Schuttbehälter aus Blech leer herunter zu lassen und ihn voll wieder

hinaufzuziehen.

69


Oben: Der volle Eimer war wieder oben, eine Schubkarre stand schon bereit. Unten: Alle

Stollen, Abzweigungen und Zugänge gehören zum Zarch-Qanat – einige in besserem,

andere in weniger guten Zustand. Alle sind strategisch über die gesamte Altstadt verteilt.

Ich dachte bei jeder Treppe nach unten daran dass die Einwohner, lange vor der

modernen Zeit mit Wasseranschluss in jeder Wohnung, zunächst mit Tonkrügen,

vielleicht sogar zwei oder drei Mal am Tag, die Treppen zu ihrer Wasserstelle bewältigt

hatten. Was für eine Leistung!

Unten: Hinweise auf den Zarch-Qanatverlauf sind in der Altstadt von Yazd an vielen

Hausmauern befestigt die aus dem üblichen Gemisch aus Lehm und Stroh gebaut sind.

70


Kohan Traditional Hotel, Yazd, Frühjahr 2017: Das Freizeitleben der Iraner findet

vorzugsweise in öffentlichen Parkanlagen, Gärten oder in Innenhöfen statt. In

öffentlichen Gärten und Parks der Städte wird vorwiegend nachmittags gern alles

Grün in Beschlag genommen: Große oder kleine Familien oder Freundesgruppen

breiten Decken aus, sie bringen Essen und Getränke mit und können Stunden, oft bis

über den Einbruch der Dämmerung hinaus dort bleiben. In Yazd gibt es

verständlicherweise kaum Gärten, aber in der Altstadt laden zauberhafte, gemütliche

Innenhöfe zum Verweilen ein. Bei großen Innenhöfen in Hotels wird darüber ein

gewölbtes Gerüst mit einer starken Plastikfolie bespannt um vor Hitze und

Sandstürmen zu schützen und zugleich auch vor kalten Wüstennächten.

71


Oben links und rechts:

Eingang und Treppen zum Zarch Qanat

Unten: Der eindrucksvollste Streckenabschnitt ist wohl die Zarch Gallery – das sieht man schon am

Eingang. Je weiter man nach unten kommt, desto spektakulärer wird die Beleuchtung obwohl nur

einfache Glühlampen an der Decke hängen.

Die Fotos vom Qanatverlauf unter der Erde wurden mir freundlicherweise vom Büro Cultural

Heritage Base überlassen, das Licht war ausgefallen. Sie zeigen wie gewaltig dieser Qanat ist, dieser

Stollen wäre die Freude eines jeden Höhlenforschers.

.

Bilder rechts oben und unten:

© Cultural Heritage Base Historic City of Yazd

72


Bilder stehen nicht zur Verfügung

Ich kann im Nachhinein nur sagen dass es im Grunde ein Segen war dass das Licht unten nicht

funktionierte und dass ich diese Bilder bekam, ich selbst hätte nicht hier herumklettern und solche

Aufnahmen machen können.

Alle Bilder auf dieser Seite:

© Cultural Heritage Base Historic City of Yazd

Inzwischen haben die Stadt und die Provinz Yazd den Qanattourismus entdeckt: Teile der Qanate

sind jetzt für „Wassertouristen“ zugänglich. Es ist ein ganz besonderes Erlebnis durch die uralten

engen Gänge im Wasser zu waten. Nicht nur Erwachsene, auch Kinder gehen begeistert auf

unterirdische Entdeckungsreisen.

Ψ

73


Am nächsten Tag wurde ich von einem Fahrer abgeholt – heute ging die Fahrt ins wüstenartige

Umland von Yazd; vielleicht passt das Wort Steppe eher als das was wir uns unter Wüste vorstellen.

Iran hat zwei „richtige“ Wüsten, eine davon, die spektakulärste, ist die Wüste Lut. Aber hier war es

noch eine flache Einöde soweit das Auge reichte bis zu den gewaltigen Gebirgsformationen am

Horizont, die fast das ganze iranische Hochplateau umgeben. Einöde ja, aber so beeindruckend,

dass ich fast schon wieder von Schönheit reden würde. Was für ein Gegensatz!

Ich war einem Qanat auf der Spur der heute noch seine ursprüngliche Bestimmung erfüllt: eine

Wasserstelle zu der die Menschen kommen um frisches Wasser zu holen. Mein Fahrer war ein

reizender Mensch, aber eine Verständigung mit ihm war fast unmöglich: außer einfachen,

alltäglichen Floskeln verstand er kein Englisch. Aber ich vertraute darauf dass ich dem Vermittler

der den Fahrer anheuerte genau beschrieben hatte wonach ich suchte und er das auch genau

weitergegeben hätte. Nach einiger Zeit bogen wir von der Straße ab, nahmen eine Schotterpiste

von der aus wir irgendwann ebenfalls herunterfuhren um ohne Weg weiterzufahren. Ab und zu rief

mein Fahrer jemanden an, dann gab ein lebhaftes Hin und Her und weiter ging es. Hin und wieder,

nach einem Telefonat, machten wir kehrt aber nach einigen Umwegen kamen wir tatsächlich dort

an, wo er hinwollte und ich natürlich auch.

Wir waren allein auf weiter Flur, keine Menschenseele war zu sehen, nur ein paar kleine,

kümmerlich wirkende Bäumchen waren zu sehen. Der Fahrer nickte zufrieden, fuhr einen kleinen

Bogen und wir hielten direkt oberhalb vor einem Qanat. Als hätte er sie bestellt, ging gerade eine

dunkel gekleidete Frau die Stufen hinunter, ich war begeistert – versteht sich. Zufrieden strahlte

mein Fahrer über das ganze Gesicht als er sah wie ich mich freute.

Ψ

74


Oben: Zugang zum Qanat

Die Treppe hatte nur wenige und breite

Stufen – nach dem was ich in Yazd hinter

mich gebracht hatte, ein Kinderspiel.

Unten war es angenehm kühl, das

Wasser war frisch, klar und so weich wie

ich es schon lange nicht mehr gefühlt

hatte.

Links: Mein Fahrer füllte sein Wasser

auf; plötzlich hörten wir Motorengeräusch,

Stimmen und dann kam einer

nach dem anderen mit großen

Plastikbehältern um Wasser zu holen.

Vor dem Qanatzugang standen zeitweise

vier Autos, manche kamen mit Familie,

andere allein, und jeder hatte

mindestens zwei große Plastikkanister

zum Auffüllen mitgebracht.

75


Bilder stehen nicht zur Verfügung

76


Bild steht nicht zur Verfügung

Nach vier Tagen in Yazd und Umgebung nahm ich Abschied von der Wüstenstadt – es fiel mir

schwer – Ich hatte in den zwei Jahren in denen ich jeweils mehrere Tage hier verbracht und

richtige Freunde gefunden. Die Bougainvillea waren abgeblüht, malerisch blieben die

Blütenblätter noch auf dem Wasserbecken vom Kohan Traditional Hotel liegen. Inzwischen

war es Mitte April und es wurde langsam heiß. Im Sommer kommt der Tourismus in Yazd fast

zum Erliegen, wer von den Einwohnern kann verbringt die heißen Monate bei Verwandten an

einem etwas kühleren Ort.

Mein nächstes Ziel war die Stadt Kaschan; ich fuhr mit dem Zug dorthin, Kaschan war die

letzte Station auf meiner Reise.

Ψ

77


Der Garten Bagh-e Fin in Kaschan und auf der Spur eines Qanats mit

Namen Salomo’s Quelle 72

Die Stadt Kaschan gehört zur Provinz Isfahan, liegt etwas über 900m hoch auf dem Zentralen

Hochland des Iran, am Nordrand des Kuhrud-Gebirges und am Rand der zentraliranischen Wüste ca.

200 km südlich von Teheran. Der Ort wurde einst inmitten der ersten großen Oase an der

bedeutenden Handelsstraße von Qom nach Kerman gegründet. Im 18. und 19. Jh. erlebte Kaschan

eine außerordentliche Blütezeit. Das zentrale persische Hochland gehört zu den Wiegen

altorientalischer Hochkulturen. Bei Ausgrabungen in Tape Sialk 73 und im Weichbild 74 von der

Umgebung von Kaschan fanden sich Häuser aus dem 6. Jahrtausend v. Chr., einige der ältesten

Zeugnisse von Metallgewinnung aus dem 4. Jahrtausend, proto-elamitische Schrifttafeln, Rollsiegel,

Keramiken aus dem 3. Jahrtausend und eine der vier bis heute bekannten elamitischen Zikkurate 75

im Iran.

Die vorletzte große Dynastie in Persien war die der Kadscharen, sie waren Alleinherrscher von 1779

bis 1925. Die turkmenischstämmige Familie, die auf den Mongolen-Herrscher Hülegü zurückgeht,

kam nach der Ermordung des letzten Zand-Herrschers Lotf Ali Khan im Jahr 1794 an die Macht. Sie

wurde 1925 von der Dynastie Pahlavi abgelöst, der Familie des letzten Schahs von Persien.

Kaschan war im Mittelalter berühmt für eine bedeutende Keramikindustrie. Heute ist der Ort Sitz

einer ebenso wichtigen Textilindustrie; die meisten mechanischen Teppichwebstühle des Landes

stehen in Kaschan. Die Kaschanteppiche (eine klassische Art der Perserteppiche) die im 16.

Jahrhundert unter den Safawiden weithin berühmt waren und vermutlich auf die Seldschuken

zurückgehen, wurden nach der Stadt benannt. 1778 wurde die Stadt durch ein Erdbeben völlig

zerstört – es kostete 8000 Menschen das Leben. Kaschan wurde wieder aufgebaut – die

historischen, reich ausgestatteten Patrizierhäuser des 18. und 19. Jahrhunderts aus der Zeit der

Kadscharendynastie zeugen vom großen Wohlstand der Stadt in jener Zeit – sie sind eine

Touristenattraktion 76 .

Das Glanzstück Kaschans ist der Bagh-e Fin Garten, zum einen wegen seiner Weitläufigkeit und den

perfekten Proportionen eines historischen Gartens, zum anderen wegen des Wasserreichtums und

den wunderschönen Garten- bzw. Palastpavillons. Es ist der „Persische Garten“ par excellence mit

einer klaren Aufteilung, Wasserläufe die Grünflächen teilen, zahlreiche große Bäume darunter auch

Zypressen, mehrere Wasserbecken und zierliche, geschmackvoll dekorierte und einfühlsam

restaurierte hochherrschaftliche Pavillons. Blumenbeete sind nur hier und da vorhanden.

Der Ursprung des Gartens soll auf die Zeit vor den Safawiden zurückgehen, das wurde jedoch bis

heute nicht bewiesen. Aber es gibt eine überlieferte Beschreibung des Bagh-e Fīn aus dem Jahr

1504 als der safawidische Herrscher Ismail hier empfangen wurde. So wie wir den Garten heute

sehen wurde er unter dem Safawidenherrscher Abbas I. (1571–1629) erbaut und angelegt. Das ist

durch eine Beschreibung aus seiner Zeit belegt.

Ψ

72 Soleymaniyeh’s (Salomo’s) Spring.

73 Auch Teppe Sialk/Tappe Sialk: eine ca. 8.000 Jahre alte Ausgrabungsstätte

74 Unter Weichbild versteht man den Anblick und das Erscheinungsbild eines urbanen Raumes, einer Stadt oder eines

Ortes. Es kann aber auch auf die gesamte Ausdehnung eines bewohnten Gebietes angewandt werden und damit seine

Begrenzung oder sein Einflussgebiet bedeuten. S. https://de.wikipedia.org/wiki/Weichbild

75 Stufentempel, s. Tschogha Zanbil am Anfang dieses Reiseberichts

76 Bilder von diesen Häusern sind jeweils unter „Gallery“ von https://en.wikipedia.org/wiki/Borujerdis_House oder

https://en.wikipedia.org/wiki/Tabātabāei_House zu finden, es lohnt sich sie anzuschauen

78


Bagh-e Fīn (Fin Garten). Ab der Mitte des 19. Jh. lag der Fin-Garten lange brach, wurde bis

1935 mehrmals zerstört, kam aber im gleichen Jahr unter Denkmalschutz. Danach wurde er

wieder hergestellt und 2011 in die Liste des UNESCO-Weltkulturerbes aufgenommen. Die

Anlage ist 2,3 Hektar groß und wird von einer Mauer mit vier Wehrtürmen geschützt. Der

Wasserreichtum ist erstaunlich – er ist in einem Qanat begründet das im Volksmund

Soleymaniyeh‘s-Spring (Salomo’s Quelle) genannt wird – einer der ergiebigsten Qanate im

Iran. Schon weit vor unserer Zeit versorgte er die Siedlungen aller Völker in diesem Teil des

iranischen Hochplateaus mit Wasser. Bis heute spendet er Wasser für den Garten und große

landwirtschaftliche Flächen, vor allem Obstplantagen, im Umland von Kaschan.

Ψ

79


Mehrere wasserführende Elemente des Gartens werden hauptsächlich aus der Soleimaniyeh-Quelle

besser gesagt, aus dem erwähnten Qanatsystem gespeist. Der Wasserdruck ist offenbar so hoch

dass eine Reihe von Wasserbecken und Springbrunnen ohne mechanische Pumpen betrieben

werden können.

Soleimaniyeh heißt übersetzt Salomo nach dem legendenumwobenen, biblischen König. Es könnte

sein dass der Name des Qanats wegen seines Wasserreichtums von jüdischen Einwohnern so

genannt wurde. Im 17. Jh., zu Zeiten von Schah Abbas II., soll es in Kaschan eine Gemeinde von rund

1.000 Juden gegeben haben. König Salomo wird in Legenden und biblischen Überlieferungen oft mit

Wasserreichtum in Verbindung gebracht – immer wieder ist die Rede vom „Meer“ König Salomos

im Zusammenhang mit Bauwerken oder Brunnen. So ist uns das Eherne Meer aus dem Alten

Testament der Bibel geläufig, demnach war es ein großes Wasserbecken aus Bronze als Teil des

Salomonischen Tempels.

1. Buch der Könige: „… (23) Und er machte das Meer, gegossen, von einem Rand zum andern,

zehn Ellen weit, ganz rund und fünf Ellen hoch, und eine Schnur von dreißig Ellen war das Maß

ringsherum. (24) Und um das Meer gingen Ranken an seinem Rand ringsherum, je zehn auf

eine Elle; es hatte zwei Reihen Ranken, die beim Guss mitgegossen waren. (25) Und es stand

auf zwölf Rindern, von denen drei nach Norden gewandt waren, drei nach Westen, drei nach

Süden und drei nach Osten, und das Meer stand obendrauf, und ihre Hinterteile waren alle

nach innen gekehrt. (26) Die Wanddicke des Meeres aber war eine Hand breit, und sein Rand

war wie der Rand eines Bechers, wie eine aufgegangene Lilie, und es gingen zweitausend

Eimer hinein.“ (1. Buch der Könige 7,23-26, Lutherbibel 2017)

Es gab vergleichbare Wasserbecken in mesopotamischen Tempelanlagen denen man den Namen

„Süßwasserozean“ gegeben hatte. Neuassyrische Reliefs zeigen auch Metallbecken die vor Tempeln

stehen teilweise auch auf Rinderfiguren. Aber nicht nur in frommen Schriften kommt das „Meer“

des Salomo vor, auch in eher amüsanten, in der arabischen Literatur erwähnten Legenden in denen

erzählt wird wie König Salomo bei seinen Bauvorhaben tatkräftig von Djinns 77 unterstützt wurde

und er eine „Burg aus Glas“ baute. In der muslimischen wie in der biblischen Überlieferung besucht

die Königin von Saba Salomo an seinem Hof. Hier fließen typisch arabische Elemente in die

Erzählung ein die der Koran in der Sure 27 “Die Ameisen” wiedergibt: Ein Wiedehopf berichtet

Salomo von einem Volk von Ungläubigen das von einer Frau regiert wird – das Volk von Saba.

Salomo entsendet seine Boten dorthin und bittet darum dass die Sabäer den Glauben Allahs

annehmen. Die Sabäer weigern sich jedoch, daraufhin befiehlt Salomo einem Ifrit 78 den prunkvollen

Thron von Bilqis, der Königin von Saba, zu rauben. Diese erscheint am Hof des Salomo wo ihr der

gestohlene Thron gezeigt wird und man führt sie in ein Gebäude, dessen Boden aus Glas ist:

„Gesprochen ward zu ihr [Salomo sagte zu ihr]: “Tritt ein in die Burg” und da sie sie sah, hielt sie sie

für einen tiefen See und entblößte ihre Schenkel; er sprach: “Siehe, es ist eine Burg, getäfelt mit

Glas.” (Koran, 27, Vers 44). Die Legende wird vom ägyptischen Gelehrten al-Nuwairi 79 in seinem

Werk Nihayat al-Arab 80 wiedergegeben und weiter ausgeführt:

77 Gute oder dämonische Geister

78 Ebenfalls ein Geistwesen

79 (*1279 in Kairo; †1333) Er war ein ägyptischer Literat, Historiker und Enzyklopädist in der Mamelucken-Zeit in

Ägypten. Er ist u. a. Verfasser der Enzyklopädie Nihāyat al-arab fī funūn al-adab

80 XIV, S. 121-122. Übersetzung aus: Rosen der Wüste – Die Architektur in der arabischen Literatur von María Jesus

Rubiera, ins Deutsche Übersetzt von Isabel Blanco del Piñal, Verlag RoseNoire 2001, S. 53, 54

80


Bild steht nicht zur Verfügung

Wasserbecken in einem Prunk-Pavillon des Bagh-e Fin Gartens

Gemäß der Legende ging Folgendes dem Koranzitat voraus: „… Als man die Ankunft von

Bilqis, der Königin von Saba, am Hof des Salomo erwartete, näherte sich Salomo ein Ifrit

unter den Geistern und sagte: “O Prophet Allahs! Die Beine von Bilqis haben Eselshufe” und

Salomo erwiderte: “Wenn das, was du sagst, nicht der Wahrheit entspricht, werde ich dich

bestrafen.” Listig antwortete der Ifrit: “Ich würde gern einen Palast aus Glas bauen in den ich

Wasser einlassen und sogar Fische einsetzen werde sodass, wer ihn sieht glauben muss, dass

es fließendes Wasser ist.”

So baute er ihn und als er fertig war bedankte sich Salomo und der Ifrit sprach: “O Prophet

Allahs! Vergib mir, denn ich habe dir über die Beine von Bilqis Lügen erzählt.” Und Salomo

vergab ihm. Bilqis kam und sah dass Menschen, Geister, Vögel, andere Tiere und Lebewesen

in Frieden zusammenlebten. Danach begab sie sich zu dem getäfelten Palast, wo sich ihr

Thron befand und wunderte sich. Man fragte sie: “Ist das dein Thron?” und sie antwortete:

“Er sieht so aus” aber sie wusste dass es ihrer war und dass darin die Macht der Propheten

lag.

Als sie in den Glaspalast eintrat meinte sie dort wäre tiefes Wasser und schürzte ihren Rock

aber Salomo sagte: “Es ist eine Burg, getäfelt mit Glas.” Voller Scham vor Salomo bedeckte

sie ihre Beine und sagte: “Meine Seele war von Dunkelheit umfangen und zusammen mit

Salomo ergebe ich mich dem Herrn der Menschen in den beiden Welten.” Nach ihr nahm

auch ihr Volk den Glauben an““. Die Geschichte endet mit einer amüsante Note: Wenn Bilqis

auch keine Eselshufe hatte seien doch ihre Beine so stark behaart gewesen dass für sie die

Enthaarung erfunden wurde. Die Legende geht weiter:

81


Bild steht nicht zur Verfügung

Prunk-Pavillon im Fin Garten Bagh-e Fin mit dem Wasserbecken von innen gesehen

Die meisten sagen dass Salomo sie heiraten wollte als sie bekehrt wurde aber die hässliche

Behaarung die er an ihren Beinen gesehen hatte machte ihm Sorgen und er soll ausgerufen haben:

„Wie abscheulich!” Er befragte seine menschlichen Untertanen: “Wie verschwindet so etwas?” Die

Männer antworteten: „Mit einem Rasiermesser” aber die Frauen gaben zu bedenken: “Nie darf an

einem solchen Ort Eisen Verwendung finden.” Enttäuscht wandte sich Salomo an die Geister aber

diese sagten dass sie nicht wüssten, wie man die Haare entfernt. Darauf fragte er die Dämonen die

sich über ihn lustig machten aber da er beharrlich blieb, erwiderten sie: “Wir werden ihre Beine

blank wie Silber machen.” Und sie taten dies mit ungelöschtem Kalk“ Und jetzt, nach dieser

vergnüglichen Episode, wenden wir uns dem Qanat, genannt Salomo’s Quelle zu.

82


Oben links: Der Qanat tritt in der Nähe der südöstlichen Begrenzung des Bagh-e Fin Gartens ans

Tageslicht. Ein Eingang liegt in dieser kleinen Gasse. Oben rechts und unten: Der Zugang war sehr

bescheiden. Erst als ich unten war sah ich es durch 3 stark bewehrte Öffnungen: Wasser rundum,

soweit das Auge reicht. Außerhalb des Beckens dehnte es sich nach allen Seiten aus und erschien

tatsächlich groß wie ein „Meer“.

83


Bilder stehen nicht zur Verfügung

Oben links und rechts: Auf den Bildern die ich durch die schützenden Eisengitter machen konnte

sieht man links im Hintergrund eine Stollenöffnung die wahrscheinlich zum Fin Garten führt. Rechts

fließt das Wasser unter einer Art Brücke durch und breitet sich dann nach allen Seiten aus. Davon

wird ein Teil in den Stollen links oben geleitet, der Rest -fließt durch das Becken das wir auf der

Vorseite sehen und in dem ich stehe um die Bilder zu machen.

Links unten:

Ein Rätsel war mir der Qanatstollen der links ins Becken mündete. Er war sehr großzügig gebaut, ich

konnte darin aufrecht gehen. Er führte kaum Wasser hatte aber, soweit wir gehen und sehen

konnten, nichts mit dem Wasser hinter den Gittern außerhalb des Durchlaufbeckens zu tun.

Vielleicht hatte er das Becken in alten Zeiten gefüllt, als die in der Nähe wohnenden Menschen noch

hierher zum Wasserholen kamen?

Ψ

84


Bild steht nicht zur Verfügung

Links: Auf der Vorseite unten sieht man diese Stollenöffnung, sie liegt direkt am Rand des

Wasserbeckens. Wir gingen ein Stück hinein, er war mannshoch. Im Stollen war das Wasser nicht tief,

aber in dem etwas tiefer liegenden Durchlaufbecken umso mehr. Rechts: Hinter mir links um die Ecke

liegt der Qanatstollen von der Vorseite (links unten). Wie man sieht, hatte ich mich von der Höhe des

Wasserspiegels im Becken täuschen lassen – die wasserdichten Überziehstiefel waren nicht lang

genug gewesen. Kaum war ich anfangs mit einem Bein hineingestiegen war der Stiefel auch schon

vollgelaufen… also brauchte ich das zweite Bein auch nicht zu schonen. Es war warm, die Sportschuhe

und Socken würden schon irgendwann wieder trocken werden.

So langsam komme ich zum Schluss dieses Berichts über „PersienWasserbau und paradiesische

Gärten“. Wir haben eine lange Zeitreise hinter uns, vielleicht sind die LeserInnen am Ende auch so

überrascht wie ich es anfangs war darüber, was die Zivilisation dem Alten Persien alles verdankt.

Es bleibt noch das letzte aber gar nicht unwichtige Element des persischen Wasserbaus: die Ab

Anbar: die Wasserspeicher oder Zisternen. Es gibt rechteckige oder runde Grundrisse bei den

Zisternen, sie laufen oben kegelförmig zu, der wichtige Teil, der Wasserspeicher selbst liegt in der

Erde. Die Wände eines Ab Anbars können bis zu 2m dick sein. Innen sind sie aus

Backsteinmauerwerk das mit einer ca. 3 cm dicken Schicht von wasserundurchlässigem Mörtel

verputzt ist. Alle Wasserspeicher haben Windtürme, wie viele ein Ab Anbar hat hängt von seiner

Größe ab: zwei oder vier je nach Größe ist normal – in Yazd konnte ich allerdings einen so großen

fotografieren der zur Lüftung und Kühlung sechs Windtürme hat.

Ψ

85


Vor der modernen Zeit mit Talsperren und fließendem Wasser (aber auch noch heute) gab

und gibt es mindestens einen Ab Anbar in jedem Dorf. In großen Städten wie Yazd, Isfahan

oder Teheran gab es ihrer viele die strategisch verteilt lagen. Alle waren an das jeweilige

Qanatsystem angeschlossen, heute sind sie es an unterirdische Wasserleitungen. Sie

haben Zugänge genauso wie die Wasserstellen der Qanate unter der Erde.

86


Bilder stehen nicht zur Verfügung

Oben: Einer der größten Ab Anbar steht in Yazd inmitten enger Gassen. Er ist so groß dass er sechs

Windtürme hat und kaum im Ganzen fotografiert werden kann. Zwischen ihnen sieht man die Spitze

des Speichers. Der Eingang ist der Größe angemessen, fast majestätisch. Unten: Ich hatte Glück, ich

konnte von der Terrasse eins der gegenüberliegenden Häuser den oberen Teil und die Windtürme

aufnehmen.

87


Am Ende meiner Wanderung durch den persischen Wasserbau und

Gärten bleibt ein lieblicher Duft …

Zum Iran gehört auch das meistbesungene Geschöpf der Pflanzenwelt das ohne Wasser nicht

gedeihen könnte – die Duftrose. Ursprünglich kommt das Wissen um die Herstellung von Rosenöl

ebenfalls aus Persien. Es ist überliefert dass Anfang des 9. Jh. im arabischen Bagdad aus der Provinz

Fars, die vor der arabischen Eroberung auch zu Persien gehörte, eine Lieferung von rund 30.000

Flaschen mit Rosenwasser ankam. In der klassischen persischen und arabischen Dichtkunst

bedienen sich Poeten der Rose für zahlreiche Vergleiche mit den Vorzügen der Angebeteten. Eine

Rose erblüht auf einer Jungfrau Wangen (wenn sie errötet), ihr lieblicher Atem verströmt Rosenduft

oder „… wie wunderschön war die Rose, als sich die Knospe zur Blüte öffnete…“ (wenn ein Mädchen

zur jungen Frau wird ...)

Rosenwasser und Rosenöl sind Irans schönstes Exportprodukte. In Qamsar, nur ca. 25 km von

meiner letzten Station Kaschan entfernt liegt das bedeutendste iranische Zentrum der Rosenkultur.

Rosenwasser- und -öl aus Qamsar sind berühmt. Die Rose die hier wächst wird Damaskus- oder

auch Mohammed-Rose genannt. Es heißt dass sogar die Kaaba, die heilige Stätte der Muslime in

Mekka, einmal im Jahr, kurz vor Beginn der jährlichen Pilgerreise zum heiligen Ort rundum mit

Rosenwasser aus Qamsar gewaschen wird.

Im Jahr 2017 war ich zu früh in Qamsar – die Rosenblüte hatte noch nicht begonnen. Ich hatte zwar

die Hoffnung gehegt, aber wurde enttäuscht. Ich nutzte die Zeit um mich schon einmal ausführlich

über die Herstellung beider Produkte zu informieren. In Qamsar scheint fast jeder der ein Stück

Land besitzt Rosen zu kultivieren. Viele Familien stellen selber Rosenwasser her, ganz wenige sogar

Rosenöl in ganz geringen Mengen. Denn für das Destillieren braucht man jedoch zum einen Platz

und zum anderen die entsprechende Ausrüstung. Einige benutzen noch den traditionellen,

kegelförmig zulaufenden Kupferkessel zum Sieden der Blütenblätter. Ganz gleich an welche Tür

man klopft, jeder hat Rosenwasser anzubieten, ob jetzt aus eigener Gewinnung oder nicht.

Der Prozess der Rosenölgewinnung ist anspruchsvoll, inzwischen ziehen es kleinere

Rosenfeldbesitzer vor die Blüten zu ernten und sie an einen größeren Betrieb zu verkaufen der

zusätzlich noch sehr beliebten Erfrischungsgetränke mit Rosenwasser vermischt herstellt oder

Süßigkeiten die etwas von dem duftenden Wasser enthalten. Das Destillieren von Rosenöl und die

Herstellung in größeren Mengen erfordert vor allem Platz und ist zunächst eine Investition. Dazu

muss man bedenken, dass die Zeit für das Pflücken der Blüten sehr begrenzt ist. Wenn man das Jahr

hindurch Rosenöl, Rosenwasser oder Ware mit Rosenwasserzusatz verkaufen will müssen Tonnen

von Blütenblättern gepflückt, evtl. dazugekauft und verarbeitet werden.

Durch einen glücklichen Zufall landete ich bei meiner ersten Reise in dem Familienbetrieb Behin

Golab Co. in Qamsar. Nur Vater und Sohn waren anwesend, zwei Drittel des Raums waren

Ladengeschäft, der Rest beherbergte alles was man zur Gewinnung von Rosenwasser oder Rosenöl

braucht. Zu meinem Entzücken sah ich dass ein Teil des Destillier-Inventars neben zwei enormen

und modernen Kesseln, auch die traditionellen Kupferkessel aufwies. Hier also werden in der

Hochsaison, ab ca. Mitte April und nur ein paar Wochen lang, die wertvollen Essenzen gewonnen

solange wie die Rosenblüte dauert. Von Mojteba, so hieß der Sohn, erfuhr ich alles was ich nur über

Rosen und die kostbaren Essenzen wissen wollte – er war ein wandelndes Nachschlagewerk im

Thema „Rosen“ und nicht nur was sein Heimatland Iran anbetraf. In der westlichen Welt ist Rosenöl

bei der Parfum- und Kosmetikherstellung nicht mehr wegzudenken.

88


Links: Bei meiner zweiten Reise 2018 kam ich

genau zur rechten Zeit für die Rosenblüte wieder

nach Qamsar – es war Mitte April. Der ganze Ort

war festlich geschmückt mit Fahnen und

Girlanden an und über den Straßen.

Es wird meistens mit vielen anderen Essenzen

und Düften gemischt und ist für altbekannte

traditionelle Parfums ebenso wie für neue Duft-

Kreationen unerlässlich. Inzwischen gibt es kaum

mehr Kosmetikprodukte oder Parfums die kein

Rosenöl, und sei es nur eine winzige Menge,

beinhalten.

Vor mehr als 1.000 Jahren wurden Rosenessenzen

auch als Heilmittel verwendet. Dem

Rosenöl wird auch ein, die Nerven beruhigender

Effekt, eine entzündungshemmende und sogar

bakterizide Wirkung nachgesagt. Im Iran, im

Orient und auch in der Türkei wird Rosenwasser

oder eine winzige Menge Rosenöl zum Kuchenbacken,

für Süßspeisen, Kekse, Schokoladenprodukte,

Bonbons oder allgemein für Süßigkeiten

verwendet. Im 17. Jahrhundert dehnte

sich die Duftrosenkultivierung von Persien nach

Indien, nach Nordafrika und in die Türkei aus. Anfang des 18. Jh. begann der Duftrosenanbau in

Europa. In Europa ist Bulgarien das Land das am meisten Rosenöl und –wasser liefert.

Das Öl ist eins der kostbarsten ätherischen Öle. Ein wichtiger Faktor ist dabei dass schon ein

winziger Tropfen jeder Mischung, sei es für eine Creme oder ein Parfum, einen besonderen Duft

verleiht. So kostete z. B. ein Liter echtes bulgarisches Rosenöl von der Damaskusrose im Jahr 2017

bis zu 10.000€ und ein Kilogramm türkisches, ca. 3.000€. Es mag seltsam klingen wenn ich in Bezug

auf Rosenöl von Kilogramm spreche – in Qamsar hatte ich im Jahr 2017 zu meinem großen

Erstaunen dass Rosenöl in kaltem Zustand verdickt und zu einer fast festen Masse wird. Ich konnte

es fast nicht glauben aber der Senior lud meinen Fahrer und mich in sein kleines Büro ein um es mir

zu demonstrieren; gegenüber der Tür standen ein massiver, schön gefertigter Schreibtisch davor

ein paar schon durchgesessene Ledersessel. Ein Ofen bullerte in einer Ecke, jemand brachte uns Tee

– es war gemütlich. Der Vater öffnete den Tresor hinter dem Schreibtisch und nahm ein winziges

Glasröhrchen mit Rosenöl heraus. Und tatsächlich es war eine feste Masse. Mojteba legte es einen

Moment lang auf einer Platte auf den Ofen und tatsächlich, nach ungefähr einer Minute wurde die

Masse zähflüssig und dann immer flüssiger.

Das zweite Mal, im Jahr 2018, war ich absichtlich etwas später in den Iran gereist, dieses Mal sollte

mir die Rosenblüte und die Verarbeitung der kostbaren Blättchen nicht entgehen. Ich sah es schon

als wir nach Qamsar hineinfuhren, der kleine Ort war in Feierstimmung, das Fest der Rosen hatte

begonnen. Es war Hochsaison für das Pflücken der Blüten und ihre Verarbeitung. Und im

Familienbetrieb meiner Bekannten Behin Golab herrschte Hochbetrieb.

Ψ

89


Als ich bei Behin Golab ankam waren alle Gerätschaften die ich im Jahr davor zur Gewinnung

von Rosenwasser und Rosenöl gesehen hatte, voll im Einsatz. Feuer loderten unter allen

Kesseln – unter den großen industriellen im Hintergrund wie auch unter den traditionellen

aus Kupfer.

Bild stehen nicht zur Verfügung

90


Bilder stehen nicht zur Verfügung

Gerade als wir gehen wollten kam ein alter Mann mit zwei Säcken voller Rosenblätter um sie zu

verkaufen. Bevor er ging griff er noch einmal in die Blüten – fast liebevoll ließ er sie noch einmal

durch seine Hände gleiten als wolle er sich von ihnen verabschieden

91


Es war spät geworden, auch wir verabschiedeten uns. Am nächsten Tag musste ich nach Teheran

und von dort zurück nach München fliegen. Der Juniorchef brachte uns noch zu einem Rosenfeld

damit ich die Pflücker bei der Arbeit sehen konnte. Wir parkten etwas weiter weg, und es ist kaum

zu glauben: noch etwa 20 m vom Rosenfeld entfernt duftete die ganze Luft nach Rosenblüten!

Es war ein unvergesslicher Abschied vom Iran! Mamnun Iran! Thank you Iran!

Bild steht nicht zur Verfügung

92


Das Ende einer Reise –Rückkehr nach al-Andalus

Bild steht nicht zur Verfügung

Die Palaststadt Alhambra in Granada, (Spanien). Rechts: ein Teil der Alcazaba, des militärischen

Verteidigungsbereich.

Es war eine lange Reise: vom maurischen al-Andalus über Marokko, Syrien, Jordanien und

Usbekistan mit einem Teil der Großen Seidenstraße. Mit diesem Kapitel – Persien ist meine

Reiseserie beendet. Für meine Fragen von Seite 4 hatte ich Antworten gefunden.

Ab dem Jahr 711 eroberten die syrischen Omaijaden Nordafrika und den größten Teil der

spanischen Halbinsel. Das Heer war vielfältiger Herkunft: Syrer, Berber, Ägypter. Nur wenige kleine,

christliche Königreiche im Norden Spaniens blieben davon unberührt. In der Mitte des 11.

Jahrhunderts begannen spanische Könige mit der christlichen Eroberung von al-Andalus –sie zog

sich über 4,5 Jahrhunderte hin. Sie konnte am 02. Januar 1492 mit der Kapitulation des letzten

hispano-arabischen Reichs Granada abgeschlossen werden.

Die Mauren brachten das Wissen um Wasser- und Gartenbau nach Spanien. Wenn sich auch Vieles,

ja, fast alles in den nachfolgenden Jahrhunderten änderte und es seit der zweiten Hälfte des 17. Jh.

keine Muslime mehr auf der Iberischen Halbinsel gab blieb eine bedeutendes Hinterlassenschaft

erhalten: der Wasserbau, die Wasser- und Gartenkultur und das Wassergericht, die älteste

Institution Europas.

Nirgendwo in Europa ist das jahrtausendealte Erbe der einst persischen und in Folge, arabischen

Wasserkultur so greifbar nah wie in der andalusischen Stadt Granada und ihrem Umland: von der

Stadtgründung im 11. Jh. durch einen Berberfürsten auf dem ältesten Stadtteil dem Hügel

Albaicín 81 , bis zu den letzten Zeugen der hispano-arabischen Zeit: den Maurenpalästen der

Alhambra auf dem Hügel Sabikah. Anfang Januar 1492 übergab Boabdil, der letzte Maurenkönig,

Granada an die christlichen Könige Isabella I. von Kastilien und Ferdinand II. von Aragón.

81 Das Foto ist von dort aufgenommen

93


Oben: Der dichtbesiedelte Albaicín ist das älteste Stadtviertel von Granada. Die Stadt wurde

1012/1013 von einem Berberfürsten aus dem Stamm der Ziriden gegründet. Unten: Drei

wichtige Wasserlieferanten für das alte Granada. Alle drei liegen an den Nordausläufern vom

Gebirge Sierra Nevada. Die wichtigsten für die Versorgung des Albaicín und später der

Alhambra waren: die Fuente Grande, die „Große Quelle“ in Alfacar, die von den Mauren

Aynadamar „Auge der Tränen“ genannt wurde und der Fluss Darro.

Bild steht nicht zur Verfügung

94


Was die Stadtgründung Granadas anbelangt schauen wir zunächst einmal rund 1000 Jahre zurück:

Als Zawi ibn Ziri, der hochrangige Anführer einer muslimisch-berberischen Truppe mit seinen

Kriegern in der Gegend um das heutige Granada 1012/1013 82 ankam beschloss er auf dem Hügel

Albaicín eine Stadt zu gründen. Im Umland war viel Wasser vorhanden und die Lage war ideal für

die Verteidigung. Die Neuankömmlinge fanden auch hier wie fast überall auf der Iberischen

Halbinsel ein inzwischen zwar heruntergekommenes, doch auf- und ausbaufähiges römisches Erbe

vor. Vorhandene hydraulische Systeme wurden ausgebessert, mit dem Wissen um sinnvolle

Wassernutzung verbessert oder ganz neu geplant. Alle nur erdenklichen Techniken zur

Wasserförderung von Wasserrädern bis zur archimedischen Schraube 83 –der Anwendung des

Prinzips einer Kurbelwelle –gehörten zum Wasserbau und damals wie heute war die spanische Erde

außerordentlich fruchtbar, nur gab es zu jener Zeit noch Wasser im Überfluss.

Es gab zwei Hauptlieferanten für die Wasserversorgung im mittelalterlichen Granada, beide liegen

an den Nordausläufern vom Gebirge Sierra Nevada: die Fuente Grande, die „Große Quelle“ in

Alfacar, die von den Mauren Aynadamar „Auge der Tränen“ genannt wurde und der Fluss Darro.

Anfangs kam das kostbare Nass von der Großen Quelle über eine offene, zum großen Teil über der

Erde verlaufende, gemauerte Wasserrinne, eine acequia 84 . Am höchsten Punkt des Albaicín kam sie

in der königliche Burgfeste an. Innerhalb ihrer Mauern befand sich der Aljibe del Rey, die „Zisterne

des Königs“, mit einem öffentlichen Brunnenzugang. Sie nährte auch alle Brunnen im Stadtviertel

die nach und nach stufenweise hügelabwärts angelegt wurden. Auch die Wasserverkäufer füllten

ihre Vorräte hier auf bevor sie, laut rufend, durch die Gassen gingen. Es gab immer Einwohner die

nicht bis zum nächsten öffentlichen Brunnen laufen konnten oder wollten.

Seit ein paar Jahren kann man die Zisterne des Königs auch besichtigen – es gibt eine

ausgezeichnete Führung zum Thema Wasser in Granada 85 – Gruppen müssen sich anmelden,

Einzelpersonen sollten um 12:00 86 am Eingang sein. Wer möchte kann am Ende der Führung auch in

die alte Zisterne hinabsteigen. Auch der Besuch der Fuente Grande in Alfacar und eines Teils der

erhaltenen und zu einem Teil noch wasserführenden acequia lohnt sich. Wer durch den Albaicín

wandert stößt immer wieder auf strategisch angelegte Brunnen; es ist offensichtlich dass alle

Einwohner des Albaicín Zugang zum Wasser bekamen. Im Gegensatz zu vielen persischen

öffentlichen Wasserstellen die oft tief unter der Erde lagen, brauchten die Einwohner des Albaicín

keine Treppen steigen 87 , die Brunnenöffnungen waren von den Gassen aus erreichbar; man zog das

Wasser aus den in den Berg gegrabenen Zisternen mit Eimern an Seilrollen hoch. Ganz unten am

Albaicín lagen öffentliche Bäder und Handwerksbetriebe. Sie bekamen das nötige Wasser über ein

Stauwehr außerhalb von Granada und eine Abzweigung vom Fluss Darro der ebenfalls von der

Nordseite der Sierra Nevada kommt. Diese Abzweigung verläuft heute weiter parallel zum Unteren

Albaicín. Die Brunnen und ihre in den Hügel Albaicín gegrabenen Zisternen erfüllten ihren Dienst bis

in die Hälfte des 20. Jh. – heute sind sie historische Zeitzeugen.

82 Die tatsächliche Stadtgründung von Granada wurde bisher nicht eindeutig bestimmt

83 Die archimedische Schraube ist eine mechanische Wasserhebeanlage. Sie reicht in die Antike zurück und wird Archimedes von

Syrakus (*ca. 287 v. Chr.in Syrakus-† 212 v. Chr.ebd) zugeschrieben. Er war ein griechischer Mathematiker, Physiker und Ingenieur

und gilt als einer der bedeutendsten Mathematiker der Antike. https://de.wikipedia.org/wiki/Archimedische_Schraube

84 Der Bedeutung nach eine Wasserleitung, eine Wasserführung wie ein Qanat. Sie legte einen großen Teil des Wegs

über der Erde zurück.

85 Der Besitz wird heute von der Stiftung Fundación Agua Granada Aljibe del Rey verwaltet. Adresse: Plaza Cristo de las

Azucenas, s/n, Albaicín, Granada

86 Stand Oktober 2018

87 Bis auf einen Brunnen: San Cristobal, ebenfalls ganz oben am Albaicín

95


Bild steht nicht zur Verfügung

Oben: Fuente Grande, die Große Quelle bei Alfacar. Unten: die acequia, die Wasserführung die von

der Großen Quelle, vorwiegend über Land, bis zur Zisterne des Königs auf den Albaicín in Granada

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ging. Heute ist nur noch ein Teil in Betrieb.

Die hispano-arabische Wasserkultur brachte eine bedeutende Neuerung mit sich: Mit den

Einwanderern aus dem Orient und Nordafrika bekam das Wasser zum ersten Mal eine tiefere

Bedeutung. Die Wüstensöhne sahen es als Gottesgeschenk das zwischen allen gerecht verteilt

werden sollte. Die Gesellschaft hatte ein Recht darauf. Der Gebrauch wurde reguliert und sorgfältig

verwaltet. Es war die Geburtsstunde des europäischen Wassermanagements fast könnte man sagen

einer Art Wasserdemokratie. Archäologische Studien des mittelalterlichen Granada zeigen alle

damals üblichen Möglichkeiten der Wassernutzung auf:

Für den religiösen Gebrauch:

Reinigung vor dem Gebet: Zisternen, Brunnen und irdene Behälter (Tonkrüge), Waschungen vor

dem gemeinschaftlichen Gebet in den Moscheen: Hof mit Brunnen für die Waschungen, Zisternen

und sprudelnde Brunnenrohre.

Für die Öffentlichkeit:

Städtische und private Versorgung: Rohre aus Ton, Hauptverteiler, Brunnen und Zisternen,

Tonkrüge, öffentliche Wasserstellen. Öffentliche und private Bäder: Badehäuser, Handbecken mit

Wasserkrügen, Lehmkübel und Badewannen. Für die Hygiene oder zu medizinischen Zwecken:

Thermal- oder medizinische Mineralbäder.

Für die Landwirtschaft

Bewässerungsleitungen, unterirdische Wasserführung, Rohre und Verteiler. Hydraulische Systeme:

Wasserbecken, -stollen, Wasser- und Schöpfräder, Stauschleusen und Ableitungen.

Für das Handwerk:

Verwendung des Wassers als Triebkraft: Getreide- und Ölmühlen, Gerbereien, Webereien.

Drehscheiben und Drehwellen und -spindeln für die Seidenherstellung; in Schreinereien, Gießereien

und Töpfereien.

Zur Erbauung und Zierde:

In Gärten, Palästen, großen Anwesen und Sommerresidenzen: Wasserbecken, Zierbrunnen,

Springbrunnen, künstliche Wasserfälle, Wassertreppen, Wasservorhänge.

Der österreichische Reisende Hieronymus Münzer kam auf seiner Andalusienreise im Jahr 1494

durch Granada. Er zeigte sich erstaunt über die Fortschrittlichkeit der sanitären Einrichtungen und

schrieb in sein Reisetagebuch:

Die Häuser der Sarrazenen 88 sind zumeist so klein, mit winzigen Zimmern, außen schmutzig, innen

sauber, dass man es kaum glauben kann. Fast alle haben Wasserleitungen und Brunnen. Der

Wasserrohre und -leitungen gibt es zwei: einmal für Trinkwasser, und dann um den Unrat hinweg zu

schaffen. Die Sarrazenen verstehen viel davon. In allen Straßen gibt es Kanäle für schmutziges

Wasser, sodass auch die Einwohner, deren Häuser aufgrund ihrer Lage für Leitungen schwer

erreichbar sind, des Nachts ihren Unrat in diesen Kanälen entsorgen können. Es gibt nicht viele

Sickergruben aber trotzdem sind die Menschen äußerst sauber“ 89 .

Münzer schätzte damals die Einwohnerzahl des Albaicín auf ca. 30.000 Einwohner.

Ψ

88 Oft ein geläufiger Ausdruck für die Hispano-Araber

89 Aus: Reise durch Spanien und Portugal, Hieronymus Münzer (* 1437 oder 1447 bis 27. 08.150 in Nürnberg) war ein

Humanist, Arzt und Geograph in Nürnberg.

97


Oben links: Der Aljibe del Rey: ehemaliger öffentlicher Zugang zum Wasserholen. Oben rechts: privater,

nicht öffentlicher Bereich. Unten: In der Zisterne.

Bild steht nicht zur Verfügung

Die mittelalterliche Palastburg aus dem XI. Jh. ist im Lauf der Jahrhunderte einem Carmen gewichen,

einem großzügigen Landsitz wie es viele auf dem Albaicín gibt – dieser ist der größte von allen. Der

etwas tiefer liegende Garten hat zusätzlich ein rundes Wasserbecken und einen Springbrunnen.

Inzwischen sind hier die Büros der Stiftung „Fundación Agua Granada Aljibe del Rey“ (Wasser Granada

Zisterne des Königs).

Während in Cordoba oder in Sevilla die Hauseingänge tagsüber geöffnet sind und jeder Passant die

patios, die Innenhöfe, durch eine schmiedeeiserne Gittertür sehen und bewun-dern kann, ist die

orientalische Tradition wie in allen islamischen Ländern üblich in Granada erhalten geblieben: jedes Haus

auf dem Albaicín ist rundum mit hohen Mauern geschützt. Kein Blick von außen kann in den privaten

Bereich fallen.

98


Der Brunnen des Königs war auch als Alter Brunnen oder Großer Brunnen der Burgfeste bekannt.

Die Decke des Wasserspeichers besteht aus 4 Tonnengewölben. Er hat eine Höhe von 3,82 m und

ist 10,63m lang; die mittlere Breite eines jeden Gewölbes beträgt 2,40 m. Gesamtbreite: 11,37m.

Damit war er der größte Wasserspeicher in Granada mit einem Fassungsvermögen von mehr als

300m3. Die Brunnenöffnung ist heute in die Mauer des Carmen der Stiftung Fundación Agua

Granada Aljibe del Rey integriert, die Fassade wurde 1985 renoviert. Im 11. Jh. lag der Brunnen

innerhalb der starken Mauern der Palastburg der Ziriden. Hier lag auch das Schatzhaus, die Münze –

la Casa del Tesoro.

Im 18. Jh. wurden am Haus eines granadinischen Domkapitulars Arbeiten durchgeführt. Durch

Zufall stießen die Maurer auf einen unterirdischen Gang aus der Maurenzeit in dem auch

Fundstücke aus der Römerzeit entdeckt wurden. Die Neugier war geweckt und alle möglichen

Grundstücke wurden umgegraben. 1754 wurden nach wichtigen Funden die Ausgrabungen beendet

und alle Baugruben geschlossen. Damals entbrannte ein heftiger Streit um maurische Schätze die

möglicherweise am Ende des Geheimgangs in den Gewölben unter dem alten Königspalasts

versteckt lagen. Alles endete mit einem öffentlichen Skandal und einem Gerichtsprozess. Aber noch

100 Jahre danach war die Meinung im Volk verbreitet dass die Mauren in dem Berg unermessliche

Reichtümer vergraben hatten. Tatsache ist dass die Ausgrabungen des Domkapitulars kein Gold und

keine Edelsteine zu Tage förderten wohl aber bedeutende archäologische Erkenntnisse. Die

Legende hielt sich jedoch hartnäckig und ist in den Erzählungen von der Alhambra verewigt 90 .

Später, während der Bauzeiten der Alhambra im 13. Jh. auf dem Hügel Sabikah wurde weit vor den

Toren Granadas am Fluss Darro ein Stauwehr eingerichtet. Von dort führte die Acequia Real 91 zu

einem komplexen hydraulischen System das heute weiter existiert – wenn auch modernisiert: das

Wasser kam oberhalb des Generalife an. Der Generalife ist eine zierliche, palastähnliche

Sommerresidenz der Könige der Nasriden auf einem nahen benachbarten Hügel neben der

Alhambra. Das Wasser füllte zunächst mehrere Speicherbecken für die landwirtschaftlichen Flächen

oberhalb des Generalife, floss durch ein längliches Wasserbecken im Innenhof des kleinen Palasts,

durchlief dann weitläufige Gärten um durch ein Aquädukt über einem Geländeeinschnitt zwischen

dem Generalife und den Maurenpalästen die Palaststadt zu erreichen. Heute ist diese

Wasserführung auch Fußgängerbrücke von der Alhambra zum Generalife und den großen Gärten.

Über Land, außerhalb von Granada aber auch innerhalb des Geländes der Nasridenpaläste wurde

wegen der hügeligen, zum Teil auch felsigen Landschaft oft auf die Qanattechnik zurückgegriffen.

Die Stollen sind noch vorhanden. Aus der Zeit der Nasriden ist oberhalb des Generalife auch noch

ein großes Speicherbecken und ein tiefer Brunnen erhalten. Von dem alten Stauwehr des Darro

außerhalb von Granada sind keine Überreste mehr vorhanden.

Im Lauf der Geschichte wurde die Wasserverteilung zunehmend durch Vorschriften und Gesetze

geregelt. Das Wasser in der Nacht gehörte immer den öffentlichen Brunnen und den Häusern. Das

Wasser am Tag gehörte der Landwirtschaft, ausgenommen am Montagvormittag, an Donnerstagen

und Freitagen. Das Wasser an öffentlichen Brunnen war umsonst und konnte von jedem der einen

Krug voll benötigte mit Eimern hochgezogen werden. Wer die Dienste von Wasserverkäufern in

Anspruch nahm zahlte einen amtlich festgeschriebenen aber erschwinglichen Preis für jede

Maßeinheit die in einem geeichten Messkrug bestand.

90 Autor: der amerikanische Andalusienreisende Washington Irving (19. Jh.). Es ist weltweit das meistverkaufte Buch über

Andalusien, Granada und die Alhambra und wurde in alle nur erdenklichen Sprachen übersetzt. Auch heute ist es noch ein Bestseller.

91 Die Königliche Wasserleitung. Ein, zu einem großen Teil über der Erde verlaufender Qanat

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Bild stehen nicht zur Verfügung

Oben: Das große Speicherbecken mit Ablauf zu einem tiefen Brunnen datiert aus der Nasridenzeit. Es

liegt oberhalb des Generalife. Unten: links unten ein Speicherbecken aus der Neuzeit. Auch das

hydraulische System der Alhambra bedient sich inzwischen technischer Hilfsmittel für den

Wasserkreislauf in Gärten, Brunnenbecken und Palästen. Die Landwirtschaft ist auch nicht mehr auf

die mittelalterliche Regulierung der Wasserversorgung angewiesen.

Bild steht nicht zur Verfügung

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Wer einen höheren Preis als den festgeschriebenen verlangte musste eine empfindliche Strafe

zahlen, kam 10 Tage ins Gefängnis und sein Messkrug wurde zerbrochen. Die Strafzahlung wurde

wie folgt aufgeteilt: Je ein Drittel erhielten der Geschädigte, die Stadtkasse und der Richter, der den

Betrüger verurteilt hatte. Das Auffüllen großer Wasservorräte in Häusern mit Gärten war ebenfalls

den Wasserverkäufern vorbehalten.

Für die Einhaltung aller Regeln und zur Schlichtung von strittigen Fragen gab es die Tribunales de

Agua, die Wassergerichte und die Ämter derer die für die Einhaltung der Vorschriften sorgten. Die

Vorschriften stammten zum Teil noch aus den Zeiten der Assyrer (2000 BC) und dem Antiken

Persischen Imperium. Auch die Römer die seit der Antike in der Zeit des Oströmischen Imperiums

mit der Kultur dieser Völker in Berührung gekommen waren hatten sie schon teilweise

übernommen.

Das erste Wassergericht wurde ca. im Jahr 960 von Kalif Abd al-Rahman III. in Cordoba eingerichtet.

Das heutige Wassergericht von Valencia ist ein Relikt aus der Vergangenheit das sich über 1000

Jahre bis in unsere Zeit gehalten hat. Es gilt als die älteste Institution Europas. Die Richter sind

ehrenamtlich und treten immer noch regelmäßig zusammen – damals wie heute ist ihr einziges

Bestreben ...“Gerechtigkeit in der Wasserverteilung für die Landwirtschaft, dass somit Friede unter

den Bauern herrsche ...“ Vom Wassergericht im muslimischen Granada fehlen präzise überlieferte

Texte zu dem Thema. Aber die neue christliche Stadtverwaltung übernahm die Institution eins zu

eins nach der Eroberung von Granada im Jahr 1492. Mit einem Dekret vom 2. Oktober 1501 wurde

das maurische Erbe amtlich. Aus dieser Zeit weiß man z. B. auch wie die Wasserversorgung über die

Leitung von Aynadamar funktionierte.

Alle Amtsinhaber der Wassergerichte waren selber Landwirte: es gab einen obersten Verwalter für

Wasserver-und –entsorgung, auch für die Landwirtschaft. Dieser ernannte für ein Jahr zwei

Bewässerungskanalbeamte als direkte Adjudanten sowie mehrere Bewässerungskanalaufseher

sowie Brunnen- und Zisternenmeister. Ihre wichtigsten Aufgaben waren die landwirtschaftliche

Bewässerung, die Anwendung neuer Verfahren, die Verhütung von Missbrauch und Vergeudung

und die Verhütung und Behebung von Verschmutzungen. Das Modell der Wassergerichte wurde

später auch im Ausland übernommen: in Südamerika und in Indien wo die Engländer das gleiche

Verfahren im 19. Jahrhundert bei der Bewässerung der Felder anwandten.

Den Hispano-Arabern lag nicht nur die Wasserversorgung der Bevölkerung am Herzen, auch die

Hygiene und die damit verbundene Entsorgung der Abwässer. Seit dem 10. Jahrhundert gab es sie -

ebenfalls unterirdisch- in großen Städten. In der Ausgrabungsstätte der Palaststadt Medina

Azahara 92 von Kalif Abd al-Rahman III., der einst glanzvollsten Stadt in al-Andalus, sind Toiletten

und entsprechende unterirdische Wasserführungen zu sehen.

Wenn auch inzwischen Wasserversorgung und -management in und um die Maurenpaläste der

Alhambra und die Gärten und landwirtschaftlichen Anlage über und um den Palastpavillon

Generalife durch moderne Hilfsmittel unterstützt wird, ist die Verwaltung der Maurenpaläste 93

bemüht und auch darin erfolgreich alte Traditionen auch landwirtschaftlicher Art nachzuempfinden

und so weit wie möglich wiederzubeleben, wie die Pflanzung von Olivenbäumen für die eigene

Ölproduktion oder das Anpflanzen bestimmter Blumenarten ist. Zum Thema Gärten und

Landwirtschaft liegen ausführliche Überlieferungen aus der Zeit der Könige der Nasridendynastie

vor. Darin gibt es präzise schriftliche Anweisungen auch für das Anlegen von Gärten, ja sogar

welche Pflanzen oder Bäume darin stehen sollen. Dasselbe gilt für den landwirtschaftlichen Betrieb.

92 Die Ausgrabungsstätte liegt nur acht Kilometer westlich von Cordoba und gehört seit dem Jahr 2018 zum UNESCO

Weltkulturerbe.

93 Patronato de la Alhambra y Generalife

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Bild steht nicht zur Verfügung

Bild: © Javier Rodriguez Jimenez

Los Jardines del Partal, die Gärten des Partal: Sie liegen direkt am Palastbereich der Alhambra; vor

der Kapitulation Granadas waren sie stufenförmig auch um die Paläste herum angelegt.

Wenn auch die maurische Architektur auf den ersten Blick wenig mit der persischen gemein hat

werden beim Durchstreifen der Palastanlage unweigerlich Erinnerungen an die historischen Gärten

im Iran wach: beim Anblick des großzügigen Wasserbeckens im Myrtenhof mit immergrünen

Seitenstreifen ohne jeden Blumenschmuck (s. S. 103) oder beim Betrachten des Garten des Partal.

Er ist ein Beispiel par excellence für einen klassischen persischen Garten: klare Linienführung, ein

kleiner Palastpavillon, Wasserbecken, Bäume, Grün und kaum Blumen.

Das Wasser ist ohne jeden Zweifel ein Hauptakteur in der gesamten Palastanlage. Es fügt sich wie

ein Teil der Architektur in das Gesamtbild ein, ist ständig und überall zugegen. Das kaum hörbare

aber ununterbrochene Flüstern der vielen Brunnen, die Ruhe der Wasserbecken und das Murmeln

von Wasserläufen die allgegenwärtig scheinen und einen selbst noch beim Hinuntergehen in die

Stadt durch den Alhambrawald fröhlich begleiten, vermitteln überall und jederzeit ein Gefühl von

Frische und Entspannung. Wie erfolgreich die Verwaltung dieses Kulturerbes war und ist zeigte im

Jahr 2016 eine gezielte Studie die die Universität Granada in Zusammenarbeit mit internationalen

Wissenschaftlern durchführte. Die von der traditionellen orientalischen Architektur bereits

bekannten positiven Auswirkungen einer Verbindung von Wohnbereichen mit Wasserbecken,

Wasserspielen, Gärten und Bäumen ergab im Fall der Alhambra dass jeder Bereich der gesamten

Anlage im Zusammenspiel mit dem Alhambrawald trotz seiner direkten Nähe zur Stadt ein eigenes

Mikroklima entwickelt hat und dass sie, der Aussage des wissenschaftlichen Projektleiters der

Universität von Granada nach „verglichen mit den Bautechniken und den modernsten Materialien

der heutigen Zeit eine höhere Energieeffizienz aufweist als die von vielen Bauwerken des 21.

Jahrhunderts“.

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Bild steht nicht zur Verfügung

Bild: © Javier Rodriguez Jimenez

Oben: Die Sommerresidenz der Nasridenkönige, der Generalife. Blick auf den Innenhof mit

Wasserbecken, Grünpflanzen und Blumenbeeten. Unten: Der zierliche Palastpavillon träumt des

nachts vielleicht noch von glanzvollen Zeiten, als die Herrscher hier Entspannung vom Tagesgeschäft

suchten und Ruhe fanden umgeben von liebevoll verzierter Architektur, von Blumen und

immergrünen Pflanzen und Tag und Nacht dem beruhigenden Gesang des Wassers lauschend.

Bild steht nicht zur Verfügung

Bild: © Javier Rodriguez Jimenez

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Oben: Die Alhambra vom Albaicín aus gesehen. Vorn im Bild und Bildmitte: ein Teil vom Unteren

Albaicín. Am linken Hügel: das kleine weiße Bauwerk das sich von Bäumen umringt an die

Hügelflanke schmiegt ist der Generalife, eine kleine palastartige Sommerresidenz der Könige der

Alhambra. Wenn der Sonnenuntergang den Mauern und Palästen ein warmes Leuchten/Schimmern

verleiht und wenig später die Nachtbeleuchtung angeht, scheint es fast als durchlaufe ihre Mauern

ein pulsierender Atem, als erwache sie wieder, ihrer ewigen Schönheit gewiss, für ein paar Stunden

zum Leben. Unten: Blick vom Barkensaal Sala de la Barca auf das große Wasserbecken im

Myrtenhof.

Bild steht nicht zur Verfügung

Bild: © Javier Rodriguez Jimenez

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Sehnsucht nach al-Andalus

In der Mitte des 19. Jahrhunderts erschienen

die Erzählungen von der Alhambra des

amerikanischen Schriftstellers Washington

Irving 94 und setzten der Maurenzeit in

Spanien ein Denkmal. Die Welt entdeckte al-

Andalus aufs Neue – der Okzident mit

romantischer Begeisterung und der Orient mit

verklärender, wehmütiger Nostalgie – wie sie

aus dieser Elegie auf al-Andalus von dem

syrischen Poeten Nizar Qabbani auf das

hispano-arabische Spanien herausklingt:

Bild steht nicht zur Verfügung

„Ich habe immer die Farbe Grün gewählt,

um die arabische Zeit in Cordoba zu beschreiben.

Als die Araber nach Andalusien kamen,

lebten sie nur durch das Grün.

Ihre Lyrik, ihre Prosa, ihre Gedanken

und ihre Seele waren so.

Die Eroberer – alle Eroberer –

haben Schwerter gesät,

wohin sie auch kamen.

Die arabische Eroberung aber

war die erste, die Palmen, Orangenbäume,

Jasmine und Springbrunnen brachte.

Diese kordobesischen Häuser,

schläfrig auf ihrem Lager

aus Veilchen und Myrte ruhend,

mit ihren Mosaiken und Verzierungen aus Alabaster,

verstecken sich in engen, gewundenen Gässchen

wie kleine Paradiese – in ihrer Stille ungestört.

Diese Brunnen, die Tag und Nacht

in den patios eurer bezaubernden

Häuschen singen, wovon erzählen sie?

Als Dichter kann ich es euch sagen:

Sie erzählen davon, dass die Araber

nicht als Eroberer nach Cordoba kamen,

sondern als Liebende.

Und so ist es das erste Mal in der Geschichte,

dass aus einer Eroberung Liebe wurde

und aus dem Schwert eine Rose ...

Die Araber gaben Andalusien das Beste ihrer Kultur,

und Andalusien nahm Einfluss auf ihre Seele.

Die Hände der Araber

wurden zu sensiblen Instrumenten,

ihre Gedanken öffneten sich,

und ihre Sprache wurde sanft.

Das grüne Andalusien verlieh der arabischen Poesie

Fantasie und Schönheit,

umhüllte sie mit süßen Düften

und seidenen Gewändern;

der trockene Wüstenstaub, die glühende Sonne,

fanden wohltuenden Schatten.

Auf der andalusischen Erde

wurde aus dem arabischen Traum eine Serenade,

wie für den Vogel der Nacht bestimmt,

der sich von Note zu Note

in eine Freiheit ohne Grenzen schwingt.“

(Nizar Qabbani, Damaskus, 20. Jh 95 )

94 Erschienen 1832 in englischer Sprache, fast zeitgleich

folgte die deutsche Übersetzung. Washington Irving

(geb. 1783 in New York, gest. 1859 in Sunnyside,

Tarrytown) war ein amerikanischer Schriftsteller und

stand zeitweise im diplomatischen Dienst der

amerikanischen Botschaft in Madrid.

95 aus Ich pflückte die Rose … © Übersetzung:

Isabel Blanco del Piñal, Verlag RoseNoire, S. 122, 124.

Syrischer Dichter und Diplomat geb. 21. März 1923 in

Damaskus; gest. 30. April 1998 in London

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GESCHICHTE, GESCHICHTEN und GEDICHTE aus der SPANISCHEN

MAURENZEIT … und mehr …

Isabel Blanco del Piñal

In ihren Büchern geht die Autorein die

Geschichte von al-Andalus -dem maurischen

Spanien- nicht wissenschaftlich an, sie ist eine

leidenschaftliche Erzählerin und folgt dem

Schreibstil arabischer Chronisten aus der Zeit

der klassischen islamischen Literatur:

Geschichtliche Ereignisse und Entwicklungen

wurden mit Gedichten, mit Palastgeflüster,

amüsanten Anekdoten, und romantischen oder

tragischen Geschichten aus dem Leben von

Kalifen und Königen, von Wesiren, Poeten,

heiligen Männern und mehr oder weniger

berühmten Frauen ihrer Zeit ausgeschmückt.

Damit waren die arabischen Chronisten nicht

nur Geschichtsschreiber, ihre jahrhundertealten

Werke liefern gleich-zeitig ein Gesellschaftsbild,

sie geben den Zeitgeist der jeweiligen Epoche

wieder. In den vielen Jahrhunderten

muslimischer Herrschaft in Spanien hatte es

Blütezeiten der Wissenschaften gegeben, die

auch das Abendland befruchteten, Zeiten des friedlichen Zusammenlebens der drei Religionen aber

auch Epochen ausufernder Dekadenz.

Es war eine Ehre dass Frau Dr. Dr. h.c. mult. Annemarie Schimmel das Vorwort zur 3. Auflage von

Isabel Blancos Ersterscheinung „GESCHICHTEN aus AL-ANDALUS“, schrieb. Die

stimmungsvollen Lesungen, und die fachkundigen, lebendigen Vorträge der Autorin sind beliebt.

Auf ihrer Webseite finden Sie Leseproben und/oder Inhaltsverzeichnisse der verschiedenen Bücher

und Rezensionen. Isabel Blanco del Piñal ist für Sie da, gern beantwortet sie weiterführende Fragen

per Telefon oder per Email.

Verlag RoseNoire Gisela Fischer, 2008

81827 München / Germany – Tel. +49(89) 439 53 21 – Fax +49(89) 439 75 89

Email : rosenoiregf@gmail.com alle Bücher und Veröffentlichungen auf der Webseite:

https://www.rosenoire.de

Inhaltsbeschreibungen der Bücher und alle digitalen Veröffentlichungen kostenlos lesen:

https://www.yumpu.com/user/rosenoiregf

Facebook: https://www.facebook.com/isabel.blancodelpinal

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