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AUSGABE 10 OKTOBER 2018<br />
SOLAR-<br />
KÖNIG<br />
Markus Affentranger<br />
Der Bauunternehmer erzählt,<br />
wie seine Firma in Altbüron<br />
Sonnenenergie nutzt.<br />
ÖKO-DÜNEN<br />
So könnte die<br />
Sahara den Klimawandel<br />
stoppen.<br />
«STURMHOLZ»<br />
1999 richtete Orkan<br />
Lothar immense<br />
Schäden an.<br />
KORYPHÄE<br />
Unihockey-Ass<br />
Matthias Hofbauer<br />
im Interview.
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EDITORIAL / INHALT<br />
Liebe Leserin,<br />
lieber Leser<br />
Etwas mehr als elfeinhalb Tage dauert es,<br />
bis eine Million Sekunden zusammenkommen.<br />
Bei einer Milliarde Sekunden<br />
sind es etwas mehr als 31,5 Jahre. Und<br />
gut 31 500 Jahre müssen wir warten, bis<br />
sich eine Billion Sekunden aneinanderreihen.<br />
Die Steinzeit begann vor ca. 2,6<br />
Millionen Jahren und endete etwa vor<br />
4000 Jahren. Wenn wir also eine Billion<br />
Sekunden zurückrechnen, befinden wir<br />
uns in der tiefsten Steinzeit.<br />
Warum erwähne ich das? Unser Wissens-<br />
Artikel handelt unter anderem davon,<br />
dass eine Billion Bäume in der Sahara<br />
unser Klimaproblem lösen könnten. Eine<br />
Billion ist eine unvorstellbar grosse Zahl.<br />
Diese kleine Zeitrechnung soll helfen, diese<br />
Zahl einigermassen in eine Relation zu<br />
bringen. Es ist hochinteressant, was Forscher<br />
bezüglich der Sahara und der Lösung<br />
der grössten Probleme der Menschheit<br />
herausgefunden haben. Doch das ist<br />
– zumindest vorerst noch – Theorie!<br />
Wir lesen in dieser Ausgabe auch von<br />
Markus Affentranger aus Altbüron. Der<br />
1000-Seelenort aus dem Luzerner Hinterland<br />
gilt als Sonnendorf, und Markus<br />
Affentranger hat damit ziemlich viel zu<br />
tun. Was der Bauunternehmer in Sachen<br />
Solarenergie unternimmt, zeigt uns<br />
ebenfalls einen Ausweg. Und dieser ist<br />
deutlich näher an der Praxis als eine Billion<br />
Bäume in der Sahara. Oder korrekt<br />
ausgedrückt: Markus Affentranger und<br />
Altbüron zeigen uns die Praxis.<br />
Viel Spass beim Lesen<br />
Ihr Bruno Wüthrich<br />
IMPRESSUM<br />
Herausgeber: s’Positive AG,<br />
St. Urbanstrasse 31, 4914 Roggwil<br />
062 929 24 25, info@spositive.ch<br />
Redaktion: Bruno Wüthrich,<br />
Klaus Zaugg<br />
Geschäftsleitung:<br />
Sebastian Wüthrich<br />
Layout: tnt-graphics AG,<br />
www.tnt-graphics.ch<br />
Auflage: 75 000 Exemplare<br />
Erscheinung: monatlich<br />
Druck: Swissprinters AG,<br />
4800 Zofingen<br />
Versand: Die Post<br />
18<br />
4<br />
04 STROM-VORREITER<br />
In seinem Bauunternehmen<br />
setzt Markus Affentranger<br />
auf Solarenergie – sowohl<br />
bei den Anlagen, als auch<br />
im Fuhrpark. Eine Pionierleistung,<br />
die rentiert.<br />
12 ENERGIEWÜSTE<br />
Windräder, Sonnenenergie,<br />
Eukalyptuswälder: Im<br />
Kampf gegen den Klimawandel<br />
bietet die Sahara<br />
unerschöpfliches Potenzial.<br />
17 WUSSTEN SIE SCHON<br />
Von Ameisen im Bereitschaftsdienst,<br />
dem Zeitgeist<br />
im Mittelalter und Geschmacksverstärkern<br />
in<br />
Fertiggerichten.<br />
32<br />
20 STURM-RODUNG<br />
Ende 1999 fegt der Orkan<br />
«Lothar» über Europa hinweg<br />
- und verwüstete auch<br />
den Oberaargau.<br />
26 NEUAUSRICHTUNG<br />
Naim Maksuti übernimmt<br />
die Leitung der Bowling<br />
Center AG – und plant<br />
Grosses.<br />
32 UNIHOCKEY-IKONE<br />
Matthias Hofbauer spricht<br />
über seine eindrückliche<br />
Karriere als Sportler und<br />
Geschäftsmann.<br />
38 DIE SEITE DER LESER<br />
Leserbriefe und Veranstaltungen.<br />
26<br />
20<br />
s’Positive 10 / 2018 3
INTERVIEW<br />
DER SONNENKÖNIG VON<br />
ALTBÜRON<br />
Die Gemeinde Altbüron im Luzerner Hinterland ist<br />
Europameister im Produzieren von Solarstrom.<br />
Die Schweizerische Solaragentur zeichnete die<br />
Gemeinde 2013 mit dem nationalen Solarpreis aus.<br />
Dazu beigetragen hat auch Bauunternehmer<br />
Markus Affentranger.<br />
TEXT: KAUS ZAUGG UND BRUNO WÜHTRICH; FOTOS: MARCEL BIERI<br />
Bauen braucht viel Energie. Denn die eingesetzten<br />
Maschinen und Fahrzeuge erbringen<br />
Höchstleistungen. Markus Affentrangers<br />
berufliches Leben dreht sich ums<br />
Bauen. Und um erneuerbare Energien. Insbesondere<br />
um die Solarenergie. Im Interview mit<br />
s’Positive spricht er über seine Beweggründe und<br />
erzählt, weshalb sich dies rechnet.<br />
s’Positive: Stimmt es tatsächlich, dass Altbüron<br />
europaweit pro Kopf am meisten Sonnenstrom<br />
produziert?<br />
Markus Affentranger: Ja, die Gemeinde hat dafür<br />
eine Auszeichnung bekommen. Dabei spielt der<br />
Zufall auch eine Rolle: in unserer kleinen Gemeinde<br />
hat es bei der Holzbaufirma Schär und bei uns<br />
zwei grosse Anlagen.<br />
Wie sind Sie darauf gekommen, in die Solarenergie<br />
zu investieren?<br />
Wir planten 2009 einen neuen Werkhof. Dabei<br />
überlegten wir uns, was in den nächsten 20 Jahren<br />
passieren könnte.<br />
Da kamen Sie zum Schluss, dass die erneuerbare<br />
Energie in den nächsten 20 Jahren immer<br />
wichtiger wird?<br />
Das ist so. Aber eine Solarstromanlage war damals<br />
noch so teuer, dass wir gar nicht dazu in der Lage<br />
waren, eine solche Anlage zu finanzieren.<br />
Aber Sie setzten bei der Planung trotzdem auf<br />
Solarstrom.<br />
Ja, wir planten die Anlage und sagten uns: Wenn<br />
wir das Geld zum Zeitpunkt der Realisierung haben,<br />
dann machen wir es. Und wir hofften auf fallende<br />
Preise. So kam es dann auch: Ab 2010 gingen<br />
die Modulpreise stark zurück. 2009 hätten wir<br />
für die Produktion einer Kilowattstunde 6000<br />
Franken investieren müssen. 2011 waren es nur<br />
noch 1300 Franken. Im Mai 2011 erteilten wir den<br />
Auftrag zum Bau der Anlage. Die Zeit drängte. Um<br />
in den Genuss der staatlichen Zuschüsse zu kommen<br />
(die sog. Kosteneinspeisungs-Vergütung KEV<br />
– die Red.) mussten wir die Anlage nicht nur bis<br />
zum 31. Dezember bei der entsprechenden<br />
4 s’Positive 10 / 2018
ZUR PERSON<br />
Markus<br />
Affentranger<br />
Markus Affentranger ist<br />
Gründer, Besitzer und<br />
Geschäftsführer der Affentranger<br />
Bau AG in Altbüron<br />
– und setzt bei den eigenen<br />
Anlagen auf Soalrstrom.<br />
s’Positive 10 / 2018 5
INTERVIEW<br />
Die Affentranger Bau AG<br />
gilt als Solarstrom-Pionier.<br />
Privat fährt Affentranger<br />
natürlich einen Tesla.<br />
Amtsstelle angemeldet haben. Wir mussten<br />
bis zu diesem Zeitpunkt auch den<br />
Nachweis erbringen, dass wir damit tatsächlich<br />
Strom produzieren. Am 19. Dezember<br />
2011 gingen wir ans Netz, Anfang<br />
Februar 2012 weihten wir die Anlage ein.<br />
War es damals die grösste Solarstromanlage<br />
in der Schweiz?<br />
Für etwa zwei Monate hatten wir tatsächlich<br />
die grösste Anlage in unserem Land.<br />
Zur Eröffnung kam Bertrand Piccard (der<br />
Mann, der als erster die Erde mit einem<br />
Solarflugzeug umrundete – die Red.) Wir<br />
haben das Datum der Eröffnung so gelegt,<br />
dass er dabei sein konnte.<br />
Da hat es wohl in Altbüron ordentlich<br />
gerockt?<br />
Es war keine öffentliche Veranstaltung.<br />
Aber unserer Einladung folgten sicherlich<br />
300 Leute. Der Vortrag von Bertrand Piccard<br />
dauerte zwei Stunden, er war von<br />
14.30 Uhr bis 01.30 Uhr bei uns.<br />
Kam er mit dem Elektroauto?<br />
Nein. 2011 gab es noch keine Elektroautos<br />
mit einer Reichweite von über 100<br />
Kilometer. Er hatte einen Hybrid-Lexus.<br />
Sein Navigationsgerät kannte Altbüron<br />
nicht und leitete ihn schon in Sempach<br />
von der Autobahn weg. Er irrte sicherlich<br />
eine halbe Stunde durch die Gegend. Als<br />
Perfektionist reklamierte er auf der Stelle<br />
bei der Herstellerfirma des Navigationsgerätes.<br />
Auch seine Vorbereitung auf den<br />
Vortrag war beeindruckend. Er bestand<br />
darauf, dass wir eine zweite Lautsprecheranlage<br />
als Reserve bereitstellten. Damit<br />
ausgeschlossen werden konnte, dass<br />
er bei einem Ausfall der ersten Anlage<br />
ohne Ton war.<br />
Er dürfte bei seinem Vortrag viele für<br />
die Sonnenenergie motiviert haben.<br />
Oh ja. Sein Auftritt war eindrücklich. Seine<br />
Muttersprache ist ja Französisch, und<br />
dies merkte man an seinem Akzent. Aber<br />
in seinem zweistündigen Vortrag auf<br />
Deutsch machte er nicht einen einzigen<br />
Versprecher. Auf Fragen antwortete er provokativ.<br />
Als ich sagte, dass wir eigentlich<br />
den Solarstrom für einen Elektrolaster einsetzen<br />
möchten, sagte er: «Warum macht<br />
ihr es nicht?» Ich erklärte ihm dann, dass<br />
wir die Technik dafür noch nicht hätten.<br />
Darauf entgegnete er, dass dies bloss eine<br />
Ausrede sei, um es nicht zu machen. Auch<br />
«Ich wusste damals<br />
nicht, ob sich die Investition<br />
rentieren würde.<br />
Doch ich war überzeugt<br />
davon, dass es sich eines<br />
Tages lohnen wird.»<br />
den Hinweis auf die schwierige Finanzierung<br />
liess er nicht gelten. Seine Botschaft<br />
war klar: etwas wagen, etwas tun, nicht<br />
einfach nur davon reden.<br />
Das war wohl der Kick für Sie, erst<br />
recht auf Solarenergie zu setzen. War<br />
das so etwas wie die Geburtsstunde<br />
des «Sonnenenergie-Dorfes» Altbüron?<br />
Ja, nun interessierten sich immer mehr<br />
Kreise für die Solarenergie. Die Gemeinde,<br />
Firmen oder Bauherren von Mehrfamilienhäusern.<br />
Im Oktober des gleichen<br />
Jahres bekamen wir eine Auszeichnung<br />
für unseren Werkhof, bei dem wir sechsmal<br />
mehr erneuerbare Energie produzierten<br />
als wir verbrauchten. Der Preis<br />
wurde von Norman Forster (einer der<br />
berühmtesten Architekten der Welt – die<br />
Red.) vergeben und war mit 20 000 Franken<br />
dotiert. Diese Anlage hatten wir zwar<br />
bei der staatlichen Stelle angemeldet, die<br />
Beiträge flossen aber erst drei Jahre später.<br />
Ich wurde immer wieder gefragt, ob<br />
denn die ganze Sache rentiere. Darauf<br />
antwortete ich jeweils mit einer Gegenfrage:<br />
«Rentieren deine Kinder?» Tatsächlich<br />
wusste ich damals nicht, ob sich die<br />
Investition einmal rentieren würde. Doch<br />
ich war überzeugt davon, dass es sich eines<br />
Tages lohnen wird.<br />
Und, rentiert es heute?<br />
Anfänglich ging die Rechnung nur dank<br />
der staatlichen Zuschüsse auf. Heute wäre<br />
die Anlage schon von allem Anfang an<br />
ohne Subventionen rentabel.<br />
Wir stellen uns das so vor: Sie speisen<br />
den produzierten Strom ins Netz ein.<br />
Sie verkaufen also den Strom dem<br />
Elektrizitätswerk und beziehen von<br />
dort den Strom. So erhalten Sie den<br />
Strom richtig «zubereitet» für die verschiedenen<br />
Formen des Verbrauches<br />
geliefert.<br />
Ungefähr so ist es. Natürlich wäre es das<br />
Beste, den produzierten Strom auch<br />
gleich selbst zu verbrauchen. Aber eine<br />
entsprechende technische Anlage würde<br />
sich nur rechnen, wenn die Speichertechnik<br />
zahlbar wäre. Unser Energieverbrauch<br />
liegt etwa bei drei Millionen Kilowattstunden<br />
im Jahr. Wir produzieren<br />
175 Prozent dieser Energiemenge.<br />
Setzen Sie inzwischen Elektrolastwagen<br />
ein?<br />
Erst in kleinerem Umfang. Wir haben 35<br />
Fahrzeuge, davon fahren zehn mit Strom.<br />
6 s’Positive 10 / 2018
Wir kaufen zwar keine neuen Diesel- oder<br />
Benzinfahrzeuge mehr, sondern ersetzen<br />
die alten nach und nach durch Elektrofahrzeuge.<br />
Aber wir ersetzen keine Fahrzeuge,<br />
die noch laufen. Bei der Herstellung<br />
dieser Fahrzeuge wurde viel Energie<br />
verbraucht. Wenn wir die nun ausser Betrieb<br />
stellen und verschrotten würden,<br />
obwohl sie noch funktionstüchtig sind,<br />
wäre das eine unsinnige Energieverschwendung.<br />
Wann werden Sie nur noch mit Strom<br />
fahren?<br />
Die Umstellung sollte bis ins Jahr 2025<br />
abgeschlossen sein. Doch wir lassen uns<br />
an dieser Zielsetzung nicht messen. Es<br />
gibt bei den Elektrolastwagen noch lange<br />
Lieferfristen. Wir haben einen 40-Tonnen-Laster<br />
bei Tesla bestellt, aber dieser<br />
wird erst 2020 geliefert.<br />
Was kostet so ein Laster?<br />
Rund 250 000 Franken, etwa 50 000 Franken<br />
mehr als ein konventioneller Diesel-<br />
Lastwagen. Die Elektrolastwagen haben<br />
heute eine Reichweite von 800 Kilometern.<br />
Sie werden den Schwerverkehr revolutionieren.<br />
Wie viel Energiekosten sparen Sie mit<br />
dem Elektrofahrzeug gegenüber einem<br />
konventionellen Laster?<br />
Der Elektro-Truck benötigt nur ungefähr<br />
einen Drittel der Energie eines Dieslers<br />
oder Benziners. Zudem sind auch die<br />
Kosten für eine Kilowattstunde dreimal<br />
niedriger. Allerdings wird das wohl nicht<br />
so bleiben. Diesel und Benzin werden<br />
durch die Steuer massiv belastet. Zudem<br />
muss ich bei Lastern mit Verbrennungsmotoren<br />
die Schwerverkehrsabgabe LS-<br />
VA bezahlen. Auf dem Strom werden<br />
derzeit noch keine Steuern erhoben, und<br />
ein Elektrolaster ist jetzt noch von der<br />
Schwerverkehrsabgabe befreit. Der Staat<br />
muss jedoch auch künftig zu seinem Geld<br />
kommen. Deshalb ist es absehbar, dass<br />
künftig auch der Stromverbrauch besteuert<br />
wird und LSVA auch für Elektrolaster<br />
kommen wird. Die Einsparung durch den<br />
Einsatz der Elektro-Laster ist trotzdem<br />
markant.<br />
Die Rechnung fällt noch positiver aus,<br />
wenn man bedenkt, dass ein Elektrolastwagen<br />
auch eine längere Lebensdauer<br />
hat.<br />
Das ist so. Ein Elektrolastwagen hält bis<br />
zu dreimal länger als ein Diesel.<br />
Wie hoch ist eigentlich der Deckungsgrad<br />
beim Energiebedarf des «Sonnendorfes»<br />
Altbüron?<br />
Mehr als 60 Prozent des Bedarfes wird<br />
aus erneuerbarer Energie gedeckt. 37<br />
Prozent aus Solarstrom, 30 Prozent aus<br />
Schnitzelheizungen.<br />
Wird dieser Anteil höher?<br />
Davon gehe ich aus. Es ist sogar so, dass<br />
wir in der Schweiz dank der Wasserkraft<br />
mehr als genug Energie produzieren. Das<br />
Problem ist ja nicht die Gesamtmenge,<br />
ZUSATZINFOS<br />
Das «Sonnendorf»<br />
Altbüron<br />
Altbüron liegt eingebettet zwischen<br />
sanften Hügeln im Nordwesten des<br />
Luzerner Hinterlands und grenzt im<br />
Westen an die Berner Gemeinde<br />
Melchnau, nur gut zehn Autominuten<br />
von Langenthal entfernt. So gibt<br />
es seit jeher einen regen Kulturaustausch<br />
und Handel mit den «Ungläubigen»<br />
aus dem protestantischen<br />
Bernbiet, und in vielerlei Hinsicht ist<br />
diese kleine Gemeinde mit rund<br />
1000 Einwohnern dynamischer und<br />
weltoffener als die urbanen Zentren<br />
des Kantons Luzern. Was sich etwa<br />
durch die intensive Nutzung der Solarenergie<br />
(daher die Bezeichnung<br />
«Sonnendorf») zeigt. Altbüron wird<br />
von einem bürgerlichen Gemeinderat<br />
regiert und besteht aus dem<br />
Dorfkern und zahlreichen Streusiedlungen<br />
und Einzelgehöften. 60,6<br />
Prozent des Gemeindegebietes von<br />
678 Hektaren wird landwirtschaftlich<br />
genutzt. Weitere 29,6 Prozent<br />
sind Wald und Gehölz und lediglich<br />
9,7 Prozent bestehen aus Siedlungsfläche.<br />
Politisch ist die Gemeinde<br />
selbständig, vor Gott jedoch nicht:<br />
Altbüron gehört zur Katholischen<br />
Kirchgemeinde Grossdietwil.<br />
Das «Sonnendorf»<br />
Altbüron produziert<br />
europaweit am<br />
meisten Solarenergie<br />
pro Kopf.<br />
s’Positive 10 / 2018 7
INTERVIEW<br />
sondern die Steuerung der Energieproduktion,<br />
damit sie dann zur Verfügung<br />
steht, wenn sie gebraucht wird. In der<br />
Nacht können wir keinen Solarstrom produzieren,<br />
und wenn es windstill ist, auch<br />
keinen Windstrom. Mit der Wasserkraft<br />
haben wir im Gegensatz zu anderen Ländern<br />
die Möglichkeit, diesen Ausgleich<br />
ebenfalls mit einer erneuerbaren Energie<br />
zu schaffen. Wir brauchen dafür keine<br />
Gas-, Öl- oder Kohlekraftwerke.<br />
Sind Sie mit Ihrer Energiephilosophie<br />
ein Pionier oder ist dieses Denken inzwischen<br />
die Regel?<br />
Wir waren Pioniere. Inzwischen interessieren<br />
sich immer mehr Private und Unternehmer<br />
für die Solarenergie. Aber die<br />
Regel sind derartige Anlagen noch lange<br />
nicht. In unserer Gegend haben ein paar<br />
Unternehmer die Chance erkannt. Ich<br />
denke da etwa an die Holzbaufirma Schär<br />
bei uns in Altbüron, an das Holzbauunternehmen<br />
Renggli AG in Schötz oder an<br />
Markus Bösiger. Aber das sind nach wie<br />
vor Ausnahmen. Der Anteil des Solarstroms<br />
am gesamten Energieverbrauch in<br />
unserem Land dürfte nach wie vor im<br />
Promille-Bereich liegen.<br />
Wie waren eigentlich damals die Reaktionen<br />
auf Ihre Investitionen in die Solarenergie?<br />
Man hat sich um uns Sorgen gemacht.<br />
Sogar die Vertreter des Elektrizitätswerkes<br />
sagten uns, eine so grosse Anlage könne<br />
gar nicht funktionieren. Mir war schon<br />
klar, weshalb die das sagen: Die hatten<br />
und haben kein Interesse daran, dass wir<br />
unseren Strom selber produzieren.<br />
Und wie haben Sie auf diese Einwände<br />
reagiert?<br />
Ich habe gesagt, die Anlage sei bestellt,<br />
und sie werde installiert. Punkt!<br />
Hatten Sie keine Zweifel?<br />
Wir wussten auch nicht, ob es tatsächlich<br />
funktionieren wird. Wir arbeiteten mit<br />
einem Ingenieur zusammen. Er sagte uns,<br />
er wisse zwar nicht, ob eine so grosse Anlage<br />
tatsächlich funktioniere. Aber im<br />
Notfall könne man ja dann daraus mehrere<br />
kleinere Anlagen machen.<br />
Und es hat funktioniert!<br />
«Immer mehr Private<br />
und Unternehmer<br />
interessieren sich für<br />
Solarenergie. Aber die<br />
Regel sind derartige Anlagen<br />
noch lange nicht.»<br />
Die Anlage lief von allem Anfang an wunderbar.<br />
Aber damit waren noch nicht alle<br />
Probleme gelöst. Denn nun meldete sich<br />
die Gebäudeversicherung und sagte, das<br />
gehe nicht. Bei uns stehe alles unter<br />
Strom, und wenn es brenne, könne man<br />
gar nicht mehr mit Wasser löschen. Man<br />
dürfe ja nicht einfach den Stecker ziehen.<br />
Tatsächlich messen wir bei unserer Anlage<br />
800 Ampere. Weil wir Strom ins Netz<br />
einspeisen, würde bei einer sofortigen<br />
Abschaltung das Stromnetz in der Umgebung<br />
zusammenbrechen. Deshalb mussten<br />
wir für 30 000 Franken ein Abschaltsystem<br />
installieren, das es im Brandfall<br />
ermöglicht, die Anlage innerhalb von ein<br />
paar Minuten langsam herunterzufahren.<br />
Woher haben Sie den Mut für die Investitionen<br />
in die Solarenergie genommen?<br />
Aus der Erkenntnis, dass es langfristig nie<br />
falsch sein kann, die Energie selber zu<br />
produzieren.<br />
Sie haben auch einen Elektro-Bagger<br />
konstruiert.<br />
Es ist ein Projekt, das wir zusammen mit<br />
der ETH Zürich und der finanziellen Unterstützung<br />
des Bundes realisierten. 50<br />
ETH-Studenten arbeiteten während zwei<br />
Jahren daran. Wir bezahlten an die Gesamtkosten<br />
von 2,5 Millionen 400 000<br />
Markus<br />
Affentranger<br />
liess sich von den<br />
Einwänden gegen<br />
die Solaranlage<br />
nicht beirren.<br />
8 s’Positive 10 / 2018
INTERVIEW<br />
Bis 2025 soll die<br />
Umstellung auf<br />
Solarstrom abgeschlossen<br />
sein.<br />
Franken aus eigener Tasche. Dies entspricht<br />
ungefähr der Summe, die wir für<br />
einen normalen Bagger inklusive Dieselverbrauch<br />
in acht Jahren hätten bezahlen<br />
müssen.<br />
Funktioniert der Bagger?<br />
Er ist seit vier Jahren im Betrieb. Er kann<br />
pro Tag neun Stunden lang mit 75 Prozent<br />
Leistung eingesetzt werden. Wir<br />
müssen aber über Mittag während einer<br />
Stunde nachladen.<br />
Geht er jetzt in Serie?<br />
Er ist käuflich, aber er kostet rund dreimal<br />
so viel wie ein Dieselbagger und ist<br />
damit noch zu teuer für eine Serienproduktion.<br />
Der Preis ist so hoch, weil da<br />
wieder jemand einen schnellen Gewinn<br />
machen will.<br />
Gibt es nicht auch Widerstand aus der<br />
Strom- oder Autoindustrie und von den<br />
mit dieser Lobby verbündeten Politikerinnen<br />
und Politikern?<br />
Nun, wenn ich mein Auto mit dem Strom<br />
auflade, den ich selber produziere, dann<br />
kann niemand mehr Geld verdienen. Ein<br />
Elektroauto kostet zwar 100 000 Franken.<br />
Aber ich fahre damit über eine Million<br />
«Nach wie vor ist mit<br />
der Solarenergie kein<br />
schnelles Geld zu<br />
machen. Das passt halt<br />
nicht in den modernen<br />
Kapitalismus.»<br />
ZUSATZINFOS<br />
Unternehmen mit Alternativ-Energie<br />
Die Affentranger Bau<br />
AG wurde 1978 gegründet<br />
und bietet heute<br />
rund 80 Arbeitsplätze.<br />
Im neuen Werkhof (Erstellungsjahr<br />
2011)<br />
wurden neben der Solarstromanlage<br />
(der<br />
komplette Fuhr- und<br />
Maschinenparks wird<br />
auf Elektroantrieb umgerüstet)<br />
weitere nachhaltige<br />
Optimierungsmassnahmen<br />
integriert.<br />
Etwa ein geschlossener<br />
Wasserkreislauf. Das<br />
Regenwasser vom Dach<br />
wird in einem Tank gesammelt<br />
und danach für<br />
das Putzen der Fahrzeuge<br />
benutzt. Danach<br />
fliesst das verunreinigte<br />
Wasser durch mehrere<br />
Absetzbecken. Im<br />
Schlussbecken folgt die<br />
CO2-Neutralisation, bevor<br />
das Wasser wieder<br />
zur Verwendung in den<br />
Wassertank fliesst.<br />
Das Unternehmen hat<br />
mehrere Auszeichnungen<br />
gewonnen, wie den<br />
«Schweizer Solarpreis»<br />
2012 und 2015, den<br />
«European Solar Prize<br />
2015» und den «Cadre<br />
d’Or» für den besten Arbeitgeber<br />
im Bauhauptgewerbe<br />
in der Schweiz.<br />
Kilometer. Ein Elektroauto ist mechanisch<br />
sehr einfach und braucht weder<br />
Getriebe noch Auspuff oder Kühler. Ich<br />
brauche bloss die Verschleissteile, Reifen<br />
und Scheibenwischer zu ersetzen, der<br />
Hersteller gibt mir acht Jahre lang Gratis-<br />
Service und Garantie bei unbeschränkter<br />
Kilometerzahl. Ein Kilometer kostet mich<br />
heute mit einem herkömmlichen Auto 80<br />
Rappen, mit dem Elektroauto trotz des<br />
höheren Kaufpreises lediglich 20 Rappen.<br />
Dazu kommt der höhere Wiederverkaufswert<br />
eines Elektroautos. Ich habe meinen<br />
Tesla nach sechs Jahren immer noch für<br />
etwas mehr als den halben Neupreis verkauft.<br />
Wenn sich Elektroautos durchsetzen,<br />
dann kommt es zu einer industriellen<br />
Revolution, die hunderttausende<br />
Arbeitsplätze wegspülen wird. Die herkömmlichen<br />
Autowerke werden dann<br />
keine Benzin- oder Dieselautos mehr verkaufen<br />
können. Weil zur Herstellung eines<br />
Elektroauto 3000 Einzelteile weniger<br />
notwendig sind als für ein klassisches<br />
Auto, geht auch die ganze Zulieferer-Industrie<br />
unter. Wir können also davon ausgehen,<br />
dass es viele Interessengruppen<br />
gibt, die gegen Elektroautos sind.<br />
Dauert es also bestimmt noch 30 Jahre,<br />
bis es nur noch Elektroautos gibt?<br />
Es stehen zu viele Arbeitsplätze auf dem<br />
Spiel. Die Politik muss und wird die Entwicklung<br />
bremsen, um den Schock abzumildern.<br />
Aber sie ist nicht aufzuhalten.<br />
Ich halte es für möglich, dass wir schon in<br />
fünf Jahren keine neuen Benzin- und Dieselautos<br />
mehr kaufen werden.<br />
Was bedeutet das für die Schweiz?<br />
Wir sind weltweit in der Solartechnik<br />
nach wie vor führend. Aber es fehlte bisher<br />
der Mut, dieses Potenzial auszuschöpfen<br />
und in diese Technologie zu investieren.<br />
Nach wie vor ist mit der Solarenergie<br />
kein schnelles Geld zu machen. Das passt<br />
halt nicht in den modernen Kapitalismus.<br />
Wenn ich sage, es rentiert erst in fünf<br />
oder sechs Jahren, dann ist niemand<br />
mehr interessiert. Aber wenn es dann rentiert,<br />
dann kommen die Leute und sagen:<br />
«Ja ja, du hast es gut, dir liefert der liebe<br />
Gott den Strom.»<br />
Es braucht also nach wie vor einen<br />
«Verrückten» wie den Affentranger in<br />
Altbüron, der dieses Wagnis eingeht?<br />
Es ginge eigentlich ganz einfach. Wir sind<br />
von Gesetzes wegen dazu verpflichtet,<br />
unsere Häuser an der Abwasserreinigungsanlage<br />
anzuschliessen. Darüber<br />
regt sich niemand mehr auf. Warum regeln<br />
wir nicht gesetzlich, dass bei jedem<br />
Neubau eine Solaranlage aufs Dach<br />
muss? Das wäre ein Anfang.<br />
10 s’Positive 10 / 2018
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ÖKOLOGIE<br />
PROBLEMLÖSUNG:<br />
SAHARA<br />
Dass in der Sahara die Sonne<br />
scheint und der Wind bläst, lernen<br />
wir schon in der Schule.<br />
Sonne und Wind gibt es in der<br />
Sahara wahrlich nicht zu knapp. Um den<br />
weltweiten Strombedarf abzudecken,<br />
könnten ungefähr neun Millionen Windräder,<br />
und auf 20 Prozent der Wüstenfläche<br />
– also auf etwa neun Millionen Quadratkilometern<br />
– Solarpanels installiert<br />
werden. Um dies herauszufinden, hat ein<br />
internationales Forscherteam eine Computersimulation<br />
entwickelt, welche die<br />
Folgen eines solchen Projektes aufzeigt.<br />
Die lokalen Regenfälle würden, so die Simulation,<br />
unter anderem als Folge der<br />
Luftzirkulation stark ansteigen. In der<br />
grössten Wüste könnte es dadurch an<br />
manchen Stellen grün werden. Die Windräder<br />
würden warme und kühle Luft vermischen<br />
und somit dafür sorgen, dass sich<br />
die Luft in der Nacht weniger abkühlt.<br />
Dies würde zwar einen regionalen Temperaturanstieg<br />
verursachen. Doch die Auswirkungen<br />
auf das globale Klima wären<br />
trotzdem positiv. Wenn die Anlagen gross<br />
genug seien, um den weltweiten Energiebedarf<br />
komplett abzudecken, könne der<br />
Klimawandel trotz des regionalen Temperaturanstiegs<br />
verlangsamt werden. Denn:<br />
Je mehr «saubere» Energie produziert<br />
wird, desto stärker gehen CO₂-Emissionen<br />
von fossilen Brennstoffen zurück.<br />
Die Ergebnisse der Studie wurden im<br />
Fachmagazin «Science» publiziert. Einer<br />
der Studienautoren ist Daniel Kirk-Davidoff.<br />
Er weist darauf hin, dass der grösste<br />
Teil der Sahara extrem trocken bleiben<br />
würde. «Aber besonders die Region südlich<br />
der Wüste könnte sich grundlegend<br />
verändern.» Gemeint ist das halbtrockene<br />
Übergangsgebiet zwischen Senegal und<br />
FOTO: SHUTTERSTOCK.COM/KRAISORN WICHANPRASIT<br />
12 s’Positive 10 / 2018
Die Sahara ist heiss, trocken, lebensfeindlich –<br />
eine Wüste eben. Scheinbar zu nichts zu<br />
gebrauchen. Ist das wirklich so? Sonne, Wind<br />
und sogar Wasser sind dort zur Genüge<br />
vorhanden. Finden wir in der Sahara die<br />
Lösung vieler unserer weltweiten Probleme?<br />
TEXT: BRUNO WÜTHRICH<br />
Die Sahara:<br />
Geeignet für die<br />
Errichtung von<br />
Windrädern und<br />
Solaranlagen.<br />
Sudan: die Sahel-Zone. Hier würde sich<br />
die Niederschlagsmenge sogar verdoppeln.<br />
Und es würde Weideland entstehen.<br />
Für die Wissenschaftler bestätigt die Studie<br />
das enorme Potenzial erneuerbarer<br />
Energieressourcen. Zwar sei es momentan<br />
aus technischen und finanziellen<br />
Gründen noch schwierig, ein so grosses<br />
Vorhaben umzusetzen, es sei jedoch in<br />
Zukunft ein durchaus realistisches Ziel.<br />
Derzeit sind erst vergleichsweise kleine<br />
Wind- und Sonnen-Parks in Teilen Nordafrikas<br />
und im Mittleren Osten geplant,<br />
im Bau oder bereits fertiggestellt.<br />
ÖL GESUCHT, WASSER GEFUNDEN<br />
Als 1953 auf der Suche nach Öl in der<br />
Wüste plötzlich Wasser aus den Löchern<br />
sprudelte, konnte die Tragweite dieses<br />
Fundes auf Anhieb nicht annähernd eingeordnet<br />
werden. Erst nach und nach<br />
wurde klar, auf welch gewaltiges Reservoir<br />
an Süsswasser man da gestossen war.<br />
Inzwischen ist klar: Die Ingenieure hatten<br />
den grös sten Süsswasserspeicher der Erde<br />
gefunden. Unter der Sahara liegt ein<br />
System von wasserführendem Gestein,<br />
sogenannten Aquiferen, das von Ägypten<br />
im Osten bis nach Mauretanien im Westen<br />
reicht. Hier lagern über 500 000<br />
Kubik kilometer Wasser. Dies entspricht<br />
mehr als dem 10 000-Fachen des Bodensees,<br />
oder knapp einem Neuntel der Wassermenge<br />
des Mittelmeeres. Jedoch nicht<br />
mit Salz-, sondern mit Süsswasser.<br />
Diese Wasserreserven wurden auch<br />
schon genutzt. Libyens Diktator Muammar<br />
Gaddafi liess das Reservoir durch<br />
insgesamt 1300 Bohrungen – die meisten<br />
davon über 500 Meter tief – anzapfen und<br />
das Wasser durch Pipelines von insgesamt<br />
4000 Kilometern Länge zu den Küstenstädten<br />
pumpen. Das «Great-Man-<br />
s’Positive 10 / 2018 13
ÖKOLOGIE<br />
Wasserbrunnen<br />
in der Sahara.<br />
Heuschrecken<br />
sind sehr<br />
gefrässig.<br />
Made-River-Projekt» versorgte die meisten<br />
der knapp 6,4 Millionen Libyer mit<br />
Trinkwasser. Da dieses Land keinen einzigen<br />
natürlichen Fluss besitzt, war die<br />
Realisierung dieses Projekts ein grosser<br />
Fortschritt. Britische Bomben beschädigten<br />
2011 die Pipelines. Seither versickern<br />
Millionen von Kubikmetern Wasser ungenutzt<br />
in der Wüste. Die Reparatur der<br />
Leitungen wird noch Jahre in Anspruch<br />
nehmen. Bis heute hat ja das Land keine<br />
funktionierende Regierung.<br />
EINE GIGANTISCHE VISION<br />
Derzeit ohne akute Chance auf eine Realisierung<br />
ist ein Projekt, das derart spektakulär<br />
ist, dass es sich lohnt, es trotzdem<br />
weiter zu verfolgen. Die Rede ist von der<br />
Idee eines riesigen Saharawaldes, mit<br />
dem sich das weltweite Klimaproblem lösen<br />
liesse. Entwickelt wurde die Idee<br />
Mit dem wasserführendem<br />
Gestein unter der Sahara könnte<br />
die Erderwärmung gestoppt und<br />
der Anstieg des Meeresspiegels<br />
verhindert werden.<br />
2009 von Forschern der Columbia-University<br />
und der Mount Sinai School of<br />
Medicine in New York. 2017 wurde die<br />
Vision von der Beijing Normal University<br />
in China erneut aufgenommen.<br />
Der kühne Plan sieht vor, dass mithilfe<br />
der Aquifere unter der Sahara die Erderwärmung<br />
gestoppt und der Anstieg des<br />
Meeresspiegels verhindert werden soll.<br />
Der Arbeitsaufwand hierfür wäre allerdings<br />
gewaltig. In der Sahara müssten auf<br />
einer Fläche von 100 Milliarden Hektar<br />
Wüste Wälder angelegt werden. Eine Billion<br />
Bäume würden jährlich 20 bis 36 Gigatonnen<br />
des Treibhausgases CO₂ aus der<br />
Atmosphäre filtern. Dies entspricht ungefähr<br />
der Menge, welche die Menschheit<br />
jährlich durch das Verbrennen von Kohle,<br />
Gas und Öl hineinbläst. Vorausgesetzt, es<br />
stimmt, was die Forscher mittels komplexer<br />
Computersimulation und vielen Messdaten<br />
aus der Atmosphäre berechnet haben,<br />
wäre die Erderwärmung durch die<br />
Realisierung dieses gigantischen Projekts<br />
gestoppt. Die Sahara ist für dieses klimarelevante<br />
Vorhaben deshalb besonders geeignet,<br />
weil sie eine «Hadley-Cell-Wüste»<br />
ist. Das heisst, sie ist ein Knotenpunkt vieler<br />
grosser Luftbewegungen<br />
auf der Erde.<br />
Bäume benötigen Wasser,<br />
wenn sie denn wachsen sollen.<br />
Dieses soll gemäss dem<br />
Plan der Forscher aus dem<br />
riesigen unterirdischen Reservoir<br />
heraufgeholt werden.<br />
Seine gewaltigen Wassermengen<br />
sind vor 75 000<br />
bis 8000 Jahren in Tiefen<br />
von bis zu 4500 Meter in den<br />
Sandstein eingesickert. Damals war die<br />
Sahara fruchtbares Land, durchzogen von<br />
Flüssen. Das Wasser wurde von dichten<br />
Weiden und Wäldern im Boden gehalten.<br />
Die ständige Abgabe von Feuchtigkeit in<br />
die Atmosphäre sorgte dafür, dass es oft<br />
regnete. Dies wiederum begünstigte das<br />
Wachstum der Vegetation. Ein Kreislauf<br />
des Lebens.<br />
Aus bisher noch unbekannten Gründen<br />
verschwanden danach innerhalb von wenigen<br />
Jahrhunderten die blühenden Landschaften.<br />
Die Niederschläge liessen nach,<br />
die Sahara wurde zur Wüste. Obwohl wir<br />
die Ursachen dieser Kehrtwende nicht<br />
kennen, behaupten die New Yorker Wissenschaftler,<br />
dass man diesen Prozess ein<br />
weiteres Mal drehen könne. Überall, wo<br />
die Landschaft nicht zu bergig und der Boden<br />
nicht zu salzig ist, müssten dafür pro<br />
Hektar 1000 Eukalyptusbäume gepflanzt<br />
werden. Diese Art wächst in subtropischen<br />
Gebieten schnell. In nur zehn Jahren werden<br />
diese Bäume bis zu 30 Meter hoch.<br />
Dabei filtert jeder Einzelne pro Jahr bis zu<br />
36 Kilogramm CO₂. Nach 20 bis 30 Jahren<br />
könnte man die Bäume fällen, wertvolles<br />
Öl daraus gewinnen und Papier herstellen.<br />
Zwischen den Wäldern wäre Platz für Felder<br />
und Weiden. Die Sahara würde wieder<br />
zur Kornkammer Afrikas.<br />
Zu hoffen ist aber, dass die Bäume das<br />
Wasser aus der Tiefe nur als Starthilfe benötigen.<br />
Denn sonst könnten selbst die<br />
gewaltigen Speicher in weniger als 100<br />
Jahren leer sein. Denn normalerweise benötigt<br />
jeder Baum pro Tag bis zu 500 Liter<br />
Wasser, und auch bei geschicktem Wassermanagement<br />
werden es mindestens<br />
250 Liter pro Baum und Tag sein. Die<br />
Hoffnung, dass das Wasser grösstenteils<br />
bloss als Starthilfe benötigt wird, ist allerdings<br />
berechtigt. Nach ein paar Jahren<br />
verdunsten die Wälder selbst so viel Wasser<br />
in die Atmosphäre, dass sich dort Wolken<br />
bilden und es regelmässig regnet. So<br />
wie es bis vor 8000 Jahren der Fall war.<br />
FOTOS: SHUTTERSTOCK.COM/ASTUDIO/PATRICIA HOFMEESTER<br />
14 s’Positive 10 / 2018
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ÖKOLOGIE<br />
Aber eben: Klima und Wetter kennen viele<br />
Unabwägbarkeiten. Klimaphysiker des<br />
Heimholz-Zentrums für Ozeanforschung<br />
in Kiel geben nach umfangreichen Computersimulationen<br />
zu bedenken, dass der<br />
grösste Teil der Regenwolken über den<br />
neuen Saharawäldern vom Wind nach<br />
Süden in die Sahelzone oder zum Nordatlantik<br />
geblasen werden könnte. «Geblasen<br />
werden könnten» heisst jedoch nicht,<br />
dass dies zwingend geschehen wird, relativieren<br />
die Kieler-Physiker und halten<br />
fest, dass keine der Computersimulationen<br />
so aussagekräftig ist, dass dies mit<br />
Sicherheit vorausgesagt werden könne.<br />
Sicher sei nur, dass in einer bewaldeten<br />
Sahara Wasser verdunste, das irgendwann<br />
wieder herunterkomme.<br />
UNGEKLÄRTE FRAGEN<br />
Doch viele andere Fragen müssten, sofern<br />
denn das Projekt realisiert werden soll,<br />
vorher geklärt werden. Zum Beispiel jene<br />
nach dem Grundwasserspiegel. Würde<br />
dieser durch das Anzapfen der Aquifere<br />
eventuell so weit absinken, dass Brunnen<br />
versiegen und Seen austrocknen? Die<br />
Wissenschaftler vermuten zwar, dass dies<br />
nicht geschehen wird und begründen diese<br />
Annahme damit, dass das Wasser aus<br />
über 500 Metern Tiefe gewonnen würde<br />
und das Oberflächenwasser dadurch<br />
nicht betroffen wäre. Auch die Frage nach<br />
der Versalzung des Bodens beantworten<br />
die Forscher mit einem «vermutlich<br />
nein». Sie weisen darauf hin, dass dies bei<br />
Bewässerungsprojekten in Israel, Algerien,<br />
Tunesien, Äthiopien und Niger<br />
ebenfalls nicht geschehen sei.<br />
Doch andere Fragen sind vollkommen<br />
offen. Zwar gehen Experten davon aus,<br />
dass die jüngste Zunahme von Tropenstürmen<br />
mit der globalen Erwärmung zu tun<br />
hat und dass die Gefahr sinkt, wenn man<br />
diese Erwärmung stoppt.<br />
Andererseits weiss man<br />
aber, dass Saharastaub in<br />
der Atmosphäre die Bildung<br />
von Hurrikanen hemmt.<br />
Was passiert nun, wenn die<br />
Sahara plötzlich grün ist<br />
und keinen Staub mehr produziert?<br />
Eine weitere Frage, auch<br />
sie hängt mit Wind und<br />
Sturm zusammen, zeigt auf, wie viele<br />
überraschende Dinge miteinander zusammenhängen<br />
können. In der Bodéle-<br />
Senke nordöstlich des Tschadsees hat sich<br />
feinster Eisenstaub des urzeitlichen Lake<br />
Megachad abgelagert. Im Winter wirbeln<br />
die Harmattan-Winde diesen Staub auf<br />
und wehen ihn über den Atlantik bis in<br />
die Karibik und ins Amazonasbecken, wo<br />
er als Dünger für Pflanzen und Plankton<br />
wirkt. Was würde geschehen, wenn dieser<br />
Staub nicht mehr nach Westen geweht<br />
würde, weil Eukalyptuswälder und tropische<br />
Regengüsse ihn über der Sahara aus<br />
der Luft filtern?<br />
Ein weiteres Problem ist die Brennbarkeit<br />
von Eukalyptus. Wegen der ätherischen<br />
Öle im Holz und in den Blättern<br />
brennt dieser nämlich sehr gut. Was,<br />
Wegen seiner ätherischen<br />
Öle brennt Eukalyptus sehr gut.<br />
Was, wenn die mühsam<br />
gepflanzten Saharawälder<br />
Feuer fangen würden?<br />
wenn die mühsam gepflanzten Wälder<br />
Feuer fangen? Dann würde sich der positive<br />
Effekt auf das Klima schnell ins Gegenteil<br />
verkehren. Ausserdem: Heuschrecken<br />
lieben Feuchtgebiete. Dort gedeihen<br />
sie am besten. Bereits heute werden Afrika<br />
und der nahe Osten jährlich von riesigen<br />
Heuschreckenschwärmen geplagt.<br />
Könnte es geschehen, dass wir die Sahara<br />
begrünen und dafür in Kauf nehmen,<br />
dass andere Regionen durch die Heuschrecken<br />
verwüstet werden?<br />
Trotz all dieser Probleme, die noch zu<br />
lösen sind, und all der Fragen, die noch<br />
zu beantworten sind, sind sich die Autoren<br />
der US-Studie um die Professoren<br />
Leonard Ornstein, Igor Aleinov und David<br />
Rind sicher: Künstlich bewässerte, subtropische<br />
Aufforstungen sind wahrscheinlich<br />
der beste Weg, die durch CO₂<br />
verursachte globale Erwärmung in den<br />
Griff zu bekommen. Deshalb seien auch<br />
Eingriffe in das globale Ökosystem gerechtfertigt.<br />
Quellen: P.M. Magazin, kurier.at. mM.<br />
FOTO: SHUTTERSTOCK.COM/CREATIVE FAMILY<br />
Aufforstung<br />
der Wüste: Eukalyptuswälder<br />
könnten das<br />
globale Klima<br />
verbessern.<br />
16 s’Positive 10 / 2018
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WUSSTEN SIE SCHON<br />
FAULE ARBEITSTIERE<br />
Sind wirklich alle Ameisen fleissig?<br />
1<br />
Ameisen sind berühmt für ihren Fleiss. Im<br />
Verbund transportieren sie Nahrung, ziehen<br />
ihre Nachkommen auf und bessern<br />
laufend ihren Bau aus. Doch nicht alle<br />
Ameisen sind so. Insektenforschern ist<br />
seit vielen Jahren bekannt: Etwa 40 Prozent<br />
aller Ameisen in einem Bau sind faul.<br />
Doch weshalb ist das so? Weshalb ist ein<br />
Teil des Volkes faul, während die andern<br />
die lebenswichtigen Aufgaben erledigen?<br />
Forscher der University of Arizona<br />
(USA) haben eine Erklärung gefunden.<br />
Für ein Verhaltensexperiment markierten<br />
sie sämtliche Ameisen eines Volkes<br />
mit unterschiedlichen Farben, sodass sie<br />
die fleissigen von den faulen Tieren unterscheiden<br />
konnten. Dann entfernten<br />
die Forscher 20 Prozent der fleissigen<br />
Arbeiterinnen. Prompt wurden deren<br />
Aufgaben durch zuvor faule Tiere übernommen.<br />
Bei Umkehrung des Experiments,<br />
also bei Entfernung von 20 Prozent<br />
der faulen Ameisen, reagierte das<br />
Volk nicht. Für die Wissenschaftler aus<br />
Arizona steht damit fest, dass die untätigen<br />
Ameisen eine Art Reserveeinheit<br />
bilden.<br />
Die faulen Ameisen haben also für ihr<br />
Volk einen Nutzen. Weil sie als Einsatztruppe<br />
sehr spontan einspringen können,<br />
kann sich ein Ameisenvolk in Notzeiten<br />
schneller erholen.<br />
WUSSTEN<br />
SIE SCHON?<br />
18 s’Positive 10 / 2018
PERSPEKTIVE<br />
In welcher Zeit sahen sich die Menschen<br />
im Mittelalter?<br />
Es braucht nicht viel Vorstellungsvermögen,<br />
um zu erkennen, dass im Mittelalter<br />
die Menschen das Mittelalter nicht als<br />
«Mittelalter» sahen, sondern eine völlig<br />
andere Perspektive auf ihre Zeit hatten.<br />
Als Mittelalter bezeichnet man heute<br />
die Zeit zwischen dem 6. und 15. Jahrhundert.<br />
Mit dem Ende der Völkerwanderung<br />
begann das Frühmittelalter. Der<br />
Papst krönte Karl den Grossen zum «römischen<br />
Kaiser» (800 n. Chr.). Als Blütezeit<br />
des Rittertums gilt das Hochmittelalter,<br />
in welchem auch die ersten Universitäten<br />
gegründet wurden. Am Ende des<br />
Spätmittelalters wurde der Buchdruck<br />
erfunden.<br />
Das Leben im Mittelalter war noch<br />
ganz von der Kirche geprägt und dominiert.<br />
Die damalige Zeitrechnung ging<br />
zurück auf den heiligen Augustinus von<br />
Hippo, der im 5. Jahrhundert lebte. Augustinus<br />
bezog sich auf eine Textstelle im<br />
zweiten Brief des Petrus, in welcher es<br />
heisst, dass «beim Herrn ein Tag wie tausend<br />
Jahre und tausend Jahre wie ein<br />
2<br />
Tag» sei. Weil Gott gemäss der Bibel die<br />
Welt in sechs Tagen erschaffen hat, rechnete<br />
man zurück und kam zu dem Ergebnis,<br />
dass Adam vor ungefähr 5000 Jahren<br />
gelebt haben muss. Also befand man sich<br />
nach Christi Geburt im 6. Jahrtausend<br />
nach der Erschaffung der Welt. Aus damaliger<br />
Sicht war dies das letzte von<br />
sechs Jahrtausenden. Danach sollte das<br />
Ende kommen, das Jüngste Gericht. Die<br />
Angst und die ständige Erwartung der<br />
Apokalypse gehörte im Mittelalter zum<br />
Lebensgefühl der Menschen. Das Ende<br />
konnte jederzeit kommen. Selbst Martin<br />
Luther konnte sich diesem Gefühl nicht<br />
entziehen.<br />
FOTOS: SHUTTERSTOCK.COM/PAVEL KRASENSKY/DTOPAL/JOE GOUGH<br />
ESSEN UND TRINKEN<br />
Weshalb «braucht» es<br />
Geschmacksverstärker?<br />
In vielen Fertiggerichten stecken Geschmacksverstärker<br />
mit den Bezeichnungen<br />
E620 und E625. Es sind sogenannte<br />
Glutamate, die an unsere<br />
Ge schmacksknospen in der Mundhöhle<br />
andocken. Dabei wird ein Geschmack erzeugt,<br />
der weder süss noch salzig, weder<br />
sauer noch bitter ist, sondern als fünfter<br />
Geschmack namens «Umami» für das<br />
würzige und fleischige Aroma deftiger<br />
Gerichte sorgt.<br />
Weil sie minderwertigem Essen einen<br />
passablen Geschmack verleihen und damit<br />
den KonsumentInnen eine vermeintlich<br />
hohe Qualität vorgaukeln, sind die<br />
Zusatzstoffe in Verruf geraten. Nicht einwandfrei<br />
belegt ist jedoch die Vermutung,<br />
dass Glutamate allergische Reakti-<br />
onen auslösen können. Wer<br />
auf die Zusatzstoffe verzichten<br />
möchte, sollte am besten<br />
mit frischen Lebensmitteln<br />
kochen. Denn selbst Gerichte,<br />
bei denen der Verzicht auf<br />
die Zusatzstoffe beworben<br />
wird, enthalten diese oftmals<br />
trotzdem. Dabei wird anstelle<br />
von synthetischem Glutamat<br />
auf Hefeextrakt, Tomatenpulver<br />
oder Würze zurückgegriffen.<br />
Diese Stoffe<br />
enthalten natürliches Glutamat,<br />
das aber auf den Etiketten<br />
der Lebensmittel nicht<br />
extra ausgewiesen werden<br />
muss.<br />
3<br />
s’Positive 10 / 2018 19
HISTORY<br />
Wie ein<br />
Orkan<br />
heimsuchte<br />
und wie diese<br />
den Oberaargau<br />
Herausforderung<br />
gemeistert wurde<br />
Die liebliche Landschaft des Oberaargaus<br />
kann auch wilde Naturlandschaft sein.<br />
Etwa am Ende des letzten Jahrhunderts,<br />
als «Lothar» wütete. Die Geschichte einer<br />
Naturkatatrophe, die auch zeigt,<br />
wie die Oberaargauer zusammenstehen.<br />
TEXT: KAUS ZAUGG; FOTOS: BEAT LANZ
Verwüstung im<br />
Hübeliwald bei<br />
Huttwil und im<br />
Schmiedwald bei<br />
Wyssbach.<br />
Die Lokalhistorikerin Berty Anliker hat im<br />
«Jahrbuch des Oberaargaus» die dramatische<br />
Geschichte des Orkans «Lothar» aufgezeichnet.<br />
Am 26. Dezember 1999 fegt der<br />
gewaltigste Orkan der neueren Geschichte über Teile<br />
Europas hinweg. In der Schweiz erreicht er eine<br />
noch nie gemessene Stärke. Ursache ist das riesige<br />
Tief «Kurt» über Südskandinavien. Aus ihm entsteht<br />
der Orkan «Lothar». Bis heute hat in Nordfrankreich,<br />
Süddeutschland, Österreich und in der Schweiz in<br />
der neueren Geschichte kein Sturm grössere Schäden<br />
angerichtet. Ein paar meteorologische Angaben,<br />
die in Bern aufgezeichnet worden sind: Am frühen<br />
Morgen des 26. Dezembers 1999 fällt der Luftdruck<br />
in kürzester Zeit massiv ab. Während der Druck um<br />
9.40 Uhr die tiefsten Werte erreicht, steigt gleichzeitig<br />
die Windgeschwindigkeit dramatisch an, bis die<br />
Meteorologen in Bern um 10.40 Uhr das Maximum<br />
von 133,6 Kilometer pro Stunde verzeichnen. Die<br />
stärksten Böen werden in Deutschland gemessen<br />
(272 km/h). In der Schweiz wird auf dem Jungfraujoch<br />
der höchste Wert gemessen (249 km/h). Im<br />
Flachland betragen die Spitzenwerte 140 km/h.<br />
Nach einer kurzen Abflachung folgen am Abend erneut<br />
starke Winde, die erst kurz vor Mitternacht<br />
nachlassen. Das Unheimliche dieses Orkans: Es gibt<br />
Gegenden in der Schweiz, die völlig verschont bleiben,<br />
ja die in genau dieser Zeit völlige Windstille<br />
verzeichnen. Beispielsweise beginnt jedes Jahr am<br />
26. Dezember in Davos der Spengler Cup. Dort, in<br />
den Bündner Bergen, ist es absolut windstill. Friedliches,<br />
romantisches Winterwetter während im Unterland<br />
der Orkan tobt. Die in Davos eintreffenden Meldungen<br />
über das Unwetter werden im ersten Moment<br />
gar nicht geglaubt.<br />
DER STURM KOMMT<br />
Den Oberaargau trifft «Lothar» etwas später als Bern,<br />
aber mit voller Wucht. Kurz vor Mittag bricht der<br />
Sturm los und wütet mehrere Stunden lang. In der<br />
Folge gibt es vielerorts kein Durchkommen mehr,<br />
unzählige Strassen und Wege sind durch umgestürzte<br />
Bäume blockiert, und die Wehrdienste haben grosse<br />
Mühe, wenigstens die wichtigsten Verbindungswege<br />
zu öffnen. Auch auf verschiedenen Bahnlinien<br />
muss der Betrieb eingestellt werden. Viele Ortschaften<br />
sind von Stromausfällen betroffen; zum Teil sind<br />
Ortsteile ein bis zwei Tage ohne Strom, abgelegene<br />
Gebiete – etwa im Berner Oberland – sogar während<br />
mehrerer Wochen.<br />
CHAOS UND VERWÜSTUNG<br />
Nach und nach zeigen sich die Schäden in ihrem ganzen<br />
Ausmass. Ganze Wälder sind von «Lothar» umgefegt<br />
worden. Kreuz und quer liegen die Bäume am<br />
Boden, wie hingeworfene Streichhölzer. Viele sind<br />
samt den Wurzeln ausgerissen worden. Einzelne<br />
Bäume ragten aus dem Chaos heraus, davon etliche<br />
geknickt, abgedreht, gespalten. Ganze Landschaften<br />
tragen nach dem Sturm ein anderes Gesicht, zuvor<br />
Ganze Wälder sind vom Sturm «Lothar»<br />
umgefegt worden. Kreuz und quer liegen<br />
die Bäume am Boden, wie hingeworfene<br />
Streichhölzer.<br />
baumbestandene Hügelkuppen sind auf einmal kahl,<br />
die Bewohner erkennen oft ihre Umgebung kaum<br />
wieder. Auch in Stadtpärken, Alleen und Hausgärten<br />
hinterlässt «Lothar» seine Spuren. Ebenso haben<br />
manche Obstbäume und Gebäude seiner Gewalt<br />
nicht standgehalten. Und nicht zu vergessen sind die<br />
Todesopfer, die der Sturm gefordert hat. Durch den<br />
Sturm und während der Aufräumarbeiten sind in<br />
ganz Europa rund 110 Menschen tödlich verunglückt,<br />
in der Schweiz sind es 14, die während «Lothar»<br />
ihr Leben verlieren, und noch einmal 15 während<br />
der Aufräumarbeiten in den Wäldern.<br />
s’Positive 10 / 2018 21
HISTORY<br />
Die «schwarze<br />
Madonna» (l.) und<br />
viel Sturmholz<br />
aus den Wäldern<br />
um Huttwil.<br />
Bern ist einer der am stärksten betroffenen Kantone<br />
der Schweiz. Schätzungsweise viereinhalb bis fünf<br />
Millionen Kubikmeter Holz sind geworfen worden,<br />
was ungefähr fünf Jahresnutzungen entspricht. Mit<br />
dem «Sturmholz» hätten alleine im Kanton Bern<br />
rund 100 000 Einfamilienhäuser aus Holz gebaut<br />
und während zwei Jahren mit Holz beheizt werden<br />
können. In der Schweiz wird die Menge des Sturmholzes<br />
auf 12 Millionen Kubikmeter geschätzt. Der<br />
Sturm hat in Europa einen geschätzten Schaden von<br />
rund fünf Milliarden Franken verursacht und ist damit<br />
einer der weltweit teuersten Versicherungsfälle.<br />
Die immense Schadensumme hängt damit zusammen,<br />
dass die Katastrophe einen der am dichtesten<br />
besiedelten und am besten versicherten Teil der Welt<br />
heimgesucht hat. Alleine in der Schweiz addieren<br />
sich zu den rund 600 Millionen Franken an Waldschäden<br />
noch einmal 600 Millionen Franken an Gebäudeschäden.<br />
Die geschätzte Schadenssumme aller<br />
quantifizierbaren Schäden wird in unserem Land auf<br />
rund 1,8 Milliarden Franken geschätzt.<br />
Der Schweizer Markt vermag die riesige<br />
Menge Holz nicht aufzunehmen. So wird<br />
Absatz im Ausland gesucht. Doch der<br />
Transport schafft wieder neue Probleme.<br />
OFFENE FRAGEN NACH DEM STURM<br />
Im Oberaargau hat der Orkan im östlichsten Teil (Gemeinden<br />
Eriswil, Huttwil, Gondiswil und Melchnau)<br />
die stärkste Wirkung entfaltet und die grössten Schäden<br />
angerichtet. Ausserordentlich schwer betroffen<br />
ist auch das Emmental. In der Gemeinde Sumiswald<br />
werden rund 120 Hektaren Wald «umgelegt». Im<br />
Durchschnitt hat der Sturm im Oberaargau etwa die<br />
dreifache-, in gewissen Gebieten sogar eine acht- bis<br />
zehnfache Jahresnutzung des Waldes geschlagen.<br />
Nach dem Erfassen der Waldschäden und des ungefähren<br />
Ausmasses des Sturmholzanfalles beginnt<br />
die Organisation der Aufräumarbeiten. Immer wieder<br />
tauchen neue Fragen und Probleme auf. Soll man<br />
das Holz aufrüsten oder liegen lassen? Wo und wie<br />
die aufgerüsteten Stämme lagern? Wo findet man<br />
Abnehmer? Wie transportiert man die grossen Mengen<br />
Holz? Und nicht zuletzt: Wie finanziert man das<br />
Ganze? Bund und Kanton versprechen schnelle Hilfe<br />
und grosse Kredite, die dann aber in den Parlamenten<br />
noch heftig diskutiert und zum Teil reduziert<br />
werden. Die Forstfachleute empfehlen und ordnen<br />
das rasche Wegräumen des geworfenen Holzes an,<br />
vor allem in Wäldern mit grossem Fichtenanteil, da<br />
man hier eine Invasion des Borkenkäfers befürchtet.<br />
Als Erleichterung für die Aufräumarbeiten wird das<br />
Verbot des Feuerns im Wald gelockert und das Verbrennen<br />
der bei Holzereiarbeiten anfallenden Äste<br />
ausnahmsweise erlaubt. In der Folge sieht man überall<br />
Rauchsäulen in den Himmel steigen. Um die<br />
grossen Mengen Holz innert nützlicher Frist aufzurüsten,<br />
fehlen manchenorts die Arbeitskräfte. Forstunternehmen<br />
und Holzergruppen aus dem Kanton<br />
Graubünden, aus Österreich und aus Deutschland<br />
werden deshalb beigezogen. Der Schweizer Markt<br />
vermag die riesige Menge Holz nicht aufzunehmen.<br />
So wird Absatz im Ausland gesucht. Abnehmer werden<br />
vor allem in Österreich gefunden. Auch aus dem<br />
Gebiet Oberaargau rollen viele tausend Tonnen Holz<br />
ins Ausland. Doch der Transport schafft wieder neue<br />
Probleme. Die Bahnen verfügen über zu wenig Rollmaterial,<br />
um diese ausserordentlichen Mengen sofort<br />
zu transportieren. Der Abtransport kommt ins<br />
Stocken. Das Holz, das nicht sofort auf den Markt<br />
gebracht werden kann (oder das man noch nicht auf<br />
den Markt bringen will) wird zum Teil in Nassla-<br />
22 s’Positive 10 / 2018
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HISTORY<br />
Forstleute überlegen, wie der<br />
Wald künftig aussehen soll. Vor<br />
«Lothar» mussten auch Baumarten<br />
und Bestandesformen,<br />
die als sturmfest gegolten haben,<br />
kapitulieren.<br />
gern konserviert. Mit der ständigen Berieselung<br />
durch Wasser wird eine Werterhaltung des Holzes<br />
angestrebt, um später, wenn die Nachfrage wieder<br />
ansteigt, einen bessern Verkaufspreis zu erzielen.<br />
Qualitativ gutes Sturmholz wird auch versuchsweise<br />
in Plastikfolie gelagert. In der luftdichten Verpackung<br />
mit Silofolie aus Polyethylen wird eine Schutzgasatmosphäre<br />
aus Kohlendioxid erzeugt, welche die<br />
Entwicklung von Holzschädlingen verhindert und<br />
die Austrocknung des Holzes wesentlich verzögert.<br />
Ist der Beruf des Waldarbeiters in normalen Zeiten<br />
schon mit hohen Unfallzahlen belastet, so ist die<br />
Holzerei in vom Sturm geworfenen Beständen noch<br />
viel gefährlicher. Privatwaldbesitzer mit wenig Erfahrung<br />
sind besonders gefährdet. Deshalb werden<br />
vom Amt für Wald des Kantons Bern zahlreiche eintägige<br />
Kurse für die Sturmholzerei angeboten, die<br />
auch rege benutzt werden. Trotzdem kommt es zu<br />
mehreren schweren und auch tödlichen Unfällen.<br />
Das grösste Problem: In den übereinandergeworfenen<br />
Stämmen gibt es enorme Spannungen. Werden<br />
die Stämme gesägt, kann es zu ruckartigen Entspannungen<br />
kommen. Wer zum falschen Zeitpunkt am<br />
falschen Ort steht, kann vom «ausschlagenden» Holz<br />
schwer verletzt werden.<br />
ALLE HELFEN MIT<br />
Zur Bewältigung der Aufräumarbeiten im Wald werden<br />
auch Militäreinheiten und Angehörige des Zivilschutzes<br />
aufgeboten. Viele Freiwillige beteiligen sich<br />
ebenfalls am Wegräumen des Sturmschadens. Spaziergänger<br />
müssen lange Zeit die Wälder meiden, bis<br />
die noch hängenden Bäume und andere Gefahren<br />
beseitigt sind. Es wird vor dem Betreten gewarnt; ist<br />
eine Holzergruppe am Werk, wird der Bereich des<br />
Holzschlages aus Sicherheitsgründen sogar gesperrt.<br />
Die grossen Veränderungen im Wald machen auch<br />
das Kartenmaterial der OL-Läufer unbrauchbar. Viele<br />
Orientierungspunkte sind ganz einfach verschwunden.<br />
Nicht allein der materielle Schaden, den<br />
der Sturm verursachte, gab und gibt immer noch zu<br />
denken. Mehr noch als der Ertragsausfall, den viele<br />
Waldbesitzer in Kauf nehmen müssen, schmerzt oft<br />
der Anblick des in einer kurzen Frist von Stunden<br />
oder sogar Minuten zerstörten Waldes. Zunichte gemacht<br />
ist die jahrzehntelange Pflegearbeit. Und für<br />
viele bedeutet der Wald nicht nur ein Stück Besitz<br />
und Einnahmequelle, sondern etwas, worauf man<br />
Gewaltsame Richtungsänderung<br />
an<br />
der Ahornstrasse<br />
in Eriswil.<br />
zurecht stolz ist und an dem das Herz hängt. Mancher<br />
Waldbesitzer macht am Sonntag einen Gang<br />
durch den Wald und verfolgt sein Gedeihen.<br />
Forstleute haben nach dem Ereignis Überlegungen<br />
anstellt, wie in Zukunft der Wald aussehen soll<br />
beziehungsweise, wie er gestaltet werden kann, um<br />
so gewaltigen Stürmen künftig standhalten zu können.<br />
Besonders, weil vor «Lothar» auch Baumarten<br />
und Bestandesformen, die als «sturmfest» gegolten<br />
haben, kapitulieren mussten. Ökologisch orientierte<br />
Waldfachleute streben deshalb – und nicht nur deshalb<br />
– eine naturnahe Bewirtschaftung mit dem Ziel<br />
eines arten- und strukturreichen Waldbestandes an.<br />
Mit dem Wissen, dass die Natur dafür eingerichtet<br />
ist, eine Schadensfläche selbst wieder mit Leben zu<br />
füllen, plädieren sie deshalb auch für das Liegenlassen<br />
des Sturmholzes.<br />
MAHNMAL FÜR DIE ZUKUNFT<br />
Die globalen Klimaverhältnisse haben sich verändert,<br />
ein Naturereignis wie «Lothar» kann sich wiederholen.<br />
Der Strunk einer 350-jährigen Linde beim<br />
Schloss Trachselwald, die dem Sturm zum Opfer fiel,<br />
wurde als Mahnmal auf der Ahornalp aufgestellt.<br />
Zugleich wurde an ihrem ursprünglichen Ort in einer<br />
luzernisch-bernischen Gemeinschaftsaktion ein junger<br />
Lindenbaum gepflanzt – als Zeichen des Glaubens<br />
an die Zukunft.<br />
24 s’Positive 10 / 2018
Restaurant Kreuz<br />
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NAIM MAKSUTI<br />
FRISCHER<br />
WIND<br />
AN DER LOTZWILSTRASSE 66<br />
IN LANGENTHAL<br />
Per 1. November übernimmt<br />
Naim Maksuti die<br />
Leitung der Bowling Center<br />
AG von Markus Bösiger.<br />
Zuvor brachte er das<br />
serbelnde Schoren Pintli<br />
wieder zum Laufen.<br />
TEXT: BRUNO WÜTHRICH; FOTOS: MARCEL BIERI<br />
Naim Maksuti weiss, von was er<br />
spricht, wenn er sagt, er wolle,<br />
dass es rockt. Denn zum Rocken<br />
gebracht hat er bereits das<br />
Schoren Pintli. Jetzt hat er an der Lotzwilstrasse<br />
66 Ähnliches vor. Im Gespräch mit<br />
s’Positive erzählt er von seinen Beweggründen<br />
und seinen Plänen.<br />
s’Positive: Sie haben das Schoren-Pintli<br />
sozusagen von Null auf hundert gebracht.<br />
Schmerzt es nicht, jetzt von da<br />
Abschied zu nehmen?<br />
Naim Maksuti: Doch, das schmerzt schon.<br />
Doch ich bin jetzt noch in einem Alter, in<br />
dem ich etwas erreichen kann. Für mich<br />
ist noch längst nicht die Zeit gekommen,<br />
in der ich das Erreichte nur noch verwalten<br />
möchte. Viel mehr möchte ich etwas<br />
zum Laufen bringen. Ich möchte, dass es<br />
hier rockt.<br />
Aber eben: Bis Ende November sind Sie<br />
noch im Schoren. Was haben Sie getan,<br />
dass es dort rockt?<br />
Eigentlich habe ich gar nicht viel getan.<br />
Ich repräsentierte in diesem Lokal mich<br />
selbst. Gastfreundlichkeit ist mir sehr<br />
wichtig. Ich liebe den Kontakt zu meinen<br />
Gästen. Und ich will, dass meine Gäste<br />
das spüren. Das Gleiche verlange ich auch<br />
von meinem Personal.<br />
Sind Sie ein strenger Chef?<br />
Ich bin eher ein offener Typ, der nicht zu<br />
sehr den Chef raushängen will. Ich bin<br />
nicht derjenige, der seine Mitarbeiter arbeiten<br />
lässt und einfach nur sagt, wo es<br />
lang gehen soll. Ich packe selbst mit an.<br />
Aber ich will, dass meine Mitarbeiter ihre<br />
Arbeit gerne machen. Dass sie den Gast<br />
mit einem Lächeln bedienen. Dass der<br />
Gast spürt, dass er willkommen ist.<br />
Sie waren im Schoren mit Pizzas erfolgreich.<br />
Ja. Aber als ich dort einstieg und Pizzas<br />
anbieten wollte, da lachte man mich aus.<br />
Es habe doch bereits genügend Pizzerias<br />
26 s’Positive 10 / 2018
«The meat» bietet ein<br />
äusserst angenehmes<br />
Ambiente.<br />
«Mit 14 Jahren fing ich<br />
als Pizzaiolo an. Bei<br />
mir ging es eigentlich<br />
immer um Pizzas. Die<br />
übrige Küche lernte ich<br />
über Umwege.»<br />
Maksuti möchte in der Lotzwilstrasse 66<br />
Essen für Jedermann bieten.<br />
in Langenthal. Was ich denn jetzt da noch<br />
wolle. Doch ich wollte trotzdem Pizzas<br />
machen und machte dies mit der gleichen<br />
Leidenschaft, wie ich sie heute noch habe.<br />
So, wie ich alles in meinem Restaurant<br />
mit Leidenschaft tue. Pizzas backen,<br />
kochen und auch servieren. Gastgeber zu<br />
sein, war immer mein Traum. Diesen<br />
Traum lebe ich jetzt.<br />
Sind Sie gelernter Koch?<br />
Nein. Ich fing seinerzeit im Pinocchio in<br />
Langenthal als Pizzaiolo an. Damals war<br />
ich erst 14 Jahre alt. Bei mir ging es eigentlich<br />
immer um Pizzas. Die übrige<br />
Küche lernte ich über Umwege. Ich besuchte<br />
seinerzeit die erste Pizza-Fachschule<br />
in Luzern. Weil die Firma Galbani<br />
Schweizer Meisterschaften im Pizzabacken<br />
organisierte, nahm ich mehrmals<br />
teil und belegte immer vorderste Plätze.<br />
Als Pizzaiolo arbeitet man automatisch<br />
immer in der Küche. So ergab es sich,<br />
dass ich nicht nur Pizzas backte, sondern<br />
auch sonst in der Küche mitarbeitete und<br />
dabei lernte. Ich profitierte davon, dass<br />
ich auch mit Fünf-Sterne- Köchen arbeiten<br />
und von ihnen lernen durfte. Als ich<br />
dann das Schoren Pintli übernahm,<br />
machte ich in der ersten Zeit von A-Z alles<br />
selbst, bis es schliesslich so gut lief,<br />
dass ich reagieren musste. Da stellte ich<br />
dann einen gelernten Koch ein.<br />
Also fast ein wenig eine Tellerwäscher-<br />
Karriere.<br />
Ja, das kann man so sagen. Wenn man<br />
alles alleine macht, dann wäscht man<br />
auch Teller. Mittlerweile haben diverse<br />
Leute, die von mir angelernt wurden, gute<br />
Jobs in der Gastronomie.<br />
Nehmen Sie immer noch an diesen<br />
Meisterschaften teil?<br />
Nein, heute nicht mehr. Ich habe Familie<br />
und bin inzwischen Vater von drei Kindern.<br />
Da lässt es die Zeit nicht mehr zu,<br />
überall hinzureisen, um an Meisterschaften<br />
teilzunehmen.<br />
Was werden Sie im «Elemänt» verändern?<br />
Wir werden das Angebot erweitern. Wir<br />
haben hier einen grossen Betrieb. Wir<br />
wollen uns hier nicht einfach nur auf<br />
Fleisch konzentrieren. Mir fehlen die Vorspeisen,<br />
die Antipasti, die Pastas, und<br />
eben die Pizzas. Mir fehlt aber auch die<br />
gut bürgerliche Küche mit Kalbsleberli<br />
und Cordon bleu. Dies alles muss in einem<br />
grossen Betrieb mit derart vielfältigen<br />
Möglichkeiten seinen Platz haben.<br />
Damit werden Sie auch zusätzliche<br />
Kundensegmente ansprechen.<br />
Ja, das wollen wir. Wir müssen hier sozusagen<br />
«multikulti» werden. Wir wollen<br />
sowohl junge wie auch ältere Menschen<br />
sowie auch Familien mit Kindern ansprechen.<br />
Alle sollen hier essen können. Wir<br />
bieten für jedes Budget etwas an.<br />
Sie haben genügend Räumlichkeiten<br />
zur Verfügung.<br />
s’Positive 10 / 2018 27
NAIM MAKSUTI<br />
«Wir wollen in erster<br />
Linie ein Speiserestaurant<br />
bleiben. Doch mit<br />
Events ist immer zu<br />
rechnen – etwa mit Livemusik<br />
oder Lesungen.»<br />
In der Dreschhütte können<br />
Familienfeste, Polterabende<br />
und vieles mehr stattfinden.<br />
Ja, das ist eine grosse Stärke. Wir haben<br />
abgetrennte Räume, in welchen Firmenanlässe,<br />
Polterabende, Familien- und Geburtstagsfeiern<br />
stattfinden können. Dabei<br />
können wir aber überall «à la carte»<br />
anbieten.<br />
Sie erwähnten die italienische wie<br />
auch die gutbürgerliche Küche. Was ist<br />
mit dem Steakhouse «The Meat»?<br />
Dies bleibt natürlich ein wichtiger, exklusiver<br />
Teil unseres Angebotes. Mit unserem<br />
speziellen Grill, den wir auf 800 Grad erhitzen<br />
können, haben wir die Möglichkeit,<br />
unseren Gästen etwas ganz Besonderes zu<br />
bieten. Doch «The Meat» wird eben lediglich<br />
ein Teilbereich unseres Angebots sein.<br />
Bei uns sollen sich alle wohlfühlen, ohne<br />
dass sie ihr Budget sprengen müssen. Ich<br />
weiss ja, wie es mir selber geht. Auch ich<br />
habe eine fünfköpfige Familie und ich<br />
könnte mir deshalb nicht jeden Monat mit<br />
meiner ganzen Familie «The Meat» leisten.<br />
Aber wenn auch Spaghetti und Pizza,<br />
und für die Kinder, wenn sie mögen, Pommes<br />
und Chicken Nuggets möglich sind,<br />
so liegt dies eher im Budget.<br />
Werden hier auch Events stattfinden?<br />
ZUSATZINFOS<br />
Der Betrieb<br />
An der Lotzwilstrasse 66 in Langenthal<br />
befinden sich im zweiten Stock<br />
die zur Bowling Center AG gehörenden<br />
Restaurantbetriebe «Gastro Element»,<br />
«The Meat» und «La Gioia»,<br />
sowie die «Dreschhütte» und die<br />
«Garage». Im dritten Stock des gleichen<br />
Gebäudes befindet sich das<br />
Bowlingcenter. Gleich dahinter steht<br />
das Hotel mit Museum kurz vor der<br />
Fertigstellung. Beides wird von den<br />
Restaurantbetrieben direkt und trockenen<br />
Fusses erreichbar sein. Dazu<br />
gehörig ist auch das Fitnesszentrum<br />
Maxfit mit seiner Wellness-Oase<br />
«Five Seasons», beides befindet sich<br />
in einem separaten Gebäude unmittelbar<br />
neben dem Hotel.<br />
Wir wollen in erster Linie ein Speiserestaurant<br />
bleiben. Doch mit Events ist trotzdem<br />
immer zu rechnen. Zum Beispiel mit<br />
Livemusik oder Lesungen. Dies wird sich<br />
ergeben müssen. Allzu viel kann ich dazu<br />
noch nicht sagen. Wichtig wird sein, wie<br />
so etwas bei den Gästen ankommt. Dies<br />
herauszuspüren, ist meine Aufgabe. Tatsache<br />
ist aber, dass bei uns Events möglich<br />
sind. Zum Beispiel Firmenevents sowohl<br />
im kleinen als auch im grösseren<br />
Rahmen.<br />
Was sehen Sie als Ihre hauptsächliche<br />
Herausforderung?<br />
Wir haben hier alles, was es braucht, um<br />
erfolgreich zu sein. Wichtig ist, dass ich<br />
ein Team habe, das mitzieht, das gleich<br />
tickt wie ich, und das die Gäste so behandelt,<br />
wie ich möchte, dass sie behandelt<br />
werden. Unsere Gäste sollen mit Freude<br />
und einem Lächeln bedient werden. Wir<br />
haben bereits gute Leute da. Und ich werde<br />
aus dem Schoren-Pintli auch noch eine<br />
oder zwei Mitarbeiter/Innen mitbringen.<br />
Speziell sind auch die Räumlichkeiten<br />
selbst. Zum Beispiel die urchige<br />
«Dresch hütte» oder die «Garage».<br />
Ja, sowohl die Dreschhütte wie auch die<br />
Garage sind etwas ganz Besonderes.<br />
Doch mit deren Realisierung habe ich<br />
noch nichts zu tun. Viel mehr hat hier<br />
Markus Bösiger seine Ideen verwirklicht.<br />
In der Garage könnten beispielsweise ein<br />
paar Schrauber eine Geburtstagsparty<br />
feiern oder ihr Feierabendbier trinken.<br />
Die Dreschhütte eignet sich für Familienfeiern<br />
und Firmenanlässe, aber auch für<br />
Weihnachtsessen mit Familie und Verwandten.<br />
Dabei läuft der normale Betrieb<br />
im «Elemänt» und im «The Meat» weiter.<br />
Was wir hier anbieten, ist wohl sogar<br />
schweizweit einmalig.<br />
Weihnachtsessen?<br />
Sie haben richtig gehört. Ich strebe einen<br />
Betrieb an, der täglich geöffnet hat. Zum<br />
Beispiel auch an Weihnachten, wo sonst<br />
fast niemand geöffnet hat. Es ist doch ein<br />
Vorteil, wenn an Weihnachten nicht selbst<br />
gekocht werden muss, und man mit seinen<br />
Liebsten trotzdem in stimmungsvollem<br />
Ambiente feiern kann. Doch wir wollen<br />
an Festtagen auch ein Ort sein, wo<br />
Menschen hingehen können, um das Fest<br />
nicht alleine begehen zu müssen.<br />
In wenigen Monaten wird das Hotel<br />
mit seinem grossen Museum eröffnet.<br />
Welche Chancen sehen sie dort?<br />
Hier sehe ich grosse Chancen. Stellen Sie<br />
sich vor, Sie besuchen das Auto-Museum,<br />
lassen danach die herrlichen Unterwasser-Welten<br />
mit den Fischen auf sich wirken,<br />
schieben danach im Bowlingcenter<br />
eine ruhige Kugel und essen anschliessend<br />
etwas Feines im «Elemänt», im<br />
«The Meat» oder im «La Gioia», wie unser<br />
italienisches Restaurant heissen wird.<br />
Wieso sollten unsere Gäste nicht den ganzen<br />
Tag bei uns verbringen? Hier werden<br />
Seminare mit Übernachtung stattfinden,<br />
bei welchen die Teilnehmer zum Beispiel<br />
noch Zerstreuung finden oder sich im Fitnesscenter<br />
Maxfit austoben können. All<br />
dies, ohne dass Sie dazwischen ein Auto<br />
besteigen müssen.<br />
Von wegen Autos: Parkplätze haben<br />
Sie genug.<br />
Ja, wir werden insgesamt 500 Park- und<br />
Einstellhallenplätze anbieten können.<br />
Die «Garage»<br />
könnte zum<br />
Treffpunkt von<br />
Mechanikern<br />
werden.<br />
28 s’Positive 10 / 2018
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Mittwoch & Donnerstag: 14:00–23:00 Uhr | Freitag: 14:00–24:00 Uhr<br />
Samstag: 14:00–24:00 Uhr | Sonntag: 10:00–20:00 Uhr<br />
Lotzwilstrasse 66 | 4900 Langenthal | Tel. 062 919 01 14<br />
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Reservationen nehmen wir gerne unter 062 919 01 16 oder reservation@themeat.ch entgegen.<br />
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HORNUSSER-LEXIKON<br />
BEGRIFF<br />
DIE SCHINDEL<br />
Die Schindel ist für den Abtuer das wichtigste<br />
Hilfsmittel. Sie wird verwendet, um den anfliegenden<br />
«Nouss» zu stoppen. Sie wiegt etwa vier Kilo<br />
und ist ein aus Esche oder Ulme verleimtes Brett.<br />
Seit einiger Zeit sind auch Schindeln mit einer<br />
Trefferfläche aus neuen Kunststoffmaterialien auf<br />
dem Markt. Das Zentrum der Schindel darf mit<br />
einer von der «Technischen Kommission TK» des<br />
«Eidgenössischen Hornusserverbandes EHV»<br />
bewilligten Holz-, Teppich-oder Kunststoffrondelle<br />
verstärkt sein. Das Werkzeug der Abtuer darf eine<br />
Fläche von höchstens 65 x 65 Zentimetern und<br />
eine Brettdicke von 16 bis 19 Millimetern aufweisen.<br />
Die Länge des Stiels ist auf 1,35 Meter definiert.<br />
Jede Hornussergesellschaft hat ihre eigenen<br />
Farben und Symbole auf die Schindel gemalt. Vielfach<br />
ist es das Wappen des jeweiligen Dorfes. Oftmals<br />
werden auch Werbungen von Sponsoren auf<br />
der Rondelle der Schindel angebracht.<br />
Thommen AG – Ihr Recycling Experte seit mehr als 80 Jahren<br />
Recycling ist der Schlüssel zur nachhaltigen<br />
Rohstoffgewinnung. Unsere Stärken<br />
sind ein fundiertes Wissen in Bezug auf<br />
die Behandlung und Sortierung von Metallen<br />
und Wertstoffen sowie eine langjährige<br />
Kenntnis des Marktes.<br />
Seit über 80 Jahren beschäftigen wir uns<br />
mit Recycling. Das macht uns zu Experten<br />
auf diesem Gebiet. Unser Kerngeschäft ist<br />
das Recycling von Eisen- und Metallschrott,<br />
Elektronikschrott, Autos sowie das Recycling<br />
für Industrie und Gemeinden. Täglich<br />
sortieren und verarbeiten wir Tonnen von<br />
Material. Möglich machen das unsere qualifizierten<br />
Mitarbeitenden und die gut ausgebaute<br />
Infrastruktur: 34 500 m² gesichertes<br />
Werkareal, davon 14 500 m² überdacht,<br />
ein Fuhrpark und eine breite Auswahl von<br />
Behältern sowie ein eigener Bahnanschluss<br />
und unser Standort am Rheinhafen Basel.<br />
Wir handeln national und international<br />
gemäss den marktüblichen Usanzen und<br />
Klassifizierungen und nutzen online die<br />
aktuellen Notierungen der Metallbörse.<br />
Thommen zählt heute mit ihren Tochterunternehmen<br />
und Beteiligungen zu den führenden<br />
Recycling-Gruppen der Schweiz.<br />
Thommen ist eine Familien-Aktiengesellschaft<br />
und wird bereits in der dritten Generation<br />
von der Familie Thommen geleitet.<br />
30 s’Positive 10 / 2018
Unsere Partner des 39. Eidg.<br />
Hornusserfests 2021 Bleienbach<br />
| Thörigen:<br />
I n d u B a u A G<br />
CH-4617 Gunzgen<br />
Tel. 062 / 216 10 77<br />
Projektierung & Montage info@indubau.ch<br />
von Industriebauten www.indubau.ch<br />
Das<br />
s’Positive<br />
Hornusser-<br />
Lexikon für<br />
Laien<br />
Weil die Thommen Gruppe eine Familie ist,<br />
treten wir als Sponsor für das Hornusserfest<br />
2021 auf. Die Nähe zu unserer Tochterfirma<br />
Zimmerli AG in Aarwangen und der<br />
Wunsch, regionale Ereignisse zu fördern,<br />
veranlassen uns dazu, diesen Anlass zu unterstützen.<br />
Ganz gemäss unserem Firmenleitbild<br />
stehen wir für Schweizer Werte<br />
wofür auch das Hornusserfest 2021 steht.<br />
NOE Schalung auch bei<br />
BR Bauhandel erhältlich<br />
TEXT: THOMMEN AG<br />
s’Positive 10/ 2018 31<br />
FOTOS: MARCEL BIERI
MATTHIAS HOFBAUER<br />
Matthias Hofbauer<br />
gilt als einer der besten<br />
Unihockeyspieler<br />
– auch ausserhalb der<br />
Schweiz.<br />
32 s’Positive 10 / 2018
Der<br />
WAYNE<br />
GRETZKY<br />
des Unihockeys<br />
Matthias Hofbauer (37) ist der überragende Unihockeyaner<br />
der Schweiz. In jungen Jahren eher «Spitzensportler<br />
mit Exotenstatus», gedieh er im Verlauf<br />
seiner Karriere in der aufstrebenden Sportart immer<br />
mehr zum «Mass aller Dinge» in der Schweiz.<br />
TEXT: KLAUS ZAUGG UND BRUNO WÜTHRICH<br />
Kein Zweifel: Wäre Unihockey eine<br />
Geldsportart wie Fussball<br />
oder Eishockey, Matthias Hofbauer<br />
wäre einer der Grossverdiener<br />
im Sport. Und doch bereute er<br />
seinen Entscheid fürs Unihockey nie. Profi<br />
wurde er trotzdem und die Sportart<br />
prägte sein Leben. Matthias Hofbauer<br />
wurde zur dominierenden Figur im<br />
schweizerischen Unihockey und zu einem<br />
der besten Spieler der Welt.<br />
s’Positive: Wie geht es dem «Wayne<br />
Gretzky des Unihockeys?»<br />
Sie sollten nicht übertreiben, diese Bezeichnung<br />
ist eine Erfindung von Ihnen.<br />
Ich bin einfach schon lange dabei.<br />
Wir übertreiben nicht. Sie gelten nicht<br />
nur als der grösste Schweizer Spieler<br />
aller Zeiten. Sie sind auch international<br />
einer der Grossen.<br />
Es sind vor allem verrückte Jahre. Als ich<br />
ein Junior war, gab es den SV Wiler-Ersigen<br />
als NLA-Spitzenmannschaft noch<br />
nicht und ich träumte einfach davon, ein-<br />
mal in der 1. Mannschaft zu spielen, egal<br />
ob in der NLB oder NLA.<br />
Kein Traum von der Nationalmannschaft,<br />
von einer WM-Teilnahme?<br />
Nein, nie. Ich hatte nie Träume und Visionen,<br />
ich habe in meiner Karriere<br />
immer Schritt für Schritt genommen.<br />
Das sagt natürlich heute<br />
jeder. Aber es war wirklich so<br />
und ich bin damit gut gefahren.<br />
1998 durfte ich mit<br />
meinen Eltern die Unihockey-WM<br />
in Prag<br />
besuchen und ich<br />
wagte nicht einmal<br />
davon zu träumen,<br />
einmal in der Nationalmannschaft<br />
zu spielen.<br />
Ein Jahr später bekam ich<br />
mein erstes Nationalmannschafts-Aufgebot.<br />
Warum eigentlich Unihockey?<br />
Warum nicht Fussball oder Eishockey?<br />
Ich war als Kind einmal in Zuchwil im<br />
Probetraining. Aber ich konnte viel zu<br />
wenig gut Schlittschuhlaufen. Ich war nie<br />
viel auf dem Eis, wir wohnten ja auch<br />
nicht in der Nähe einer Eisbahn. Wir<br />
spielten Fussball, Strassenhockey oder<br />
eben Unihockey. Schliesslich musste ich<br />
mich zwischen Unihockey und Fussball<br />
entscheiden.<br />
Und warum Unihockey?<br />
Es ging beim FC Solothurn<br />
um den Wechsel von<br />
der U15 in die U16-<br />
Mannschaft. Ich<br />
war mit meinem<br />
Vater bei Hanspeter<br />
Latour, der damals<br />
Trainer in Solothurn<br />
war. Ich hätte<br />
mehr Zeit in den Fussball<br />
investieren müssen.<br />
Aber ich war im Gymnasium<br />
und das passte mir<br />
nicht recht. Zudem<br />
s’Positive 10 / 2018 33
MATTHIAS HOFBAUER<br />
Zur Person<br />
Matthias Hofbauer (*22. Mai 1981)<br />
ist in Bätterkinden aufgewachsen und<br />
spielt seit 1994 beim SV Wiler-Ersigen.<br />
Dort hat er bei den C-Junioren angefangen<br />
und sich zu einem der besten<br />
Spieler der Welt entwickelt. Er ist der<br />
«Wayne Gretzky» des helvetischen<br />
Unihockeys. Ein Stürmer mit einer alles<br />
überragenden Spielintelligenz. 1999 ist<br />
er zum ersten Mal in die Nationalmannschaft<br />
aufgeboten worden und gehört<br />
seitdem zum Stamm unseres Nationalteams<br />
– lediglich eine Saison lang hat<br />
er auf eigenen Wunsch im Nationalteam<br />
ausgesetzt. Mit Ausnahme von insgesamt<br />
drei Jahren (2002 Jönköpings<br />
IK, 2007 und 2008 IBK Dalen) in der<br />
höchsten schwedischen Liga ist er dem<br />
SV Wiler-Ersigen treu geblieben. Auch<br />
in der weltbesten Liga in Schweden (die<br />
NHL des Unihockeys) war er eine dominierende<br />
Spielerpersönlichkeit und bei<br />
IBK Dalen Captain.<br />
mals Meister wurden, gab es einen ersten<br />
Boom, der dann aber nach und nach verebbte.<br />
Die TV-Präsenz verlieh dem Sport<br />
einen weiteren Entwicklungsschub. Wenn<br />
der Verband auf seiner Homepage das Datum<br />
des Cupfinals aufschaltet, dann sind<br />
sehr schnell alle Tickets verkauft. Beim<br />
Superfinal, der die Meisterschaft entscheidet,<br />
ist es allerdings nicht ganz so einfach.<br />
Da müssen die Vereine sogar Tickets kaufen<br />
und «intern» loswerden.<br />
Dieser Superfinal ist ein Novum im<br />
Schweizer Sport. Statt in einer Playoff-<br />
Serie wie im Hockey wird die Meisterschaft<br />
der Männer und der Frauen seit<br />
2014 am gleichen Tag im gleichen Stadion<br />
in einem einzigen Spiel entschieden.<br />
Es gehört ja ein wenig zum Sport, Verbände<br />
zu kritisieren. Das gilt für uns nicht.<br />
Die Verantwortlichen bei uns sind ganz<br />
war das Spiel mit dem Stock meine Leidenschaft.<br />
Also entschied ich mich für<br />
Unihockey. Ein Jahr später spielte ich mit<br />
Wiler-Ersigen in der NLA und der Zeitaufwand<br />
war eher noch grösser.<br />
Inzwischen ist Unihockey Ihr Beruf geworden.<br />
Nicht als Profi, der hohe Saläre<br />
verdient, eher als Unternehmer.<br />
Ich musste nach und nach herausfinden,<br />
was sich aus meiner Kernkompetenz Unihockey<br />
machen lässt. Wir organisieren<br />
Sommercamps, Wintercamps, ich mache<br />
Trainingsbesuche und vermittle mein<br />
Wissen. Der andere Teil ist der Verkauf<br />
von Sportbekleidung an Vereine, inzwischen<br />
übers Unihockey hinaus. Das läuft<br />
ziemlich gut, wir sind ein Land der Sportvereine.<br />
Wo steht unser Unihockey heute?<br />
In einer sehr guten Position. In der Anfangszeit,<br />
als wir mit Wiler-Ersigen erstschön<br />
dynamisch und dieser Superfinal<br />
ist ein Beispiel dafür. Wir füllen ein Hockeystadion<br />
– beispielsweise den Schluefweg<br />
in Kloten –, bekommen Direktübertragungen<br />
im Fernsehen und damit beste<br />
Werbung für unseren Sport.<br />
Es ist ein mutiger Schritt, eine ganze<br />
Meisterschaft in einem einzigen Spiel<br />
zu entscheiden.<br />
Ja, mit riesigen sportlichen Auswirkungen,<br />
und die sind nicht zum Vorteil eines<br />
Spitzenteams wie Wiler-Ersigen. Es war<br />
schwieriger, uns in einer Finalserie zu bezwingen.<br />
Jetzt gilt es, in den Final zu<br />
kommen und dann ist es möglich, in einem<br />
einzigen Spiel alles zu gewinnen. In<br />
nur einem Spiel kann immer alles passieren.<br />
Es wird für einen Aussenseiter einfacher,<br />
Meister zu werden.<br />
Was fehlt, damit Unihockey auch im<br />
Liga-Alltag Stadien füllt?<br />
34 s’Positive 10 / 2018
Hofbauer spielt seit 1994 beim SV Wiler-Ersigen.<br />
In erster Linie die Infrastruktur. Unihockey<br />
ist daran, sich vom «Turnhallen-Groove»<br />
zu lösen. Wenn wir mehr gute Stadien bekommen,<br />
dann ist ein Schnitt von über<br />
1000 Zuschauern pro Spiel möglich. Auch<br />
dank der Fernsehübertragungen wächst<br />
die Unihockeygemeinde. Als ich 2004 erstmals<br />
im Sportpanorama war, ging es vor<br />
allem darum, unseren Sport zu erklären.<br />
Wir waren Exoten. Inzwischen werden wir<br />
ernst genommen und bei einem Fernsehauftritt<br />
geht es gleich um die Gründe für<br />
den Erfolg und die Analyse eines Spiels.<br />
Das ist ein riesiger Unterschied.<br />
Das Timing ihrer Karriere ist perfekt.<br />
Sie haben die ganze Entwicklung miterlebt<br />
und mitgeprägt. Zuerst Exote,<br />
jetzt respektierter Spitzensportler. Ist<br />
dabei auch ein bisschen die Romantik<br />
verlorengegangen?<br />
Es ist tatsächlich so, dass bereits bei den<br />
Junioren der Ehrgeiz der Eltern viel grösser<br />
geworden ist, ähnlich wie im Fussball.<br />
Der Antrieb ist noch nicht das Geld<br />
wie im Fussball. Aber die Medienpräsenz,<br />
die nun auch bei uns möglich ist, stachelt<br />
an. Es ist wichtig, dass wir die Werte unseres<br />
Sportes behalten können.<br />
Ist Geld kein Faktor?<br />
Nein, im Vergleich zu Fussball oder Eishockey<br />
spielt Geld bei uns keine Rolle. Karriere-Entscheidungen<br />
aus finanziellen<br />
Gründen gibt es noch nicht. Im Volleyball<br />
oder Basketball werden einzelne Spieler<br />
besser bezahlt. Diese Sportarten erzielen<br />
zwar bei uns auch nicht mehr Einnahmen<br />
als Unihockey. Aber für Volleyball und<br />
Basketball braucht es weniger Spieler, im<br />
Unihockey ist ein Kader von 22 Mann erforderlich.<br />
Spieler werden also nicht, wie im Fussball<br />
oder Eishockey, mit lukrativen<br />
Verträgen abgeworben?<br />
Nein. Es gibt höchstens einen Wechsel,<br />
weil ein Verein eine gute Arbeitsstelle vermitteln<br />
kann.<br />
Wieviel kann ein Unihockey-Profi bei<br />
uns verdienen?<br />
Ich weiss nicht, was meine Nationalmannschaftskollegen<br />
verdienen und ich<br />
will es auch gar nicht wissen. Ich kann<br />
mir nicht vorstellen, dass einer in der<br />
Schweiz auf 5000 Franken im Monat<br />
kommt.<br />
Dann muss man es sich leisten können,<br />
Profi zu sein…<br />
Das haben Sie schön gesagt. Aber es ist<br />
wirklich so. Deshalb beenden viele Spieler<br />
ihre Karriere oft lange bevor sie 30<br />
sind. Weil sie auf den Beruf setzen.<br />
Wie hoch sind die Budgets der Spitzenklubs?<br />
Ganz klar weniger als eine Million.<br />
«Nach einer Saison als Profi<br />
wurde es mir langweilig. Ich<br />
muss einfach arbeiten, damit<br />
ich auf andere Gedanken<br />
komme.»<br />
Sie waren Profi in Schweden. Die Liga<br />
in Schweden ist so etwas wie die NHL<br />
des Unihockey. Wie ist es dort?<br />
In Schweden ist es eher möglich, im Alter<br />
zwischen 20 und 30 ganz auf Unihockey<br />
zu setzen. Aber es wurde mir nach einer<br />
Saison als Profi langweilig. Ich muss einfach<br />
arbeiten können. Damit ich auch auf<br />
andere Gedanken komme. Ich wäre auch<br />
in einem anderen Sport nie Profi geworden.<br />
Wenn’s läuft, mag es ja ein schönes<br />
Leben sein. Aber wenn die Leistung nicht<br />
mehr stimmt, dann beginnt man, sich im<br />
Kreis zu drehen und kann sich kaum<br />
mehr aus einer Negativ-Spirale lösen. Im<br />
zweiten Jahr in Schweden habe ich dann<br />
60 Prozent gearbeitet und Essen ausgetragen.<br />
Ich hatte Angebote, um in Schweden<br />
zu bleiben, sogar eines als Spielertrainer.<br />
Aber ich wollte zurück in die<br />
Schweiz.<br />
Wie gross ist der Unterschied zwischen<br />
den obersten Ligen bei uns und in<br />
Schweden?<br />
Die sportliche Differenz wird überschätzt.<br />
Natürlich hat die höchste Liga in Schweden<br />
ein etwas höheres Niveau und die<br />
Durchschnittsspieler sind besser. Aber<br />
unsere besten Spieler können sich in<br />
Schweden durchsetzen und eine tragende<br />
Rolle übernehmen. Vorausgesetzt, sie<br />
sind im richtigen Verein und haben einen<br />
Trainer, der auf sie setzt.<br />
Dann ist die sportliche Differenz ähnlich<br />
wie im Eishockey zwischen unserer<br />
NLA und der NHL.<br />
Ja, so kann man es sagen. Aber Schweden<br />
hat auch eine andere Sportkultur. Wenn<br />
ich in Schweden sagte, ich sei Unihockey-<br />
Profi, dann wurde ich als Spitzensportler<br />
akzeptiert. Wenn ich in der Schweiz sage,<br />
ich sei Unihockeyprofi, dann schauen die<br />
Leute ein bisschen verwundert und fragen,<br />
was ich denn arbeite.<br />
Deshalb gibt es in Schweden mehr Unihockey-Profis?<br />
Ja. Es ist nicht so, dass wir nicht genügend<br />
gute Spieler haben. Die Frage ist<br />
eben auch, ob sich einer dazu entschliesst,<br />
alles aufs Unihockey zu setzen. Lange Zeit<br />
gaben viele wegen der beruflichen Belastung<br />
mit 25 oder 26 das Spitzenunihockey<br />
auf. Das führte<br />
dazu, dass wir fast alle zwei<br />
Jahre die Nationalmannschaft<br />
neu aufbauen mussten. Bereits<br />
2002 fragte mich ein Mitspieler<br />
besorgt, ob die Nati<br />
weiterhin mit mir rechnen<br />
könne. Da war ich 21 und sagte,<br />
so ein oder zwei WM möchte<br />
ich schon noch dabei sein.<br />
Unser Unihockey braucht also mehr<br />
Profis?<br />
Ja, aber es wird immer besser. Beim SV<br />
Wyler-Ersigen haben wir beispielsweise<br />
mit Thomas Berger einen vollamtlichen<br />
Trainer. Der Verband führt für die<br />
s’Positive 10 / 2018 35
MATTHIAS HOFBAUER<br />
Erfolgreichstes Sportunternehmen<br />
Der Sportverein Wiler-Ersigen ist das<br />
erfolgreichste Sportunternehmen der<br />
Schweiz im 21. Jahrhundert.<br />
1984 wird der SV Wiler von elf Gründungsmitgliedern<br />
ins Leben gerufen<br />
und steigt 1987 in die Nationalliga B<br />
und 1988 erstmals in die Nationalliga<br />
A auf. 1989 folgt die Fusion mit dem<br />
UHC Ersigen und so entsteht der SV<br />
Wiler-Ersigen (www.svwe.ch).<br />
Die grosse Zeit beginnt 1996 mit dem<br />
Abstieg in die NLB. Nach einjährigem<br />
Gastspiel in der zweithöchsten Liga<br />
kehrt die Mannschaft 1997 wieder in<br />
die NLA zurück und entwickelt sich<br />
zur erfolgreichsten Unihockey-Mannschaft<br />
aller Zeiten. Eine Dominanz<br />
über eine so lange Zeitspanne hinweg<br />
hat es in der Schweiz im Mannschaftsport<br />
des 21. Jahrhunderts noch nie<br />
gegeben. Seit dem ersten Titel von<br />
2004 gehört der SV Wiler-Ersigen<br />
Jahr um Jahr zu den Meisterschaftsfavoriten,<br />
ist nie in eine Krise geraten<br />
und hat bereits elfmal (!) den Titel geholt<br />
(2004, 2005, 2007,2008, 2009,<br />
2010, 2011, 2012, 2014, 2015 und<br />
2017). Der SV Wiler-Ersien ist zudem<br />
neben den ZSC Lions (Champions League-Sieger<br />
2009 im Eishockey) die<br />
einzige Schweizer Mannschaft, die einen<br />
europäischen Klubwettbewerb<br />
gewonnen hat (Europacup-Sieger<br />
2005). Unter der Führung von Marcel<br />
Siegenthaler (er ist im Hauptberuf Geschäftsführer<br />
des Sportzentrums<br />
Zuchwil) ist der SV Wiler-Ersigen auf<br />
und neben dem Spielfeld zu einem<br />
Vorzeige-Sportunternehmen mit einer<br />
exzellenten Nachwuchsabteilung und<br />
Strahlkraft über das Unihockey hinaus<br />
geworden. Marcel Siegenthaler gilt als<br />
«Marc Lüthi des Unihockeys», ist aber<br />
nicht Präsident. Dieses Amt bekleidet<br />
Reto Luginbühl. Die Heimspiele werden<br />
in Zuchwil (Sportzentrum) und<br />
Kirchberg (Grossmatt) ausgetragen.<br />
Nachwuchsausbildung regionale Leistungszentren.<br />
Damit wird es einfacher,<br />
das Unihockey mit der Ausbildung zu<br />
kombinieren. Und es gibt erste Unihockey-Gymnasien.<br />
Die Infrastrukturen<br />
werden besser. Es geht in die richtige<br />
Richtung, aber wir sind noch weit hinter<br />
Schweden zurück. Als ich in Schweden<br />
war, spielten wir in einer wunderbaren<br />
Arena. Dann hiess es, nun werde eine<br />
neue Unihockeyhalle gebaut. Die staatliche<br />
Förderung des Sportes, vor allem der<br />
Infrastruktur, ist in Schweden viel grösser<br />
als bei uns.<br />
Im Mannschaftsport ist eine jahrelange<br />
Dominanz fast unmöglich, auch grosse<br />
Mannschaften durchlaufen Krisen.<br />
Warum hat es in 20 Jahren bei Wiler-<br />
Ersigen noch nie eine echte Krise gegeben?<br />
Wie kommt es, dass Wiler-Ersigen<br />
seit Menschengedenken die erste Adresse<br />
in unserem Unihockey ist?<br />
Wir sind zwar auch schon mal im Playoff-<br />
Viertelfinale ausgeschieden, aber wenn<br />
ich mir das so überlege, haben Sie eigentlich<br />
schon recht: wir hatten noch nie eine<br />
richtige Krise.<br />
Warum ist das so?<br />
Mit seiner Firma<br />
organisiert Hofbauer<br />
auch Unihockey-<br />
Camps.<br />
36 s’Positive 10 / 2018
Als wir 2004 erstmals Meister wurden,<br />
waren wir eine sehr junge Mannschaft.<br />
Diese Spielergruppe hat als Kern die<br />
Mannschaft über Jahre getragen. Dazu<br />
kommt, dass Schweizer die Mannschaft<br />
prägen und die ausländischen Spieler bei<br />
uns eher Ergänzungen sind, während bei<br />
der Konkurrenz die Ausländer eine viel<br />
wichtigere Rolle einnehmen und die<br />
Mannschaft eher um die Ausländer herum<br />
gebaut wird. Und ganz wichtig ist bei<br />
uns die Konstanz im Umfeld. Wir haben<br />
beispielsweise mit Marcel Siegenthaler<br />
einen Sportchef, der sich ganz dem Unihockey<br />
verschrieben hat, der sich um jedes<br />
Detail kümmert und dafür sorgt, dass<br />
wir es nie schleifen lassen. Sonst gibt es<br />
eins aufs Dach.<br />
Marcel Siegenthaler ist beim SV Wiler-<br />
Ersigen wohl so etwas wie der Marc<br />
Lüthi beim SC Bern?<br />
Ja, aber er versucht inzwischen, etwas<br />
kürzer zu treten. Wir haben mit Reto Luginbühl<br />
einen sehr starken Präsidenten<br />
und mit Hanspeter Hiltbrunner einen<br />
neuen Sportchef.<br />
Aber Marcel Siegenthalers E-Mail-Adresse<br />
lautet noch immer: Sportchef@<br />
SVWE.ch.<br />
Ja, natürlich, er ist immer noch da und<br />
das ist gut so.<br />
Was ist eigentlich der Unterschied zwischen<br />
dem Matthias Hofbauer von<br />
2002 und 2018?<br />
Ich muss mein Spiel immer wieder anpassen.<br />
2012 dachte ich, jetzt habe ich es<br />
gesehen, jetzt kenne ich wirklich alles.<br />
Doch der damalige Naticoach Petteri Nykky<br />
aus Finnland (von 2010–2014 im Amt<br />
/die Red.) motivierte und inspirierte<br />
mich neu. Trainer, die rund um die Uhr<br />
für unseren Sport leben, vermögen einem<br />
immer wieder neu zu begeistern. Das ist<br />
auch bei Thomas Berger so.<br />
Wie hat sich das Spiel seither verändert?<br />
Ich habe kürzlich eine Aufzeichnung eines<br />
Spiels aus dem Jahre 2004 angeschaut.<br />
Da ist mir bewusst geworden, wie<br />
viel intensiver und schneller das Spiel<br />
heute geworden ist, und wie man einst<br />
viel mehr Platz und Zeit hatte.<br />
Aber Sie skoren immer noch fast wie<br />
damals. Weil sich Spielintelligenz immer<br />
durchsetzt. Deshalb haben wir sie<br />
den «Wayne Gretzky des Unihockeys»<br />
genannt.<br />
Ich habe das Glück, dass ich von Verletzungen<br />
weitgehend verschont geblieben<br />
bin und physisch immer noch gut drauf<br />
bin. Mein Antritt ist immer noch gut, auf<br />
dem ersten Meter sehe ich kaum einen<br />
1<br />
2<br />
3<br />
1. Gegner bedrängen Hofbauer.<br />
2. Matthias Hofbauer im Zweikampf.<br />
3. Hofbauer in jungen Jahren.<br />
Unterschied zu früher. Aber wenn ich so<br />
über 30 Meter laufen muss, dann merke<br />
ich das Alter schon und ich frage mich<br />
jedes Jahr, wie lange das noch geht, und<br />
ob ich vielleicht nicht besser Verteidiger<br />
werde.<br />
Inzwischen ist eine neue Spielergeneration<br />
herangewachsen. Werden Sie<br />
auch von den Jungen akzeptiert?<br />
Es ist tatsächlich eine neue Generation.<br />
Ich erinnere mich noch, wie einst einer<br />
in der Kabine das Handy am Kabel aufgeladen<br />
hat. Das war eine Ungeheuerlichkeit.<br />
Heute ist das eine Selbstverständlichkeit.<br />
Doch die Akzeptanz ist<br />
nach wie vor da. Ich nehme mich schon<br />
etwas zurück.<br />
Sie toben in der Kabine nicht?<br />
Das war nie meine Art. Ich sage nur dann<br />
etwas, wenn es etwas zu sagen gibt.<br />
Dann hören aber auch die Jungen zu?<br />
Ja. Meine Worte haben immer noch Gewicht.<br />
Sie sind mit 37 sozusagen ein Saurier<br />
– wird aus dem Wayne Gretzky des Unihockeys<br />
einmal der Gordie Howe des<br />
Unihockey? Gordie Howe hat mit 52<br />
noch in der NHL gespielt.<br />
Nein, ich bin eigentlich in meiner letzten<br />
Saison. Die WM in Prag wird mein letztes<br />
Highlight sein.<br />
Sie werden zurücktreten?<br />
Ja.<br />
Warum? Sie sind ja nach wie vor einer<br />
der besten Spieler der Schweiz?<br />
Ein wichtiger Grund ist die Familie. Ich<br />
bin im August 2017 Vater geworden.<br />
Und ich spüre schon, dass ich nicht mehr<br />
20 bin. Die Trainings sind härter geworden,<br />
ich freue mich nicht mehr so auf<br />
jedes Training wie früher und schaue<br />
schon mal auf die Uhr, wie lange es noch<br />
dauert. Aber eigentlich ist die Leidenschaft<br />
immer noch da und wenn ich an<br />
die Weltmeisterschaft denke, dann kribbelt<br />
es wie immer.<br />
Also vielleicht doch nicht die letzte Saison?<br />
Es ist die letzte Saison. Aber ich bin schon<br />
froh, dass ich nicht früher meinen Rücktritt<br />
erklärt habe. Wenn ich mit 32 hätte<br />
aufhören wollen, dann wäre ich mindestens<br />
dreimal vom Rücktritt zurückgetreten.<br />
Aber Sie haben schon recht: Wie es<br />
dann ist, ohne spielen, weiss ich nicht.<br />
Seit 21 Jahren spiele ich nun, in der NLA<br />
oder in Schweden, und ich habe mich an<br />
dieses Leben gewöhnt. Es ist nie einfach,<br />
sich von Gewohnheiten zu lösen.<br />
Läuft denn Ihr Vertrag am Ende dieser<br />
Saison aus?<br />
Ja und Nein. Ich habe den Vertrag seinerzeit<br />
mit Marcel Siegenthaler gemacht. Ich<br />
weiss gar nicht mehr auswendig, wann<br />
«Ich bin eigentlich in<br />
meiner letzten Saison.<br />
Die Weltmeisterschaft in<br />
Prag wird mein letztes<br />
Highlight sein.»<br />
dies war. Unsere Abmachung ist seither:<br />
Wenn ich weiterspielen will, dann läuft<br />
der Vertrag einfach wieder ein Jahr weiter.<br />
Sie könnten also vom Vertrag her problemlos<br />
einfach eine weitere Saison<br />
anhängen.<br />
Eigentlich ja.<br />
s’Positive 10 / 2018 37
IN EIGENER SACHE<br />
Leserbriefe & Veranstaltungen<br />
Boulevardjournalismus<br />
Wenige Fakten, viele Halbwahrheiten,<br />
einige Mutmassungen, ein bisschen<br />
Kaffeesatzlesen – also richtiger Boulevardjournalismus.<br />
So werte ich den<br />
Bericht von K. Zaugg im letzten<br />
«s’Positive» im Zusammenhang mit<br />
dem Stadionneubau!<br />
Albert Schaller<br />
s’Positive? eigentlich eher s’Primitive!<br />
Nichts gegen die Begeisterung von<br />
Journalisten für eine gute Sache, aber<br />
was im Artikel «Ist Huttwil die letzte<br />
Hoffnung?» von Wüthrich und Zoff-<br />
Zaugg zusammengeschrieben worden<br />
ist, gleicht eher einer üblen Journaille<br />
denn einem Artikel, der dem Hefttitel<br />
gerecht wird. Tiervergleiche mit Politikern<br />
und abwertende Ausdrücke gegenüber<br />
im Rampenlicht stehenden<br />
Persönlichkeiten sind stillos, Gasthöfe<br />
als «Ballenbergs» zu bezeichnen, wo<br />
die beiden Schreibenden selber oft einem<br />
ähnlichen fassadenpolierten<br />
Grossätti-Stil huldigen, weckt Ärger<br />
beim Lesenden. Operetten-Fussballclub:<br />
Wissen Sie denn nicht, wie gesellschaftskritisch<br />
die Inhalte von Operetten<br />
eigentlich sind? Und wenn dann<br />
noch Jesus Christus’ Wiederkommen<br />
herbeizitiert wird, wähne ich mich<br />
nicht im literarisch siebten Himmel.<br />
Bhüet mi dr Hüenervogu<br />
Christian Friedli<br />
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Am Samstag, 27. Oktober 2018 findet<br />
der dritte Schweizer Reparaturtag<br />
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Möchten Sie Ihre Veranstaltung<br />
bei uns publizieren?<br />
Dann teilen Sie uns dies<br />
doch bitte mit.<br />
Ihre Meinung interessiert uns<br />
Sind Sie mit etwas nicht einverstanden?<br />
Haben Sie Fragen, die auch andere Leser<br />
interessieren könnten? Oder haben<br />
Sie eine Ergänzung zu einem Artikel?<br />
Dann schreiben Sie uns. Ab der kommenden<br />
Ausgabe reservieren wir Platz<br />
für Sie. Oder möchten Sie über ein Thema,<br />
das wir noch nicht gebracht haben,<br />
mehr erfahren? Wir können Ihnen zwar<br />
keinen Artikel darüber garantieren.<br />
Aber prüfen werden wir Ihren Vorschlag<br />
ganz bestimmt.<br />
Wir wissen noch nicht, was auf uns zukommt,<br />
wenn wir die Möglichkeit zu<br />
Leserreaktionen bieten. Möglich, dass<br />
keine einzige kommt. Ebenfalls möglich,<br />
dass wir nicht alle Ihre E-Mails<br />
und Briefe publizieren können, und<br />
deshalb eine Auswahl treffen müssen.<br />
Werden Sie bitte nicht zu lang. Sonst<br />
müssten wir Ihren Beitrag eventuell<br />
kürzen.<br />
Beiträge mit beleidigenden, diffamierenden,<br />
rassistischen und sexistischen<br />
Inhalt werden nicht veröffentlicht.<br />
Wir freuen uns auf Ihr Feedback.<br />
SCHREIBEN<br />
SIE UNS<br />
E-Mail:<br />
redaktor@spositive.ch<br />
Postadresse:<br />
Redaktion «s’Positive»<br />
Feedback<br />
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4914 Roggwil<br />
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