Berliner Kurier 01.11.2018
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REPORT<br />
Polizisten führen im Juli 2017 einen Mann ab, der am Diebstahl der 100-Kilo-Münze beteiligt gewesen sein soll.<br />
Issa Remmo –der Mann,<br />
der kein Gangster sein will<br />
Gespräch mit dem Libanesen, der sich gut in Szene zu setzen weiß<br />
Fotos: Andreas Förster,dpa, Getty<br />
Als es um ein Foto geht,<br />
steht Issa Remmo (51)<br />
auf. Dort will er fotografiert<br />
werden, sagt<br />
er und deutet auf einen Sessel an<br />
der gegenüberliegenden Seite<br />
des Raumes. Dort hängt eine expressionistische<br />
Grafik der City<br />
West. Die Gedächtniskirche ist<br />
darauf zu sehen, eine Straßenbahn.<br />
Über dem Sessel, auf dem<br />
Remmo bis eben noch gesessen<br />
hat, hängt ein Porträt. Das Antlitz<br />
wirkt undurchsichtig und<br />
bedrohlich, als lägen mehrere<br />
Gesichter übereinander. Es wäre<br />
der treffendere Hintergrund für<br />
ein Foto des Libanesen.<br />
Er ist bekanntgeworden. Es<br />
ging los im Juli, als die <strong>Berliner</strong><br />
Staatsanwaltschaft 77 Immobilien<br />
des wegen seiner kriminellen<br />
Aktivitäten berüchtigten Remmo-Clans<br />
beschlagnahmen ließ<br />
– der aus dem Libanon nach<br />
Deutschland ausgewanderten<br />
kurdischen Großfamilie, zu der<br />
auch der große Mann mit dem<br />
breiten Kreuz gehört. Dann sah<br />
man ihn im September auf Bildern,<br />
als er zwischen rund 2000<br />
Trauergästen der Beisetzung<br />
des vermutlich von kriminellen<br />
Konkurrenten erschossenen Intensivstraftäters<br />
Nidal R. beiwohnte.<br />
Unter vielen Bildern<br />
von ihm stand: Issa Remmo,<br />
Oberhaupt des Remmo-Clans.<br />
Den Clan zählen Polizei und<br />
Staatsanwaltschaft zuden acht<br />
bis zehn „arabischen“ Großfamilien,<br />
die die Organisierte Kriminalität<br />
in Berlin dominieren –<br />
ein Drittel der OK-Straftaten<br />
wie Drogenhandel, Raub,<br />
Schutzgelderpressung oder<br />
Prostitution soll von Gangstern<br />
dieser Clans verübt werden.<br />
Die Remmos –davon sind die<br />
Ermittler überzeugt –sind auf<br />
Diebstahl spezialisiert. Sosind<br />
drei Angehörige der Familie<br />
jetzt angeklagt, weil sie die 100-<br />
Kilo-Goldmünze „Golden Maple<br />
Leaf“ aus dem Bode-Museum<br />
gestohlen haben sollen. Andere<br />
Clan-Mitglieder werden mit<br />
Einbrüchen in Bau- und Einkaufsmärkten<br />
in Verbindung gebracht.<br />
Ein Familienangehöriger<br />
wurde zu acht Jahren Haft<br />
verurteilt, weil er 2014 mit Komplizen<br />
über 100 Schließfächer in<br />
einer Sparkasse in Mariendorf<br />
ausräumte, die Bank anschließend<br />
sprengte. Von der Beute –<br />
rund zehn Millionen Euro –<br />
fehlt jede Spur.<br />
Auch deshalb hatte die Staatsanwaltschaft<br />
im Sommer die 77<br />
Immobilien beschlagnahmen<br />
lassen. Der Verdacht lautet auf<br />
Geldwäsche. Die Betroffenen<br />
müssen nun nachweisen, woher<br />
das Geld stammt, mit dem die<br />
Grundstücke und Wohnungen<br />
gekauft wurden.<br />
Issa Remmo konnte bisher keine<br />
Verwicklung in die Taten<br />
nachgewiesen werden. Vielleicht<br />
vermuten auch deshalb<br />
die Ermittler, dass seine Aufgabe<br />
in der Geldwäsche der Beute besteht<br />
–weil er das Oberhaupt der<br />
Familie sei. Remmo mag das<br />
nicht hören, da wird er kurz laut.<br />
„Ich bin Oberhaupt für meine<br />
Kinder, und nur für sie. Ich bin<br />
nicht Oberhaupt von einem Clan<br />
oder für meine Brüder und deren<br />
Familien. Ich verfluche jeden,<br />
der Drogen verkauft. Ich<br />
unterstütze keinen, der stiehlt<br />
und betrügt. Ich verstoße gegen<br />
kein Gesetz, bin nicht angeklagt,<br />
ich stehe nicht vor einem Gericht.“<br />
Ein kurzer emotionaler Ausbruch.<br />
Nicht zu vergleichen mit<br />
seinem Auftritt vor einigen Wochen,<br />
als ihn ein Kamerateam<br />
von Spiegel TV stellte. Da stand<br />
er auf der Straße vor dem Landgericht<br />
in Moabit, wo gerade ein<br />
Mordprozess gegen seinen Sohn<br />
läuft, und echauffierte sich laut<br />
darüber, dass man ihn als Kriminellen<br />
abstemple. Wütend wirkte<br />
Remmo dabei, doch nicht aggressiv.<br />
Im Gegenteil, als einer<br />
seiner Söhne auf den Kameramann<br />
losstürmen wollte, ging er<br />
dazwischen. Da merkte man,<br />
wie gut sich Remmo zu inszenieren<br />
weiß. Er weiß offensichtlich,<br />
wie Bilder wirken. Das zeigt sich<br />
auch bei unserem Termin in ei-<br />
Issa Remmo, die Hand locker<br />
auf einen Sessel gestützt,<br />
posiertvor einer Grafik der<br />
Gedächtniskirche.<br />
nem <strong>Berliner</strong> Hotel. Erst wählt<br />
Remmo den Bildhintergrund<br />
aus, dann posiert er –nachdem<br />
er sich gerade noch über die<br />
Staatsanwaltschaft aufgeregt<br />
hat –entspannt im Sessel. Die<br />
Botschaft scheint klar: Ihr kriegt<br />
mich nicht klein. Im Gespräch<br />
gibt er sich weniger emotional<br />
als auf der Straße vor dem Gericht.<br />
Manchmal nur hebt er die<br />
Stimme, wenn er etwas mit<br />
Nachdruck unterstreichen will.<br />
Dann wieder senkt er sie zu einem<br />
fast verschwörerischen<br />
Flüstern, als wolle er sein Gegenüber<br />
in ein Geheimnis einweihen.<br />
Das wirkt zeitweise absurd,<br />
weil Remmos so genau die<br />
Rolle zu spielen scheint, die er