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Essays zu egalitärer Vielfalt

Im Rahmen der Lehrveranstaltung Bildung: Egalitäre Vielfalt und Differenz. SCHRIFTEN ZU DISABILITY & DIVERSITY | Vol. 3 | 09/2018

Im Rahmen der Lehrveranstaltung Bildung: Egalitäre Vielfalt und Differenz.
SCHRIFTEN ZU DISABILITY & DIVERSITY | Vol. 3 | 09/2018

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SCHRIFTEN ZU DISABILITY & DIVERSITY<br />

VOL. 3 | 09/2018<br />

<strong>Essays</strong> <strong>zu</strong><br />

<strong>egalitärer</strong> <strong>Vielfalt</strong><br />

2. Semester / Jahrgang 2017<br />

LV-Leitung: Dr. Christine Pichler<br />

Studiengang: Disability and Diversity Studies<br />

Klagenfurt, im September 2018<br />

IM RAHMEN DER LEHRVERANSTALTUNG<br />

BILDUNG: EGALITÄRE VIELFALT UND DIFFERENZ<br />

fh-kaernten.at/dds


Inhaltsverzeichnis<br />

Vorwort 5<br />

Sozialer Aufstieg durch Bildung 6<br />

Kinder mit AD(H)S im schulischen Kontext 7<br />

Chancengleichheit durch Inklusion 8<br />

Menschen mit Migrationshintergrund als Ressource in der Lehrer*innenausbildung 9<br />

Angst und Entwicklung im Kindes- und Jugendalter 10<br />

Bildungserfolg und soziale Herkunft: „Zeig mir deine Eltern und ich sage dir, was aus dir wird.“ 11<br />

Hürden der Inklusion 12<br />

Chancen(un)gleichheit im österreichischen Schulbildungssystem<br />

in Be<strong>zu</strong>g auf Pierre Bourdieus Kapitalbegriff 13<br />

Mädchen in der Schulbildung 14<br />

„Das Problem der Verständigung“ Egalitäre <strong>Vielfalt</strong> und Differenz:<br />

Bilingualer Unterricht für hörende und gehörlose Schüler*innen 15<br />

Schule 4.0 – Digitalisierung der Schulbildung 16<br />

Sonderschulen vs. Inklusionsklassen – Kinder zwischen Segregation und Inklusion 17<br />

Gesamtschule als Beitrag <strong>zu</strong>r egalitären <strong>Vielfalt</strong> in der Schulbildung 18<br />

Kooperation im schulischen Umfeld 20<br />

Schulunterricht ohne Klassenzimmer 21<br />

Chancengleichheit in der schulischen Bildung für Kinder aus sozial schwächeren Familien 22<br />

Bildung für alle – <strong>Vielfalt</strong> impliziert Gleichheit, Egalität und Diversität 23<br />

Schulbildungschancen von Kindern mit Migrationshintergrund 24<br />

Schulbildung im Kontext des Fortschritts 26<br />

Sportunterricht in Schulen – Herausforderung aufgrund einer multikulturellen Schülerschaft 27<br />

Persönlichkeitsbildung und Digitalisierung 28<br />

Interkulturelle Erziehung und Bildung 29<br />

Lernbeeinträchtigung und Verhaltensprobleme bei Kindern und Jugendlichen 30<br />

Musik verbindet 31<br />

Integrationskraft der Erwerbsarbeit 32<br />

Pädagogik und Einwanderung 34


Vorwort<br />

Mit der dritten Ausgabe der Schriften <strong>zu</strong> Disability and Diversity wurden Beiträge der Studierenden des 2. Semesters (Jahrgang<br />

2017) in Form eines <strong>Essays</strong> ausgewählt. Die entstandenen schriftlichen Arbeiten stammen aus der Lehrveranstaltung „Bildung:<br />

Egalitäre <strong>Vielfalt</strong> und Differenz“. Lehrinhalte beziehen sich einerseits auf den Begriff „Bildung“. Dieser Begriff fungiert im Rahmen<br />

der Pädagogik als ein Medium, das für das Gesamtgefüge pädagogischer Aufgaben und Probleme steht. In diesem Sinne verweist<br />

der Begriff „Bildung“ nicht nur auf die Schule bzw. verschulte Einrichtungen, sondern umfasst den gesamten Prozess der Entwicklung<br />

der Persönlichkeit. Bildung thematisiert demnach die Ausbildung und Entfaltung des menschlichen Selbst- und Weltverhältnisses<br />

als biografische Bewältigung von Entwicklungsaufgaben in einer umfassenden Weise und einem lebensbegleitenden<br />

Prozess. Der Schwerpunkt der Lehrveranstaltung liegt auf der Anerkennung, Humanisierung und Demokratisierung von <strong>egalitärer</strong><br />

<strong>Vielfalt</strong> und Differenz im Kindes- und Jugendalter. Im Zentrum von <strong>egalitärer</strong> <strong>Vielfalt</strong> und Differenz stehen Begriffe wie Teilhabe für<br />

alle Gesellschaftsmitglieder, Chancengleichheit und Partizipation.<br />

Im Rahmen der Lehrveranstaltung haben sich die Studierenden mit unterschiedlichen theoretischen Zugängen befasst. Ausgehend<br />

von Überlegungen und Definitionen <strong>zu</strong>m Bildungsbegriff an sich, der Bedeutung des Begriffs und seinen vielfältigen Gebrauch,<br />

wurde „Diversity Education“ (Prengel 2007) als Grundlage für das Verständnis von <strong>egalitärer</strong> <strong>Vielfalt</strong> und Differenz herangezogen.<br />

Aufbauend darauf war es wichtig <strong>zu</strong> verstehen, was Diversität im erziehungswissenschaftlichen Kontext überhaupt bedeutet. Dies<br />

betrifft einerseits die Bildungs- und Erziehungseinrichtungen an sich, Leitbilder, Haltungen und Ausrichtungen dieser, andererseits<br />

aber auch das in ihnen tätige multiprofessionelle Personal, die Kinder und auch Eltern. Die Diversität von Erziehungsvorstellungen<br />

lässt sich schwer kategorisieren, doch können daraus Denkanstöße und Handlungsempfehlungen abgeleitet werden, die nicht nur<br />

im Bereich der Bildungs- und Erziehungseinrichtungen wirksam werden, sondern in allen gesellschaftlichen Teilbereichen gesehen<br />

werden können.<br />

Im Anschluss an diese theoretische Auseinanderset<strong>zu</strong>ng wurde ein weiterer Schwerpunkt im Seminar auf den Zugang der Interkulturellen<br />

Pädagogik (Auernheimer 2016) gelegt und der Themenbereich Inter- und Multikulturalität in den Fokus gerückt. Wie<br />

lassen sich die Leitprinzipien der Interkulturellen Pädagogik definieren? Wie können diese in die pädagogische Praxis in der Arbeit<br />

mit Kindern und Jugendlichen transferiert werden? Welche Handlungsempfehlungen und praktischen Ansätze lassen sich ableiten?<br />

Diese und weitere Fragen wurden von den Studierenden erörtert und gemeinsam in der Lehrveranstaltung analysiert und diskutiert.<br />

Die Sensibilität im Umgang mit Interkulturalität und auch die damit verbundenen Problem- und Aufgabenstellungen sind<br />

vielfältig. Um diesen kritischen Blick <strong>zu</strong> schärfen wurde die „Kompetenzlosigkeitskompetenz“ (Mecheril 2013) diskutiert. Diese<br />

verweist darauf, dass es keine vorgefertigten, „einfachen“, wie Rezepte <strong>zu</strong> verstehende Handlungs<strong>zu</strong>sammenhänge gibt, sondern<br />

dass das professionelle Handeln in der interkulturellen pädagogischen Praxis immer auch mit reflexiven Prozessen verbunden ist<br />

und demnach individuell auf Situationen ab<strong>zu</strong>stimmen ist. Das Lernen von und miteinander, das Einbeziehen von Expert*innen in<br />

eigener Sache und die reflexive pädagogische Auseinanderset<strong>zu</strong>ng sind dabei zentrale Elemente.<br />

Diese theoretischen und praktischen Grundlagen flossen in die <strong>Essays</strong> der Studierenden ein. In vielfältigen Themen, die auf folgenden<br />

Seiten dargestellt sind, wurden die Lehrveranstaltungsinhalte vertieft und der Theorie-Praxis-Transfer <strong>zu</strong> Papier gebracht. In<br />

diesem Zusammenhang ist darauf hin<strong>zu</strong>weisen, dass es sich um Texte von Studierenden des 2. Semesters handelt und daher kein<br />

Anspruch auf Vollständigkeit und Repräsentativität gewährleistet werden kann. Ganz im Sinne von <strong>egalitärer</strong> <strong>Vielfalt</strong> und Differenz<br />

befinden sich die Studierenden im Prozess des Lernens – genauer gesagt im Prozess des reflexiven wissenschaftlichen Lernens.<br />

Jedenfalls bieten die folgenden studentischen Beiträge einen Einblick in das breite Feld von Diversität in der pädagogischen Auseinanderset<strong>zu</strong>ng<br />

und die damit verbundenen Frage- und Problemstellungen.<br />

Klagenfurt, im September 2018<br />

Christine Pichler<br />

Lektorat: Verena Komposch (JG 2017) und Christine Pichler<br />

Quellen:<br />

Auernheimer, Georg (2016). Einführung in die interkulturelle Pädagogik. Darmstadt: WBG.<br />

Mecheril, Paul (2013). „Kompetenzlosigkeitskompetenz“. Pädagogisches Handeln unter Einwanderungsbedingungen. In: Auernheimer, Georg (Hrsg.). Interkulturelle<br />

Kompetenz und pädagogische Professionalität. Wiesbaden: Springer VS, 15-36.<br />

Prengel, Annedore (2007). Diversity Education. In: Krell, Gertraude (Hrsg). Diversity Studies. Grundlagen und disziplinäre Ansätze. Frankfurt/New York: Campus Verlag, 49-67.<br />

5


Sozialer Aufstieg durch Bildung<br />

Christian Daniel Atzwanger<br />

Dieses Essay befasst sich mit der Frage: „Ist sozialer Aufstieg durch Bildung möglich, oder ist dieser durch soziale Herkunft und<br />

finanziellen Kapazitäten bestimmt?“ In den folgenden Abschnitten wird der Begriff ,,Bildung‘‘ aus soziologischer Sichtweise betrachtet,<br />

,,sozialer Aufstieg‘‘ definiert und diskutiert. Das Hauptaugenmerk richtet sich auf Pierre Bourdieus „Kapital als Vorausset<strong>zu</strong>ng“<br />

(2008). Zudem stellt sich die Frage, ob im Schulbildungssystem die Oberschicht begünstigt wird.<br />

Schulbildung soll grundsätzlich für jede/n <strong>zu</strong>gänglich sein. Zudem ist sie auch bis <strong>zu</strong> einem bestimmten Alter gesetzlich verpflichtend,<br />

u.a. durch die Ausbildungspflicht. Es stellt sich jedoch die Frage, ob dies mit der tatsächlichen Situation einhergeht. Das<br />

Schulbildungssystem ist so strukturiert, dass der Zugang durch immer mehr Kriterien eingeschränkt wird. Solche Kriterien sind<br />

beispielsweise Aufnahmeprüfungen, oder ein bestimmter Notendurchschnitt, der als Zulassungskriterium <strong>zu</strong>r Aufnahmeprüfungen<br />

dient. Außerdem spielt das ökonomische Kapital eine bedeutsame Rolle, welches in einer höheren Gesellschaftsschicht in einem<br />

größeren Ausmaß vorhanden ist (Bourdieu, 2008).<br />

Der soziale Aufstieg ist für viele Menschen ein Lebensziel, welcher schwierig <strong>zu</strong> realisieren ist. Menschen können es leichter haben<br />

wie andere, z.B. durch das ökonomische oder kulturelle Kapital (Bourdieu 2008).<br />

Unter sozialem Aufstieg ist <strong>zu</strong> verstehen:<br />

„[…] Chancen auf ein gutes Einkommen, auf einen sicheren Arbeitsplatz, auf ein gesundes Leben und auf ein hohes Ansehen – kurz:<br />

auf die Chance, eine gute Position in der Gesellschaft <strong>zu</strong> erreichen. Für alle soll die Chance bestehen, durch eigene Anstrengungen<br />

aus schlechteren Verhältnissen auf<strong>zu</strong>steigen – so wie dies nach allgemeiner Wahrnehmung in den Nachkriegsjahrzehnten in unserem<br />

Land möglich war.“ (Pollak, 2010, S. 11)<br />

Laut Pollak (2010) sollten alle die gleichen Lebenschancen für den sozialen Aufstieg haben. Daraus lässt sich schließen, dass der<br />

soziale Aufstieg nur über Ausbildung per se nicht mehr möglich ist. ,,Stolpersteine‘‘ werden in den Weg gelegt, die sich durch das<br />

ökonomische Kapital oder auch der Stellung im sozialen Raum bemerkbar machen. Zudem üben das kulturelle (z.B. akademische<br />

Titel) und soziale Kapital (z.B. Netzwerke) auch Einfluss auf die Aufstiegsmöglichkeiten aus (Bourdieu, 2008, S. 201-208).<br />

„Aus Bourdieus Sicht dient das Bildungssystem in seiner gegenwärtigen Struktur vor allem der Verschleierung seiner eigentlichen<br />

Funktion, nämlich der Begünstigung derjenigen, die durch ihre soziale Herkunft bereits über ein gewinnversprechendes kulturelles<br />

Kapital verfügen, das ihnen sozial vererbt wurde und, dass sie keineswegs durch besondere individuelle Begabung und Anstrengung<br />

erworben haben.“ (Bourdieu, 2008, S. 205)<br />

Zusammenfassend gilt <strong>zu</strong> sagen, dass unser Schulbildungssystem so strukturiert ist, dass es die oberen Schichten begünstigt.<br />

Bourdieu stellte fest: „Die soziale Selektivität des Bildungssystems ist vielfach beschrieben und belegt. Trotz aller Reformbemühungen<br />

der vergangenen Jahrzehnte ist die Chance, einen qualifizierten Bildungsabschluss <strong>zu</strong> erlangen, in nach wie vor hohen Maß<br />

abhängig von der sozialen Herkunft.“ (Klug, 2008, S. 1)<br />

Das Bildungssystem müsste so ausgerichtet werden, dass jedem Menschen, unabhängig von der Schicht, die gleichen Chancen<br />

ermöglicht werden. Es sollte nicht wichtig sein welche Kapitalien dieser besitzt, sondern welche individuellen Fähigkeiten und<br />

Potentiale Menschen mitbringen. Politik und Wirtschaft sind angehalten nachhaltige Entscheidungen <strong>zu</strong> treffen, damit Bildungsgerechtigkeit<br />

für alle umgesetzt werden kann. Um einen Schritt in diese Richtung <strong>zu</strong> gehen ist es notwendig darauf hin<strong>zu</strong>weisen,<br />

welche Ungleichheiten in Be<strong>zu</strong>g auf Schul- und Ausbildung nach wie vor bestehen. Schulbildung muss für alle Gesellschaftsmitglieder<br />

auf gleiche Weise <strong>zu</strong>gänglich gemacht werden (Klug, 2008).<br />

Quellen:<br />

Bourdieu, Pierre (2008). Die verborgenen Mechanismen der Macht. In: Baumgart, Franzjörg (Hrsg.), Theorien der Sozialisation. o.O.: UTB, 199-255.<br />

Klug, René (2008). Die Illusion der Chancengleichheit: Pierre Bourdieus These vom „Mythos der befreienden Schule“ im Spiegel von PISA 2000. Bochum: Grin Verlag.<br />

Koller, Hans Christoph (2009). Bildung als Habituswandel? Zur Bedeutung der Sozialisationstheorie Bourdieus für ein Konzept transformatorischer Bildungsprozesse. In:<br />

Jürgen Budde, Katharina Willems (Hrsg.), Bildung als sozialer Prozess. Heterogenitäten, Interaktionen, Ungleichheiten. Weinheim: Juventa, 19-34.<br />

Pollak, Reinhard (2010). Kaum Bewegung, viel Ungleichheit. Eine Studie <strong>zu</strong> sozialem Auf- und Abstieg in Deutschland (Band 5). Berlin: Heinrich-Böll-Stiftung.<br />

6


Kinder mit AD(H)S im schulischen Kontext<br />

Anna Berner<br />

Dieser Essay beschäftigt sich mit der Fragestellung, ob Kinder mit AD(H)S im schulischen Kontext benachteiligt werden und dadurch<br />

schlechtere Ausbildungschancen haben. Kinder mit AD(H)S haben spezifische Bedürfnisse, die im Schulalltag aus verschiedenen<br />

Gründen oftmals schwer <strong>zu</strong> befriedigen sind bzw. fehlt das Wissen, wie diesen Bedürfnissen nachgegangen werden kann.<br />

In Österreich betrug der Anteil der früheren Schul- und Ausbildungsabbrecher*innen im Jahr 2014 laut dem Nationalen Bildungsbericht<br />

Österreich 2015 ca. 7%. Durch diese Zahlen stellt sich die Frage, warum es immer noch <strong>zu</strong> dieser hohen Zahl an Schulabbrecher*innen<br />

kommt? Hierfür gibt es viele verschiedene Gründe. Auf die Symptomatik AD(H)S, ein möglicher Grund dafür<br />

die Schule ab<strong>zu</strong>brechen, soll in diesem Essay näher eingegangen werden: Beeinflusst das Aufmerksamkeits-Defizit-(Hyperaktivität)-Syndrom<br />

die schulische Bildung und wenn ja, wie beeinflusst AD(H)S das Lernen? (Bruneforth, Eder, Krainer, Schreiner, Seel<br />

& Spiel, 2016, S. 180)<br />

Einige Forschungsergebnisse zeigen einen eindeutigen Zusammenhang zwischen AD(H)S und Lesestörungen mit einer Komorbiditätsrate<br />

von 40% auf. Lesestörungen, die nicht gesondert behandelt werden, führen nicht nur im Deutschunterricht <strong>zu</strong> Schwierigkeiten,<br />

sondern auch in anderen Unterrichtsgegenständen. Durch die Lesestörung kann das Kind wesentlich in seinem schulischen<br />

Bildungsverlauf beeinträchtigt werden (Brandau & Kaschitz, 2013, S. 63-64).<br />

Laut Düre (2007, S. 236) ist ein Anteil von 25 bis 35% der Klassenwiederholer*innen unter den AD(H)S-Betroffenen. Hier<strong>zu</strong> gibt<br />

es zwar keine weiteren Ausführungen, dennoch ist es naheliegend, dass das Kind durch sein AD(H)S, bzw. durch die damit <strong>zu</strong>sammenhängenden<br />

Probleme, wie etwa Störungen des Soziallebens, Lernschwächen etc., soweit beeinträchtigt ist, dass es ihm<br />

nicht möglich ist, eine Klasse positiv ab<strong>zu</strong>schließen und somit in die nächste Schulstufe auf<strong>zu</strong>steigen (Düre, 2007, S. 236). Starck<br />

(1974, S. 57) resümiert: „So schließt sich der Kreis: Die Ungereimtheiten und Un<strong>zu</strong>länglichkeiten des gegenwärtigen Schulsystems,<br />

die nicht hinreichende Informiertheit des Lehrers und seine Abwehrhaltung gegenüber dem schlechten Schüler stehen in einem<br />

Wechselverhältnis.“ Dieses Problem kann darauf begründet werden, dass einerseits Lehrer*innen nicht adäquat ausgebildet sind<br />

um mit Schüler*innen, die an AD(H)S leiden, <strong>zu</strong> arbeiten. Andererseits stehen sie unter enormen Leistungsdruck und haben nicht<br />

die Kapazitäten <strong>zu</strong>r Verfügung um besondere Betreuungsangebote <strong>zu</strong> schaffen (Starck, 1974, S. 74).<br />

Eng mit dem Aufmerksamkeitsdefizitsyndrom sind gewisse Begleiterscheinungen sowie Folgeerkrankungen verbunden, wie etwa<br />

Lese-Rechtschreibschwäche sowie emotionale Steuerungsschwäche. Diese Begleiterscheinungen und Folgeerkrankungen haben<br />

enorme Auswirkungen auf das Leistungsverhalten eines Kindes. Es beginnt ein „Teufelskreis“ aus dem das Kind mit AD(H)S ohne<br />

Unterstüt<strong>zu</strong>ng nicht aussteigen kann und sowohl das Lehrpersonal, als auch die Kindseltern alleine können diesen nicht durchbrechen.<br />

Es benötigt eine ganzheitliche Förderung, welche sowohl schulische Angelegenheiten, emotionale und soziale Aspekte, als<br />

auch das Kind in seiner Wahrnehmung einbezieht (Simchen, 2010, S. 26-30).<br />

Dabei gilt es <strong>zu</strong> berücksichtigen, dass Kinder mit AD(H)S so verschieden sind wie andere Schüler*innen auch: Sie brauchen feste,<br />

klare Regeln, Kontrolle, Konsequenz und viel liebevolle Zuwendung. Da diese Kinder sehr oft ein schlechtes Selbstbild haben, benötigen<br />

sie sehr viel Lob und es zeigt sich, dass sie bei hoher Motivation auch die gleichen Leistungen wie gesunde Schüler*innen<br />

erbringen können. Wichtig ist, dass sie das Arbeitsziel im Auge behalten und in Situationen, in denen sie den Überblick verlieren<br />

oder die Aufmerksamkeit schwindet, wieder strukturiert in das Unterrichtsgeschehen geholt werden. Da<strong>zu</strong> ist oft mehr Zeit, Geduld<br />

und die Kooperation des gesamten Kollegiums notwendig (Düre, 2007, S. 250).<br />

Es kann somit festgestellt werden, dass durch die Symptome, Begleit- und Folgeerkrankungen von AD(H)S das Lernen in der<br />

Schule erschwert wird. Um dem entgegen<strong>zu</strong>wirken sind einerseits die angemessene Betreuung und das Eingehen auf individuelle<br />

Bedürfnisse der Kinder mit AD(H)S unumgänglich und andererseits ist es auch erforderlich, dass nötige räumliche und finanzielle<br />

Ressourcen bereitgestellt werden und Lehrer*innen in dieser Hinsicht Weiterbildungen besuchen.<br />

Quellen:<br />

Brandau, Hannes & Kaschnitz Wolfgang, (2013). ADHS im Jugendalter. Lernstörungen und kognitive Probleme (2. Auflage). Weinheim und Basel: Beltz Juventa.<br />

Bruneforth, Michael, Eder, Ferdinand, Krainer, Konrad, Schreiner, Claudia, Seel, Andrea & Spiel, Christiane (2016). Nationaler Bildungsbericht Österreich 2015. Fokussierte<br />

Analysen bildungspolitischer Schwerpunktthemen. BIFIE. BMBF. Graz: Leykam Buchverlag.<br />

Düre, Gerhild (2007). ADHS kontrovers. Im Brennglas Schule (1.Auflage). Stuttgart: W. Kohlhammer GmbH.<br />

Simchen, Helga (2010). Die vielen Gesichter des ADS. Begleit- und Folgeerkrankungen richtig erkennen und behandeln (3. Auflage). Stuttgart: W. Kohlhammer GmbH.<br />

Starck, Willy (1974). Die Sitzenbleiber-Katastrophe. Tatsachen und erforderliche Sofortmaßnahmen. Stuttgart: Klett.<br />

7


Chancengleichheit durch Inklusion<br />

Stefo Bradaric<br />

„Inklusion bedeutet eine uneingeschränkte Zugehörigkeit, und ist quasi das Fundament für die Partizipation.“<br />

(Theunissen, 2005, S. 216–217)<br />

Inklusion bedeutet eine uneingeschränkte Zugehörigkeit und Teilhabe an allen Bereichen der Gesellschaft. Kann Chancengleichheit<br />

durch Inklusion im Schulsystem gewährleistet werden? Mit dieser Frage beschäftigen sich die folgenden Absätze. Eine der<br />

wichtigsten Aufgaben der Schule ist es, die Entwicklung der Individuen <strong>zu</strong> selbstständig handelnden Persönlichkeiten <strong>zu</strong> fördern.<br />

Schulbildung ist damit ein Teil des Bildungsprozesses (Hentig, 2004, S. 37ff).<br />

Ein wichtiger Teil des österreichischen Schulsystems waren bisher die Sonderschulen. Sonderschulen sollen und werden im Sinne<br />

der inklusiven Bildung geschlossen und alle Kinder sollen gemeinsam in der Regelschule unterrichtet werden. Die Inklusion ist<br />

primär ein Konstrukt, das entstanden ist, um die Teilhabe der verschiedenen gesellschaftlichen Gruppen an sozioökonomischen<br />

Veränderungen <strong>zu</strong> gewährleisten. Dies betrifft nicht nur Schüler*innen mit Behinderungen, sondern auch Schüler*innen mit Migrationshintergrund,<br />

aus sozial schwächeren Familien oder mit spezifischen Erschwernissen. Inklusive Bildung betrifft alle Gesellschaftsmitglieder<br />

gleichermaßen. Damit befassen sich auch die Pädagogik der <strong>Vielfalt</strong> (Prengel 2006) und die Diversity Studies.<br />

Inklusion als theoretisches Konstrukt in seiner praktischen Anwendung ist in dieser Hinsicht ein Forschungsschwerpunkt und soll<br />

gleichzeitig Chancengleichheit und Teilhabe aller Menschen ermöglichen (Krell, Riedmüller & Vinz, 2007; Prengel, 2006).<br />

Aus der Pädagogik der <strong>Vielfalt</strong> bildete sich <strong>zu</strong>sammen mit der Inklusion eine Symbiose, auf der die Inklusionspädagogik im Schulsystem<br />

aufgebaut ist. Wenn über Inklusion geredet wird, muss auch die <strong>Vielfalt</strong> im Schulsystem in Betracht gezogen werden. Da<strong>zu</strong><br />

sind verschiedene Dimensionen von Heterogenität <strong>zu</strong> betrachten: Nationalität, sexuelle Orientierung, Religion, Erstsprache und<br />

psychische Konditionierungen. Im Fokus steht das gemeinsame Lernen, das für Schüler*innen optimiert werden soll. Die Individualität<br />

ist hier zentral. Die Inklusion im Bildungssystem kann mit dem „Index of Inklusion“ (Hinz, 2005) begleitet werden (Hinz,<br />

2005, S. 55ff; Prengel 2006, S. 11ff).<br />

Der „Index für Inklusion“ zeigt den Schulen die verschiedenen Umset<strong>zu</strong>ngsmöglichkeiten von Inklusion an. Zunächst wird von der<br />

Schule das Koordinationsteam gegründet. Dies besteht aus Eltern, Pädagog*innen, Sonderpädagog*innen, Lehrer*innen und<br />

Erzieher*innen. Danach beschäftigen sich die Schule und das Koordinationsteam mit den Arbeitsmaterialien und außerdem analysiert<br />

das Koordinationsteam die Lage in der Schule. Die Schule muss die Prioritäten im System erkennen und ihre Einflüsse analysieren.<br />

Am Ende werden die nächsten Schritte geplant und der Prozess wird analysiert. Der Index hilft Strukturen im Schulalltag<br />

<strong>zu</strong> schaffen (Hinz, 2005, S. 55ff).<br />

Auf politischer sowie staatlicher Ebene ist der „Nationale Plan Behinderung“ als Umset<strong>zu</strong>ngsinstrument der Inklusion zentral und<br />

sieht Schritte vor, wie der Weg in Richtung Inklusion erleichtert werden soll. Dies bezieht sich vor allem auf die Umset<strong>zu</strong>ng auf<br />

schulischer Ebene wofür Maßnahmen entwickelt worden sind. Mit dem Schuljahr 2015/16 sind beispielsweise Modellregionen für<br />

Inklusion in Kärnten, der Steiermark und in Tirol entstanden (BMBWF, 2018).<br />

Theoretisch ist durch diesen Plan die uneingeschränkte Teilhabe durch die Gesetze und theoretischen Grundlagen gewährleistet.<br />

Trotzdem gibt es nach wie vor Selektionsprozesse im Schulsystem. Um Inklusion <strong>zu</strong> gewährleisten und Chancengleichheit <strong>zu</strong> ermöglichen,<br />

werden unter anderem finanzielle Ressourcen benötigt. Außerdem müssen genügend Fachkräfte vorhanden sein. Der<br />

ganze Prozess befindet sich am Anfang und in der Gesellschaft muss ein Umdenken stattfinden.<br />

Quellen:<br />

BMBWF Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Forschung (27.06.2018). Sonderpädagogik/ Inklusion. Zugriff am 27.06.2018 unter https://bildung.bmbwf.<br />

gv.at/schulen/bw/abs/sp.html<br />

Hentig, Hartmut von (2004). Bildung: Ein Essay. Weinheim und Basel: Beltz Verlag.<br />

Hinz, Andreas (2005). Schulentwicklung hin<strong>zu</strong> Teilhabe aller Schüller(innen). In: Wacker, Elisabeth, Bosse, Ingo, Dittrich, Torsten, Niehoff, Ulrich, Schäfers, Markus, Wansing,<br />

Gudrun & Zalfen, Birgit (Hrsg.). Teilhabe. Wir wollen mehr als nur dabei sein. Marburg: Lebenshilfe-Verlag, 55 -66.<br />

Krell, Gertraude, Riedmüller, Barbara & Vinz, Dagmar (2007). Diversity Studies: Grundlagen und disziplinäre Ansätze. Frankfurt/ Main: Campus Verlag.<br />

Prengel, Annedore (2006). Pädagogik der <strong>Vielfalt</strong>. Verschiedenheit und Gleichberechtigung in Interkultureller, Feministischer und Integrativer Pädagogik (3. Auflage).<br />

Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften.<br />

Theunissen, Georg (2005). Inklusion,Partizipation und Empowerment. Gemeindenintegriertes Wohnen von Menschen mit Menschen mit geistiger Behinderung und<br />

hohem Assistenzbedarf. In: Wacker, Elisabeth, Bosse, Ingo, Dittrich, Torsten, Niehoff, Ulrich, Schäfers, Markus, Wansing, Gudrun & Zalfen, Birgit (Hrsg.). Teilhabe. Wir<br />

wollen mehr als nur dabei sein. Marburg. Lebenshilfe-Verlag, 213 -225.<br />

8


Menschen mit Migrationshintergrund als<br />

Ressource in der Lehrer*innenausbildung<br />

Julia Diexer<br />

Angeregt durch den Begriff „Kompetenzlosigkeitskompetenz“ von Mecheril (2013) stellt sich die Frage, welchen Nutzen es hätte,<br />

Menschen mit Migrationshintergrund als Adressat*innen der interkulturellen Pädagogik vermehrt in der Lehrer*innenausbildung<br />

und im Beruf der Lehrer*innen ein<strong>zu</strong>setzen?<br />

Ein gängiges Bild interkulturellen Handelns ist laut Mecheril (2013) nach wie vor, dass ethnische Mehrheitsangehörige als Professionist*innen<br />

den ethnischen Minderheitsangehörigen pädagogische Angebote machen. Die Bildungsangebote für interkulturelle<br />

Pädagogik sind an den Mehrheitsangehörigen orientiert. Gerade in der Lehrer*innenausbildung sind Menschen mit Migrationshintergrund<br />

offenbar keine Adressat*innen für interkulturelle Bildungsangebote (Mercheril, 2013, S. 17).<br />

Laut Mecheril (2013) liegen keine empirischen Untersuchungen von Konzepten interkultureller Kompetenz im deutschsprachigen<br />

Raum vor. Interessant hierbei ist, dass dennoch Angebote identifiziert werden können, die kulturell-ethnisch Andere ausklammern.<br />

Dies zeigt, dass in dieser Hinsicht Handlungsbedarf besteht (Mecheril, 2013, S. 19).<br />

Folgende Vorteile könnten genutzt werden, wenn der Kreis der Adressat*innen für interkulturelle Pädagogik geöffnet werden<br />

würde: Menschen, die zwei- oder mehrsprachig aufwachsen, sind in der Lage sich in mehreren Sprachen und unterschiedlichen<br />

kulturellen Bereichen <strong>zu</strong> bewegen. Wenn der Fokus <strong>zu</strong> sehr auf der deutschen Sprache liegt, bleiben Ressourcen und Potentiale von<br />

mehrsprachigen Migrant*innen ungenützt. Die Sprachkompetenz ist daher ohne Zweifel ein großer Vorteil von Lehrer*innen mit<br />

Migrationshintergrund, der sich auf die unterschiedlich schnelle Sprachentwicklung von Kindern positiv auswirkt. Lehrer*innen,<br />

welche die Erstsprachen ihrer Schüler*innen verstehen, können Kindern die Sprachschwierigkeiten beim Erlernen der deutschen<br />

Sprache haben, eine <strong>zu</strong>sätzliche Stütze sein. Auch der Dialog mit den Eltern von Kindern mit Migrationshintergrund erleichtert<br />

sich, da mögliche Sprachschwierigkeiten und eventuelle kulturelle Differenzen leichter bewältigt werden können. Sprache ist Teil<br />

der Identität eines Individuums. Ziel sollte es daher sein, positiv und wertschätzend dieser Mehrsprachigkeit gegenüber<strong>zu</strong>stehen.<br />

Wenn auch mehrsprachige Lehrer*innen mit Migrationshintergrund unterrichten, stärkt dies das Selbstbewusstsein der Kinder<br />

(Garnitschnig, 2017, S. 40).<br />

In der Theorie wäre dieser Ansatz erstrebenswert, jedoch lässt sich dies in der Praxis nicht immer umsetzen, wenn <strong>zu</strong>m Beispiel<br />

mehrere unterschiedlich fremdsprachige Kinder in einer Klasse sind (Spiewak, 2017).<br />

Menschen mit Migrationshintergrund sollten als Adressat*innen und Professionist*innen der professionellen interkulturellen Pädagogik<br />

vermehrt angesprochen werden. Denn Bildung und Ausbildung sind nichts Statisches, sondern entwickeln sich laufend.<br />

Da in der Vergangenheit die Denk- und Sichtweisen von Menschen, die in unser Land gekommen sind, nicht berücksichtigt wurde,<br />

sollte künftig der Fokus auf ein gemeinsames Miteinander gelegt werden. Lehrer*innen mit Migrationshintergrund könnten bereits<br />

den Kindern einen offeneren Zugang ermöglichen.<br />

Das Überwinden von Vorurteilen gegenüber Lehrer*innen mit Migrationshintergrund sollte dabei ein erster Schritt in Richtung<br />

egalitäre <strong>Vielfalt</strong> und Differenz sein, der gesellschaftlich verankert werden muss. Grundsätzlich soll davon ausgegangen werden,<br />

dass alle Lehrer*innen, egal ob mit oder ohne Migrationshintergrund, die gleiche pädagogische Ausbildung erfahren und in der<br />

Umset<strong>zu</strong>ng des Unterrichts somit kein Unterschied besteht.<br />

Ziel sollte es sein, einen Austausch zwischen den verschiedenen Kulturen <strong>zu</strong> schaffen um Migrant*innen die Möglichkeit <strong>zu</strong> geben,<br />

auch den Pädagog*innen Beruf ergreifen <strong>zu</strong> können und gleichzeitig ihr spezifisches Wissen und ihre individuellen sowie kulturellen<br />

Erfahrungen in die pädagogische Praxis einfließen <strong>zu</strong> lassen. Daher wäre es wünschenswert, auch Personen mit Migrationshintergrund<br />

innerhalb der interkulturellen Pädagogik an<strong>zu</strong>treffen.<br />

Quellen:<br />

Garnitschnig, Ines (2017). Der muttersprachliche Unterricht in Österreich. Statistische Auswertung für das Schuljahr 2015/16. Wien: Bundesministerium für Bildung.<br />

Mecheril, Paul (2013): „Kompetenzlosigkeitskompetenz“. Pädagogisches Handeln unter Einwanderungsbedingungen. In: Auernheimer, Georg (2013). Interkulturelle<br />

Kompetenz und pädagogische Professionalität. Wiesbaden: Springer VS., 15-34.<br />

Spiewak, Martin (2017). Lehrer mit Migrationshintergrund. Die Überschätzten. Die Zeit Nr. 38/2017.<br />

9


Angst und Entwicklung im Kindesund<br />

Jugendalter<br />

Anela Dizdarevic<br />

Angst ist ein „Urinstinkt“ welchen jeder Mensch in sich trägt. Die Angst kann eine mächtige Waffe <strong>zu</strong>m Überleben sein, aber auch<br />

ein Werkzeug <strong>zu</strong>r Einschüchterung. Jedes Individuum geht mit Angst anders um. In diesem Essay wird daher folgender Frage nachgegangen:<br />

Welchen Einfluss hat Angst auf die Entwicklung im Kindes- und Jugendalter?<br />

Die Angst ist unbestimmt, sie kann eine lähmende oder aber eine mobilisierende Wirkung haben. Menschen, die vor einer drohenden<br />

Gefahr stehen und sich ängstigen, können <strong>zu</strong> Handlungen fähig sein, <strong>zu</strong> der sie unter normalen Umständen nicht im Stande<br />

sind (Busch, 2017; Althoetmar, 2016).<br />

„Angst [ist eine] psychologische Bezeichnung für einen spezifisch ausgelösten oder chronischen Affekt<strong>zu</strong>stand, der mit Furcht- und<br />

Schreckgefühlen verbunden ist.“ (Hillmann 2007: 28). Angst kann sich dabei auf bestimmte Objekte, Personen oder Situationen<br />

richten, oder auch unbestimmt sein und als Affekt auftreten. Hier muss nicht unmittelbar eine Beziehung <strong>zu</strong> den direkten Objekten,<br />

Situationen oder Personen bestehen, sondern Ängste können aufgrund einer Assoziation auftreten. Weiters kann Angst in<br />

einzelnen Settings auftreten, wie beispielsweise die Angst vor Schlangen, oder aber entwicklungspsychologisch bedingt und somit<br />

ein Dauer<strong>zu</strong>stand sein, der krankhaft ist (Hillmann, 2007, S. 28).<br />

Wenn Kinder ängstlich sind oder in den verschiedenen Lebens- und Entwicklungsphasen Ängste entwickeln, wie beispielsweise<br />

Trennungs- oder Verlassensängste sowie Prüfungsängste, sollte ihnen Halt und Geborgenheit gegeben werden. Ein liebevolles<br />

Elternhaus ist ein starkes Fundament, auf dem sich die Kinder bewegen können. Es gibt oftmals einfache Lösungen um den Ängsten<br />

entgegen<strong>zu</strong>wirken: beispielsweise kann bei Angst vor Dunkelheit ein Nachtlicht angelassen werden. Trennungsängsten kann<br />

vorgebeugt werden, indem sich Kinder rechtzeitig an fremde Menschen gewöhnen. Kinder können ihre Gefühle oft nur in einem<br />

Bild ausdrücken. Schüchterne Kinder behalten ihre Ängste eher für sich. In unbekannte Situationen fürchten sich schüchterne Kinder<br />

schneller als offene kommunikative Kinder. Jan-Uwe Rogge (2002) schreibt Geschichten, wie Kindern ihre Ängste genommen<br />

werden können. Wichtig ist es, dem Kind viel Unterstüt<strong>zu</strong>ng <strong>zu</strong> geben, damit es dann mit beängstigen Situationen besser umgehen<br />

kann (Busch, 2017; Rogge, 2002).<br />

Ängste beeinflussen Kinder bewusst oder unbewusst, sie sind daher fester Bestandteil in der Entwicklung im Kindes- und Jugendalter.<br />

Wie ein Kind aufwächst, ob es geliebt und beschützt wird, ob es in einer förderlichen oder hinderlichen Umgebung heranwächst<br />

oder ob es in früher Kindheit schon mit dem Tod konfrontiert war, all diese Faktoren sind prägend für die Entstehung und<br />

Entwicklung der Ängste jedes Einzelnen. Ausschlaggebend ist, wie mit diesen Ängsten im Kindes- und Jugendalter umgegangen<br />

wird, welche Unterstüt<strong>zu</strong>ng den Kindern bei der Bewältigung der Ängste geboten wird und wie das unmittelbare soziale Umfeld<br />

das Kind in diesem Prozess begleitet.<br />

Quellen:<br />

Althoetmar, Kai (2016). Planet Wissen. Zugriff am 15.06.2018 unter https://www.planet-wissen.de/gesellschaft/psychologie/angst/index.html<br />

Busch, Petra (2017). Praxis für Veränderungs -und Emotions-Coaching Koblenz. Zugriff am 15.06.2018 unter http://beratung-coaching-koblenz.de/coaching-koblenz-informiert-was-ist-angst-hilfe-bei-aengsten/<br />

Hillmann, Karl-Heinz (2007). Wörterbuch der Soziologie. Stuttgart: Alfred Kröner Verlag.<br />

Rogge, Jan-Uwe (2002). Geschichten gegen Ängste: So helfen Sie Ihrem Kind (5. Auflage). Reinbek: Rowohlt Taschenbuch Verlag.<br />

10


Bildungserfolg und soziale Herkunft<br />

„Zeig mir deine Eltern und ich sage dir, was aus dir wird.“<br />

Beatrice Gangl<br />

Das österreichische Bildungssystem durchlief viele Veränderungen und Reformen, jede neue Reform sollte Lücken schließen und<br />

Chancengleichheit sowie Bildungsgerechtigkeit eröffnen. Nach wie vor konnte aber die (Aus-)Bildungsungleichheit nicht minimiert<br />

werden: Schüler*innen werden noch immer aufgrund ihrer Herkunft, persönlichen Situation, ihres Migrationshintergrundes<br />

oder Einschränkungen beurteilt und benachteiligt. Warum fällt es einem „Einwandererkind“ viel schwerer seinen Traum <strong>zu</strong> erfüllen<br />

und beispielswiese Arzt <strong>zu</strong> werden als einem Kind der österreichischen Mittel- oder Oberschicht? Ist eine inklusive Bildung, durch<br />

die alle Schüler*innen, unabhängig von obgenannten Faktoren, die Möglichkeit haben eine gleichwertige Ausbildung <strong>zu</strong> erhalten,<br />

die Lösung all dieser Probleme? Kann es gelingen durch inklusive Bildung Ungleichheiten <strong>zu</strong> minimieren?<br />

Ein Zusammenhang zwischen sozialer Herkunft und Erfolg in der Schule ist eindeutig und kann aufgrund diverser Untersuchungen<br />

belegt werden. Zu Beginn der 1. Republik sollte allen Kindern eine einheitliche optimale Ausbildung ermöglicht werden. Oft entscheiden<br />

Lehrkräfte, meist gemeinsam mit den Eltern, über den weiteren schulischen Weg des Kindes. Dies führt da<strong>zu</strong>, dass Schüler*innen<br />

aus sozial schwächeren Familien schlechtere Chancen haben eine höherbildende Schule ab<strong>zu</strong>schließen, als Schüler*innen<br />

aus Akademikerfamilien. Kinder aus sozial schwächeren Familien und Schüler*innen mit Migrationshintergrund müssen sich<br />

viel mehr beweisen, auch wenn sich kein Niveauunterschied der schulischen Leistungen erkennen lässt. Die Wahrscheinlichkeit,<br />

die Schule ohne Abschluss <strong>zu</strong> verlassen, ist bei Schüler*innen aus sozial schwächeren Verhältnissen wesentlichen höher als bei<br />

Schüler*innen der Mittel- oder Oberschicht. Gründe hierfür liegen <strong>zu</strong>m einen darin, dass Lehrer*innen selbst Angehörige der Mittel-<br />

und Oberschicht sind. Hier wirkt die soziale Nähe <strong>zu</strong> Kindern aus gut situierten Elternhäusern, denn sie weisen einen ähnlichen<br />

Habitus auf wie ihre Lehrer*innen, auch wehren sich Eltern mittlerer und oberer Sozialmilieus heftiger gegen den sozialen Abstieg<br />

ihrer Kinder. Zum anderen sind Menschen mit körperlichen und/oder kognitiven Einschränkungen ebenso von Schwierigkeiten betroffen<br />

(Dahrendorf, 1988, S. 3ff).<br />

Ein erster Fortschritt vollzog sich im österreichischen Bildungssystem Anfang der 90er Jahre: Für Schüler*innen mit Behinderungen<br />

wird die integrative Ausbildung eingeführt. Seitdem ist im Bereich der schulischen Integration viel passiert und das Konzept<br />

der Integration wird nach und nach vom Konzept der Inklusion abgelöst. Was bedeutet jedoch dieser vielverwendete Begriff „Inklusive<br />

Bildung“? Die Mehrheit aller Schüler*innen geht in gemeinsame Schulen, Kinder mit und ohne Einschränkungen besuchen die<br />

gleiche Schule. Jede*r bekommt die notwendige Betreuung um in der gleichen Klasse <strong>zu</strong> lernen. Sonderschulen sollen <strong>zu</strong> Gunsten<br />

inklusiver Schulen schließen. Sonderschullehrkräfte an inklusiven Schulen unterrichten gemeinsam mit anderen Lehrer*innen,<br />

sonderpädagogische Zentren wandelten sich in pädagogische Zentren, die alle Schulen nutzen. Die Frage ist, ob inklusive Bildung<br />

als Lösung für Chancenungleichheit fungieren kann oder ob dies eine Utopie bleibt. Inklusive Bildung kann, wenn sie gut umgesetzt<br />

und angeleitet ist, <strong>zu</strong> besseren sozialen, gesundheitlichen, akademischen und wirtschaftlichen Ergebnissen führen. Kein oder<br />

eingeschränkter Zugang <strong>zu</strong> Schulbildung bedeutet womöglich nicht richtig lesen und schreiben <strong>zu</strong> können, keine Möglichkeit <strong>zu</strong><br />

haben um Freund*innen <strong>zu</strong> finden oder auch später schlechtere Berufschancen. Außerdem fördert inklusive Bildung Wertschät<strong>zu</strong>ng<br />

von Diversität in unserer Gesellschaft (BMBWF, 2018; Licht für die Welt 2018).<br />

Zusammenfassend ist es wichtig <strong>zu</strong> erwähnen, dass es in Österreich viele positive Veränderungen in Be<strong>zu</strong>g auf die schulische Bildung<br />

gegeben hat. Reformen haben da<strong>zu</strong> geführt, dass Kinder mit und ohne Behinderung gemeinsam beschult werden. Inklusion<br />

in der Bildung ist ein Konzept, welches sich aber noch im Prozess der praktischen Umset<strong>zu</strong>ng befindet und nicht vollständig in den<br />

Schulen und der Gesellschaft angekommen ist. Spricht man von inklusiver Bildung, dann meint man die gemeinsame Beschulung<br />

aller Kinder, unabhängig von Herkunft, Benachteiligungen, Erkrankungen, Behinderungen etc. Es bedarf weiterer Schritte in Richtung<br />

Chancengleichheit, gesellschaftliche Sensibilisierung und Offenheit für diesen Themenbereich.<br />

Quellen:<br />

Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Forschung (06.04.2018). Geschichte des österreichischen Schulwesens. Zugriff am 12.06.2018 unter https://<br />

bildung.bmbwf.gv.at/schulen/bw/ueberblick/sw_oest.html<br />

Dahrendorf, Ralf (1988). Pfade aus Utopia: Arbeiten <strong>zu</strong>r Theorie und Methode der Soziologie. München: Piper Verlag.<br />

Licht für die Welt- Light for the world (2018). Warum inklusive Bildung. Zugriff am 24.07.2018 unter https://www.licht-fuer-die-welt.at/warum-inklusive-bildung<br />

11


Hürden der Inklusion<br />

Jennifer Havalec<br />

In der UN-Behindertenrechtskonvention werden in Artikel 24 die Rechte auf Bildung für Menschen mit Behinderungen beschrieben.<br />

Die Inhalte in Absatz eins bis drei verdeutlichen, dass Menschen mit Behinderungen vom allgemeinen Schul-Bildungswesen<br />

nicht ausgeschlossen werden dürfen und unterstützt werden müssen gleichberechtigt daran teil<strong>zu</strong>haben (UN-BRK, Art. 24, Z 1-3).<br />

Sonderschulen widersprechen dieser Konvention und sind somit als rechtswidrig <strong>zu</strong> betrachten. Wieso werden inklusive Schulen<br />

nicht schneller „vorangetrieben“ und welche elementaren Kernprobleme der Inklusion in der Schulbildung gibt es? Für die Disability<br />

and Diversity Studies hat diese Frage hohe Relevanz. Das Individuum steht im Zentrum und nicht dessen Behinderung oder<br />

Benachteiligungen aufgrund von Diversitätsmerkmalen. Wenn Vielfältigkeit <strong>zu</strong>gelassen wird und Raum findet, dann wird diese <strong>zu</strong><br />

einer besonderen Chance für Schüler*innen und die Gesellschaft im Allgemeinen.<br />

In Österreich gibt es bis dato die allgemeine Schule mit Integrationsklassen und ebenso Sonderschulen. Im deutschen Raum werden<br />

inklusive Schulformen angeboten. Einerseits Grundschulen und andererseits neue Mittelschulen. In Deutschland sind inklusive<br />

Schulen jedoch nur einzeln vorhanden. In Österreich wurden Modellregionen geschaffen.<br />

Inklusive Schulbildung hat die Aufgabe die <strong>Vielfalt</strong> aller Schüler*innen an<strong>zu</strong>erkennen und diese <strong>zu</strong> berücksichtigen. Regelschulen<br />

müssen so geführt werden, dass alle Kinder und Jugendlichen gut lernen können. Dies wiederum impliziert andere Rahmenbedingungen<br />

an Schulen durch die Schulorganisation, damit diese den individuellen Bedürfnissen der Schüler*innen angepasst werden<br />

kann. Durch die Lösung der elementaren Kernprobleme lernen Schüler*innen und Lehrer*innen <strong>zu</strong>sätzlich soziale Kompetenzen.<br />

Sie unterstützen einander wodurch Ausgren<strong>zu</strong>ng minimiert wird (Schumann, 2009, S. 52f, zit. nach Cudak, 2017, S. 124f).<br />

Um eine inklusive Schule <strong>zu</strong> ermöglichen bedarf es einem finanziellen Aufwand. Dies betrifft auch die Infrastruktur. Einerseits muss<br />

das Gebäude barrierefrei sein und andererseits werden Ruheräume, für unterschiedliche Aktivitäten wie Essen, Kleingruppenarbeiten<br />

und Bewegung sowie <strong>zu</strong>r Entspannung, benötigt (Südwestrundfunk, 2013, S. 6).<br />

Die <strong>Vielfalt</strong> der Schüler*innen verlangt eine andere Art der Aufmerksamkeit als in den Regelschulen üblich ist. Das bedeutet, dass<br />

eine Lehrperson nicht ausreicht und inter- sowie multiprofessionelle Zusammenarbeit notwendig ist (Südwestrundfunk, 2013, Walter<br />

Heilmann, S. 7).<br />

Die Anforderungen an das Lehrpersonal ist mit der inklusiven Schulbildung im Wandel, denn bisher wurde die Beschulung von Kindern<br />

mit Behinderungen von erfahrenen Sonderpädagog*innen vorgenommen (Trumpa, 2014, S. 51). Dies impliziert in weiterer<br />

Folge eine Teamarbeit zwischen den Sonderpädagog*innen und den Lehrer*innen aber auch anderen Professionen wie Zivildiener*innen,<br />

Pflegekräften oder Physiotherapeut*innen. Teamarbeit ist der Kern einer gelungen inklusiven Schulbildung (Südwestrundfunk,<br />

2013, S. 8).<br />

Einseitige Lehr- und Lernwege verhindern eine inklusive Schulbildung. Es müssen „inklusive Praktiken“ entwickelt werden. Diese<br />

beziehen sich auf die Unterrichtsgestaltung und die Unterstüt<strong>zu</strong>ng aller Schüler*innen (Wernig, 2014, S. 608).<br />

Werden die ersten beiden Kernprobleme beseitigt, dann bedarf es der Sensibilisierung der Eltern und Lehrer*innen. Die Erziehungsberechtigten<br />

der Kinder mit Behinderungen fürchten eine Ausgren<strong>zu</strong>ng in allgemeinen Schulklassen und Eltern mit Kindern<br />

ohne Behinderungen denken, dass ihre Kinder im Unterricht <strong>zu</strong> kurz kommen (Südwestrundfunk, 2013, S. 7). Hierbei ist es notwendig<br />

Eltern <strong>zu</strong> sensibilisieren und ihnen die Angst <strong>zu</strong> nehmen. Einerseits muss verdeutlicht werden, dass die inklusive Beschulung,<br />

ihre Kinder in Richtung vollständige Teilhabe am Leben in der Gesellschaft bringt. Andererseits muss darauf hingedeutet werden,<br />

dass Kinder soziale Kompetenzen, Teamarbeit sowie Akzeptanz erwerben und dadurch viele Erfahrungen machen können, die für<br />

die Arbeitswelt und in der Gesellschaft einen großen Nutzen haben.<br />

Finanzielle Aspekte, die Gestaltung des Unterrichtes, die Teamarbeit mehrerer Professionist*innen und Sensibilisierung sind Hürden,<br />

die der Inklusion an Schulen noch im Wege stehen. Wenn die genannten elementaren Kernprobleme beseitigt werden, dann<br />

kann Inklusion in der Schulbildung adäquat umgesetzt werden. Schüler*innen und Lehrer*innen können gemeinsam lernen und<br />

Erfahrungen machen.<br />

Quellen:<br />

Cudak, Karin (2017). Bildung für Newcomer. Diversität und Inklusion in der Bildung. DOI 10.1007/978-3-658-14719-8_4. Wiesbaden<br />

Südwestrundfunk. Schule für alle. Wie Inklusion gelingen kann. Zugriff am 14.04.2018 unter https://www.swr.de/-/id=12767298/property=download/nid=660374/1cbc9gh/<br />

swr2-wissen-20140308.pdf<br />

Trumpa, Silke, Janz, Frauke & Heyl, Vera (2014). Zeitschrift für Bildungsforschung. Einstellungen <strong>zu</strong> Inklusion bei Lehrkräften und Eltern. Eine schulartspezifische Analyse.<br />

DOI 10.1007/s35834-014-0103-y. Wiesbaden.<br />

UN-BRK: Sozialministerium. Broschürenservice. UN-Behindertenrechtskonvention. Übereinkommen über die Rechte von Menschen mit Behinderung und Fakultativprotokoll.<br />

Zugriff am 31.05.2018 unter https://broschuerenservice.sozialministerium.at/Home/Download?publicationId=19<br />

Wernig, Rolf (2014). Zeitschrift für Erziehungswissenschaften. Stichwort: Schulische Inklusion. DOI 10.1007/s11618-014-0581-7. Wiesbaden.<br />

12


Chancen(un)gleichheit im österreichischen<br />

Schulbildungssystem<br />

in Be<strong>zu</strong>g auf Pierre Bourdieus Kapitalbegriff<br />

David Hebenstreit<br />

Die Positionierung, die das Individuum in unserer Gesellschaft einnimmt wird meist vom Ausbildungsstand bestimmt. Obwohl das<br />

Schulbildungsniveau in Österreich höher ist als in anderen Länder, ist der Zugang <strong>zu</strong>r Schulbildung in unserer Gesellschaft ungleich<br />

verteilt (Statistik Austria, 2009/10). Dieser Essay soll einen kurzen Überblick über die Bedeutung der sozialen Herkunft und die<br />

Wichtigkeit von kulturellem Kapital <strong>zu</strong>m Schulerfolg geben und folgende Fragestellung behandeln: Welche Auswirkungen hat die<br />

soziale Herkunft bzw. fehlendes Kapital auf die Chancen(un)gleichheit im Schulbildungssystem?<br />

Pierre Bourdieu (1992) sieht Menschen als soziale Wesen, die sich in der gesellschaftlichen Rangordnung positionieren und von ihr<br />

geprägt werden. Menschen sind nicht nur individuell und frei, sondern werden auch von ihrem sozialen Umfeld geprägt, indem sie<br />

die Regeln und Normen einhalten und nach ihnen handeln. Bourdieu geht davon aus, dass die Gesellschaft in drei Klassen eingeteilt<br />

werden kann: Die soziale obere Schicht, die herrschende Schicht, die sich von den unteren Klassen abgrenzen will. Die soziale<br />

Mittelschicht wird durch das Kleinbürgertum gebildet, strebt nach kultureller Anpassung der Oberschicht. Die soziale Unterschicht<br />

besteht aus dem Arbeitermilieu, das dem ständigen Kampf ums Überleben ausgesetzt ist (Baumgart, 2008, S. 199-215).<br />

Nach Bourdieu (1983) ist die Position im sozialen Raum abhängig vom Kapitalvolumen. Er beschreibt verschieden Kapitalsorten,<br />

die sich gesellschaftlich verteilen. Ökonomisches Kapital, wie Geld oder materielle Güter. Soziales Kapital sind aktuelle und potentielle<br />

Ressourcen, wie Beziehungen und Zugehörigkeit <strong>zu</strong> einer Gruppe. Kulturelles Kapital beschreibt er in drei Formen: Das inkorporierte<br />

Kulturkapital, welches körpergebunden ist und der Bildung einer Person entspricht. Objektiviertes Kulturkapital wie<br />

Bücher, Lexika und Instrumente. Institutionalisiertes Kulturkapital, das offiziell anerkannt ist, wie <strong>zu</strong>m Beispiel ein akademischer<br />

Titel (Bourdieu, 1983, S.183-195).<br />

In der Frage <strong>zu</strong>r Chancen(un)gleichheit im Schulbildungssystem sollte besonders das kulturelle Kapital in den Fokus genommen werden<br />

bzw. auch das soziale Kapital. Verfügt jemand über ein hohes soziales Kapital, das heißt Privilegien wie Empfehlungen, Beziehungen<br />

oder ein gutes soziales Netzwerk, beeinflusst das die Schulbildungschancen von Schüler*innen positiv. Mitentscheidend für den<br />

Schulerfolg von Kindern und Jugendlichen ist, welche Instrumente und welche Einstellungen Eltern ihnen mitgeben können. Eltern<br />

verschiedener Klassen vermitteln unterschiedliche Haltungen <strong>zu</strong> Schulbildung, die die Kinder und Jugendlichen beeinflussen. Wenn<br />

in der Familie keine Unterstüt<strong>zu</strong>ng für schulische Aufgaben oder nützliche Verhaltensweisen mitgegeben werden, befinden sich diese<br />

Kinder und Jugendlichen in einer benachteiligten Ausgangsituation. Das Schulbildungsniveau der Eltern wirkt auch auf den schulischen<br />

Erfolg der Kinder und Jugendlichen ein. Die Sprachkompetenz ist ein weiterer signifikanter Faktor, denn Sprachverständnis und<br />

Sprachbeherrschungen sind für den Schulerfolg mitverantwortlich (Bourdieu, 2001, S. 26-31).<br />

Nicht außer Acht gelassen werden darf, dass das ökonomische Kapital eine Grundvorausset<strong>zu</strong>ng für eine erfolgreiche Ausbildungskarriere<br />

ist. Das heißt: Können sich Eltern für ihre Kinder eine Schullaufbahn über den Pflichtschulabschluss hinaus überhaupt<br />

leisten (Bourdieu, 2001, S. 26)? Wenn nicht, wird der Zugang <strong>zu</strong>r Schulbildung dem Kind zwar nicht verwehrt, doch der Zugang ist<br />

wesentlich schwieriger als für Kinder mit Eltern, die ein hohes ökonomisches Kapital besitzen.<br />

Des Weiteren ist die Ausrichtung des Schulbildungssystems an einer bestimmten Gesellschaftsordnung orientiert. Es baut auf die<br />

Vorstellungen einer bürgerlichen und kleinbürgerlichen Kultur auf. Lehrende fühlen sich der Oberschicht <strong>zu</strong>gehörig und haben<br />

daher einen ähnlichen Habitus, wie Schüler*innen, die der gleichen Schicht angehören. Dadurch könnten Schüler*innen, die einen<br />

anderen sozialen oder kulturellen Hintergrund haben, sich nicht <strong>zu</strong>gehörig fühlen (Bourdieu, 2001, S. 23).<br />

Schlussendlich kann Chancen(un)gleicheit im Schulbildungssystem vor allem dem fehlenden kulturellen Kapital <strong>zu</strong>geordnet<br />

werden. Die soziale Herkunft entscheidet nach wie vor über die Zugänge <strong>zu</strong>m Schulbildungssystem.<br />

Quellen:<br />

Bourdieu, Pierre (2001). Die konservative Schule. Die soziale Chancenungleichheit gegenüber Schule und Kultur. In: Steinrucke, Margareta (Hrsg.), Wie die Kultur <strong>zu</strong>m<br />

Bauern kommt. Über Bildung, Schule und Politik. Hamburg: VSA Verlag.<br />

Bourdieu, Pierre (1983). Ökonomisches Kapital, kulturelles Kapital, soziales Kapital. In: Reinhard Kreckel (Hrsg.), Soziale Ungleichheiten (Soziale Welt Sonderband 2).<br />

Göttingen: Otto Schwartz Verlag.<br />

Baumgart, Franzjörg (2008). Theorien der Sozialisation (4. Auflage). Regensburg: Klinkhardt.<br />

Statistik Austria ( 2009/10). Pressekonferenz “Bildung in Zahlen 2009/10“ – Präsentation. Zugriff am 05.09.2018 unter https://www.edugroup.at/fileadmin/DAM/eduhi/<br />

data_dl/bildung_in_zahlen_20082009_schluesselindikatoren_und_analysen.pdf<br />

13


Mädchen in der Schulbildung<br />

Romana Christina Huber<br />

Mit Beginn der Hochkulturen Mesopotamiens und Ägyptens war der Besuch einer Schreiberschule im institutionellen Sinne für<br />

junge Frauen nicht erstrebenswert. Der Bevölkerung <strong>zu</strong>folge war das Erlernen der Schrift für die <strong>zu</strong>künftigen „Hausfrauen“ nicht<br />

relevant (Liedtke, 1992, S. 63f). Die Vorstellung von geschlechtsbezogenen Dimensionen hat sich im Laufe der Zeit jedoch gewandelt<br />

– oder nicht?<br />

Ende der 1960er Jahre wurden erstmals Schulbücher untersucht, um die diskriminierende geschlechtsstereotypische Darstellung<br />

von Frauen <strong>zu</strong> erforschen. Weitere Forschungen <strong>zu</strong>r Vertretung von Mädchen in verschiedenen Schultypen folgten. Wissenschaftliche<br />

Arbeiten <strong>zu</strong>m gemeinsamen und getrennten Unterricht von Mädchen und Jungen sorgen noch heute für Diskussionen (Hof,<br />

2005, S. 301f). Daher wird in diesem Essay die Frage „Wie kann es gelingen geschlechtsstereotypische Zuschreibungen im Unterricht<br />

<strong>zu</strong> überwinden?“ bearbeitet.<br />

Liedtke (1992) betont, dass Mädchen die Möglichkeit <strong>zu</strong>steht ihren Interessen im schulischen Alltag nachgehen <strong>zu</strong> können, ohne<br />

sich von gesellschaftlich konstruierten Geschlechterrollen unter Druck setzen <strong>zu</strong> lassen (Liedtke, 1992, S. 87). Diskriminierungen<br />

der Geschlechter in gesellschaftlichen Makrostrukturen müssen auf Mikroebenen und somit in täglichen Kommu¬nikationsvorgängen<br />

aufgelöst werden. Die Schule als Sozialisationsinstanz muss eine vollkommen nichtdiskriminierende Einrichtung sein, um<br />

als Wegweiser für junge Menschen <strong>zu</strong> dienen (Fuchs, 1992, S. 177). Um diesen Anforderungen gerecht <strong>zu</strong> werden, müssen Geschlechterhierarchien<br />

abgebaut werden und ein bewusster Umgang mit den Geschlechter¬verhältnissen vorherrschen. Dies ist<br />

unteranderem auch ein Ziel der reflexiven Koedukation (Hof, 2005, S. 304f).<br />

Vor allem <strong>zu</strong> Beginn der 1990er Jahre standen die Auswirkungen von koedukativen Schulklassen im Mittelpunkt der feministischen<br />

Schulforschung. Koedukativer Unterricht galt als Lehrstätte, die geschlechtstypische Rollen- und Macht<strong>zu</strong>weisungen einübt. Um<br />

dagegen vor<strong>zu</strong>gehen, fanden in den 1980er Jahren Projekte statt, die das naturwissenschaftlich-technische Interesse von jungen<br />

Frauen fördern sollte. In der gleichen Zeitperiode fanden ebenfalls Untersuchungen statt, die zeigten, dass weibliche Studierende<br />

der Naturwissenschaften und Technik vermehrt aus reinen Mädchenschulen kamen. Infolgedessen wurden verschiedene Formen<br />

des getrennten Unterrichts (z.B. Trennung in Schulstufen, einzelnen Fächern oder eigenständige Mädchenklassen) vorgeschlagen.<br />

Empirische Forschungen, die die Benachteiligung von Mädchen in koedukativen Schulklassen bestätigen, existieren wiederum<br />

nicht (Hof, 2005, S. 303f; Fuchs, 1992, S. 174).<br />

Werden Geschlechterverhältnisse neugestaltet, müssen Mädchen und Jungen gleichermaßen berücksichtigt werden. Damit die<br />

Aufhebung von Geschlechterrollen im Klassenzimmer gelingt, darf eben nicht nur an die weibliche Bildung gedacht werden. Alle<br />

Schüler*innen müssen bewusst wahrgenommen werden, ohne eine Personengruppe wegen ihres Geschlechts hervor<strong>zu</strong>heben.<br />

Dualistisches Denken im Sinne der Geschlechter kann sich nur auflösen, wenn Kinder oder Jugendliche als Individuen und nicht als<br />

Kollektiv wahrgenommen werden (Prengel, 1992, S. 149).<br />

Ein Konzept, um geschlechtsstereotypische Zuschreibungen im Unterricht <strong>zu</strong> überwinden nennt sich geschlechtergerechte Didaktik.<br />

Geschlechterverhältnisse werden demokratisiert, indem weder Jungen noch Mädchen im Unterreicht bevor<strong>zu</strong>gt werden.<br />

Alles, was mit dem Lernprozess <strong>zu</strong>sammenhängt, muss so gestaltet sein, dass sich keiner beim Lernen beeinträchtigt fühlt. Das<br />

betrifft neben Schüler*innen auch die Pädagog*innen (Hof, 2005, S. 307f). Damit Lehrkräfte die eben genannten Anforderungen<br />

umsetzen können, sollte Selbstreflexion über die eigene Position <strong>zu</strong> Geschlechterverhältnissen ein fixer Bestandteil der Lehrer*innenausbildung<br />

sein (Hof, 2005, S. 315).<br />

Die einzelnen Positionen <strong>zu</strong> diesem Thema variieren, denn „verschiedene Perspektiven ermöglichen verschiedene Deutungen der<br />

Welt der Geschlechter“ (Hof, 2005, S. 311). Deshalb ist es wichtig, so viele Facetten wie möglich <strong>zu</strong> berücksichtigen und diese in die<br />

eigene Meinung mitein<strong>zu</strong>bauen. Das Forschungsgebiet Bildung und Geschlecht wird auch in Zukunft kein abgeschlossener Bereich<br />

werden, wodurch sich neue Forschungsergebnisse ergeben werden.<br />

Quellen:<br />

Fuchs, Claudia (1992). Koedukation benachteiligt Mädchen. Koedukation benachteiligt Jungen. In: Glumpler, Edith (Hrsg.), Mädchenbildung, Frauenbildung. Bad Heilbrunn:<br />

Julius Klinkhardt, 171-177.<br />

Hof, Christiane (2005). Pädagogik. Das Geschlecht der Bildung: Gender in Pädagogik und Erziehungs-wissenschaft. In: Bußmann, Hadumod & Hof, Renate (Hrsg.), Genus.<br />

Geschlechterforschung/Gender Studies in den Kultur- und Sozialwissenschaften. Stuttgart: Alfred Kröner Verlag, 296-327.<br />

Liedtke, Max (1992). Männersache Bildung. Der weite Schulweg der Mädchen – Historische Wurzeln einer Benachteiligung. In: Glumpler, Edith (Hrsg.), Mädchenbildung,<br />

Frauenbildung. Bad Heilbrunn: Ju¬lius Klinkhardt, 62-92.<br />

Prengel, Annedore (1992). Was will die Feministische Pädagogik? Zur Bedeutung eines demokratischen Differenzbegriffs für die Erziehung von Mädchen und Jungen. In:<br />

Glumpler, Edith (Hrsg.), Mädchenbildung, Frauenbildung. Bad Heilbrunn: Julius Klinkhardt, 148-155.<br />

14


Das Problem der Verständigung<br />

Egalitäre <strong>Vielfalt</strong> und Differenz: Bilingualer Unterricht für<br />

hörende und gehörlose Schüler*innen<br />

Sarah Johanna Hörmer<br />

Was spricht für Dolmetscher*innen an Schulen? Welche möglichen Probleme ergeben sich? Welche Alternativen gibt es? Welche<br />

Vor- und Nachteile bieten Österreichische Gebärden Sprache (ÖGS) Dolmetscher*innen an Schulen für hörende und gehörlose<br />

Schüler*innen? Mit diesen Fragen setzt sich folgender Text auseinander. Um das Essay im Rahmen <strong>zu</strong> halten, werden Faktoren wie<br />

die Frage, ob das betroffene Kind österreichische Gebärdensprache beherrscht, sowie der Einflussfaktor Elternhaus (hörend oder<br />

gehörlos) außer Acht gelassen. Auch auf die Frage nach den <strong>zu</strong>r Verfügung stehenden Ressourcen (ausgebildete Dolmetscher*innen,<br />

usw.) wird nicht eingegangen.<br />

Seit der Anerkennung von Gebärdensprache als Sprache, nimmt die Bedeutung in der Forschung <strong>zu</strong>. Immer mehr Arbeiten befassen<br />

sich mit dem Thema der Gehörlosigkeit, sowie ihrer Bedeutung beispielsweise im Schulbildungssektor. Ungefähr 8.000-10.000<br />

Österreicher*innen sind gehörlos. Obwohl österreichische Gebärdensprache seit 2005 als selbstständige Sprache anerkannt wird,<br />

weigern sich die meisten Schulen nach wie vor, sie als Unterrichtssprache ein<strong>zu</strong>führen (Volksgruppen ORF, 2015).<br />

1.422 Kinder galten 2013/14, entsprechend der jeweiligen Landesdefinition als gehörlos, oder hörbehindert. Österreichweit wurde<br />

circa die Hälfte davon in Sonderschulen unterrichtet. Betroffene Kinder an Regelschulen erhielten Unterstüt<strong>zu</strong>ng durch Integrative<br />

Zentren (Hartl & Unger, 2014, S. 17ff). Vor dem Gesetz gilt eine gehörlose Person als „behindert“. Für den schulischen Kontext bedeutet<br />

dies, dass Kinder mit Hörbeeinträchtigung „gefördert“ werden müssen, während hörende Kinder „unterrichtet“ werden.<br />

Dieses Bild von Gehörlosigkeit ist rein medizinisch geprägt. Andererseits besagt Artikel 9 (2) e) der UN-Behindertenrechtskonvention,<br />

welche in Österreich 2008 ratifiziert wurde, dass der Staat sich da<strong>zu</strong> verpflichtet Gebärdensprachdolmetscher*innen <strong>zu</strong><br />

gewährleisten, um Personen, die gehörlos sind, den Zugang <strong>zu</strong>r Öffentlichkeit <strong>zu</strong> erleichtern (Hartl & Unger, 2014, S. 11ff).<br />

Aus Sicht der Diversity Education (Prengel, 2007), können Dolmetscher*innen als Zeichen von Anerkennung gesehen werden.<br />

Gehörlosen Kindern wird nicht nur „erlaubt“ anders <strong>zu</strong> sein, sondern auch das Gefühl vermittelt, dass ihre Sinnesbeeinträchtigung<br />

als ein positiver Teil ihrer eigenen Persönlichkeit verstanden werden kann. Die Kinder erhalten ein Gefühl von Gleichheit und Zugehörigkeit,<br />

indem sie am „normalen“ Schulalltag teilnehmen können. Man kann demnach aussagen, dass der*die Dolmetscher*in<br />

dafür sorgt, dass Betroffene nicht gleichbehandelt, dafür jedoch gleichberechtigt werden (Prengel, 2007, S. 51ff).<br />

Gegner von österreichischer Gebärdensprache an Schulen verweisen auf die vermeintliche „Unvollständigkeit“ der Sprache, da<br />

ihrer Meinung nach vor allem im mittleren und höherem Aus- & Schulbildungsbereich Äquivalente <strong>zu</strong>m Fachvokabular fehlen.<br />

Auf der anderen Seite wird hiermit die Entwicklung von Universalität im Sinne von einheitlichen Fachvokabeln gehemmt. Österreichische<br />

Gebärdensprache und damit verbunden Dolmetscher*innen an Schulen würden diesen Prozess vorantreiben, da der<br />

Thematik mehr Aufmerksamkeit <strong>zu</strong>gewendet werden muss (Hartl & Unger, S. 9 ff).<br />

Kritisch <strong>zu</strong> betrachten ist, dass Dolmetscher*innen keine ausgebildeten Pädagog*innen, oder Betreuungspersonen sind. Im<br />

Pflichtschulbereich können sich daraus Probleme ergeben: Einerseits durch Fehlinterpretation der Aufgabe des*der Dolmetschers*Dolmetscherin,<br />

andererseits durch die adäquate Überset<strong>zu</strong>ng der primär pädagogischen Kommunikation der Lehrkräfte.<br />

Ein Kritikpunkt welcher sich durch eine <strong>zu</strong>sätzliche Ausbildung für Dolmetscher*innen beheben lassen würde. Idealerweise müsste<br />

der Unterricht von einer Lehrkraft mit österreichischer Gebärdensprachkompetenz, gemeinsam mit einem*einer Gebärdensprachpädagogen*in<br />

(eine selbst gehörlose Lehrkraft) abgehalten werden. Vorteil hierbei ist, dass beide vollwertig ausgebildete<br />

Lehrpersonen im Teamteaching agieren können. Zudem nimmt der*die Gebärdensprachpädagoge*in als Selbstbetroffene*r eine<br />

Vorbildfunktion ein. Würde man <strong>zu</strong>sätzlich österreichische Gebärdensprache als Pflichtfach an Schulen einführen, wäre bilingualer<br />

Unterricht eine <strong>zu</strong>sätzliche Möglichkeit (Hartl & Unger, S. 22ff). Dolmetscher*innen können den Schulalltag erleichtern, sind<br />

jedoch keine Alleinlösung.<br />

Quellen:<br />

Hartl, Jakob & Unger, Martin (2014). Projektbericht- Abschät<strong>zu</strong>ng der Bedarfslage an ÖGS-DolmetscherInnen in Primär-, Sekundär- und Tertiärbildung sowie in Bereichen<br />

des täglichen Lebens. Zugriff am 05.06.2018 unter https://bildung.bmbwf.gv.at/schulen/sb/oegs_bedarfslage_dolmetsch.pdf?61edk0<br />

ÖGSDV, Gebärdensprach-DolmetscherInnen- und –ÜbersetzerInnen-Verband (o.D.). Gerhörlosigkeit & Gebärdensprache. Zugriff am 04.06.2018 unter http://www.<br />

oegsdv.at/gehoerlosigkeit-gebaerdensprache/<br />

Prengel, Annedore (2007): Diversity Education – Grundlagen und Probleme der<br />

Pädagogik der <strong>Vielfalt</strong>. In: Krell, Gertaude; Riedmüller, Barbara; Sieben, Barbara; Vinz, Dagmar (Hrsg.), Diversity Studies. Grundlagen und disziplinäre Ansätze. Frankfurt/<br />

Main: Campus Verlag Gmbh, 49-64.<br />

Volksgruppen ORF.at, Diversität (07.01.2015). Zu wenige Gebärdensprach-Dolmetscher an Schulen. Zugriff am 04.06.2018 unter http://volksgruppen.orf.at/diversitaet/<br />

stories/2687964/<br />

15


Schule 4.0 – Digitalisierung der Schulbildung<br />

Lisa Kandut<br />

Den Hintergrund <strong>zu</strong>r Fragestellung „Ist Digitalisierung ein Mehrwert für Inklusion in der Schulbildung?“ bildet die aktuelle Digitalisierungsstrategie<br />

des Bundesministeriums für Bildung, Wissenschaft und Forschung. Ziel ist es, Schüler*innen digitale Kompetenzen<br />

<strong>zu</strong> lehren und ein kritisches Auseinandersetzen mit Informationen und Datensicherheit im Internet, sowie technisches Wissen<br />

<strong>zu</strong> fördern. Die Umset<strong>zu</strong>ng, die sich auf vier Säulen stützt, startete in einzelnen Schulen mit dem Schuljahr 2017/18. Die erste Säule<br />

stellt die digitale Grundbildung der Schüler*innen ab dem Volksschulalter dar, die zweite Säule beinhaltet digital kompetente Pädagog*innen<br />

und dementsprechende Aus- und Fortbildungen. Beratung für Schulen <strong>zu</strong> den Themen Breitband und Internet soll<br />

mit der dritten Säule Infrastruktur gewährleistet sein. Die vierte Säule der Digitalisierungsstrategie beinhaltet, dass Bildungsmedien<br />

und Lehr- und Lernportale für Lehrende und Schüler*innen bereitgestellt werden (Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft<br />

und Forschung, o.J., o.S.). Davon ausgehend wird hinterfragt, inwiefern dies und der Einsatz digitaler Tools einen Mehrwert<br />

für Inklusion im Schulwesen darstellen können.<br />

Durch den Fortschritt der Technik stehen eine Vielzahl technischer Hilfsmittel <strong>zu</strong>r Verfügung, die durch Funktionseinschränkungen<br />

des Körpers auftretende Erschwernisse im Alltag aufheben, oder erleichtern können. Menschen mit Sehbehinderungen wird die<br />

Arbeit am Computer durch Brailleprodukte, Vorlesesysteme und Sprachausgaben ermöglicht (VIDEBIS GmbH, 2018, o.S.). Speziell<br />

an die Anwender*innen angepasste Computeransteuerungen und Tastaturen, sowie Kommunikationshilfen ermöglichen die Computernut<strong>zu</strong>ng<br />

trotz Funktionseinschränkungen von Motorik, oder Lautsprache (RehaMedia Handelsgesellschaft mbH, 2017, o.S.).<br />

Der Einsatz von Tablets und/oder Computern als zentrale Medien im Schulunterricht kann die Inklusion von Schüler*innen mit Behinderung<br />

fördern. Durch die Ergän<strong>zu</strong>ng um die beschriebenen bedarfsangepassten Hilfsmittel kommt es <strong>zu</strong> einer Gleichstellung<br />

hinsichtlich der Teilnahme am Unterricht.<br />

Ein weiteres Handlungsfeld der Digitalisierung als Mittel für Inklusion liegt in den Bereichen Migration und Mehrsprachigkeit. Aus<br />

dem aktuellen österreichischen Integrationsbericht geht die aus staatlicher Sicht hohe Notwendigkeit des Spracherwerbs für den<br />

Zugang <strong>zu</strong> Bildungseinrichtungen und Arbeitsmarkt hervor. Sprache stellt dabei Kapital für gesellschaftliche Teilhabe dar (Integrationsbericht,<br />

2017, S. 43f). Es entspräche dem Stand der Technik, dass beim Einsatz von digitalen Schulbüchern die Bildungssprache<br />

Deutsch durch Überset<strong>zu</strong>ngen in individueller Muttersprache oder Bildsprache, wie die des Bildwörterbuchs ICOON for<br />

refugees (AMBERPRESS, 2015, o.S.), ergänzt werden kann, wodurch Sprachbarrieren, die eine Teilnahme am Unterricht erschweren,<br />

abgebaut werden.<br />

Eine für die Schüler*innen positive Umset<strong>zu</strong>ng der Strategie des Bundesministeriums ist in hohem Maße abhängig von der Weiterbildungsbereitschaft<br />

der Pädagog*innen. Neurowissenschaftlichen Erkenntnissen <strong>zu</strong>folge ist erfolgreiches Lernen und Motivationsempfinden<br />

immer auch mit dem Aufbau einer pädagogischen Beziehung zwischen Lernenden und Lehrenden verbunden<br />

(Bauer, 2010, S. 6ff). Dieser Aspekt darf durch vermehrten Einsatz von digitalen Tools nicht vernachlässigt werden. Der kritische<br />

Umgang mit Medien und Technik sollte nicht nur Teil der Unterrichtsinhalte für die Lernenden sein. Auch Pädagog*innen, Bildungseinrichtungen<br />

und das <strong>zu</strong>ständige Ministerium sollten die Digitalisierung im Schulwesen und das Konzept Schule 4.0 laufend<br />

kritisch hinterfragen und weiterentwickeln. Wenn die Umset<strong>zu</strong>ng der Digitalisierungsstrategie mit den stetig wachsenden Anwendungsbereichen<br />

der Technik und damit verbundenen Tools, die Funktionseinschränkungen des Körpers, oder Sprachbarrieren<br />

abbauen, verknüpft werden kann, ist ein Mehrwert für Inklusion in der Schule <strong>zu</strong> identifizieren. Denn dann kann der Einsatz von<br />

digitalen Medien individuelle Förderung und Gleichstellung gewährleisten und eine Chance auf Teilhabe aller an der digitalisierten<br />

Gesellschaft, Schule und Erwerbswelt darstellen.<br />

Quellen:<br />

AMBERPRESS (2015). ICOON global picture dictionary. Zugriff am 22.06.2018 unter http://icoonforrefugees.com/<br />

Bauer, Joachim (2010). Die Bedeutung der Beziehung für schulisches Lehren und Lernen. Eine neurobiologisch fundierte Perspektive. Pädagogik (Weinheim), 62 (2010)<br />

7/8, 6-9. Zugriff am 22.06.2018 unter http://www.komu.at/workshops/2015_01_23_Kongress_MusikschulleiterInnen_Aufsatz_Joachim%20Bauer_Die%20Bedeutung_<br />

der_Beziehung.pdf<br />

Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Forschung (o.J.). Schule 4.0. Zugriff am 22.06.2018 unter https://www.schule40.at/<br />

Integrationsbericht (2017). Flüchtlingsintegration bilanzieren – Regelintegration wieder thematisieren. Expertenrat für Integration. Wien. Zugriff am 22.06.2018 unter<br />

https://www.bmeia.gv.at/integration/integrationsbericht/<br />

RehaMedia Handelsgesellschaft mbH (2017). Kernprodukte. Zugriff am 22.06.2018 unter https://rehamedia.de/<br />

VIDEBIS GmbH (2018). Brailleprodukte. Zugriff am 22.06.2018 unter https://www.videbis.at/Brailleprodukte-2<br />

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Sonderschulen vs. Inklusionsklassen –<br />

Kinder zwischen Segregation und Inklusion<br />

Denise Kissling<br />

In den letzten Monaten und Jahren, als in den Medien die Abschaffung der Sonderschulen thematisiert wurde, gab es teilweise<br />

heftige Diskussionen über die Ablösung der Sonderschulen durch Inklusionsklassen. Es gibt Befürworter und Gegner beider Schulformen<br />

bzw. Unterrichtsformen, die möglicherweise auch ihre Berechtigung haben. Doch eines ist klar, durch Segregation von<br />

Kindern mit Behinderung in Sonderschulen, wird auch eine gesellschaftliche Inklusion nicht möglich sein. Deshalb wird in diesem<br />

Essay folgende Fragestellung bearbeitet: Ist die Abschaffung der Sonderschulen ein großer Schritt im österreichischen Schulbildungssystem?<br />

Nachfolgend wird versucht, durch die Betrachtung der Vor- bzw. Nachteile von Sonderschulen und Inklusionsklassen, heraus<strong>zu</strong>finden<br />

ob Österreich sich hinsichtlich der Abschaffung der Sonderschulen auf einem guten Weg Richtung Inklusion befindet. Lange<br />

Zeit war der Besuch von Sonderschulen für Kinder mit einer Behinderung die einzige Option. Es wurden Einrichtungen geschaffen<br />

in denen Kinder mit unterschiedlichsten Behinderungen gemeinsam eine Schulklasse besuchten. Hier spricht man von einer Segregation,<br />

weil es dadurch zwangsläufig <strong>zu</strong> einer Abgren<strong>zu</strong>ng von Kindern mit und ohne Behinderung kommt. Dies wird gerade von<br />

Selbstbetroffenen, Sonderpädagog*innen oder auch betroffenen Eltern am stärksten kritisiert. Trotz aller Kritik, sollte man einige<br />

Vorteile von Sonderschulen nicht außer Acht lassen: individuellere Förderungen, ständige Betreuung durch Sonderpädagog*innen,<br />

spezielle Therapie- und Förderangebote vor Ort oder Schutz vor Diskriminierung. Doch gibt es auch hier absolut nennenswerte<br />

Nachteile: Vor allem Eltern berichten über Unterforderung und Unterschät<strong>zu</strong>ng ihrer Kinder (Klicpera, 2005, S. 280).<br />

Nicht selten spielt auch die große Entfernung vom Wohnort eine wesentliche Rolle. Regelschulen gibt es in fast allen größeren<br />

Gemeinden, wohingegen Sonderschulen nur an vereinzelten Standorten an<strong>zu</strong>finden sind. Dies fordert von den Eltern oft viel Flexibilität<br />

und höhere Kosten. Auch Ausgren<strong>zu</strong>ng und Stigmatisierung können möglichen Folgen vom Besuch einer Sonderschule sein,<br />

da Sonderschulen oftmals negativ behaftet sind und über die Schulzeit hinaus eine negative und benachteiligende Wirkung zeigen<br />

(Specht, Seel, Stanzel-Tischler & Wohlhart, 2007, S. 41).<br />

Doch gibt es für die Zukunft große Änderungen, denn durch die Abschaffung der Sonderschulen, die laut Medien und Regierungsbeschlüssen,<br />

bis 2020 erfolgen sollen, werden Inklusionsklassen an allen Schulen angestrebt. Eine Schule, in der Kinder mit und<br />

ohne Behinderung an einem den Bedürfnissen angepassten Unterreicht teilnehmen. Dadurch entsteht eine Gruppe in der Heterogenität<br />

die Normalität ist – das ist der Grundgedanke von Inklusionsklassen. Somit ist eine inklusive Schule eine Schule für alle<br />

Kinder (Altmann, 2015, S. 11).<br />

Durch ein Umdenken soll Inklusion an Schulen Normalität werden. Weitere Vorteile von Inklusionsklassen sind: mehrere Pädagog*innen<br />

in einer Klasse, individueller Unterricht, spezielle Förderkurse, bessere Klassengemeinschaft, ein Sinken des Aggressionsniveaus<br />

sowie eine Verbesserung des Sozialverhaltens. Davon abgesehen profitieren auch die Eltern von einer wohnortnahen<br />

Beschulung ihrer Kinder, denn wie bereits oben erwähnt, stellt häufig die große Entfernung <strong>zu</strong> einer Sonderschule eine große<br />

Barriere dar (Altmann, 2015, S. 12-15).<br />

Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass Sonderschulen nicht prinzipiell negativ sind. Im Gegenteil, es gibt durchaus<br />

positive Aspekte. Doch wenn man von einem inklusiven Gedanken ausgeht, dass wir alle Menschen sind und jede*r die gleichen<br />

Chancen und Möglichkeiten haben soll, kann es nur den Weg von der Separation <strong>zu</strong>r Inklusion geben. In diesem Sinne ist die Abschaffung<br />

der Sonderschulen ein großer Schritt im österreichischen Schulsystem, der sich im Prozess der Umset<strong>zu</strong>ng befindet.<br />

Quellen:<br />

Altmann, Susanne (2015). Inklusion in der Grundschule: Kriterien einer erfolgreichen Inklusion. Hamburg: Diplomica Verlag GmBH.<br />

Klicpera, Christian (2005). Elternerfahrung mit Sonderschulen und Integrationsklassen. Eine qualitative Interviewstudie <strong>zu</strong>r Schulwahlentscheidung und <strong>zu</strong>r schulischen<br />

Betreuung in drei österreichischen Bundesländern. Wien: Lit Verlag.<br />

Specht, Werner, Seel, Andrea, Stanzel-Tischler, Elisabeth & Wohlhart, David (2007). Individuelle Förderung im System Schule. Strategien für die Weiterentwicklung von<br />

Qualität in der Sonderpädagogik. Granz-Klagenfurt: Bundesinstitut für Bildungsforschung, Innovation und Entwicklung des Bildungswesens.<br />

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Gesamtschule als Beitrag <strong>zu</strong>r egalitären<br />

<strong>Vielfalt</strong> in der Schulbildung<br />

Uta Kofler<br />

Bildung ist eine der zentralen Ressourcen für die Realisierung von Lebenschancen. Laut der UN-Menschenrechtscharta steht jedem<br />

Menschen das Recht auf Bildung <strong>zu</strong>. Und doch ist der Zugang <strong>zu</strong> Schulbildung nicht für alle Kinder in der gleichen Art und Weise<br />

gegeben. Österreich setzt nach wie vor auf ein gegliedertes Schulsystem. Nach dem Besuch der Volksschule müssen die Eltern die<br />

Entscheidung treffen, welchen Schultyp, Gymnasium oder HS/NMS, ihr Kind besuchen wird. Somit erfolgt die Selektion weniger nach<br />

Begabungen und Leistung, sondern viel mehr aufgrund sozialer, ethnischer und regionaler Herkunft der Eltern, elterlicher Bildungsniveaus<br />

und ökonomischer Hintergründe. Daher wird in diesem Essay folgender Frage nachgegangen: Welche positiven Aspekte kann<br />

ein Gesamtschulkonzept für die Schulbildung unserer Kinder erzielen und wie könnte „die Schule der Zukunft“ aussehen?<br />

Kinder aus bildungsferneren Elternhäusern der unteren Schicht werden oftmals guter Schulbildungschancen beraubt (Kriechhammer,<br />

2012, S. 12). Lohmann (1969) bemerkt in diesem Zusammenhang, dass „die Ungleichheit der Bildungschancen darin liegt, dass die<br />

Elternhäuser in verschiedenem Maße bildungswillig sind“ (Lohmann, 1969, S. 135, zit. nach Bucher & Schnider, 2004, S. 36). Die Einführung<br />

einer Gesamtschule für alle 10-14Jährigen wäre ein Schritt in Richtung Chancengleichheit und Bildungsgerechtigkeit.<br />

Ein Blick in (Deutschlands) Gesamtschulen zeigt, dass ein Gesamtschulkonzept gegenüber der gegliederten Variante Vorteile aufweist.<br />

Wulf (2014) spricht von deutlich weniger Schulabbrecher*innen, einer „höheren Übergangsquote in die gymnasiale Oberstufe“<br />

(Wulf, 2014, S. 89), mehr mittleren Abschlüssen und weniger Repetent*innen. Zudem konstatiert sie eine „deutliche Abschwächung<br />

des Zusammenhangs der sozialen Herkunft und der eingeschlagenen Schullaufbahn“ (ebd.) und verweist auf das positivere<br />

Schulklima, das den Kindern ein Lernen ohne Angst ermöglicht (ebd.).<br />

Pädagoge und Hochschulprofessor Rupert Vierlinger (2009) postuliert die Bedeutung des Lernens von Vorbildern, das durch die<br />

Heterogenität einer Gesamtschulklasse gegeben sei (Vierlinger, 2009, S. 129ff). Gesamtschule müsse allerdings so konzipiert sein,<br />

dass alle Kinder gemeinsam lernen und nicht in einzelnen Gegenständen je nach Begabung in Leistungsgruppen getrennt werden.<br />

In der Schule geht es neben Wissenserwerb auch um Anerkennung und Akzeptanz in der Gemeinschaft. Leistungsgruppen leisten<br />

Ausgren<strong>zu</strong>ng Vorschub und haben somit negativen Einfluss auf die Selbstachtung und den Selbstwert eines Kindes (ebd., 2009, S.<br />

219ff). Alle Kinder sollen gemeinsam ein Thema er- und bearbeiten, und dabei je nach Begabungsniveau von den Pädagog*innen<br />

begleitet werden: Förderung von Schwächeren, Forderung der Begabten. Gemeinsames Lernen von Kindern unterschiedlicher<br />

Herkunft und unterschiedlicher Begabungen fördert und stärkt die sozialen Kompetenzen. Die Auseinanderset<strong>zu</strong>ng mit <strong>Vielfalt</strong><br />

und Differenz trägt <strong>zu</strong> einer positiven Persönlichkeitsentwicklung bei (Schratz, 2009, S. 238ff).<br />

Gesamtschule alleine als äußeres Konstrukt ist jedoch für einen Erfolg <strong>zu</strong> wenig. Für ein erfolgversprechendes gemeinsames Lernen<br />

aller Schüler*innen müssen pädagogische Konzepte adaptiert, ergänzt und die Ausbildung der Lehrer*innen entsprechend<br />

angeglichen und ausgebaut werden, um der <strong>Vielfalt</strong> Rechnung <strong>zu</strong> tragen (Bosse & Posch, 2009, S. 14). Eine ideale Ergän<strong>zu</strong>ng fände<br />

eine Gesamtschule dahingehend, wenn sie als Ganztagsschule konzipiert wäre. Lernen benötigt Zeit. Zeit, die in Halbtagsschulen<br />

nicht ausreichend <strong>zu</strong>r Verfügung steht. Ein Ganztagsschulkonzept könnte dieser Massierung des Unterrichtsstoffes entgegenwirken,<br />

sich eher dem Biorhythmus der Schüler*innen anpassen und adäquater auf die Entwicklung und die unterschiedlichen Lerntempi<br />

einzelner Schüler*innen eingehen (Appel, 2009, S. 81ff). Das gemeinsame, informelle Miteinander über den Tag verteilt trüge<br />

<strong>zu</strong>r Stärkung des Gemeinschaftsgefühls bei, was sich positiv auf das Klima im Sozial- und Lebensraum Schule auswirken würde.<br />

Die unterrichtsfreien Zeiten, vornehmlich am Nachmittag, könnten <strong>zu</strong>r Erledigung der Hausaufgaben genutzt werden, wobei den<br />

Schüler*innen die entsprechend geschulten Pädagog*innen unterstützend <strong>zu</strong>r Seite stünden, was den Lernerfolg erheblich mehren<br />

würde. Bucher (2004) erwähnt in diesem Zusammenhang Wurzwallner, der nachweisen konnte, dass Kinder aus Arbeiter- und<br />

Bauernfamilien, die in Internatsschulen lebten, bessere Leistungen erzielen konnten als jene Kinder, die <strong>zu</strong> Hause wohnten (Bucher<br />

& Schnider, 2004, S. 34 ff). Durch das soziale Lernen, d.h. durch die Befähigung u.a. Konflikte lösen und Einstellungen ändern <strong>zu</strong><br />

können, würden zwei soziale Systeme (Schule und Familie) <strong>zu</strong>m erzieherischen Wohl der Schüler*innen ineinandergreifen, sich<br />

positiv ergänzen und somit nachhaltig <strong>zu</strong>r Entwicklung der Persönlichkeit, also Bildung, beitragen (ebd, 2004, S. 36).<br />

Eine Gesamtschule in Form einer Ganztagschule trägt <strong>zu</strong>r Chancengleichheit und Bildungsgerechtigkeit bei. Eröffnet sie doch allen<br />

Kindern, unabhängig von deren Herkunft, den Zugang <strong>zu</strong> gleicher Bildung. Sie ermöglicht durch angepasste Lehr- und Lernmethoden<br />

und durch die Auseinanderset<strong>zu</strong>ng mit <strong>Vielfalt</strong> und Differenz in einem kindgerechten Schulklima die Entfaltung von Begabungen<br />

und sozialen Kompetenzen und bewirkt auf diese Weise nicht nur Aneignung von Wissen, sondern fördert eine positive<br />

Persönlichkeitsentwicklung unserer Kinder. „Chancengleichheit bedeutet nicht, dass jeder einen Apfel pflücken darf, sondern dass<br />

man dem Zwerg eine Leiter gibt“ (Pierre Bourdieu, zit. nach Maas, 2009, S. 105)<br />

18


Quellen:<br />

Appel, Stefan (2009). Ganztagsschule-Zukunftsschule- Ein kinder- und jugendgerechter Lern- und Lebensort. In: Bosse, Dorit & Posch, Peter (Hrsg.), Schule 2020 aus<br />

Expertensicht. Zur Zukunft von Schule, Unterricht und Lehrerbildung (1. Auflage). Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften, 81-86.<br />

Bosse, Dorit & Posch, Peter (Hrsg.) (2009). Schule 2020 aus Expertensicht. Zur Zukunft von Schule, Unterricht und Lehrerbildung (1. Auflage). Wiesbaden: VS Verlag für<br />

Sozialwissenschaften.<br />

Bucher, Anton A. & Schnider, Andreas (2004). Eine Schule des Miteinander. Gesamt- und Tagesschule zwischen Ideologie und Wirklichkeit (1. Auflage). Wien: öbv&hpt<br />

VerlagsgmbH & Co.KG.<br />

Hentig, Hartmut von (2004). Bildung. Ein Essay (5., leicht überarbeitete Auflage). Weinheim und Basel: Beltz Verlag.<br />

Kriechhammer, Regina (2012). Der Schulklassenkampf der ÖVP. Die hartnäckige Opposition <strong>zu</strong>r Gesamtschule. Hamburg: Diplomica Verlag GmbH.<br />

Maas, Michael (2009). Zur Bildungsgerechtigkeit der Schule im Jahr 2020. In: Bosse, Dorit & Posch, Peter (Hrsg.), Schule 2020 aus Expertensicht. Zur Zukunft von Schule,<br />

Unterricht und Lehrerbildung (1. Auflage). Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften,105-110.<br />

Schratz, Michael (2009). „Lernen ist das Persönlichste auf der Welt …“ – Personorientierung im Unterricht erfordert Haltung. In: Bosse, Dorit & Posch, Peter (Hrsg.), Schule<br />

2020 aus Expertensicht. Zur Zukunft von Schule, Unterricht und Lehrerbildung (1. Auflage). Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften, 237-242.<br />

Vierlinger, Rupert (2009). Steckbrief Gesamtschule. Wien, Köln, Weimar: Böhlau Verlag.<br />

Wulf, Katharina (2014). Integrierte Gesamtschule. Geschichte-Konzept-Vergleich. Hamburg: disserta Verlag.<br />

19


Kooperation im schulischen Umfeld<br />

Melanie Kollreider<br />

Seit sich in den frühen 90er Jahren der Bildungsbegriff wieder von der engen Anbindung an die Schule gelöst hat, stellt er ein pädagogisches<br />

Rahmenkonzept für alle pädagogischen Disziplinen dar. Die Förderung <strong>zu</strong> Selbst- und Mitbestimmung, Solidarität,<br />

sowie <strong>zu</strong>r Verantwortungsübernahme für die Schaffung sozial gerechter gesellschaftlicher Verhältnisse und Beziehungen, ist nicht<br />

mehr alleinige Aufgabe der Schule. Gerade in einer sich ständig verändernden Gesellschaft, durch egalitäre <strong>Vielfalt</strong> und Differenz,<br />

sehen sich Schulen mit neuen Herausforderungen konfrontiert. Um diesen gerecht <strong>zu</strong> werden, stehen dem Lehrpersonal verschiedene<br />

Unterstüt<strong>zu</strong>ngssysteme <strong>zu</strong>r Verfügung. Eines davon ist die Schulsozialarbeit (Braun & Wetzel, 2013, S. 1). Die Anerkennung<br />

von <strong>egalitärer</strong> <strong>Vielfalt</strong> und Differenz ist ein Thema mit hoher Relevanz, da kulturelle <strong>Vielfalt</strong> Österreichs Schulen kennzeichnet<br />

(Schulsozialarbeit in Österreich, 2017). Die Frage lautet daher: Kann die Schulsozialarbeit mithilfe ihrer methodischen Konzepte,<br />

<strong>zu</strong>r Anerkennung von <strong>egalitärer</strong> <strong>Vielfalt</strong> und Differenz beitragen?<br />

Das Bundesministerium hat in diesem Feld Initiativen ergriffen, um gemeinsame Entwicklungen <strong>zu</strong> unterstützen und die Prinzipien<br />

und Kriterien professioneller Schulsozialarbeit sichtbar <strong>zu</strong> machen (Nekula, 2012, S. 9ff). Es sollte ein gemeinsames Ziel sein, die<br />

Anerkennung von <strong>Vielfalt</strong> in allen Bereichen des schulischen Alltags <strong>zu</strong> fördern. In Zusammenarbeit mit der Schulsozialarbeit können<br />

die angewandten methodischen Konzepte einen wesentlichen Beitrag da<strong>zu</strong> leisten.<br />

Die Schulsozialarbeit, Handlungsfeld der Kinder- und Jugendhilfe, beschäftigt sich mit allen sozialen Themen, die für Jugendliche<br />

wichtig sind und unterstützt sie in ihrer ganzheitlichen Entwicklung. Die positiven Ziele wie soziale Kompetenz oder<br />

konstruktive Freizeitgestaltung, werden anvisiert und negativen Entwicklungen, sowie auftretenden Problemen, wird entgegengewirkt<br />

(Heimgartner, 2004, S. 581ff). Die Institution Schule und die Schulsozialarbeit kooperieren mit außerschulischen<br />

Lernorten. Das methodische Konzept der Sozialraumorientierung beinhaltet die Schaffung eines Raums für die gemeinsame<br />

Freizeitgestaltung. Schüler*innen wird ein Raum gegeben, in dem sie sich aktiv und sozial beteiligen, sowie Peer-Kontakte<br />

knüpfen können. Die Sozialraumorientierung agiert als wichtiges Bindeglied zwischen dem Lebensort Schule und der Lebenswelt<br />

von Kindern und Jugendlichen (Schulsozialarbeit in Österreich, 2017). Dadurch lernen sich Kinder und Jugendliche besser<br />

kennen, entdecken gemeinsame Interessen und bauen Berührungsängste ab. Sie gestalten mit, lernen solidarisch <strong>zu</strong> handeln<br />

und übernehmen dadurch auch Verantwortung.<br />

Wie bereits erwähnt, gilt kulturelle <strong>Vielfalt</strong> als ein wesentliches Merkmal an Österreichs Schulen. Die Schüler*innen und auch Fachkräfte,<br />

müssen lernen damit um<strong>zu</strong>gehen, auf mögliche Herausforderungen angemessen <strong>zu</strong> reagieren und die kulturelle <strong>Vielfalt</strong> als<br />

Chance <strong>zu</strong> nutzen. Die Organisation von Workshops und Veranstaltungen sind Beispiele für methodische Konzepte <strong>zu</strong>r Förderung<br />

der Anerkennung von <strong>egalitärer</strong> <strong>Vielfalt</strong> und Differenz. Diesbezüglich organisiert die Schulsozialarbeit Kärnten gemeinsam mit<br />

dem Integrationszentrum Kärnten und dem Österreichischen Integrationsfond (ÖIF) an den betreuten Schulstandorten Workshops.<br />

Im Rahmen der Workshops erzählen Integrationsbotschafter*innen des ÖIF ihre Geschichte. Dadurch entsteht ein Raum<br />

für offene Fragen, Ängste und Vorurteile können abgebaut werden und der Aufbau von interkultureller Kompetenz wird gefördert<br />

(Schulsozialarbeit in Österreich, 2017). Allen Beteiligten bietet sich die Möglichkeit, ihre voreingenommenen Ansichten <strong>zu</strong> überdenken<br />

und egalitäre <strong>Vielfalt</strong> und Differenz an<strong>zu</strong>erkennen. Im Zuge dessen werden sie befähigt, Verantwortung für die Schaffung<br />

sozial gerechter gesellschaftlicher Verhältnisse und Beziehungen <strong>zu</strong> übernehmen.<br />

Zusammenfassend kann gesagt werden, dass eine Kooperation im schulischen Umfeld unerlässlich ist. Die Förderung der Anerkennung<br />

von <strong>egalitärer</strong> <strong>Vielfalt</strong> und Differenz wird mithilfe der methodischen Konzepte der Schulsozialarbeit unterstützt.<br />

Schüler*innen und Lehrer*innen lernen gemeinsam den Lebensort Schule <strong>zu</strong> gestalten und ihre interkulturelle Kompetenz <strong>zu</strong><br />

fördern. Es ist aber nicht nur Aufgabe des schulischen Umfelds, kulturelle <strong>Vielfalt</strong> als Chance <strong>zu</strong> nutzen, sondern Aufgabe der<br />

gesamten Gesellschaft.<br />

Quellen:<br />

Braun, Karl-Heinz, Wetzel, Konstanze (2013). Schulsozialarbeit im Kontext eines erweiterten Bildungsauftrages der Schule. soziales_kapital, Nr. 10, 1-17. Zugriff am 15.05.<br />

2018 unter www.soziales-kapital.at/index.php/sozialeskapital/article/viewFile/281/464.pdf<br />

Heimgartner, Arno (2004). Schulsozialarbeit in den Mittelpunkt. In: Knapp, Gerald (Hrsg.), Soziale Arbeit und Gesellschaft. Entwicklungen und Perspektiven in Österreich.<br />

Klagenfurt: Verlag Hermagoras. 580-599.<br />

Nekula, Kurt (2012). Präambel. In: Marterer, Michaela (Hrsg.), Schulsozialarbeit in Österreich. Status, Zwischenbilanz und Perspektiven. Graz, Wien. Dokumentation der<br />

bundesweiten Fachtagung vom 9. Mai 2012.<br />

Schulsozialarbeit in Österreich. Methoden <strong>zu</strong>r Schulsozialarbeit. Zugriff am 29.05.2018 unter www.schul-sozialarbet.at/methoden-<strong>zu</strong>r-schulsozialarbeit/<br />

20


Schulunterricht ohne Klassenzimmer<br />

Verena Komposch<br />

Umfang und Nachhaltigkeit des gelernten Wissens in der Schule hängen nicht von der Räumlichkeit Klassenzimmer ab, wodurch<br />

sich folgende Fragestellung ergibt: Welche Möglichkeiten stehen den Lehrenden <strong>zu</strong>r Verfügung, damit Schulunterricht ohne Klassenzimmer<br />

möglich wird?<br />

Mit altersgerechten, dem Interesse der Kinder und Jugendlichen sowie dem Lehrauftrag angepassten Angeboten, kann der Unterricht<br />

an unterschiedlich außerschulischen Räumen und innerschulischen Orten stattfinden. Diese Lernorte stellen nicht zwingend<br />

durch Mauern begrenzte Räume dar, sondern finden sich in Parkanlagen, am Bauernhof, im Zoo, im Museum oder in der Aula<br />

der Schule. Bei dieser Art des Unterrichts besteht für die Schüler*innen die Möglichkeit, sich schulisches Wissen an<strong>zu</strong>eignen und<br />

gleichzeitig soziale Kompetenzen in Lerngruppen <strong>zu</strong> erwerben. Das Interesse von Kindern und Jugendlichen wecken, gemeinsame<br />

Erfahrungen sammeln, neue Sinneseindrücke erfahren, sich körperlich betätigen – das kann Unterricht außerhalb des Klassenzimmers<br />

bieten (Karpa, Lübbecke & Adam, 2015).<br />

Eine Methode des veränderten Lernortes findet sich im Lehrplan der Freien Waldorfschulen.<br />

Die Grundgedanken der Waldorfpädagogik lassen sich auf Rudolf Steiner (1829–1910) <strong>zu</strong>rückführen. Wie auch die Menschenlehre<br />

Rudolf Steiners, teilt sich die Lehr- und Lernmethodik der Waldorfschulen in drei Phasen – Erkennen, Verstehen und Beherrschen.<br />

Der Lehrstoff soll lebendig und anschaulich angeboten werden und stellt einen regen Austausch zwischen Lehrer*innen und Schüler*innen<br />

dar. Von der 6. bis <strong>zu</strong>r 10. Klasse wird Gartenbau unterrichtet. Da sich in dieser Zeit laut Steiner der Übergang vom<br />

Lebensleib in den Seelenleib vollzieht, bietet der Gartenbau aus mehreren Aspekten Vorteile für die Schüler*innen. Die Erde gibt<br />

physischen und seelischen Halt und regt das Verantwortungsbewusstsein der Jugendlichen an. Sie kommen <strong>zu</strong> innerer Ruhe und<br />

finden Vertrauen in ihre Möglichkeiten und Fähigkeiten. Gartenbauunterricht findet über mehrere Jahre hinweg statt und bietet<br />

den Schüler*innen die Möglichkeit Naturkräfte <strong>zu</strong> beobachten und Querverbindungen <strong>zu</strong> anderen Arbeitsbereichen her<strong>zu</strong>stellen.<br />

Handlungsorientierter Unterricht, der die Trias von Johann Heinrich Pestalozzi (1746 – 1827) Hirn, Herz und Hand berücksichtigt,<br />

ermöglicht ganzheitliches Lernen. Dabei sollen sich Entspannung und Anstrengung abwechseln, um alle Sinne <strong>zu</strong> aktivieren und<br />

eine Ausgewogenheit zwischen Kopf- und Handarbeit <strong>zu</strong> schaffen (Richter, 2003, S. 19-34, S. 496-500).<br />

Diese Form des Unterrichts bezieht die Lernenden von Anfang an in die Planung des Unterrichts mit ein. Die Vorgaben der Lehrenden<br />

sind gering und sollen den Kindern und Jugendlichen die Möglichkeit eröffnen Fragestellungen selbst <strong>zu</strong> erkennen, den<br />

Lernweg <strong>zu</strong> planen und durch<strong>zu</strong>führen. Die gelernte Selbsttätigkeit geht dann in Selbstständigkeit über. Während diesem Prozess<br />

stehen die Lehrer*innen in ständigem Austausch und Diskurs mit den Schüler*innen (Mayr, 1987, S. 2ff). Dieser offene Unterricht<br />

kann als „Freie Arbeit, Wochenplanarbeit, Stationsarbeit oder in Form eines Projektes“ (Universität Köln, 2018) durchgeführt<br />

werden. Da sich dieses Konzept von Seiten des Lehrenden auch sehr flexibel gestalten und umsetzen lässt, benötigen die<br />

Schüler*innen gerade in der Anfangsphase Unterstüt<strong>zu</strong>ng und Anweisungen der Lehrenden. Eine weite Methode, die sich für den<br />

außerschulischen Unterricht eignet, ist die Erkundung. Die Lehrer*innen erarbeiten mit Schüler*innen ein theoretisches Wissen<br />

<strong>zu</strong> einem Thema und erkunden dieses gemeinsam. Bei der Memory-Methode geht es um die Festigung bereits gelernter Inhalte.<br />

Diese Lernmethode kann an den unterschiedlichsten Orten durchgeführt werden und eignet sich für alle Altersklassen und Gegenstände<br />

(Universität Köln, 2018).<br />

Zum Schluss kann gesagt werden, dass Unterricht keinesfalls nur auf ein Klassenzimmer beschränkt sein soll. Fächerübergreifendens<br />

Lernen und realitätsbezogener Unterricht fordern und fördern die Kinder und Jugendlichen. Wenn Kinder damit früh in Kontakt<br />

kommen, hat dies große Auswirkung auf die Entwicklung ihrer Persönlichkeitsstruktur (Karpa et al., 2015; Messner, 2009). Die<br />

Arbeitswelt braucht kreative Köpfe, die sich genau durch die oben beschriebenen Unterrichtsmethoden entwickeln können und<br />

dürfen. Da<strong>zu</strong> ist <strong>zu</strong> erwähnen, dass sich für die Erwachsenenbildung ebenso außerschulische Lernorte eignen und dort ebenfalls<br />

eingesetzt werden können.<br />

Quellen:<br />

Karpa, Dietrich, Lübbecke, Gwendolin & Adam Bastian (2015). Außerschulische Lernorte – Theoretische Grundlagen und praktische Beispiele. Schulpädagogik heute,<br />

H.11(2015). Zugriff am 10.05.2018 unter http://www.schulpaedagogik-heute.de/SHHeft14/01_Basisartikel/01_06.pdf.<br />

Mayr, Erich. Lernkulturen – Handlungsorientierter Unterricht. Zugriff am 16.06.2018 unter https://www.uibk.ac.at/ils/downloads/lernkulturen/handlungsorientierter-unterricht.pdf<br />

Messner, Rudolf (2009). Schule forscht – Ansätze und Methoden <strong>zu</strong>m forschenden Lernen. Hamburg: Ed. Körber-Stiftung.<br />

Richter, Tobias (2003). Pädagogischer Auftrag und Unterrichtsziele - vom Lehrplan der Waldorfschule. Stuttgart: Freies Geistesleben & Urachhaus GmbH.<br />

Universität Köln. Handlungsorientierte Methoden. Zugriff am 16.06.2018 unter http://methodenpool.uni-koeln.de/uebersicht.html<br />

21


Chancengleichheit in der schulischen Bildung<br />

für Kinder aus sozial schwächeren Familien<br />

Monja König<br />

Theoretisch, wie es auch in der österreichischen Verfassung Art. 14 steht, ist die Chancengleichheit gegeben. Artikel 14 (5a) besagt:<br />

„Demokratie, Humanität, Solidarität, Friede und Gerechtigkeit sowie Offenheit und Toleranz gegenüber den Menschen sind Grundwerte<br />

der Schule, auf deren Grundlage sie der gesamten Bevölkerung, unabhängig von Herkunft, sozialer Lage und finanziellem<br />

Hintergrund, unter steter Sicherung und Weiterentwicklung bestmöglicher Qualität ein höchstmögliches Bildungsniveau sichert.<br />

Im partnerschaftlichen Zusammenwirken von Schülern, Eltern und Lehrern ist Kindern und Jugendlichen die bestmögliche geistige,<br />

seelische und körperliche Entwicklung <strong>zu</strong> ermöglichen, damit sie <strong>zu</strong> gesunden, selbstbewussten, glücklichen, leistungsorientierten,<br />

pflichttreuen, musischen und kreativen Menschen werden, die befähigt sind, an den sozialen, religiösen und moralischen<br />

Werten orientiert Verantwortung für sich selbst, Mitmenschen, Umwelt und nachfolgende Generationen <strong>zu</strong> übernehmen. Jeder<br />

Jugendliche soll seiner Entwicklung und seinem Bildungsweg entsprechend <strong>zu</strong> selbständigem Urteil und sozialem Verständnis geführt<br />

werden, dem politischen, religiösen und weltanschaulichen Denken anderer aufgeschlossen sein sowie befähigt werden, am<br />

Kultur- und Wirtschaftsleben Österreichs, Europas und der Welt teil<strong>zu</strong>nehmen und in Freiheits- und Friedensliebe an den gemeinsamen<br />

Aufgaben der Menschheit mit<strong>zu</strong>wirken.“<br />

In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage, ob die Chancengleichheit in der schulischen Bildung für Kinder aus sozial schwächeren<br />

Familien vollständig gegeben ist.<br />

Auch das Bundesministerium für Unterricht Kunst und Kultur hat sich als Wirkungsziel die „Erhöhung des Bildungsniveaus der<br />

Schülerinnen und Schüler“ (Bruneforth, Weber & Bacher, 2012, S. 191) definiert. Es „zielt mit der Erhöhung der Bildungsbeteiligung<br />

implizit auf eine Reduzierung des Anteils früher Schulabbrecher/innen und damit gegen die Bildungsarmut insgesamt ab (RV BFG<br />

2013, Anlage I Bundesvoranschlag 2013, Zif. 302)“ (Bruneforth, Weber & Bacher, 2012, S. 191).<br />

Praktisch sieht die Sache anders aus: Wie bereits die Fragestellung verrät, ist die Chancengleichheit aufgrund der sozialen Herkunft<br />

nicht immer gegeben. Viele Forschungen wurden darüber angestellt. Sie kommen <strong>zu</strong> dem Ergebnis, dass der soziale Hintergrund<br />

und die familiäre Situation für die schulische Laufbahn ausschlaggebend sind. Es wird hierbei zwischen dem primären und sekundären<br />

Effekt unterschieden. Die primären Effekte beziehen sich auf die Leistungsunterschiede, die aufgrund der sozialen Herkunft<br />

entstehen. Kinder aus einem Elternhaus, in welchem die Eltern keinen höheren Abschluss haben, haben ein geringeres „Startkapital“.<br />

Dadurch werden mit geringerer Wahrscheinlichkeit höherbildende Schulen besucht. Die sekundären Effekte bedeuten, dass<br />

sich Schüler*innen aus unterschiedlichen Sozialschichten, trotz gleicher Leistungen, unterschiedlich für die weitere Schullaufbahn<br />

entscheiden. Die Kosten für den Besuch einer höherbildenden Schule werden unterschiedlich bewertet und von sozial schwächeren<br />

Familien meist als <strong>zu</strong> teuer eingestuft. Der Schulbildung selbst wird auch ein geringerer Wert <strong>zu</strong>gesprochen, da in diesem<br />

Milieu das Hauptaugenmerk nicht auf einer höheren schulischen Ausbildung liegt (Relikowski, 2012).<br />

Zusammenfassend kann gesagt werden, dass die soziale Herkunft mitunter ausschlaggebend für die Schullaufbahn ist. Kindern<br />

aus sozial und ökonomisch schwächeren Familien sind nicht die gleichen Chancen gegeben wie Kindern aus Familien mit hohem<br />

sozialen und kulturellen Kapital. Bisherige politische Maßnahmen <strong>zu</strong>r Angleichung von Ausbildungschancen haben nicht den gewünschten<br />

Erfolg gezeigt. Demnach bleibt noch einiges <strong>zu</strong> tun.<br />

Quellen:<br />

Bruneforth, Michael, Weber, Christoph & Bacher, Johann (2010). Chancengleichheit und garantiertes Bildungsminimum in Österreich. In: Herzog-Punzenberger, Barbara<br />

(Hrsg.), Nationaler Bildungsbericht Österreich 2012, Band 2. Graz: leykamverlag, 189-229.<br />

Zugriffen am 13.06.2018 unter https://bildung.bmbwf.gv.at/schulen/unterricht/ba/nbb_2012_b02_kapitel05_23889.pdf?61ec4d<br />

Relikowski, Ilona (2012). Primäre und sekundäre Effekte am Übertritt in die Sekundarstufe I. Wiesbaden: Springer VS.<br />

22


Bildung für alle – <strong>Vielfalt</strong> impliziert<br />

Gleichheit, Egalität und Diversität<br />

Eva Linder<br />

Bildung im Kontext von <strong>egalitärer</strong> <strong>Vielfalt</strong> und Differenz ist ein Begriff, der weit gefasst ist. Daher stellt sich die Frage: Wieviel persönliche<br />

Freiheit ist in Bildung verankert und wieviel Ausbildung braucht die Wissensgesellschaft von heute?<br />

Bildung ist ein Begriff mit vielfältiger und oft widersprüchlicher Bedeutung. Das Verb „bilden“ bedeutet: „sich bilden“ – intransitiv<br />

– ein aktiver Vorgang, der von der Person selbst ausgeht und gleichzeitig „gebildet werden“ – transitiv – Vorgänge, die von außen<br />

auf eine Person einwirken. Hentig (2004, S. 35-68) beschreibt Bildung als sein/e eigene/r Lehrmeister*in sein, in allen Lebensbereichen.<br />

Humboldt (zit. nach Gruber, o.J.) spricht davon, dass sich alle Kräfte im Menschen entfalten können. Der Geist und die<br />

Sprache sind das Vermögen, durch welches sich jede/r Einzelne individuell aus<strong>zu</strong>drücken vermag. Das Individuum soll sich die Welt<br />

aneignen und sich <strong>zu</strong> einem selbstbestimmten Wesen entwickeln.<br />

Auch Rousseau vertritt die Meinung, dass das Leben selbst durch natürliche Entfaltung bildet. Er behauptet, der Mensch entwickle<br />

seine eigenen Fähigkeiten und Kräfte. Ihre Nut<strong>zu</strong>ng wird durch Beobachten und Nachahmen gelernt und durch die daraus gewonnenen<br />

Erfahrungen erlangt der Mensch Wissen und Bildung. So werden die Natur, der Mensch und die Dinge <strong>zu</strong> Lehrer*innen<br />

(Böhm, 2010, S. 75ff).<br />

Im Werk von Frankl (2005, S. 104ff) „…trotzdem ja <strong>zu</strong>m Leben sagen“ Und ausgewählte Briefe (1945-1949)“, findet sich unter:<br />

„Nach dem Sinn des Lebens fragen“, dass jeder Mensch selbst für sein Leben verantwortlich ist. Es kommt auf die innere Freiheit<br />

an, wie jede/r sein/ihr ´Schicksal´ meistert, ob er/sie gewinnt, oder daran zerbricht.<br />

Der Frage, ob der eigene Wille angeboren oder anerzogen ist, geht der Neurologe Bauer (2015) in seinen Forschungen nach. Seine<br />

Erkenntnisse sind bahnbrechend und führten ihn <strong>zu</strong>r „Wiederentdeckung des freien Willens“ (Bauer, 2015). Dieser ist nicht angeboren,<br />

er muss durch Imitation und Spiegelung in einer intakten Dyade (Beziehung zweier Menschen) erlernt werden. Die Kommunikation,<br />

für die der Erziehungsdialog und die Dyade ausschlaggebend sind, beginnt zwischen dem 18. und 24. Lebensmonat. Fehlt<br />

diese Entwicklung, kann das Kind die Selbststeuerung und den damit verbundenen Lernprozess des Perspektivenwechsels nicht<br />

richtig ausbilden (Bauer, 2015, S. 1ff).<br />

Die hier erwähnten Autoren bekräftigen die hohe Bedeutung des eigenen Willens und das Entfaltungspotenzial jedes Einzelnen.<br />

Um in der heutigen Wissensgesellschaft bestehen <strong>zu</strong> können, ist die transitive Bildung, das „Gebildet Werden“, unumgänglich. Hier<br />

wirkt etwas von außen auf den Menschen ein. Die allgemeine Schulbildung, die <strong>zu</strong>r genormten Wissensvermittlung geworden ist,<br />

die der Individualität wenig bis keinen Platz lässt, Phantasie nicht gewünscht und gute Noten <strong>zu</strong>m nutzbringenden, inkorporierten<br />

Kapital ausgebaut werden, zeichnen das Denken der Gesellschaft um das Humankapital Mensch aus (Bourdieu, 2008, S. 199ff).<br />

Bourdieu (2008, S. 199-215) spricht in diesem Zusammenhang von einer schichtspezifischen Sozialisation. Folge dessen zeigt das<br />

Individuum soziale Konditionierungen und daraus resultierende Normen und Werte, Wahrnehmungs-, Denk- und Handlungsmuster.<br />

Es wird in eine spezifische Gesellschaftsschicht hineingeboren. Durch die Stellung im sozialen Raum ergeben sich unterschiedliche<br />

Zugangschancen <strong>zu</strong> institutionalisierter Bildung. Die Familie als Ort der Prägungen bildet die Grundlage und somit die Chancen<br />

gesellschaftlicher Positionierung. Heute ist der Schichtbegriff durch die allgemeine Schulbildung zwar aufgeweicht, doch nach<br />

Bourdieu ist der Mensch immer an seinem Habitus erkennbar. Durch Sozialisation entwickelt sich der Habitus weiter und ist durch<br />

kontinuierliche Dynamik modifizierbar, der Kern jedoch bleibt im Wesentlichen bestehen.<br />

Das Individuum ist nicht dem Leben ausgeliefert, sondern es ist aktiver Gestalter. Obwohl Habitus, Erziehung, das soziale, kulturelle<br />

und ökonomische Kapital prägen, hat jeder Einzelne die Kraft und die Möglichkeit, sich für eine umfassende Bildung, transitiv<br />

wie intransitiv, <strong>zu</strong> entscheiden, auch wenn der Weg der sozialen Herausforderungen und die Überwindung der eigenen Grenzen<br />

dies erschweren mögen. Der eigene Habitus muss nicht grundsätzlich ein Nachteil im Leben sein, wenn man seine innere Freiheit<br />

erkennt und danach handeln und leben lernt.<br />

Quellen:<br />

Bauer, Joachim (2015): Selbststeuerung: Die Wiederentdeckung des freien Willens. München: Verlag Karl Blessing.<br />

Bourdieu, Pierre (2008): Sozialisation als Habitualisierung. Die feinen Unterschiede In: Baumgart, Franzjörg (Hrsg.), Theorien der Sozialisation. 4. durchgesehene Auflage.<br />

Regensburg: Verlag, Klinkhardt UTB, 199-215.<br />

Böhm, Winfried (2010). Geschichte der Pädagogik. Von Platon bis <strong>zu</strong>r Gegenwart. München: Verlag, H.C. Beck oHG.<br />

Frankl, Victor E. (2005): Nach dem Sinn des Lebens fragen. In: Batthany, Alexander, Biller, Karlheinz & Fizzotti, Eugenio (Hrsg.), Gesammelte Werke. Band 1…und trotzdem<br />

Ja <strong>zu</strong>m Leben sagen. Und ausgewählte Briefe 1945-1949. Wien, Köln, Weimar: Böhlau Verlag, 104f.<br />

Gruber, Elke (o.J.): Humboldt ist tot – es lebe Humboldt! Gedanken <strong>zu</strong> einer neuen (Allgemein-) Bildung. Zugriff am 15.05.2018 unter http://wwwg.uniklu.ac.at/ifeb/eb/<br />

Neue%20Allgemeinbildung_Humboldt<br />

Hentig, Hartmut von (2004): Bildung. Ein Essay. Beltz Taschenbuch. Weinheim und Basel.<br />

23


Schulbildungschancen von Kindern mit<br />

Migrationshintergrund<br />

Sabrina Macek<br />

Österreich hat sich in den letzten 100 Jahren <strong>zu</strong> einem „Einwanderungsland“ entwickelt. Familiäre, kulturelle und soziale Ressourcen<br />

führen <strong>zu</strong> bestimmten Einstellungs- und Verhaltensmustern und beeinflussen die Leistungsentwicklung von Kindern. Schulbildung<br />

ist eine zentrale Ressource in unserer modernen Gesellschaft und eröffnet Chancen auf eine gesellschaftliche Position.<br />

Weshalb folgender Frage nachgegangen wird: Haben Kinder mit Migrationshintergrund schlechtere Schulbildungschancen?<br />

Carolin Butterwegge (2010, S. 237ff) spricht davon, dass nicht individuelle Leistungen über Bildungschancen entscheiden, sondern<br />

vielmehr die soziale und ethnische Herkunft. Dies wirkt sich besonders bei Kindern mit Migrationshintergrund aus ärmlichen<br />

Familienverhältnissen aus. Ein Vergleich der Schul-Bildungsbeteiligungsquoten von Ausländer*innen und Deutschen für 2001<br />

zeigte, dass ausländische 15- bis 20-Jährige mit rund 69 Prozent eine um 23 Prozent niedrigere Schul-Bildungsbeteiligungsquote<br />

als deutsche Gleichaltrige hatten. Abbildung 1 zeigt den Anteil ausländischer Schüler*innen an österreichischen Schulen im Jahr<br />

2016/2017. (Butterwegge, 2010, S. 237 ff; Statistik Austria, 2018).<br />

Abbildung 1: ANTEIL DER AUSLÄNDISCHEN SCHÜLER*INNEN IN ÖSTERREICH<br />

Anteil der ausländischen Schülerinnen und Schüler in %<br />

Schultypen <strong>zu</strong>sammen 14,5 10,5 10,7 9,8 11,5 14,6 11,5 11,4 13,5 26,3<br />

Volksschulen 17,5 11,5 12,0 12,0 14,3 16,4 13,5 13,5 16,3 32,3<br />

Hauptschulen 11,0 - 6,5 7,9 10,0 10,8 6,5 13,2 7,4 58,7<br />

Neue Mittelschulen1) 17,4 11,9 9,1 12,9 18,8 21,7 18,2 16,5 22,9 36,4<br />

Sonderschulen2) 21,1 11,9 9,1 12,9 18,8 21,7 18,2 16,5 22,9 36,4<br />

Polytechnische Schulen 21,1 12,9 20,1 17,6 18,3 21 15,3 14,1 16,3 41,1<br />

Allgemein bildende höhere Schulen 10,7 10,1 7,7 5,7 6,6 11,2 9,4 9,7 10,0 17,3<br />

darunter AHS-Unterstufe3) 9,9 9,8 6,8 5,1 6,3 9,8 8,3 9,1 9,2 16,4<br />

Sonst. allg. bild. (Statut-)Schulen4) 33,9 11,9 19,6 3,7 11,3 40,6 6,7 10,1 14,6 55,9<br />

Berufsschulen 11,7 8,0 8,5 6,3 9,3 14,2 7,8 11,1 11,2 23,4<br />

Berufsbildende mittlere Schulen 15,3 16,7 11,2 12,5 12,5 15,7 15,8 10,7 14,3 25,4<br />

Sonstige ber. bild. (Statut-)Schulen 13,5 6,0 10,8 12,8 8,5 19,5 18,9 7,6 9,5 17,7<br />

Berufsbildende höhere Schulen 9,8 7,6 10,3 7,0 7,2 10,9 9,2 7,6 7,9 16,5<br />

Bundessportakademien 2,3 - - - 0,5 - 1,3 5,6 - 1,5<br />

Schulen im Gesundheitswesen 7,4 7,8 3,3 3,9 3,6 7,7 7,8 10,4 4,3 12,7<br />

Akademien im Gesundheitswesen 24,1 - - - - - - 24,1 - -<br />

Q: STATISTIK AUSTRIA, Schulstatistik. Erstellt am 27.12.2017. 1) Ohne Modellversuch „Neue Mittelschule“ an AHS. - 2) Inkl. Schülerinnen und Schüler, die nach dem<br />

Lehrplan der Sonderschule in anderen Schulen unterrichtet werden. - 3) Inkl. Modellversuch „Neue Mittelschule“ an AHS. - 4) Inkl. Schulen mit ausländischem Lehrplan.<br />

(<strong>zu</strong>gegriffen am 13.05.2018)<br />

Der gesamte Anteil ausländischer Schüler*innen an Österreichs Schulen beträgt 14,5%. Zu sehen ist, dass gerade an polytechnischen<br />

Schulen (21,1%) sowie an Sonderschulen (21,1%) eine Überrepräsentation von ausländischen Schüler*innen besteht und<br />

dass in allgemeinbildenden höheren Schulen (10,7%) und auch in berufsbildenden höheren Schulen (9,8%) eine vergleichsweise<br />

Unterrepräsentation von Kindern ausländischer Familien <strong>zu</strong> erkennen ist (Abb. 1).<br />

Albert Scherr und Debora Niermann (2012, S. 865ff) bestätigen dies: Sie nennen Benachteiligungen bei schulischen Noten und<br />

signifikant schlechtere Chancen um in ein Gymnasium <strong>zu</strong> kommen. Schulbildungsabstiege, wie beispielsweise ein Wechsel in die<br />

24


Sonderschule, sind aus ihrer Sicht bei Kindern mit Migrationshintergrund häufiger <strong>zu</strong> beobachten als bei Schüler*innen ohne Migrationshintergrund.<br />

Georg Auernheimer (2013, S. 92) begründet es damit, dass vor allem sprachliche Defizite, fremde Herkunftskultur sowie fehlende<br />

Angepasstheit im Sozialverhalten angegeben werden, warum Kinder aus ausländischen Familien in Sonderschulen kommen. Genau<br />

dies ist ein Nachteil für diese Kinder, denn die Isolation trägt nicht da<strong>zu</strong> bei, sprachliche Defizite <strong>zu</strong> minimieren. Durch eine<br />

Reformierung des Schulsystems <strong>zu</strong>r „Schule für alle“ würde diese Exklusion reduziert bzw. behoben werden. Auch wenn diese inklusive<br />

Schule noch in den „Kinderschuhen“ steckt, ist sie ein wichtiger Schritt in Richtung Partizipation. Vor allem auf die Sprache<br />

bezogen hat eine solche Schule große Vorteile: Umso früher sprachliche Kompetenzen gefördert werden, desto besser kann eine<br />

Sprache gefestigt und in den Alltag integriert werden.<br />

Zusammenfassend sind vor allem sprachliche Defizite belastende Faktoren für Kinder mit Migrationshintergrund, die die Ungleichheit<br />

um Schulbildungschancen stark betreffen. Die frühe Förderung der sprachlichen Kompetenzen sind schon im Vorschulbzw.<br />

Kindergartenalter relevant, um die sprachlichen Defizite <strong>zu</strong> minimieren, sowie aber auch soziale und kulturelle Kompetenzen<br />

der Kinder auf<strong>zu</strong>bauen. Des Weiteren ist es ein großes Problem, dass Kinder mit Migrationshintergrund aufgrund von sprachlichen<br />

sowie kulturellen „Defiziten“ in eine Sonderschule kommen. Dies führt <strong>zu</strong> einer Exklusion und verstärkt das Problem der Isolation<br />

und Benachteiligung.<br />

Quellen:<br />

Auernheimer, Georg (2013) Schieflagen im Bildungssystem. Die Benachteiligung der Migrantenkinder. Wiesbaden: Springer VS<br />

Baur, Christine (o.J.) Bildungsbenachteiligung von Kindern und Jugendlichen mit Migrationshintergrund. Durch soziale und ethnische Segregation. Zugriff am 24.06.2018<br />

unter http://info.tuwien.ac.at/urbanistik/files/Website%20Downloads/Publikationen/Baur_Bildungsbenachteiligung.pdf<br />

Butterwegge, Carolin (2010). Armut von Kindern mit Migrationshintergrund. Ausmaß, Erscheinungsformen und Ursachen. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften<br />

Heimken, Norbert (2015) Migration, Bildung und Spracherwerb. Bildungssozialisation und Integration von Jugendlichen aus Einwandererfamilien. Münster: Springer VS<br />

Scherr, Albert & Niermann, Debora (2012) Migration und Kultur im schulischen Kontext. In: Bauer, Ulrich, Bittlingmayer, Uwe H. & Scherr, Albert (2012) Handbuch Bildungs-<br />

und Erziehungssoziologie. Wiesbaden: Springer VS<br />

Statistik Austria (2018): Statistiken: Menschen und Gesellschaft. Schülerinnen und Schüler mit ausländischer Staatsangehörigkeit. Zugriff am 01.06.2018 unter: https://<br />

www.statistik.at/web_de/statistiken/menschen_und_gesellschaft/bildung_und_kultur/formales_bildungswesen/schulen_schulbesuch/index.html<br />

25


Schulbildung im Kontext des Fortschritts<br />

Cosima Mattersdorfer<br />

Das Bild von Schüler*innen in der Schule hat sich seit Einführung der Schulpflicht, kaum verändert. Schüler*innen sitzen im Klassenraum<br />

und befassen sich mit Aufgabenstellungen, welche nach standardisierten Antworten verlangen. Ein kreatives Herangehen<br />

an Lösungen wird kaum gefördert. Der Leistungsdruck unter den Schüler*innen stärkt den Konkurrenzgedanken und führt<br />

nicht selten <strong>zu</strong> psychischen und körperlichen Belastungserscheinungen.<br />

In nahe<strong>zu</strong> allen anderen Bereichen wie Technik, Medizin, Biologie etc. kommt es laufend <strong>zu</strong> fortschrittlichen Erkenntnissen und<br />

Erneuerungen. Warum erfolgt der Fortschritt nicht auch in der Schulbildung? Werden die Kinder im derzeitigen Schulsystem gebildet<br />

oder „verbildet“? Welche Veränderungsansätze begünstigen die Entwicklung der schulischen Bildung in der heutigen Zeit?<br />

Seitdem Maria Theresia 1774 die Schulpflicht einführte, hat sich an der Unterrichtsform in Österreich im Wesentlichen nicht viel<br />

geändert. Der Unterricht erfolgt nach wie vor, <strong>zu</strong> einem großen Teil frontal und Kinder sollten diszipliniert und strebsam versuchen,<br />

ihren Leistungsnachweis mit bestmöglichem Notenschnitt <strong>zu</strong> erbringen. Was sich jedoch geändert hat, ist die Anzahl der<br />

Schüler*innen pro Klasse (Klassenteilungen ab dem 26. Kind), die Motivation der Schüler*innen auf weitere Ausbildungen und die<br />

Belastungserscheinungen, welche im Schulalltag viele Kinder prägen. Kinder werden gegenwärtig oftmals <strong>zu</strong> „Leistungsrobotern“<br />

ausgebildet, welche <strong>zu</strong>m Teil einen hohen Notendurchschnitt haben, jedoch auf menschlicher Ebene wenige Kompetenzen vermittelt<br />

bekommen. Die Zusammenarbeit von Eltern und Lehrer*innen erfolgt nur mäßig, meist sehen sich Eltern wie auch Lehrer*innen<br />

auf eigenen Fronten agierend (Wagenhofer, 2013).<br />

Hier<strong>zu</strong> sind die Erkenntnisse aus neurobiologischer Sicht erwähnenswert, welche die Angst und Stress als „Bildungskiller“ erkennen<br />

und ein spielerisches Lernen durch das Wecken von Interessen und Motivation der Schüler*innen als notwendig betrachtet.<br />

Beziehung und Resonanz zwischen Kindern und Lehrer*innen, wie auch zwischen Kindern und Eltern, sind von Bedeutung, da<br />

eine individuelle Begleitung des Kindes (Kritik, Anteilnahme, Hilfe, Ansporn, Nachfragen etc.) nur durch eine Beziehung <strong>zu</strong>m Kind<br />

möglich ist. Eine Lehrkraft ist dann in der Lage individuell auf das Kind ein<strong>zu</strong>gehen, wenn sie schulisch wie auch persönlichen<br />

Stärken und Schwächen des Kindes kennt. Nur so kann individuelle Motivation gelingen und eine Demütigung vermieden werden.<br />

Nur wenn sich Pädagog*innen selbst für ein bestimmtes Ziel begeistern können, kann der „Funke auf das Kind überspringen“ und<br />

Neugier und Begeisterung übertragen werden. Um das Kind langfristig <strong>zu</strong> motivieren bedarf es Beziehungen auf zwischenmenschlicher<br />

Ebene (Bauer, 2008, S. 37-45).<br />

Bauer (2008, S. 37-45) sieht in der Ganztagsschule die Chance auf ein größeres Angebot an musikalischen und sportlichen Aktivitäten,<br />

wobei er klarstellt, dass es keine Ausweitung des Lehrplans der theoretischen Fächer geben darf. Eine Vernet<strong>zu</strong>ng von<br />

Sportvereinen und Musikschulen wären nicht nur organisatorisch, sondern auch räumlich sinnvoll. Des Weiteren würde eine Beratungsstelle<br />

an Schulen, für Kinder welche spezielle Fördermaßnahmen und Hilfestellung benötigen, dienlich sein. In diesem<br />

Zusammenhang ist Hartmut von Hentig (2004) <strong>zu</strong> erwähnen, der betont, dass Bildung nicht nur Sache der Schule ist, sondern<br />

gemeinsam mit Eltern und Kindern gestaltet werden sollte. Auch Hentig bringt Beispiele, aus denen klar hervorgeht, dass Kinder<br />

unter dem Leistungsdruck der Institution Schule die Freude und Leichtigkeit am Lernen verlieren (Hentig 2004, S. 35-68).<br />

Zusammenfassend sind gute Ansätze <strong>zu</strong> einer fortschreitenden Entwicklung im Kontext der Schulbildung in Sicht. Nun gilt es<br />

Lösungsstrategien <strong>zu</strong> finden um diese umsetzbar <strong>zu</strong> machen. Um in der Schulbildung einen Fortschritt in der Entwicklung <strong>zu</strong> erreichen,<br />

benötigt es Mut neue Wege <strong>zu</strong> betreten. Die Disability and Diversity Studies können hier<strong>zu</strong> einen argumentativen und<br />

partizipativen Beitrag leisten um die Schulbildung auf ihren Weg in die Weiterentwicklung und die kontinuierliche Anpassung an<br />

gesellschaftspolitische Veränderungsprozesse <strong>zu</strong> begleiten.<br />

Quellen:<br />

Bauer, Joachim (2008). Lob der Schule. Sieben Perspektiven für Schüler, Lehrer und Eltern. München: Wilhelm Heyne Verlag.<br />

Hentig, Hartmut von (2004). Bildung. Ein Essay. Weinheim und Basel: Beltz Taschenbuch.<br />

Hüther, Gerald (2011). Was wir sind und was wir sein könnten. Ein neurobiologischer Mutmacher. Frankfurt am Main: Fischer Verlag.<br />

Wagenhofer, Erwin (2013). Alphabet. Angst oder Liebe. Dokumentarfilm. Prisma Film.<br />

26


Sportunterricht in Schulen – Herausforderung<br />

aufgrund einer multikulturellen Schülerschaft<br />

Maryna Meixner-Zinkanel<br />

Österreich zählt seit geraumer Zeit <strong>zu</strong> einem der einwanderungsreichen Länder in Europa. Die Einwanderungs- und Migrationspolitik<br />

hat die Bevölkerungsstrukturen seit den 1960er Jahren deutlich verändert. Angesichts der jüngsten Entwicklungen der letzten<br />

Jahre ist <strong>zu</strong>künftig keine wesentliche Veränderung dieser Situation <strong>zu</strong> erwarten. Im Jahr 2016 hatten in Österreich, definiert nach<br />

Altersgruppen, 22% aller 0-19-Jährigen einen Migrationshintergrund. Weitere durch Statistik Austria erhobene Daten belegen,<br />

dass rund 13% aller Schüler*innen des Schuljahres 2015/16 ausländische Staatsangehörige waren (Statistik Austria, 2017).<br />

Daraus ergeben sich für die öffentlichen Bildungseinrichtungen unvermeidbare Konsequenzen. Viele Schüler*innen mit Migrationshintergrund<br />

wurden in Ländern mit völlig anderen Kulturen, Glauben, Sprachen, Traditionen, Werten und Normen geboren<br />

und sozialisiert. In weiterer Folge werden sie im österreichischen Schulsystem eingeschult und stellen gemeinsam mit einheimischen<br />

Kindern und Jugendlichen eine breitgefächerte interkulturelle Schülerschaft da. Signifikant erscheint dabei folgende Frage:<br />

Hat der Sportunterricht in einer Bildungseinrichtung schon per se eine integrative Wirkung, oder braucht es einer interkulturellen<br />

Kompetenz der Sportlehrer*innen damit es überhaupt integrativ wirken kann?<br />

Vorausset<strong>zu</strong>ng einer Betrachtung dieser Thematik ist ein Exkurs in die Sportsoziologie. Dem Sport werden bekanntlich vielfältige<br />

Entwicklungspotentiale innerhalb der Gesellschaft <strong>zu</strong>geschrieben, welche von zahlreichen Wissenschaftler*innen und Autor*innen<br />

intensiv behandelt wurden. Einer davon ist Klaus Heinemann, der in seinem 1980 veröffentlichtem Werk „Einführung in die Soziologie<br />

des Sports“ die Aufgaben des Sports beschrieben hat. Heinemann kategorisiert Funktionen und Leistungen des Sports unter<br />

anderem in drei relevante Funktionen: die sozio-emotionale Funktion, die Sozialisationsfunktion und die sozial-integrative Funktion.<br />

Mit der sozio-emotionale Funktion wird dem Sport einerseits eine besänftigende Wirkung <strong>zu</strong>geschrieben, indem Affekt<strong>zu</strong>stände wie<br />

<strong>zu</strong>m Beispiel Aggressionen erkannt und aufgelöst werden können, ohne das soziale Zusammenleben <strong>zu</strong> strapazieren. Andererseits<br />

belebt der Sport im Sinne einer Abwechslung den Alltag des Lebens. Bei der Sozialisationsfunktion des Sports geht Heinemann davon<br />

aus, dass durch Sport moralische, kulturelle und gesellschaftliche Werte vermittelt beziehungsweise gestärkt werden, was <strong>zu</strong>r Erziehung<br />

und Charakterbildung des Individuums beiträgt. Nach der sozial-integrativen Funktion besitzt Sport die Fähigkeit, Menschen<br />

gemischter Gruppen <strong>zu</strong> einer Gemeinschaft <strong>zu</strong>sammen<strong>zu</strong>führen. Folgend wird ein Bewusstsein der Zusammengehörigkeit und eine<br />

Identifikation mit der Gruppe und deren sozialen Werten und Normen etabliert (Heinemann, 1980, S. 199-203).<br />

Dennoch weisen jüngere Untersuchungen darauf hin, dass Sport zwar integrationsfördernd wirken kann, eine bloße Teilhabe von<br />

Migrant*innen dafür aber nicht ausreicht. Die hohen Erwartungen an die integrative Wirkung des Sports wurden und werden daher<br />

oftmals nicht erfüllt (ARGE Sport und Integration, 2016, S. 6). Daher stellt sich die Frage, ob für eine integrative Wirkung des<br />

Sportsunterrichts die „Interkulturelle Kompetenz“ als signifikante Komponente unumgänglich ist. Jantz und Mühlig-Versen (2003)<br />

beschrieben interkulturelle Kompetenz und deren Charakteristika folgendermaßen:<br />

„Interkulturelle Kompetenz beschreibt <strong>zu</strong>nächst die Fähigkeit, angemessen und erfolgreich in einer fremdkulturellen Umgebung oder<br />

mit Angehörigen anderer Kulturen <strong>zu</strong> kommunizieren. Da<strong>zu</strong> gehört insbesondere der Erwerb von: Wissen über hegemoniale Praxis<br />

von Einschluss und Ausschluss (rechtliche Grundlagen unseres Zusammenlebens, Formen und Auswirkungen von individueller und<br />

struktureller Diskriminierung und Rassismus), eigenkultureller Bewusstheit, Selbstsicherheit, Fähigkeit <strong>zu</strong>r Identitätsdarstellung,<br />

Rollendistanz, Empathie, Ambiguitätstoleranz, Interaktionsfreudigkeit, Stresstoleranz, Frustrationstoleranz, die Fähigkeit, Widersprüchlichkeiten<br />

<strong>zu</strong> ertragen, Kenntnissen über Sprache u.a. Kulturtechniken. Im persönlichen und institutionellen Prozess bedeutet<br />

dies im Kern, dass wir lernen müssen, die vielfältig auftretenden Ambivalenzen aus<strong>zu</strong>halten“ (Jantz & Mühlig-Versen, 2003, S. 6).<br />

Aus der Sicht der oben beschriebenen Definition ergibt sich somit eine scheinbar plausible Schlussfolgerung: Auch das Modell der<br />

interkulturellen Lehrkompetenz muss demnach um den Faktor expliziter Vergegenwärtigungsprozesse ergänzt werden, um derartige<br />

Ressourcen <strong>zu</strong> Handlungsstrategien in der pädagogischen Arbeit überführen <strong>zu</strong> können (Jantz & Mühlig-Versen, 2003, S.6).<br />

Da<strong>zu</strong> bedarf es bereits in der Ausbildung von Sportlehrer*innen einer Thematisierung von gelingendem Sportunterricht in einer<br />

multiethnischen Gesellschaft und einer angemessenen Vorbereitung auf den künftigen schulischen Alltag. Die Entwicklung migrationspädagogischer<br />

Lehrmodelle <strong>zu</strong>m Umgang mit kulturell-heterogenen Sport-Lerngruppen kann demnach als eine wichtige<br />

<strong>zu</strong>künftige Aufgabe identifiziert werden (Dorn, 2018, S. 62).<br />

Quellen:<br />

ARGE Sport & Integration (2016). Handbuch <strong>zu</strong>m Thema <strong>Vielfalt</strong> im Sport und <strong>zu</strong>r Workshop-Reihe „Sport spricht viele Sprachen“. Herausgeber: ARGE Sport und Integration<br />

im Bundesministerium für Landesverteidigung und Sport. Wien.<br />

Dorn, Edgar (2018). Interkulturelle Kompetenz im Schulsport. Sportlehrer/innen mit Migrationshintergrund im Spannungsfeld von bildungspolitischen Erwartungen und<br />

schulischer Realität. In: Frei, Peter & Heinen, Thomas (Hrsg.), Hildesheimer Beiträge <strong>zu</strong>r Sportwissenschaft, Band 3. Hildesheim: Universitätsverlag Hildesheim.<br />

Heinemann, Klaus. (1980): Einführung in die Soziologie des Sports. Sport und Sportunterricht, Band 1. Schorndorf: Hofmann.<br />

Jantz, Olaf & Mühlig-Versen Sema (2003). Artikel: Kulturelles und interkulturelles Lernen in der Mädchen- und Jungenarbeit als Unterstüt<strong>zu</strong>ng für Jugendarbeit und Schule.<br />

Zugriff am 17.06.2018 unter https://www.ajs-bw.de/archiv.html<br />

27


Persönlichkeitsbildung und Digitalisierung<br />

Irma Prošić<br />

Hentig (2004) beschreibt Bildung als Bildung der Persönlichkeit in seinem 1996 erstmals erschienen Essay (Hentig, 2004, S.<br />

37-39). 20 Jahre später wird der Begriff Bildung nach wie vor gesellschaftlich diskutiert. Peter Bieri (2017, S. 7) beschreibt gegenwärtig<br />

Bildung als etwas, das die Person für sich tut. Bildung passiert ihm <strong>zu</strong>folge aus Eigeninitiative und Überzeugung. Er<br />

betont die Wichtigkeit der menschlichen Neugierde, die es <strong>zu</strong> wecken gilt. Bieri (2017, S. 8-10) definiert den Gebildeten als<br />

jemanden, der die Genauigkeit schätzt und sich mit einer bestimmten Thematik tiefgreifend auseinandersetzt, um die Zusammenhänge<br />

und geschichtliche Entwicklung <strong>zu</strong> verstehen. Der Philosoph Kondrad Paul Liessmann (2017, S. 7-8) beschreibt die<br />

aktuelle Situation als Verfehlung des ursprünglichen Bildungsbegriffs. Es geht nicht mehr um individuelle Bildung oder „analoge<br />

Bildung“, sondern um das Aneignen von Kompetenzen. Die fortschreitende Digitalisierung hat immense Folgen auf die kognitive<br />

Entwicklung von Kindern und Jugendlichen. Welche Bedeutung haben daher Persönlichkeitsbildung und „analoge Bildung“<br />

im Zeitalter der Digitalisierung?<br />

Ausgehend davon, dass Bildung als Persönlichkeitsbildung <strong>zu</strong> verstehen ist, kann interpretiert werden, dass ein gebildeter<br />

Mensch jemand ist, der durch das Lesen und Reflektieren, da<strong>zu</strong> fähig ist, sich unter dem Einfluss digitaler Medien, eine eigene<br />

Meinung <strong>zu</strong> bilden. Der Gebildete ist da<strong>zu</strong> fähig, zwischen wahr und falsch <strong>zu</strong> unterscheiden und lässt sich nicht von Fake News<br />

manipulieren. Obwohl Bildung vom Individuum ausgeht, geschieht dies nie isoliert von der Gesellschaft. Großen Einfluss darauf<br />

hat das soziale Umfeld wie Eltern, Geschwister aber auch die Lehrer*innen. Kinder und Jugendliche verbringen einen Großteil<br />

ihrer Zeit in verschulten Bildungseinrichtungen. Deshalb findet Persönlichkeitsbildung <strong>zu</strong> einem Teil in der Schule statt. Es ist<br />

Aufgabe der Pädagog*innen, die Kinder und Jugendlichen für digitale Medien <strong>zu</strong> sensibilisieren. Es soll aufgezeigt werden, dass<br />

der Stellenwert eines gebildeten Menschen in einer digitalisierten Gesellschaft sehr hoch ist. Ein Griff <strong>zu</strong> einem Buch bereichert<br />

die Sprache und erleichtert das Ausdrücken von Gefühlen. Lesen hilft dabei, die Umwelt und die Dinge anders wahr<strong>zu</strong>nehmen.<br />

Das Kommunizieren von Gefühlen und das Lesen sowie Reflektieren sind Eckpfeiler, die das Menschensein ausmachen. Tatsache<br />

ist, dass digitale Medien aus dem Alltag der Menschen nicht weg<strong>zu</strong>denken sind. Die Digitalisierung ist nicht immer als<br />

etwas Negatives <strong>zu</strong> betrachten, wenn der richtige Umgang früh genug erlernt wird. In Deutschland ermöglicht Mobile Health<br />

(mHealth) Menschen am Land die ärztliche Versorgung. Dabei handelt es sich um virtuelle Sprechstunden. Seit 1. Juli 2017 übernehmen<br />

die meisten Krankenkassen die virtuelle Sprechstunde (Eichstedt, 2017, S. 53).<br />

Zusammenfassend ist unter dem Begriff Bildung die Persönlichkeitsentwicklung <strong>zu</strong> verstehen, die individuell und aus eigener<br />

Überzeugung stattfindet. Die „analoge Bildung“ ist auch im Zeitalter der Digitalisierung nach wie vor ein essentieller Bestandteil.<br />

Die Pädagog*innen tragen in der Schule <strong>zu</strong>r Bewusstseinsbildung im Umgang mit digitalen Medien bei. Auf diese Weise<br />

wecken sie bei den Kindern und Jugendlichen die Neugierde, digitale Medien im Unterricht und außerhalb von Schulbildungseinrichtungen<br />

sinnvoll ein<strong>zu</strong>setzen und <strong>zu</strong> gebrauchen. Das World-Wide-Web kann bei zweckmäßigem Einsatz <strong>zu</strong>r Inklusion im<br />

Alltag beitragen und <strong>zu</strong>r Überbrückung von Distanz dienen und ist in Ergän<strong>zu</strong>ng <strong>zu</strong> „analogen Bildungsquellen“ <strong>zu</strong> sehen.<br />

Quellen:<br />

Bieri, Peter (2017). Wie wäre es, gebildet <strong>zu</strong> sein? München: Komplett-Media.<br />

Eichstedt, Astrid (2017). Land der Ideen. Aktion Mensch - Menschen Inklusiv leben, 2017 (2), 50-55.<br />

Hentig, Hartmut von (2004). Bildung - ein Essay. (5. Auflage). Weinheim und Basel: Beltz Verlag.<br />

Liessmann, Paul Konrad (2017). Bildung als Provokation. Wien: Paul Zslonay Verlag.<br />

28


Interkulturelle Erziehung und Bildung<br />

Rene Sprenger<br />

Viele der führenden Wissenschaftler auf dem Gebiet der interkulturellen Pädagogik sind sich in Be<strong>zu</strong>g auf die Vorgehensweisen<br />

und Methoden einig, um die nötigen Vorausset<strong>zu</strong>ngen schaffen <strong>zu</strong> können, damit Erziehung und Bildung für jeden Menschen in<br />

gleichen Maßen gewährleistet werden kann. Dabei spielen die Herkunft, die kulturellen, religiösen, ethischen, wirtschaftlichen,<br />

sprachlichen und persönlichen/individuellen Aspekte keine Rolle. Nichts desto trotz werden gegenwärtig immer noch Lehrpersonen,<br />

Schüler*innen, Eltern, die Politik, Wirtschaft etc. mit erheblichen Problemen konfrontiert, wenn es um die Gleichstellung und<br />

vollständige Eingliederung einzelner Schüler*innen, vor allem mit Migrationshintergrund, geht. Welche Methoden, Kompetenzen<br />

und Fähigkeiten müssen daher von den Lehrkräften umgesetzt und erworben werden, damit die vollständige Eingliederung in den<br />

pädagogischen Alltag gelingen kann? (Auernheimer, 2016, S. 9-61).<br />

Innerhalb der interkulturellen Pädagogik gibt es viele Begrifflichkeiten, die einerseits vom Lehrpersonal beachtet werden müssen,<br />

aber andererseits auch einen gesellschaftlichen Wandlungsprozess voraussetzen. Da<strong>zu</strong> zählen beispielsweise die Dialogbereitschaft,<br />

die Sensibilität und das Verständnis von Kultur und Multikulturalität, Reflexion eigener Wert- und Normvorstellungen,<br />

Gleichbehandlung oder die Entwicklung von geeigneten Handlungsstrategien um Diversität als Ressource und nicht als Hürde<br />

an<strong>zu</strong>sehen (Auernheimer 2016, S. 9ff.).<br />

Diese Begriffe sind für alle Lehrkräfte im Zuge ihres Unterrichts von größter Bedeutung, wenn es um die Gleichbehandlung ihrer<br />

Schüler*innen geht. Am essentiellsten hierfür ist neben den genannten Begrifflichkeiten die Einhaltung der europäischen Menschenrechtskonvention,<br />

in der die grundlegenden Rechte alle Menschen festgeschrieben sind. Da<strong>zu</strong> zählt auch das Recht auf Bildung<br />

(EU-MRK).<br />

Eine Veränderung der Sichtweisen kann nur durch einen Perspektivenwechsel in Form von Selbstreflektion und Bildung gelingen.<br />

Bildung fördert und schafft Bewusstsein, in weiterer Folge führt dies <strong>zu</strong> einer veränderten Haltung und somit <strong>zu</strong> mehr Verständnis,<br />

Toleranz und schlussendlich vollständiger Anerkennung anderer Werte und Kulturen. Ebenso sollten auch alle Schüler*innen<br />

in den Lern- und Entwicklungsprozess <strong>zu</strong>r Gestaltung einer konstruktiven interkulturellen Pädagogik mit einbezogen werden. Vor<br />

allem aber jene Schüler*innen aus fremden Herkunftsländern bzw. mit Migrationshintergrund, da diesen meist selbst aufgrund<br />

ihrer Erfahrungen jede Menge an Kompetenzen in Be<strong>zu</strong>g auf dieses Thema <strong>zu</strong>geschrieben wird. Unter „Schüler*innen“ sind dabei<br />

natürlich auch erwachsene Menschen <strong>zu</strong> verstehen, die <strong>zu</strong>m Beispiel aufgrund ihrer Integration, auch im beruflichen Alltag, eine<br />

Ausbildung oder Weiterbildungen absolvieren (Mecheril, 2013, S. 15-36).<br />

Grundsätzlich geht es um Verständnis, Toleranz und Anerkennung, um interkulturelle Erziehung und Bildung leben <strong>zu</strong> können. Dies<br />

ist nur durch einen Perspektivenwechsel und die Einhaltung der Menschenrechte seitens aller Betroffenen <strong>zu</strong> realisieren.<br />

Quellen:<br />

Auernheimer, Georg (2016). Einführung in die interkulturelle Pädagogik. WBG. Darmstadt.<br />

EM-MRK: Konvention <strong>zu</strong>m Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (Europäische Menschenrechtskonvention), Bundesgesetzblatt Nr. 210/1958 <strong>zu</strong>letzt geändert<br />

durch Bundesgesetzblatt III Nr. 144/2016 (K – Geltungsbereich Ü).<br />

Mecheril, Paul (2013). „Kompetenzlosigkeitskompetenz“. Pädagogisches Handeln unter Einwanderungsbedingungen. In: Auernheimer, Georg (Hrsg.), Interkulturelle<br />

Kompetenz und pädagogische Professionalität. Springer VS. Wiesbaden. S. 15-36.<br />

29


Lernbeeinträchtigung und Verhaltensprobleme<br />

bei Kindern und Jugendlichen<br />

Bettina Stermitz<br />

In diesem Essay geht es um die Frage, ob Kinder und Jugendliche durch ihre Lernbeeinträchtigung auch in ihrem Verhalten auffallen<br />

und womit dies <strong>zu</strong>sammenhängen könnte.<br />

Wenn es um das Wort LERNEN geht, fällt uns allen als erstes die Schule ein. Aber nicht nur in der Schule lernen wir, wir lernen von<br />

der Geburt an bis <strong>zu</strong>m Tode, Lernen ist ein lebenslanger Prozess. Lernen bedeutet, dass wir jeden Tag in unserem Leben Neues<br />

erkennen und begreifen. Das Lernen in der Schule ist ein Teilbereich dieses Prozesses: Hier können immer wieder Probleme auftreten,<br />

so kann jemand besser rechnen oder ist schlechter im Deutsch Unterricht. Dies gibt es sehr oft, kritisch wird es erst, wenn<br />

dieser Zustand nachhaltige negative Auswirkungen hat. Lernen hat den Mittelpunkt in der Schule und dort kann es massive Folgen<br />

mit sich bringen. Wernig und Lütje-Klose (2016, S. 14) meinen von gravierendem schulischen Lernversagen sind auch jene<br />

Schüler*innen betroffen, bei denen ein sonderpädagogischer Förderbedarf im Schwerpunkt Lernen diagnostiziert wurde. Lernerschwernisse<br />

sind so vielfältig wie die Lebenssituation der betroffenen Schüler*innen. (Wernig, Lütje-Klose, 2016, S. 18)<br />

Diese Beeinträchtigung kann auch an genetisch angeborenen Faktoren liegen, wie <strong>zu</strong>m Beispiel an Hirnschäden oder an Sauerstoffunterversorgung<br />

während der Geburt. Lernbeeinträchtigungen beginnen nicht mit dem Eintritt in die Grundschule und enden<br />

auch nicht nach Beendigung der Schulzeit. Vor der Schule wird es oft als Entwicklungsverzögerung eingestuft, die ihre Auswirkungen<br />

auf spätere Lernprozesse hat. (Lernbehinderung.com, 2018)<br />

Medizinisch wird Lernbehinderung mit Hilfe des ICD10 klassifiziert und folgende Diagnosen gestellt, die auch in Kombination<br />

auftreten können: Lese-Rechtschreibschwäche (Legasthenie) und Leserückstand (ICD10 F81.0), Isolierte Rechtschreibschwäche<br />

(ICD10 F81.1), Rechenstörung (Dyskalkulie) (ICD10 F81.2), Kombinierte Störung schulischer Fertigkeiten (ICD10 F81.3), Sonstige<br />

Entwicklungsstörungen schulischer Fertigkeiten (ICD F81.8), Entwicklungsstörungen schulischer Fertigkeiten (ICD10 F 81.9).<br />

(Lernbehinderung.com, 2018)<br />

In Kombination mit der medizinischen Diagnose treten weitere Probleme im schulischen Alltag auf: „In drei westdeutschen Städten<br />

wurden Studien erstellt, die darstellten, dass Verhaltensprobleme in der Schule für Lernbehinderte [Anm: Schüler*innen mit<br />

Lernbehinderung] weit verbreitet und erhebliche Ausmaße haben“ (Becker, 2008, S. 59). Lernen und Verhalten hängen laut neurologischer<br />

Hinsicht eng miteinander <strong>zu</strong>sammen. Kinder mit Verhaltensstörungen leiden auch an Lernstörungen und Kinder mit<br />

Lernstörungen oder einer Lernbehinderung haben Auffälligkeiten im Verhalten. Bei etwa 75% der Schüler*innen mit Lernbeeinträchtigung<br />

wurden auch mangelnde soziale Kompetenzen bzw. Verhaltensschwierigkeiten festgestellt. Oftmals kommen diese<br />

Schüler*innen aus sogenannten „bildungsfernen Schichten“. Die soziale Lage der Eltern sowie die <strong>zu</strong>r Verfügung stehende schulische<br />

Unterstüt<strong>zu</strong>ng und Hilfestellung von Seiten der Eltern spielen eine wesentliche Rolle beim Lernen (Bundschuh, 2003, Kautter/<br />

Munz, 2004).<br />

In diesem Kontext ist die spezifische Lage von Kindern mit Migrationshintergrund <strong>zu</strong> erwähnen. Schüler*innen mit Migrationshintergrund,<br />

die die deutsche Sprache nicht beherrschen, stehen vor <strong>zu</strong>sätzlichen Herausforderungen. Sie werden teilweise in<br />

Sonderschulen unterrichtet, da sie in Regelschulen dem Unterrichtsstoff nicht folgen könnten. Auch die soziale Lage ausländischer<br />

Schüler*innen mit dem Schwerpunkt Lernen ist schlechter, als die der deutschen Schüler*innen mit diesem Förderschwerpunkt.<br />

Dies hängt mit deren Wohnverhältnissen, sowie höherer Kinder- bzw. Geschwisteranzahl und einem niedrigen Bildungsstand <strong>zu</strong>sammen<br />

(Klein, 2001, S. 51).<br />

Zusammenfassend kann eine enge Verbindung zwischen Verhaltensauffälligkeit und Lernbehinderung festgestellt werden. Der<br />

soziale Hintergrund und die Herkunft der Kinder und Jugendlichen spielen dabei eine große Rolle. Über die medizinische Diagnose<br />

hinaus müssen geeignete Maßnahmen getroffen werden um Schüler*innen mit Lernbehinderung und Verhaltensauffälligkeiten<br />

adäquat <strong>zu</strong> unterstützen.<br />

Quellen:<br />

Becker, Ulrike (2008). Lern<strong>zu</strong>gänge Integrative Pädagogik mit benachteiligten Schülern. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften<br />

Bundschuh, Konrad (2003). Emotionalität, Lernen und Verhalten, Ein heilpädagogisches Lehrbuch. Klinkhardt Julius Verlag.<br />

Klein, Gerhard (2001). Sozialer Hintergrund und Schullaufbahn. Zeitschrift für Heilpädagogik. Ausgabe 2001. S. 51-62.<br />

Lernbehinderung.com (2018): Definition Lernbehinderung, Zugriff am 07. Mai 2018 unter http://lernbehinderung.com/.<br />

Wernig, Rolf und Lütje -Klose, Birgit (2016). Einführung in die Pädagogik bei Lernbeeinträchtigungen. München, Basel: Ernst Reinhardt Verlag.<br />

30


Musik verbindet<br />

Katharina Taupe<br />

Martin Luther King begann seine berühmte Rede mit den Worten: „I have a dream!“ Er hatte den Traum, dass alle Menschen in Frieden<br />

und in Gleichheit miteinander leben. Es heißt, Musik verbindet weit über Grenzen hinaus. Daher wird in diesem Essay folgende<br />

Fragestellung bearbeitet: Kann Musik kulturelle Grenzen überwinden und somit <strong>zu</strong> einer besseren Integration führen?<br />

Annedore Prengel (2007) führt in ihren Betrachtungen <strong>zu</strong> Diversity Education Werte wie Gleichheit, Freiheit und Anerkennung<br />

an, die grundlegend für die pädagogische Praxis sind und Diversität als Ressource anerkennen und ansehen. Umgelegt auf das<br />

gemeinsame Musizieren kristallisieren sich hier einige Übereinstimmungen heraus: Die Natur eines Orchesters birgt einen sehr<br />

hohen Grad an Gleichheit, jede Stimme ist für das gemeinsame Gelingen gleich wertvoll. Jede*r hat die Freiheit mit<strong>zu</strong>spielen und<br />

sich sein Instrument selbst aus<strong>zu</strong>suchen. Der musikalische Leiter wird loben und anerkennen, wenn gut gespielt wird. Die höchste<br />

Form der Anerkennung ist dann ein Applaus des Publikums (Prengel, 2007, S. 51-55).<br />

Inspirierend <strong>zu</strong> diesem Gedanken ist das Ost-West-Divan-Orchester. In diesem 1999 gegründeten Orchester spielen Musiker aus<br />

Israel und Palästina und anderen arabischen Ländern gemeinsam. Im Laufe der Zeit und durch das gemeinsame Miteinander ist<br />

eine Gemeinschaft entstanden, in der diese Vorurteile überwunden wurden (West-Eastern-Divan-Orchestra, 2018).<br />

Ein weiteres Beispiel liefert die In Media Vitae (IMV) Foundation aus Deutschland. Sie veranstaltete im Mai 2018 einen Workshop<br />

unter dem Motto: Musik verbindet – Musizieren in Gemeinschaftsunterkünften. Dieses Angebot richtet sich an Flüchtlinge und<br />

soll kulturelle Horizonte durch Workshops erweitern. Inhalte dieser Workshops sind unter anderem der Austausch über bisherige<br />

Erfahrungen und Erlebnisse, Ideen und Vernet<strong>zu</strong>ng <strong>zu</strong> neuen Initiativen und das gemeinsame Kennenlernen von Liedern in unterschiedlichen<br />

Sprachen aus verschiedenen Kulturen (IMV Foundation, 2018).<br />

Aus der Schweiz stammt ein weiteres Beispiel: Die Community Music Therapy (CoMT) bringt Musik in vielfältigen Projekten in<br />

„Randgebiete der Gesellschaft“. Da<strong>zu</strong> zählen Gewaltprävention durch Trommeln und Singen, musische Angebote im Arbeitslosentreff<br />

und im Flüchtlingszentrum, interkulturelle Chorarbeit, Bands mit Jugendlichen die auf der Straße wohnen, oder auch<br />

Orchester in denen Menschen mit Behinderungen und ohne Behinderungen gemeinsam musizieren (Hochreutner, 2018, S. 16-19).<br />

Wie oben angeführt, kann überall dort, wo heimische Bevölkerung mit anderen Kulturen in Berührung kommt, ein Zusammenführen<br />

mit Musik sinnvoll sein. Dies kann <strong>zu</strong>m Beispiel in Flüchtlingsheimen oder in Schulprojekten erfolgen. Auch kann die heimische<br />

kulturelle Szene versuchen, nicht nur in ihrer eigenen traditionellen Kultur <strong>zu</strong> wandern, sondern auch andere Kulturen mit<br />

ein<strong>zu</strong>beziehen. Dadurch wird anderes Publikum angesprochen und jede Kultur hat die Möglichkeit sich anderen Menschen näher<br />

<strong>zu</strong> bringen. Gemeinsame Aktivitäten in Musik, Kunst, Sport oder Handwerk, schaffen gemeinsame Erlebnisse und sind somit essentielle<br />

Bausteine der Integration. Über Menschen, mit denen man ein Erlebnis teilt, denkt man anders, als über Menschen, die<br />

einem fremd sind. In diesem Sinne ist das Essay mit folgenden Worten <strong>zu</strong> schließen: „Es sind die Begegnungen mit Menschen, die<br />

das Leben lebenswert machen.“ Guy de Maupassant (1850 – 1893)<br />

Quellen:<br />

Bauer, Werner T. (2008). Zuwanderung nach Österreich. Herausgeber: Österreichische Gesellschaft für Politikberatung und Politikentwicklung. Zugriff am 25.05.2018 unter<br />

https://www.politikberatung.or.at<br />

Expertenrat für Integration, (2017). Integrationsbericht. Flüchtlingsintegration bilanzieren - Regelintegration wieder thematisieren. Zugriff am 25.05.2018 unter https://<br />

www.bmeia.gv.at/integration/integrationsbericht/<br />

Hochreutner, Sandra Lutz (2018). Musik berührt – Musik bewegt – Musik verbindet. Zugriff am 16.06.2018 unter http://www.avenirsocial.ch/sozialaktuell/170110_<br />

sa_02_2017_017_019.pdf<br />

IMV Foundation (2018). Zugriff am 27.05.2018 unter https://imv-foundation.org/workshop-musik-verbindet/<br />

Prengel, Annedore (2007). Diversity Education. In: Krell, Gertraude (Hrsg.), Diversity Studies. Grundlagen und disziplinäre Ansätze. Frankfurt/ New York: Campus Verlag, 49-67.<br />

West-Eastern-Divan-Orchestra (2018). Zugriff am 26.05.2018 unter https://www.west-eastern-divan.org<br />

31


Integrationskraft der Erwerbsarbeit<br />

Richard Waditzer<br />

Erwerbsmarkt, Bildung und Migration sind Schlagwörter, die in politischen Diskussionen und in den Medien eine hohe Präsenz<br />

aufweisen. Deshalb soll in diesem Zusammenhang folgende Fragestellung diskutiert werden: Welche Integrationskraft besitzt Erwerbsarbeit<br />

und welche diesbezüglichen Perspektiven haben geflüchtete Menschen in Österreich?<br />

Artikel 23 (1) der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte besagt: „Jeder Mensch hat das Recht auf Arbeit […].“ Die außerordentliche<br />

Tragweite der Flüchtlingskrise ist wohl die größte Herausforderung, vor der das vereinte Europa in sechzig Jahren europäischer<br />

Integration je gestanden ist. Der österreichische Integrationsbericht 2017 gibt diesbezüglich nicht nur einen Überblick<br />

über bisherige Erfolge im Integrationsbereich, sondern macht auch deutlich, was noch getan werden muss. Aus den Daten des<br />

Hochkommissariats der Vereinten Nationen für Flüchtlinge (UNHCR) geht hervor, dass Ende des Jahres 2016 rund 65,6 Millionen<br />

Menschen auf der Flucht waren. Zu keiner anderen Zeit sind mehr Menschen aufgrund von Verfolgung, kriegerischen Auseinanderset<strong>zu</strong>ngen<br />

oder allgemeinen Menschenrechtsverlet<strong>zu</strong>ngen geflüchtet. Fast zwei Drittel dieser Menschen (40,3 Millionen) waren<br />

Binnenvertriebene, die innerhalb ihres eigenen Heimatlandes Unterschlupf fanden. 22,5 Millionen haben als Flüchtlinge in anderen<br />

Ländern Schutz erhalten und nahe<strong>zu</strong> 2,8 Millionen Menschen unter den 65,6 Millionen galten als Asylsuchende (Hammer 2017, S.<br />

5 Integrationsbericht, 2017 AEMR).<br />

Gemäß der Genfer Flüchtlingskonvention, die im Juli 1951 von der Generalversammlung der UNO verabschiedet und von Österreich<br />

1955 ratifiziert wurde, hat sich Österreich da<strong>zu</strong> verpflichtet, verfolgten Menschen Schutz <strong>zu</strong> gewähren und Ihnen ein faires<br />

Asylverfahren ein<strong>zu</strong>räumen (Fürchtegott 2017, S. 1). Als Asylwerber*innen gelten jene Flüchtlinge, die in Österreich einen Asylantrag<br />

gestellt haben und deren Asylverfahren noch nicht rechtskräftig abgeschlossen ist. Asylwerber*innen dürfen grundsätzlich<br />

nicht beschäftigt werden (WKO 2018, S. 1).<br />

Flüchtlingen einen möglichst raschen Zugang <strong>zu</strong>r Erwerbswelt – und im gleichen Maße <strong>zu</strong> Schulbildung und Ausbildungsmöglichkeiten<br />

im Sinne der egalitären <strong>Vielfalt</strong> und Differenz – <strong>zu</strong> ermöglichen ist ein „Gebot der Stunde“. Denn die Erwerbsarbeit sowie<br />

formelle und informelle Bildung sind ausschlaggebende Faktoren für ein selbstbestimmtes Leben und die Teilhabe an unserer Gesellschaft.<br />

Sie macht nicht nur aus menschenrechtlicher, sondern auch aus volkswirtschaftlicher Sicht Sinn. Geflüchtete Menschen<br />

sind meist noch sehr jung, wollen sich hier eine neue Existenz aufbauen und bringen somit eine hohe Bereitschaft und Zielstrebigkeit<br />

mit. Damit diese Motivation aufrecht bleibt und nicht in Hoffnungslosigkeit umschlägt, ist es wichtig Asylwerber*innen mit<br />

einer hohen Wahrscheinlichkeit <strong>zu</strong>r Anerkennung ihres Asylstatus möglichst früh auf den Zugang <strong>zu</strong>m Arbeitsmarkt vor<strong>zu</strong>bereiten.<br />

Je schneller diese in den Arbeitsmarkt integriert werden, desto kürzer ist die Abhängigkeit von den staatlichen Transferleistungen<br />

(Hammer, 2017 S. 4).<br />

Aktuellen Daten zeigen, dass gerade dies nicht der Fall ist. Die durchschnittliche Dauer von Asylverfahren betrug <strong>zu</strong>letzt 12,9 Monate<br />

(Parlamentskorrespondenz Nr. 715, 2017). Einige Verfahren sind auch nach Jahren noch nicht abgeschlossen. Diese unklare<br />

Situation ist für die Betroffenen äußerst zermürbend, da sie oft jahrelang <strong>zu</strong>m Nichtstun gezwungen werden. Abgesehen von der<br />

psychischen Belastung für die betroffenen Asylwerber*innen, ist dies auch aus integrationspolitscher und finanzieller Sicht nicht<br />

sinnvoll (Hammer 2017, S. 10).<br />

Das oberste Ziel der Integrationspolitik muss jedoch die möglichst rasche Erlangung der Selbsterhaltungsfähigkeit sein (Diakonie, 2017,<br />

S. 3). Ein sinnvolles Instrument <strong>zu</strong>r Begleitung ist das im Mai 2017 beschlossene Integrationsjahr. Es beinhaltet einen Integrationspfad<br />

mit Modulen wie Deutschkursen und Arbeitstraining, den anerkannte Flüchtlinge, die arbeitsfähig sind und nicht auf einen Arbeitsplatz<br />

vermittelt werden können, seit September 2017 absolvieren müssen. Seit 01.01.2018 können überdies auch Asylwerber*innen mit hoher<br />

Anerkennungswahrscheinlichkeit am Integrationsprogramm teilnehmen (Parlamentskorrespondenz Nr. 416, 2017).<br />

Erwerbsarbeit hat eine große Integrationskraft, denn sie ist für Teilhabe, Identifikation und den sozialen Zusammenhalt wichtig.<br />

Darüber hinaus gibt sie dem Alltag Struktur, ermöglicht Kommunikation und begründet Stolz, für das, was aus eigener Kraft geleistet<br />

wurde. Für die längerfristigen gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Konsequenzen der Flüchtlingsmigration wird entscheidend<br />

sein, wie schnell Geflüchtete in den Erwerbsmarkt integriert werden können.<br />

32


Quellen:<br />

AEMR Allgemeine Erklärung der Menschenrechte (Konventionen <strong>zu</strong>m Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten) Bundesgesetzblatt Nr. 210/1958 <strong>zu</strong>letzt geändert<br />

von Bundesgesetzblatt III Nr. 144/2016 (K – Geltungsbereich Ü).<br />

AMS (Oktober 2017). Das Integrationsjahr. Zugriff am 08.06.2017 unter http://www.ams.at/_docs/001_integrationsjahr.pdf<br />

Diakonie (2017). Integration ist (k)ein Kinderspiel. Zugriff am 08.06.2017 unter https://diakonie.at/presse-pr/kampagne/integration-ist-kein-kinderspiel<br />

Fürchtegott, Christa (November 2017). menschen.leben. Asyl in Österreich. Zugriff am 09.06.2018 unter http://www.menschen-leben.at/asyl/asyl-in-osterreich/<br />

Hammer, Philipp (09.10.2017). Flucht & Integration in den Arbeitsmarkt. Zugriff am 09.06.2018 unter http://arbeitplus.at/wordpress/wp-content/uploads/2017/07/ThemenpapierFlucht-2017-10-09.pdf<br />

Nordlicht Management Consultants (29.10.2015). Nordlicht Werkstattgespräch. Erfolgreiche Integration von Flüchtlingen in den Arbeitsmarkt: Erfahrungen und Konzepte.<br />

Zugriff am 09.06.2018 unter http://www.nordlicht-consultants.com/sites/default/files/documents/dokumentation_werkstattgespraech_erfolgreiche_integration_<br />

von_fluechtlingen_in_den_arbeitsmarkt.pdf<br />

Parlamentskorrespondenz Nr. 416 (06.04.2017). Flüchtlinge: Sozialausschuss beschließt verpflichtendes Integrationsjahr. Zugriff am 08.06.2018 unter: https://www.parlament.gv.at/PAKT/PR/JAHR_2017/PK0416/<br />

Parlamentskorrespondenz Nr. 715 (13.06.2017). Innenausschuss ebnet Weg für Fremdenrechtspaket. Zugriff am 09.06.2018 unter https://www.parlament.gv.at/PAKT/PR/<br />

JAHR 2017/PK0715/<br />

WKO (16.03.2018). Fachkräftepotenzial Flüchtlinge - Wir schaffen Chancen! Rechtliche Informationen für Betriebe. Zugriff am 09.06.2018 unter https://www.wko.at/site/<br />

fachkraeftepotnzial/rechtliche_informationen.html<br />

33


Pädagogik und Einwanderung<br />

Christina Wigoschnig<br />

Dadurch, dass sich ausländische, überwiegend männliche Gastarbeiter in den 1970er Jahren dauerhaft in Österreich niederließen,<br />

wurde Inter- und Multikulturalität in Österreich wieder ein großes Thema. Mit dem Nachholen der Familien der Gastarbeiter steigerte<br />

sich die Zahl der Kinder und Jugendlichen mit Migrationshintergrund und es stellte sich die Frage nach der Integration ins<br />

Schulbildungssystem (Bauer, 2008, S. 17). In diesem Essay wird daher folgender Fragestellung nachgegangen: Österreich ist ein<br />

Einwanderungsland und die Gesellschaft ist vielfältig – Welche Herausforderungen stellt dies an die Interkulturelle Pädagogik in<br />

Schulen?<br />

Die Schule ist eines der Subsysteme der Gesellschaft, damit ist sie von ethnisch-demographischen Veränderungsprozessen betroffen<br />

und muss auf die <strong>zu</strong>nehmende <strong>Vielfalt</strong> unter den Schüler*innen reagieren. In der Schule geht es nicht nur um das Lernen<br />

von Wissen, sondern genauso wichtig ist der Aufbau einer sozialen und verantwortungsvollen Lerngemeinschaft innerhalb einer<br />

vielfältigen Gesellschaft. Hinsichtlich der Heterogenitätsdimension „Sprache“ konnten beispielsweise bereits einige Erfolge erzielt<br />

werden. Im Integrationsbericht 2017 wurde die gezielte Sprachförderung in der Schule in Form von Sprachförderklassen, Sprachförderkursen<br />

und Sprachstartgruppen beschrieben (Integrationsbericht, 2017, S. 66).<br />

Damit beispielsweise „Muttersprachlicher Unterricht“ und „Deutsch als Zweitsprache (DaZ)-Unterricht“ nicht <strong>zu</strong> weiteren Segregationsmaßnahmen<br />

führen, ist eine Koordination zwischen ihnen mit nicht explizit sprachlichen Fächern erforderlich. Dabei spielt<br />

die „Interkulturelle Pädagogik“ mit dem Ziel der „Interkulturellen Kompetenz“ eine bedeutende Rolle. Die leitenden Motive der<br />

„Interkulturellen Pädagogik“ sind die Gleichheit ungeachtet der Herkunft, die Beziehung <strong>zu</strong>m „Anderen“, der Respekt für die Andersheit,<br />

das interkulturelle Verstehen und der interkulturelle Dialog. In der Weiterentwicklung der sogenannten „Ausländerpädagogik“<br />

in den 1980er Jahren fand ein Perspektivenwechsel statt und es ergab sich die Bezeichnung der „Interkulturellen Pädagogik“.<br />

Nicht mehr die Defizite der Kinder mit Migrationshintergrund standen im Mittelpunkt, nicht die Integration von Randgruppen<br />

war das Ziel, sondern die Befähigung aller <strong>zu</strong> einem Leben in und mit Heterogenität. Da<strong>zu</strong> ist der Blick auf Spannungsfelder, aber<br />

gleichzeitig auf die Ressourcen und Potenziale der Pluralität notwendig. Eine „Interkulturelle Schule“ ist eine Schule mit Beteiligten<br />

(Kinder, Eltern und Lehrkräfte) verschiedener kultureller und sprachlicher Herkunft und mit der pädagogischen Berücksichtigung<br />

und Nut<strong>zu</strong>ng des Vorhandenseins von Verschiedenheit (Gogolin & Krüger-Potratz, 2010, S. 143).<br />

Die Förderung „Interkultureller Kompetenz“ in der Aus- und Weiterbildung für die pädagogische Berufspraxis will eine sinnvolle<br />

Antwort auf die veränderte schulische und gesellschaftliche Wirklichkeit sein. Einerseits spielen die Fähigkeiten der Lehrer*innen<br />

auf der Ebene der Differenz zwischen Kulturen, Sprachen, sozialer und geschlechtsspezifischer Zugehörigkeit und andererseits<br />

spielen die persönlichkeitsbildenden Fähigkeiten auf der Ebene der Haltungen und Einstellungen rund um die Anerkennung der<br />

Pluralität eine Rolle. Auernheimer (2013) betont den Erwerb von Empathie, Reflexionsfähigkeit, Handlungsfähigkeit, sowie Achtung<br />

und Respekt der Menschenrechte und fremder Kulturen. Diese Kompetenzen sind Vorausset<strong>zu</strong>ng für offene, individualisierte<br />

Unterrichtsformen und die Freiarbeit im Unterricht, wo formelle und informelle Bildungsprozesse miteinander verknüpft werden<br />

können, ohne dass Schüler*innen unter- oder überfordert sind (Auernheimer, 2013, S. 258).<br />

Jedoch besteht hier auch die Gefahr der Stereotypisierung und Diskriminierung: Mecheril (2010) betont die „Kompetenzlosigkeitskompetenz“,<br />

die ethnozentrisches Wissen über die „Anderen“ vermeiden hilft und einen Dialog auf Augenhöhe erlaubt. Dies bedeutet,<br />

sich von einem instrumentellen Zugriff auf das „Wissen über Andere“ <strong>zu</strong> verabschieden. Mecheril (2010) hebt die Reflexion<br />

der Begriffe als eine wichtige Aufgabe professionellen Handelns in der Migrationsgesellschaft hervor (Mecheril, 2010, S. 93f).<br />

Die „Interkulturelle Kompetenz“ ist ein notwendiges Instrument im pädagogischen Alltag. Das Bemühen des kulturgebundenen<br />

Individuums auf Fremdes nicht nur mit Inklusion und Exklusion <strong>zu</strong> reagieren, sondern neue Erfahrungen auch über ethnisch-nationale<br />

Grenzen hinweg kreativ so <strong>zu</strong> verarbeiten, dass die Interessen der Beteiligten durch Abwägung aller Gesichtspunkte <strong>zu</strong> einem<br />

schonenden Ausgleich gebracht werden können. Dies geschieht auf der individuellen wie auf der institutionellen Ebene. Die Schule<br />

als Bildungsinstitution und das in ihr tätige Personal haben einen Bildungsauftrag <strong>zu</strong> erfüllen und junge, heranreifende Menschen<br />

in ihren Talenten <strong>zu</strong> fördern. Es gilt an<strong>zu</strong>erkennen, dass es sich bei „Interkultureller Kompetenz“ nicht um eine Arbeit mit oder um<br />

Maßnahmen für Kinder mit Migrationshintergrund und auch nicht um Isolation <strong>zu</strong>r verbesserten Förderung handelt, sondern um<br />

ein gemeinschaftliches Miteinander aller Kinder und Lehrenden in einem heterogenen Raum.<br />

Quellen:<br />

Auernheimer, Georg (2013). Interkulturelle Kompetenz und pädagogische Professionalität. 4. Auflage. Wiesbaden: Springer VS.<br />

Bauer, W. (2008). Zuwanderung nach Österreich. Wien: Österreichische Gesellschaft für Politikberatung und Politikentwicklung.<br />

Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Forschung (06.04.2018). Bedeutung sprachlicher Bildung in der Schule. Zugriff am 01.06.2018 unter https://bildung.<br />

bmbwf.gv.at/ministerium/rs/2017_29.html<br />

Expertenrat für Integration (2017). Integrationsbericht 2017. Flüchtlingsintegration bilanzieren – Regelintegration wieder thematisieren. Wien: Expertenrat für Integration.<br />

Gogolin, Ingrid & Krüger-Potratz, Marianne (2010). Einführung in die Interkulturelle Pädagogik. Stuttgart: Verlag Barbara Budrich, Opladen & Farmington Hills.<br />

Mecheril, Paul & u.a. (2010). Migrationspädagogik. Bachelor, Master. Weinheim und Basel: Beltz Verlag.<br />

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