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syndicom magazin Nr. 8 - Eure Fragen, unsere Antworten

Das syndicom-Magazin bietet Informationen aus Gewerkschaft und Politik: Die Zeitschrift beleuchtet Hintergründe, ordnet ein und hat auch Platz für Kultur und Unterhaltendes. Das Magazin pflegt den Dialog über Social Media und informiert über die wichtigsten Dienstleistungen, Veranstaltungen und Bildungsangebote der Gewerkschaft und nahestehender Organisationen.

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<strong>syndicom</strong><br />

<strong>Nr</strong>. 8 November–Dezember 2018<br />

<strong>magazin</strong><br />

Wir machen Zukunft!<br />

<strong>Eure</strong><br />

<strong>Fragen</strong>,<br />

<strong>unsere</strong><br />

<strong>Antworten</strong>


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Als Mitglied von<br />

<strong>syndicom</strong> profitieren<br />

Sie von bis zu<br />

10 % Rabatt.<br />

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kpt.ch/<strong>syndicom</strong>


Inhalt<br />

4 Wir machen Zukunft<br />

6 Bitte nachmachen!<br />

7 Sollen wir laut werden?<br />

8 Das ist Christy Hoffman<br />

12 Digitale Nomaden<br />

13 Zehn Ziele des SGB<br />

16 Erhöhen wir die AHV!<br />

18 Jetzt nicht lockerlassen<br />

22 Streik digital<br />

25 Recht so!<br />

26 Kulturgewerkschaft<br />

27 1000 Worte<br />

28 Junge bei <strong>syndicom</strong><br />

31 Kreuzworträtsel<br />

32 Eine Frage noch<br />

Liebe Leserinnen und Leser<br />

Vor euch liegt eine Sondernummer des<br />

<strong>syndicom</strong>-Magazins: Anstatt der üblichen<br />

Rubriken findet ihr hier <strong>Antworten</strong> zu den<br />

<strong>Fragen</strong>, die euch betreffen und die ihr uns<br />

gestellt habt. Wir danken euch – den Leserinnen<br />

und Lesern und Mitgliedern von <strong>syndicom</strong><br />

und ihrer IG Jugend –, dass ihr euch die Zeit<br />

genommen habt, um am Projekt «Wir machen<br />

Zukunft» teilzunehmen. Die Vielfalt der angesprochenen<br />

Themen hat uns überrascht:<br />

politische Aktion, Situation der Selbständigen<br />

und der Temporärarbeitenden, Frauenstreik<br />

oder Grundeinkommen. Alle diese <strong>Fragen</strong><br />

haben uns zum Weiterdenken gezwungen.<br />

Bei der Formulierung <strong>unsere</strong>r <strong>Antworten</strong> haben<br />

wir einen wichtigen Beschluss gefasst. Um für<br />

die vierte industrielle Revolution gerüstet zu<br />

sein, muss <strong>syndicom</strong> sich weiterhin auf den<br />

Ausbau der Gesamtarbeitsverträge und die<br />

Verteidigung der Rechte der Arbeitenden fokussieren,<br />

dabei aber politisch aktiver werden.<br />

Zum Beispiel mit der Schaffung eines digitalen<br />

Service public, wie ihn <strong>syndicom</strong> Ende November<br />

am SGB-Kongress vorschlagen wird<br />

(mehr dazu auf Seite 23).<br />

Dieser Dialog mit <strong>unsere</strong>n Leserinnen und<br />

Lesern war erst der Anfang. Sagt uns, was ihr<br />

von dieser Ausgabe und den darin ausgedrückten<br />

Ideen haltet. Wir freuen<br />

uns über euer Feedback an:<br />

Redaktion@<strong>syndicom</strong>.ch.<br />

Führen wir den Denkprozess weiter!<br />

Sylvie Fischer, Chefredaktorin<br />

8<br />

12<br />

18<br />

Wir machen Zukunft!


4<br />

Wir machen<br />

Zukunft<br />

Wenn unser starker Arm es will<br />

Unser Kerngeschäft ist die Verteidigung<br />

der Arbeitenden, mit GAV, Interventionen und<br />

auch Streiks, wenn es sein muss. Im<br />

«Kleinen» ringen wir um die grossen Dinge:<br />

um die Emanzipation des Menschen und eine<br />

gerechtere soziale Ordnung. Unter den<br />

veränderten Verhältnissen muss <strong>syndicom</strong><br />

dafür nun stärker politisch aktiv werden.<br />

Unter uns sind manche, die finden die Welt, wie sie gerade<br />

brodelt und taumelt, zum Fürchten. Sie führen ein paar<br />

gute Gründe an. Die misshandelte Ökologie. Trump und<br />

andere Zündler. Neue Nationalisten und Rassisten. Die<br />

nächste Finanz- und Wirtschaftskrise. Und erst die Digitalisierung<br />

...<br />

Finsternishändler wuchern mit dieser Lage. Ohnmacht<br />

dient den Mächtigen, weil sie die Menschen<br />

panisch, blind und dumm macht. Wir halten uns lieber<br />

daran, dass Millionen Menschen täglich an besseren Verhält<br />

nissen arbeiten. Gemeinsam und darum immer wieder<br />

erfolgreich. Wie die indische Autorin Arundhati Roy<br />

sagt: In den «kleinen» Dingen bewegen wir die grossen.<br />

Genau so ist es in <strong>unsere</strong>n gewerkschaftlichen Genen<br />

eingeschrieben.<br />

Angriff auf Löhne und Arbeitsbedingungen<br />

Das werden wir schon am 25. November zeigen, indem wir<br />

dazu beitragen, die sogenannte Selbstbestimmungsinitiative<br />

der SVP abzuschmettern. Wie immer, wenn die<br />

SVP über Europa redet, meint sie die Innenpolitik.<br />

«Fremde Richter» sind nicht ihr Problem. Die Rechten<br />

stossen sich daran, dass wir Arbeitenden uns auch auf<br />

eine Reihe von internationalen Abkommen stützen<br />

können, wenn wir für <strong>unsere</strong> Löhne und Rechte kämpfen.<br />

Diese Verträge definieren die Grundlage der zivilisierten<br />

Menschheit, etwa das Recht, sich zu versammeln, eine<br />

Meinung öffentlich zu vertreten oder zu streiken. Indem<br />

wir Nein sagen, bekräftigen wir <strong>unsere</strong> Rechte als Bürger<br />

und Gewerkschafterinnen.<br />

Ähnlich steht es mit den Flankierenden Massnahmen<br />

(FlaM). Der Bankenflügel der FDP, die SVP und Konzernlobbys<br />

wie Avenir Suisse nutzen die Diskussionen mit der<br />

EU als Vorwand, um die Löhne und den Schutz der Arbeitenden<br />

in der Schweiz anzugreifen. Dabei hat erst der<br />

FDP-Bundesrat Ignazio Cassis die FlaM in den Verhandlungen<br />

mit der EU ins Spiel gebracht. Denn die FlaM<br />

schützen die inländischen Beschäftigten. Sie funktionieren<br />

gut. SVP-Banker Thomas Matter hat offen gesagt, was<br />

ihn an der Personenfreizügigkeit irritiert. Die Ausländer?<br />

Nein. Die FlaM, die wachsende Zahl von Mindestlöhnen,<br />

die allgemeinverbindlich erklärten Gesamtarbeitsverträge<br />

und die vielen Kontrollen für korrekte Arbeits verhältnisse.<br />

Das sagt alles. Wir müssen die FlaM weiter<br />

verstärken, statt sie abzubauen.<br />

Personenfreizügigkeit und FlaM sind Zwillinge. Das<br />

eine ist ohne das andere nicht zu haben. Wer sie attackiert,<br />

zerstört <strong>unsere</strong>n Wohlstand. Wenn Kapital und Waren<br />

frei zirkulieren, sollen Menschen dies genauso dürfen.<br />

Wir lassen uns nicht auseinanderdividieren. Wir sind mit<br />

allen Arbeitenden solidarisch, gewiss aber nicht mit<br />

Schweizer Unternehmern, die Leute zu Hungerlöhnen<br />

ausbeuten. Aus der Geschichte haben wir gelernt:<br />

Grenzt man ausländische Kolleginnen und Kollegen aus,<br />

etwa mit einem Saisonnierstatut, bezahlen wir alle die<br />

Zeche. Nur die Aktionäre bereichern sich.<br />

«Seid politischer!», fordern die Kolleginnen<br />

Warum rede ich über Politik, wenn ich über die Zukunft<br />

der Gewerkschaft nachdenke? Unser Kerngeschäft sind<br />

(und bleiben) die Gesamtarbeitsverträge, das Engagement<br />

für alle in den Betrieben, die Organisation <strong>unsere</strong>r<br />

Interessen als Arbeitnehmende. Doch in Versammlungen<br />

und Mails fordern immer mehr Kolleginnen und Kollegen,<br />

wir sollten politisch stärker auftreten. So auch in den<br />

Zuschriften für diese Nummer des Magazins. Sie haben<br />

recht.<br />

Erstens, weil zum Beispiel die FlaM entscheidend für<br />

<strong>unsere</strong> künftigen Arbeitsbedingungen sind. Andere Anliegen,<br />

wie die Lohngleichheit und die Gleichstellung,<br />

bekämpfen wir täglich im GAV-Vollzug, aber die Gleichstellung<br />

braucht darüber hinaus politischen Schub. Inklusive<br />

Druck von der Strasse. So steht es um viele<br />

gewerkschaftliche Themen.<br />

Zweitens haben sich die Kräfteverhältnisse in der<br />

Schweiz seit Mitte der 1980er-Jahre verändert. Damals<br />

galt als Regel in der Wirtschafts- und Sozialpolitik: Gut ist,<br />

was der Volkswirtschaft nützt. Das schloss, trotz einer<br />

klaren Präferenz für das Kapital, die Arbeitnehmenden<br />

mit ein. Wahrscheinlich hat dies uns Gewerkschaften ein<br />

wenig faul gemacht. Heute, nach der neoliberalen Revolution,<br />

hat sich die Politik eine andere Grundregel gegeben:<br />

Gut ist, was den Konzernen und ihren Aktionären dient.<br />

Ein klarer Bruch mit dem sozialen Kompromiss. In den<br />

Parlamenten sitzen, bei SP und Grünen, nur noch einzelne<br />

unzweifelhafte Interessenvertreter der Arbeit nehmenden.<br />

Also sind wir gefordert, uns zu einer politisch gestal tenden<br />

Kraft zu wandeln. Nicht leicht, aber wir können das.<br />

Wir sind<br />

gefordert,<br />

eine<br />

politische<br />

Kraft<br />

zu werden.


5<br />

Wollen wir Fortschritt in einem neuen sozialen Kompromiss,<br />

tun wir gut daran, Gesamtarbeitsverträge und den<br />

Aufbau von politischem Druck zusammen zu denken. Verpassen<br />

wir diese Wende, riskieren wir <strong>unsere</strong> Zukunft.<br />

Eklatantes Beispiel für diesen entscheidenden Wandel in<br />

<strong>unsere</strong>r Praxis ist die digitale Revolution. In wachsendem<br />

Tempo verändert sie gerade alle Arbeits- und Lebensformen.<br />

Digitalisierung wäre eine Chance für kürzere<br />

Arbeitszeiten und bessere Arbeit und für die ökologische<br />

Steuerung und für einige andere erfreuliche Ent wicklungen.<br />

Doch der Bundesrat überlässt die Gestaltung den<br />

Konzernen, er hat die barbarische Digitalisierung gewählt:<br />

Zerstörung von Jobs, die Zerrüttung sicherer Arbeits verhält<br />

nisse, Entgrenzung der Arbeitszeit, Plattformarbeit,<br />

Arbeit auf Abruf, sinkende Löhne, Uber-Ökonömie, Abriss<br />

an den Sozialversicherungen, Datenplünderung, Untergang<br />

einer informierten Öffentlichkeit durch den algorith<br />

mus gesteuerten Social-Media-Wahn. 150 Jahre soziale<br />

Errungen schaften, so freuen sich die Digitalstrategen,<br />

können in wenigen Jahren weggefegt werden.<br />

In den kleinen Dingen<br />

bewegen wir die<br />

grossen. Das liegt in<br />

<strong>unsere</strong>n Genen.<br />

Diese Digitalisierung nehmen wir nicht hin. In den<br />

Betrie ben leisten wir einiges für eine sozialverträgliche<br />

Digitalisierung, via Sicherung von Jobs, Weiterbildungsvereinbarungen,<br />

Kampf gegen Auslagerungen, Ausgestaltung<br />

der Arbeitsplätze. Aber die Werkzeuge von Betriebsarbeit,<br />

GAV und Sozialpartnerschaft bleiben stumpf,<br />

wenn wir nicht ein starkes Bündnis bauen, das die politische<br />

Regulierung dieser industriellen Revolution<br />

erzwingt.<br />

Auf mindestens drei Feldern: Die Schweiz braucht<br />

einen kräftig ausgebauten, digitalen Service public (siehe<br />

Artikel Seite 23). Arbeit rund um die Uhr durch Plattformen<br />

verhindern wir mit einem universellen Arbeitsvertrag,<br />

der für jedes nicht GAV-geschützte Auftrags verhältnis<br />

gilt. Inklusive Sozialversicherungen. Und den<br />

digitalen Produktivitätsgewinn gilt es zu verteilen – durch<br />

Arbeitszeitverkürzungen.<br />

Unser Ziel: Emanzipation des Menschen<br />

Ein ehrgeiziges Programm. Und machen wir uns keine<br />

Illu sionen: Wir werden es politisch nur durchsetzen<br />

können, wenn wir <strong>unsere</strong> gewerkschaftlichen Hausaufgaben<br />

machen. Dazu gehören: Die GAV ausbauen und<br />

ihren Geltungsbereich erweitern. Echte Gleichstellung<br />

erringen. Unsere Mobilisierungsfähigkeit<br />

erhöhen. Also Mitglieder gewinnen, vor allem<br />

Frauen und Jüngere und noch mehr Qualifizierte.<br />

Das setzt Attraktivität voraus, durch viele kleine<br />

Siege in der Verteidigung der Arbeitenden, bei den<br />

Löhnen, bei der Gleichstellung, gegen die Flexibilisierung<br />

und durch Sicherung der Jobs. Und<br />

durch bessere Dienstleistungen, etwa im Bereich<br />

der Beratung und der Bildung (Ausbau von Movendo).<br />

Die Gewerkschaft muss sich öffnen und<br />

weiter demokratisieren. Wer bei uns ist oder<br />

einsteigt, soll sich entfalten können und<br />

wissen: <strong>syndicom</strong> arbeitet an der Zukunft.<br />

Krisen, wie der laufende Angriff auf die sozialen<br />

Errungenschaften, sind immer auch<br />

offene Momente, in denen wir unser erstes<br />

Ziel als Gewerkschaft voranbringen: Die<br />

Emanzipation des Menschen von wirtschaftlichen<br />

und sozialen Zwängen. Wenn unser<br />

starker Arm es will.<br />

Text: Daniel Münger, Präsident <strong>syndicom</strong><br />

Bild: Jens Friedrich


6<br />

Empfohlen zur<br />

Nachahmung<br />

Hansruedi Schläppi: «Beratung zur<br />

Frühpensionierung ist sehr gefragt»<br />

Warum soll ich noch länger arbeiten,<br />

wenn ich über 50 bin und im Fall einer<br />

Entlassung sowieso kaum noch<br />

Chancen bei der Arbeitssuche habe?<br />

Die vorzeitige Pensionierung ist eine<br />

Option, die man im Einzelfall überprüfen<br />

muss. <strong>syndicom</strong> kann hier beraten<br />

und dir helfen, eine Entscheidung zu<br />

treffen.<br />

Der Emmentaler Hansruedi Schläppi<br />

(1954) hat 43 Jahre in der Informatik<br />

gearbeitet: zuerst im elektronischen<br />

Rechenzentrum (ERZ) der PTT, danach<br />

bei der PTT Telecom und zuletzt bei<br />

Swisscom. In dieser langen Zeit war er<br />

in vielen Funktionen tätig, 25 Jahre<br />

auch als Vorgesetzter in diversen Bereichen.<br />

Als Gewerkschaftsvertreter<br />

hat er während seiner gesamten Laufbahn<br />

Kolleginnen und Kollegen in<br />

schwierigen persönlichen Situationen<br />

unterstützt und begleitet (alleinerziehende<br />

Mütter, Mitarbeitende im Konflikt<br />

mit Vorgesetzten, bei Kündigungsdrohungen<br />

usw.). Im November 2017<br />

hat er sich vorzeitig pensionieren lassen<br />

und das Projekt Erfa-Gruppe 55+<br />

ins Leben gerufen, um Swisscom-Mitarbeitende,<br />

die diesen Schritt ebenfalls<br />

wagen möchten, unentgeltlich zu<br />

beraten.<br />

Dies ist die Geschichte einer guten<br />

Idee, die von einer Person mit rund<br />

48 Jahren gewerkschaftlicher Aktivität<br />

stammt. Die unentgeltlichen<br />

Beratungs gespräche für Swisscom-<br />

Mitarbeitende, die sich vorzeitig<br />

pensionieren lassen wollen, sind<br />

wichtig, denn viele wissen nicht, ob<br />

sie es sich leisten können, bemerkt<br />

Hansruedi Schläppi. Er stellt einen<br />

grossen Informationsmangel fest,<br />

von den «Grundkenntnissen der ersten<br />

Säule, der zweiten Säule, der<br />

dritten Säule, bis zu der Notwendigkeit,<br />

im Falle einer vorzeitigen Pensionierung<br />

eine Unfallversicherung<br />

abzuschliessen».<br />

Seit Februar 2017 haben 166 Personen<br />

die Möglichkeit in Anspruch<br />

genommen, ihre Situation während<br />

einer bis vier Stunden analysieren<br />

zu lassen. «Es ist wichtig, dass man<br />

die Leute im vertraulichen Rahmen<br />

treffen kann», erklärt Hansruedi<br />

Schläppi. «Ausserdem müssen wir<br />

ein Vertrauensverhältnis schaffen,<br />

denn wir sprechen auch heikle, private<br />

<strong>Fragen</strong> an, etwa ob grosse<br />

Schulden oder Leasing-Verträge<br />

vorhan den sind, oder auch ob ein<br />

Scheidungsfall vorliegt. Wir sind bei<br />

der Beratung völlig neutral, denn<br />

wir arbeiten weder für eine Bank<br />

noch für eine Versicherung. Nach<br />

dem Beratungsgespräch müssen die<br />

Kolleginnen und Kollegen selber die<br />

notwendigen Entscheidungen treffen<br />

und konkrete Schritte einleiten.<br />

Selbstverständlich stehen wir jederzeit<br />

für weitere <strong>Fragen</strong> zur Verfügung.»<br />

Wertvoll ist, dass er den GAV der<br />

Swisscom und das Pensionskassenreglement<br />

von comPlan bestens<br />

kennt: «Ich versuche auch die Mitarbeitenden<br />

dafür zu sensibilisieren,<br />

dass sie bei den Stiftungsratswahlen<br />

mitmachen, damit beispielsweise<br />

die Möglichkeit der kostenlosen<br />

Überbrückungsrente gewahrt wird.»<br />

Von Zeit zu Zeit verschickt <strong>syndicom</strong><br />

einen Newsletter, um diese<br />

neue – für ihre Mitglieder kostenlose<br />

– Dienstleistung bekannt zu machen.<br />

Die Unentgeltlichkeit ist ein<br />

klarer Vorteil, denn solche Beratungen<br />

können auf dem Markt ins Geld<br />

gehen. Für ein Beratungsgespräch<br />

anmelden können sich Mitarbeitende<br />

von Swisscom, Cablex und Localsearch,<br />

die Mitglied bei <strong>syndicom</strong><br />

sind, über 55 Jahre alt und deutschsprachig.<br />

Aufgrund der grossen<br />

Nachfrage unterstützt eine Kollegin<br />

aus dem Projekt, Edith Annaheim,<br />

Hansruedi Schläppi bei dieser «einzigartigen<br />

Dienstleistung, die nur<br />

von <strong>syndicom</strong> angeboten wird», wie<br />

er stolz anfügt.<br />

«Wegen ihrer unsicheren beruflichen<br />

Zukunft erkundigen sich die<br />

Kolleginnen und Kollegen nach der<br />

Möglichkeit einer Frühpensionierung.<br />

Viele, die an uns gelangen,<br />

haben Angst und fürchten, negativ<br />

aufzufallen, das spürt man», sagt<br />

Hansruedi Schläppi. «Die Berufsund<br />

Lebenserfahrung zählt nicht<br />

mehr und häufig sind die Leute deswegen<br />

demotiviert.»<br />

Hansruedi Schläppi wünscht<br />

sich, dass diese Dienstleistung auch<br />

in der Romandie und im Tessin sowie<br />

später auch für <strong>syndicom</strong>-Mitglieder<br />

angeboten werden kann, die<br />

einer anderen Pensionskasse als<br />

comPlan unterstehen, zum Beispiel<br />

die KollegInnen bei der Post oder<br />

im Buchhandel. «Ich will nicht<br />

150 % arbeiten – sonst hätte ich<br />

mich nicht pensionieren lassen<br />

müssen –, daher fordere ich Interessierte<br />

auf, ihre Zeit für diese wichtige<br />

Tätigkeit zur Verfügung zu stellen.»<br />

Noch zwei Projekte warten auf<br />

Verwirklichung: Eine Erfahrungsgruppe<br />

für Aus- und Weiterbildungen<br />

45+ zum Thema «Wie kann ich<br />

meinen Wert auf dem Arbeitsmarkt<br />

erhalten?» und eine Beratungsgruppe<br />

zu <strong>Fragen</strong> wie Erbschaft oder Eintritt<br />

ins Altersheim – die von der<br />

Pensioniertenvereinigung von <strong>syndicom</strong><br />

betreut werden könnte.<br />

Text: Sylvie Fischer<br />

Bild: Alexander Egger


Sollen wir laut<br />

werden?<br />

Nicht die Spitze bestimmt den Weg,<br />

sondern die Basis<br />

7<br />

Wir haben Kundgebungen organisiert,<br />

Motionen und Beschwerden eingereicht,<br />

Unterschriften gesammelt<br />

gegen den Poststellenabbau.<br />

Und trotzdem geht der Abbau mit<br />

Entlassungen (Post, Swisscom ...)<br />

weiter ... Was können wir noch tun?<br />

Ist nun der Zeitpunkt gekommen, Ernst<br />

zu machen, die Stimme zu erheben<br />

und auf die Strasse zu gehen? Eine<br />

Vorstellung: Warnstreik.<br />

Die Kampagne gegen den Kahlschlag<br />

der Poststellen ist wohl die<br />

grösste Kampagne von <strong>syndicom</strong> jemals,<br />

und sie ist noch lange nicht<br />

vorbei. Mit der von <strong>syndicom</strong> publizierten<br />

Gefährdungskarte wurde<br />

offen sichtlich, wie drastisch der Abbau<br />

ist. Viele BürgerInnen-Komitees<br />

haben sich daraufhin gebildet.<br />

<strong>syndicom</strong> hat an vielen Orten sogenannte<br />

«Poststellen-Läufe» mitgetragen,<br />

bei denen Tausende von<br />

Poststelle zu Poststelle gezogen<br />

sind. Es gibt Hunderte Zeitungsartikel,<br />

die über die Kampagne und<br />

<strong>unsere</strong> Gefährdungskarte berichtet<br />

haben, es hagelte parlamentarische<br />

Vorstösse, und nun fordert die Kommission<br />

des Ständerats eine Gesetzesrevision.<br />

Die Vorschläge, die der<br />

Bundesrat hier macht, reichen ganz<br />

offenbar nicht aus.<br />

Parlament muss rasch entscheiden<br />

Allerdings läuft die Zeit gegen uns.<br />

Die Post schert sich keinen Deut um<br />

Doris Leuthard, die letzten Dezember<br />

versprach, keine Poststelle würde<br />

gegen den Willen der Gemeinde<br />

geschlossen, bis die Politik neue<br />

Vorgaben gemacht habe. Und auch<br />

Leuthard kümmert sich nicht um<br />

ihr Versprechen. Deshalb unterstützt<br />

<strong>syndicom</strong> weiterhin Bürgerinnen<br />

und Bürger, die Proteste organisieren,<br />

und Gemeinden, die sich<br />

gegen eine Schliessung wehren wollen.<br />

Derweil geht der Abbau weiter<br />

und es wäre dringend nötig, dass<br />

die vom Bundesparlament geforderten<br />

Schritte möglichst schnell getan<br />

werden. Auch hier leistet <strong>syndicom</strong><br />

das Möglichste, um das Verständnis<br />

für die Dringlichkeit von Reformen<br />

zu erhöhen.<br />

Niedriglohnbranche Logistik?<br />

Dazu gehört auch die unsägliche<br />

Auslagerung an Postagenturen. Das<br />

Angebot wird schlechter, bei der<br />

Kundschaft sind die Agenturen unbeliebt<br />

und meist ist das Personal<br />

deutlich schlechter bezahlt. So umgeht<br />

die Post den GAV. Es ist eine<br />

klare Forderung von <strong>syndicom</strong>, dass<br />

alle, die Post-Leistungen erbringen,<br />

mit Post-Löhnen bezahlt werden.<br />

Auch die anderen privaten Erbringer<br />

von Postdienstleistungen: seien<br />

es die sog. PostAuto-Unternehmen,<br />

die Transportpartner oder Firmen<br />

wie DHL.<br />

Wenn es nicht zu einer deutlichen<br />

Erhöhung der Mindestlöhne<br />

kommt, droht der Logistikmarkt zur<br />

Niedriglohnbranche abzufallen.<br />

Schlicht inakzeptabel ist der Vorschlag<br />

der Postcom: Mindestlohn<br />

von 18.27. Das ist ein Lohn, der in<br />

der Schweiz nicht zum Leben reicht.<br />

<strong>syndicom</strong> und der SGB haben den<br />

Vorschlag massiv kritisiert. Es<br />

braucht einen höheren Mindestlohn<br />

und eine Differenzierung nach Berufsgruppen.<br />

Die Mitglieder bestimmen die<br />

gewerkschaftlichen Mittel<br />

Im Gesamtarbeitsvertrag Post ist<br />

grundsätzlich eine Friedenspflicht<br />

festgehalten. Warnstreiks würden<br />

daher rechtliche <strong>Fragen</strong> aufwerfen.<br />

Die Mittel, die <strong>syndicom</strong> anwendet,<br />

richten sich nach den Entscheiden<br />

der Mitglieder. Diese Mittel werden<br />

von den Milizgremien angeregt und<br />

beschlossen. Die Aktionsgruppe zur<br />

Poststellen-Kampagne, die sich aus<br />

25 Post-Angestellten aus der gesamten<br />

Schweiz zusammensetzte, hat<br />

z. B. eine Poststellen-Blockade<br />

durch die Belegschaft diskutiert<br />

und deutlich verworfen.<br />

4000 Swisscom-Mitarbeitende haben die <strong>syndicom</strong>-Petition zum Stopp des Personalabbaus bei<br />

der Swisscom unterschrieben, die Ende September Bundesrat und Parlament übergeben wurde.<br />

Sie fordern die Änderung der Eignerstrategie des Bundesrates, die Lockerung des Kostensenkungsdrucks<br />

bei der Swisscom und die Ermöglichung einer nachhaltigen Personalpolitik.<br />

Text: David Roth<br />

Bild: Christian Capacoel


8<br />

Christy<br />

Hoffman<br />

Gegen die Übermacht der globalen Multis<br />

helfen nur internationale Aktionen<br />

UNI Global Union ist die internationale<br />

Gewerkschaftsföderation, die<br />

im Jahr 2000 aus der Fusion von vier<br />

früheren Verbänden hervorging:<br />

Kommunikations-Internationale<br />

(ehemalige Internationale der PTT),<br />

Internationale Graphische Föderation,<br />

Medien- und Unterhaltungs-<br />

Internationale und Interna tionaler<br />

Verband der Angestellten, Techniker<br />

und Führungskräfte.<br />

Die Föderation umfasst etwa 20<br />

Millionen Mitglieder und 900 Organisationen<br />

in 150 Ländern; auch die<br />

Mitglieder von <strong>syndicom</strong> sind ihr<br />

angeschlossen, und Daniel Münger,<br />

Präsident von <strong>syndicom</strong>, gehört<br />

dem Weltvorstand von UNI Global<br />

an. «Das ist erst der Anfang», ergänzt<br />

Christy Hoffman, die neue Generalsekretärin<br />

der Föderation, denn<br />

Wie weit soll die Flexibilität eigentlich<br />

noch gehen, die von den Arbeitenden<br />

verlangt wird?<br />

Zu viel Flexibilität bei der Arbeit setzt<br />

Menschen langfristig unter Druck und<br />

greift die Gesundheit an. Die OECD und<br />

sogar einige rechte Ökonomen erkennen<br />

bereits den Missbrauch darin. Wir<br />

müssen die Digitalisierung fruchtbar<br />

machen, um auch das zu ändern.<br />

90 % der Arbeitsplätze, die in den<br />

nächsten Jahren entstehen, dürften<br />

die von UNI Global abgedeckten<br />

Sektoren betreffen.<br />

In einer globalisierten und von<br />

Multis beherrschten Welt können<br />

einzig koordinierte Aktionen der<br />

Arbeit nehmenden und Gewerkschaften<br />

mehrerer Länder globale<br />

Akteure zu Verhandlungen zwingen.<br />

UNI Global, die ihren Sitz in Nyon<br />

hat, da sie traditionsgemäss mit der<br />

Internationalen Arbeitsorganisation<br />

(ILO) eng verbunden ist, hat die Aufgabe,<br />

die gewerkschaftlichen Aktionen<br />

zu koordinieren, die denselben<br />

Multi betreffen.<br />

Streik bei Amazon: in Spanien und<br />

Deutschland gleichzeitig<br />

Zum Beispiel Amazon, bei dem Mitte<br />

Juli in Deutschland und Spanien<br />

gleichzeitig gestreikt wurde. Die Arbeitenden<br />

protestierten gegen die<br />

Arbeits be din gungen und forderten<br />

eine Lohn erhöhung und einen GAV.<br />

Kleine Programmierfehler, die Bestellungen<br />

verhinderten, begleiteten<br />

die Aktionen.<br />

In Italien musste Amazon Ende<br />

2017 nach einer Untersuchung wegen<br />

Steuerbetrugs ein Abkommen<br />

über eine Ausgleichszahlung von<br />

100 Millionen Euro unterzeichnen.<br />

«Und diese Machenschaften zur<br />

Steueroptimierung verursachen<br />

überall Probleme, angefangen bei<br />

den USA», erklärt Christy Hoffman.<br />

«Die Aufgabe der UNI Global Union<br />

ist, die Gegen aktionen zu bündeln,<br />

um ihre Wirkung zu verstärken.»<br />

Schwere Zeiten für die<br />

Gewerkschaften<br />

Andere Riesen, wie der Callcenter-<br />

Gigant Teleperformance, der auch<br />

in der Schweiz tätig ist, stehen wegen<br />

ihrer tiefen Löhne am Pranger:<br />

«Wir vereinen die Gewerkschaften,<br />

damit sie gemeinsam über die Strategie<br />

entscheiden können. In der<br />

Schweiz ist die Allgemeinverbindlich<br />

erklärung des GAV der Callcenter<br />

eine sehr gute Praxis, die auch in<br />

anderen Ländern verfolgt werden<br />

sollte. Dazu ist politische Arbeit bei<br />

den Regierungen und bei der OECD<br />

erforder lich.»<br />

Und zwar zu einem historischen<br />

Zeitpunkt, da der Internationale Gewerkschaftsbund<br />

ein düsteres Bild<br />

von der Lage der Arbeitnehmenden<br />

weltweit zeichnet: Zwischen 2014<br />

und 2018 nahm die Unterdrückung<br />

der Gewerkschaftsfreiheit um 15 %<br />

zu und betrifft nun 92 Länder, und


Damit Amazon, H&M und Zara oder der Callcenter-Riese Teleperformance zuhören,<br />

müssen die Gewerkschaften mehrerer Länder koordiniert handeln. Das ist das Credo<br />

von Christy Hoffman, die im Juni an die Spitze der UNI Global Union gewählt wurde.<br />

Also genau der Organisation, die eine solche Koordination leisten kann.<br />

9<br />

zu GAV-Verletzungen kommt es<br />

mittlerweile in 115 Staaten (+32 %).<br />

«Wir leben in einer finsteren Zeit<br />

für die Arbeit im Allgemeinen», sagt<br />

Christy Hoffman, «die Ungleichheiten<br />

sind sehr ausgeprägt. Seit mindestens<br />

5 Jahren entwickeln sich<br />

diese Zahlen nicht gut. Die Geschäftsmodelle<br />

der reichsten und<br />

mächtigsten Unternehmen, die auf<br />

ganz schlechten Arbeitsbedingungen<br />

beruhen, haben viel zu viel Ungleichheit<br />

produziert, wie selbst die<br />

OECD erkannt hat – über 90 % der<br />

Arbeitenden der globalen Lieferkette<br />

haben Tieflöhne und prekäre, unsichere<br />

Arbeitsbedingungen, mehr<br />

als 70 % verfügen über keinen angemessenen<br />

sozialen Schutz.» Und sie<br />

fügt an: «Sogar rechte Ökonomen<br />

beginnen zu fordern, dass die Digitalisierung<br />

als Gelegenheit zur Verbesserung<br />

der Lage genutzt wird.»<br />

Überholt? Im Gegenteil!<br />

Hoffman wehrt sich entschieden gegen<br />

die Ansicht, die Gewerkschaften<br />

seien überholt: «Die Grosskonzerne<br />

behaupten, dass die Gewerkschaften<br />

ein Instrument der Vergangenheit<br />

seien. Aber <strong>unsere</strong> Um fra gen<br />

deuten auf das Gegenteil hin: Auf<br />

der ganzen Welt würden sich die<br />

Arbeitnehmenden gerne so einfach<br />

organisieren können wie in der<br />

Schweiz, aber sie scheitern an der<br />

Haltung ihrer Regierung und der<br />

Arbeit geber. Ich denke, wir sollten<br />

<strong>unsere</strong> Arbeitsweise ändern und die<br />

Formalitäten für die Jungen vereinfachen:<br />

mithilfe von Apps rekrutieren,<br />

präsent sein in sozialen Netzwerken<br />

und auf IT-Plattformen.»<br />

Ausserdem gebe es auf der Welt<br />

noch Gewerkschafts-Wüsten, zum<br />

Beispiel in einem Grossteil von Afrika:<br />

«Es ist unmöglich, einen Gewerkschaftsbeitrag<br />

zu zahlen, wenn<br />

«Schweizer<br />

Konzerne<br />

halten sich<br />

gerne aus<br />

Abkommen<br />

heraus.»<br />

man nicht einmal genug zu essen<br />

hat. Aber im Postsektor verfügen wir<br />

mit DHL über Gewerkschaftspräsenz<br />

in 9 Ländern Afrikas, und wir<br />

haben ein weltweites Abkommen,<br />

das auch die Schweiz betrifft.»<br />

Obwohl UNI Global über 50 internationale<br />

Abkommen, die weltweit<br />

mehr als 10 Millionen Arbeitnehmende<br />

abdecken, unterzeichnet<br />

hat, betreffen nur wenige davon die<br />

Schweiz. «UNI hat kaum Abkommen<br />

mit Multis, die in der Schweiz präsent<br />

sind, ausser einigen wenigen<br />

wie ISS und DHL. In der Regel besteht<br />

hier der Wille, Probleme auf<br />

schweizerische Art zu lösen. Nicht<br />

einmal Migros und Coop haben das<br />

Abkommen über Gebäudesicherheit<br />

in der Textilindustrie in Bangladesch<br />

unterzeichnet.»<br />

Auf dieses Abkommen ist Christy<br />

Hoffman stolz, denn es geht auf ihre<br />

Initiative zurück. Der Auslöser war<br />

die Katastrophe, die 2013 mehr als<br />

1000 Todesopfer forderte. «Das Abkommen<br />

zählt inzwischen über 200<br />

Unterzeichnende (Zara und H&M<br />

gehör ten zu den ersten) und deckt<br />

mehr als 2 Millionen Arbeitnehmende<br />

ab. Wir haben dafür gesorgt, dass<br />

es eingehalten wird, indem wir in<br />

«Ich gewinne gern für die Arbeitnehmenden»<br />

Christy Hoffman weist darauf hin, dass ihre männlichen Vorfahren Minen arbeiter<br />

aus Liverpool waren, bevor sie in die USA auswanderten. Es gab jedoch keine<br />

Gewerkschaftstradition in der Familie. Sie selbst begann ihre Laufbahn als<br />

Arbeiterin in einer Motorenfabrik mit 2000 Beschäftigten in Connecticut. Schon in<br />

jungen Jahren wurde sie zur Gewerkschaftsvertreterin gewählt, später arbeitete<br />

sie Vollzeit für eine Gewerkschaft. Schliesslich wurde sie Gewerkschaftsanwältin<br />

und war für nationale Kampagnen verantwortlich.<br />

Als Leiterin des Sektors Wartungs- und Sicherheitsdienste trat sie 2004 bei der UNI<br />

Global Union ein und wurde später zur Stellvertreterin des Generalsekretärs Philip<br />

Jennings ernannt, bevor sie diesen schliesslich im Amt ablöste. Sie erklärt diese<br />

Entwicklung kurz und bündig: «Ich gewinne gern für die Arbeitnehmenden.»<br />

zwei Fällen Konflikte vor das<br />

Schieds gericht brachten. Das war<br />

eine Warnung für diejenigen, die<br />

noch schlechte Praktiken pflegten.»<br />

Ein Zusatzabkommen stützt seit<br />

letztem Juni den Inspektionsprozess<br />

und legt den Schwerpunkt auf<br />

die Versammlungsfreiheit. «Das ist<br />

ein Bereich, wo die Regierung nicht<br />

möchte, dass wir zu viel Einfluss<br />

haben. Es ist ein Übergangsabkommen,<br />

das 2000 moderne Fabriken<br />

abdeckt (die anderen wurden geschlossen),<br />

denn wir verhandeln<br />

derzeit noch über die Weiterführung<br />

<strong>unsere</strong>r Aktion.» Dieses innovative<br />

Modell könnte in Ländern wie<br />

Pakistan im Bekleidungssektor<br />

übernommen werden. UNI Global<br />

möchte auch, dass Ikea ein Textilabkommen<br />

in Bangla desch unterzeichnet.<br />

Belegschaften machen Druck<br />

für ethische Produktion<br />

Viele Diskussionen betreffen derzeit<br />

die Frage, wie man sich vermehrt<br />

gewerkschaftlich organisieren und<br />

gemeinsam verhandeln kann. Eine<br />

originelle und interessante Entwicklung,<br />

die zu verfolgen ist, sind die<br />

Beschäftigten in den USA, die sich<br />

zusammen schlies sen, um ihre Firma<br />

zu überzeugen, keine Produkte<br />

herzustellen oder anzubieten, die<br />

gegen ihre ethischen Werte verstossen.<br />

So schafften es die Mitarbeitenden<br />

von Google, dass der Konzern<br />

auf ein Projekt für die Armee verzichtete,<br />

das die Treffsicherheit von<br />

Drohnenangriffen mit künstlicher<br />

Intelligenz unterstützen wollte. Die<br />

Belegschaft von Amazon brachte<br />

den Vertrieb eines Produkts zum<br />

Scheitern, das den Einwanderungsbehörden<br />

die Gesichtserkennung<br />

ermöglicht hätte. Die Mitarbeitenden<br />

von IBM schlossen sich zusammen,<br />

um die Behandlung der Frauen<br />

zu verbessern.<br />

«Diese Gruppierungen verlangen,<br />

bei Entscheiden mitreden zu<br />

können. Sie könnten die Gründung<br />

neuer Gewerkschaften anstossen»,<br />

prognostiziert Christy Hoffman.<br />

Text: Sylvie Fischer<br />

Bild: Yves Leresche


10<br />

PostFinance<br />

privatisieren?<br />

Die Einheit des Postkonzerns ist<br />

absolut zwingend<br />

Wie will man den Auslagerungen und<br />

Privatisierungen entgegenwirken?<br />

Der Bundesrat will PostFinance<br />

privati sieren. Die Post und die Swisscom<br />

sparen weiterhin auf Kosten<br />

der Arbeitnehmenden, indem sie<br />

Dienstleistungen auslagern und die<br />

Bundesbetriebe aushöhlen. Wie will<br />

<strong>syndicom</strong> das angehen?<br />

Der Bundesrat schlägt vor, die Post-<br />

Finance zu privatisieren und im<br />

gleichen Schritt das Hypothekenverbot<br />

aufzuheben. <strong>syndicom</strong> würde<br />

eine Erweiterung des Tätigkeitsfeldes<br />

von PostFinance begrüssen.<br />

Aber ist eine Privatisierung notwendig,<br />

um der Post den Hypothekenmarkt<br />

zugänglich zu machen? Die<br />

Antwort ist klar: Nein. Denn die Beschränkung,<br />

der die PostFinance<br />

unterliegt, ist unabhängig von ihrer<br />

Rechtsform und könnte auch ohne<br />

Privatisierung aufgehoben werden.<br />

Und die Gegnerschaft dieser<br />

Idee ist riesig: Die Kantone sind dagegen,<br />

weil das die Gewinne ihrer<br />

Kantonalbanken gefährdet; die Banken<br />

sind dagegen, weil PostFinance<br />

ein mächtiger Konkurrent wäre; die<br />

Bevölkerung riskiert deutlich höhere<br />

Gebühren, und die Arbeitsbedingungen<br />

aller Postangestellten kämen<br />

wohl weiter unter Druck. Der<br />

Bundesrats-Vorschlag ist ein Versuchsballon,<br />

der nicht hoch steigen<br />

dürfte.<br />

Gefährdung der Grundversorgung<br />

Die Einheit des Postkonzerns ist absolut<br />

zwingend. Post und Finanz bilden<br />

das Rückgrat <strong>unsere</strong>r Volkswirtschaft.<br />

Mit PostFinance garantiert<br />

der Staat eine Grundversorgung mit<br />

Finanzdienstleistungen. Gerade<br />

während der Bankenkrise bewährte<br />

sich PostFinance als sicherer Hafen<br />

für die breite Bevölkerung.<br />

Was bei einer Trennung der Finanz-<br />

von den postalischen Diensten<br />

geschieht, lässt sich am Beispiel<br />

Deutschland ablesen: Die Eigenständigkeit<br />

der Postbank konnte<br />

längerfristig nicht gewährleistet<br />

werden. Die Post musste sich massiv<br />

aus der Fläche zurückziehen.<br />

Inzwischen gibt es keine einzige<br />

eigenbetriebene Poststelle mehr.<br />

Die Verbindung der verschiedenen<br />

Post- und Finanzdienstleistungen<br />

ist aus Kundensicht attraktiv<br />

und geradezu die Grundlage eines<br />

eigenständigen Postkonzerns.<br />

Widerspruch zur Wirtschaftspolitik<br />

In der «Neuen Regionalpolitik» des<br />

Bundes wird eine dezentrale Wirtschaftsentwicklung<br />

angestrebt.<br />

Absolut elementar dafür ist eine<br />

flächendeckende Versorgung mit<br />

Finanz- und Logistik-Diensten, die<br />

unbedingt erhalten bleiben muss<br />

(s. a. Seite 7). Der drohende Rückzug<br />

aus der Fläche bei Post und Post-<br />

Finance steht dazu im Widerspruch.<br />

Bei einer Absplittung von PostFinance<br />

wird die politische Einflussnahme,<br />

etwa um die Ansprüche an<br />

die Grundversorgung auch durchzusetzen,<br />

zusätzlich erschwert.<br />

Bedauerlich, dass der Bundesrat<br />

die Aufhebung des Hypothekarverbots<br />

nicht separat beschliessen will.<br />

Die Chancen wären wegen der zahlreichen<br />

Gegnerschaft zwar auch<br />

eher klein, aber wenigstens nicht<br />

derart klein, wie sie jetzt sind.<br />

Text: David Roth<br />

Bild: PostFinance AG 2017


Fairer<br />

Wettbewerb<br />

Berner Pioniere gegen<br />

Subunternehmerketten<br />

11<br />

Wie kann den KMU geholfen werden,<br />

dem wachsenden Druck auf die Preise<br />

standzuhalten?<br />

Wie können wir verhindern, dass<br />

Arbeitnehmer gezwungen werden,<br />

Armutslöhne zu akzeptieren?<br />

Der Gewerkschaftsbund des Kantons Bern (GKB) bei der Übergabe der fast 16 000 Unterschriften<br />

Anfang Oktober.<br />

Im Oktober reichte der Gewerkschaftsbund<br />

des Kantons Bern<br />

(GKB) die Volksinitiative für fairen<br />

Wettbewerb und zum Schutz von<br />

Gewerbe und Beschäftigten im Kanton<br />

Bern ein. Er hatte dafür 18 000<br />

Unterschriften gesammelt, von denen<br />

rund 15 800 gültig waren.<br />

Mit dieser Initiative interveniert<br />

der GKB im öffentlichen Beschaffungswesen.<br />

Dort ist viel gutes Geld<br />

zu verdienen. Unternehmen, die<br />

sich um einen öffentlichen Auftrag<br />

bewerben, müssen bereits heute<br />

nachweisen, dass sie die orts- und<br />

branchenüblichen Löhne und Arbeitsbedingungen<br />

einhalten. Aber<br />

das geht nicht weit genug.<br />

Der GKB verlangt, dass die vom<br />

Kanton, von den Gemeinden, den<br />

öffentlichen Unternehmen wie BKW<br />

oder Inselspital erhaltenen Aufträge<br />

auch selber ausgeführt werden müssen.<br />

Nur in begründeten Fällen darf<br />

ein Teil des Auftrags einmalig weitervergeben<br />

werden. Ketten von<br />

Subunternehmen, wie sie in den<br />

letzten Jahren immer mehr gebildet<br />

wurden, sollen verboten werden.<br />

Schluss mit den<br />

Subunternehmerketten<br />

Zudem sollen für alle öffentlichen<br />

Aufträge zwingend die GAV-Bestimmungen<br />

gelten. Aufträge sind für<br />

den GKB keine handelbare Ware,<br />

über die die Unternehmen frei verfügen<br />

dürfen. Und die öffentliche<br />

Hand darf nicht beitragen zu Lohndumping<br />

und einer Verzerrung des<br />

Wettbewerbs.<br />

Wir kennen Fälle, in denen<br />

Bund, Kantone, öffentliche Unternehmen<br />

Subunternehmerketten<br />

zuliessen – mit schweren negativen<br />

Folgen auf die Löhne und die Arbeitsbedingungen<br />

der Menschen,<br />

die die Arbeiten dann ausführen<br />

mussten: Bosnische Schweisser erhielten<br />

nur die Hälfte des Lohns,<br />

auf einer Postbaustelle mussten Arbeiter<br />

direkt auf der Baustelle übernachten.<br />

Besonders krass war ein<br />

Fall auf einer Baustelle des Inselspitals.<br />

Dort erhielten die Plattenleger<br />

einen Viertel des orts- und branchenüblichen<br />

Lohns und wurden<br />

auf einem Campingplatz einquartiert.<br />

Nationalrat lehnte ab<br />

Es wäre dringend notwendig, diese<br />

Auswüchse überall zu bekämpfen.<br />

Leider hat es das eidgenössische<br />

Parlament verpasst, bei der Revision<br />

des Gesetzes über das öffentliche<br />

Beschaffungswesen einen entsprechenden<br />

Artikel einzufügen. Einen<br />

Antrag von Nationalrat Corrado Pardini<br />

lehnte es ab. Deshalb müssen<br />

wir jetzt den Hebel eine Ebene tiefer<br />

ansetzen.<br />

Diese Initiative nimmt den Kanton<br />

Bern in die Pflicht. Insgesamt<br />

werden über das öffentliche Beschaffungswesen<br />

im Kanton Bern<br />

mehrere Milliarden Franken umgesetzt.<br />

Der GKB verlangt, dass die öffentliche<br />

Hand bei ihren Aufträgen<br />

eine Vorreiterfunktion einzunehmen<br />

hat. Dazu gehört nicht nur die<br />

Beachtung orts- und branchenüblicher<br />

Löhne, sondern auch der Umgang<br />

mit Subunternehmerketten.<br />

Die Initiative wird auch in Kreisen<br />

des Gewerbes unterstützt. Lokale<br />

Firmen geraten unter massiven<br />

Druck, weil sie nicht mithalten können<br />

gegen Konkurrenten, die von<br />

vornherein mit einer Weitergabe<br />

des Auftrags kalkulieren.<br />

Der GKB zeigt auf, wo und wie<br />

wirtschaftliche Prozesse Lohnabhängige<br />

und KMU unter Druck setzen.<br />

Wenn es gelingen soll, die Löhne<br />

und den fairen Wettbewerb in<br />

der Schweiz zu schützen, sind die<br />

isolationistischen und fremdenfeindlichen<br />

Kräfte in Schach zu halten.<br />

Das ist wichtig für die Schweiz –<br />

für ihre wirtschaftliche und ihre<br />

gesellschaftliche Entwicklung.<br />

fairerwettbewerb.ch<br />

Text: Johannes Wartenweiler, GKB<br />

Bild: Manu Friederich


12<br />

Empfohlen zur<br />

Nachahmung<br />

Willkommen bei den<br />

Digitalen Nomaden Schweiz<br />

Administrative Arbeiten und kreative<br />

Dienstleistungen werden zunehmend<br />

von Personen erledigt, die ortsunabhängig<br />

arbeiten. Wie will <strong>syndicom</strong><br />

mit dieser Entwicklung umgehen:<br />

sie begleiten oder gar fördern?<br />

Die 1. Konferenz der<br />

Digitalen Nomaden<br />

Schweiz fand soeben<br />

statt, mit Support von<br />

<strong>syndicom</strong>.<br />

Digitale Nomaden? Das sind Leute,<br />

die alle möglichen Tätigkeiten ausser<br />

halb der üblichen Arbeitsplätze<br />

in einem Unternehmen erledigen –<br />

zu Hause, beim Kunden, im Park<br />

oder im Coworking-Space.<br />

Susanna Amin ist Mitglied von<br />

<strong>syndicom</strong> und Mitorganisatorin<br />

dieser Konferenz. Sie sagt, Treffen<br />

von digitalen Nomaden haben in<br />

Deutschland bereits eine Bedeutung.<br />

An der ersten solchen Veranstaltung<br />

in der Schweiz ging es darum,<br />

praktische Informationen zum<br />

ortsunabhängigen Arbeiten zu verbreiten,<br />

darüber nachzudenken, wie<br />

eine solche Arbeitsform mit einer<br />

festen Anstellung kompatibel sein<br />

könnte, und Erfahrungen auszutauschen.<br />

Handfeste Informationen<br />

Hinzu kamen Begegnungsmöglichkeiten,<br />

bei denen sich Arbeitgeber<br />

für Projekte mit digitalen Nomaden<br />

vernetzen konnten. Den Verein Digitale<br />

Nomaden Schweiz, #dnch, hat<br />

Susanna Amin im November 2016<br />

mitgegründet. Die Facebook-Gruppe<br />

DNX CH Digitale Nomaden<br />

Schweiz zählt über 600 Abonnentinnen<br />

und Abonnenten. Das Potenzial<br />

ist noch längst nicht ausgeschöpft:<br />

In der Schweiz arbeiten 38 % der Erwerbstätigen<br />

– also 1,8 Millionen<br />

Menschen – zumindest teilweise<br />

aus serhalb des Büros.<br />

Internet auf dem Schiff<br />

Nach langjähriger Tätigkeit als Direktionsassistentin,<br />

Web-Designerin,<br />

Texterin und Übersetzerin entschied<br />

sich Susanne 2015 für ein<br />

mobiles Büro. Ein Computer, eine<br />

Internet-Verbindung und sorgfältig<br />

ausgewählte Software ermöglichen<br />

es ihr, bei schönem Wetter auf dem<br />

Schiff oder in der Natur zu arbeiten.<br />

Sie ist oft für kulturelle Produktionen<br />

tätig und erklärt: «Ich habe gemerkt,<br />

dass ich inspirierter bin und<br />

mehr Ideen habe, wenn ich die Umgebung<br />

wechseln kann. Und ich bin<br />

auch konzentrierter: Wenn ich voll<br />

in ein Projekt vertieft bin, vergesse<br />

ich manchmal sogar zu essen …»<br />

Noch bestehen viele Vorgesetzte<br />

in Unternehmen darauf, dass ihre<br />

Mitarbeitenden vor Ort präsent<br />

sind. Für Susanne Amin sind digitale<br />

Nomaden aber Pioniere: «Sie<br />

beweisen schon heute, dass diese<br />

Lösung funktioniert.»<br />

digitalenomadenschweiz.ch<br />

Text: Sylvie Fischer<br />

Bild: Silvia Ohm


Nationale<br />

Politik<br />

Die zehn wichtigsten Ziele des<br />

Schweizerischen Gewerkschaftsbunds<br />

13<br />

Das beginnt bei den Löhnen. In der<br />

vergangenen Dekade ist es in einem<br />

schwierigen Umfeld, geprägt durch<br />

die starke Überbewertung des Frankens,<br />

gelungen, Verschlechterungen<br />

abzuwehren. Jetzt muss aber<br />

wieder eine Offensive mit Lohnerhöhungen<br />

für die tieferen und mittleren<br />

Löhne folgen. Dafür sprechen<br />

die starke Produktivitätsentwicklung,<br />

die wieder einsetzende Teuerung<br />

und auch der Nachholbedarf<br />

der letzten Jahre. Offensive Lohnkampagnen<br />

sind für zählbare Erfolge<br />

eine wichtige Voraussetzung.<br />

2. Mindestlöhne<br />

Bei den Mindestlöhnen muss wieder<br />

eine neue Etappe eingeleitet<br />

werden. Eine gute Basis dafür sind<br />

die erfolgreichen Kampagnen in verschiedenen<br />

Kantonen. Bereits drei<br />

Kantone haben kantonale Mindestlöhne<br />

beschlossen. In Genf ist zudem<br />

eine Mindestlohn-Initiative<br />

eingereicht worden. Gleichzeitig ist<br />

in den Gesamtarbeitsverträgen das<br />

mit der nationalen Mindestlohn-Initiative<br />

formulierte strategische Ziel<br />

von 22 Franken pro Stunde (entspricht<br />

4000 Franken pro Monat)<br />

nicht überall realisiert. Die wirtschaftlichen<br />

Voraussetzungen sind<br />

günstig, hier wieder einen grossen<br />

Schritt weiterzukommen.<br />

Der Schweizerische Gewerkschaftsbund<br />

wird bald von einem neuen<br />

Präsidenten oder einer Präsidentin<br />

geleitet. Welche Kämpfe sollte er oder<br />

sie vorrangig führen?<br />

Text: Paul Rechsteiner, SGB<br />

Bild: Alexander Egger<br />

Wenn es darum geht, die grossen<br />

Herausforderungen für die Gewerkschaften<br />

in den kommenden Jahren<br />

zu skizzieren, dann stellt sich die<br />

Verteilungsfrage wieder in neuer<br />

Schärfe.<br />

1. Lohnerhöhungen für die<br />

tieferen und mittleren Löhne<br />

3. Flankierende Massnahmen<br />

stärken<br />

Neue Aktualität bekommt die Lohnfrage<br />

durch die von der EU-Kommission<br />

geforderte und von den freisinnigen<br />

Bundesräten mitbetriebene<br />

Schwächung der die Löhne schützenden<br />

flankierenden Massnahmen.<br />

Die Gewerkschaften sind die entscheidende<br />

Kraft bei der Verteidigung<br />

der Löhne gegen Dumping.<br />

Die Verteidigung und Stärkung der<br />

flankierenden Massnahmen ist und<br />

bleibt ein lohnpolitischer Schwerpunkt.<br />

Wie schon in der Vergangenheit<br />

ist ein starker Lohnschutz die<br />

Voraussetzung für den Erfolg und<br />

die Weiterentwicklung der bilateralen<br />

Verträge.<br />

4. Gesamtarbeitsverträge und<br />

Allgemeinverbindlichkeit<br />

verbessern<br />

Überhaupt müssen die Gesamtarbeitsverträge<br />

weiter gestärkt werden.<br />

Denn die Arbeitsbedingungen<br />

sind besser, wo es Gesamtarbeitsverträge<br />

gibt. Erst recht dann, wenn<br />

diese allgemeinverbindlich sind.<br />

Die Regeln über die Allgemeinverbindlichkeit<br />

müssen verbessert werden.<br />

Gute Gesamtarbeitsverträge


14<br />

«Der für alle erschwingliche Service public – also das Einstehen für einen<br />

starken Leistungsstaat – ist das Rückgrat einer demokratischen Gesellschaft.»<br />

helfen auch bei der Bewältigung<br />

neuer Herausforderungen wie der<br />

Digitalisierung.<br />

5. Renten dank mehr AHV<br />

verbessern<br />

Zur Verteilungsfrage gehört der soziale<br />

Schutz durch den Sozialstaat.<br />

Die grösste Auseinandersetzung<br />

über den Sozialstaat findet in den<br />

kommenden Jahren in der Altersvorsorge<br />

statt. Die Gewerkschaften<br />

waren in den letzten schwierigen<br />

Jahrzehnten bei der Verteidigung<br />

der AHV über alles gesehen erfolgreich.<br />

Weil die Renten der Pensionskassen<br />

aber immer schlechter werden,<br />

ohne dass das politisch gesteuert<br />

werden kann, bleibt die epochale<br />

Aufgabe, wieder eine Rentenverbesserung<br />

über die AHV einzuleiten.<br />

Die über 40 % Ja zur Volksinitiative<br />

AHVplus – die ganze lateinische<br />

Schweiz hatte zugestimmt – und die<br />

mehr als 47 % Ja zu Altersvorsorge<br />

2020 zeigen, dass ein Erfolg näher<br />

liegt, als viele denken. Dies umso<br />

mehr, als viele Rentnerinnen und<br />

Rentner gegen Altersvorsorge 2020<br />

gestimmt hatten, weil sie keinen<br />

Rentenzuschlag bekommen hätten.<br />

Entscheidend für die Ausgangslage<br />

im Kampf für bessere Renten<br />

dürfte sein, ob die Zusatzfinanzierung<br />

für die AHV im Mai 2019 gelingt.<br />

Denn mit schwarzen Zahlen<br />

bei der AHV haben es die Feinde der<br />

AHV schwerer, Panikszenarien bei<br />

den AHV-Finanzen zu schüren.<br />

Bessere<br />

Renten<br />

über die AHV:<br />

eine epochale<br />

Aufgabe für<br />

uns<br />

6. Krankenkassenprämien ein dämmen,<br />

soziale Krankentaggeld-<br />

Versicherung einführen<br />

Zum Kapitel soziale Sicherheit gehören<br />

auch die Krankenkassenprämien,<br />

wo die Belastung der Haushalte<br />

mit unteren und mittleren<br />

Einkommen dringend eingedämmt<br />

werden muss.<br />

Die fehlende soziale Krankentaggeldversicherung<br />

ist schliesslich<br />

bis heute die grösste Lücke bei den<br />

Sozial versicherungen. Sie müsste<br />

dringend geschlossen werden.<br />

7. Arbeitszeiten kürzen<br />

statt verlängern<br />

Zu den grossen Herausforderungen<br />

der kommenden Jahre zählt sodann<br />

die Arbeitszeitfrage. Aus dem Bundeshaus<br />

heraus werden die Schutznormen<br />

des Arbeitsgesetzes in einem<br />

Ausmass angegriffen, wie das<br />

überhaupt noch nie der Fall war.<br />

Begründet wird das damit, dass<br />

das Arbeitsgesetz mit Blick auf den<br />

technologischen Wandel (Schlagwort<br />

«Digitalisierung») und neue<br />

Arbeits formen veraltet sei. In Tat<br />

und Wahrheit ist der Schutz durch<br />

die Mindestnormen des Arbeitsgesetzes<br />

durch die enorme Verdichtung<br />

und die Gefahr der Entgrenzung<br />

der Arbeit nicht unwichtiger,<br />

sondern wichtiger geworden.<br />

Es geht dabei nicht nur um den<br />

Gesundheitsschutz. Die Begrenzung<br />

der Arbeitszeit sorgt auch dafür,<br />

dass die Berufstätigen nicht zunehmend<br />

Gratisarbeit leisten müssen.<br />

Richtig verstanden, ist die Erfassung<br />

der Arbeitszeit im digitalen<br />

Zeitalter übrigens nicht schwieriger,<br />

sondern einfacher geworden. Zu<br />

den Herausforderungen für die<br />

nächsten Jahre gehört es, die offensiven<br />

Stossrichtungen für neue Forderungen<br />

zu bestimmen. Kürzere<br />

Wochenarbeitszeiten? Mehr Ferien?<br />

Jedenfalls sind nicht nur beim<br />

Lohn, sondern auch bei den Arbeitszeiten<br />

wieder Fortschritte für die<br />

grosse Mehrheit mit tieferen und<br />

mittleren Einkommen fällig.<br />

8. Kündigungsschutz verbessern<br />

Im Arbeitsrecht geht es darum, das<br />

Tabu längst fälliger Verbesserungen<br />

im Kündigungsschutz zu brechen.<br />

Zwar hat sich die Praxis der Gerichte<br />

in den letzten Jahren in verschiedenen<br />

Bereichen weiterentwickelt.<br />

Zum Beispiel bei Kündigungen<br />

langjähriger älterer Arbeitneh merin<br />

nen und Arbeitnehmer. Ohne<br />

eine Verbesserung des Gesetzes<br />

bleiben die Fortschritte aber von<br />

beschränkter Reichweite. Die Internationale<br />

Arbeitsorganisation hat<br />

wiederholt festgehalten, dass die<br />

Schweiz hier im Rückstand ist. Dass<br />

diese wichtige Institution mit Sitz in<br />

der Schweiz im kommenden Jahr<br />

den hundertsten Geburtstag feiert,<br />

kann dazu genutzt werden, endlich<br />

wieder einen Schritt vorwärts zu<br />

kommen.<br />

9. Erschwinglichen Service public<br />

stärken<br />

Zu den gewerkschaftspolitisch wichtigen<br />

Forderungen gehört die Stärkung<br />

des Service public. Das beginnt<br />

bei der Bildung und geht über<br />

das Gesundheitswesen bis hin zu<br />

Bahn und Post. Der für alle erschwingliche<br />

Service public, also<br />

das Einstehen für einen starken<br />

Leistungsstaat, ist das Rückgrat einer<br />

demokratischen Gesellschaft.<br />

10. Bildung und Kultur für alle<br />

Bildung und Kultur müssen allen<br />

offenstehen. Hier entscheidet sich<br />

auch die Zukunft der Gesellschaft.<br />

Einer Gesellschaft ohne Ausgrenzung<br />

und mit Perspektiven für alle,<br />

unabhängig von der sozialen Herkunft.


Zweite Säule<br />

So kriegen wir die Pensionskassen<br />

zum ethischen Handeln<br />

15<br />

Ich habe erfahren, dass meine<br />

Pensionskasse in Unternehmen<br />

investiert, die an der Herstellung von<br />

Kernwaffen beteiligt sind. Was kann<br />

eine Gewerkschaft tun, um riskante<br />

Investitionen zu verhindern und<br />

ethische Anlagen zu fördern?<br />

Transfer des Anlagekapitals von der Kohle in Wind und Sonne.<br />

Solches Engagement ist bisher vor<br />

allem bei der Förderung von Investitionen<br />

in saubere Energien sichtbar.<br />

Eine Initiative, die im März<br />

2017 ins Leben gerufen wurde,<br />

stammt von der Communauté genevoise<br />

d’action syndicale de Genève<br />

(das ist der kantonale Dachverband<br />

der Gewerkschaften): Sämtliche<br />

Belegschafts vertreterInnen in den<br />

Pensions kassen wurden gebeten, einen<br />

Musterbrief (cgas.ch/SPIP/spip.<br />

php?article3303) zu unterschreiben<br />

und an das Büro des Stiftungsrats zu<br />

senden. Das Schreiben fordert, eine<br />

Expertise zu den möglichen Folgen<br />

der Investition in die Dakota Access<br />

Pipeline in den USA einzuholen und<br />

das Kapital auf kurze Sicht in erneuerbare<br />

Energien umzuwidmen.<br />

Ein weiteres Beispiel: Der VPOD<br />

des Kantons Genf fasste im Juni<br />

2016 mit grosser Mehrheit einen<br />

Beschluss, der sich an die Vorsorgekasse<br />

der Stadt Genf richtete. Er<br />

stützte sich darin direkt auf den Bericht<br />

des Bundesamts für Umwelt<br />

«Kohlenstoffrisiken für den Finanzplatz<br />

Schweiz» (9.15), demzufolge<br />

fossile Energien zur Risiko investition<br />

geworden seien und Anleger,<br />

die sich frühzeitig wieder zurückzögen,<br />

am besten vor dem Wertabsturz<br />

geschützt sind. Die Vorsorgekasse<br />

wurde aufgefordert, «die<br />

CO 2<br />

-Bilanz und das CO 2<br />

-Risiko im<br />

aktuellen Portfolio abzubilden, um<br />

schnellstmöglich eine Des investition<br />

von Geldern einzuleiten, die in<br />

solche Unternehmen angelegt sind,<br />

deren Kerngeschäft die Prospektion,<br />

Förderung und Nutzung fossiler<br />

Energien ist, beginnend mit der<br />

Kohlebranche, die am meisten CO 2<br />

produziert».<br />

SGB ist bei der Klima­Allianz dabei<br />

Siebzig Organisationen, darunter<br />

der Schweizerische Gewerkschaftsbund,<br />

sind Mitglied der Schweizer<br />

Klima-Allianz. Die Klima-Allianz<br />

regt auf ihrer Webseite an, sich an<br />

die eigene Pensionskasse zu wenden,<br />

um sie aufzufordern, die Vorsorgegelder<br />

nicht länger in fossile<br />

Ener gien zu stecken (retraites-sansris<br />

ques.ch).<br />

Was die erwünschten Investitionen<br />

angeht, fordert etwa der<br />

Deutsch schweizer Verband PK-Netz<br />

– mit circa 600 000 Mitgliedern das<br />

grösste Netzwerk von Arbeitenden,<br />

die der beruflichen Vorsorge angeschlossen<br />

sind –, dass Anlagen,<br />

«die auf steigende Preise von Grundnahrungsmitteln<br />

und somit auf<br />

den siche ren Hungertod Tausender<br />

spekulieren», abgeschafft werden.<br />

Weitere Informationen sind vorhanden<br />

unter der Adresse pk-netz.ch/<br />

hintergrund/anlagepolitik/#kosten.<br />

Text: Sylvie Fischer<br />

Bild: Pixabay<br />

Raus aus der 2. Säule!<br />

Die 2. Säule steht nackt, spätestens<br />

seit der Krise von 2008. Was wir erblicken,<br />

ist abstossend.<br />

• Mit rund 900 Milliarden Franken<br />

Kapital sind die Pensionskassen die<br />

grössten Spekulationstreiberinnen<br />

am Finanzmarkt. Und nicht nur da:<br />

Die 2. Säule sorgt unter anderem für<br />

hohe Mieten.<br />

• Das Alterskapital der 2. und<br />

3. Säule ist ungesichert, die nächste<br />

Finanz krise wird grosse Teile vernichten.<br />

• Versicherungen, Banken und eine<br />

ganze Pensionskassen-Industrie<br />

krallen sich über 5 Milliarden Franken<br />

pro Jahr von dem Geld, das wir<br />

eigentlich für ein sicheres Alter zurücklegten.<br />

Und sie wollen noch<br />

mehr. Darum drücken sie auf den<br />

Umwandlungssatz und die Zinsen.<br />

Unsere Renten sinken.<br />

• Die zweite Säule ist ungerecht:<br />

60 Prozent der RentnerInnen beziehen<br />

aus den Pensionskassen weniger<br />

als aus der AHV, die hohen<br />

Einkommen kassieren ab.<br />

• Die Versicherungsausweise gaukeln<br />

uns vor, reich zu sein. Dieser<br />

Irrtum zementiert ein zunehmend<br />

absurdes Wirtschaftssystem.<br />

• Die Dauerkrise zwingt die Pensions<br />

kassen zu risikoreichen Anlagen.<br />

Legen die Pensionskassen Geld<br />

deshalb in aktiven Fonds an, vernichten<br />

wir mit <strong>unsere</strong>m Altersgeld<br />

die eigenen Jobs.<br />

Die AHV ist produktiver, billiger,<br />

effizienter, sozial gerechter. Heute<br />

bezahlen Gewerkschaften und<br />

Sozial demo kratie den Preis dafür,<br />

dass sie 1972 das Dreisäulensystem<br />

gegen die Volkspensions-Initiative<br />

der PdA durchsetzten.<br />

Jetzt hilft nur noch eines: Raus<br />

aus der 2. Säule. Wie? Mehr Lohnprozente<br />

in die AHV, weniger in die<br />

Pensionskassen. Und: Das Kapital<br />

der 2. Säule in den ökologischen<br />

Umbau und die soziale Digitalisierung<br />

investieren.<br />

BHR


16<br />

Die Renten<br />

verbessern!<br />

Die Neubegründung der AHV<br />

Was gedenkt <strong>syndicom</strong> gegen die<br />

drohende Altersarmut zu unternehmen?<br />

Seit zwei Jahren steigt die<br />

Armutsquote in der Schweiz, und<br />

betroffen sind mittlere und ältere<br />

Einkommensklassen. Es darf doch<br />

nicht sein, dass in Zukunft die Armut<br />

der Sozialhilfe überlassen wird.<br />

Seit Jahren reden die Bürgerlichen die<br />

AHV schlecht. Die Neoliberalen würden<br />

sie gerne abschaffen. Doch nur eine<br />

deutlich verstärkte AHV sichert uns<br />

nach der Arbeit ein würdiges Leben.<br />

Die AHV-Renten sollen sofort um<br />

10 Prozent erhöht werden. Das fordern<br />

die <strong>syndicom</strong>-Kolleginnen und<br />

-Kollegen der Sektion Jurabogen.<br />

Jede Erhöhung des Rentenalters, ob<br />

für Mann oder Frau, sei abzulehnen.<br />

Und, so der Kernpunkt der Resolution<br />

von La Chaux-de-Fonds: Die<br />

Milliardenüberschüsse des Bundes<br />

müssen zur Finanzierung der AHV<br />

dienen.<br />

Der Vorschlag aus dem Jura zeigt<br />

die zentrale gesellschaftliche Bedeutung<br />

der Altersvorsorge. Ohne<br />

das Versprechen, nach lebenslanger<br />

Arbeit nicht in Armut zu versinken,<br />

gäbe es in der Schweiz weder Sozialpartnerschaft<br />

noch sozialen Frieden.<br />

Die AHV ist ein Kind des Generalstreiks<br />

von 1918, konnte aber,<br />

wie fast alle Sozialversicherungen in<br />

den meisten kapitalistischen Ländern,<br />

erst nach dem Zweiten Weltkrieg<br />

durchgesetzt werden. Sie wirkt<br />

sozial ausgleichend. In den 1970er-<br />

Jahren wurde sie mit der 2. und 3.<br />

Säule ergänzt und zugleich geschwächt<br />

(siehe Artikel Seite 15).<br />

Seither steht sie unter Dauerbeschuss<br />

der Bürgerlichen. Sie möchten<br />

die Lohnprozente der Altersvorsorge<br />

ganz für die Spekulation<br />

nutzen, via die beiden anderen Säulen.<br />

Mit Referenden, Initiativen und<br />

parlamentarischen Kämpfen konnten<br />

die Gewerkschaften den Abriss<br />

an der sicheren Altersvorsorge verhindern.<br />

Zuletzt mit dem Unternehmenssteuerreform-AHV-Deal.<br />

Er<br />

wird in den Gewerkschaften scharf<br />

kontrovers diskutiert.<br />

Schluss mit der Angstmacherei von<br />

rechts<br />

Das Dauergerede über die angeblich<br />

unsichere AHV ist ein wichtiger<br />

Grund für Zukunftsängste der Bürgerinnen<br />

und Bürger und den Aufstieg<br />

der ultrarechten SVP. Dabei<br />

steht diese elementare Sozialversicherung<br />

fest und stark, auch dank<br />

der vielen Arbeitskräfte aus dem<br />

EU-Raum, die heute mehr einzahlen,<br />

als sie morgen beziehen werden.<br />

Zudem gelang es den Gewerkschaften,<br />

der AHV die meisten<br />

Benachtei ligungen der Frauen auszutreiben.<br />

Gelänge heute die Lohngleichstellung,<br />

würden der AHV<br />

neue Milliarden zufliessen.<br />

Wie auch immer die Abstimmung<br />

über das Steuer-AHV-Paket<br />

ausgehen wird, wir werden hernach<br />

die weitere Stärkung der AHV durchsetzen<br />

müssen. Die 2. Säule dient<br />

vor allem den höheren Einkommen,<br />

für 60 Prozent der Beschäftigten ist<br />

die AHV existenziell. Es wird also<br />

darum gehen, zumindest Teile des<br />

Kapitals der spekulativen 2. Säule in<br />

die sichere AHV zu transferieren.<br />

Wahrscheinlich macht der digitale<br />

Umbau sogar ihre Neubegründung<br />

notwendig. Denn er vernichtet<br />

lebendige Arbeit, führt prekäre Arbeitsverhältnisse<br />

(Plattformarbeit,<br />

falsche Selbständigkeit etc.) ein und<br />

drückt auf die Löhne.<br />

Wie diese Neubegründung<br />

gesche hen müsste, darüber gibt es<br />

in Gewerkschaften diverse Denkansätze.<br />

Ein Modell sieht vor, eine<br />

Maschinensteuer einzuführen.<br />

Falsch, finden andere und schlagen<br />

vor, die AHV auch über eine Finanztransaktionssteuer<br />

zu finanzieren –<br />

schon 0,1 Prozent würden mehr als<br />

genügen.<br />

Ein weiteres Modell möchte die<br />

Debatten über die Erhöhung des<br />

AHV-Alters beenden und mehr Gerechtigkeit<br />

schaffen. Wie? 43 Jahre<br />

Arbeit begründen eine volle Rente.<br />

Aber für schwer Arbeitende würde<br />

ein Jahr Arbeit stärker gewichtet,<br />

zum Beispiel mit dem Faktor 1,2<br />

(Suva-Prinzip). Hart oder gefährlich<br />

Arbeitende mit tieferer Lebenserwartung<br />

könnten dann früher den<br />

Hammer hinschmeissen.<br />

Kann sein, dass sich am Ende<br />

eine andere Lösung durchsetzt. So<br />

oder so muss sie einem unverrückbaren<br />

Grundsatz genügen: Unsere<br />

Altersvorsorge muss auf Solidarität<br />

und Umlage statt auf schwankende<br />

Aktienmärkte bauen.<br />

Auch im Alter sicher vor Armut<br />

zu sein, darf keine milde Gabe sein<br />

– es ist ein Anspruch und ein Recht.<br />

Erhöhung der AHV-Renten um 10 Prozent dank der Überschüsse des Bundes:<br />

darauf fokussiert die Sektion Jurabogen von <strong>syndicom</strong>.<br />

Text: Oliver Fahrni<br />

Bild: Tiago Murato/Stocksnap


Unsere<br />

grossen Ziele<br />

Selbständige und «neue Arbeitende»<br />

vor Ausbeutung schützen<br />

17<br />

Die Gewerkschaft vertritt auch die<br />

Selbständigen. Wie entwickelt sich<br />

das Verhältnis zwischen Angestellten<br />

und Selbständigen in den nächsten<br />

10 Jahren? Wie kann die Gewerkschaft<br />

in die Regionalpolitik eingreifen,<br />

um die Lage der Selbständigen zu<br />

ver bes sern, welche konkreten Initiativen<br />

dazu gibt es?<br />

Ein Trend der Digitalisierung ist,<br />

dass Arbeitsverhältnisse in neue Arbeits-<br />

und Auftragsformen verlagert<br />

werden. Der Status der Selbständigerwerbenden<br />

ist eine Form davon,<br />

aber auch befristete Anstellungen<br />

auf Projektbasis oder Teilzeitarbeit<br />

auf Abruf sind Auswirkungen dieser<br />

Verschiebung.<br />

Zum einen ermöglicht die Digitalisierung<br />

diese neuen Arbeitsweisen<br />

durch Plattformen wie Uber,<br />

99Designs oder einfach generell dadurch,<br />

dass im Internet Arbeit fast<br />

jedem Bewohner des Planeten angeboten<br />

werden kann, zum andern<br />

sind die Zugänge zu den Berufen<br />

einfacher geworden. Laptop und<br />

Netzanschluss reichen heute für die<br />

Ausübung vieler Berufe aus.<br />

Diese Entwicklung hat darum sowohl<br />

positive wie negative Komponenten.<br />

Die Demokratisierung der<br />

Berufe ist durchwegs ein begrüssenswerter<br />

Aspekt: Bringt sie <strong>unsere</strong><br />

Gesellschaft doch einen Schritt näher<br />

zu dem Punkt, wo jeder und jede<br />

das arbeiten kann, was er oder sie<br />

gerne will.<br />

Die erkämpften Arbeitsrechte<br />

müssen wieder neu erobert werden<br />

Andererseits werden erkämpfte<br />

Schutzmechanismen der Arbeitenden<br />

dadurch vielfach umgangen.<br />

Damit sich unter dem Deckmantel<br />

von modernen Arbeitsformen kein<br />

neues Prekariat bildet – die zeitgenössische<br />

Variante des Elends-<br />

Proletariats –, hat der Kongress von<br />

<strong>syndicom</strong> das gewerkschaftliche<br />

Engage ment für die Berufstätigen in<br />

neuen Arbeitsformen zu einem seiner<br />

vier grossen strategischen Ziele<br />

ernannt.<br />

Das heisst, dass <strong>syndicom</strong> die<br />

«neuen Arbeitenden» erst einmal<br />

organi sieren und untereinander<br />

vernetzen muss. Denn die kollektive<br />

Organisation funktioniert auch bei<br />

Selbständig erwerbenden nur, wenn<br />

sich möglichst viele zusammenschliessen.<br />

Sobald das erreicht ist, können<br />

analog der klassischen Gewerkschaftsarbeit<br />

bei den Angestellten<br />

die Situationen in den einzelnen Bereichen<br />

wie Einkommen, Arbeitsschutz<br />

etc. angegangen werden.<br />

Dies schützt nicht zuletzt auch die<br />

Arbeitenden in den angestammten<br />

Arbeitsformen, da sie nicht durch<br />

Konkurrenz mit Dumpingpreisen<br />

bedroht werden.<br />

Ganz konkret, um auf die Frage<br />

zurückzukommen, laufen heute<br />

bereits diverse Initiativen in den<br />

Branchen. Die Branche Visuelle<br />

Kommunikation zum Beispiel erarbeitet<br />

derzeit eine Umfrage zu den<br />

Tarifen und Einkommen bei ihren<br />

selbständigen Berufsleuten, um einerseits<br />

Transparenz zu schaffen,<br />

aber auch die Situation bei den Einkommen<br />

konkret zu verbessern.<br />

Die IG Freischaffende plant, die<br />

Dienstleistungen von <strong>syndicom</strong> für<br />

Freischaffende zu optimieren. Bereits<br />

heute bestehen Angebote wie<br />

die Pensionskasse Freelance oder<br />

spezifische Kurse. <strong>syndicom</strong> will<br />

weitere Dienstleistungen entwickeln<br />

und sich auch auf der politischen<br />

Ebene dem gesetzlichen Status<br />

der Freischaffenden widmen.<br />

Wir wollen mehr von den Selbständigen erfahren, um ihre Situation konkret verbessern zu können.<br />

Text: Michael Moser<br />

Bild: Tom Kawara<br />

Warum hat <strong>syndicom</strong> die selbst<br />

auferlegten (Frauen-)Quoten noch<br />

nicht umgesetzt? Was hindert<br />

<strong>syndicom</strong> daran?<br />

Frauen fördern<br />

Der <strong>syndicom</strong>-Kongress legte 2013<br />

eine angemessene Vertretung der<br />

Frauen in den Organen und Delegationen<br />

fest. Die Geschäftsleitung<br />

und die Regionenleitungen sind<br />

laut Statuten dafür verantwortlich,<br />

für eine bessere Vertretung von<br />

Frauen in der Gewerkschaft und bei<br />

den politischen Angestellten zu sorgen.<br />

Die Frage zu den Quoten kann<br />

aktuell nicht beantwortet werden.<br />

Wir haben vorgesehen, den Gleichstellungsbericht<br />

im Januar dem<br />

Zentralvorstand vorzulegen. Darin<br />

werden die Geschlechterverhältnisse<br />

in den <strong>syndicom</strong>-Gremien Zentralvorstand,<br />

Delegiertenversammlung<br />

und Kongress sowie in den<br />

Gremien der Sektoren und Interessengruppen<br />

untersucht. Ebenfalls<br />

wird der Frauenanteil im Personal<br />

angeschaut.<br />

Neben einer Quote braucht es<br />

Begleitmassnahmen, damit Frauen<br />

innerhalb der Gewerkschaft gefördert<br />

werden. Intern und extern sind<br />

ganz gezielt Frauen anzusprechen<br />

und zu fördern. Frauen verfügen in<br />

der Gewerkschaftsbewegung häufig<br />

noch nicht über die entsprechenden<br />

Netzwerke und werden bei Stellenbesetzungen<br />

seltener direkt angesprochen.<br />

Bei Stellenbesetzungen<br />

haben Frauen bei gleicher Qualifikation<br />

Vorrang.<br />

Patrizia Mordini, Leiterin Gleichstellung,<br />

Mitglied der Geschäftsleitung


18<br />

Jetzt nicht<br />

nachlassen<br />

20 000 Menschen auf der Strasse für<br />

gleichen Lohn. Jetzt ziehen wir es durch.<br />

Ich war am 22. September mit <strong>syndicom</strong> an der grossen<br />

Demo in Bern. Wie können wir diese Dynamik fortsetzen,<br />

zu einem Zeitpunkt, da das Parlament die Lohnkontrollen<br />

in den Unternehmen extrem geschrumpft und die Sanktionsmöglichkeiten<br />

ganz gestrichen hat? Machen wir noch einmal<br />

Frauenstreik?<br />

Mit 400 bis 500 Kolleginnen und Kollegen von <strong>syndicom</strong><br />

haben wir ein starkes Zeichen an Politik und Wirtschaft<br />

gesetzt an dieser Demo für Lohngleichheit #ENOUGH18:<br />

20 000 Frauen und Männer forderten am 22. September<br />

2018 auf dem Bundesplatz die Lohngleichheit zwischen<br />

den Geschlechtern ein. Die Demo war bunt und überwältigend.<br />

Die Demo zeigte, dass dies ein Kernthema von <strong>syndicom</strong><br />

ist. Es ist ein Skandal, dass den Frauen jährlich insgesamt<br />

etwa 10 Milliarden Franken vorenthalten werden,<br />

obwohl Lohngleichheit seit 37 Jahren in der Bundesverfassung<br />

verankert ist. Dieses Geld fehlt nicht nur im Portemonnaie<br />

der Frauen, sondern ihrer ganzen Familie und<br />

Lebensgemeinschaft. Es fehlt in der Altersvorsorge der<br />

Frauen und schliesslich dem Staat in Form von Steuern.<br />

Wir brauchen endlich zwingende Lohnkontrollen.<br />

Nationalrat verhindert minimale Massnahmen<br />

Doch dies wird im Parlament torpediert. Ursprünglich<br />

wollte der Bundesrat zwingende Lohnkontrollen für alle<br />

Unternehmen ab 50 Mitarbeitende sowie Sanktionsmöglichkeiten<br />

einführen. Der Ständerat schwächte diese<br />

Mass nahmen massiv ab und will nur Firmen ab 100 Mitarbeitende<br />

kontrollieren, was etwa 45 Prozent der ArbeitnehmerInnen<br />

umfasst – nicht einmal die Hälfte. Und<br />

Sanktionen sind keine mehr drin.<br />

Der Nationalrat – respektive die bürgerliche Ratsmehrheit<br />

– hat am 25. September diese bereits minimalen<br />

Massnahmen gar noch weiter verschlechtert! So sollen die<br />

Lohnkontrollen nur noch für Firmen ab 100 Vollzeitstellen<br />

gelten (ohne Lernende). Die Zahl der Firmen, die nun<br />

eine Lohnanalyse durchführen müssen, wird also nochmals<br />

enorm verkleinert. Da mehr Frauen Teilzeit arbeiten<br />

als Männer, entgehen zudem viele Firmen mit hohem


Ein zweiter<br />

Frauenstreik?<br />

Der Entwurf des Nationalrates kennt nur noch Lohnkontrollen für<br />

Unternehmen ab 100 Vollzeitstellen, und auch dies nur 12 Jahre lang.<br />

Das Parlament muss das korrigieren! Wir beantragen dem Zentralvorstand<br />

von <strong>syndicom</strong>, 2019 an einem zweiten Frauenstreik teilzunehmen.<br />

19<br />

Frauenanteil der Analysepflicht. Auch sollen die Lohnkontrollen<br />

nur für 12 Jahre Laufzeit gelten. Dieses Resultat<br />

des Nationalrats ist ein Hohn. Wir fordern eine Korrektur<br />

in der Wintersession, wo die Bereinigung zwischen<br />

Ständerat und Nationalrat vorgenommen wird.<br />

«Assises» und zweiter Frauenstreik<br />

In den letzten Monaten trafen sich in Lausanne, Bern<br />

und Zürich verschiedenste Frauen zu offenen Sitzungen,<br />

sogenannten «Assises», um sich gemeinsam auszutauschen<br />

über die Möglichkeit eines zweiten Frauenstreiks in<br />

der Schweiz. Der Schweizer Frauenstreik vom 14. Juni<br />

1991 mobilisierte eine halbe Million Frauen und forderte<br />

die Umsetzung der tatsächlichen Gleichstellung 10 Jahre<br />

nach der Verankerung in der Bundesverfassung. An den<br />

«Assises» wurde ein zweiter Frauenstreik beschlossen, mit<br />

Datum 14. Juni 2019. Die Empörung über die minimalen<br />

Ergebnisse des Parlaments zu den Lohnkontrollen trug<br />

auch ihres dazu bei. Der SGB-Kongress wird über Anträge<br />

betreffend die Durchführung des Frauenstreiks 2019<br />

noch beschliessen.<br />

Ein gemeinsames Manifest ist das Ziel der regionalen<br />

Gruppen, welche die Vorbereitung des Frauenstreiks angehen.<br />

Es soll die Diskriminierung von Frauen in den verschiedenen<br />

Bereichen anprangern. So gehört neben<br />

Lohn gleichheit auch die Vereinbarkeit von Beruf und Familie<br />

sowie Teilzeitarbeit dazu. Wichtige Themen auch<br />

für <strong>syndicom</strong>. Zu oft werden Anträge auf Reduktion des<br />

Arbeitspensums von Frauen wie Männern, die mehr Zeit<br />

für Familienarbeit und Kinderbetreuung haben möchten,<br />

von Unternehmen abgelehnt.<br />

Wir müssen weiterhin starke Position beziehen und<br />

Druck machen – wie an der Demo. Dieses Thema ist und<br />

bleibt ein Kernthema für <strong>syndicom</strong>. Gemeinsam mit dem<br />

Zentralvorstand entscheiden wir, wie weiter. Wir werden<br />

dem Zentralvorstand den Antrag stellen, dass wir am<br />

Frauenstreik mitwirken. Denn wir haben genug.<br />

Text: Patrizia Mordini<br />

Bilder: František Matouš, Demir Sönmez,<br />

Annette Boutellier


20<br />

Eine wichtige<br />

Aufgabe<br />

Deutschland und Frankreich: Ideen für<br />

mehr Frauen in der Gewerkschaft<br />

Die meisten jungen Kolleginnen bei uns<br />

im Betrieb sind nicht Mitglied in der<br />

Gewerkschaft. Wie könnte man sie<br />

dafür begeistern, sich zu engagieren?<br />

Habt ihr Vorschläge?<br />

«52 Prozent <strong>unsere</strong>r 2 Millionen<br />

Mitglie der sind Frauen. Aber alle<br />

Gewerkschaften kämpfen mit der<br />

Frage, wie man Frauen für einen<br />

Beitritt gewinnen kann», sagt Alexa<br />

Wolfstädter, die Referentin für<br />

Gleichstellungspolitik bei der deutschen<br />

ver.di.<br />

ver.di hat für ihre Entscheidungsgremien<br />

und Delegationen<br />

Mindestfrauenquoten eingeführt,<br />

die der Geschlechtervertretung der<br />

Mitglieder in den Branchen entsprechen.<br />

«Seit 2015/16 arbeiten wir daran,<br />

junge Frauen unter 40 zu erreichen.<br />

Wir befragen sie zu ihren<br />

Interessen und bieten ihnen Inhalte<br />

auf <strong>unsere</strong>r Webseite (frauen.verdi.<br />

de/junge-frauen).»<br />

ver.di­Webseite für jüngere Frauen<br />

Es gibt da Web-Seminare zu Themen<br />

wie Lohn verhandlung, Durchsetzung<br />

vor Publikum oder faire<br />

Arbeits teilung privat und im Job –<br />

ein Projekt von Familienministerium<br />

und Gewerkschaftsbund DGB –,<br />

Artikel, die auf interessante Urteile<br />

zur Gleichstellung aufmerksam<br />

machen, Beratung für junge Mütter,<br />

Ausbildungsangebote.<br />

Es werden Info-Abende, Workshops<br />

zur politischen Arbeit und ein<br />

Mentoring-Programm durchgeführt.<br />

Frauen dürfen als Gäste ohne<br />

Stimmrecht zu Vorstandssitzungen<br />

kommen, um sie zur Gewerkschaftsarbeit<br />

zu ermutigen. Ihre Kinder<br />

werden betreut oder es gibt Betreuungsspesen.<br />

«Das funktioniert gut,<br />

aber wir möchten noch mehr junge<br />

Frauen erreichen», sagt Alexa Wolfstädter.<br />

Die französische Soziologin<br />

Cécile Guillaume, die vor Kurzem<br />

das Buch Syndiquées. Défendre les<br />

intérêts des femmes au travail (Gewerkschafterinnen:<br />

Die Interessen<br />

der arbeitenden Frauen verteidigen)<br />

veröffentlicht hat, sagt, sie sei sich<br />

«nicht sicher, ob die französischen<br />

Gewerkschaften sehr innovativ dabei<br />

sind, Frauen als Mitglieder zu<br />

werben». Eine echte Stimme in der<br />

Gewerkschaft haben sie erst seit den<br />

2000er-Jahren. Nur dank gezielter<br />

Gleichstellungsmassnahmen – so<br />

dem Gesetz über sozialen Dialog<br />

und Beschäftigung von 2015 – konnten<br />

sie sich Gehör verschaffen. Das<br />

Gesetz sieht vor, dass auf den Gewerkschaftslisten<br />

für die Wahl von<br />

Personalvertretungen alternierend<br />

Männer und Frauen als Kandidierende<br />

aufgeführt werden.<br />

Der französische Gewerkschaftsbund<br />

CGT brachte eine Gleichstellungs-Charta<br />

heraus, die die<br />

Geschlechter parität in seinen<br />

Führungsgremien genau regelt.<br />

Die Gewerkschaft CFDT etwa verlangt<br />

einen Frauenanteil von 30 %<br />

in ihrem nationalen Vorstand, der<br />

Exekutivkommission gehören 50 %<br />

Frauen an.<br />

Flexibles Engagement in Frankreich<br />

«Auf nationaler Ebene wurden Massnahmen<br />

ergriffen. Aber regional, in<br />

den unions départementales, bleiben<br />

Ungleich heiten, und die lokalen<br />

Verantwortlichen unternehmen<br />

kaum etwas dagegen», sagt die Soziologin<br />

Yannick Le Quentrec von<br />

der Universität Toulouse.<br />

Sie empfiehlt, «Tandems» zu bilden,<br />

um sich die Gewerkschaftsarbeit<br />

aufzuteilen und sich in Funktionen,<br />

wo Angriffe heftig sein<br />

können, weniger exponiert zu fühlen.<br />

«Ich spreche von Patinnenschaften,<br />

weil es darum geht,<br />

Frauen mit Verantwortung einzubeziehen,<br />

die ihr Wissen an Jüngere<br />

weitergeben können.»<br />

Die Möglichkeit für Gewerkschaftsfrauen,<br />

ihr Engagement an<br />

ein alternierendes Sorgerecht für<br />

die Kinder anzupassen, scheint ihr<br />

nachahmenswert. Seit fünf Jahren<br />

unterstützt Le Quentrec auch die<br />

Verhandlung von Aktionsplänen für<br />

die Gleichstellung in den Betrieben,<br />

die eine Diagnose und einen Zeitplan<br />

zur Behebung von Ungleichheiten<br />

gestatten. Die CGT hat eine<br />

eigene Webseite eingerichtet, auf<br />

der man prüfen kann, ob sich Arbeitgeber<br />

an das Gesetz halten<br />

(egalite-profes sion nelle.cgt.fr).<br />

Text: Sylvie Fischer<br />

Bild: CGT-Plakat<br />

Der französische<br />

Gewerkschaftsbund<br />

CGT hat eine Charta<br />

eingeführt, die<br />

klare Regeln für die<br />

Parität in seinen<br />

Organen festlegt.


Die Fusionen<br />

sind vorbei<br />

<strong>syndicom</strong> bleibt eigenständig<br />

21<br />

Werden wir in Zukunft weiterhin<br />

<strong>syndicom</strong> bleiben oder wird es eine<br />

einzige gesamtschweizerische<br />

Gewerkschaft geben?<br />

Wenn wir einen Blick nach vorne<br />

wagen wollen, müssen wir zuerst<br />

zurück blicken. Eine der beiden<br />

Vorgänger organisationen von <strong>syndicom</strong><br />

war die Gewerkschaft Kommunikation,<br />

die wiederum aus mehreren<br />

Hausverbänden der PTT<br />

hervorging. Die Aufsplittung der<br />

PTT in die Post und die Swisscom<br />

ging einher mit dem Zwang der beiden<br />

jungen Unternehmen, sich den<br />

Herausforderungen ihrer jeweiligen<br />

Märkte zu stellen. Die Fusion der<br />

Hausverbände zur Gewerkschaft<br />

Kommunikation folgte dieser Logik.<br />

Das Ziel war, sich zu einer Branchengewerkschaft<br />

zu entwickeln,<br />

was allerdings nicht im gewünschten<br />

Tempo voranging.<br />

Bei der Fusion der Gewerkschaft<br />

Kommunikation mit der Mediengewerkschaft<br />

comedia dachten beide<br />

Organisationen, sie könnten mit<br />

der Fusion die eigenen Schwächen<br />

überwinden. Doch zu Beginn passierte<br />

eher das Gegenteil. Acht Jahre<br />

später können wir sagen, dass die<br />

Fusion nun vollzogen ist.<br />

<strong>syndicom</strong> ist heute eine anerkannte<br />

Branchengewerkschaft und<br />

hat in den letzten Jahren so viele<br />

neue Gesamtarbeitsverträge abgeschlossen<br />

wie keine andere Gewerkschaft.<br />

Die Prozesse von <strong>syndicom</strong><br />

sind ebenso schlank wie ihre Strukturen.<br />

<strong>syndicom</strong> steht heute auf einem<br />

stabilen Fundament und ist<br />

offen für Organisationen, die sich<br />

uns anschliessen wollen. Die hart<br />

erarbeitete Eigenständigkeit aufzugeben,<br />

wäre aus heutiger Sicht ein<br />

Fehler.<br />

Die ersten Jahre nach der Fusion<br />

haben gezeigt, dass Fusionen kein<br />

Selbstzweck sein dürfen. Sondern<br />

Fusionen müssen sorgfältig abgewogen<br />

und geplant werden. Denn es<br />

geht um mehr als um das blosse<br />

Zusammen zählen von Gesamtarbeitsverträgen,<br />

Mitgliedern und<br />

Vermögens werten.<br />

Es geht in der Praxis vielmehr<br />

um das meist unterschätzte Zusammenführen<br />

von unterschiedlichen<br />

Kulturen, sowohl in der Miliz als<br />

auch bei den Angestellten. Nicht zuletzt<br />

bedeutet es für mindestens<br />

eine der beteiligten Organisationen,<br />

ihre Identität aufzugeben. Umgekehrt<br />

muss die neue Organisation<br />

ihre Identität zuerst finden und ein<br />

eigenständiges Image aufbauen.<br />

Das hat <strong>syndicom</strong> heute geschafft.<br />

Also bauen wir darauf auf.<br />

Text: Giorgio Pardini<br />

Die Zeitarbeiter<br />

in die Mitte holen<br />

Ab dem 1. Januar werden zum Beispiel<br />

im Briefzentrum Mülligen neu auch<br />

Temporärmitarbeitende eingesetzt.<br />

Sollte sich <strong>syndicom</strong> in Zukunft nicht<br />

vermehrt auf diese Beschäftigten<br />

ausrichten?<br />

Ja, das werden wir müssen. Das<br />

heisst aber nicht, dass wir bisher<br />

untätig waren. Lange konnte <strong>syndicom</strong><br />

verhindern, dass dieser aus der<br />

Privatwirtschaft bekannte Trend<br />

auch auf die bundesnahen Betriebe<br />

übergreift. 2016/17 haben wir allein<br />

bei der Post zwei Kampagnen für<br />

Temporärmitarbeitende umgesetzt.<br />

Da hat sich auch gezeigt, dass wir<br />

sie in ihrer Muttersprache ansprechen<br />

müssen. Als Folge haben wir<br />

Flyer in neun Sprachen produziert.<br />

Entscheidend sind aus Sicht von<br />

<strong>syndicom</strong> zwei Punkte. Einerseits<br />

sollen Temporäre nicht als billige<br />

Manövriermasse missbraucht werden<br />

und die Arbeitsbedingungen<br />

der Festangestellten konkurrenzieren.<br />

Andererseits darf ein Unternehmen<br />

nicht mit «ständigen Temporären»<br />

operieren. Zeitarbeitskräfte<br />

sollen nach einer gewissen Zeit den<br />

Anspruch auf eine Festanstellung<br />

erhalten. Denn die wenigsten arbeiten<br />

freiwillig temporär. Temporärarbeit<br />

bietet weniger Sicherheit und<br />

kaum berufliche Perspektiven.<br />

Und wo kein Gesamtarbeitsvertrag<br />

existiert, verrichten Temporärmitarbeitende<br />

die gleiche Arbeit zu<br />

deutlich schlechteren Bedingungen<br />

und mit geringerer sozialer Absicherung.<br />

Eine Ungerechtigkeit, die vor<br />

allem MigrantInnen, Frauen und<br />

vermehrt ältere Arbeitnehmende<br />

betrifft. Dagegen werden wir uns<br />

auch in Zukunft einsetzen.<br />

Bei der Post hat <strong>syndicom</strong> schon zwei Kampagnen für Temporäre umgesetzt, die oftmals deutlich<br />

schlechtere Arbeitsbedingungen haben.<br />

Text: Christian Capacoel<br />

Bild: Die Post


22<br />

Roland<br />

Kreuzer<br />

Erfolg in den Arbeitskämpfen einer<br />

digitalen Welt<br />

Der Fortschritt des Arbeitskampfes<br />

bei der SDA konnte jederzeit intern<br />

und öffentlich über Twitter und auf<br />

der Webseite verfolgt werden.<br />

Sind Demos und Petitionen noch<br />

ausreichend in der Digitalzeit oder<br />

brauchen wir andere, neue gewerkschaftliche<br />

Kampfwerkzeuge?<br />

Als Gewerkschaft müssen wir uns<br />

damit befassen, wie wir in der<br />

digitalen Arbeitswelt erfolgreiche<br />

Arbeitskämpfe führen werden. Ein<br />

Arbeitskampf wird auch in Zukunft<br />

das Ziel verfolgen, ökonomischen,<br />

gewerkschaftlichen oder öffentlichen<br />

Druck auf unnachgiebige<br />

Arbeitgeber auszuüben, damit diese<br />

die Anliegen der Arbeitenden ernst<br />

nehmen.<br />

Im «analogen Arbeitskampf» ist<br />

ein Erfolg möglich, wenn die<br />

betroffenen Arbeitnehmenden<br />

geschlossen die Arbeit niederlegen<br />

und wenn nötig mit Streikposten<br />

und Betriebsblockaden Streikbrecher<br />

am Zutritt zum Betrieb hindern<br />

und den An- und Abtransport von<br />

Material und Waren verhindern.<br />

2003, beim Streik in der Akzidenz-Rollenoffsetdruckerei<br />

(ARO)<br />

von Tamedia, waren wir erstmals<br />

mit «digitalen Kampfmassnahmen»<br />

eines Unternehmens konfrontiert.<br />

Alle Angestellten streikten, Streikposten<br />

riegelten die Druckerei ab<br />

und legten sie still. Ziel war die<br />

Verhinderung einer Ausgabe des<br />

Magazins Facts. Tamedia sabotierte<br />

den Streik mit der elektronischen<br />

Übertragung der Druckdaten (die an<br />

einem andern Tamedia-Standort<br />

produziert wurden) an ein halbes<br />

Dutzend fremde Druckereien, bei<br />

denen wir nicht rechtzeitig Aktionen<br />

auslösen konnten. So konnte<br />

mit dem Streik die Produktion zwar<br />

verzögert, jedoch nicht vollständig<br />

verhindert werden.<br />

Streik kann heissen:<br />

Den Firmenserver lahmlegen<br />

Daraus können wir lernen, dass wir<br />

im Streik verhindern müssen, dass<br />

Daten an andere Produktionsstätten<br />

im In- und Ausland übertragen<br />

werden und dort statt im bestreikten<br />

Betrieb die Fertigung eines<br />

Produkts erfolgt. Es kann nicht sein,<br />

dass Arbeitgeber durch Datentransfer<br />

einen Streik unterlaufen können<br />

und so das Streikrecht sinnentleeren.<br />

Also müssen wir Methoden und<br />

Mittel entwickeln, um im Arbeitskampf<br />

betriebliche Server lahmzulegen<br />

oder den bestreikten Betrieb<br />

vom Netz abzuschneiden. Das<br />

Bundesgericht hat 2005 im Fall des<br />

PCL-Druckereistreiks Absperrungen<br />

durch friedliche Streikposten<br />

(«peaceful picketing») als verhältnismässig<br />

und legitim anerkannt. Um<br />

das Streikrecht fit für die Zukunft zu<br />

machen, muss künftig auch der<br />

«Cyberstreik» als legitimes Arbeitskampfmittel<br />

anerkannt werden.<br />

Der digitale Arbeitskampf hat<br />

jedoch viele weitere Dimensionen:<br />

Zum Beispiel die digitale Vernetzung<br />

von FreelancerInnen, HomeworkerInnen<br />

und ähnlich räumlich<br />

verzettelt arbeitenden Menschen,<br />

damit sie sich organisieren und im<br />

Konfliktfall ihre kollektive Macht<br />

ausspielen können. Die Bandbreite<br />

reicht vom organisiertem «kollektiven<br />

Lieferboykott» bis zum gemeinsamen<br />

Cyberangriff auf ein Unternehmen.<br />

Und zum neuen<br />

Arbeits kampf gehört auch die<br />

gezielte Nutzung von sozialen<br />

Medien. Ein gutes Beispiel dafür<br />

lieferten die KollegInnen der SDA<br />

bei ihrem Streik Anfang Jahr.<br />

Per Twitter und auf ihrer eigenen<br />

Webseite war der Verlauf des<br />

Arbeitskampfs intern und extern<br />

jederzeit nachvollziehbar. Sehr<br />

wichtig war zudem, dass auf diesem<br />

Weg falsche Informationen, die im<br />

Internet kursierten oder von den<br />

SDA-Chefs und -Besitzern verbreitet<br />

wurden, richtiggestellt werden<br />

konnten. Gerade in einem Arbeitskampf<br />

im Service public ist der<br />

mediale Kampf um die Gunst der<br />

Öffentlichkeit ein nicht zu unterschätzendes<br />

Element. Der SDA-<br />

Kampf war diesbezüglich ein<br />

Lehrstück für die zeitgemässe<br />

Kampagnenführung.<br />

Unserer Gewerkschaftsinternationalen<br />

UNI Global Union gelang<br />

es, in mehreren multinationalen<br />

Konzernen weltumspannende<br />

Koordinationen aufzubauen und<br />

globale Abkommen abzuschliessen<br />

(s. Seiten 8–9). Um in Zukunft auch<br />

einen weltweiten Arbeitskampf in<br />

einem Multi wie Amazon führen zu<br />

können, werden wir die oben<br />

skizzierten und weitere digitale<br />

Kampfmittel entwickeln müssen,<br />

mit denen die globale Gewerkschaftsbewegung<br />

die vor Ort<br />

kämpfenden Arbeitenden vernetzen<br />

und koordinieren, die Kunden<br />

einbeziehen und die Unterstützung<br />

der Öffentlichkeit durch korrekte<br />

direkte Information gewinnen<br />

kann. Kreative Köpfe sind gefragt,<br />

um die künftigen Erfolge vorzubereiten!


Leitantrag am<br />

SGB-Kongress<br />

Service public digital!<br />

23<br />

Die Digitalisierung macht uns im<br />

Service public kaputt. Die Gewerkschaft<br />

müsste das viel härter<br />

bekämpfen. Bevor es zu spät ist.<br />

Text: Oliver Fahrni<br />

Bild: Peter Mosimann<br />

Wenn die Gewerkschaften Ende<br />

Novem ber zum SGB-Kongress zusammentreten,<br />

will <strong>syndicom</strong> sie<br />

für die Forderung gewinnen, einen<br />

digitalen Service public zu schaffen.<br />

Warum?<br />

<strong>syndicom</strong>-Präsident Daniel Münger<br />

fasst es so: «Seit vielen Jahren<br />

attackie ren Privatisierer und Deregu<br />

lierer den Service public. Wir<br />

Gewerkschaften verteidigen ihn. Oft<br />

erfolgreich. Heute genügt die defensive<br />

Haltung nicht mehr.» Der digitale<br />

Umbau verlange die Stärkung<br />

und eine «umfassende Neubegründung»<br />

der öffentlichen Dienste, sagt<br />

Münger.<br />

Eine «erste strategische Priorität»<br />

sieht darin auch GL-Mitglied<br />

Giorgio Pardini: «Denn es geht um<br />

Dinge wie Datenschutz, das Recht<br />

auf diskriminierungsfreien Zugang<br />

zu den Diensten und die Nutzung<br />

von Chancen. Dabei stehen nicht<br />

nur Jobs auf dem Spiel. Wir reden<br />

über die Zukunft der ganzen Gesellschaft.»<br />

Ein starker Service public garantiert<br />

soziale Sicherheit, Schule und<br />

Ausbildung, Gesundheitsversorgung,<br />

physische Sicherheit, Kommunikationsmittel,<br />

Altersversorgung,<br />

öffentlichen Verkehr,<br />

Wasser- und Stromversorgung, ein<br />

niederschwelliges Rechtssystem<br />

und eine bürgernahe Verwaltung.<br />

Und einiges mehr.<br />

Er ist ein Grundrecht und eine<br />

Voraussetzung für die demokratische<br />

Ordnung, weil er diese Dienste<br />

auch für jene Mehrheit öffnet, die<br />

nicht über hohe Einkommen und<br />

Vermögen verfügt. Als Korrektiv<br />

zur Macht des Kapitals sorgt er für<br />

sozialen Zusammenhalt. Der Service<br />

public ist Allmende, Gemeinbesitz.<br />

Und ein Mass für Zivilisation.<br />

Heute stellt die Digitalisierung<br />

die Gesellschaft und ihren Service<br />

public vor scharfe Herausforderungen.<br />

Sie verändert nicht nur die<br />

Arbeit, sondern stellt die ganzen<br />

Lebens formen auf den Kopf.<br />

Bund und Kantone haben bisher<br />

nichts unternommen, um die Chancen<br />

der Digitalisierung für alle nutzbar<br />

zu machen (etwa die Reduktion<br />

der Arbeitszeit) und ihre explosiven<br />

Gefahren wie die völlige Deregulierung<br />

der Arbeit einzudämmen. Die<br />

öffentliche Hand überlässt die Gestaltung<br />

allein den Banken und<br />

Konzernen. Daniel Münger: «Das<br />

müssen wir brechen, wenn wir eine<br />

soziale Digitalisierung wollen. Die<br />

öffentliche Hand muss in die digitale<br />

Revolution durch Gesetze und die<br />

Schaffung eines digitalen Service<br />

public gestaltend eingreifen.»<br />

Für eine digitale Allmend,<br />

für kostenfreie Dienste<br />

Wie das geht, formuliert ein<br />

Leitantrag von <strong>syndicom</strong> für den<br />

SGB-Kongress. In seinem Entwurf<br />

steht unter anderem der Stopp (und<br />

die eventuelle Rücknahme) aller Privatisierungen<br />

und Deregulierungen<br />

(etwa des Arbeitsrechts) und das<br />

Prinzip, dass der Service public<br />

gratis respektive billig sein muss.<br />

Dann: «Es wird ein digitaler<br />

Service public geschaffen. Der<br />

garan tiert nicht nur die technische<br />

Grundversorgung (Netze etc.), sondern<br />

stellt der Allgemeinheit auch<br />

Applikationen und Datenzugänge<br />

zur Verfügung. Er sorgt für Datensicherheit<br />

und Datenhoheit der<br />

Einzel nen. Im Sinne einer digitalen<br />

Allmende fördert und garantiert er<br />

Dienste digitalen Allgemeinbesitzes<br />

(öffentliche Archive, Gemeinschaftsdienste<br />

wie Wikipedia etc.), vermittelt<br />

Open-Source-Daten und Open<br />

Software, Commons-Lizenzen etc.<br />

Er bindet die Nutzenden in eine<br />

echte Mitgestaltung des digitalen<br />

Service public ein und gibt lizenzfrei<br />

Einblick in Daten und Datenlösungen.<br />

Schliesslich bekämpft er Missbräuche<br />

und sorgt für die medienökologische<br />

Sensibilisierung.»<br />

sgb.ch/aktuell/kongress-2018/


24 <strong>syndicom</strong>-Info<br />

Wichtige Information zu Reka-Bestellungen<br />

ab 2019<br />

Liebes Mitglied! Auch im Jahr 2019 hast du wieder die Möglichkeit, Reka-Geld mit 7 % Kollektivrabatt zu beziehen. Nachstehend<br />

geben wir dir einige Infos weiter über Änderungen in der Abgabe von Reka-Geld.<br />

2019 erhältst du neu eine Reka-Card ...<br />

Nach deiner Einzahlung bekommst du innerhalb von ca. 6<br />

Arbeitstagen kostenlos die Reka-Card zugestellt. Mit separater<br />

Post erhältst du die dazugehörige PIN (Geheimzahl).<br />

Hast du bereits eine Reka-Card, wird das Guthaben nach der<br />

Einzahlung deinem Reka-Konto gutgeschrieben und ist dann<br />

auf der Karte verfügbar.<br />

... und ein persönliches Reka-Konto<br />

Zu deiner Reka-Card gehört ein persönliches Reka-Konto.<br />

Unter rekanet.ch kontrollierst du dein Guthaben und deine<br />

Trans aktionen, du lädst das Konto auf, du kannst dort die<br />

PIN der Reka-Card ändern, eine verlorene Karte sperren und<br />

Rechnungen von Online-Partnern bezahlen.<br />

<strong>Fragen</strong> zum Reka-Konto beantwortet der Kundenservice von<br />

Reka unter +41 31 329 66 67 oder via kundenservice@reka.ch<br />

gerne.<br />

Möchtest du Reka-Guthaben lieber in Checks<br />

ausgeben?<br />

Reka-Checks kannst du nach Einzahlung auf dein Reka-Konto<br />

online unter rekanet.ch bestellen. Pro Check-Bestellung<br />

werden Bearbeitungs- und Versandgebühren von 10 Franken<br />

fällig, die deinem Reka-Konto belastet werden.<br />

Alternativ steht auf reka.ch/kundenservice ein Bestellformular<br />

für Checks zur Verfügung. Hast du keinen Zugang zum<br />

Internet, kontaktiere bitte den Reka-Kundenservice (s. o.).<br />

Dein Reka-Kontingent bei <strong>syndicom</strong><br />

Den Einzahlungsschein bestellst du nach wie vor bei <strong>syndicom</strong>.<br />

Dies geht ganz einfach auf my.<strong>syndicom</strong>.ch oder du<br />

rufst uns an unter Tel. 058 817 18 18. Das maximale Kontingent<br />

von 700 Franken pro Jahr für Reka-Geld mit 7 % Kollektivrabatt<br />

bleibt gleich.<br />

Freundliche Grüsse<br />

<strong>syndicom</strong>-Sekretariatspool<br />

Inserat<br />

Neu: Die Reka-Card<br />

für <strong>syndicom</strong>-Mitglieder<br />

Ab 2019 erhalten Sie Ihr Reka-Geld nicht mehr in<br />

Form von Reka-Checks, sondern in elektronischer<br />

Form auf der Reka-Card resp. Ihrem Reka-Konto.<br />

Ihr Vorteil: Die Karte können Sie zur bargeld- und<br />

kontaktlosen Bezahlung bei Reka-Annahmestellen einsetzen<br />

und nach wie vor erhalten Sie beim Bezug 7% Rabatt.<br />

Neu erhalten Sie<br />

die praktische Reka-Card.<br />

Die Reka-Card ist die elektronische Weiterentwicklung<br />

der bekannten Reka-Checks. Mit der<br />

Karte bezahlen Sie schnell und unkompliziert an<br />

den Kassen-Terminals der Reka-Annahmestellen.<br />

Dazu erhalten Sie neben der Karte auch separat<br />

eine PIN (persönliche Identifikationsnummer) an<br />

Ihre Privatadresse zugestellt.<br />

Ihr Reka-Guthaben geben Sie so ganz praktisch<br />

mit der Reka-Card aus. Zusammen mit Ihrer Reka-<br />

Card besitzen Sie auch ein Reka-Konto. Auf dieses<br />

haben Sie online unter rekanet.ch jederzeit<br />

Zugriff.<br />

Ihr persönliches Onlinekonto finden Sie auf<br />

rekanet.ch. Registrieren Sie sich auf rekanet.ch,<br />

und Ihr Onlinekonto steht Ihnen unverzüglich zur<br />

Verfügung.<br />

Unter rekanet.ch können Sie:<br />

PIN der Reka-Card ändern<br />

Reka-Card im Verlustfall sperren<br />

Reka-Card-Guthaben abfragen<br />

Bewegungen der letzten Monate einsehen<br />

Rechnungen von Reka-Annahmestellen<br />

bezahlen (z. B. Reka-Ferien)<br />

Reka-Checks bestellen<br />

Egal ob Sie Zug fahren, Sport treiben, sich für<br />

Kultur interessieren oder gerne auswärts essen:<br />

Mit Ihrer Reka-Card bezahlen Sie Tickets für den<br />

öffentlichen Verkehr, Bergbahnen und Skilifte,<br />

Reka-Ferien, in Hotels, Restaurants, Reisebüros,<br />

Freizeitparks, Kinos, Museen, Zoos, Zirkussen,<br />

Autovermietungen, Mobility Carsharing, Tankstellen<br />

(AVIA, BP und Coop Pronto) u.v.m.<br />

Die Übersicht aller Annahmestellen<br />

finden Sie online unter<br />

reka-guide.ch und in der<br />

Reka-Guide App. So finden Sie<br />

schnell und einfach heraus,<br />

wo Sie mit Ihrer Reka-Card<br />

bezahlen können.<br />

Schweizer Reisekasse (Reka)<br />

Genossenschaft<br />

Reka-Geld Kundenservice<br />

Tel. +41 31 329 66 67<br />

reka.ch<br />

kundenservice@reka.ch


Recht so!<br />

25<br />

<strong>Fragen</strong> an den <strong>syndicom</strong>-Rechtsdienst:<br />

Hallo zusammen,<br />

ich bin aktives <strong>syndicom</strong>-Mitglied und schaffe in einer<br />

Druckerei. Bei uns wird aus aktuellem Anlass darüber<br />

diskutiert, inwiefern die Gewerkschaft während den<br />

Arbeitszeiten freien Zutritt hat. Die Betriebsleitung vertritt<br />

die Meinung, die Gewerkschaft hätte keinen Zutritt in<br />

den Betrieb oder sogar auf das Gelände der Druckerei.<br />

Ein Gewerkschaftskollege wies mich darauf hin, dass es<br />

sogar einen Bundesgerichtsentscheid gibt, der sagt, dass<br />

die in der Verfassung verankerte Koalitionsfreiheit den<br />

Gewerkschaften das Zutritts- und Informationsrecht gibt.<br />

Kann ich das gegenüber der Betriebsleitung vorbringen,<br />

um bei uns das Zutrittsrecht der Gewerkschaft durchzusetzen?<br />

Was heisst das denn nun für meine gewerkschaftlichen<br />

Aktivitäten im Betrieb und für meine Gewerkschaft?<br />

Antwort des <strong>syndicom</strong>-Rechtsdienstes<br />

Das ist nicht korrekt. Die Informations-<br />

und Zutrittsrechte von Gewerkschaften<br />

lassen sich aus mehreren<br />

Bestimmungen ableiten. Art. 28 der<br />

Bundesverfassung sieht die Koalitionsfreiheit<br />

vor. Die Verträge der<br />

Inter nationalen Arbeitsorganisation<br />

mit der Schweiz, die ILO-Konventionen<br />

87, 98 und 135 und auch die<br />

Menschenrechtskonvention (EMRK)<br />

ermöglichen im Rahmen von Art. 11<br />

(Recht auf Vereinigungsfreiheit) den<br />

Arbeitnehmenden die Gewerkschaftsaktivitäten.<br />

An erster Stelle steht hier<br />

das Recht auf Information und Organisation<br />

in den Betrieben.<br />

Der Kollege bezieht sich auf den Leitentscheid<br />

vom 6. 9. 2017 (2C499/<br />

2015). Das Bundesgericht hob eine<br />

Verfügung des Tessiner Staatsrats<br />

auf, die den Gewerkschaften den<br />

Zutritt zu kantonalen Verwaltungsgebäuden<br />

verbot. Streng genommen<br />

gilt das Urteil nur für den öffentlichen<br />

Bereich. Der SGB und auch<br />

<strong>syndicom</strong> fordern aber, dass das<br />

Urteil per Analogie auch im privaten<br />

Bereich angewendet wird. Das heisst,<br />

es ist nicht direkt auf deinen Betrieb<br />

anwendbar, ist aber richtungsweisend<br />

und kann für die Argumentation<br />

herangezogen werden.<br />

Es ist klar, dass sich die Rechtsprechung<br />

betreffend gewerkschaftliche<br />

Zutritts- und Informationsrechte<br />

noch ent wickeln muss. Die bestehenden<br />

Regelungen sind aber weit auszulegen.<br />

Es kann hier um das Anbringen<br />

von Infos an der Pinnwand<br />

oder das persönliche Gespräch auf<br />

dem Betriebsareal gehen, aber auch<br />

um das Verteilen von Flyern auf dem<br />

Firmenparkplatz oder Auflegen von<br />

Broschüren im Pausenraum. Wichtig<br />

ist bezüglich dieser Aktivitäten, dass<br />

eine vorgängige Absprache mit der<br />

Betriebsleitung erfolgt.<br />

<strong>syndicom</strong>.ch/recht/rechtso


26<br />

Tessiner<br />

Initiativen<br />

Die Gewerkschaft wieder in die Mitte<br />

der Debatte bringen<br />

Nur in der Welt der Datennetze zu<br />

leben, bedeutet, soziale Kontakte<br />

und Möglichkeiten der Öffnung für<br />

andere zu verlieren. Was unternimmt<br />

<strong>syndicom</strong>, um diesem Trend entgegenzuwirken?<br />

<strong>syndicom</strong> Tessin probiert derzeit<br />

spannende neue Formen der Begegnung,<br />

der Diskussion für Mitglieder<br />

und die interes sierte Öffentlichkeit<br />

aus. Wie die Teilnahme am Festival<br />

Internazionale a Ferrara in Italien.<br />

«Das Festival der Wochenzeitung<br />

Internazio­nale ist eine Form des<br />

Widerstands: Widerstand gegen das<br />

heutige Informations-Chaos. Ein<br />

Ort, wo der Wissensdurst in einer<br />

Welt der Fake News und Schlag -<br />

zeilen über lebt.» So die Definition<br />

des RSI-Journalisten Mattia Pacella.<br />

«Die Themen dort betreffen<br />

wichtige gesellschaftliche <strong>Fragen</strong><br />

wie die Rolle der Frau, die fortschrei<br />

tende Erosion der Arbeit nehmerrechte<br />

durch eine vom technischen<br />

Fortschritt verstärkte<br />

neoliberale Logik oder auch den<br />

Dialog zwischen Journalismus und<br />

Politik», sagt die Freelance-Journalistin<br />

Laura Di Corcia und fügt an:<br />

«Ist das für <strong>syndicom</strong> von Nutzen?<br />

Klar, denn eine Gewerkschaft wurzelt<br />

nicht nur im Tagesgeschehen,<br />

sondern auch in einer gesellschaftlichen<br />

Idee, einem Modell, das immer<br />

wieder zu überdenken ist.»<br />

So weit die Beobachtungen<br />

zweier <strong>syndicom</strong>-Mitglieder, die am<br />

Internazionale-Festival teilgenommen<br />

haben. Seit 2007 organisiert<br />

die Wochenzeitung Internazionale<br />

(die nach dem Vorbild des französischen<br />

Courrier­international «das<br />

Beste aus den Zeitungen der Welt»<br />

übernimmt) ein Festival, das in Italien<br />

auf grosses Echo stösst und in<br />

drei Tagen über 80 000 Besucherinnen<br />

und Besucher zählt.<br />

An den letzten drei Ausgaben hat<br />

<strong>syndicom</strong> Tessin mit einer Delegation<br />

aus Kommunika tionsfach leuten<br />

teilgenommen. Ein Dutzend<br />

Journalistinnen und Journalisten<br />

aus TV, Radio, Web und Print, dazu<br />

weitere Berufsleute des Sektors –<br />

Fotogra fin nen, Grafiker, Zeichnerinnen,<br />

Übersetzer, KorrektorInnen<br />

– konn ten so die Veran stal tung verfolgen.<br />

Zum Anlass wurde auch ein<br />

Dossier mit Interviews, Rezensionen<br />

und Reportagen erstellt und auf <strong>unsere</strong>r<br />

Webseite publiziert (erstmals<br />

mit Beiträgen auf Deutsch und<br />

Französisch).<br />

Neue Formen der Begegnung in<br />

Zeiten von Dauerstress<br />

«Das Festival ist eine wertvolle Gelegenheit<br />

zur Vertiefung. Ich war bei<br />

anregenden Meetings dabei, die sogar<br />

zu Schreibaufträgen geführt haben»,<br />

erzählt Laura Di Corcia. «Der<br />

Festivalbesuch», er klärt Federico<br />

Franchini, Redaktor bei der Unia-<br />

Zeitung Area, «stärkt die Bindung<br />

zwischen Gewerk schafts mit gliedern<br />

und KollegInnen (die nicht zwingend<br />

denselben Be ruf ausüben) und<br />

ermög licht, Probleme in einem informellen<br />

und anregenden Um feld<br />

zu besprechen.» Stella N’Djoku, Radio-Redaktorin<br />

bei RSI, ergänzt: «So<br />

bleibt die Gewerk schaft lebendig.»<br />

Die Beteiligung von <strong>syndicom</strong><br />

am Festival geht auf ein Anliegen<br />

zurück, das die Vertrauensleute, die<br />

Vertreterinnen und Vertreter der<br />

Gewerkschaftsmitglieder, 2016<br />

vorgebracht haben. «Im Lauf dieser<br />

Treffen», erklärt Nicola Morellato,<br />

Regional sekretär Tessin, «zeigte<br />

sich, dass die Arbeitenden beim<br />

heutigen Arbeitstempo kaum noch<br />

Zeit haben, sich zu engagieren, mitzuwirken<br />

und gewerkschaftlich aktiv<br />

zu sein. Deshalb muss man nach<br />

neuen Formen der Begeg nung, der<br />

Konfrontation suchen, die über die<br />

üblichen Gremiumssitzungen hinaus<br />

gehen. Wir dachten an informelle,<br />

kulturelle und auch spielerische<br />

Anlässe, die wichtig sind, um<br />

sich kennenzulernen, sich miteinander<br />

auseinanderzusetzen, Ideen<br />

auszutauschen und neue Mitglieder<br />

einzubeziehen. Es werden auch<br />

Gewerkschafts themen behandelt,<br />

denn auf die Inhalte kann man<br />

nicht verzichten.»<br />

Nachrücken in die von der Politik<br />

aufgegebenen Räume<br />

Das Festival von Internazionale ist<br />

nur eine von vielen Aktivitäten in<br />

diesem Sinne, die das Tessiner<br />

Sekre tariat auf die Beine gestellt<br />

hat. Weitere sind die Teilnah me am<br />

Human Rights Film Festival Lugano<br />

oder die von Presse und Visuelle<br />

Kommunikation organisierten, öffentlichen<br />

Konferenzen mit Kulturapéro<br />

über die Grenzen der Satire,<br />

das «Native Advertising» und den<br />

unlauteren Wettbewerb im Journalismus.<br />

So rücken gewerk schaftliche<br />

<strong>Fragen</strong> wieder in den Mittel punkt<br />

der Debatte, es entsteht eine Zusammenarbeit<br />

mit akademischen und<br />

solidarischen Kreisen, NGOs und einem<br />

neuen Publikum, das <strong>unsere</strong>n<br />

Themen Beachtung schenkt. Wie<br />

der Philosoph Oskar Negt festhielt,<br />

ist es Zeit, dass die Gewerkschaften<br />

in die von den grossen Volksparteien<br />

aufgegebenen Räume (Kultur,<br />

Sport, Begegnung) nachrücken, um<br />

dort auf die Anliegen der Arbeitenden<br />

in ihrem Alltag einzugehen.<br />

internazionale.it/festival<br />

Text: Giovanni Valerio<br />

Bild: Andrea Tedeschi


1000 Worte<br />

Ruedi Widmer<br />

27


28<br />

Junge bei<br />

<strong>syndicom</strong><br />

Was wir uns für die Zukunft wünschen –<br />

und was uns echt Angst macht<br />

«Direkte Medienförderung,<br />

geknüpft<br />

an Leistungsaufträge<br />

und klare Kriterien»<br />

Luca Ghiselli, Redaktor,<br />

St. Gallen<br />

Ich wünsche mir für meinen<br />

Beruf, dass er wertgeschätzt<br />

bleibt. Auf der Rezipientenseite<br />

heisst das:<br />

Dass es in den Köpfen ankommt,<br />

dass Qualität<br />

auch digital kostet. Ich<br />

wünsche mir, dass der ökonomische Druck abnimmt,<br />

dass reine Publizistik ohne Quersubventionierung durch<br />

Auto- und Ticketportale wieder ein lohnendes Geschäftsmodell<br />

werden kann. Und dass die kollektiven Abgesänge<br />

auf die Medienlandschaft, der Kulturpessimismus, der<br />

sie durchzieht, und all die Weltuntergangsszenarien, die<br />

in den vergangenen Jahren unermüdlich herumgereicht<br />

wurden, langsam, aber sicher weniger werden. Mehr Zuversicht!<br />

Damit es so weit kommt, wünsche ich mir eine direkte<br />

Medienförderung, geknüpft an Leistungsaufträge und einen<br />

klaren Kriterienkatalog. Eine Art Submissionsverfahren,<br />

wonach zum Beispiel Kantone und Gemeinden den<br />

Auftrag einer regionalen Berichterstattung öffentlich ausschreiben<br />

können. Sonst gibt es in der Schweiz bald Regionen,<br />

die gar nicht mehr oder nur noch spärlich mit journalistischen<br />

Produkten aus ihrer Region versorgt werden.<br />

Und das würde in diesem Land mit seiner politischen<br />

Kleinräumigkeit die direkte Demokratie untergraben.<br />

Auch private Medienhäuser leisten gerade im Lokalen einen<br />

wichtigen Service public – oft ohne öffentliche Gelder<br />

im Rücken. Das darf nicht sein. Das neue Mediengesetz,<br />

das im Juni in die Vernehmlassung geschickt wurde, geht<br />

in diesem Zusammenhang nicht ansatzweise weit genug.<br />

Für die Gewerkschaft wünsche ich mir, dass sie sich weiter<br />

für einen Gesamtarbeitsvertrag einsetzt. Für einen starken<br />

Kündigungsschutz und gegen den systematischen<br />

Abbau in Redaktionen und Druckereien. Und dass sie weiterhin<br />

so zahlreiche Stimmen im Rücken hat, um diese<br />

Ziele zu erreichen.<br />

Lucas Gongora, Digitalverantwortlicher,<br />

Kundenberater, Post CH, Petit-Lancy<br />

«Ich muss mich<br />

anpassen an die<br />

Entwicklung, den<br />

ständigen Wandel.<br />

Das macht mir<br />

keine Angst»<br />

Für <strong>unsere</strong> Generation verändern sich die Dinge sehr<br />

rasch. Ich bin fast sicher, dass Bargeld in weniger als fünf<br />

Jahren kaum mehr eine Rolle spielen wird. Das macht mir<br />

keine Angst. Mein Arbeitsplatz ist im ständigen Wandel<br />

und wird immer stärker digitalisiert. Diese Entwicklung<br />

gibt es in anderen Unternehmen, die im gleichen Bereich<br />

wie ich tätig sind, bereits seit Jahren. Ich muss mich anpassen,<br />

da dieser Stein schon vor langer Zeit ins Rollen gebracht<br />

wurde.<br />

Ich erhoffe mir auch eine Zukunft, in der meine Arbeitstage<br />

nicht länger als vier Stunden dauern, damit alle<br />

einen Arbeitsplatz haben. Eine Zukunft also, wo dank Automatisierung<br />

und Digitalisierung weniger gearbeitet<br />

wird – auch wenn mir diese Option mehr schön als realistisch<br />

erscheint. Die Gewerkschaft sorgt dafür, dass dieser<br />

Wandel möglichst fair und menschlich vor sich geht,<br />

damit möglichst viele ihren Arbeitsplatz behalten können.<br />

«Dass wir von einem<br />

Krankenkassensystem<br />

rüberwandern zu einem<br />

Gesundheitssystem»<br />

Rémy Ségur, Billing Manager<br />

bei Swisscom, Gerlafingen<br />

Für die nächsten Jahre wünsche<br />

ich mir Gesundheit für<br />

mich und alle Menschen, die<br />

ich liebe, und die ganze Weltbevölkerung.<br />

Damit meine ich nicht nur Gesundheit im<br />

eigentlichen Sinn, sondern in allen Formen. So wünsche<br />

ich mir, dass die Bevölkerung sich weiter mobilisiert und<br />

mit einem gesunden Geist sich einsetzt für die Gleichberechtigung,<br />

für Frieden oder für eine ökologische und respektvolle<br />

Konsumation und noch mehr für die Umwelt.<br />

Ich wünsche mir, dass wir von einem Krankenkassensystem<br />

rüber zu einem Gesundheits system wandern, das<br />

die Gesundheit endlich fördert und nicht die Krankheiten<br />

vorübergehend lindert. Dafür muss ein Umdenken stattfinden<br />

und die politischen Kreise müssen handeln. Es<br />

kann nicht sein, dass wir Jahr für Jahr mehr Krankenkassenprämien<br />

zahlen und die Versicherungen Jahr für Jahr<br />

Millionen an Gewinnen ausschütten, anstatt diese Millionen<br />

im Sinne der Gesundheit zu investieren. Ich wünsche<br />

mir, dass in der Politik absolute Transparenz herrscht, die<br />

«Weniger<br />

arbeiten dank<br />

Digitalisierung<br />

und faire Jobs<br />

für alle»


Junge bei<br />

<strong>syndicom</strong><br />

«Die Bedingungen für Praktika sind gesetzlich nicht genug<br />

geregelt und werden politisch zu wenig diskutiert.» Ciril Saner<br />

29<br />

Ein- und Ausgaben sollen kostenfrei für die Bevölkerung<br />

jederzeit abrufbar sein, für eine gesunde Politik ohne Korruption<br />

und Lobbyismus. Ich wünsche mir also ganz einfach<br />

Gesundheit.<br />

Was fürchte ich? Ich fürchte, dass die Menschheit<br />

nach und nach vergisst, worum es meiner Meinung nach<br />

geht im Leben: dass sie vergisst zu lieben und nicht zulässt,<br />

geliebt zu werden, und dass sie vergisst, dass Geld<br />

und Konsumgüter uns nicht glücklich machen. Ein<br />

Spruch von Gandhi hilft mir, diese Furcht immer wieder<br />

loszulassen: «Du musst die Veränderung sein, die du in<br />

der Welt sehen willst. Als Menschen liegt <strong>unsere</strong> Grösse<br />

nicht darin, die Welt zu erneuern – das ist ein Mythos des<br />

Atomzeitalters –, sondern darin, uns selbst zu erneuern.»<br />

Für meine berufliche Zukunft sehe ich vor mir, dass<br />

ich möglichst viel teilen, lieben, mich austauschen, mich<br />

nerven und mich wieder beruhigen möchte, um mich so<br />

lebendig wie nur möglich zu fühlen. Konkret bin ich offen<br />

für alles, was kommt, und dankbar, ein Dach über dem<br />

Kopf zu haben.<br />

«Eine bessere Einbindung<br />

der Jungen in die<br />

Entscheidungsprozesse<br />

der Gewerkschaften»<br />

Ciril Saner, Softwareentwickler,<br />

Biel<br />

Ich glaube, dass die Gewerkschaft<br />

künftig sehr viele und<br />

vor allem vielfältige Herausforderungen zu bewältigen<br />

hat. Wie heute werden wir uns mit Themen beschäftigen<br />

müssen, die sowohl die Arbeitswelt als auch die Gesellschaft<br />

betreffen. Einige <strong>unsere</strong>r Kämpfe sind leider seit<br />

Langem bekannt, zum Beispiel die Gleichstellung von<br />

Männern und Frauen. Wir sind auch mit <strong>Fragen</strong> konfrontiert,<br />

die vor allem die Jungen betreffen, zum Beispiel die<br />

Praktikumsbedingungen. Praktika sind gesetzlich nicht<br />

genug geregelt und werden politisch nicht genug thematisiert.<br />

Andere Themenbereiche sind erst in jüngerer Zeit aufgetaucht,<br />

zum Beispiel die «Digitalisierung».<br />

Ich bin auch der Meinung, dass wir wieder lernen müssen,<br />

visionär zu sein und <strong>unsere</strong>n künftigen Herausforderungen<br />

zuvorzukommen. So können wir handeln, um die<br />

Gesellschaft zu verändern, statt nur zu reagieren. Ohne<br />

die aktive Mitwirkung der Jungen ist diese Entwicklung<br />

nicht möglich. Die Gewerkschaften müssen mehr mit den<br />

Jungen sprechen und sie stärker in die Entscheidungsprozesse<br />

einbinden. Dies ist eine grosse Herausforderung,<br />

die noch mehr Anstrengungen erfordert. Ich freue mich,<br />

noch viele Jahre in der Gewerkschaftswelt tätig zu sein<br />

und mich so auf meine Weise für die Gesellschaft engagieren<br />

zu können.<br />

«Mehr Jobs für junge Leute,<br />

die etwas bringen»<br />

Sina Chiavi<br />

«Einen leichten Einstieg<br />

ins Berufsleben und<br />

mehr Möglichkeiten,<br />

Teilzeit zu arbeiten»<br />

Sina Chiavi, Verlagsangestellte,<br />

Zürich<br />

Ich studiere und arbeite Teilzeit.<br />

Manchmal habe ich<br />

Angst, dass es nach dem Studium<br />

schwierig wird, eine<br />

gute Stelle zu finden, die mich<br />

fordert und mir Spass macht.<br />

Diese Angst rührt daher, dass ich in meinem Umfeld beobachte,<br />

wie schwierig sich der Einstieg ins Berufsleben<br />

für viele gestaltet. Ich hoffe, dass sich das in den nächsten<br />

Jahren zum Besseren entwickelt und die ArbeitgeberInnen<br />

etwas von dem Trend abkommen, nur noch Praktika<br />

oder befristete Stellen für BerufseinsteigerInnen anzubieten,<br />

und das oft ohne Anschlussmöglichkeit.<br />

Ich mache mir auch Gedanken dazu, wie ich es wohl<br />

einmal schaffen werde, Beruf und Familie zu verbinden.<br />

Wie viele in meinem Bekanntenkreis bin ich erst mit Ende<br />

zwanzig mit dem Studium fertig. Das bedeutet, dass die<br />

ersten Jahre in der Arbeitswelt mit den Jahren zusammenfallen,<br />

in denen Familienplanung ein Thema wird. Ich<br />

wünsche mir, dass mehr Möglichkeiten geschaffen werden,<br />

Teilzeit zu arbeiten (zum Beispiel im Job-Sharing mit<br />

jemand anderem in einer ähnlichen Situation) und dennoch<br />

anspruchsvolle Aufgaben übernehmen zu dürfen,<br />

sodass Frauen und Männer sich trotz Betreuungsaufgaben<br />

auch im Beruf weiterentwickeln können.<br />

Ich fürchte manchmal, dass sich die Gesellschaft immer<br />

mehr in eine Richtung entwickelt, in der alle nur noch<br />

für sich schauen, aus Angst, keine Arbeit zu haben. Ich<br />

hoffe, dass wir da einen Weg finden, zusammenzuarbeiten<br />

und gesamtheitlicher zu denken.<br />

Zuletzt wünsche ich mir, dass generell mehr (ehrlich)<br />

über Arbeit geredet wird. Öffentlich, aber auch privat und<br />

über die verschiedenen Berufsfelder hinweg. Arbeit ist so<br />

ein wichtiger Teil des Lebens, und dennoch, so scheint<br />

mir, nimmt gerade die Arbeit vielen Menschen die Energie,<br />

bewusst über sie nachzudenken und sich mit anderen<br />

darüber auszutauschen.<br />

«Dass mehr Menschen<br />

den Wert einer Gewerkschaft<br />

zu schätzen<br />

wissen»<br />

Hannah Fürstenberg, Designerin,<br />

Swisscom, Zürich<br />

Was ich fürchte: Wie wichtig<br />

die Arbeit von <strong>syndicom</strong> ist,<br />

merkt man vor allem im Vergleich<br />

mit Ländern aus dem asiatischen Raum, wo Effizienz<br />

und das Wachstum einer Firma über das Wohl der einzelnen<br />

Mitarbeitenden gestellt wird. Ich würde mir<br />

wünschen, dass mehr Menschen den Wert einer Gewerkschaft<br />

zu schätzen wissen und verstehen, wie viel Arbeit


30<br />

Junge bei<br />

<strong>syndicom</strong><br />

«In den Regiebetrieben können viel zu viele Überstunden<br />

nie kompensiert werden.» Bryan Kaltenrieder, PostAuto<br />

und historische Relevanz dahintersteckt. Und dass es<br />

jetzt, im digitalen Zeitalter, umso wichtiger ist, Gewerkschaften<br />

zu unterstützen und die Rechte der Mitarbeitenden<br />

zu schützen.<br />

Im digitalen Zeitalter scheinen sowohl Produkte als<br />

auch Berufe kurzlebig. Als Designerin muss ich informiert<br />

bleiben und mich ständig weiterbilden, um die neusten<br />

Methoden, Programme und Recherche-Tools beherrschen<br />

zu können. Darum schätze ich <strong>syndicom</strong> vor allem<br />

dafür, dass sie sich nicht nur für meine zukünftige<br />

«Employ ability» einsetzt, sondern diese auch proaktiv<br />

beim Arbeitgeber einfordert. Dieses Jahr konnte ich z. B.<br />

meine – im GAV verankerten – Weiterbildungstage verwenden,<br />

um eine Fachkonferenz mit spannenden Workshops<br />

zu besuchen.<br />

«Im digitalen Zeitalter<br />

müssen wir die Gewerkschaften<br />

umso mehr unterstützen»<br />

Hannah Fürstenberg<br />

Für die Zukunft wünsche ich mir, dass sich <strong>syndicom</strong><br />

auch weiterhin für flexible Arbeitsmodelle einsetzt, die es<br />

allen ermöglichen, so zu arbeiten und zu leben, wie es ihnen<br />

am besten passt. Flexible Arbeitszeiten, Vaterschaftsurlaub<br />

und Lohngleichheit tragen dazu bei, dass man sein<br />

Leben unabhängig von veralteten gesellschaftlichen Modellen<br />

planen kann – das sorgt nicht nur für glückliche<br />

Angestellte, sondern auch für effizientere Ergebnisse im<br />

Arbeitsalltag.<br />

«Ich würde gerne –<br />

arbeiten»<br />

Valentina Sinopoli,<br />

Auszubildende bei der<br />

Post, Bellinzona<br />

Wie sehe ich mich in zehn<br />

Jahren? Bei der Post, am<br />

Arbeiten. Ich habe diese<br />

Ausbildung vor zwei Monaten<br />

am Postschalter in<br />

Bellinzona begonnen, und<br />

sie gefällt mir sehr gut, vor<br />

allem der Kontakt zu Menschen.<br />

Nach der Mittelstufe<br />

schrieb ich einen Motivationsbrief an die Post, und<br />

sie haben mich genommen. Es bedeutet mir viel, denn<br />

mein Vater arbeitet für PostAuto. Ehrlich gesagt, ich bin<br />

15 Jahre alt und ich weiss nicht, was die Zukunft mir bringen<br />

wird, aber: Ich würde gerne arbeiten!<br />

«Flexible Arbeitsmodelle und<br />

ein bedingungsloses<br />

Grundeinkommen für alle»<br />

«Ein bedingungsloses<br />

Grundeinkommen für<br />

alle»<br />

Céline Tapis,<br />

Buchhändlerin, Bern<br />

Ich wünsche mir Zufriedenheit,<br />

Genügsamkeit,<br />

weniger Abfall und weniger<br />

Konsum. Ich wünsche<br />

mir mehr Umweltschutz<br />

und ein stärkeres ökologisches<br />

Bewusstsein. Ich<br />

wünsche mir faire Löhne, flexible Berufsmodelle und ein<br />

bedingungsloses Grundeinkommen für alle. Ich wünsche<br />

mir soziale VordenkerInnen, mutige PolitikerInnen und<br />

Menschen, die einander freundlich begegnen. Ich wünsche<br />

mir weniger Grenzen und mehr Mitgefühl.<br />

Ich wünsche mir Freiräume, günstigen Wohnraum<br />

und mehr Zwischennutzungen. Ich wünsche mir mehr<br />

Gespräche auf Augenhöhe, mehr Verständnis, mehr Vertrauen<br />

und weniger Kontrolle. Ich wünsche mir mehr Zuhören<br />

und weniger Drauflosreden. Weniger Zwang, dafür<br />

mehr Liebe. Und ich glaube an den Frieden.<br />

«Den nächsten GAV<br />

PostAuto verbessern»<br />

Bryan Kaltenrieder, Mitglied<br />

der nationalen Betriebskommission<br />

PostAuto, Giez (VD)<br />

Für meine Kollegen und<br />

mich betrifft der wichtigste<br />

Wunsch für die nähere Zukunft<br />

wahrscheinlich den nächsten GAV PostAuto. Wir<br />

müssen unbedingt zurückgewinnen, was wir in den letzten<br />

Verhandlungen verloren haben. Das alte Lohnsystem<br />

und die Treueprämien müssen zurückkommen. Auch das<br />

System der Sechstagewochen soll überprüft werden. In<br />

den grösseren Regiebetrieben gibt es langsam viel zu viele<br />

Wochenenden, die nie kompensiert werden können.<br />

Ausserhalb meiner Arbeit bei PostAuto bin ich daran,<br />

mein kleines Videoproduktions-Unternehmen aufzubauen.<br />

Mein Ziel ist nicht, bei PostAuto aufzuhören. Ich will<br />

aber dieses Hobby zu einem lukrativen Nebenerwerb machen.<br />

Aussagen zur ferneren Zukunft sind schwierig, man<br />

weiss nicht, wie es mit der Firma weitergeht. Möglichkeiten<br />

für eine Weiterentwicklung sind rar und unsicher,<br />

wechseln … ist es anderswo wirklich besser …<br />

Abgesehen von Spinnen und dem Zahnarzt liegen meine<br />

grössten Ängste weiter in der Zukunft: Ich frage mich,<br />

was von der AHV übrig sein wird, wenn ich ins Rentenalter<br />

komme, und vor allem, wann ich mich pensionieren lassen<br />

kann: mit 70? Oder 80?<br />

Wird es meine Arbeit noch geben? Oder wird es nur<br />

noch autonome Fahrzeuge geben? Werde ich in diesem<br />

Alter noch in der Lage sein, zu arbeiten …?<br />

Céline Tapis


Impressum<br />

Redaktion: Sylvie Fischer, Giovanni Valerio,<br />

Marc Rezzonico, Marie Chevalley<br />

Mitarbeit: Rieke Krüger<br />

Tel. 058 817 18 18, redaktion@<strong>syndicom</strong>.ch<br />

Porträts, Zeichnungen: Katja Leudolph<br />

Fotos ohne ©Copyright-Vermerk: zVg<br />

Druck, Layout und Korrektorat: Stämpfli AG, Bern<br />

Adressänderungen: <strong>syndicom</strong>, Adressverwaltung,<br />

Monbijoustrasse 33, Postfach, 3001 Bern<br />

Tel. 058 817 18 18, Fax 058 817 18 17<br />

Inserate: priska.zuercher@<strong>syndicom</strong>.ch<br />

Abobestellung: info@<strong>syndicom</strong>.ch<br />

Abopreis ist im Mitgliederbeitrag inbegriffen. Für<br />

Nichtmitglieder: Fr. 50.– (Inland), Fr. 70.– (Ausland)<br />

Verlegerin: <strong>syndicom</strong> – Gewerkschaft<br />

Medien und Kommunikation, Monbijoustr. 33,<br />

Postfach, 3001 Bern<br />

Das <strong>syndicom</strong>-Magazin erscheint sechsmal im Jahr.<br />

Ausgabe <strong>Nr</strong>. 9 erscheint am 25. Januar 2019.<br />

Redaktionsschluss: 17. Dezember 2018.<br />

31<br />

Mit Reka liegt mehr drin.<br />

Anzeige<br />

Das <strong>syndicom</strong>-Kreuzworträtsel<br />

Gut für alle, die gerne verreisen:<br />

Zu gewinnen gibt es Reka-Geld im Wert<br />

von 50 Franken, gespendet von <strong>unsere</strong>r<br />

Dienstleistungspartnerin Reka.<br />

Das Lösungswort wird in der nächsten<br />

Ausgabe zusammen mit dem Namen der<br />

Gewinnerin oder des Gewinners veröffentlicht.<br />

Lösungswort und Absender<br />

auf einer A6-Postkarte senden an:<br />

<strong>syndicom</strong>-Magazin, Monbijoustrasse 33,<br />

Postfach, 3001 Bern.<br />

Einsendeschluss: 17. Dezember.<br />

Der Gewinner<br />

Die Lösung des <strong>syndicom</strong>-Kreuzworträtsels<br />

aus dem <strong>syndicom</strong>-Magazin<br />

<strong>Nr</strong>. 7 lautet: STREIK. Gewonnen hat<br />

Marcel Stüssi aus Uznach. Die Hotelcard<br />

<strong>unsere</strong>r Partnerin Hotelcard ist unterwegs.<br />

Wir gratulieren herzlich!<br />

«Ich möchte<br />

Vorbild sein.»<br />

John, 20-jährig<br />

Kiserian, Kenia<br />

Erfahre meine Geschichte – www.comundo.org/jugend<br />

Perspektiven ermöglichen: PC 60-394-4


32<br />

Eine kleine<br />

Frage noch<br />

<strong>syndicom</strong> social<br />

Weshalb sind die Kündigungsfristen<br />

bei <strong>syndicom</strong> 6 Monate,<br />

wo doch die meisten Arbeitnehmenden<br />

einer 3­monatigen<br />

Kündigungs frist unterliegen?<br />

Die Mitgliedschaft bei <strong>syndicom</strong> ist nicht an die Zugehörigkeit zu einem<br />

Arbeitgeber oder einer Branche gebunden. Die Dienstleistungen, zu denen<br />

man dank der Mitgliedschaft Zugang hat, können auch oder gerade nach<br />

einem Stellenwechsel oder dem Verlust der Stelle nützlich sein.<br />

Ein Grossteil der anderen Gewerkschaften in der Schweiz hat strengere Kündigungsfristen<br />

als <strong>syndicom</strong>. Meistens wird ein Austritt nur per 31. 12. gewährt.<br />

Bei <strong>syndicom</strong> ist der Austritt während des ganzen Jahres möglich. <strong>syndicom</strong><br />

kommt dem Wunsch nach grösserer Flexibilität also bereits entgegen.<br />

Wie die meisten Vereine ist <strong>syndicom</strong> auf die Mitgliederbeiträge angewiesen.<br />

Mit ihnen wird ein Grossteil der Ausgaben finanziert, wie etwa die Löhne und<br />

die Mieten. Für <strong>syndicom</strong> ist es deshalb wichtig, dass bei den Finanzen eine<br />

mittelfristige Planungssicherheit besteht. Dem trägt die sechsmonatige<br />

Kündigungsfrist Rechnung.<br />

Derzeit sind viele Menschen, die<br />

nicht deutscher, französischer<br />

oder italienischer Muttersprache<br />

sind, in die Schweiz gekommen,<br />

um zu arbeiten: wird <strong>syndicom</strong><br />

dies berücksichtigen? Werden<br />

die Webseite und verschiedene<br />

Dokumente ins Englische und<br />

andere Sprachen übersetzt?<br />

Wir haben gerade erst Texte auf Englisch verfasst, wir<br />

haben dies bereits auf Portugiesisch, Albanisch oder<br />

Serbisch getan, und wir werden es für die erste Kontaktaufnahme<br />

auch weiter tun. Bei Bedarf bieten wir auch gelegentlich<br />

andere Sprachen an.<br />

Wie viele Stunden Überzeit sind<br />

erlaubt bei 40 % Arbeitspensum?<br />

Wie kann die Integration von<br />

Flüchtlingen in den Arbeitsmarkt<br />

gewerkschaftlich organisiert und<br />

gefördert werden?<br />

Die Arbeitsmarktbeteiligung der anerkannten Flüchtlinge<br />

beträgt nach fünf Jahren Aufenthalt etwa 27 %, nach<br />

sieben Jahren liegt die der vorläufig aufgenommenen<br />

Personen und Flüchtlinge bei 45 %. Diese unbefriedigenden<br />

Zahlen rühren auch daher, dass nicht deutlich genug<br />

gesagt wurde, dass Personen mit einer Bewilligung F<br />

erleichterten Zugang zum Arbeitsmarkt haben.<br />

Die Gewerkschaften können das Bewusstsein der Arbeitgeber<br />

schärfen und sich aktiv einsetzen, damit die<br />

Sozial partner Integrationsprogramme aufstellen, und sie<br />

können diese überwachen. Flüchtlingspraktika müssen<br />

ordentlich geregelt und in ein Studium oder eine Ausbildung<br />

integriert werden; eine angemessene Sprachausbildung<br />

ist unerlässlich.<br />

Das Arbeitsrecht legt die Anzahl der zu leistenden Überstunden nicht fest,<br />

das muss von Fall zu Fall überprüft werden. Wenn es notwendig ist, Überstunden<br />

zu leisten, ist die oder der Beschäftigte dazu verpflichtet, soweit dies<br />

für ihn zumutbar ist. Bei Teilzeitbeschäftigten ist zu berücksichtigen, dass sie<br />

noch andere Verpflichtungen haben. Gerne helfen wir dir zu prüfen, ob diese<br />

Kriterien in deinem Fall erfüllt sind (https://<strong>syndicom</strong>.ch/recht/).<br />

Mindestens 80 Prozent der Leute arbeiten weiterhin<br />

in ganz traditionellen Anstellungsverhältnissen.<br />

Steht der Einsatz von <strong>syndicom</strong> in einem angemessenen<br />

Verhältnis zu dieser Tatsache? Werden auch ihre<br />

Interessen noch ausreichend vertreten?<br />

Die Aktionen von <strong>syndicom</strong> für die PostAuto-FahrerInnen<br />

haben schweizweites Aufsehen erregt. PostAuto hatte<br />

die Chauffeure um 2 Millionen an Spesen und Zulagen<br />

betrogen. Die FahrerInnen sind stolz, <strong>unsere</strong>r Gewerkschaft<br />

anzugehören, und haben uns zu den Aktionen<br />

beglückwünscht. Von nationaler Bedeutung sind auch<br />

die jüngst allgemeinverbindlich erklärten Gesamtarbeitsverträge<br />

der Branchen Netzinfrastruktur und Callcenter.<br />

Davon konnten viele «traditionell» Beschäftigte<br />

profitieren.

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