Berliner Kurier 13.11.2018
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
SERIE<br />
Teil 4<br />
Geheimnisvolle<br />
Orte der Stadt<br />
UNTER<br />
BERLIN<br />
Unter Berlin, da liegt<br />
eine geheimnisvolle<br />
Welt der Tunnel und<br />
Gewölbe, der Bunker<br />
und Keller. Es ist das<br />
Reich verborgener<br />
Stadtgeschichten, die<br />
dem tiefen Vergessen<br />
anheimgefallen sind,<br />
und unterirdischer<br />
Anlagen, die, von der<br />
breiten Bevölkerung<br />
gänzlich unbemerkt,<br />
einem öffentlichen<br />
Zweck dienen. Jeden<br />
Besucher versetzen<br />
diese Unterwelten<br />
in ungläubiges<br />
Erstaunen, manch<br />
einen in inbrünstige<br />
Begeisterung. Diese<br />
Serie bringt Licht in<br />
das Dunkel einiger<br />
besonderer Orte<br />
dieser Welt und<br />
offenbart ihre<br />
Geheimnisse.<br />
In den Kammern<br />
des Echos<br />
Die Wasserspeicher<br />
speic<br />
in Prenzlauer er Berg<br />
Von<br />
MICHAEL BRETTIN<br />
Es gluckst und gurgelt,<br />
rumpelt und röchelt,<br />
plitscht und platscht.<br />
Kommen die Geräusche<br />
aus der vorderen oder der<br />
hinteren Kammer?<br />
Das Licht spielt einem auch<br />
Streiche. In jeder Kammer,<br />
zweieinhalb mal zweieinhalb<br />
Meter flächig, hängt eine dieser<br />
kellertypischen Lampen,<br />
deren ovale Schirme in Metallkörbchen<br />
stecken. Ihre<br />
Leuchtkräfte schwanken; sie<br />
zeichnen mal scharfe, mal<br />
schemenhafte Schattenrisse.<br />
Hallo, -allo, lo, -o ..? Herr<br />
Rollmann, -mann, -an, -n ..?<br />
Die Wände, verwaschenes<br />
Ziegelmauerwerk, bis zu sechs<br />
Meter hoch, werfen sich die<br />
Wortfetzen zu, immer und immer<br />
wieder.<br />
Und eine der Kammern hat<br />
Herrn Rollmann geschluckt.<br />
Der Kammergang, die Rundbögen,<br />
das Tonnengewölbe:<br />
Das Bauwerk könnte eine<br />
frühchristliche Krypta oder eine<br />
römische Katakombe oder<br />
eine etruskische Grabkammer<br />
sein –alles in allem ein Totenreich.<br />
Hallo, -allo, lo, -o ..?<br />
Niemand ist zu sehen, Herr<br />
Rollmann ist jetzt aber zu hören.<br />
„Es ist ein übererdetes<br />
Bauwerk, es gilt daher als unterirdisch.“<br />
Seine Stimme<br />
hallt. „Das Wasser stand hier<br />
früher bis zur<br />
Decke.“ Er<br />
taucht wieder<br />
auf, in einer<br />
Kammer, in<br />
der sich ein dickes<br />
Rohr von der Decke bis<br />
zum Boden krümmt, rostgebräunt,<br />
versiegelt. „Ein alter<br />
Wasserzulauf.“<br />
Die Wände werfen<br />
sich Wortfetzen zu,<br />
immer wieder<br />
Großer Wasserspeicher<br />
heißt der Bau; er befindet sich<br />
unter einem Hügel, der umschlossen<br />
ist von Belforter,<br />
Diedenhofer und Kolmarer<br />
Straße sowie Knaackstraße in<br />
Prenzlauer<br />
Berg; der Kleine<br />
Wasserspeicher<br />
liegt<br />
gleich nebenan.<br />
Und Niko<br />
Rollmann ist Vorsitzender des<br />
Vereins unter-berlin, der in<br />
den Speichern Führungen<br />
macht.<br />
Bis vor gut hundert Jahren<br />
speicherte das große Rund, das<br />
einen Durchmesser von fast 40<br />
Metern hat, Wasser; heute<br />
speichert es Klänge. Das Bauwerk<br />
besteht aus fünf gemauerten<br />
Ringen: einem äußeren<br />
Ring, in dem sich 35 miteinander<br />
verbundene Kammern<br />
aneinanderreihen, und vier innen<br />
gelegenen Ringen (Ringkammern),<br />
die dreieinhalb<br />
Meter breit sind. Ihr Nebeneinander<br />
bewirkt eine einmalige<br />
Akustik: Echo-Effekte, die<br />
an jeder Stelle anders sind.