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258. Ausgabe, ET 17.11.2018

Das Spiel des Sturen: Horst Seehofer fühlt sich nach 38 Jahren in „herausgehobenen Positionen“ in seiner CSU frei genug, um seinen Rückzug vom Parteivorsitz zwar anzukündigen, aber auch zeitlich vage zu halten. Der Mann kann auch jetzt noch pokern. Von Michael Zäh

Das Spiel des Sturen: Horst Seehofer fühlt sich nach 38 Jahren in „herausgehobenen Positionen“ in seiner CSU frei genug, um seinen Rückzug vom Parteivorsitz zwar anzukündigen, aber auch zeitlich vage zu halten. Der Mann kann auch jetzt noch pokern. Von Michael Zäh

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4 YPERN GEDENKEN ERSTER WELTKRIEG<br />

Samstag, 17. November 2018<br />

Fotos: Neithard Schleier<br />

Zweisprachige Aufklärung: Die jungen Spieler<br />

aus Emmendingen und Newark erfahren vom<br />

Schrecken des Krieges. Foto: Neithard Schleier<br />

Zeichen der Freundschaft<br />

Friedensspiel zwischen Emmendingen und Newark. Zum Jahrestag des Endes des Ersten Weltkriegs stellten junge Deutsche<br />

und Briten ein historisches Ereignis nach. Sie erfahren von den jungen Männern damals. Reisetagebuch von David Künzler<br />

Anlässlich des 100. Jahrestags<br />

des Endes des ersten<br />

Weltkrieges reiste die Erste<br />

Mannschaft des FC Emmendingen<br />

zum Friedensspiel (eng. „truce game“)<br />

gegen den Newark Town F.C.<br />

nach Ypern in Belgien. Organisiert<br />

wurde dies vom Ersten Vorsitzenden<br />

des FCE Renzo Düringer, dem<br />

Vertreter der Stadt Emmendingen<br />

Jo Saar und dem Vorsitzenden des<br />

Partnerschaftsvereins Hanspeter<br />

Hauke. Außerdem begleitete der<br />

für die Vereinsbetreuung der Stadt<br />

Emmendingen zuständige Fachbereichsleiter<br />

und Stadtarchivar Hans-<br />

Jörg Jenne die Reise, sowie Vorstand<br />

Dieter Rees und Fotograf Neithard<br />

Schleier. Unterstützt wurde die Reise<br />

des FCE auch vom Auswärtigen Amt.<br />

So begab sich die Emmendinger<br />

Delegation am Freitag den 09.11.<br />

um 7 Uhr früh auf die Reise nach<br />

Belgien, wo man nach rund neun<br />

Stunden Fahrt in der Jugendherberge<br />

Peace Village im kleinen Örtchen<br />

Mesen ankam. Fast zeitgleich traf<br />

dort außerdem die Delegation aus<br />

der Emmendinger Partnerschaft<br />

Newark-on-Trent ein.<br />

Nach einem gemeinsamen Abendessen<br />

ging es um 18:30 per Bus<br />

ins rund 10 km entfernte Ypern<br />

um dann ebenfalls gemeinsam am<br />

Menen-Tor am sogenannten „Last<br />

Post“ mit einer Kranzniederlegung<br />

teilzunehmen. Dieser Last Post ist ein<br />

militärischer Zapfenstreich, welcher<br />

seit Ende des ersten Weltkriegs - nur<br />

durch den zweiten Weltkrieg unterbrochen<br />

- jeden Tag vor den Augen<br />

zahlreicher Zuschauer stattfindet.<br />

Das Menen-Gate wurde zu Ehren<br />

der gefallenen britischen Soldaten<br />

errichtet und trägt die Namen von<br />

rund 250.000 gefallenen britischen<br />

Soldaten eingraviert in den Stein. An<br />

kaum einer Stelle des beeindruckenden<br />

Bauwerks gibt es eine blankes<br />

Stück Stein, was dem Betrachter<br />

die große Zahl der Gefallenen erst<br />

annähernd begreifbar macht.<br />

Wimpel, Fanschals: Wo 1914 das „Friedensspiel“ stattfand, legen Fußballfans<br />

Zeugnis ab. Neben Schützengräben. Fotos: Neithard Schleier<br />

Nach Ende des Last-Post stand<br />

der Rest des Abends in Ypern zu<br />

freier Verfügung, was die Spieler<br />

zu ausführlichen Erkundungstouren<br />

durch die Clubs, Bars und<br />

Pubs der flämischen Stadt nutzten.<br />

Hierbei wurden selbstverständlich<br />

auch einige belgische Biersorten<br />

mehr oder weniger fachmännisch<br />

goutiert, systematisch getestet und<br />

für gut befunden. Im weiteren<br />

Verlauf des Abends traf man dann<br />

schließlich auf die Mannschaft des<br />

Newark Town F.C., welche - durch<br />

ihre blauen Trainingsjacken eindeutig<br />

gekennzeichnet - ebenfalls<br />

die Clubszene der Stadt unsicher<br />

machte. Dabei entpuppten sich<br />

einige Spieler des FCE als wahre<br />

Sprachtalente, die mit fortschreitender<br />

Zeit scheinbar immer besser<br />

(und flüssiger) Englisch sprachen,<br />

während bereits einige Wetten und<br />

Vorhersagen für das Friedensspiel<br />

abgeschlossen wurden.<br />

Der zweite Tag der Reise am Samstag<br />

den 10.11., stand ganz im Zeichen<br />

einer zweisprachigen Darstellung<br />

des Historiker Johan Ryheul<br />

welcher die Führung des Tages<br />

übernahm und durch die verschiedenen<br />

historisch bedeutsamen<br />

Stätten führte. Die Delegationen<br />

beider Städte wurden bei dieser Gelegenheit<br />

mit Hintergrundwissen<br />

zu den fünf Schlachten von Ypern<br />

sowie dem Verlauf des Krieges in<br />

der Region versorgt.<br />

Anschließend machte sich die<br />

deutsch-englische Reisegruppe<br />

auf den Weg zur zentralen Stätte<br />

des Wochenendes, den Ort des<br />

legendären ersten Friedensspiels<br />

während des Weihnachtsfriedens<br />

(eng. christmas truce) 1914, als sich<br />

deutsche und englische Soldaten<br />

aus ihren Schützengräben heraus<br />

wagten und gemeinsam Weihnachten<br />

feierten, Lieder sangen,<br />

Geschenke austauschten und für<br />

eine kurze Zeit die Grausamkeiten<br />

des Krieges hinter sich lassen<br />

konnten. Dieses sagenumwobene<br />

Spiel fand aus heutiger Sicht im<br />

wahrsten Sinne des Wortes auf<br />

einem Acker statt: das Holzkreuz,<br />

welches heute die historische Stätte<br />

markiert, steht am Rande eines<br />

Feldes auf dem beim Besuch<br />

der Delegationen hüfthohe Rüben<br />

wuchsen. Wenige hundert Meter<br />

weiter befindet sich auch die von<br />

der UEFA errichtete Stätte, welche<br />

ebenfalls an das Spiel erinnern<br />

soll. Da die historische Bedeutung<br />

des Spiels Fußballfans aus aller<br />

Welt anzieht, liegen unzählige<br />

Fußbälle, Trikots, Wimpel und Fanschals<br />

vor der Gedenktafel. Um die<br />

Gedenkstätte herum befinden sich<br />

außerdem gut erhaltene originale<br />

Schützengraben (trenches), mit den<br />

dazugehörigen Bunkern (pillboxes)<br />

welche der sehr authentische Vortrag<br />

von Johan Ryheul eindrücklich<br />

mit Leben füllte. Er schaffte<br />

es immer wieder, den Schrecken<br />

des Krieges für seine Zuhörer<br />

greifbar zu machen.Als nächstes<br />

führte Johan seine Gruppe auf den<br />

Essex Farm Cemetry, einen der<br />

700 Friedhöfe mit Kriegsgräbern<br />

gefallener Soldaten. Am großen<br />

zentralen Denkmal des Friedhofs<br />

fanden sich anschließend beide<br />

Delegationen der Partnerstädte zu<br />

einem gemeinsamen Foto zusammen,<br />

welches allen Beteiligten als<br />

Erinnerung an die eindrucksvolle<br />

Reise dienen wird.<br />

Am Morgen des 11.11. pflanzte<br />

das Team des Peace Village vor<br />

dem Haupteingang einen Friedensbaum.<br />

Das Freidensspiel selbst endete<br />

dann 2:2. Das Elfmeterschiegewannen<br />

dann zu jedermanns<br />

Erstaunen die Engländer. Es waren<br />

sich alle Beteiligten einig, dass<br />

nicht das Ergebnis im Vordergrund<br />

stand, sondern das Spiel einzig und<br />

allein als Zeichen der Freundschaft<br />

diente. Und tatsächlich wurden<br />

auch Freunde gewonnen.<br />

HINTERGRUND<br />

Fußball statt<br />

Kugeln<br />

Wie kam es eigentlich dazu,<br />

dass der FC Emmendingen<br />

nun schon zum zweiten Mal an<br />

einem „Friedensspiel“ im belgischen<br />

Ypern teilnahm? Die Lösung<br />

ist verblüffend einfach:<br />

Englische Historiker haben in<br />

den Kriegs-Aufzeichnungen eines<br />

britischen Soldaten einen<br />

Hinweis auf ein unglaubliches<br />

Ereignis gefunden, das sich an<br />

Weihnachten 1914 zugetragen<br />

hat. Dort nämlich sollen sich die<br />

verfeindeten Soldaten der Deutschen<br />

und der Briten zusammen<br />

gefunden haben, um an Weihnachten<br />

ein Fußballspiel gegeneinander<br />

auszutragen, anstatt sich<br />

weiter mit Kugeln und Granaten<br />

zu bekämpfen, mitten im Krieg,<br />

einfach so. Der Soldat, von dem<br />

diese Aufzeichnungen gefunden<br />

wurde, stammt aus Newark, was<br />

wiederum die Partnerstadt der<br />

Kreisstadt Emmendingen ist. Folglich<br />

kam die Anfrage aus Newark<br />

an Emmendingen, ob man nicht<br />

symbolisch an jenem Ort ein Fußballspiel<br />

austragen könne, wo das<br />

Ereignis 2014 stattfand, nämlich<br />

im belgischen Ypern. So kam es,<br />

dass der FC Emmendingen, unterstützt<br />

von der Stadt Emmendingen<br />

und sogar vom Auswärtigen Amt<br />

in Berlin sowohl 2014 (Anfang des<br />

Ersten Weltkrieges, wo das Ereignis<br />

an Weihnachten auch stattgefunden<br />

hat) wie auch jetzt 2018<br />

(zum Gedenken an das Ende des<br />

Ersten Weltkrieges) nach Ypern<br />

reiste, um ein „Friedensspiel“ zu<br />

absolvieren. Der FCE-Spieler David<br />

Künzler hat dabei ein Tagebuch<br />

geführt, das hier – stark gekürzt –<br />

eine Innenansicht der Reise liefert.<br />

Michael Zäh

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