Leseprobe aus "MARIA THERESIA - erzählt für Kinder"
JULIE GEHT
INS MUSEUM
Nora Rath-Hodann . Nikolay Uzunov
MARIA
THERESIA
ERZÄHLT FÜR KINDER
Aus der Serie JULIE GEHT INS MUSEUM
Nora Rath-Hodann . Nikolay Uzunov
MARIA THERESIA
erzählt für Kinder
Leseprobe: Kapitel 6 (Auszug)
„Maria Theresia sagte einmal selbst, dass sie alles, was sie erreicht hatte, der Wahl ihrer
Berater schulde. Jedoch war sie selbst ebenso fleißig. Auf ihrem Schreibtisch türmten sich
Berge von Papier. Um ihre langen Arbeitstage durchzuhalten, ließ sich die Kaiserin oft Kaffee
und Kipferl (Backware) bringen. Da passierte es manchmal, dass ihre Akten schmutzig
wurden. In einem ihrer Briefe vermerkte sie am Rand, dass sie sich für den Kaffeefleck
entschuldige, den sie hinterlassen hatte. Für Spaziergänge ließ sie sich sogar eine Art
Umhänge-Schreibtisch bauen, den sie an einem Gurt um den Hals trug. Nachts, wenn
es wieder einmal spät wurde, musste ein Diener mit ihr wach bleiben, um stündlich die
heruntergebrannte Kerze auf ihrem Schreibtisch zu wechseln. Kurz gesagt: Maria Theresia
war ein Arbeitstier.
Auch die Schwangerschaften hielten sie nicht ab – wenn ihr das Gehen zu anstrengend
wurde, ließ sie sich einfach auf einem Tragesessel transportieren.
Die Tage der Kaiserin waren sorgfältig eingeteilt: Sie sollte um 8 Uhr morgens aufstehen,
was sie aber meist bereits zwischen 4 Uhr und 6 Uhr tat. Danach sollte die Morgentoilette
(Waschen und Anziehen) folgen, wofür sie sich allerdings nur wenig Zeit nahm. Es folgte
eine katholische Messe. Zum Frühstück erschien die Kaiserin immer pünktlich, da sie keinen
kalten Kaffee mochte. Vor dem eigentlich geplanten Beginn des Arbeitstages um 9.30
Uhr sollte noch die Besprechung mit den Ajas und Ajos über Kindererziehung und -pflege
stattfinden. Nach dem Mittagessen um 13 Uhr und etwas Ruhe blieb noch Zeit für einen
Besuch bei den Kindern. Um 16 Uhr sollte es mit der Arbeit weitergehen. Allerdings saß
Maria Theresia meist schon früher wieder am Schreibtisch, weshalb das Spielen mit den
Kindern manchmal zu kurz kam.
Nach den Audienzen – das ist ein Termin, bei dem man etwas mit der Kaiserin besprechen
durfte – folgte wieder eine kirchliche Lesung. Der Tag sollte mit einem leichten Abendessen
um 19.30 Uhr enden. Gab es Feste, so sollten diese um 21 Uhr beginnen. Schlafenszeit wäre
spätestens um 24 Uhr.“
„Bis Mitternacht wäre ich auch gerne wach.“
„Ja, ich weiss, aber du hast meistens am nächsten Tag Schule.“
„Na und? Maria Theresia musste ja auch arbeiten!“, ergänzt Julie trotzig.
„Jetzt kann ich nur sagen: Wenn du einmal älter bist, darfst du das auch selbst
entscheiden.“ Julie mag diese Antwort gar nicht, aber sie hat derzeit wohl keine Wahl.
„Das mit dem pünktlichen Schlafengehen klappte allerdings auch bei der Kaiserin nicht
immer. Maria Theresia feierte nämlich sehr gerne. Sie tanzte als junge Frau oft Nächte
hindurch – was gar nicht so einfach war, denn Feste dauerten nur so lange, wie die vielen
tausend Wachskerzen brannten. Deshalb ließ man sie immer wieder austauschen. Je mehr
Kerzen es waren, desto schlimmer wurde es jedoch mit der Patzerei: Denn das Wachs
tropfte von den Lustern auf die prachtvolle Kleidung und die Perücken der Gäste. Das muss
eigentlich unangenehm gewesen sein ...
Maria Theresia liebte Bälle jedenfalls. Vor allem mochte sie es, sich zu verkleiden und dann
unbemerkt durch Wien zu streifen. Auch für eine Runde Pharo, einem Kartenspiel, war sie
immer zu begeistern. Sie verspielte oft sehr große Geldsummen, wenn sie jedoch gewann,
verschenkte sie die Gewinne – und das konnten Geld, Schmuck und sogar Häuser sein!
Wie du schon weißt, aß die Kaiserin auch sehr gerne. Ich habe einmal von einer Suppe
gehört, die alle der folgenden Zutaten enthielt: Rind- und Kalbfleisch, Schweinefleisch,
Geselchtes (geräuchertes Fleisch), Wild, Ochsenleber, Hammelfleisch (Schaf), Kalbsfüße,
Enten, Gänse, Wildgänse, Rebhühner, Tauben, Hühner, Gemüse und Gewürze.“
„Was, das alles in nur einer Suppe?“
„Ja. Ich glaube, das ist ein gutes Beispiel dafür, in welchem Überfluss die Monarchen
damals lebten. Auch wenn diese Suppe nur zubereitet wurde, wenn wirklich zahlreiche
Gäste mitaßen, blieb von den Gerichten viel übrig. Manche Diener nahmen sich jedoch ganz
frech schon etwas von der Tafel (langer Tisch), bevor das Essen beendet war.
Einmal soll Maria Theresia gesehen haben, wie ein Bediensteter mit einem Fisch unter der
Jacke das Zimmer verließ. Doch sie nahm es ihm nicht übel, sondern merkte lachend an,
dass er sich entweder eine größere Jacke anziehen oder einen kleineren Fisch mitnehmen
solle. An dieser Geschichte kann man erkennen, dass die Regentin eine großzügige Person
war.“
Leseprobe aus: MARIA THERESIA- erzählt für Kinder. ISBN 978-3-9504065-5-9
Text von Nora Rath-Hodann . Illustrationen von Nikolay Uzunov
© JGIM Verlag, Wien . www.jgim-verlag.com