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neue Regierung müssen sich Rassisten nicht mehr verstecken<br />
– sie haben jetzt quasi Back-up von oben.“ sagt T-Ser.<br />
Ob der Rassismus in Österreich durch die neue Regierung<br />
salonfähiger geworden ist? Egal ob es das E-Card-Ali-Video<br />
der FPÖ, das ständige Köcheln rund ums Kopftuch durch die<br />
Regierung oder das Posten problematischer Inhalte durch<br />
FPÖ-Politiker ist: Auch im Alltag und auf der Straße steigt die<br />
Bereitschaft, dem Hass freien Lauf zu lassen, so die Aktivisten.<br />
„Rassistisch veranlagte Menschen fühlen sich durch die<br />
neue Regierung quasi darin legitimiert, ihre verachtenden<br />
Ansichten zu äußern und diesen Rassismus zu leben’’, sagt<br />
die Journalistin Nour Khelifi. Sie selbst hat tunesische Wurzeln<br />
und trägt ein Kopftuch. „Plötzlich sagen Leute, die man schon<br />
lange kennt, Dinge, die sie sich vor ein paar Jahren nie getraut<br />
hätten von sich zu geben“, sagt sie. Angst,<br />
Neid und Missgunst sind laut Khelifi die<br />
ausschlaggebenden Elemente dafür, dass<br />
jemand sich rassistisch verhält. Und davon<br />
bekommt sie als sichtbare Muslima oft<br />
etwas mit. „Ich werde im Zuge meiner<br />
Arbeit oft zuerst auf mein Kopftuch reduziert,<br />
bevor ich als Reporterin wahrgenommen<br />
werde“, sagt sie. Ob schiefe Blicke<br />
in den Öffis, Extrakontrollen am Flughafen<br />
oder Erstaunen über ihr einwandfreies<br />
Deutsch: „Oft stoße ich auf Verwunderung,<br />
wenn die Menschen merken, dass<br />
ich mich gut artikulieren kann, die Sprache<br />
beherrsche und auch sonst eine normale<br />
Bürgerin bin“, erklärt sie. Doch woher<br />
kommt der Rassismus überhaupt und<br />
wieso wird er von vielen Menschen im Jahr 20<strong>18</strong> noch gelebt?<br />
„Niemand kommt als Rassist auf die Welt. Menschen<br />
werden zu Rassisten gemacht“, sagt der Wiener Politologe und<br />
Aktivist Rami Ali. Er selbst hat ägyptische Wurzeln und auch<br />
ihm sind laut eigener Aussage Erfahrungen mit Rassismus<br />
nicht fremd. „Menschen werden hineingeboren in ein System,<br />
dessen Institutionen, dessen Sprache von Rassismus geprägt<br />
ist. Für viele erfüllt Rassismus eine ganz simple Funktion:<br />
Aufwertung des Selbst durch Abwertung des „Anderen“. Man<br />
müsse dann laut dem Politologen nur an die geschichtlichen<br />
Darstellungen der oder des „Anderen“ denken, die dann in der<br />
Regel schwarz waren.<br />
„Man muss sich nur ansehen, wie Afrikaner von Europäern<br />
„<br />
NIEMAND<br />
KOMMT ALS<br />
RASSIST<br />
AUF DIE<br />
WELT<br />
“<br />
seit jeher dargestellt wurden. Ich denke, dass das bis heute<br />
nicht aktiv aufgearbeitet wurde“, sagt T-Ser dazu.<br />
„DER ÖVP-RASSISMUS IST<br />
UNTERSCHWELLIGER“<br />
Fakt ist, dass rassistisch motivierte Vorfälle in Österreich<br />
immer öfter zur Anzeige gebracht werden. Ob das eine Reaktion<br />
auf das Handeln der momentanen Regierung ist? Rassismus<br />
hat „keinen Platz“ in der FPÖ – behauptet Vizekanzler<br />
und FPÖ-Chef Strache. Dennoch schafft es die Partei immer<br />
wieder in die Schlagzeilen, weil Politiker, Mitarbeiter und<br />
Anhänger mit rassistischen Äußerungen oder Übergriffen auf<br />
sich aufmerksam machen.<br />
„In den letzten Jahren gab es so gut wie regelmäßig<br />
rassistische ‚Einzelfälle‘. Die FPÖ bedient<br />
sich nicht nur rassistischer Grundhaltungen<br />
in der Gesellschaft, nein, sie<br />
trägt maßgeblich zu deren Verbreitung<br />
bei, indem sie Feindbilder postuliert,<br />
Angst schürt und gegen Minderheiten<br />
– allen voran die muslimische – hetzt“,<br />
sagt Aktivist Rami Ali dazu. „Wenn<br />
Gudenus davon spricht, dass es ein<br />
‚Bekenntnis zu einem weißen Europa‘<br />
braucht, dann ist das offener, ungeschminkter<br />
Rassismus. Wenn Sujets, in<br />
denen es um die Kürzung von sozialen<br />
Leistungen, um Betrug im Gesundheitssektor<br />
oder um die Kürzung des Kindergelds<br />
für im Ausland lebende Kinder<br />
meist mit kopftuchtragenden Muslimas<br />
bebildert werden, dann ist das klassischer antimuslimischer<br />
Rassismus und Feindbildetablierung. Die FPÖ bedient damit<br />
ein ganz spezifisches, hoch-emotionalisiertes, von Angst<br />
durchtriebenes Klientel“, findet er.<br />
Die ÖVP hingegen bedient laut Ali ein anderes Klientel,<br />
indem sie zu eben diesen rassistischen Ausfällen des Koalitionspartners<br />
oft schweigt. „Der ÖVP-Rassismus ist unterschwelliger,<br />
schicker, quasi mit Krawatte – angepasst an die<br />
WählerInnenschaft, die vielleicht oft ähnlich wie ein Strache<br />
denkt, der dieser aber doch zu ungezogen und forsch ist“,<br />
fasst der Aktivist zusammen.<br />
Er will aber nicht warten, bis sich von selbst etwas in der<br />
Politik und damit auch in der Zivilgesellschaft ändert. Des-<br />
AN WEN KANN ICH MICH WENDEN, WENN ICH DISKRIMINIERUNG ERFAHRE?<br />
SPRICH <strong>DA</strong>RÜBER: Egal, ob du deine<br />
Erfahrung oder einen Vorfall einer<br />
vertrauten Person, einem Lehrer/einer<br />
Lehrerin, deinem besten Freund oder<br />
deiner Mama erzählst: Wichtig ist es,<br />
nicht zu schweigen.<br />
SCHAU NICHT WEG: Wenn du siehst,<br />
dass eine Person in deinem Umfeld<br />
oder auch nur in deinem Blickfeld<br />
diskriminiert wird, schreite ein. Frage<br />
die Person, wie du helfen kannst. Das<br />
ist insbesondere wichtig, wenn es sich<br />
bei dem Opfer um eine jüngere oder<br />
schwächere Person handelt.<br />
SOCIAL MEDIA: Teile deine Erfahrungen<br />
mit Rassismus und Diskriminierung<br />
auf Social Media – heutzutage<br />
sind soziale Medien und das Internet<br />
eine gute Plattform, um sich auszutauschen.<br />
#nichtmituns<br />
„WIR SIND ANDERS ALS DIE<br />
GENERATION UNSERER ELTERN“<br />
Faika El-Nagashi, Politikerin<br />
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