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BIBER 11_18 DA_AR (1)

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neue Regierung müssen sich Rassisten nicht mehr verstecken<br />

– sie haben jetzt quasi Back-up von oben.“ sagt T-Ser.<br />

Ob der Rassismus in Österreich durch die neue Regierung<br />

salonfähiger geworden ist? Egal ob es das E-Card-Ali-Video<br />

der FPÖ, das ständige Köcheln rund ums Kopftuch durch die<br />

Regierung oder das Posten problematischer Inhalte durch<br />

FPÖ-Politiker ist: Auch im Alltag und auf der Straße steigt die<br />

Bereitschaft, dem Hass freien Lauf zu lassen, so die Aktivisten.<br />

„Rassistisch veranlagte Menschen fühlen sich durch die<br />

neue Regierung quasi darin legitimiert, ihre verachtenden<br />

Ansichten zu äußern und diesen Rassismus zu leben’’, sagt<br />

die Journalistin Nour Khelifi. Sie selbst hat tunesische Wurzeln<br />

und trägt ein Kopftuch. „Plötzlich sagen Leute, die man schon<br />

lange kennt, Dinge, die sie sich vor ein paar Jahren nie getraut<br />

hätten von sich zu geben“, sagt sie. Angst,<br />

Neid und Missgunst sind laut Khelifi die<br />

ausschlaggebenden Elemente dafür, dass<br />

jemand sich rassistisch verhält. Und davon<br />

bekommt sie als sichtbare Muslima oft<br />

etwas mit. „Ich werde im Zuge meiner<br />

Arbeit oft zuerst auf mein Kopftuch reduziert,<br />

bevor ich als Reporterin wahrgenommen<br />

werde“, sagt sie. Ob schiefe Blicke<br />

in den Öffis, Extrakontrollen am Flughafen<br />

oder Erstaunen über ihr einwandfreies<br />

Deutsch: „Oft stoße ich auf Verwunderung,<br />

wenn die Menschen merken, dass<br />

ich mich gut artikulieren kann, die Sprache<br />

beherrsche und auch sonst eine normale<br />

Bürgerin bin“, erklärt sie. Doch woher<br />

kommt der Rassismus überhaupt und<br />

wieso wird er von vielen Menschen im Jahr 20<strong>18</strong> noch gelebt?<br />

„Niemand kommt als Rassist auf die Welt. Menschen<br />

werden zu Rassisten gemacht“, sagt der Wiener Politologe und<br />

Aktivist Rami Ali. Er selbst hat ägyptische Wurzeln und auch<br />

ihm sind laut eigener Aussage Erfahrungen mit Rassismus<br />

nicht fremd. „Menschen werden hineingeboren in ein System,<br />

dessen Institutionen, dessen Sprache von Rassismus geprägt<br />

ist. Für viele erfüllt Rassismus eine ganz simple Funktion:<br />

Aufwertung des Selbst durch Abwertung des „Anderen“. Man<br />

müsse dann laut dem Politologen nur an die geschichtlichen<br />

Darstellungen der oder des „Anderen“ denken, die dann in der<br />

Regel schwarz waren.<br />

„Man muss sich nur ansehen, wie Afrikaner von Europäern<br />

„<br />

NIEMAND<br />

KOMMT ALS<br />

RASSIST<br />

AUF DIE<br />

WELT<br />

“<br />

seit jeher dargestellt wurden. Ich denke, dass das bis heute<br />

nicht aktiv aufgearbeitet wurde“, sagt T-Ser dazu.<br />

„DER ÖVP-RASSISMUS IST<br />

UNTERSCHWELLIGER“<br />

Fakt ist, dass rassistisch motivierte Vorfälle in Österreich<br />

immer öfter zur Anzeige gebracht werden. Ob das eine Reaktion<br />

auf das Handeln der momentanen Regierung ist? Rassismus<br />

hat „keinen Platz“ in der FPÖ – behauptet Vizekanzler<br />

und FPÖ-Chef Strache. Dennoch schafft es die Partei immer<br />

wieder in die Schlagzeilen, weil Politiker, Mitarbeiter und<br />

Anhänger mit rassistischen Äußerungen oder Übergriffen auf<br />

sich aufmerksam machen.<br />

„In den letzten Jahren gab es so gut wie regelmäßig<br />

rassistische ‚Einzelfälle‘. Die FPÖ bedient<br />

sich nicht nur rassistischer Grundhaltungen<br />

in der Gesellschaft, nein, sie<br />

trägt maßgeblich zu deren Verbreitung<br />

bei, indem sie Feindbilder postuliert,<br />

Angst schürt und gegen Minderheiten<br />

– allen voran die muslimische – hetzt“,<br />

sagt Aktivist Rami Ali dazu. „Wenn<br />

Gudenus davon spricht, dass es ein<br />

‚Bekenntnis zu einem weißen Europa‘<br />

braucht, dann ist das offener, ungeschminkter<br />

Rassismus. Wenn Sujets, in<br />

denen es um die Kürzung von sozialen<br />

Leistungen, um Betrug im Gesundheitssektor<br />

oder um die Kürzung des Kindergelds<br />

für im Ausland lebende Kinder<br />

meist mit kopftuchtragenden Muslimas<br />

bebildert werden, dann ist das klassischer antimuslimischer<br />

Rassismus und Feindbildetablierung. Die FPÖ bedient damit<br />

ein ganz spezifisches, hoch-emotionalisiertes, von Angst<br />

durchtriebenes Klientel“, findet er.<br />

Die ÖVP hingegen bedient laut Ali ein anderes Klientel,<br />

indem sie zu eben diesen rassistischen Ausfällen des Koalitionspartners<br />

oft schweigt. „Der ÖVP-Rassismus ist unterschwelliger,<br />

schicker, quasi mit Krawatte – angepasst an die<br />

WählerInnenschaft, die vielleicht oft ähnlich wie ein Strache<br />

denkt, der dieser aber doch zu ungezogen und forsch ist“,<br />

fasst der Aktivist zusammen.<br />

Er will aber nicht warten, bis sich von selbst etwas in der<br />

Politik und damit auch in der Zivilgesellschaft ändert. Des-<br />

AN WEN KANN ICH MICH WENDEN, WENN ICH DISKRIMINIERUNG ERFAHRE?<br />

SPRICH <strong>DA</strong>RÜBER: Egal, ob du deine<br />

Erfahrung oder einen Vorfall einer<br />

vertrauten Person, einem Lehrer/einer<br />

Lehrerin, deinem besten Freund oder<br />

deiner Mama erzählst: Wichtig ist es,<br />

nicht zu schweigen.<br />

SCHAU NICHT WEG: Wenn du siehst,<br />

dass eine Person in deinem Umfeld<br />

oder auch nur in deinem Blickfeld<br />

diskriminiert wird, schreite ein. Frage<br />

die Person, wie du helfen kannst. Das<br />

ist insbesondere wichtig, wenn es sich<br />

bei dem Opfer um eine jüngere oder<br />

schwächere Person handelt.<br />

SOCIAL MEDIA: Teile deine Erfahrungen<br />

mit Rassismus und Diskriminierung<br />

auf Social Media – heutzutage<br />

sind soziale Medien und das Internet<br />

eine gute Plattform, um sich auszutauschen.<br />

#nichtmituns<br />

„WIR SIND ANDERS ALS DIE<br />

GENERATION UNSERER ELTERN“<br />

Faika El-Nagashi, Politikerin<br />

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/ POLITIKA / 19

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