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Künstler-Magazin 01-2019

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Verbandsnachrichten / Tipps<br />

www.kuenstler-magazin.de<br />

Wann ist Nachbars Musik<br />

nicht mehr auszuhalten?<br />

Roland Voges<br />

Ruhe da drüben!<br />

Wann ist Nachbars Musik<br />

nicht mehr auszuhalten?<br />

Nicht jeder Musiker hat nun einmal<br />

Probenräume, die sich im<br />

Gewerbegebiet am Ortsrand<br />

befinden, oder tief im Wald oder<br />

sonstwo weitab von empfindlichen<br />

Nachbarohren. Und üben<br />

muss er dennoch, jedenfalls<br />

dann, wenn er als Profi seinen<br />

Job gern behalten will. Da sind<br />

Konflikte also vorprogrammiert.<br />

Es kann halt der Begabteste<br />

nicht in Frieden üben, wenn es<br />

dem sensiblen Nachbarn nicht<br />

gefällt.<br />

Solche Fälle landen gern bei<br />

Gericht. Nachbarstreitigkeiten<br />

sind in unserer Kolumne hier<br />

zwar eher kein Grundsatzthema,<br />

aber wenn es um Kunstausübung<br />

und Kunstunterricht<br />

geht, dann schon. Solch ein Fall<br />

ging ja vor einigen Wochen<br />

durch die Presse:<br />

Der BGH hatte sich in höchster<br />

Instanz mit einem Berufsmusiker<br />

zu befassen, einem Orchestertrompeter,<br />

der regelmäßig<br />

daheim in seinem Reihenhaus<br />

probte. Und an zwei Stunden<br />

pro Woche gab er auch seinen<br />

Musikschülern Unterricht. Die<br />

Wände des Hauses waren baualtersgemäß,<br />

also eher dünn,<br />

der Schallschutz dürftig. Seine<br />

direkten Nachbarn wollten es<br />

nicht länger ertragen, mit solcher<br />

Klangkulisse zwangsbeglückt<br />

zu werden. Erschwerend<br />

kam dort ein durch Nachtarbeit<br />

bedingtes besonderes Tagesruhebedürfnis<br />

hinzu, ferner ein erlittener<br />

Hörsturz, dessen Begründung<br />

man sich denken<br />

kann. Dessen eingedenk möge<br />

der Musikus sein Haus so dämmen,<br />

dass es nebenan leise ist,<br />

oder er solle eben selbst leise<br />

sein.<br />

Der Streit über das zumutbare<br />

Maß der Hausmusik ging also<br />

zunächst zum Amtsgericht<br />

Augsburg und dieses hatte viel<br />

Verständnis für die genervten<br />

Nachbarn. Womöglich hatte der<br />

zuständige Richter eigene traumatische<br />

Erfahrungen, wer<br />

weiß… So wurde der Trompeter<br />

zur umfänglichen Nachisolierung<br />

verdonnert, auf dass man<br />

von ihm nichts mehr höre, ungeachtet<br />

der damit verbundenen<br />

hohen Kosten. Das mochte er<br />

freilich nicht hinnehmen und so<br />

war das Augsburger Landgericht<br />

am Zuge. Es ließ sich vor<br />

Ort instruktiv beschallen, worauf<br />

es flugs von jedem Schallschutzversuch<br />

Abstand nahm,<br />

dem Musikus den häuslichen<br />

Unterricht gleich vollständig verbot<br />

und ihn für seine Proben auf<br />

den Dachboden schickte, wo allein<br />

er zehn Stunden pro Woche<br />

üben dürfe. Und ein wenig am<br />

Wochenende vor schwierigen<br />

Aufführungen. Mehr nicht.<br />

Solcherart in die Schranken gewiesen<br />

wollte der Trompeter<br />

nun klare Worte aus Karlsruhe<br />

haben. Keinesfalls lasse er sich<br />

zum Musizieren "in den Dachboden<br />

sperren", solches vertrage<br />

sich nicht mit dem Grundrecht<br />

auf freie Entfaltung seine<br />

Persönlichkeit.<br />

Der BGH wog die Für und Wider<br />

in seiner Weisheit ab und<br />

beschied, dass die Vorinstanz<br />

zu streng geurteilt habe, siehe<br />

Urteil vom 26.10.2<strong>01</strong>8 - V ZR<br />

143/17. Die Persönlichkeitsrechte<br />

beider Nachbarn, die sowohl<br />

das Musizieren als auch<br />

die ruhige Entspannung in der<br />

eigenen Wohnung umfassen,<br />

müssten fair gegeneinander abgewogen<br />

werden nach dem<br />

Maßstab des "verständigen<br />

Durchschnittsmenschen". Diese<br />

Abwägung laufe darauf hinaus,<br />

das Musizieren zeitlich zu begrenzen.<br />

Zwei bis drei Stunden<br />

Probenbetrieb an Wochentagen,<br />

auch ein bis zwei Stunden<br />

an Sonn- und Feiertagen seien<br />

angemessen und für den ruhebedürftigen<br />

Nachbarn hinnehmbar.<br />

Nicht nur auf dem Dachboden<br />

wohlgemerkt, sondern in<br />

den Wohnräumen. Die üblichen<br />

Ruhezeiten in der Mittags- und<br />

Nachtzeit müssen dabei eingehalten<br />

werden. Ein praktisch<br />

vollständiger Ausschluss des<br />

Musizierens in den Abendstunden<br />

und an den Wochenenden<br />

sei nicht zulässig. Dass der Beklagte<br />

Berufsmusiker ist, spiele<br />

bei Anwendung der allgemeinen<br />

Richtwerte keine Rolle, ein Profimusiker<br />

habe nicht mehr, aber<br />

auch nicht weniger Rechte als<br />

ein Laienspieler. Auf die Qualität<br />

der Musik kommt es auch nicht<br />

an. Schließlich seien im akzeptablen<br />

Rahmen auch Musikstunden<br />

zulässig, die ein Musiker<br />

als Musiklehrer gebe.<br />

Das Landgericht Augsburg wird<br />

sich dem Trompeter nun unter<br />

Beachtung der aufgestellten allgemeinen<br />

BGH-Grundsätze erneut<br />

zuzuwenden haben. Wir<br />

dürfen alle gespannt sein, mit<br />

welchem Ergebnis. Und ob wir<br />

über kurz oder lang von einer<br />

erneuten Revision zum BGH lesen<br />

werden, weil es immer noch<br />

keinen Frieden gibt.<br />

Der Blechbläserfall spielte sich<br />

zwischen Nachbarn ab, die jeweils<br />

Eigentümer ihrer Reihenhausscheibe<br />

sind. Freilich dürften<br />

die obigen Grundsätze entsprechend<br />

auch in Mietshäusern<br />

gelten. Hausordnungen<br />

dürfen das Musizieren nur insoweit<br />

beschränken, als es unzumutbare<br />

Störungen des Hausfriedens<br />

zu verhindern gilt. Ansonsten<br />

ist Musizieren eben<br />

"von erheblicher Bedeutung für<br />

die Lebensfreude und das Gefühlsleben",<br />

so der BGH, es<br />

muss als Ausdruck sinnstiftender<br />

Persönlichkeitsentfaltung<br />

erlaubt bleiben.<br />

Rechtsanwalt Roland Voges<br />

Präsident und Justitiar IFSU<br />

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