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HINTERGRUND<br />
2018 ertranken<br />
2262 Menschen<br />
Fast drei Wochen treiben<br />
ein <strong>Berliner</strong> und ein weiteresdeutsches<br />
Hilfsschiff<br />
schon auf dem Mittelmeer.<br />
An Bord sind 49 Flüchtlinge,<br />
die vorder libyschen<br />
Küste aus Seenot gerettet<br />
wurden. Die Lage spitzt<br />
sich zu. Die Schiffe dürfen<br />
nicht ans europäische<br />
Festland, da sich EU-Staaten<br />
über die Aufnahme der<br />
Geretteten streiten. 2018<br />
starben 2262 Menschen<br />
bei der Flucht übers Meer.<br />
DasHilfsschiff„Sea<br />
Watch 3“ (39 Meter lang)<br />
auf Rettungsfahrtvor der<br />
libyschen Küste.<br />
Menschlichkeit<br />
Ärztin Verbena Bothe (30)<br />
in Seenot<br />
<strong>Berliner</strong> Ärztin Verbena Bothe war an Bord der „Sea Watch 3“, die mit 32 Flüchtlingen im Mittelmeer treibt<br />
Von<br />
NORBERT KOCH-KLAUCKE<br />
Wie die Menschlichkeit<br />
auf hoher See<br />
gerade strandet, hat<br />
Verbena Bothe (30) hautnah<br />
erlebt. Die Neuköllnerin war<br />
als Ärztin auf der „Sea Watch<br />
3“, die vor Weihnachten 32<br />
Flüchtlinge aus einem<br />
Schlauchboot rettete, das vor<br />
der libyschen Küste in Seenot<br />
geraten war. Seit 19 Tagen sitzt<br />
das Schiff der <strong>Berliner</strong> Hilfsorganisation<br />
Sea Watch nun im<br />
Mittelmeer fest. So wie die<br />
„Professor Albrecht Penck“ der<br />
deutschen Organisation Sea-<br />
Eye, die kurz vor Jahreswechsel<br />
17 Menschen aus einem<br />
kleinen Holzboot rettete. Beiden<br />
Hilfsschiffen wurde es von<br />
Anrainerstaaten untersagt, einen<br />
Hafen anzulaufen, um dort<br />
die Geretteten von Bord zu lassen.<br />
Keiner will die Menschen.<br />
Nun treiben sie auf den Hilfsschiffen<br />
vor der Küste von Malta<br />
in eine ungewisse Zukunft.<br />
Dass die Ärztin der „Sea<br />
Watch 3“ wieder in ihrer Heimat<br />
ist, verdankt sie einem<br />
Crew-Wechsel mittels eines<br />
Versorgungsschiffes. „Es ist ein<br />
blödes Gefühl, dass ich die<br />
Menschen verlassen musste“,<br />
sagt Verbena Bothe. Doch der<br />
Austausch der Mannschaft war<br />
notwendig. „Wir brauchten ein<br />
frisches Team. Die Situation an<br />
Bord ist nicht nur für die<br />
Flüchtlinge dramatisch, sie<br />
zerrt auch an unseren Kräften.“<br />
Die Ärztin berichtet, dass die<br />
32 Flüchtlinge wegen Platzmangels<br />
auf engstem Raum<br />
campieren, sich eine Toilette<br />
teilen müssen. Darunter sind<br />
drei Kinder. Das jüngste, ein<br />
Mädchen, ist gerade ein Jahr<br />
alt. „Unser Schiff ist auf eine<br />
längere Unterbringung von so<br />
vielen Menschen nicht ausgerichtet“,<br />
sagt die Ärztin. Im<br />
Normalfall hätte man die Geretteten<br />
sofort an der europäischen<br />
Küste von Bord gelassen.<br />
Wegen des schlechten Wetters<br />
und des starken Wellenganges<br />
auf dem offenen Meer<br />
litten in den vergangenen Tagen<br />
viele Flüchtlinge an der<br />
Seekrankheit. „Bei gesunden<br />
Menschen wäre das kein Problem“,<br />
sagt die Ärztin. „Aber bei<br />
den geschwächten Flüchtlingen<br />
kann das ständige Übergeben<br />
zu einer lebensbedrohlichen<br />
Situation führen.“ Dazu<br />
käme, dass vitaminreiche Nahrung<br />
an Bord kaum ausreichend<br />
vorhanden sei.<br />
Ähnlich sei die Lage auf dem<br />
Sea-Eye-Schiff. „Dort muss wegen<br />
der defekten Trinkwasseraufbereitungsanlage<br />
das Trinkwasser<br />
rationiert werden“, sagt<br />
Sprecher Erik Marquardt.<br />
Dank eines Versorgungsschiffes<br />
wurden am vergangenen<br />
Wochenende die Vorräte auf<br />
den Hilfsschiffen notdürftig<br />
aufgebessert.