SuchtMagazin Nr. 2|2013 (Vol. 39)
Erreichtes und offene Fragen | Aktives Altern | Substanzkonsum der älteren Bevölkerung | Nationale Projekte | Alkohol im Alter: Erfahrungen und Good Practices | Projekt Via: Erreichbarkeit in der Gesundheitsförderung | Projekt Sensor: Frühintervention | Prävention im Alterszentrum und in der Spitex | Diagnostik und Beratung
Erreichtes und offene Fragen | Aktives Altern | Substanzkonsum der älteren Bevölkerung | Nationale Projekte | Alkohol im Alter: Erfahrungen und Good Practices | Projekt Via: Erreichbarkeit in der Gesundheitsförderung | Projekt Sensor: Frühintervention | Prävention im Alterszentrum und in der Spitex | Diagnostik und Beratung
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Sucht im Alter<br />
Erreichtes und offene Fragen | Aktives Altern | Substanzkonsum der älteren Bevölkerung | Nationale Projekte |<br />
Alkohol im Alter: Erfahrungen und Good Practices | Projekt Via: Erreichbarkeit in der Gesundheitsförderung |<br />
Projekt Sensor: Frühintervention | Prävention im Alterszentrum und in der Spitex | Diagnostik und Beratung |<br />
<strong>2|2013</strong>
Inhaltsverzeichnis<br />
Dossier: sucht im alter<br />
4 Sucht im Alter: Erreichtes und offene Fragen<br />
Ambros Uchtenhagen<br />
9 Aktives Altern: Die Produktion des<br />
zuverlässigen und flexiblen Menschen<br />
Klaus R. Schroeter<br />
13 Substanzkonsum der älteren<br />
Bevölkerung der Schweiz<br />
Luca Notari, Marina Delgrande Jordan, Gerhard Gmel<br />
17 Sucht im Alter: Projekte auf nationaler Ebene<br />
Regula Hälg<br />
22 Alkohol im Alter: Erfahrungen und Good Practices<br />
Corina Salis Gross, Severin Haug<br />
25 Gesundheitsförderung im Alter:<br />
Wie erreichen wir alle?<br />
Eva Soom Ammann, Renate Gurtner, Corina Salis Gross<br />
29 Projekt Sensor – Frühintervention bei<br />
Suchtgefährdung im Alter<br />
Christina Meyer<br />
32 Suchtprävention im Alterszentrum<br />
und in der Spitex<br />
Heidi Zimmermann Heinrich<br />
37 Alkoholabhängigkeit im Alter –<br />
Herausforderung für Diagnostik und Beratung<br />
Bernadette Ruhwinkel<br />
28,40,44 Bücher zum Thema<br />
41 Fotoserie: Alltag im Alter Oliver Susami<br />
43 Rezension: Qualitätsentwicklung in Projekten<br />
der Gesundheitsförderung und Prävention<br />
Martin Hafen<br />
44 Bücher zum Thema<br />
46 Veranstaltungen<br />
47 Newsfl ash<br />
Bilder dieser Ausgabe<br />
Oliver Susami<br />
(Jg. 1978), Fotograf und Soziologe, lebt in Köln. www.oliversusami.de<br />
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Editorial<br />
Liebe Leserin, lieber Leser<br />
Impressum<br />
Erscheinungsweise:<br />
6 Ausgaben pro Jahr<br />
<strong>39</strong>. Jahrgang<br />
Druckauflage: 1’400 Exemplare<br />
Kontakt: <strong>SuchtMagazin</strong>,<br />
Redaktion, Konstanzerstrasse 13,<br />
CH-8280 Kreuzlingen,<br />
Telefon +41 (0)71 535 36 14,<br />
info@suchtmagazin.ch,<br />
www.suchtmagazin.ch<br />
Herausgeber: Infodrog, Eigerplatz 5,<br />
Postfach 460, CH-3000 Bern 14<br />
Abonnemente:<br />
Infodrog, Telefon +41 (0)31 376 04 01,<br />
abo@suchtmagazin.ch<br />
Inserate: www.suchtmagazin.ch/<br />
mediadaten.pdf<br />
Inserateschluss Ausgabe 3|2013:<br />
25. Mai 2013<br />
Redaktionsleitung: Marcel Krebs<br />
Redaktionskomitee:<br />
Toni Berthel, Corinne Caspar, Simon<br />
Frey, Marianne König, Corina Salis<br />
Gross, Sandra Wüthrich<br />
Gestaltung dieser Nummer:<br />
Marcel Krebs<br />
Lektorat: Marianne König,<br />
Gabriele Wolf<br />
Layout: Roberto da Pozzo<br />
Druck: SDV GmbH,<br />
D-66793 Saarwellingen<br />
Vertrieb: Stiftung Wendepunkt,<br />
CH-4665 Oftringen<br />
Jahresabonnement:<br />
Schweiz CHF 90.–, Europa € 75.–,<br />
Kollektivabonnement ab 5 Stück<br />
CHF 70.–, Schnupperabonnement<br />
(3 Ausgaben) CHF 30.–, Europa € 25.–<br />
Einzelnummer:<br />
Schweiz CHF 18.–, Europa € 13.–<br />
Kündigungsfrist:<br />
1 Monat, Kündigung jeweils auf Ende<br />
Kalenderjahr<br />
Bankverbindung: Gesundheitsstiftung<br />
Radix, Infodrog, CH-8006<br />
Zürich, Swiss Post, PostFinance,<br />
Nordring 8, CH-3030 Bern<br />
Kto-<strong>Nr</strong>. 85-364231-6<br />
IBAN CH9309000000853642316<br />
BIC POFICHBEXXX<br />
Clearing: 09000<br />
ISSN: 1422-2221<br />
«Sucht im Alter» ist im <strong>SuchtMagazin</strong> bereits seit einigen Jahren ein thematischer<br />
Schwerpunkt. Die Ausgabe 3/2009 legte den Fokus auf stationäre Kontexte und betreutes<br />
Wohnen, während das Heft 3/2010 inhaltlich breiter angelegt war. Es ging u. a. um ethische<br />
Fragen beim Umgang mit Suchtverhalten im Alter und Lebensqualität als zentraler Faktor. Wie<br />
süchtiges Verhalten sich auch ohne professionelle Hilfe verändern kann und wie Prävention<br />
sowie Früherkennung eine Chance haben, waren weitere wichtige Themen.<br />
Bei beiden Ausgaben wurde deutlich, dass nicht nur ein Informationsmangel bei den<br />
AkteurInnen in Betreuung und Gesundheitspolitik besteht, sondern ebenso sehr ein Mangel an<br />
wissenschaftlichen Grundlagen, welche sachdienliche Information generieren. Damit war die<br />
Perspektive naheliegend, die zum vorliegenden dritten Heft über Sucht im Alter führte: einen<br />
Einblick in neue Forschungsprojekte und -erfahrungen zu geben, die bei der Praxisgestaltung<br />
von Bedeutung sind. Themen sind eine verbesserte Erkennung von Suchtproblemen im Alter,<br />
das verbesserte Erreichen benachteiligter Zielgruppen und gut vernetzte altersgerechte<br />
Früherkennung und Frühintervention.<br />
Dabei ist es uns ein Anliegen, die Thematik nicht nur auf den Suchtbereich zu beschränken. Es<br />
gilt, weiteren Fachbereichen wie z. B. der Altershilfe im Allgemeinen oder spezialisierten<br />
Bereichen wie der Geriatrie die Wichtigkeit dieser Thematik bewusst zu machen, damit ältere<br />
Menschen mit Suchtproblemen oder einer Suchtgefährdung geeignete Unterstützung<br />
erhalten. Die Frage nach dem Umgang unserer Gesellschaft mit dem Konsum von<br />
psychoaktiven Substanzen wird sich voraussichtlich noch akzentuieren. Zum einen wird davon<br />
ausgegangen, dass die Gruppe der älteren Menschen mit Suchtmittelproblemen zahlenmässig<br />
zunehmen wird. Zum anderen kann die Haltung gegenüber dem Suchtmittelkonsum nicht<br />
ausschliesslich den Institutionen überlassen werden, von denen ältere Menschen aufgrund<br />
altersbedingter Veränderungen und Einschränkungen in der Mobilität abhängig sein können.<br />
Wir vertreten die Ansicht, dass gerade auch im Alter eine suchtmittelfreie Gesellschaft nicht<br />
realistisch ist. Somit ist weder eine Kultur des Verbietens (durch mitunter paternalistische<br />
Ansätze) noch eine Haltung zielführend, die jeglichem Suchtmittelkonsum nur zusieht (und<br />
demzufolge einem älteren suchtmittelabhängigen Menschen jegliche Veränderungsbereitschaft<br />
abspricht). Ältere Menschen sollen Zugang zu Informationen über den Konsum von<br />
psychoaktiven Substanzen und dessen Auswirkungen im Alter haben. Auch sollen sie bei einer<br />
Suchtgefährdung oder bei Suchtproblemen angesprochen werden. Ältere Menschen sollen<br />
darauf hingewiesen werden, dass eine Behandlung von Suchtproblemen auch im Alter möglich<br />
ist, dass sie erfolgsversprechend ist, insbesondere auch dann, wenn die Problematik erst<br />
später entstanden ist, und dass sie zu einer Verbesserung der Lebensqualität beitragen kann.<br />
Ältere Menschen haben wie alle anderen das Recht zu entscheiden, ob sie ihre<br />
Konsumgewohnheiten verändern wollen oder nicht, und ihre Entscheidung ist grundsätzlich<br />
zu akzeptieren – soweit dies aufgrund der institutionellen Rahmenbedingungen und unter<br />
Berücksichtigung der individuellen Verhältnisse möglich ist.<br />
Für den Einstieg in diese Nummer empfehlen wir die Lektüre des Beitrags von Ambros<br />
Uchtenhagen. Er gibt einerseits einen Überblick über die Anstrengungen, die zu dieser<br />
Thematik in den letzten Jahren unternommen wurden. Andererseits fi nden sich auch ein<br />
Kommentar zu den Beiträgen in diesem Heft und ein Ausblick auf künftige Herausforderungen.<br />
Wir wünschen eine anregende Lektüre<br />
Regula Hälg, Marcel Krebs und Corina Salis Gross<br />
Redaktionskomitee <strong>SuchtMagazin</strong><br />
Per Ende 2012 sind Carlo Fabian, Ruth Hagen und Charlotte Kläusler-Senn aus dem Redaktionskomitee<br />
zurückgetreten. Wir danken ihnen an dieser Stelle für ihre aktive Mitarbeit<br />
ganz herzlich. Seit diesem Jahr sind neu Corinne Caspar (RADIX) und Simon Frey (Sucht<br />
Schweiz) dazugekommen. Wir freuen uns auf die künftige Zusammenarbeit.<br />
<strong>SuchtMagazin</strong> <strong>2|2013</strong> 3
Dossier: sucht im Alter<br />
Sucht im Alter: Erreichtes<br />
und offene Fragen<br />
In den letzten Jahren ist das Thema «Sucht im Alter» besser wahrgenommen<br />
und angegangen worden, was sich an vielen Beispielen zeigen lässt. Trotzdem<br />
gilt das keineswegs generell; viele relevante Akteure im Alters- und im Suchtbereich<br />
haben andere Schwerpunkte. Das vorliegende Heft legt im Unterschied<br />
zu den früheren Themenheften den Fokus auf Projekte, die auf Grund neuer<br />
Zielsetzungen neue Konzepte und neue Erfahrungen generieren. Sie betreffen<br />
eine verbesserte Erkennung von Suchtproblemen im Alter, eine verbesserte<br />
Erreichung marginaler Zielgruppen und gut vernetzte altersgerechte Früherkennung<br />
und Frühintervention. Nächste Schritte sollten eine Wirkungsanalyse<br />
solcher Projekte, eine Evaluation der Umsetzung neuer Arbeitsinstrumente<br />
und Weiterbildung, sowie die Klärung ethischer Konfliktsituationen und<br />
rechtlicher Fragen im Kontext des neuen Erwachsenenschutzrechtes sein.<br />
Ambros Uchtenhagen<br />
Prof. Dr. med. et phil. I, Stiftungsratsversitzender Schweizer Institut für Suchtund<br />
Gesundheitsforschung ISGF, Konradstrasse 32, Postfach, CH-8031 Zürich,<br />
uchtenhagen@isgf.uzh.ch, www.isgf.ch<br />
Schlagwörter:<br />
Substitution | Alter | Situationsanalyse | Schweiz |<br />
Forschung | Projekte | Herausforderungen |<br />
Einleitung: wo stehen wir?<br />
Noch vor wenigen Jahren war vielenorts zu vernehmen, das<br />
Thema Suchtverhalten im Alter sei vernachlässigt. Teilweise<br />
scheint die Botschaft angekommen zu sein. Dafür zeugen die<br />
Beiträge zu diesem Heft, aber nicht nur. Ein paar Beispiele<br />
seien erwähnt (ohne Anspruch auf <strong>Vol</strong>lständigkeit):<br />
– Zwei Expertenberichte zum Stand der Dinge wurden<br />
vom BAG in Auftrag gegeben. 1 Der Bericht von Sucht<br />
Schweiz beinhaltet auf Grundlage der Schweizerischen<br />
Gesundheitsbefragung (SGB) 2007 eine Sekundäranalyse<br />
des Alkoholkonsums der über 60-Jährigen. Der Bericht<br />
des ISGF ist eine Exploration erfolgversprechender<br />
Massnahmen zur Reduktion des problematischen<br />
Alkoholkonsums bei älteren Menschen in der Schweiz.<br />
– Eine Übersicht über gezielte Aktivitäten ist auf<br />
www.infoset.ch zugänglich. 2<br />
– Infodrog hat in Zusammenarbeit mit Sucht Schweiz, der<br />
Forel Klinik und der Zürcher Fachstelle zur Prävention<br />
des Alkohol- und Medikamentenmissbrauchs ZüFAM<br />
eine internetbasierte Wissensplattform «Alter und<br />
Sucht» (www.alterundsucht.ch und www.alkoholim-alter.ch)<br />
mit Informationen zu Alkohol im Alter<br />
erarbeitet. 3<br />
– Die ZüFAM hat einen Online-Leitfaden entwickelt,<br />
der sich an Institutionen, und insbesondere an<br />
Mitarbeitende auf Führungsebene richtet. Der Leitfaden<br />
verfolgt ein ganzheitliches Vorgehen für Interventionen<br />
im Betrieb, von der frühzeitigen Erfassung bis zu den<br />
konkreten Abläufen. Der Online-Leitfäden lässt sich über<br />
die von der ZüFAM betriebenen Website<br />
www.suchtimalter.ch fi nden. 4<br />
– Das Institut Alter der Berner Fachhochschule führte<br />
Ende 2012 zum Thema Sexualität und Sucht eine<br />
Weiterbildungsveranstaltung durch. 5<br />
– Die Schweizerische Gesellschaft für Suchtmedizin<br />
SSAM führte vergangenes Jahr eine Tagung durch zum<br />
Thema Langzeitabhängigkeit und Altern (Schicksale und<br />
Probleme Drogenabhängiger, die in die Jahre kommen). 6<br />
– Das Magazin «laut & leise» der Stellen für<br />
Suchtprävention im Kanton Zürich hat ihre aktuelle<br />
Ausgabe (1/2013) dem Thema Sucht im Alter gewidmet.<br />
Es enthält u. a. Neues zum gesellschaftlichen Wandel<br />
des Alters und dessen Relevanz für das Suchtthema,<br />
Hinweise auf Informationsquellen, Forschung und<br />
Zusammenarbeit im Kanton (z. B. Expertenforum für<br />
Altersalkoholismus), sowie einen Bericht aus der<br />
Spitexregion rechtes Limmattal über die Umsetzung<br />
des Projektes «Suchtprävention, Früherkennung<br />
und Frühintervention». 7 Auch haben die Stellen für<br />
Suchtprävention eine Reihe hilfreicher Broschüren zum<br />
Thema publiziert, die einfach zu erhalten sind. 8<br />
– Pro Senectute des Kantons Zürich hat<br />
nicht nur verschiedene einschlägige<br />
Weiterbildungsveranstaltungen durchgeführt,<br />
sondern auch 2012 in Zusammenarbeit mit Radix eine<br />
Gesundheitsbefragung für Gemeinden erarbeitet. Zum<br />
Angebot Gesundheitsförderung «aktiv altern» gehört<br />
auch ein Modul «Suchtprävention – Umgang mit<br />
Suchtmitteln»; diese Gesundheitsbefragung kommt in<br />
verschiedenen Gemeinden zum Einsatz. 9<br />
Im deutschsprachigen Umfeld hat das Thema ebenfalls an<br />
Bedeutung gewonnen. Sucht im Alter war Thema des Schwerpunktjahres<br />
2006 der Deutschen Hauptstelle für Suchtfragen;<br />
4 <strong>SuchtMagazin</strong> <strong>2|2013</strong>
diese hat eine Internetseite mit Informationen und Materialien<br />
zum Thema eingerichtet. 10 Das Bundesministerium für<br />
Gesundheit fi nanzierte 2010-12 acht Modellprojekte zur Sensibilisierung<br />
und Qualifi zierung von Fachkräften in der Altenund<br />
Suchthilfe mit 1,2 Mio. und beschloss eine Fortsetzung<br />
für 2013. Ziel dieser zweiten Förderphase sind die dauerhafte<br />
Implementierung der bisher erprobten Ansätze und die Bündelung<br />
der Ergebnisse. 11<br />
Allerdings scheint die Thematik weitherum keine Priorität<br />
zu haben, sehr im Gegensatz zum Ausbau geriatrischer<br />
Versorgung und Forschung allgemein. Eine vom Zentrum für<br />
Gerontologie an der Universität Zürich durchgeführte umfangreiche<br />
Befragung in Altersheimen erwähnt die Problematik des<br />
Suchtmittelgebrauchs mit keinem Wort. 12 Die umfangreiche<br />
Liste von Publikationen und Vorträgen auf der Homepage des<br />
Zentrums für Gerontologie erwähnt in vereinzelten Beiträgen<br />
Rauchen und Alkoholkonsum als gesundheitliche Risikofaktoren,<br />
aber ich habe keinen einzigen Beitrag aus den letzten<br />
fünf Jahren entdecken können, der sich mit dieser Problematik<br />
näher befasst. Dasselbe gilt für die Liste der Publikationen<br />
des Instituts Alter an der Berner Fachhochschule; die einzige<br />
Ausnahme ist die erwähnte Weiterbildungsveranstaltung zum<br />
Thema Sexualität und Sucht. 13 Im Programm von «Gesundheitsförderung<br />
Schweiz» gibt es kein für unser Thema relevantes<br />
Projekt. Das Departement Gesundheit der Zürcher<br />
Hochschule für angewandte Wissenschaften (ZHAW) erwähnt<br />
weder in der Pfl egeausbildung und Weiterbildung noch in der<br />
Liste der Forschungsprojekte unser Thema. 14 Das Kompetenzzentrum<br />
«Generationen» der Fachhochschule St. Gallen hat<br />
diverse Projekte zum Thema «innovative Wohnformen im<br />
Alter» durchgeführt. Allerdings hat keines der Projekte den<br />
Schwerpunkt auf unser Thema gelegt. 15 Das Institut für Soziale<br />
Arbeit und Gesundheit (ISAGE) der Fachhochschule Nordwestschweiz<br />
(FHNW) enthält zwar einen Schwerpunkt «Sucht, Psychische<br />
Gesundheit, Ethische Entscheidungsfi ndung», aber<br />
nicht speziell im Alter, 16 und die Hochschule für Soziale Arbeit<br />
weist in einer umfangreichen Liste von Forschungsprojekten<br />
einige zu Suchtproblemen bei Jugendlichen, aber keines zur<br />
entsprechenden Problematik im Alter auf. 17 Auch im Bereich<br />
der speziellen Suchtforschung bildet unser Thema keine Priorität.<br />
Vielmehr stehen Fragestellungen im Vordergrund, welche<br />
das Jugendalter und das Erwachsenenalter betreffen, aus<br />
naheliegendem präventivem Interesse und weil Suchtfolgen<br />
im sogenannt aktiven Alter wesentlich mehr als gesundheitliche<br />
Folgen haben (z. B. Stellenverlust, Entfremdung in Familie<br />
und Freundeskreis).<br />
Was spiegelt die nach wie vor festzustellende Abwesenheit<br />
der Suchtmittelproblematik im Rahmen einer intensivierten<br />
und erstaunlich vielfältigen Beschäftigung mit Gesundheitsproblemen<br />
im fortgeschrittenen Alter? Zum einen sicher die<br />
bekannte Ambivalenz im Ansprechen dieser Thematik, die<br />
wohl mitverantwortlich ist dafür, dass die wissenschaftlich<br />
nachgewiesenermassen erfolgreichen Frühinterventionen<br />
bei schädlichem Alkoholkonsum in Ärzteschaft und Spitälern<br />
Mühe haben, Fuss zu fassen. Zum andern aber kann es auch<br />
verstanden werden als eine bemerkenswerte Konsequenz aus<br />
der Erkenntnis, dass es zu einem grossen Teil psychosoziale,<br />
materielle, strukturelle Faktoren sind, welche ein Suchtverhalten<br />
fördern, und dass deshalb die Beschäftigung mit diesen<br />
Faktoren der Lebensqualität noch wichtiger ist als mit dem<br />
Suchtverhalten selber, gerade im Hinblick auf Prävention und<br />
Gesundheitsförderung.<br />
Entwicklung der Schwerpunkte<br />
Das <strong>SuchtMagazin</strong> hat sich schon früher um das Thema<br />
verdient gemacht. Das Schwerpunktheft 3/2009 widmete sich<br />
insbesondere den veränderten Phänomenen des Alterns, der<br />
Besonderheit und Zweckmässigkeit von Behandlungsansätzen<br />
im fortgeschrittenen Alter, aber auch den Formen und<br />
Problemen einer Betreuung zuhause sowie einer stationären<br />
Unterbringung von Betagten mit Suchtproblemen in Heimen.<br />
Damit erhielt die Bedeutung von Wohnform und Lebensräumen<br />
einen angemessenen Stellenwert. Das Heft wurde ergänzt<br />
durch eine Fotoreportage einschliesslich Interviews mit<br />
Betroffenen.<br />
Schon ein Jahr später erschien ein weiteres Schwerpunktheft<br />
(3/2010). Grundsätzliches wurde konkret angesprochen: ethische<br />
Fragen beim Umgang mit Suchtverhalten im Alter und<br />
Lebensqualität als zentraler Faktor. Wie süchtiges Verhalten<br />
sich auch ohne professionelle Hilfe verändern kann und wie<br />
Prävention sowie Früherkennung eine Chance haben. Aber<br />
auch neue Herausforderungen kamen zur Sprache, wie der<br />
zunehmende Konsum von Kokain und Opiaten im Alter und in<br />
Zusammenhang mit dem Älterwerden von Drogenabhängigen.<br />
Ein Hinweis auf die Pionierrolle der Zürcher Fachstelle zur Prävention<br />
des Alkohol- und Medikamentenmissbrauchs ZüFAM<br />
und ihre Internetplattform www.suchtimalter.ch unterstrich<br />
die Absicht der Redaktion, die Informationslage für Professionelle<br />
zu verbessern.<br />
Gleichzeitig wurde deutlich, dass nicht nur ein Informationsmangel<br />
bei den AkteurInnen in Betreuung und Gesundheitspolitik<br />
besteht, sondern ebenso sehr ein Mangel an wissenschaftlichen<br />
Projekten, welche sachdienliche Information<br />
generieren. Damit war die Perspektive naheliegend, die zum<br />
vorliegenden dritten Heft über Sucht im Alter führte: einen Einblick<br />
in neue Forschungsprojekte und -erfahrungen zu geben,<br />
die bei der Praxisgestaltung von Bedeutung sind.<br />
Beiträge 2013<br />
Epidemiologie<br />
Der Beitrag von Notari, Del Grande Jordan und Gmel basiert<br />
auf den Daten des Suchtmonitoring Schweiz aus dem<br />
Jahr 2011. Diese wurden ergänzt durch detaillierte Analysen<br />
nach Alter und Geschlecht. Die epidemiologischen Befunde<br />
bestätigen weitgehend frühere Ergebnisse. Ihre Repräsentativität<br />
ist dadurch eingeschränkt, dass es sich um telefonische<br />
Erhebungen handelte und deshalb institutionalisierte und behinderte<br />
Personen nicht erfasst wurden. Ein für die Prävention<br />
relevanter Befund ist das Ausmass des vermehrten chronisch<br />
risikoreichen Alkoholkonsums nach dem Pensionierungsalter.<br />
Rauschtrinken und Rauchen hingegen nehmen bei beiden Geschlechtern<br />
deutlich ab. Ebenfalls bestätigt hat sich der kontinuierlich<br />
zunehmende (fast) tägliche Konsum von starken<br />
Schmerz-, Schlaf- und Beruhigungsmitteln, bei rund einem<br />
Siebtel der Befragten kombiniert mit täglichem Alkoholkonsum.<br />
Die zum Teil erheblichen Geschlechtsunterschiede legen<br />
für die Prävention eine gendersensitive Interventionsstrategie<br />
nahe.<br />
Der Suchtmonitor erhebt keine Angaben zur subjektiven Beurteilung<br />
des Suchtmittelkonsums, d. h. wir wissen nicht, wie<br />
viele und welche Personen ihre gesundheitliche Situation mit<br />
ihrem Konsum in Zusammenhang sehen und diesen allenfalls<br />
auch verändern möchten. Auch der Stellenwert des Konsums<br />
für die eigene Lebensqualität wird nicht erfragt, noch wissen<br />
wir über allfällige Risikofaktoren Bescheid. Das könnte für die<br />
<strong>SuchtMagazin</strong> <strong>2|2013</strong> 5
Dossier: Sucht im Alter<br />
Prävention weitere Anhaltspunkte liefern.<br />
Der Suchtmonitor trennt Alterseffekte und Kohorteneffekte<br />
nicht voneinander. Die Generation der sog. Baby Boomers hatte<br />
in der Jugend andere Konsumgewohnheiten als die Generationen<br />
zuvor, woraus sich Konsequenzen für das Konsumverhalten<br />
und Konsumfolgen im Alter ergeben. 18<br />
Dazu kommt, dass die Grenzwerte für riskanten Alkoholkonsum<br />
bei Erwachsenen ab dem 60. Altersjahr nicht mehr gelten,<br />
insbesondere in Verbindung mit gleichzeitigem Medikamentenkonsum.<br />
19<br />
Erkennen und Erreichen der Zielgruppe<br />
Ruhwinkel weist in ihrem Beitrag nachdrücklich darauf<br />
hin, dass angemessene Screening-Instrumente für die Betagten,<br />
welche «auch den regelmässigen Umgang mit Alkohol<br />
in niedriger Dosierung und in Kombination mit Medikamenten<br />
erfragen und den körperlichen Zustand des Menschen<br />
mit einberechnen», bisher nicht vorliegen. Die Diagnostik des<br />
problematischen Alkoholkonsums in dieser Altersgruppe ist<br />
dadurch erschwert. Auch wird dessen Beurteilung sogar bei<br />
Fachleuten durch subjektive Altersbilder beeinfl usst, oft mit<br />
der Konsequenz, nichts zu unternehmen, ja das Problem nicht<br />
einmal anzusprechen. Den Nachweis, dass es im Gegensatz<br />
zu dieser «nihilistischen» Haltung sinnvolle und erfolgreiche<br />
Vorgehensweisen gibt, liefert ein eindrückliches Fallbeispiel.<br />
Das Problem der Erreichbarkeit benachteiligter Populationen<br />
spricht der Beitrag von Soom Ammann, Gurtner und Salis<br />
Gross an. Im interkantonalen Projekt «Via – Best Practice<br />
Gesundheitsförderung im Alter», dem derzeit zehn Kantone<br />
angeschlossen sind, wurden Wege für einen erleichterten Zugang<br />
zu benachteiligten Gruppierungen erarbeitet. Eine umfangreiche<br />
Liste von Empfehlungen liegt vor und Beispiele konkreter<br />
Umsetzung in Pilotgemeinden werden dargestellt um<br />
eine breitere Verwendung zu erleichtern. Dabei stehen im Kanton<br />
Zug Kleingruppenaktivitäten im Vordergrund, während im<br />
Kanton Bern Gruppenkurse, individuelle Kontakte und fl exible<br />
Veranstaltungen in Partnerschaft mit etablierten sozialen Organisationen<br />
gewählt wurden. Immer aber wird von den Bedürfnissen<br />
der Betroffenen ausgegangen und die Massnahmen<br />
werden partizipativ entwickelt.<br />
Alle diese Bestrebungen zeichnen sich aus durch eine Verbindung<br />
von konzeptionellen Überlegungen, Forschungsbefunden<br />
und praktischen Handlungsanweisungen. Das ist für die<br />
vielenorts noch zu leistende Überzeugungsarbeit besonders<br />
hilfreich. Eine systematische Auswertung der Erfahrungen mit<br />
diesen Vorgehensweisen wird die Anwendbarkeit noch weiter<br />
fördern können.<br />
nicht in der Lage sind. Das Risiko einer neuen Diskriminierung<br />
ist nicht zu verkennen. Sie gipfelt in der Forderung, «selbstverschuldete<br />
Behinderung» – nicht zuletzt durch Suchtmittelkonsum<br />
– bei sozialen Leistungen zu benachteiligen. Umso<br />
wichtiger werden die nachstehend erwähnten Beiträge zur Unterstützung<br />
all jener, die dem gesellschaftlichen Ideal nicht zu<br />
entsprechen vermögen.<br />
Der Schwerpunkt der Interventionen liegt auf Früherkennung<br />
und Frühintervention. Die Erarbeitung von entsprechenden<br />
Konzepten in den Institutionen des Altersbereichs<br />
(Alterszentren, Pfl egeheime, Spitex-Organisationen etc.) steht<br />
beim erwähnten Projekt Via im Vordergrund. Aber auch therapeutische<br />
Ansätze und niederschwellige Angebote für Menschen<br />
mit einer chronischen Suchtmittelabhängigkeit sind<br />
gefragt. Hilfestellungen für das Personal sind entscheidend,<br />
damit Probleme erkannt und zweckmässig angegangen werden<br />
können. Eine bessere Übersicht und Koordination bestehender<br />
Projekte und Leistungen zu ermöglichen, ist u. a. eine<br />
Zielsetzung der nationalen Koordinations- und Fachstelle Infodrog;<br />
der Beitrag Hälg beschreibt Aufbau und Funktion der von<br />
Infodrog und Kooperationspartnern aufgeschalteten Wissensplattform<br />
«Sucht im Alter» für ältere Menschen und für verschiedene<br />
betroffene AkteurInnen. In der Datenbank Suchtindex.ch<br />
ist es ausserdem möglich, gezielt nach Angeboten für<br />
ältere Menschen mit Suchtproblemen zu suchen. Im Weiteren<br />
ist Infodrog beteiligt an Projekten mit nationaler Reichwei-<br />
Institutionen und Interventionen<br />
Was sich in der Beschäftigung mit dem Alter generell gewandelt<br />
hat, trifft auch für den Umgang mit unserem Thema<br />
zu: ein eigentlicher Paradigmenwechsel von einer vorwiegend<br />
medizinischen zu einer sozialen Perspektive. Dieser Wechsel<br />
wird im Beitrag von Schroeter geschildert, mit dem Entstehen<br />
eines «aktivierenden Sozialstaats», der das bisherige Bild des<br />
Wohlfahrtsstaats ablöst. Schlüsselbegriffe sind «Empowerment»<br />
und «Kompetenzaktivierung», aber auch Selbstverantwortung.<br />
Diese Entwicklung hat Wurzeln in der europäischen<br />
Aufklärung und im zunehmenden Gewicht von Partizipation<br />
und Mitbestimmung, wurde aber intensiviert durch die demographische<br />
Umschichtung und die damit verbundenen Sorgen<br />
um die Finanzierbarkeit des Sozialstaats.<br />
Das Ziel, bis ins hohe Alter aktiv, gesund, fi t und produktiv<br />
zu bleiben, schafft allerdings neue Probleme für alle, die dazu<br />
6 <strong>SuchtMagazin</strong> <strong>2|2013</strong>
te: «Praxis Suchtmedizin Schweiz» der regionalen Netzwerke<br />
Suchtmedizin mit weiteren PartnerInnen, «Weiterbildungsangebote<br />
Regelversorgung» des BAG sowie «Kurzintervention<br />
Ärzteschaft» des Kollegiums Hausarztmedizin, der FMH und<br />
den regionalen Netzwerken der Suchtmedizin.<br />
Auch das Projekt «Sensor» (vgl. Beitrag Meyer) ist der Frühintervention<br />
gewidmet. 20 In der Region Luzern angesiedelt,<br />
vernetzt es die relevanten AkteurInnen, namentlich die medizinischen<br />
und sozialen Dienste. Die interdisziplinäre Entwicklung<br />
von Arbeitsinstrumenten und gemeinsame Weiterbildung<br />
von MultiplikatorInnen sollen die Bereitschaft fördern,<br />
sich in den ambulanten und stationären Institutionen mit dem<br />
Thema Sucht im Alter auseinanderzusetzen. Wo Menschen<br />
noch nicht institutionell betreut werden, ist die Information<br />
und Unterstützung von Angehörigen und Nahestehenden ein<br />
Ziel. Das Recht auf freie Entscheidung der Betroffenen soll<br />
dabei gewahrt bleiben. Organisation und Vorgehensweise des<br />
Projekts werden ausführlich geschildert, um beispielhaft wirken<br />
zu können. Zudem ist eine Evaluation unterwegs, und im<br />
Kanton Zug gibt es bereits Interesse am Konzept.<br />
Weitere zwei Projekte in den Bereichen Spitex und Altersheim<br />
werden im Beitrag Zimmermann vorgestellt. Auch hier<br />
liegt der Schwerpunkt auf Prävention und Frühintervention.<br />
In beiden Institutionen werden konkrete Arbeitsmaterialien<br />
und -instrumente erarbeitet. Diese zum Teil institutionell unterschiedlich<br />
entwickelten Arbeitsinstrumente werden durch<br />
geschulte Fachpersonen in ihrer Betreuungs- und Pfl egepraxis<br />
erprobt, evaluiert, erneut angepasst und wieder eingesetzt.<br />
Diese Erfahrungen und Arbeitsinstrumente sollen auch anderen<br />
Institutionen im Altersbereich zur Verfügung gestellt<br />
werden. Theoretischer Hintergrund und Vorgehen werden<br />
eingehend geschildert, und die Darstellung wird durch eine<br />
Zwischenevaluation und Schilderung weiterer Projektschritte<br />
ergänzt.<br />
Diese Projekte verstehen sich nicht nur als konkrete Schritte<br />
zu einer verbesserten Lebenssituation Betroffener und<br />
einem professionelleren Handeln der Verantwortlichen, sondern<br />
auch als Lehrstücke, deren Erfahrungen beim Aufbau weiterer<br />
Projekte dienlich sein sollen.<br />
Übersicht zum Status quo<br />
Der Beitrag von Salis Gross und Serverin Haug beruht auf<br />
dem 2012 im Auftrag des BAG erstellten Bericht über erfolgversprechende<br />
Massnahmen zur Reduktion des problematischen<br />
Alkoholkonsums bei älteren Menschen in der Schweiz. Der Bericht<br />
21 bietet neben einer Literaturanalyse neue Daten aus<br />
Erhebungen und Befragungen von ExpertInnen, Angehörigen<br />
und Fachpersonen. Good practices in Prävention, Früherkennung,<br />
Beratung und Behandlung werden dargestellt. Diese explorative<br />
Studie stellt Defi zite in der Sensibilisierung für das<br />
Thema fest, identifi ziert Spannungsfelder, diskutiert fehlende<br />
Ressourcen für aufsuchende Arbeit, die vermehrt indiziert ist,
Dossier: Sucht im Alter<br />
und fordert verbesserte Koordination und Kooperation generell<br />
und auf lokaler(regionaler) Ebene. Daraus leiten sich eine<br />
Liste von Empfehlungen an Gesundheitsbehörden, Gesundheitsinstitutionen<br />
und spezialisierte Einrichtungen ab.<br />
Wie weiter?<br />
Die erfreuliche Zunahme konkreter Projekte zum Verständnis<br />
von und zum Umgang mit Suchtverhalten im Alter legt<br />
es nahe, dass als ein nächster Schritt eine Evaluation der<br />
beabsichtigten und nicht beabsichtigten Auswirkungen ansteht,<br />
einschliesslich einer Befragung der Betroffenen, ihrer<br />
Angehörigen und der Betreuungspersonen. Daraus sollten sich<br />
auch Erkenntnisse zur Generalisierbarkeit der angewandten<br />
Konzepte und Arbeitsinstrumente ergeben. Zwischen Strategien<br />
und Massnahmen zur präventiven Kompetenzförderung<br />
einerseits, aufsuchenden und unterstützenden Strategien und<br />
Massnahmen für suchtmittelabhängige Personen andererseits<br />
ist zu unterscheiden – beides ist von grösstem Interesse.<br />
Bei der Evaluation sollte auch die Kosten-Nutzen-Relation<br />
nicht ausser Acht gelassen werden, wozu es wohl auch noch<br />
methodischer Überlegungen bedarf.<br />
Ein zweiter Schwerpunkt müsste die weitere Klärung<br />
ethischer und rechtlicher Aspekte betreffen. Im Umgang mit<br />
Suchtproblemen generell haben die Ziele Lebensqualität und<br />
Umweltverträglichkeit an Bedeutung gewonnen gegenüber<br />
Verhaltenskontrolle und Suchtfreiheit. Man müsste sich darüber<br />
verständigen, was das für den Umgang mit Sucht im<br />
Alter heisst. Ebenso dringlich ist eine Beschäftigung mit ethischen<br />
Konfl iktsituationen und Strategien des Konfl iktmanagements,<br />
da sehr unterschiedliche Interessen und Bedürfnisse<br />
aufeinandertreffen können. Rechtsfragen sind bislang wenig<br />
berücksichtigt worden; insbesondere sind die Bestimmungen<br />
des neuen Erwachsenenschutzrechts in ihrer Bedeutung für<br />
unser Thema zu diskutieren.<br />
Und schliesslich müsste es von Interesse sein, die angelaufenen<br />
Weiterbildungskonzepte und –instrumente sowie die<br />
entsprechenden Kurse und weiteren Veranstaltungen systematisch<br />
zu evaluieren, insbesondere im Hinblick auf ihre<br />
Umsetzbarkeit und ihre Auswirkungen auf die Praxis. Daraus<br />
könnten sich verbindliche Richtlinien und Standards ergeben.<br />
Was die Gewinnung epidemiologischer Daten und die Diagnostik<br />
angeht, wären Kriterien und Fragestellungen auf die besondere<br />
Situation Betagter abzustimmen, um eine angemessene<br />
Datenlage zu generieren..<br />
Literatur<br />
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Alter. laut & leise Ausgabe 1/2013. www.tinyurl.com/brtqwpy,<br />
Zugriff 27.03.2013<br />
Endnoten<br />
1 Eine Darstellung der beiden Studien fi ndet sich auf der Seite<br />
des Bundesamtes für Gesundheit: tinyurl.com/cbvwdjh, Zugriff<br />
26.03.2013. Der Bericht des ISGF wird im Artikel Salis Gross et al.<br />
vorgestellt, der von Sucht Schweiz im Beitrag von Notari et al.<br />
2 www.infoset.ch/de/Dossiers/alter, Zugriff 25.03.2013.<br />
3 Weitere Infos zum Projekt auf den Seiten von Infodrog:<br />
www.tinyurl.com/cccc34w, Zugriff 27.03.2013.<br />
4 www.suchtimalter.ch/de/angebote/soforthilfe, Zugriff 27.03.2013.<br />
5 Institut Alter der BFH: www.alter.bfh.ch<br />
6 Die Präsentationen von Robert Hämmig und Andreas Bachmann<br />
stehen zum Download bereit: www.sucht-wb.ch/node/15, Zugriff<br />
27.03.2013.<br />
7 Vgl. Stellen für Suchtprävention im Kanton Zürich 2013.<br />
8 www.suchtprävention-zh.ch, www.suchtimalter.ch<br />
9 Auskunft Franjo Ambroz vom 23.03.2013.<br />
10 www.unabhaengig-im-alter.de<br />
11 Vorstellung des Modellprojekts: www.tinyurl.com/dyslcjp, Zugriff<br />
25.03.2013.<br />
12 Eine Präsentation zur Umfrage steht zum Download bereit:<br />
www.tinyurl.com/cdhb96j, Zugriff 26.03.2013.<br />
13 Institut Alter: www.alter.bfh.ch, Zugriff 26.03.2013.<br />
14 Departement Gesundheit: www. gesundheit.zhaw.ch, Zugriff<br />
25.03.2013.<br />
15 Kompetenzzentrum Generationen: www.fhsg.ch/generationen,<br />
Zugriff 26.03.2013.<br />
16 ISAGE: www.fhnw.ch/sozialearbeit/isage, Zugriff 25.03.2013.<br />
17 Forschungsprojekte an der Hochschule für Soziale Arbeit der FHNW:<br />
www.tinyurl.com/ck6haqs, Zugriff 25.03.2013. Seit dem 1. April 2013<br />
gibt es an der FHNW eine Professur für Alter (Klaus Schroeter).<br />
Diese ist im Institut für Integration und Partizipation angesiedelt,<br />
www.fhnw.ch/sozialearbeit/iip<br />
18 Vgl. Lofwall et al 2008; Reardon 2012.<br />
19 Vgl. Dowling et al 2008; siehe auch Ruhwinkel in diesem Heft.<br />
20 Der Kanton Zug übernimmt dieses Projekt. Eine Kick-Off-<br />
Veranstaltung fand am 21. März 2013 statt. Medienmitteilung<br />
des Kantons vom 21.03.2013, www.tinyurl.com/bu2l8mp, Zugriff<br />
26.03.2013.<br />
21 Vgl. Kessler et al.<br />
8 <strong>SuchtMagazin</strong> <strong>2|2013</strong>
Dossier: Sucht im Alter<br />
Aktives Altern: Die Produktion<br />
des zuverlässigen<br />
und fl exiblen Menschen<br />
Das Bild vom Alter und von älteren Menschen dreht sich nicht mehr nur<br />
einseitig um die Problemlagen und Verluste im Alter, um Vereinsamung,<br />
Verarmung, Krankheit und Pflegebedürftigkeit. Zunehmend ist auch<br />
von den Ressourcen und Gewinnen im Alter, von Kompetenzen und<br />
Erfahrungen, Aktivitäten und Engagements älterer Menschen die Rede.<br />
Diese veränderte Sicht auf das Alter ist kein Zufall. Sie ist gleichermassen<br />
Ausdruck wissenschaftlicher Erkenntnis und politischen Willens, die sich<br />
durchaus wechselseitig be- und durchdringen – und manchmal sogar einander<br />
entsprechen. 1<br />
Klaus R. Schroeter<br />
Prof. Dr. phil. habil., Institut Integration und Partizipation, Hochschule<br />
für Soziale Arbeit FHNW, Riggenbachstrasse 27, CH-4600 Olten,<br />
kschroet@soziologie.uni-kiel.de<br />
Schlagwörter:<br />
Alter | Sozialstaat | Aktivierung | Sozialdisziplinierung |<br />
Die sozialpolitische Idee eines<br />
aktivierenden Sozialstaats<br />
Nachdem die Alternswissenschaft zu Beginn des 20. Jahrhunderts<br />
noch ganz im Zeichen der Medizin stand, wurde das<br />
Alter Mitte des Jahrhunderts zunehmend als «soziales Problem»<br />
wahrgenommen. Es war die Zeit der sich etablierenden<br />
Wohlfahrtsstaaten, als erste Diskussionen über die drohende<br />
«Überalterung» entfl ammten. Fortan wurden immer wieder<br />
in unterschiedlichem Ausmasse demographische Krisenszenarien<br />
entworfen, die vor allem unter dem Aspekt der Belastbarkeit<br />
der sozialen Sicherungssysteme und im Rahmen der<br />
Kontroverse um Generationengerechtigkeit geführt wurden.<br />
Unter den zuweilen emotional hoch aufgeladenen Stichworten<br />
der «demographischen Revolution», «Altersexplosion» oder<br />
der «ergrauten Gesellschaft» wurden vor allem in den Medien<br />
schillernde (Schreckens-) Visionen einer künftigen «alternden»<br />
Gesellschaft gezeichnet 2 und das Märchen vom «Generationenbetrug»<br />
3 verbreitet.<br />
Zeitlich parallel zur Debatte um die Herausforderungen des<br />
demographischen Wandels richtete sich der Blick dann zunehmend<br />
auf die Ressourcen und Potentiale älterer Menschen in<br />
Wirtschaft und Gesellschaft. Diese Diskussionen waren begleitet<br />
von den Auseinandersetzungen mit der Krise des Wohlfahrtsstaates<br />
und den Möglichkeiten einer grundsätzlichen<br />
Neuordnung der wohlfahrtsstaatlichen Systeme jenseits von<br />
Markt und Staat. Als eine mögliche Antwort auf die Krise von<br />
Arbeitsgesellschaft und Wohlfahrtsstaat erschien der auf Freiwilligkeit<br />
und bürgerschaftliches Engagement ausgerichtete<br />
Dritte Sektor. 4 Die ideologische Vorlage dazu lieferte bereits in<br />
den 60er Jahren Amitai Etzionis Vorstellung von einer aktiven<br />
Gesellschaft. 5 Sie fand ihren Niederschlag in den sozialpolitischen<br />
Ideen eines aktivierenden Sozialstaates, der im<br />
Anschluss an den in den USA entwickelten marktorientierten<br />
Ansatz des «ermunternden» bzw. «befähigenden Staates» 6<br />
auf eine Verantwortungsteilung von Staat und Gesellschaft<br />
zielt. 7 Ihm liegt das Leitbild der aktiven BürgerInnen zugrunde,<br />
die in die Lage versetzt (aktiviert) werden sollen, ihre sozialen<br />
und gesellschaftlichen Aufgaben eigenverantwortlich zu<br />
erbringen, um damit als Koproduzent öffentlicher Leistungen<br />
in Erscheinung zu treten. Die diesem Ansatz innewohnende<br />
Strategie des Förderns und Forderns zielt also darauf, gleichsam<br />
die befähigenden Politiken wie auch die soziale Kontrolle<br />
auszuweiten und miteinander zu verbinden. 8 Wenn man<br />
unterstellt, dass es sich bei diesem Konzept nicht nur um eine<br />
neu entdeckte Vergesellschaftungsform handelt, mit der die<br />
fi nanziellen Löcher der öffentlichen Haushalte kompensiert<br />
werden sollen, dann lassen sich diese Ideen durchaus mit den<br />
Vorstellungen der BürgerInnen- oder Verantwortungsgesellschaft<br />
9 in Einklang bringen, sofern man eine gleichberechtigte<br />
Wechselbeziehung des aktivierenden Staates und der aktiven<br />
BürgerInnen und eine freiwillige Selbstverpfl ichtung der<br />
BürgerInnen für ihr Engagement voraussetzt.<br />
Die Illusio(n) der Altersaktivierung<br />
Die Soziale Arbeit ist ein soziales Feld, das zunehmend<br />
auch vom Leitbild der Altersaktivierung getragen wird. Dieses<br />
Feld hat seine eigene Logik und einen eigenen Spielraum mit<br />
eigenen spezifi schen Regeln. Es erschliesst sich über den habituell<br />
gesteuerten praktischen Sinn der AkteurInnen, 10 sodass<br />
ein derartiger «praktischer Glaube» gewissermassen das Eintrittsgeld<br />
in das Feld ist, ohne dessen Anerkennung das Feld<br />
gar nicht existiert. Eine solche hintergründige Übereinkunft<br />
wird von Bourdieu mit dem Begriff der illusio (von lat. ludere,<br />
spielen, abgeleitet) belegt und drückt den Umstand aus,<br />
vom Spiel des Feldes erfasst und gefangen und vom Spieleinsatz<br />
überzeugt zu sein. 11 Während die Doxa (Glaube, Meinung)<br />
eines Feldes im Verborgenen wirkt und «die Gesamtheit des-<br />
<strong>SuchtMagazin</strong> <strong>2|2013</strong> 9
Dossier: Sucht im Alter<br />
sen» umfasst, «was als Selbstverständliches hingenommen<br />
wird», 12 erscheint die illusio als eine besondere Form der Doxa,<br />
die den «grundlegenden Glauben an den Sinn des Spiels und<br />
den Wert dessen, was auf dem Spiel steht,» 13 beinhaltet. «Was<br />
in der illusio als Selbstverständlichkeit erlebt wird, erscheint<br />
demjenigen, der diese Selbstverständlichkeit nicht teilt, weil<br />
er am Spiel nicht beteiligt ist, als Illusion.» 14<br />
Das sozialarbeitswissenschaftliche Credo: Empowerment<br />
und Kompetenzaktivierung<br />
Die Logik des sozialen Feldes der Sozialen Arbeit folgt der<br />
Massgabe der Hilfe und Unterstützung in sozialen Problemlagen.<br />
Die «richtige Haltung» setzt «affektive Neutraliät» voraus<br />
und zielt auf «Hilfe zur Selbsthilfe», aber die zugrunde<br />
liegende Logik bleibt die Hilfe und Unterstützung. Diese freilich<br />
wurde umdefi niert und erweitert, sodass längst auch Beratung<br />
und Prävention ins Feld der Sozialen Arbeit fallen. Dabei ist der<br />
Gedanke der Aktivierung keineswegs neu, denn schon seit der<br />
Aufklärung ist es das Ziel (sozial)pädagogischer Intervention,<br />
die Einzelnen durch ein gewisses Mass an Fremdführung zur<br />
Selbstführung anzuleiten. 15 Und so stehen die konkreten Zielsetzungen<br />
– etwa die Erhaltung, Förderung und das Wiedererlangen<br />
von sozialer Kompetenz, von Autonomie, individueller<br />
und gesellschaftlicher Lebenspraxis oder die Neuorientierung<br />
und grösst mögliche Steigerung der Selbstständigkeit in problematischen<br />
Lebenslagen – für das als richtig vorausgesetzte<br />
Denken, für die Doxa im Feld der Sozialen Arbeit. Und diese<br />
Doxa speist sich aus dem Credo an all die an der Förderung<br />
der Selbstakzentuierung und Eigenständigkeit orientierten<br />
Programmatiken, wie z. B. der auf Kompetenzaktivierung ausgerichteten<br />
Empowermentstrategien.<br />
Der «aktive Alte» in der Altenarbeit<br />
Dieser Glaube hat längst auch Einzug in die Soziale Altenarbeit<br />
gefunden. Während in den 1960er- und 1970er Jahren<br />
noch das Leitbild des betreuten Alters mit seiner hintergründig<br />
wirkenden Vorstellung von einem defi zitären Alter dominierte<br />
und die Soziale Altenarbeit vor allem mit dem Ziel der organisierten<br />
Geselligkeit verbunden war, gewann in den 1980er Jahren<br />
auf dem Hintergrund der sog. Aktivitätsthese 16 das Bild der<br />
aktiven Älteren an Kontur. In den 1990er Jahren rückte dann<br />
im Zuge der Individualisierungsdebatte und auf dem Hintergrund<br />
des Ressourcen- und Kompetenzansatzes das Leitbild<br />
des erfolgreichen und produktiven Alters immer mehr in den<br />
Vordergrund. Damit wurde das Alter zu einer gestaltbaren<br />
Aufgabe unter der tätigen Mithilfe der Sozialen Altenarbeit,<br />
die nunmehr auf die Förderung und Ermöglichung subjektiv<br />
befriedigender Lebensentwürfe älterer Menschen zielt. Als<br />
Kernelemente oder Grundorientierungen bilden Autonomie,<br />
Kompetenz, Lebenswelt, Biographie und Produktivität 17 die<br />
Illusio(nen) der modernen sozialen Altenarbeit. Autonomieorientierung<br />
und Kompetenzaktivierung heisst nicht einfach<br />
nur «Gewährenlassen», sondern aktive Intervention, z. B. auf<br />
der Grundlage von Empowerment und Resilienzförderung. Dabei<br />
geht es weniger um die Kompensation von Defi ziten, als<br />
vielmehr um die Förderung von Kompetenzen.<br />
Der hier kurz gezeichnete Wandel der Sozialen Altenarbeit mit<br />
seinem Paradigmenwechsel von der versorgenden zur aktiven<br />
und partizipativen Altenarbeit ist nicht zuletzt auch durch<br />
politische Modellprogramme entsprechend gefördert worden,<br />
die das Leitbild des aktiven, erfolgreichen und produktiven<br />
Alters 18 vorbereiteten.<br />
Altersaktivierung im Zeichen der Bio-Politik<br />
In einem seinerzeit viel beachteten Aufsatz hat Ekerdt 19<br />
gezeigt, dass sich mit der Geschäftigkeitsethik (busy ethic) im<br />
Ruhestand eine moralische Maxime des aktiven Lebens entwickelt<br />
hat, die die «freie» Zeit des Ruhestands legitimiert und<br />
den älteren Menschen soziale Anerkennung verschafft. Diese<br />
Ethik schöpft ihre moralische Kraft durch ihre enge Kopplung<br />
an die Arbeitsethik sowie an das gesellschaftliche Ideal der<br />
individuellen Gesundheitsbewahrung. Wenn die Altersaktivitäten<br />
gesellschaftlich positiv bewertet werden, dann kommt<br />
es weniger auf die jeweilige Beschäftigung an, sondern vielmehr<br />
darauf, dass man beschäftigt bzw. aktiv ist. 20<br />
Unter dem ideologischen Credo, dass es im Alter besser sei,<br />
aktiv als inaktiv zu sein, 21 hat die Aktivitätsthese ein bis heute<br />
wirkungsmächtiges Erbe hinterlassen, das sich unter der Formel<br />
des «aktiven, produktiven und erfolgreichen Alterns» den<br />
Dispositiven 22 der Macht zuordnen lässt, die darauf zielen, sich<br />
bis ins hohe Alter fl exibel und mobil zu verhalten und aktiv und<br />
produktiv auf die Herausforderungen des modernen Lebens zu<br />
reagieren. Aktivitäten – von der Alltags- und Freizeitgestaltung<br />
über das Bildungs- und Gesundheitsverhalten bis hin zu<br />
ehrenamtlichem und bürgerschaftlichem Engagement – sind<br />
somit in gesellschaftlich wertgeschätzte Stellung gebracht.<br />
Sie sind Teil einer «positiven Ökonomie», die im Kontext der<br />
Sozialen Gerontologie alternde Menschen gleichsam als zu<br />
befähigende und aufzurichtende wie auch als prognostizierbare<br />
und kontrollierbare Subjekte formt. In diesem Sinne ist<br />
das Aufrichten zugleich auch immer ein Zurichten 23 und der<br />
Lobgesang auf das aktive Alter «a diciplinary strategy of the<br />
greatest value» 24 , eine Disziplinierungsstrategie von höchstem<br />
Wert.<br />
Der Aktivierungsdiskurs fügt sich in die Strategien der Bio-<br />
Politik, 25 die darauf zielt, «das Leben zu sichern» und «das<br />
Lebende in einen Bereich von Wert und Nutzen zu organisieren».<br />
26 Mit ihren zwei Polen der Disziplinierung des Körpers und<br />
der Kontrolle der Bevölkerung 27 hebt sie an, das individuelle<br />
Handeln im Sinne des allgemeinen Interesses zu koordinieren<br />
und zu regulieren. Sie kreist um die Regulierung biologischer<br />
Prozesse und verwandelt die menschlichen Körper in Objekte<br />
politischen Wissens. Ihre Instrumente sind nicht blosse Disziplinierung<br />
und Dressur, sondern Regulierung und Kontrolle.<br />
Über fachspezifi sche Diskurse werden nicht nur Legitimationen<br />
dafür geschaffen, die Menschen nach modernen<br />
wissenschaftlichen Standards zu fördern und zu versorgen,<br />
sondern auch dafür, die Subjekte an gesellschaftlichen Normen<br />
auszurichten. Die Bio-Politik vollzieht sich nicht nur<br />
über äusseren sozialen Druck, sondern auch durch die in das<br />
Persönlichkeitssystem verlagerten Selbstzwänge. Insofern<br />
sind die klassischen Methoden der Sozialdisziplinierung (z. B.<br />
Bestrafung, Entzug, Ausschliessung) im modernen Wohlfahrtsstaat<br />
durch die Techniken der Selbststeuerung und<br />
Selbstpfl ege ergänzt oder ersetzt worden. Durch sie nimmt der<br />
Einzelne Einsicht in sein Selbst und damit zugleich auch die<br />
Rolle des Selbst-Kontrolleurs und des Selbst-Prüfers ein. Die<br />
Technologien des Selbst 28 wirken als Techniken der Selbstermächtigung,<br />
die zugleich auch immer auf den Körper gerichtet<br />
sind. Wenn der Körper in der modernen Gesellschaft zu einem<br />
Phänomen von Optionen und Entscheidungen geworden ist,<br />
dann ist damit zugleich auch eine Pfl icht verbunden, den Körper<br />
nach den gesellschaftlich präferierten Normvorstellungen<br />
zu modellieren. Und so wird in vielerlei Hinsicht – z. B. durch<br />
Training, Ernährung, Kosmetik, Pfl ege usw. – Arbeit in ihn inve-<br />
10 <strong>SuchtMagazin</strong> <strong>2|2013</strong>
stiert. Am Ende wird das korporale Kapital 29 dann durch seine<br />
symbolisch wahrgenommene Gestalt (z. B. als schöne, kräftige,<br />
makellose, gepfl egte, gesunde, funktionstüchtige oder<br />
vice versa als unansehnliche, schwache, kranke, behinderte<br />
oder gebrechliche Körper) sozial bewertet. Und so wird auch<br />
im Alter – über Aktivitäts-, Gesundheits-, Fitness- und Anti-<br />
Aging-Programme gesteuert – kräftig in den Körper investiert,<br />
um Fitnessfantasien, Schlankheitsidealen und Gesundheitsvorstellungen<br />
gerecht zu werden, das individuelle korporale<br />
Kapital zu erhalten oder gar zu steigern und um den Wert des<br />
Körpers auf dem «freien Markt» auszuhandeln. 30<br />
Fazit<br />
Der aktivierende Staat trägt dem «mündigen Bürger» oder<br />
der «mündigen Bürgerin» mehr Verantwortung zu. Er setzt<br />
auf «Empowerment» und Kompetenzaktivierung, auf Parolen,<br />
die Ausdruck eines veränderten und modernisierten Selbstverständnisses<br />
der Humanwissenschaften sind, deren Leitgedanken<br />
sich nahtlos in die regulierenden Strategien der Bio-Politik<br />
einfügen, wenn sie auf die Kontrollierung und Normalisierung<br />
des Menschen, bzw. auf die «Maximalisierung des Lebens»<br />
und auf die «Verantwortung für das Leben» 31 zielen. Das sich<br />
hier kristallisierende Menschenbild gleicht dem eines «Unternehmers».<br />
Der moderne Mensch, ob jung oder alt, krank oder<br />
gesund, arm oder reich, wird zum Entrepreneur seines eigenen<br />
Lebens, zum «Unternehmer seiner selbst», 32 der in sein eigenes<br />
Lebensprojekt investiert, indem er Kompetenzen langsam<br />
und stetig entwickelt. Mit unternehmerischem Kalkül wird<br />
dem «Risiko» Krankheit oder Alter vorzubeugen versucht. Das<br />
manageriale Denken greift tief in den Willen der einzelnen AkteurInnen.<br />
Überall nistet der Machbarkeitsgedanke. Der oder<br />
die Einzelne wird in die persönliche Verpfl ichtung und Verantwortung<br />
genommen – auch im Alter.<br />
Die modernen Leitbilder und Programme der Sozialen Gerontologie<br />
(«aktives», «erfolgreiches«, «produktives», «optimales<br />
Altern») sind ebenso wie die Leitbilder der Gesundheitswissenschaften<br />
(«Gesundheitsförderung», «Prävention»,<br />
«Salutogenese») und der Sozialen Arbeit («Empowerment»,<br />
«Hilfe zur Selbsthilfe») auf die Kontrollierung, Regulierung<br />
und Normalisierung des Menschen ausgerichtet. Es geht ihnen<br />
nicht um die Unterdrückung und Einschliessung störender und<br />
widerspenstiger Subjekte, sondern um die Produktion des<br />
zuverlässigen und fl exiblen Menschen.<br />
Aktivität wird zum regulativen Ideal, zur modernisierten Formel<br />
des «survival of the fi ttest». Der Aktivitätsdiskurs wird zu<br />
einer «Waffe der Macht, der Kontrolle, der Unterwerfung, der<br />
Qualifi zierung und Disqualifi zierung». 33 Auch wenn sich die<br />
Grammatik des Aktivierungsdiskurses derzeit als allgemein<br />
und alternativlos darstellt, wird sie bereits mit Blick auf das<br />
sogenannte vierte oder fünfte Alter unterlaufen. Die Vorstellung<br />
von einem nicht aktiven, nicht erfolgreichen oder nicht<br />
produktiven Alter bzw. ein potentiell denkbares «gescheitertes<br />
Alter(n)» steht im Widerspruch zur allgemeinen Doxa<br />
und unterminiert die bestehenden diskursiven Verknüpfungen<br />
der Aktivierungsformel. Die Kehrseite von Aktivität und Eigenverantwortlichkeit<br />
heisst dann, «dass Misserfolge jenen zuge-<br />
<strong>SuchtMagazin</strong> <strong>2|2013</strong> 11
Dossier: Sucht im Alter<br />
rechnet werden, denen es nicht gelingt, erfolgreich im Sinne<br />
des Aktivierungsimperativs zu handeln.» 34 Und wer dem «utopian<br />
dream» der Aktivität im Alter nicht gerecht werden kann,<br />
dem droht nicht nur der Ausschluss vom Aktivitätsdiskurs,<br />
sondern gleichsam der Einschluss in den durch professionelle<br />
Überwachung begrenzten nicht-partizipativen bzw. in den<br />
Diskurs des «monitoring». 35 .<br />
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in der Lebensphase Alter. S. 163-181 in: H. Willems (Hrsg.), Theatralisierung<br />
der Gesellschaft Bd. 1. Wiesbaden: VS Verlag für<br />
Sozialwissenschaften.<br />
Schroeter, K.R. (2012): Altersbilder als Körperbilder: Doing Age by Bodyfi<br />
cation. S. 153-229 in: F. Berner/J. Rossow/K.-P. Schwitzer (Hrsg.),<br />
Individuelle und kulturelle Altersbilder. Expertisen zum Sechsten<br />
Altenbericht der Bundesregierung. Band 1. Wiesbaden: VS Verlag<br />
für Sozialwissenschaften.<br />
Schroeter, K.R. (2013): Zur Kritik der sozialpolitischen Formel der Altersaktivierung.<br />
S.246-269 in: Jahrbuch sozialer Protestantismus<br />
6. Alternde Gesellschaft. Soziale Herausforderungen des längeren<br />
Lebens. Gütersloh: Gütersloher Verlagshaus.<br />
Tremmel, J. (1996): Der Generationsbetrug. Plädoyer für das Recht der<br />
Jugend auf Zukunft. Frankfurt a.M.: Einborn.<br />
Wistow, G./Knapp, M./Hardy, B./Allan, C. (1993): Social Care in a Mixed<br />
Economy. Buckingham: Open University Press.<br />
Zeman, P./Schmidt, R. (2001): Soziale Altenarbeit – Strukturen und Entwicklungslinien.<br />
S. 235-282 in: Deutsches Zentrum für Altersfragen<br />
(Hrsg.), Expertisen zum Dritten Altenbericht der Bundesregierung,<br />
Bd. 3: Lebenslagen, soziale Ressourcen und gesellschaftliche Integration<br />
im Alter. Opladen: Leske + Budrich.<br />
Endnoten<br />
1 Der hier abgedruckte Beitrag ist eine gekürzte und modifi zierte<br />
Form von Schroeter 2013.<br />
2 Eine kleine Auswahl journalistischer Leitartikel: «Krieg den Alten»<br />
(Wiener 3/1989), «Kriegszustände zwischen den Generationen»<br />
(DER SPIEGEL 31/1989), «Die graue Revolution» (DIE ZEIT 13/1993),<br />
«Diktatur der Alten?» (DIE ZEIT 11/1995), «Ausbeutung der Jungen»<br />
(DER SPIEGEL 16/1995), «Die graue Welle» (Wochenpost), «Kampf<br />
der Generationen. Krieg der Alten» (DIE WOCHE 43/1995), «Der<br />
neue Krieg ums Geld. Jung gegen Alt» (FOCUS 23/1996), «Der neue<br />
Renten-Krieg» (DIE WOCHE 29/1996), «Wie die alten die Jungen<br />
ausplündern» (DER SPIEGEL 6/1997).<br />
3 Mit «Generationenbetrug» bezeichnet Tremmel (1996) den aus<br />
seiner Sicht zu beklagenden Umstand, dass der Generationenvertrag<br />
vor allem die Älteren und weniger die Jüngeren im Fokus habe.<br />
Er kritisiert, dass die Jüngeren eine deutlich niedrigere Rendite in<br />
der staatlichen Rentenversicherung haben als die Älteren. Zudem<br />
bemängelt er, dass sich die Jüngeren in unsicheren und prekären<br />
Arbeitsverhältnissen bewegen müssen, während ältere Arbeitnehmer<br />
auf vor Jahrzehnten zugesagten Arbeitsrechten bestehen<br />
können.<br />
4 Der «Dritte Sektor» bezeichnet einen Bereich jenseits von Staat<br />
(öffentlicher Sektor) und Markt (erwerbswirtschaftlicher Sektor),<br />
der in der Fachdiskussion mitunter auch als Non-Profi t-Sektor oder<br />
als intermediärer Bereich gekennzeichnet wird.<br />
5 Vgl. Etzioni 1968, 2009.<br />
6 Vgl. Gilbert/Gilbert 1989.<br />
7 Vgl. Lamping/Schridde 2004.<br />
8 Dingeldey 2006: 9.<br />
9 Vgl. Etzinoni 1968, 2009, 1999.<br />
10 Der Habitus bezeichnet ein System dauerhafter Anlagen (Dispositionen),<br />
das sich in Form einer vom Menschen erworbenen Haltung<br />
oder eines erworbenen Gehabes ausdrückt und den Menschen zu<br />
praktischem Handeln veranlasst. Dieses System beinhaltet Denk-,<br />
Wahrnehmungs-, Beurteilungs- und Handlungsschemata, die zur<br />
«zweiten Natur» der AkteurInnen werden und damit das Fundament<br />
des «praktischen Sinns» bilden (Vgl. Bourdieu 1979).<br />
11 Bourdieu 1998: 141.<br />
12 Bourdieu 1993: 80.<br />
13 Bourdieu 2001: 19, f.<br />
14 Bourdieu 1998: 143.<br />
15 Kessl 2006: 221, ff.<br />
16 Vgl. Havighurst et al. 1968.<br />
17 Zeman/Schmidt 2001: 261, ff.<br />
18 Vgl. Schroeter 2004.<br />
19 Vgl. Ekerdt 1986.<br />
20 Ekerdt 1986: 241, f.<br />
21 Havighurst et al. 1968: 161.<br />
22 Zum Dispositivbegriff Vgl. Foucault 2003: <strong>39</strong>1, ff.<br />
23 Bröckling 2007: 214.<br />
24 Katz 2000: 148.<br />
25 Vgl. Foucault 2004.<br />
26 Foucault 1983: 167, 171.<br />
27 Foucault 1999: 276, ff.<br />
28 Foucault 2005: 966, ff.<br />
29 Vgl. Schroeter 2009.<br />
30 Vgl. Schroeter 2012.<br />
31 Foucault 1983: 148, 170.<br />
32 Foucault 2004: 314.<br />
33 Foucault 2003: 165.<br />
34 Kocyba 2004: 20.<br />
35 Biggs, Powell 2001: 110.<br />
12 <strong>SuchtMagazin</strong> <strong>2|2013</strong>
Dossier: sucht im Alter<br />
Substanzkonsum<br />
der älteren Bevölkerung<br />
der Schweiz<br />
Das Suchtmonitoring Schweiz weist für das Jahr 2011 Unterschiede beim<br />
starken Alkoholkonsum, beim Tabakkonsum und bei der Medikamenteneinnahme<br />
zwischen den 45- bis 64-Jährigen und den über 64-Jährigen auf.<br />
Während der Anteil an Rauschtrinkenden und täglich Rauchenden zurückgeht,<br />
steigen die Anteile der Personen, die chronisch stark trinken und die täglich<br />
psychoaktive Medikamente einnehmen. Der gleichzeitige Gebrauch von<br />
Medikamenten und Alkohol am selben Tag ist keine Seltenheit.<br />
Luca Notari<br />
Lic. sc. po., Sucht Schweiz, Forschung, Postfach 870, CH-1001 Lausanne,<br />
Tel. +41 (0)21 321 29 55, lnotari@addictionsuisse.ch<br />
Marina Delgrande Jordan<br />
MAS, Sucht Schweiz, Forschung, Tel. +41 (0)21 321 29 96,<br />
mdelgrande@addictionsuisse.ch<br />
Gerhard Gmel<br />
Prof. PHD, Sucht Schweiz, Forschung, Tel. +41 (0)21 321 29 59,<br />
ggmel@suchtschweiz.ch<br />
Schlagwörter:<br />
Alter | Alkohol | Tabak | Medikamente | Risikokonsum |<br />
Einführung<br />
Herausforderungen durch die zunehmende<br />
Lebenserwartung<br />
Der Anstieg der Lebenserwartung stellt eine Reihe neuer<br />
Anforderungen an die westlichen Industrienationen. Die demographische<br />
Alterung und damit einhergehend die Zunahme<br />
des Anteils älterer Personen, die von chronischen Krankheiten<br />
oder funktionellen Einschränkungen betroffen sind, stellt Anforderungen<br />
an die therapeutische Versorgung und psychosoziale<br />
Betreuung. Es müssen Strategien entwickelt werden, die<br />
ein Älterwerden in guter Gesundheit sicherstellen. Dazu gehört<br />
u. a. die Prävention bestimmter Verhaltensweisen wie des<br />
Substanzgebrauchs, die an der Entwicklung oder Zuspitzung<br />
chronischer Krankheiten beteiligt sein können. Es ist bekannt,<br />
dass der Konsum von Alkohol und Tabak oder die Einnahme<br />
von Medikamenten negative Auswirkungen auf die Gesundheit<br />
haben können, 1 wobei sich ein Grossteil davon erst nach<br />
längerem Konsum einstellen.<br />
Stärkere Effekte des Substanzkonsums im Alter<br />
Die Studie von Anderson und Scafato 2 deutet darauf hin,<br />
dass SeniorInnen aufgrund altersbedingter biologischer Veränderungen<br />
empfi ndlicher gegenüber den Effekten des Alkoholkonsums<br />
sind als jüngere Erwachsene. SeniorInnen scheinen<br />
auch eine gesteigerte Sensibilität gegenüber der Wirkung<br />
von Medikamenten zu haben, insbesondere wegen der verringerten<br />
Fähigkeit, pharmakologische Substanzen im Körper abzubauen.<br />
3 Die Einnahme von Schlaf- und Beruhigungsmitteln<br />
kann zu Stürzen und anderen Unfällen führen. 4 Ausserdem<br />
kann die gleichzeitige Einnahme von Medikamenten und Alkohol<br />
eine Reihe negativer Folgen haben: Z. B. können bestimmte<br />
Medikamente die Wirkung von Alkohol verstärken, wobei dieser<br />
wiederum die Wirksamkeit von Medikamenten reduzieren<br />
kann. 5<br />
Das Suchtmonitoring Schweiz<br />
Der übermässige Konsum psychoaktiver Substanzen, ob<br />
erst kürzlich begonnen oder schon länger dauernd, kann einen<br />
schädlichen Einfl uss auf die Gesundheit und die Selbständigkeit<br />
von SeniorInnen haben. Das vom Bundesamt für Gesundheit<br />
fi nanzierte Suchtmonitoring Schweiz 6 befasst sich<br />
in einem Teil mit Fragen des Substanzgebrauchs bei älteren<br />
Personen und liefert wesentliche Anhaltspunkte für die Prävention<br />
dieser vermeidbaren Ursache von Morbidität und Mortalität.<br />
Teil des Suchtmonitorings ist eine repräsentative Telefonbefragung<br />
von etwa 11‘000 Personen der ständigen Schweizer<br />
Wohnbevölkerung ab 15 Jahren. Ziel dieser Repräsentativbefragung<br />
ist die Beobachtung der Entwicklung des Konsums<br />
psychoaktiver Substanzen wie Alkohol, Tabak, Cannabis oder<br />
von Medikamenten.<br />
Methode und Grenzen der Aussagekraft<br />
Die Ergebnisse der vorliegenden Studie sind im Wesentlichen<br />
dem Jahresbericht 2011 des Suchtmonitorings Schweiz<br />
entnommen 7 und wurden ergänzt durch detaillierte Analysen<br />
nach Alter und Geschlecht.<br />
Betrachtet wird der Konsum legaler Substanzen, also Alkohol,<br />
Tabak und Medikamente. Besonderer Bezug wird auf den<br />
risikoreichen Gebrauch bei den SeniorInnen (65- bis 74-Jährige<br />
und über 74-Jährige) gelegt. Zum Vergleich werden die<br />
Ergebnisse bei jüngeren Altersgruppen (45- bis 54-Jährige und<br />
55- bis 64-Jährige) herangezogen. Illegale Substanzen wie Cannabis<br />
werden nicht betrachtet, da deren Prävalenzraten in der<br />
Altersgruppe der über 64-Jährigen gegen Null tendieren.<br />
Bei der Interpretation der Ergebnisse sollte folgenden zwei<br />
Punkten Rechnung getragen werden: 8 Erstens werden über die<br />
Repräsentativbefragung des Suchtmonitorings per Telefon nur<br />
Personen in Privathaushalten befragt. Personen, die sich zur<br />
<strong>SuchtMagazin</strong> <strong>2|2013</strong> 13
Dossier: sucht im Alter<br />
Zeit der Befragung in Einrichtungen (Spitäler, medizinisch-soziale<br />
Einrichtungen, etc.) befi nden, werden also nicht berücksichtigt.<br />
Ebenso werden Personen mit kognitiven Einschränkungen<br />
oder Hörschwächen ausgeschlossen, da diese kaum in<br />
der Lage sind, telefonisch Auskunft zu geben. Dies bedeutet,<br />
dass ein nicht vernachlässigbarer Teil von SeniorInnen (insbesondere<br />
bei jenen über 74 Jahre) nicht Teil der Stichprobe sind,<br />
was die Repräsentativität für eine Gesamtpopulation von SeniorInnen<br />
einschränkt. Zweitens erlauben die Querschnittsdaten<br />
nicht, zwischen Alters-, Kohorten- und Periodeneffekten<br />
zu unterscheiden. Alterseffekte spiegeln die Tatsache wider,<br />
dass Individuen ihr Konsumverhalten mit zunehmendem Alter<br />
ändern. Kohorteneffekte dagegen betreffen Effekte, die dadurch<br />
entstehen, dass z. B. die heute 65- bis 74-Jährigen unter<br />
anderen Lebensbedingungen und Umständen gelebt – und<br />
somit andere Konsummuster entwickelt haben – als jüngere<br />
Kohorten wie jene der 45- bis 54-Jährigen. Periodeneffekte bedeuten,<br />
dass das Verhalten von einzelnen Personen unabhängig<br />
von ihrem Alter oder ihrer Kohortenzugehörigkeit durch<br />
bedeutende, die Allgemeinheit zu einem gegebenen Zeitpunkt<br />
betreffende Ereignisse beeinfl usst wird.<br />
Alkohol<br />
Alkoholkonsum ist bei über 64-Jährigen weit verbreitet. Obwohl<br />
die Prävalenz abstinent Lebender bei den 65- bis 74-Jährigen<br />
(12.2%) und den über 74-Jährigen (17.2%) im Vergleich<br />
zu den 45- bis 54-Jährigen (10,2%) und den 55-bis 64-Jährigen<br />
(10,1%) leicht erhöht ist, so steigt indes auch die Prävalenz<br />
täglich Alkoholkonsumierender von 7.7% bei den 45- bis 54-Jährigen<br />
auf 28.8% bei den über 74-Jährigen an. Letztere Tendenz<br />
ist bei beiden Geschlechtern zu fi nden, der Anteil täglich Konsumierender<br />
liegt bei den Frauen aber deutlich niedriger als<br />
bei Männern.<br />
Ein Anstieg der Prävalenzen ist auch beim chronisch exzessiven<br />
Konsum zu beobachten (Abbildung 1). Darunter wird der<br />
Konsum von durchschnittlich täglich mehr als 40 Gramm Reinalkohol<br />
bei Männern und 20 Gramm bei Frauen verstanden.<br />
Eine solche durchschnittliche Konsummenge ist auf längere<br />
Sicht mit einem mittleren bis hohen Risiko für die Entwicklung<br />
chronischer Erkrankungen verbunden. Der Anteil der Personen<br />
mit einem chronisch exzessiven Konsum steigt von 3,7% bei<br />
den 45- bis 54-Jährigen auf 7,6% bei den 65-bis 74-Jährigen an<br />
und geht dann auf 6,2% bei den über 74-Jährigen zurück. Diese<br />
Tendenz lässt sich sowohl bei Männern als auch bei Frauen<br />
feststellen, wobei die Unterschiede zwischen den Geschlechtern<br />
über alle Altersgruppen hinweg geringfügig sind.<br />
Gänzlich anders als beim chronisch exzessiven Konsum<br />
stellt sich das Bild beim Rauschtrinken dar (Abb. 1). Unter<br />
Rauschtrinken wird hier der zumindest einmal monatliche<br />
Konsum von 5 Standardgetränken oder mehr bei Männern bzw.<br />
4 Standardgetränken oder mehr bei Frauen bei einer Gelegenheit<br />
verstanden. Die Prävalenz des Rauschtrinkens beträgt<br />
16.8% bei den 45- bis 54-Jährigen und 16.9% bei den 55- bis<br />
64-Jährigen. Sie geht auf 10.5% bei den 65- bis 74-Jährigen zurück<br />
und beträgt bei den über 74-Jährigen noch 5.7%. Dieser<br />
Rückgang ist bei beiden Geschlechtern zu beobachten (Frauen:<br />
von 11,3% bei den 45-bis 54-Jährigen auf 2,0% bei den 75-Jährigen;<br />
Männer: von 22.8% auf 10,2%).<br />
Zusammengenommen weist fast jede 7. Person (13,6%)<br />
im Alter zwischen 65 und 74 Jahren und etwa jede 10. (9,7%)<br />
ab einem Alter von 75 Jahren zumindest eine der beiden risikoreichen<br />
Alkoholkonsumformen auf (chronisch exzessiver<br />
Konsum oder Rauschtrinken). Wegen des erhöhten Rauschtrinkens<br />
sind die entsprechenden Anteile bei den 45- bis 54-Jährigen<br />
(17,8%) und den 55- bis 64-Jährigen (17,2%) höher.<br />
Tabak<br />
Der Anteil täglich Rauchender ist bei den über 74-Jährigen<br />
am niedrigsten (Abb. 2): Etwa 21% der 45- bis 64-Jährigen und<br />
12,0% der 65- bis 74-Jährigen sowie 7,6% der über 74-Jährigen<br />
rauchen täglich. Dieser Rückgang an täglich Rauchenden zwischen<br />
45- bis 64-Jährigen und über 75-Jährigen beträgt bei beiden<br />
Geschlechtern etwa 13 Prozentpunkte (von 23,1% auf 9,8%<br />
bei den Männern und von 19,3% auf 5,7% bei den Frauen).<br />
Medikamente<br />
Die Einnahme von Medikamenten mit Abhängigkeitspotenzial<br />
ist insbesondere bei über 74-Jährigen verbreitet (Abbildung<br />
3). Darunter werden hier rezeptpfl ichtige oder nicht rezeptpfl<br />
ichtige starke Schmerzmittel (also kein Paracetamol, Aspirin,<br />
etc.), Schlaf- und Beruhigungsmittel sowie Psychostimulanzien<br />
gezählt.<br />
Die Prävalenzraten jener, die starke Schmerzmittel täglich<br />
oder fast täglich einnehmen (d. h. 20-mal oder häufi ger in<br />
den letzten 30 Tagen) steigen in der Regel kontinuierlich mit<br />
dem Alter an. Bei den 45- bis 54-Jährigen nehmen 2,6% täglich<br />
oder fast täglich starke Schmerzmittel ein. Bei den 55- bis<br />
64-Jährigen und 65- bis 74-Jährigen sind es 3.8% respektive 3.5%<br />
25%<br />
20%<br />
22.8%<br />
23.3%<br />
16.8%<br />
15.9%<br />
25%<br />
20%<br />
22.4%<br />
23.1%<br />
20.7%<br />
19.3%<br />
21.5%<br />
21.0%<br />
15%<br />
10%<br />
5%<br />
3.1%<br />
4.4%<br />
7.4%<br />
6.9%<br />
4.3%<br />
6.6%<br />
7.9%<br />
5.5%<br />
3.5%<br />
5.6%<br />
7.6%<br />
6.2%<br />
14.5%<br />
10.2%<br />
11.3%<br />
10.0%<br />
6.0%<br />
2.0%<br />
10.5%<br />
5.7%<br />
15%<br />
10%<br />
5%<br />
13.0%<br />
9.8%<br />
10.9%<br />
5.7%<br />
12.0%<br />
7.6%<br />
0<br />
Männer Frauen Total<br />
Männer Frauen<br />
chronisch risikoreicher Konsum<br />
Rauschtrinken<br />
45-54 55-64 65-74 75 +<br />
Abb. 2: Anteil täglich Rauchender in der Schweizer Bevölkerung ab 45<br />
Abb. 1: Anteile an Personen mit risikoreichem Alkoholkonsum<br />
Bevölkerung ab 45 Jahren, nach Alter und Geschlecht. 9<br />
(chronisch exzessiver Konsum bzw. Rauschtrinken) in der Schweizer Jahren, nach Alter und Geschlecht. 10<br />
14 <strong>SuchtMagazin</strong> <strong>2|2013</strong><br />
Total<br />
0%<br />
Männer Frauen Total<br />
45-54 55-64 65-74 75 +
und bei den über 74-Jährigen 6,9%. Bei beiden Geschlechtern<br />
ist die (fast) tägliche Einnahme bei den über 74-Jährigen am<br />
weitesten verbreitet, wobei der Anteil bei den Frauen etwa<br />
doppelt so hoch ist wie bei den Männern (9,2% versus 4,3%).<br />
Auch die (fast) tägliche Einnahme von Schlaf- und Beruhigungsmitteln<br />
steigt kontinuierlich mit dem Alter an (Abbildung<br />
3). Bei den 45-bis 54-Jährigen sind es 3.5% mit fast<br />
täglicher Einnahme, 5,1% bei den 55- bis 64-Jährigen und 6,4%<br />
bei den 65- bis 74-Jährigen. Bei den über 74-Jährigen verdoppelt<br />
sich dann der Anteil fast täglich Einnehmender nahezu auf<br />
11,5%. Der Anstieg der Prävalenzraten mit dem Alter ist bei den<br />
Frauen steiler als bei den Männern. Bei den über 74-Jährigen z.<br />
B. liegen etwa 5 Prozentpunkte zwischen den Frauen (13,8%)<br />
und den Männern (8.8%).<br />
Bei den Psychostimulanzien ist der (fast) tägliche Gebrauch<br />
sehr selten und liegt sowohl bei Frauen als auch bei Männern<br />
nahe bei 0%.<br />
Multipler Substanzgebrauch<br />
Kombination von Alkoholkonsum und<br />
Medikamentengebrauch<br />
Bei den über 64-Jährigen, die chronisch exzessiv Alkohol<br />
trinken und/oder rauschtrinken, haben 14.4% (Männer: 8,6%;<br />
Frauen: 24,2%) in den letzten 30 Tagen vor der Befragung (fast)<br />
täglich mindestens ein psychotropes Medikament (starke<br />
Schmerzmittel, Schlaf- und Beruhigungsmittel, Psychostimulanzien)<br />
eingenommen. Das ist prävalenter als bei Alkoholkonsumierenden,<br />
die keine der beiden risikoreichen Alkoholkonsumformen<br />
aufweisen.<br />
Kombination von Tabak- und Alkoholkonsum<br />
Bei täglich Rauchenden über 64 Jahre weisen 28,7% (Männer:<br />
36,2%; Frauen: 8,1%) zumindest eine der beiden risikoreichen<br />
Alkoholkonsumformen auf. Bei gelegentlich oder nicht<br />
Rauchenden ist der Anteil deutlich geringer.<br />
Gleichzeitige Einnahme von Alkohol und Medikamenten<br />
Die Befragung im Rahmen des Suchtmonitorings beinhaltete<br />
2011 ein Modul, welches sich speziell an 60-Jährige und<br />
Ältere richtete. Dieses Modul erhob die gleichzeitige (am selben<br />
Tag) Einnahme von Medikamenten und Alkohol. Bei den<br />
über 59-Jährigen berichteten 15,7% an allen oder fast allen<br />
Tagen, an denen sie irgendwelche Medikamente einnehmen,<br />
auch Alkohol zu konsumieren. Das Risiko für eine Interaktion<br />
25%<br />
20%<br />
15%<br />
10%<br />
5%<br />
0%<br />
1.9%<br />
1.9%<br />
3.1%<br />
4.3%<br />
3.2%<br />
5.4%<br />
4.0%<br />
9.2%<br />
2.6%<br />
3.8%<br />
3.5%<br />
6.9%<br />
3.9%<br />
3.1%<br />
4.3%<br />
Männer Frauen Total<br />
Männer Frauen Total<br />
starke Schmerzmittel<br />
Schlaf- und Beruhigungsmittel<br />
45-54 55-64 65-74 75 +<br />
Abb. 3: Anteile an Personen mit (fast) täglicher Einnahme starker<br />
Schmerzmittel bzw. Schlaf- und Beruhigungsmittel in der Schweizer<br />
Bevölkerung ab 45 Jahren, nach Alter und Geschlecht. 11<br />
8.8%<br />
3.2%<br />
6.7%<br />
8.9%<br />
13.8%<br />
3.5%<br />
5.1%<br />
6.4%<br />
11.5%<br />
von Alkohol mit Medikamenten ist bei jenen über 59-Jährigen<br />
erhöht, welche häufi g Alkohol trinken.<br />
Zusammenfassung und Schlussfolgerung<br />
Das Suchtmonitoring Schweiz zeigt, dass der Konsum psychotroper<br />
Substanzen bei SeniorInnen (65 Jahre und älter),<br />
die in einem Privathaushalt leben, keine Seltenheit ist. Dieses<br />
Ergebnis bestätigt dasjenige der Schweizerischen Gesundheitsbefragung<br />
2007. 12 Diese zeigte ausserdem, dass sich die<br />
meisten in Privathaushalten lebenden SeniorInnen im allgemeinen<br />
bei guter Gesundheit fühlen und nicht sozial isoliert<br />
sind.<br />
Die hier vorgestellten Ergebnisse weisen für die Senior-<br />
Innen auf einige Besonderheiten im Vergleich mit jüngeren<br />
Altersgruppen hin. Bei den über 64-Jährigen gibt es anteilsmässig<br />
mehr Personen mit einem chronisch exzessiven Alkoholkonsum<br />
als bei den 45- bis 64-Jährigen. Ebenso ist die (fast)<br />
tägliche Einnahme von starken Schmerzmitteln sowie von<br />
Schlaf- und Beruhigungsmitteln deutlich häufi ger. Dagegen<br />
sind die über 64-Jährigen proportional seltener Rauschtrinkende<br />
und täglich Rauchende als 45- bis 64-Jährige.<br />
Selbst bei den SeniorInnen gibt es Altersunterschiede. So sind<br />
bei den 65- bis 74-Jährigen häufi ger Personen anzutreffen die<br />
täglich rauchen und risikoreich Alkohol konsumieren (chronisch<br />
exzessiver Konsum und/oder Rauschtrinken) als bei den<br />
über 74-Jährigen. Die (fast) tägliche Medikamenteneinnahme<br />
(starke Schmerzmittel und/oder Schlaf- und Beruhigungsmittel)<br />
ist dagegen häufi ger bei den über 74-Jährigen als bei den<br />
65- bis 74-Jährigen anzutreffen.<br />
Diese Ergebnisse erlauben keine Aussagen darüber, inwieweit<br />
die Unterschiede zwischen verschiedenen Altersgruppen<br />
auf Alters- oder Kohorteneffekte zurückzuführen sind (vgl. Kapitel<br />
Methode und Grenzen der Aussagekraft). Bspw. könnten<br />
die niedrigeren Anteile täglich Rauchender bei den über 64-Jährigen<br />
im Vergleich zu den 45- bis 64-Jährigen unterschiedliche<br />
Erklärungen haben, die sich nicht unbedingt gegenseitig ausschliessen:<br />
– Die über 65-Jährigen entstammen einer Generation,<br />
die allgemein weniger geraucht hat als jene der 45- bis<br />
64-Jährigen.<br />
– Aufgrund des Alters (bspw. wegen des Auftretens<br />
chronischer Erkrankungen) haben ehemals Rauchende<br />
mit dem Rauchen aufgehört, d. h. es befi ndet sich in der<br />
Altersgruppe der über 64-Jährigen im Vergleich zu den<br />
Jüngeren ein höherer Anteil Ex-Rauchender.<br />
Der starke Alkoholkonsum und das Rauchen sind natürlich<br />
auch generell schädlich für die Gesundheit und somit für eine<br />
vorzeitige Sterblichkeit verantwortlich. Um bei unserem Beispiel<br />
des geringen Anteils täglich Rauchender bei den über<br />
64-Jährigen zu bleiben, bedeutet dies, dass insbesondere jene<br />
dieses Alter erreichen, die nie oder nur sehr wenig geraucht<br />
haben.<br />
Die Studie zeigt in der Altersgruppe der über 64-Jährigen auch<br />
deutliche Geschlechtsunterschiede. Männer sind proportional<br />
häufi ger als Frauen Rauschtrinkende. Bei den Frauen dagegen<br />
ist die (fast) tägliche Einnahme von starken Schmerzmitteln<br />
sowie von Schlaf- und Beruhigungsmitteln deutlich weiter<br />
verbreitet als bei Männern. Dagegen ähneln sich Männer und<br />
Frauen, was den chronisch exzessiven Alkoholkonsum anbelangt,<br />
und die täglich Rauchenden sind bei 65- bis 74-jährigen<br />
Männern und Frauen ähnlich stark vertreten. Dies gilt jedoch<br />
nicht für die über 74-Jährigen, bei denen Männer häufi ger als<br />
Frauen täglich rauchen.<br />
Zu betonen ist auch, dass bei den (älteren) SeniorInnen die<br />
<strong>SuchtMagazin</strong> <strong>2|2013</strong> 15
Dossier: sucht im Alter<br />
Einnahme von Medikamenten mit Abhängigkeitspotenzial<br />
häufi g ist, was mit dem Auftreten verschiedener chronischer<br />
Erkrankungen sowie Symptomen wie Schlafl osigkeit erklärt<br />
werden kann. 13<br />
Allerdings gibt ein nicht-vernachlässigbarer Teil der über<br />
59-Jährigen (15,7%) an, an Tagen, an denen sie Medikamente<br />
einnehmen, immer oder fast immer auch Alkohol zu konsumieren,<br />
und setzt sich so Nebenwirkungen von Medikamenten<br />
oder einer Wirkungsverstärkung der Alkoholeffekte aus. 14<br />
Die Ergebnisse der vorliegenden Studie zeigen Ansatzpunkte<br />
für Interventionen im Bereich psychotroper Substanzen bei<br />
SeniorInnen auf. Dabei legen Alters- und Geschlechtsunterschiede<br />
nahe, dass diese spezifi sch auf die unterschiedlichen<br />
Gruppenprofi le ausgerichtet werden sollten, um wirksam zu<br />
sein..<br />
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Endnoten<br />
1 Vgl. Babor et al. 2010; Fagerström 2002; Buclin/Biollaz 2000.<br />
2 Vgl. Anderson/Scafato 2010.<br />
3 Vgl. Buclin/Biollaz 2000.<br />
4 Vgl. Woolcott et al. 2009.<br />
5 Vgl. Moore et al. 2007.<br />
6 www.suchtmonitoring.ch<br />
7 Vgl. Gmel et al. 2012.<br />
8 Vgl. auch Notari/Delgrande 2012.<br />
9 Quellen: Suchtmonitoring Schweiz 2011; Gmel et al. 2012; eigene<br />
Berechnungen.<br />
10 Vgl. ebd.<br />
11 Vgl. ebd.<br />
12 Vgl. Notari/Delgrande 2012.<br />
13 Vgl. Offerhaus 1997.<br />
14 Vgl. Moore et al. 2009.
Dossier: sucht im Alter<br />
Sucht im Alter: Projekte auf<br />
nationaler Ebene<br />
Problematische Konsummuster können auch bei älteren Menschen die<br />
Lebensqualität beeinträchtigen. Verschiedene Projekte auf nationaler Ebene<br />
erleichtern einerseits älteren Menschen den Zugang zu Informationen<br />
darüber, was beim Konsum im Alter zu beachten ist. Andererseits erhalten<br />
Fachpersonen, z. B. durch Weiterbildung, Unterstützung in der Betreuung von<br />
älteren Menschen mit einer Suchtgefährdung oder Suchtproblematik.<br />
Regula Hälg<br />
Lic. phil., wissenschaftliche Mitarbeiterin Infodrog, Eigerplatz 5,<br />
Postfach 460, CH-3000 Bern 14, r.haelg@infodrog.ch, www.infodrog.ch<br />
Schlagwörter:<br />
Alter | Alkoholkonsum | Früherkennung | Frühintervention | Hausarzt |<br />
Sucht im Alter<br />
Problematische Konsumgewohnheiten sind bei älteren –<br />
wie bei jüngeren – Menschen eine Realität. Der Konsum von<br />
Alkohol ist weit verbreitet und gesellschaftlich akzeptiert. Personen<br />
in substitutionsgestützter Behandlung werden zunehmend<br />
älter. 1 Die Einnahme von Medikamenten zur Linderung<br />
von Beschwerden ist insbesondere bei älteren Menschen häufi<br />
g. 2 Die Übergänge, die von einem risikoarmen zu einem problematischen<br />
Konsum oder gar zu einer Abhängigkeit führen,<br />
sind jedoch oft fl iessend.<br />
Aufgrund der demographischen Entwicklung 3 wird von einer<br />
Zunahme von älteren Menschen mit einer Suchtgefährdung<br />
oder einer Suchtproblematik ausgegangen. 4 Dies stellt<br />
nicht nur die Prävention und die Suchthilfe vor neue Herausforderungen,<br />
sondern auch Fachpersonen in den Bereichen Alter,<br />
Betreuung und Pfl ege. Entsprechend ist «Sucht im Alter» insbesondere<br />
in den letzten beiden Jahren sowohl in den Medien<br />
als auch in den betroffenen Bereichen zu einem aktuellen Thema<br />
geworden. 5<br />
Suchtprobleme bei älteren Personen sollen nicht tabuisiert<br />
oder banalisiert werden. Sie haben ein Anrecht auf Informationen<br />
und Unterstützung ohne Vorurteile und ohne Vorwürfe.<br />
Vielfältige Herausforderungen<br />
Trotz verschiedenen Ansätzen zur Theoretisierung von «Alter»<br />
soll betont werden, dass Alter keine fi xe Kategorie ist. 6<br />
Aufgrund der Heterogenität der Gruppe der älteren Menschen<br />
sind auch die Herausforderungen für den Fachbereich in Bezug<br />
auf Sucht im Alter vielfältig. So braucht es auf ältere Menschen<br />
zugeschnittene Ansätze für die Prävention von Suchtmittelproblemen.<br />
Hierzu leistet u. a. das Projekt Via – Best Practice<br />
Gesundheitsförderung im Alter 7 einen Beitrag.<br />
In den Institutionen des Altersbereichs (Alterszentren,<br />
Pfl egeheime, Spitex-Organisationen etc.) wird zunehmend die<br />
Wichtigkeit zur Erarbeitung von Konzepten der Früherkennung<br />
und Frühintervention erkannt. Dies ermöglicht einer Institution<br />
das Entwickeln einer gemeinsamen Haltung bezüglich des<br />
Konsums von Alkohol und weiteren psychoaktiven Substan-<br />
zen, das frühzeitige Erkennen von Suchtgefährdungen und<br />
-problemen und bietet den Leitenden wie auch den Mitarbeitenden<br />
Handlungssicherheit. Verschiedene Suchtfachstellen<br />
sowie die Zürcher Fachstelle zur Prävention des Alkohol- und<br />
Medikamentenmissbrauchs ZüFAM bieten dazu eine Begleitung<br />
und Beratung bei der Konzepterarbeitung an.<br />
Bei einer manifest gewordenen Suchtproblematik scheint<br />
es aufgrund der unterschiedlichen Ursachen und Auswirkungen<br />
für die Behandlung und Betreuung sinnvoll, zwischen<br />
einem frühen (early-onset) und einem späten Beginn (lateonset)<br />
der Abhängigkeit, resp. der Problemmanifestation zu<br />
unterscheiden. 8 Konzepte und entsprechende Angebote sind<br />
daher auch für älter werdende suchtmittelabhängige Personen<br />
notwendig, wie z. B. niederschwellige Angebote für alkoholabhängige<br />
Menschen oder geeignete Wohnangebote für in der<br />
Mobilität eingeschränkte Personen in substitutionsgestützter<br />
Behandlung. 9<br />
Schliesslich stellt auch die Diversität der älteren Menschen<br />
(wie auch generell der KlientInnen und PatientInnen)<br />
die Suchtfachleute wie auch die ÄrztInnen vor (zunehmend)<br />
komplexe Herausforderungen. Aspekte der Diversität sind z. B.<br />
Lebensalter, Geschlecht/Gender, Migrationshintergrund, psychische,<br />
somatische und soziale Komorbidität, Behinderung,<br />
sozioökonomischer Status, Religion, Persönlichkeit. Für die<br />
Handhabung dieser Vielfalt ist es wichtig, zum einen Institutionen<br />
im Altersbereich für die einzelnen Diversitätsaspekte<br />
sowie die entsprechenden spezifi schen Interventionsansätze<br />
zu sensibilisieren, zum andern eine ganzheitliche Sicht- und<br />
Arbeitsweise zu fördern, in denen die verschiedenen Aspekte<br />
integral berücksichtigt werden. 10<br />
Projekte auf nationaler Ebene<br />
Die verschiedenen bereits aufgebauten und entstehenden<br />
Projekte auf lokaler, regionaler und kantonaler Ebene im Bereich<br />
Sucht im Alter sind bis anhin wenig koordiniert. Vereinzelte<br />
Aktivitäten auf nationaler Ebene sind im Rahmen des<br />
Nationalen Programms Alkohol NPA entstanden, wie z. B. zwei<br />
Studien, 11 die im Auftrag des BAG erarbeitet wurden, sowie<br />
die Website Sucht und Alter (siehe unten). Zudem sind im<br />
Rahmen des Suchtmonitorings Bestrebungen im Gange, eine<br />
verbesserte Datengrundlage zu schaffen. 12 Unter dem Thema<br />
Diversität, wozu auch der Aspekt «Lebensalter» zu zählen ist,<br />
sollen zukünftig im Bereich Sucht im Alter vermehrt koordinierende<br />
Aktivitäten auf nationaler Ebene angestrebt werden. Sie<br />
<strong>SuchtMagazin</strong> <strong>2|2013</strong> 17
Dossier: Sucht im Alter<br />
sollen dazu beitragen, dass bereits erarbeitetes Know-how im<br />
Rahmen von Projekten und Angeboten ausgetauscht und für<br />
Synergien nutzbar gemacht werden kann.<br />
Verschiedene Projekte auf nationaler Ebene leisten bereits<br />
heute einen Beitrag zur Erarbeitung von Grundlagen, die eine<br />
bessere Unterstützung von älteren Menschen mit einer Suchtgefährdung<br />
oder mit einer Suchtproblematik ermöglichen sollen.<br />
Website Sucht und Alter<br />
Im Rahmen des Nationalen Programms Alkohol 13 wird die<br />
Website «Sucht und Alter» in Kooperation von Sucht Schweiz,<br />
der Forel Klinik, der ZüFAM und Infodrog (Projektleitung) erarbeitet.<br />
Die Aufschaltung unter www.suchtundalter.ch sowie unter<br />
www.alkohol-im-alter.ch erfolgt im April 2013. Diese internetbasierte<br />
Wissensplattform mit Informationen zu Alkohol<br />
im Alter in den Sprachen deutsch, französisch und italienisch<br />
richtet sich an vier Zielgruppen:<br />
Ältere Menschen<br />
Um der Heterogenität der Zielgruppe der älteren Menschen<br />
gerecht zu werden, wird sie mit 55plus angesprochen. Ältere<br />
Menschen können sich auf der Webseite über den Konsum von<br />
Alkohol und seine Auswirkungen auf den älter werdenden Körper<br />
informieren. Es wird erläutert, was ein risikoarmer Konsum<br />
ist, was beim gleichzeitigen Konsum von Alkohol und Medikamenten<br />
zu beachten ist und wie Alkoholproblemen vorgebeugt<br />
werden kann. Darüber hinaus fi nden sich Informationen zur<br />
Alkoholabhängigkeit sowie Hinweise zur Unterstützung bei<br />
Problemen. Diese Webinhalte sind durch Sucht Schweiz erarbeitet<br />
worden.<br />
Nahestehende<br />
In diesem Teil der Website fi nden Angehörige, Freunde und<br />
weitere Personen im sozialen Umfeld von älteren Menschen<br />
generelle Informationen zu Alkohol im Alter. Für Nahestehende,<br />
die sich über ein Alkoholproblem einer Person aus dem Umfeld<br />
sorgen, bietet die Seite konkrete Hinweise und Vorschläge,<br />
z. B. wie das Problem angesprochen werden kann und wo sie<br />
Unterstützung für die Betroffenen, aber bei Bedarf auch für<br />
sich selbst fi nden können. Für die Erarbeitung dieser Texte war<br />
ebenfalls Sucht Schweiz zuständig.<br />
Fachpersonen<br />
Fachpersonen aus Pfl ege, Spitex, Sozialarbeit und Beratung,<br />
insbesondere auch Leitende von Organisationen der Alters-<br />
und Suchthilfe sind in der Betreuung von älteren Menschen<br />
immer öfter mit konkreten Fragen im Umgang mit dem<br />
Konsum von Alkohol und and eren psychoaktiven Substanzen<br />
konfrontiert. Für sie stellt die Webseite Informationen zur Bedeutung<br />
der Früherkennung von Alkoholproblemen und zum<br />
Nutzen von Frühintervention, zur Unterstützung bei der Erarbeitung<br />
eines Frühinterventionskonzeptes sowie Hinweise für<br />
Interventionen im Alltag zur Verfügung. Diese Webinhalte sind<br />
von ZüFAM erstellt worden.<br />
ÄrztInnen<br />
Mit den Informationen, welche für die Haus-, Spital- und<br />
HeimärztInnen sowie für die Geriatrie und Alterspsychiatrie<br />
durch die Forel Klinik aufbereitet worden sind, soll ein Beitrag<br />
zur Verbesserung der professionellen Kompetenz in der<br />
Betreuung von älteren Menschen mit Alkoholproblemen und<br />
deren Angehörigen geleistet werden. Unter den Stichworten
«Veränderungen im Alter», «Risikofaktoren», «Trinkmengen»<br />
etc. fi nden ÄrztInnen Grundlagen, um ältere Menschen über<br />
den Alkoholkonsum im Alter und mögliche Auswirkungen informieren<br />
zu können. Angestrebt wird zudem im Sinne einer<br />
verbesserten Früherkennung und Frühintervention, dass ältere<br />
Menschen mit Alkoholproblemen, die den Arzt oft aus<br />
anderen Gründen aufsuchen, gezielt auf ihren Alkoholkonsum<br />
angesprochen werden. Mit Hilfe von Screening und Diagnostik,<br />
wozu ebenfalls Informationen verfügbar sind, wird betroffenen<br />
Personen eine frühzeitige Behandlung und Beratung<br />
ermöglicht.<br />
Für die Erarbeitung dieser Webinhalte stützte sich die Forel<br />
Klinik auf eine vorgängig durchgeführte Literaturrecherche,<br />
und konnte damit neueste wissenschaftliche Kenntnisse und<br />
Studienergebnisse einfl iessen lassen.<br />
Die Erarbeitung der Website wird im Rahmen des zwei Jahre<br />
dauernden Projektes (1.9.2011-31.8.2013) durch das NPA fi nanziert.<br />
14 Ein ExpertenInnengremium 15 hat den Prozess begleitet<br />
und die Experten haben Rückmeldungen zu den erarbeiteten<br />
Texten gegeben (Reviewing der Webinhalte). Die Lancierung<br />
wird durch verschiedene Promotionsaktivitäten begleitet. Die<br />
Website wird vorerst mit Informationen zu Alkohol aufgeschaltet.<br />
Die Website ist jedoch so konzipiert, dass sie – im Sinne<br />
einer kohärenten Suchtpolitik – auf weitere Substanzen und<br />
Themen ausgeweitet werden kann. In der restlichen Projektphase<br />
gilt es, den längerfristigen Unterhalt sicherzustellen.<br />
Suchtindex.ch<br />
Parallel zur Erarbeitung der Webinhalte hat Infodrog<br />
ebenfalls im Rahmen dieses Projektes Anpassungen an der<br />
im Auftrag des Bundesamtes für Gesundheit geführten Datenbank<br />
der Suchthilfeangebote vorgenommen. Die Datenbank<br />
umfasst die ambulanten, stationären, teilstationären<br />
und niederschwelligen Angebote sowie jene der Selbsthilfe<br />
in den Bereichen Alkohol, illegale Drogen, Medikamente und<br />
substanzungebundene Süchte in der Schweiz und im Fürstentum<br />
Liechtenstein. 16 Der Zugriff wurde vereinfacht, und unter<br />
www.suchtindex.ch ist es im angepassten Suchfi lter nun bspw.<br />
auch möglich, gezielt nach Angeboten im Bereich «Sucht im<br />
Alter» respektive nach spezifi schen Angeboten für ältere Personen<br />
mit Suchtproblemen zu suchen.<br />
Praxis Suchtmedizin Schweiz<br />
Die nationale Website www.praxis-suchtmedizin.ch 17 wird<br />
von der Interessensgemeinschaft «IG Netzwerk Praxis Suchtmedizin»<br />
getragen. In der IG sind die in der Schweiz bestehenden<br />
regionalen Netzwerke der Suchtmedizin COROMA,<br />
FOSUMOS, FOSUMIS und ticino addiction 18 vertreten. Weitere<br />
Mitglieder der IG sind Fachpersonen von BAG, Schweizerische<br />
Gesellschaft für Suchtmedizin SSAM, Vereinigung der KantonsärztInnen<br />
VKS, Infodrog sowie kantonale Beauftragte für<br />
Suchtfragen. Diese Website wurde spezifi sch als Unterstützung<br />
für HausärztInnen sowie für NotfallärztInnen, ApothekerInnen,<br />
Gesundheitsdienste des Straf- und Massnahmevollzuges<br />
und für Fachleute aus der Psy chiatrie konzipiert.<br />
Das internetbasierte Handbuch bietet praktische Hilfsmittel,<br />
Checklisten, Behandlungsalgorithmen, E-Learning Module<br />
und Online-Beratung zur Erkennung und Behandlung von<br />
Suchtmittelabhängigkeit in den Bereichen Heroin, Alkohol,<br />
Tabak, Cannabis, Medikamente, Kokain und Partydrogen. Die<br />
Webinhalte beruhen auf in der Praxis bewährten Verfahren<br />
und aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnissen. Des Weite-
Dossier: Sucht im Alter<br />
ren sollen die ÄrztInnen auch zur Zusammenarbeit mit anderen<br />
im Suchtbereich tätigen Berufsgruppen angeregt und darin<br />
unterstützt werden. Obwohl diese Website nicht spezifi sch<br />
auf die Suchtgefährdung und Suchtmittelabhängigkeit von<br />
älteren Personen ausgerichtet ist, sind die bereitgestellten<br />
Informationen auch für sie nützlich und brauchbar. Zudem<br />
werden mit der Überarbeitung 19 der einzelnen Webinhalte vermehrt<br />
Aspekte der Diversität 20 berücksichtigt, worunter auch<br />
«Lebensalter» fällt, sowie die Früherkennung und Frühintervention<br />
gestärkt.<br />
So unterstützen bspw. wissenschaftlich abgestützte Informationen<br />
und entsprechende Screeninginstrumente die<br />
ÄrztInnen bei der Unterscheidung eines problematischen<br />
Alkoholkonsums von einer Abhängigkeit. Dies und weitere<br />
Hinweise (z. B. zu motivierender Gesprächsführung) sollen es<br />
ÄrztInnen ermöglichen, einen problematischen Konsum zu<br />
erkennen, anzusprechen und bei Bedarf Unterstützung bei<br />
einer Konsumreduktion anzubieten<br />
Projekt Weiterbildungsangebote Regelversorgung<br />
Ebenfalls im Rahmen des NPA hat Infodrog eine Bestandsaufnahme<br />
zum Thema «Qualifi zierung für Kurzintervention»<br />
(Befragung von ExpertInnen; Bedarfsabklärung; Literaturrecherche)<br />
durchgeführt. 21 Das Ziel der Qualifi zierung von Fachpersonen<br />
zu Kurzinterventionen wird in zwei Projekten weiterverfolgt:<br />
«Weiterbildungsangebote Regelversorgung» und<br />
«Kurzintervention Ärzteschaft».<br />
Mit dem Projekt «Weiterbildungsangebote Regelversorgung»<br />
des Bundesamtes für Gesundheit BAG, der ExpertInnenkommission<br />
Weiterbildung Sucht EWS und von Infodrog sollen<br />
Weiterbildungsangebote und Sensibilisierungsaktivitäten zu<br />
Sucht sowie Früherkennung und Frühintervention für Fachpersonen<br />
der Regelversorgung im Gesundheits-, Sozial-, Bildungsund<br />
Repressionsbereich gefördert werden. Diese Fachpersonen<br />
sind in ihrer täglichen Arbeit punktuell mit suchtspezifi schen<br />
Belangen konfrontiert, insbesondere auch im Altersbereich.<br />
Der adäquate Umgang mit Suchtgefährdung und Suchtproblemen<br />
ist also nicht nur Sache von Suchtfachleuten. Mit den<br />
Projektaktivitäten wird angestrebt, dass Fachpersonen in ihrem<br />
berufl ichen Umfeld und im Rahmen ihrer Funktion in der<br />
Lage sind, mögliche Suchtgefährdungen zu erkennen, geeignete<br />
Massnahmen zu ergreifen (z. B. für mögliche Gefahren<br />
sensibilisieren, zur Verhaltensänderung motivieren, Triage an<br />
spezialisierte Beratungsstellen, Zusammenarbeit unter involvierten<br />
Institutionen) sowie einen adäquaten Umgang mit<br />
Menschen mit einer Suchterkrankung zu pfl egen (Begleitung<br />
und Unterstützung, soweit dies im berufl ichen Alltag möglich<br />
und sinnvoll ist, Kontakt zu behandelnden/betreuenden Institutionen<br />
initiieren und aufrecht erhalten). Unter Einbezug von<br />
Fachverband Sucht, GREA und Suchtfachstellen wurde diskutiert,<br />
über welche Basiskompetenzen Fachpersonen der Regelversorgung<br />
für diese Aufgabe aus Sicht der Suchtfachleute<br />
verfügen sollen. Zusammenfassend wurden vier Basiskompetenzen<br />
identifi ziert:<br />
1) Anzeichen einer (Sucht-)Gefährdung wahrnehmen;<br />
erforderliches Vorgehen kennen;<br />
2) (Erst-)Gespräch/Intervention durchführen;<br />
3) Unterstützung/Begleitung bei einer Suchtgefährdung<br />
resp. einer bestehenden Suchtproblematik;<br />
4) Refl ektieren der Rahmenbedingungen der eigenen<br />
Institution; (nach Möglichkeit) sensibilisieren der<br />
eigenen Institution (institutionelle Ebene).<br />
Wichtige Links<br />
Nationale Wissensplattform Sucht und Alter<br />
Die nationale Website (d/f/i) richtet sich mit Informationen<br />
zu Alkohol im Alter an ältere Menschen, Angehörige und<br />
Berufsgruppen, die in ihrem Arbeitsalltag ältere Menschen<br />
betreuen, begleiten oder beraten<br />
www.suchtundalter.ch,<br />
www.alkohol-im-alter.ch<br />
ZüFAM – Sucht im Alter<br />
Die von der ZüFAM betriebene Website listet unter anderem<br />
Angebote im Bereich Sucht im Alter des Kantons Zürich auf<br />
www.suchtimalter.ch<br />
Praxis Suchtmedizin Schweiz<br />
Die suchtmedizinische Informationsplattform (d/f/i) für HausärztInnen<br />
in der Schweiz bietet zu den gängigsten Suchtmitteln<br />
praxisbezogene Informationen.<br />
www.praxis-suchtmedizin.ch<br />
Infoset: Das Schweizer Suchtportal<br />
Das Dossier «Sucht im Alter» enthält Hinweise zu Broschüren,<br />
Publikationen, Tagungen und Referaten, zu Bildung und<br />
Forschung und listet Organisationen des Altersbereichs auf.<br />
www.infoset.ch/de/dossiers/alter<br />
In einem nächsten Schritt werden nun in Zusammenarbeit<br />
mit Berufsverbänden und weiteren relevanten AkteurInnen<br />
berufs- resp. funktionsspezifi sche Weiterbildungsangebote<br />
erarbeitet. Dabei muss je nach Berufsgruppe und je nach<br />
berufl ichem Kontext diskutiert werden, welches der konkrete<br />
Bedarf an Weiterbildung zur Suchtthematik ist, welche Basiskompetenzen<br />
von Relevanz sind, was diese Basiskompetenzen<br />
im Detail beinhalten und in welcher Tiefe hierzu Wissen und<br />
Fähigkeiten notwendig sind.<br />
Projekt Kurzintervention Ärzteschaft<br />
In der praktischen Anwendung wird unter «Kurzintervention»<br />
meist die Kombination von Gesprächen kurzer Dauer und<br />
beschränkter Anzahl, von Motivierender Gesprächsführung 22<br />
und die Orientierung am transtheoretischen Modell 23 verstanden.<br />
Das Projekt «Kurzintervention Ärzteschaft» richtet sich<br />
an HausärztInnen und wird durch Infodrog in Zusammenarbeit<br />
mit dem Kollegium Hausarztmedizin (KHM), der FMH und<br />
den regionalen Netzwerken der Suchtmedizin (FOSUMOS, CO-<br />
ROMA) geplant und umgesetzt. Dabei wird die Nutzung von<br />
Synergien mit dem Projekt «Gesundheitscoaching» des KHM 24<br />
angestrebt. Durch Fortbildungsangebote zu Kurzintervention<br />
und Motivierender Gesprächsführung sollen ÄrztInnen ihre<br />
Kompetenzen verbessern, zum einen, um problematische Alkoholkonsummuster<br />
möglichst früh zu erkennen, zum anderen<br />
aber auch, um eine Vielzahl weiterer Themen (Rauchen, Diabetes,<br />
Stress etc.) anzusprechen und eine adäquate Behandlung<br />
und Begleitung anzubieten. Der Nutzen von Kurzinterventionen,<br />
auch bei älteren Menschen, ist vielfach belegt. 25 .<br />
Literatur<br />
Babor, T./Caetano, R./Casswell, S./Edwards, G./Giesbrecht, N./Graham,<br />
K./Grube, J./Gruenewald, P./Hill, L./Holder, H./Homel, R./Österberg,<br />
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Ausgabe mit Beiträgen zur Alkoholpolitik in Deutschland,<br />
Österreich und der Schweiz: Ludwig Kraus et al. Göttingen:<br />
Hogrefe.<br />
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WHO - World Health Organisation (2010): Brief Intervention. The ASSISTlinked<br />
brief intervention for hazardous and harmful substance use.<br />
Manual for use in primary care. Geneva: WHO.<br />
Endnoten<br />
1 Vgl. Hälg/Dürsteler-MacFarland 2013. Mit dem Alter nehmen bei den<br />
substituierten Personen auch komorbide Störungen und soziale<br />
Defi zite zu. Man spricht auch von einer Voralterung bei dieser<br />
Personengruppe.<br />
2 Vgl. Kutschke 2012: 129ff, Gmel et al. 2012 sowie z. B. den kürzlich<br />
erschienen Artikel von Grassegger 2012.<br />
3 Per Ende 2011 waren 12,4% der in der Schweiz lebenden Bevölkerung<br />
zwischen 65-79 Jahre alt, 4,8% waren 80 Jahre und älter<br />
(n=7‘954‘700). Dass die Menschen in der Schweiz zunehmend älter<br />
werden, zeigt sich in einem stetig steigenden Altersquotienten,<br />
vgl. Bundesamt für Statistik, www.tinyurl.com/cymbbex, Zugriff<br />
26.02.2013.<br />
4 Gemäss den Daten des Suchtmonitorings konsumieren bspw. 25.7%<br />
der befragten 65-74 Jährigen (N=1128) mind. einmal täglich Alkohol<br />
und bei den ab 75 Jährigen (N=703) sind es 28.8%, vgl. Gmel et al<br />
2012, www.suchtmonitoring.ch sowie den Beitrag von Notari et al.<br />
in dieser Ausgabe.<br />
5 Institutionen sowie kantonale (Fach-)Stellen haben das Thema<br />
aufgegriffen, führen Veranstaltungen zur Sensibilisierung zum<br />
Thema durch oder haben eigene Projekte lanciert, vgl. auch den<br />
Beitrag von Meyer in dieser Ausgabe. Auch in den Medien ist das<br />
Thema zunehmend präsent, vgl. z. B. Grassegger 2012, sowie den<br />
Beitrag in 10vor10 zu Sucht im Alter, www.tinyurl.com/dyh84j9,<br />
Zugriff am 02.03.2013.<br />
6 Zur Kategorie «Alter» vgl. z. B. Höpfl inger 2009 und 2011, sowie<br />
www.hoepfl inger.com. Zum Begriff «des aktiven Alterns» vgl. auch<br />
den Beitrag von Schroeter in dieser Ausgabe oder das an der Pro<br />
Senectute-Fachtagung 2012 «Auf dem Weg zum guten Altern»<br />
gehaltene Referat von Silke van Dyk: «Müssen die Alten aktiviert<br />
werden? Von der Schwierigkeit, heute gut altern zu können»,<br />
www.tinyurl.com/cs3kkkx, Zugriff 21.03.2013.<br />
7 Vgl. auch den Beitrag von Soom et al. in dieser Ausgabe.<br />
8 Die Begriffe «early-onset» und «late-onset» werden nicht<br />
einheitlich verwendet, vgl. z. B. Kutschke 2012: 68-71.<br />
9 Vgl. Hälg/Dürsteler-MacFarland 2013 und SSAM 2012. Bei Personen<br />
in substitutionsgestützter Behandlung, die – z. T. bereits ab 40<br />
Jahren – durch psychiatrische und somatische Komorbiditäten<br />
oder eingeschränkte Mobilität pfl egebedürftig werden, stellt<br />
sich zunehmend die Frage, ob sie in bestehende Einrichtungen<br />
«integriert» werden (Integration), oder ob spezielle Strukturen<br />
geschaffen werden müssen (Separation). In der Schweiz fi nden sich<br />
beide Ansätze, wobei bei einer Integration die stetige Schulung des<br />
(Fach-)Personals von zentraler Bedeutung ist, vgl. Pfi ster/Knecht<br />
2012, Chalupny 2010.<br />
10 Infodrog erarbeitet (im Auftrag des BAG) Grundlagen zur<br />
Handhabung der Diversität in der Suchthilfe und unterstützt die<br />
Institutionen bei der Berücksichtigung von Diversitätsaspekten<br />
beim Erbringen ihrer Dienstleistungen, www.tinyurl.com/cf37w4u,<br />
Zugriff 02.03.2013.<br />
11 Kessler et al. 2012; Notari et al. 2012, vgl. auch die Artikel von<br />
Soom et al. und Notari et al. in dieser Ausgabe. Die beiden Studien<br />
können auf der BAG-Webseite unter dem Thema «Alkohol im Alter»<br />
heruntergeladen werden: www.tinyurl.com/cbvwdjh, Zugriff<br />
04.03.2013.<br />
12 Mit dem Suchtmonitoring Schweiz werden repräsentative Daten<br />
der Schweizer Wohnbevölkerung zum Thema Sucht und Konsum<br />
psychoaktiver Substanzen zusammengetragen. Hierzu werden<br />
seit 2011 jährlich 11‘000 in der Schweiz wohnhafte Personen (ab 15<br />
Jahren) befragt, vgl. Gmel et al 2012 sowie www.suchtmonitoring.ch<br />
13 Vgl. Nationales Programm Alkohol NPA www.tinyurl.com/5s6nxug;<br />
einmal jährlich können Beiträge für die Finanzierung von<br />
Projekten und Forschungsvorhaben, die sich der Bekämpfung des<br />
problematischen Alkoholkonsums widmen, beantragt werden, vgl.<br />
www.tinyurl.com/cxldku7, Zugriff 26.02.2013.<br />
14 Vgl. Endnote 13.<br />
15 Das Expertengremium setzt sich zusammen aus Fachpersonen<br />
aus den Bereichen Suchthilfe und Suchtmedizin, Geriatrie, Spitex,<br />
Alters-/Pfl egeheim, sowie aus den verschiedenen Regionen der<br />
Schweiz.<br />
16 Der Eintrag des Angebots ist für die Institutionen sowie<br />
Selbsthilfeangebote freiwillig und erfolgt wie die Aktualisierung<br />
durch sie selbst. Der Eintrag respektive die Aktualisierung werden<br />
nach einer Kontrolle durch Infodrog freigeschaltet.<br />
17 Die Webseite ist in deutscher, französischer (www.praticienaddiction.ch)<br />
und italienischer Sprache (www.medico-edipendenze.ch)<br />
verfügbar.<br />
18 Collège romand de médecine de l‘addiction COROMA, www.<br />
romandieaddiction.ch; Forum Suchtmedizin Ostschweiz FOSUMOS,<br />
www.fosumos.ch; Forum Suchtmedizin Innerschweiz FOSUMIS,<br />
www.fosumis.ch; ticino addiction, www.ticinoaddiction.ch.<br />
Ein weiteres suchtmedizinisches Netzwerk befi ndet sich in der<br />
Nordwestschweiz im Aufbau.<br />
19 Die einzelnen nach Substanzen gegliederten Kapitel wurden in den<br />
Jahren 2005 bis 2009 durch FOSUMOS erarbeitet. Ab 2011 werden die<br />
Kapitel überarbeitet, in die französische und italienische Sprache<br />
übersetzt und auf der Website www.praxis-suchtmedizin.ch<br />
zugänglich gemacht. Die Webinhalte werden von FachexpertInnen<br />
überarbeitet und anschliessend durch weitere FachexpertInnen<br />
reviewt.<br />
20 Vgl. Endnote 10.<br />
21 Infodrog wurde im Rahmen des Nationalen Programms NPA 2008-<br />
2012 (vgl. BAG 2008) mit der Umsetzung der NPA-Massnahme<br />
«Qualifi zierung für Kurzintervention» betraut. Für die wesentlichen<br />
Ergebnisse der Bestandesaufnahme, vgl. Hälg 2012.<br />
22 Vgl. Miller/Rollnick 2001 und 2002.<br />
23 Vgl. Prochaska/DiClemente 1983 und Prochaska et al. 1992.<br />
24 Weitere Informationen vgl. www.gesundheitscoaching-khm.ch,<br />
Zugriff 02.03.2013.<br />
25 Vgl. Babor et al. 2005 und 2007; WHO 2010; Schonfeld et al. 2010.<br />
<strong>SuchtMagazin</strong> <strong>2|2013</strong> 21
Dossier: sucht im Alter<br />
Alkohol im Alter:<br />
Erfahrungen und Good<br />
Practices<br />
In einer vom Bundesamt für Gesundheit finanzierten Studie zeigt sich, dass<br />
in der Schweiz die Sensibilisierung zum problematischen Alkoholkonsum im<br />
Alter aus der Perspektive von Fachpersonen und Angehörigen noch deutlich<br />
voranzutreiben ist. Wichtige Elemente einer Good Practice sind bereits<br />
vorhanden, es fehlt jedoch noch an der Integration dieser Elemente und an der<br />
regionalen Koordination von Sucht- und Altershilfe.<br />
Corina Salis Gross<br />
Dr. phil., Forschungsleiterin am Schweizer Institut für Sucht- und Gesundheitsforschung<br />
ISGF Zürich, Konradstrasse 32, CH-8031 Zürich, Tel. +41 (0)44 448 11 84,<br />
corina.salisgross@isgf.uzh.ch, www.isgf.uzh.ch<br />
Severin Haug<br />
Dr. phil., Forschungsleiter am Schweizer Institut für Sucht- und Gesundheitsforschung<br />
ISGF Zürich, Konradstrasse 32, CH-8031 Zürich, Tel. +41 (0)44 448 11 74,<br />
severin.haug@isgf.uzh.ch, www.isgf.uzh.ch<br />
Schlagwörter:<br />
Alter | Alkoholkonsum | Problemlast | Good Practice | Erfahrungswissen |<br />
Ausgangslage<br />
Problematischer Alkoholkonsum ist auch im Alter verbreitet.<br />
1 Individuell wie gesellschaftlich entstehen daraus gesundheitliche<br />
und ökonomische Schäden.<br />
Das BAG schenkte dem Thema im Rahmen des Nationalen<br />
Programms Alkohol 2008-2012 Beachtung und formulierte als<br />
eines der Wirkungsziele die Verminderung des chronischen<br />
Alkoholkonsums im Alter. 2 In diesem Kontext wurde die vorliegende<br />
Studie fi nanziert, die ExpertInnenwissen und Erfahrungen<br />
von Fachpersonen und Angehörigen erfassen sollte.<br />
Partizipativ wurden geeignete Massnahmen zur Reduktion<br />
problematischen Alkoholkonsums identifi ziert und Empfehlungen<br />
formuliert.<br />
Methoden<br />
Eine Literaturrecherche sichtete die rezente Literatur zum<br />
Thema «Alkohol im Alter», deren Auswertung es erlaubte, einen<br />
groben Überblick über den Wissenskorpus in der Schweiz<br />
und einen international formulierten State of the Art 3 zu bestimmen<br />
sowie Fragen (wahrgenommene Problemlast, Einstellungen<br />
und Verhalten, Angebote) an Fachpersonen und an<br />
Angehörige von Personen mit problematischem Alkoholkonsum<br />
zu formulieren. Deren Befragung erfolgte telefonisch oder<br />
schriftlich mittels eines Fragerasters. Für die statistische Auswertung<br />
genutzt wurden die Antworten von 37 Fachpersonen<br />
(hauptsächlich aus psychiatrischen Einrichtungen, Alters- und<br />
Pfl egeheimen, aus ambulanten Pfl egediensten und Suchtberatungsstellen)<br />
und von acht Angehörigen. Mit verschiedenen<br />
AkteurInnen wurden ausserdem informelle Gespräche geführt<br />
und eine ExpertInnengruppe beriet die Studie zu deren Beginn<br />
und kommentierte vorläufi ge Ergebnisse und Empfehlungen.<br />
Problemlast<br />
Als wichtigste Gründe problematischen Alkoholkonsums<br />
identifi zieren die befragten Personen einschneidende Ereignisse<br />
(critical life events), und dabei in erster Linie Verlusterlebnisse<br />
(Arbeit, Partner und Angehörige). 4 Die Motivation,<br />
problematischen Alkoholkonsum zu reduzieren, wird als gering<br />
eingeschätzt. Seine Konsequenzen sind bspw. die – verglichen<br />
mit älteren Personen ohne entsprechenden Konsum<br />
– schlechtere psychische und physische Gesundheit. Die Befragten<br />
bemerken, dass Frauen häufi ger allein, heimlich und in<br />
Stresssituationen trinken als Männer, und zwar Bier und Wein,<br />
während Männer eher Bier und Schnaps trinken. Ein Zusammenhang<br />
zwischen sozio-ökonomischer Benachteiligung und<br />
problematischem Alkoholkonsum kann vermutet werden. Weniger<br />
deutlich ist aufgrund des befragten Samples der Zusammenhang<br />
zwischen problematischem Alkoholkonsum im Alter<br />
und Migrationshintergrund. Sehr deutlich sind dagegen die<br />
Kombination des Konsums von Alkohol und anderen Substanzen<br />
(v. a. Tabak, Schlaf-, Beruhigungs- und Schmerzmittel) und<br />
– immer aufgrund des befragten Samples – die Tatsache, dass<br />
viele Personen mit problematischem Alkoholkonsum auch eine<br />
psychiatrische Diagnose aufweisen. Beobachtet werden bei<br />
den Personen mit problematischem Alkoholkonsum auch Anzeichen<br />
von Alkoholabhängigkeit – die Grenze zwischen den<br />
beiden Konsumformen ist fl iessend.<br />
Good Practices<br />
Die Ergebnisse der Studie sind in Form von «Good Practices»<br />
kondensiert, um so die erfolgversprechenden Massnahmen<br />
sowie die vorhandenen Stolpersteine und Lücken aus der<br />
Sicht von Fachpersonen und Angehörigen zielgerichtet ersichtlich<br />
zu machen.<br />
Transversale Good Practices<br />
Massnahmen zur Reduktion problematischen Alkoholkonsums<br />
sollen gemäss den Befragten sowohl das Verhalten als<br />
22 <strong>SuchtMagazin</strong> <strong>2|2013</strong>
auch die Verhältnisse betreffen, sie sollen die Zielgruppe der<br />
älteren Menschen weit fassen und sie dabei bezüglich Alter,<br />
Geschlecht, sozioökonomischem Status, Migrationshintergrund<br />
oder geteilter Lebenswelten differenziert angehen. Zu<br />
den Voraussetzungen für den Erfolg von Massnahmen zur Reduktion<br />
problematischen Alkoholkonsums gehören ausserdem<br />
die weitere Sensibilisierung der Öffentlichkeit und des Gesundheitspersonals<br />
für das Thema sowie die gute Zusammenarbeit<br />
verschiedener AkteurInnen (inklusive Altershilfe). Diese Massnahmen<br />
nutzen zudem die Erfahrungen der Arbeit mit anderen<br />
Zielgruppen und die Erkenntnisse der Gerontologie, sie nutzen<br />
die Möglichkeit, auch den problematischen Konsum anderer<br />
Substanzen zu thematisieren, und sie erfolgen innerhalb einzelner<br />
Organisationen auf der Grundlage von klaren Konzepten<br />
und verbindlichen Richtlinien.<br />
Prävention<br />
Die Kommunikationsaufgabe «Prävention» geschieht koordiniert,<br />
zielgruppengerecht und über Kanäle, welche die<br />
verschiedenen Teile der Zielgruppe «ältere Menschen» am<br />
besten erreichen. Die Zielgruppen selbst lassen sich in die<br />
Planung und in die Realisierung von Präventionsmassnahmen<br />
einbeziehen und immer zeigen die Präventionsbotschaften<br />
Handlungsmöglichkeiten auf. Besondere Beachtung wird der<br />
Verhältnisprävention in den Institutionen und Haushalten geschenkt,<br />
welche die individuellen Anstrengungen zur Reduktion<br />
problematischen Alkoholkonsums unterstützen – bspw. die<br />
Einrichtung alkoholfreier Haushalte, die kontrollierte Abgabe<br />
von Alkohol, niederschwelliges begleitetes Wohnen und ebensolche<br />
Tagesstrukturen.<br />
Früherkennung<br />
Das Erkennen problematischen Alkoholkonsums ist gemeinsame<br />
Aufgabe verschiedener Gruppen von AkteurInnen,<br />
einschliesslich des sozialen Umfelds von Betroffenen. Besonders<br />
gute Möglichkeiten zur Früherkennung bieten aufsuchende<br />
Dienstleistungen, wobei es günstig ist, problematischen<br />
Alkoholkonsum mittels geeigneter Screening-Instrumente zu<br />
erkennen. Solche Instrumente sind weiterzuentwickeln resp.<br />
neu zu schaffen, sie passen in die Abläufe von Prävention und<br />
Beratung sowie Behandlung. Die Abläufe nach der Erkennung<br />
problematischen Alkoholkonsums ihrerseits sind den Mitarbeitenden<br />
einer Organisation klar: sie wissen, was nach der<br />
entsprechenden Diagnose zu tun ist.<br />
Beratung und Behandlung<br />
Der Zugang zu unterschiedlichen, altersspezifi schen, auf<br />
verschiedene Bedürfnisse ausgerichteten Beratungs- und Behandlungsangeboten<br />
ist möglichst niederschwellig zu gestalten<br />
– durch zielgruppengerechte und koordinierte Information<br />
und durch die Nutzung der Möglichkeiten aufsuchender Arbeit.<br />
Die Ziele von Beratungen und Behandlungen werden in Zusammenarbeit<br />
mit den Betroffenen defi niert und aufgrund eingehender<br />
Abklärungen durchgeführt. Für die einzelnen Massnahmen<br />
steht genügend Zeit zur Verfügung und sie beziehen<br />
möglichst das soziale Umfeld der Betroffenen mit ein. Sie ermöglichen<br />
soziale Kontakte, nutzen Tagesstrukturen und sie<br />
werden von gut ausgebildetem Personal realisiert. Beratungen<br />
und Behandlungen erfolgen aufgrund klarer organisatorischer<br />
Konzepte, die auch das Dilemma zwischen Selbstbestimmung<br />
der betroffenen Personen und der vom Gesundheitspersonal<br />
wahrgenommenen Notwendigkeit von Interventionen thematisieren.<br />
Empfehlungen<br />
Die folgenden Empfehlungen richten sich an die AkteurInnen<br />
verschiedener Ebenen einer integrierten Policy zum<br />
problematischen Alkoholkonsum im Alter. Sie wurden auf<br />
Grundlage der erhobenen Daten sowie mittels einer Fokusgruppe<br />
mit dem an der Studie beteiligten Beirat formuliert.<br />
Gesundheitsbehörden<br />
integrieren idealerweise das Thema «problematischer Alkoholkonsum<br />
älterer Menschen» in Gesundheitspolitiken, sie<br />
unterstützen Massnahmen zur Sensibilisierung für das Thema,<br />
sie fördern die Zugänglichkeit von Angeboten (auch für<br />
Angehörige), die Rolle der aufsuchenden Arbeit und die Koordination<br />
und den Austausch zwischen Angeboten sowie die partizipative<br />
Einbindung der Zielgruppen und deren Angehöriger.<br />
Für Schulungen zum Thema entwickeln Gesundheitsbehörden<br />
Standards um die Qualität der Wissensvermittlung zu garantieren.<br />
Gesundheitseinrichtungen<br />
sichern die Qualität von Massnahmen zur Reduktion von<br />
problematischem Alkoholkonsum im Alter durch die Entwicklung<br />
der Organisation, bspw. durch das Erstellen von Konzepten,<br />
die Defi nition von Handlungsabläufen oder die Schulung<br />
von Personal.<br />
Spezialisierte Einrichtungen<br />
sichern ebenfalls die Qualität von Massnahmen durch Prozesse<br />
zur Organisationsentwicklung. Ausserdem entwickeln<br />
sie spezifi sche Angebote weiter, sie sichern den zielgruppenspezifi<br />
schen Zugang zu Angeboten und sie koordinieren sich<br />
mit anderen Anbietern im Bereich und arbeiten mit diesen<br />
zusammen.<br />
Fazit<br />
Die folgenden Aspekte stehen im Vordergrund zur weiteren<br />
Reduktion problematischen Alkoholkonsums (Prävention,<br />
Früherkennung, Beratung und Behandlung, Nachsorge):<br />
Erreichbarkeit<br />
Die zielgruppengerechte Planung und Durchführung von<br />
Massnahmen muss ein Daueranliegen sein. Zu den schwerund<br />
schwersterreichbaren Personen gehören jene, die allein<br />
wohnen und wenig soziale Kontakte haben und die aufgrund<br />
von sprachlichen und anderen Voraussetzungen (z. B. tiefer<br />
sozioökonomischer Status, strukturelle Barrieren, Migrationshintergrund)<br />
nicht in den Kontakt mit Angeboten kommen.<br />
Koordination und Kooperation<br />
Die Zusammenarbeit aller AkteurInnen (in einer Region) ist<br />
Voraussetzung für die Wirksamkeit von Massnahmen und den<br />
effi zienten Einsatz von Mitteln. Die Schnittstellen zwischen<br />
Anbietern sind zu optimieren, um eine gute Zusammenarbeit<br />
zu ermöglichen. Dazu gehört auch die Zusammenarbeit zwischen<br />
Institutionen der Altershilfe und jenen der Suchthilfe.<br />
Partizipative Ansätze<br />
Interventionen zur Reduktion problematischen Alkoholkonsums<br />
sind mit den verschiedenen AkteurInnenn zu planen<br />
und durchzuführen, einschliesslich der VertreterInnen der heterogenen<br />
Zielgruppen.<br />
<strong>SuchtMagazin</strong> <strong>2|2013</strong> 23
Organisationsentwicklung<br />
Durch Personalschulungen, Defi nition von handlungsleitenden<br />
Richtlinien und Konzepten und durch Anpassung von<br />
Abläufen können Organisationen zur Qualität ihrer Massnahmen<br />
und zu deren verbesserten Wirkung beitragen. Gleichzeitig<br />
entlasten sie damit die einzelnen Mitarbeitenden, indem<br />
sie diesen in ambivalenten Situationen adäquate Entscheidungsgrundlagen<br />
zur Verfügung stellen..<br />
Literatur<br />
Bundesamt für Gesundheit BAG (2008): Nationales Programm Alkohol<br />
2008-12. Bern: Bundesamt für Gesundheit BAG.<br />
Bundesamt für Gesundheit (2011): Alkoholkonsum in der<br />
Schweiz. Faktenblatt. Basierend auf der Schweizerischen<br />
Gesundheitsbefragung & der Auswertung von Sucht Info Schweiz.<br />
Salis Gross, C./Haug, S./Kessler, D./Koller, S.(in Vorbereitung): Alkohol<br />
im Alter. Exploration erfolgversprechender Massnahmen<br />
zur Reduktion des problematischen Alkoholkonsums bei<br />
älteren Menschen in der Schweiz. München: Akademische<br />
Verlagsgemeinschaft. Download des entsprechenden<br />
Schlussberichtes an das BAG: www.tinyurl.com/czaxjza, Zugriff<br />
27.03.2013.<br />
World Health Organization (WHO) (2000): International guide for<br />
monitoring alcohol consumption and related harm. Geneva:<br />
Department of Mental Health and Substance Dependence,<br />
Noncommunicable Diseases and Mental Health Cluster.<br />
Endnoten<br />
1 Problematischer Alkoholkonsum umfasst das Rauschtrinken<br />
(episodischer Risikokonsum), den chronischen Risikokonsum<br />
und das situationsunangepasste Trinken. Die Grenzwerte liegen<br />
gemäss WHO bei 20g reinen Alkohols pro Tag für Frauen bzw. 40g<br />
pro Tag für Männer (zwei bis vier Standardgläser) (WHO 2000;<br />
vgl. auch BAG 2011). Im Alter reagiert der Körper aufgrund des<br />
reduzierten Wasseranteils empfi ndlicher auf Alkohol, der daher<br />
eine stärkere Wirkung entfaltet. Deshalb sind sich Fachpersonen<br />
einig, dass die Grenzwerte für ältere Menschen entsprechend zu<br />
relativieren sind.<br />
2 Vgl. Bundesamt für Gesundheit 2008.<br />
3 Vgl. Salis Gross et al. in Vorbereitung: Kap. 1 und 2.1.<br />
4 Bei early onset drinkers waren dies 1. der Verlust der Arbeitsstelle<br />
und 2. die Trennung von Partner oder Angehörigen. Bei late<br />
onset drinkers wurden 1. die Pensionierung und der Verlust an<br />
Lebenssinn genannt und 2. der Verlust von Tagesstrukturen.<br />
24 <strong>SuchtMagazin</strong> <strong>2|2013</strong>
Dossier: sucht im Alter<br />
Gesundheitsförderung im<br />
Alter: Wie erreichen wir alle?<br />
Die aktuelle Gesundheitsförderung im Alter spricht eher die Mittelschicht<br />
mit gutem Bildungs- und Sozialkapital an. Deshalb werden nun im Rahmen<br />
des interkantonalen Projektes «via – Best Practice Gesundheitsförderung im<br />
Alter» in Pilotgemeinden spezielle Massnahmen zur besseren Erreichbarkeit<br />
von benachteiligten und schwer erreichbaren älteren Menschen ausprobiert<br />
und umgesetzt.<br />
Eva Soom Ammann<br />
Dr. phil., Projektleiterin, Public Health Services GmbH, Sulgeneckstrasse 35,<br />
CH-3007 Bern, soom@public-health-services.ch, www.public-health-services.ch<br />
Renate Gurtner<br />
Projektleiterin, Public Health Services GmbH, Sulgeneckstrasse 35, CH-3007<br />
Bern, gurtner@public-health-services.ch, www.public-health-services.ch<br />
Corina Salis Gross<br />
Dr. phil., Bereichsleiterin «Diversität und Chancengleichheit» bei Public<br />
Health Services GmbH und Forschungsleiterin am Institut für Sucht- und<br />
Gesundheitsforschung ISGF der Universität Zürich, Sulgeneckstrasse 35,<br />
CH-3007 Bern, Tel. +41 (0)31 331 21 22, salisgross@public-health-services.ch,<br />
www.public-health-services.ch<br />
Schlagwörter:<br />
Gesundheitsförderung | Alter | Erreichbarkeit | Benachteiligte Gruppen |<br />
Schwere Erreichbarkeit und Benachteiligung<br />
Schwere Erreichbarkeit und Benachteiligung im Alter haben<br />
komplexe Ursachen, die weit in die Biografi e zurückreichen. 1<br />
Insbesondere der sozioökonomische Status (Bildungsstand, Einkommen,<br />
berufl iche Stellung, Vermögen) 2 hat grossen Einfl uss<br />
auf die Gesundheit im Alter, und dieser ist u. a. auch geschlechtlich<br />
segregiert. 3 MigrantInnen sind – aufgrund von Migrationserfahrungen<br />
und/oder von tieferen Positionen im Arbeitsmarkt<br />
– oft besonders hohen Benachteiligungsrisiken ausgesetzt, die<br />
sich wiederum in potenziell belasteter Gesundheit äussern können.<br />
4<br />
Gesellschaftliche Bedingungen und individuelle biographische<br />
Verläufe führen also zu spezifi schen Lebenslagen im Alter, die in<br />
verschiedener Hinsicht von Benachteiligung geprägt sein können.<br />
Nebst sozioökonomischem Status, Geschlecht und Migration<br />
sind soziale oder räumliche Isolation, eingeschränkte Mobilität,<br />
psychogeriatrische Beeinträchtigungen, starke zeitliche Auslastung<br />
(z. B. Pfl ege von Angehörigen) oder bewusst gewählte<br />
Unerreichbarkeit beeinfl ussende Faktoren. 5 Die Ursachen sozialer<br />
Benachteiligung sind also überaus vielschichtig und oft<br />
nicht eindeutig zu defi nieren. 6 Es empfi ehlt sich deshalb in erster<br />
Linie, in der Defi nition von sogenannt «schwer erreichbaren»<br />
Zielgruppen nicht zu pauschalisieren und zu problematisieren,<br />
sondern Benachteiligung grundsätzlich diversitätssensibel und<br />
ressourcenorientiert anzugehen. 7<br />
Handlungsressourcen<br />
Bildung, insbesondere in Form von interaktiv verarbeitetem<br />
Gesundheitswissen, gilt als zentrale Ressource, um sich auch<br />
unter schwierigen Bedingungen gesundheitsförderlich verhalten<br />
zu können. Dabei ist nicht nur theoretisches, sondern auch alltagspraktisches<br />
Wissen nötig. Dieses beruht stark auf persönlichen<br />
und sozial geteilten Erfahrungen. 8 Gesundheits-kompetenz<br />
macht es also möglich, Fachwissen zu verstehen und in die<br />
eigene Lebenslage zu integrieren. 9<br />
Auch soziale Netzwerke sind eine wichtige Ressource für die<br />
Gesundheit. Informelle Netzwerkbeziehungen sind nicht nur<br />
für die Informationsvermittlung zentral, sondern auch für die<br />
Beeinfl ussung des individuellen Verhaltens. Dies gilt vor allem<br />
für starke Beziehungen wie z. B. familiäre oder freundschaftliche,<br />
welche von Vertrauen und gegenseitiger Verpfl ichtung geprägt<br />
sind. 10 Von vergleichbarer Bedeutung sind auch Beziehungen zu<br />
Vertrauenspersonen wie z. B. FunktionsträgerInnen in professionellen<br />
oder zivilgesellschaftlichen Organisationen: HausärztInnen,<br />
PriesterInnen, Sozialarbeitende oder VereinsvertreterInnen.<br />
11 Gerade im Migrationskontext konnte die Wichtigkeit<br />
informeller Beziehungen nachgewiesen und in Interventionen<br />
wirksam eingesetzt werden. 12 Informelle Beziehungen wirken<br />
Via – Best Practice Gesundheitsförderung im Alter<br />
Via ist ein vom Kanton Bern und der Stadt Zürich 2009 initiiertes<br />
interkantonales Projekt mit zurzeit zehn angeschlossenen<br />
Kantonen (AR, BE, GR, NW, SG, SH, TG, UR, VD, ZG)<br />
sowie Gesundheitsförderung Schweiz als rechtlichem Träger<br />
und der bfu-Beratungsstelle für Unfallverhütung. Das Projekt<br />
nutzt das Potenzial von Gesundheitsförderung und Prävention<br />
im Alter zur Bewältigung des demografi schen Wandels.<br />
Via leistet einen Beitrag zur Stärkung der Autonomie,<br />
Gesundheit und Lebensqualität älterer Menschen. Damit<br />
sollen die Pfl egebedürftigkeit verringert, Heimeinweisungen<br />
verzögert und Kosten gesenkt werden.<br />
Via basiert auf der wissenschaftlichen Aufarbeitung wirkungsvoller<br />
und kosteneffi zienter Praxisbeispiele. 2010 wurden<br />
Empfehlungen in Form von Best-Practice-Studien in fünf<br />
prioritären Themenbereichen erarbeitet:<br />
– Bewegungsförderung<br />
– Sturzprävention<br />
– Beratung, Veranstaltungen und Kurse<br />
– Schwer erreichbare und benachteiligte Zielgruppen<br />
– Partizipation der Hausärztinnen und Hausärzte<br />
2011 kam der Schwerpunkt Psychische Gesundheit dazu.<br />
Die Erkenntnisse unterstützen die Kantone, Gemeinden<br />
und NGOs bei der Planung, Umsetzung und Evaluation ihrer<br />
bestehenden oder neuen Programme und Projekte.<br />
<strong>SuchtMagazin</strong> <strong>2|2013</strong> 25
durch das damit einhergehende Vertrauen gesundheitsfördernd,<br />
sie stärken die soziale Unterstützung und Kontrolle. 13<br />
Best Practice<br />
Um ältere, benachteiligte Menschen anzusprechen, braucht<br />
es Anstrengungen, die spezifi sch auf deren Lebenswelt ausgerichtet<br />
sind. 14 Dies setzt voraus, dass die Bedürfnisse der Zielgruppe<br />
bekannt sind und verstanden werden, und dass die anzusprechenden<br />
Menschen von Anfang an in die Planung mit einbezogen<br />
werden. 15 In unserer Studie «Alt und schwer erreichbar»<br />
erarbeiteten wir mittels einer Literaturrecherche und Interviews<br />
mit ExpertInnen aus der ganzen Schweiz Empfehlungen, die<br />
sich an ProtagonistInnen verschiedener Ebenen richten. 16 Denn<br />
Massnahmen zur Verbesserung der Erreichbarkeit in der Gesundheitsförderung<br />
im Alter müssen sowohl auf EntscheidungsträgerInnen<br />
wie auch auf AnbieterInnen ab-zielen und die Angebote<br />
im Hinblick auf soziale Kollektive und individuelle Anliegen zielgruppenspezifi<br />
sch angelegt werden. In unseren Erhebungen hat<br />
sich als Best Practice auf lokaler Ebene (z. B. Gemeinde, Region)<br />
ein Mix von drei strategischen Ansätzen herauskristallisiert:<br />
1) Aufsuchende Beratungsangebote, insbesondere<br />
individuelle Beratungen zu Hause,<br />
2) Gruppenangebote, die sowohl auf soziale Integration als<br />
auch auf Wissensvermittlung setzen (in bestehenden oder<br />
neuen Gruppen), und<br />
3) Gemeinwesenarbeit, die über die unmittelbaren<br />
persönlichen Netzwerke hinausreicht und das<br />
zivilgesellschaftliche Engagement in der Gemeinde oder<br />
im Quartier stärkt.<br />
Für Anbietende ist konkret auf Folgendes zu achten:<br />
Via-Empfehlungen 17<br />
– Für die anzusprechenden Zielgruppen werden<br />
ausreichende Bedarfsanalysen durchgeführt<br />
(soziodemografi sche und sozialräumliche Daten,<br />
ExpertInnenbefragung etc.).<br />
– Mit einem partizipativen Vorgehen wird geklärt,<br />
welche Massnahmen einem Bedürfnis der Zielgruppen<br />
entsprechen (Gespräche mit Vertretenden der Zielgruppe<br />
und Schlüsselpersonen). Diese Leistungen werden<br />
angemessen entschädigt.<br />
– Grundsätzlich wird versucht, die Perspektive der<br />
Zielgruppe einzunehmen (in der Konzeption und der<br />
Umsetzung).<br />
– Die Zielgruppe wird so defi niert, dass keine<br />
Stigmatisierungen und zusätzlichen Benachteiligungen<br />
entstehen (Gruppe wird nicht zu eng eingegrenzt).<br />
– Für die Angebote werden Räumlichkeiten gewählt, zu<br />
denen die Zielgruppe einen Bezug hat (am besten in ihrer<br />
Lebenswelt: Quartier, Dorf, Vereinslokal etc.).<br />
– Das Angebot ist für die Zielgruppe fi nanziell erschwinglich.<br />
– Es werden Vermittlungswege und Instanzen gesucht, die<br />
möglichst persönlichen Kontakt zu sozial und räumlich<br />
isolierten Zielgruppen herstellen (Hausärztinnen/-ärzte,<br />
ambulante Pfl ege-Mitarbeitende, Sozialschaffende etc.)<br />
– Es wird geklärt, welche Vermittlungspersonen zur<br />
persönlichen Kontaktierung der Zielgruppe eingesetzt<br />
werden können (Mediatorinnen/Mediatoren mit<br />
gleicher Sprache, gleichem Geschlecht oder ähnlichem<br />
Erfahrungshintergrund). Wichtig ist die Akzeptanz bei den<br />
Zielgruppen, damit ein Vertrauensverhältnis aufgebaut<br />
werden kann.<br />
– Es wird geklärt, welche Form des Angebotes für die<br />
Zielgruppe am besten passt (aufsuchend oder mit Komm-<br />
Struktur).<br />
– Die eingesetzten Hilfsmittel (Broschüren, Flyer,<br />
Fragebogen) werden beziehungsgeleitet, d. h. von einer<br />
Vertrauensperson übergeben und besprochen.<br />
– Es wird geklärt, welche Medien (alte und neue) von der<br />
jeweiligen Zielgruppe verstanden, akzeptiert und genutzt<br />
werden.<br />
Umsetzung<br />
Die Via-Empfehlungen werden gegenwärtig in den Kantonen<br />
Bern und Zug pilotmässig umgesetzt. Beide Kantone kennen Programme<br />
zur Gesundheitsförderung im Alter, welche von der Pro<br />
Senectute getragen werden. In Zug nennt sich das Programm<br />
«Gesund altern im Kanton Zug» (GAZ), 18 in Bern heisst es «ZWÄG<br />
INS ALTER» (ZIA). 19 Diese Programme werden nun auf der Grund-<br />
26 <strong>SuchtMagazin</strong> <strong>2|2013</strong>
lage der erarbeiteten Best-Practice-Empfehlungen u. a. auch im<br />
Hinblick auf eine bessere Einbindung von schwer erreichbaren<br />
Zielgruppen angepasst.<br />
Via im Kanton Zug setzt auf Kleingruppen und aktive<br />
Vernetzung<br />
Das Programm GAZ bietet bereits Gruppenberatungskurse<br />
zum Thema Gesundheit im Alter und eine Vielzahl von Bewegungskursen<br />
– beispielsweise Dalcroze Rhythmik, Fit Gym, Aquafi<br />
t und Walking – an und hat seit jeher auf die Nutzung zielgruppennaher<br />
Settings und kostenfreier Angebote gesetzt. Für eine<br />
bessere Einbindung von bisher nicht erreichten Zielgruppen will<br />
sich Zug jetzt darauf konzentrieren, diejenigen abzuholen, welche<br />
an sozialen Kontakten und gesundheitlichen Inhalten interessiert<br />
sind, aber den Schritt zur Teilnahme am Programm bisher<br />
nicht gemacht haben. Beabsichtigt ist ein Paradigmenwechsel:<br />
weg vom Angebot für alle und hin zu Kleingruppen für Benachteiligte<br />
(gemeindeorientiert). Themenspezifi sch und zumindest<br />
in der Anfangsphase begleitet durch Fachpersonen, sollen kleine<br />
Gruppen gebildet werden, die sich regelmässig treffen. Gute<br />
Beispiele sind die «Tavolata»-Gruppen, die gemeinsam kochen.<br />
Wünschenswert sind auch Gruppen, deren Mitglieder durch MentorInnen<br />
für Spaziergänge abgeholt werden. Schwer Erreichbare<br />
sollen so über ein Thema Zugang zu einer Gruppe fi nden und über<br />
diese Einbindung in ihrer Partizipation gefördert werden. Danach<br />
sollen auch gesundheitsrelevante Verhaltensänderungen im<br />
Gruppenkontext initiiert und nachhaltig im Alltag eingebaut werden.<br />
Zu diesem Zweck wurden kleinere Instrumente entwickelt<br />
und erprobt: Ein Trainingsprogramm zur Sturzprävention für<br />
zu Hause sowie ein Ausbau des Bewegungsanteils in Gruppenkursen,<br />
d. h. beim Jassen oder im Computerkurs wird auch kurz<br />
geturnt. Im Herbst 2012 wurde zudem die Koordinationsplattform<br />
«bewegen & begegnen bis 100» initiiert. 20 Dies mit dem Ziel,<br />
die kantonalen und kommunalen AkteurInnen, Zuweisenden und<br />
Multiplizierenden zu vernetzen, die sich für Personen 50+ im Bereich<br />
der körperlichen und geistigen Gesundheit engagieren.<br />
Via im Kanton Bern steht auf drei Beinen<br />
Erstens sind dies Kurse und zweitens sind es individuelle<br />
präventive Hausbesuche, welche auch für schwer Erreichbare adäquate<br />
Beratung bieten können. Mit dem Ziel, Benachteiligte<br />
effektiver zu erreichen, hat nun das dritte Standbein des Programms,<br />
die Veranstaltungen, ein deutlich grösseres Gewicht<br />
erhalten. Diese werden auf Wunsch konzipiert und vorwiegend in<br />
(bereits bestehenden oder auch neu angeregten) Gruppen durchgeführt<br />
– oft in Partnerschaft mit Kirche, Gewerkschaften, dem<br />
Schweizerischen Roten Kreuz (SRK) oder der Caritas. Die Veranstaltungen<br />
sind kostenlos und sowohl inhaltlich wie auch formal<br />
fl exibel: Zeit, Ort, Häufi gkeit (einmalig, wiederholend) und Art<br />
der Veranstaltungen (Informationsvermittlung, Frage/Antwort-<br />
Veranstaltungen, moderierte Gesprächsgruppen etc.) variieren.<br />
Tandem-Leitungen, bestehend aus einer Vertrauensperson und<br />
einer ZWÄG-INS-ALTER-Fachperson, welche Impulse aus der<br />
Gruppe aufnehmen können, bewähren sich besonders gut.<br />
Das Programm ZIA verfolgt damit einen Ansatz, der schwer<br />
Erreichbare nicht nur in der individuellen Beratung sensibel dort<br />
abholt, wo sie gerade stehen, sondern vermehrt auch bedürfnisgerechte<br />
Gruppenarbeit leistet.<br />
Fazit<br />
Beide Pilotkantone nutzen die verstärkte Fokussierung auf<br />
Kleingruppen als Weg zur besseren Erreichbarkeit von Benachteiligten.<br />
Sowohl in Bern wie in Zug wird die soziale Integration<br />
einzelner Menschen in Gruppen stärker gewichtet, und auch<br />
der Ansatz der bedürfnisorientierten und durch eine Vertrauensperson<br />
geleiteten, qualitativ fundierten Bildungsarbeit wird<br />
gefördert. Hier zeigen die Erfahrungen, dass Niederschwelligkeit<br />
bei Bildungsangeboten u. a. heisst, die Methodik und Sprache<br />
anzupassen. Bewährt hat sich weiter, einen kostenlosen Imbiss<br />
anzubieten, sowie das emotionale Abholen mit Bildern und lustbetonten<br />
Elementen. Es gilt, das «richtige» Thema zu wählen,<br />
etwas, das die Zielgruppe beschäftigt. Nicht nur, was gelernt<br />
werden kann, sondern vor allem, was gratis erlebt werden kann,<br />
zählt bei eher bildungsfernen Personen. Und was geschätzt wird,<br />
spricht sich auch herum.<br />
Im Sinne eines ersten Fazits sei hier aber auch erwähnt, dass<br />
sich die Einbindung von Multiplikatorinnen und Multiplikatoren<br />
nicht immer einfach gestaltet – und dass die Erfahrungen des<br />
einen Kantons nicht unangepasst auf den anderen Kanton übertragen<br />
werden können. So zeichnet sich im Kanton Zug die Sensibilisierung<br />
bei den AnbieterInnen für die Zielgruppe der schwer<br />
Erreichbaren als ungleich schwieriger ab als beispielsweise im<br />
<strong>SuchtMagazin</strong> <strong>2|2013</strong> 27
Dossier: sucht im Alter<br />
Kanton Bern. Und die notwendigen strukturellen Änderungen<br />
für eine Stärkung von Gemeinwesenarbeit und zivilgesellschaftlichem<br />
Engagement tangieren politische Felder, die mittel- und<br />
langfristig angelegt sind. Inwiefern auch politische Rahmenbedingungen<br />
eine Rolle spielen, ist deshalb Teil der gegenwärtig<br />
laufenden Via-Evaluation..<br />
Literatur<br />
Babitsch, B. (2009): Die Kategorie Geschlecht: Theoretische und<br />
empirische Implikationen für den Zusammenhang zwischen sozialer<br />
Ungleichheit und Gesundheit. S. 284-299 in: Matthias Richter/Klaus<br />
Hurrelmann (Hrsg.): Gesundheitliche Ungleichheit. Grundlagen,<br />
Probleme, Perspektiven. Wiesbaden: VS Verlag.<br />
BZgA – Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (2010): Kriterien<br />
guter Praxis in der Gesundheitsförderung bei sozial Benachteiligten.<br />
Ansatz – Beispiele – Weiterführende Informationen. 4. erweiterte und<br />
überarbeitete Aufl age, Köln.<br />
Christakis, N.A./Fowler, J.H. (2010): Connected! Die Macht sozialer<br />
Netzwerke und warum Glück ansteckend ist. Frankfurt a.M.: S.<br />
Fischer.<br />
HealthProElderly (2010): Evidenzbasierte Leitlinien für die<br />
Gesundheitsförderung älterer Menschen. Wien: Österreichisches<br />
Rotes Kreuz. www.tinyurl.com/cxswu4h, Zugriff 21.03.2013.<br />
Homfeldt, H.G. (2005): Gesund Altern – Aufgaben Sozialer Arbeit. S. 87-108<br />
in: Cornelia Schweppe (Hrsg): Alter und soziale Arbeit. Theoretische<br />
Zusammenhänge, Aufgaben- und Arbeitsfelder. Grundlagen der<br />
Sozialen Arbeit Band 11. Hohengehren, Baltmannsweiler: Schneider.<br />
Môret, J./Dahinden, J. (2009): Wege zu einer besseren Kommunikation.<br />
Kooperation mit Netzwerken von Zugewanderten. Bern-Wabern:<br />
Eidg. Kommission für Migrationsfragen EKM, Materialien zur<br />
Migrationspolitik.<br />
Nutbeam, D. (2000): Health literacy as public goal: a challenge for<br />
contemporary health education and communication strategies into<br />
the 21st century. Health Promotion International 15(3): 259-267.<br />
Salis Gross, C./Schnoz, D./Cangatin, S. (2009): «(Nicht-)Rauchen wie ein<br />
Türke?». Suchtmagazin 35(4): 30-33.<br />
Salis Gross, C. (2010): Nachhaltigkeit bei Suchtausstieg und Prävention<br />
durch starke Beziehungen. Suchtmagazin 36(1): 18-21.<br />
Salis Gross, C./Soom Ammann, E./El Fehri, V. (2012): Die Rolle sozialer<br />
Netzwerke beim Rauchstopp. In: Suchtmagazin 38(3+4): 26-29.<br />
Soom Ammann, E./Salis Gross, C. (2011): Alt und schwer erreichbar.<br />
«Best Practice Gesundheitsförderung im Alter» bei benachteiligten<br />
Gruppen. München: Akademische Verlagsgemeinschaft München.<br />
Sommerhalder, K. (2009): Gesundheitskompetenz in der Schweiz:<br />
Forschungsergebnisse und Interventionsmöglichkeiten. S. 55-79<br />
in: Schweizerisches Rotes Kreuz (Hrsg.): Gesundheitskompetenz<br />
zwischen Anspruch und Umsetzung. Zürich: Seismo.<br />
Stamm, H./Lamprecht, M. (2009): Ungleichheit und Gesundheit.<br />
Grundlagendokument zum Zusammenhang von sozialer Ungleichheit<br />
und Gesundheit. Im Auftrag von Gesundheitsförderung Schweiz.<br />
Zürich: Lamprecht und Stamm Sozialforschung und Beratung.<br />
Streich, W. (2009): Vulnerable Gruppen: «Verwundbarkeit» als<br />
politiksensibilisierende Metapher in der Beschreibung<br />
gesundheitlicher Ungleichheit. S. 301-307 in: Matthias Richter/Klaus<br />
Hurrelmann (Hrsg.): Gesundheitliche Ungleichheit. Grundlagen,<br />
Probleme, Perspektiven. Wiesbaden: VS Verlag.<br />
Via – Best Practice Gesundheitsförderung im Alter (2012): Checkliste<br />
«Schwer erreichbare und benachteiligte Zielgruppen». Bern:<br />
Schwerpunkte 2011-2013<br />
Transfer der Best-Practice-Erkenntnisse in die Praxis.<br />
In Modellkantonen werden Umsetzungskonzepte,<br />
Leitfäden und Instrumente erarbeitet.<br />
Kontinuierliche Vernetzung der AkteurInnen und<br />
gegenseitiges «voneinander lernen».<br />
Beratung der Kantone und Organisationen bei Aufbau,<br />
Umsetzung und Evaluation von Projekten und Programmen.<br />
Im Fokus des Projektes stehen ältere Menschen, die<br />
selbstständig oder mit ambulanter Unterstützung zu Hause<br />
wohnen. Die direkte Zielgruppe des Projektes sind jedoch<br />
Fachpersonen in den umsetzenden Partnerorganisationen.<br />
Das Projekt läuft vorläufi g bis Ende 2013.<br />
Information und Downloads<br />
www.gesundheitsfoerderung.ch/via<br />
Kontakt:<br />
Gesundheitsförderung Schweiz, Ralph M. Steinmann,<br />
Gesamtleitung, Ralph.steinmann@promotionsante.ch<br />
Koordinationsstelle Via: Andy Biedermann, operative<br />
Projektleitung: via@promotionsante.ch<br />
Gesundheitsförderung Schweiz. www.tinyurl.com/csbosn9, Zugriff<br />
21.03.2013.<br />
Endnoten<br />
1 Homfeldt 2005: 93.<br />
2 Stamm/Lamprecht 2009: 11.<br />
3 Vgl. Babitsch 2009.<br />
4 Soom Ammann/Salis Gross 2011: 4ff.<br />
5 Soom Ammann/Salis Gross 2011: 45.<br />
6 Vgl. Stamm/Lamprecht 2009; Streich 2009.<br />
7 Soom Ammann/Salis Gross 2011: 111ff.<br />
8 Nutbeam 2000.<br />
9 Sommerhalder 2009: 58.<br />
10 Vgl. Christakis/Fowler 2010; Salis Gross et al. 2012.<br />
11 Vgl. Salis Gross 2010; Môret/Dahinden 2009.<br />
12 Vgl. Môret/Dahinden 2009; Salis Gross et al. 2009.<br />
13 Vgl. Christakis/Fowler 2010; Salis Gross 2010.<br />
14 Vgl. BZgA 2010; Soom Ammann/Salis Gross 2011: 114.<br />
15 Vgl. HealthProElderly 2010; Soom Ammann/Salis Gross 2011: 114.<br />
16 Soom Amman/Salis Gross 2011: 112ff.<br />
17 Für eine erweiterte Fassung von Empfehlungen für<br />
EntscheidungsträgerInnen und Anbietende vgl. Soom Amman/Salis<br />
Gross 2011: 112-121 und die entsprechende Checkliste des Projektes Via<br />
(Via 2012).<br />
18 Gesund altern im Kanton Zug GAZ: www.tinyurl.com/coyzc7h, Zugriff<br />
21.03.2013<br />
19 www.zwaeg-ins-alter.ch<br />
20 Eine entsprechende Website ist in Erarbeitung.<br />
Bücher zum Thema<br />
28 <strong>SuchtMagazin</strong> <strong>2|2013</strong><br />
Sucht im Alter - Altern und Sucht.<br />
Grundlagen, Klinik, Verlauf und Therapie<br />
Dirk K. Wolter<br />
2010, Kohlhammer, 302 S.<br />
Suchterkrankungen im Alter gehören zu den<br />
Gesundheitsproblemen, die von der Medizin lange<br />
Zeit vernachlässigt wurden. Obwohl hier eine<br />
Veränderung eingesetzt hat, bestehen nach wie vor<br />
grosse Wissenslücken, vielfältige Vorurteile und<br />
unzureichende Versorgungsangebote. Neben dem<br />
«klassischen» Substanzmissbrauch von Alkohol und<br />
Tranquilizern behandelt das Werk auch Nikotin,<br />
Schmerzmittel und illegale Drogen. Grundlagen,<br />
Diagnostik, Klinik und Therapie werden praxisnah<br />
dargestellt. Ein eigenes Kapitel beschäftigt sich mit<br />
den Zusammenhängen von Suchtmittelkonsum und<br />
kognitiven Beeinträchtigungen bzw. Demenz.<br />
Sucht – Alter – Pflege. Praxishandbuch für die<br />
Pflege suchtkranker alter Menschen<br />
Andreas Kutschke<br />
2012, Huber, 238 S.<br />
Trotz der weiten Verbreitung von Alkohol-, Nikotin-,<br />
Opiat- und Tablettenabhängigkeit im Alter wissen<br />
Pfl egende wenig über diese Suchtproblematik, und<br />
es fehlt eine einheitliche Strategie im Umgang mit<br />
suchmittelabhängigen alten Menschen. In diesem<br />
praxisorientierten Buch werden Erklärungsansätze<br />
zur Abhängigkeit im Alter vorgestellt und Leitlinien<br />
sowie ein umfassendes Konzept für pfl egerische<br />
Interventionsmöglichkeiten gegeben. Die<br />
Auswirkungen des Substanzkonsums auf den<br />
alternden Körper und die gesundheitlichen und<br />
sozialen Folgen der Sucht werden beschrieben und<br />
Strategien zur interprofessionellen<br />
Zusammenarbeit und Prävention vorgestellt.
Dossier: sucht im Alter<br />
Projekt Sensor –<br />
Frühintervention bei<br />
Suchtgefährdung im Alter<br />
Die verbindliche und dokumentierte Zusammenarbeit der AkteurInnen<br />
in der Sucht- und Altersarbeit ist das Fundament für eine umfassende<br />
Früherkennung und -intervention im Alter. Die interdisziplinäre<br />
Entwicklung von Arbeitsinstrumenten und gemeinsame Weiterbildung der<br />
MultiplikatorInnen fördern die Bereitschaft, sich in den Institutionen mit dem<br />
Thema Sucht im Alter auseinanderzusetzen.<br />
Christina Meyer<br />
MPH, Projektleitung Sensor Frühintervention bei Suchtgefährdung im Alter,<br />
Akzent Prävention und Suchttherapie, Seidenhofstrasse 10, CH-6003 Luzern,<br />
Tel. +41 (0)41 420 11 15, christina.meyer@akzent-luzern.ch<br />
Schlagwörter:<br />
Alkohol | Medikamente | Früherkennung | Alter | Prävention |<br />
Ausgangslage – Warum das Projekt?<br />
Um frühzeitig adäquate Hilfen für ältere Menschen mit einer<br />
Suchtgefährdung sicherzustellen, hat Akzent Prävention und<br />
Suchttherapie, Luzern, das Projekt «Sensor – Frühintervention bei<br />
Suchtgefährdung im Alter» konzipiert und in partnerschaftlicher<br />
Zusammenarbeit mit den relevanten Luzerner Institutionen im<br />
April 2012 gestartet. 1<br />
Ziele dieses Projekts sind die Vernetzung der relevanten<br />
AkteurInnen und die Unterstützung der MultiplikatorInnen,<br />
welche ältere Menschen beraten, begleiten oder betreuen. Zudem<br />
werden SeniorInnen durch den besseren Zugang zu Informationen<br />
und Hilfsangeboten in ihrer psychischen und physischen<br />
Gesundheit gestärkt. 2 Partizipativ werden in einem Projektbeirat<br />
Arbeitsinstrumente für die MultiplikatorInnen entwickelt. Sie<br />
sollen in Schulungen befähigt werden, mit den entwickelten<br />
Arbeitsinstrumenten bei risikoreichem Substanzkonsum älterer<br />
Menschen wirksame Kurzinterventionen durchzuführen und<br />
weitergehende Hilfen anzuregen.<br />
Das zweijährige Projekt stärkt die Ressourcen aller Beteiligten und<br />
ist Teil des umfassenden kantonalen Programms «Gesundheit im<br />
Alter». Das Projekt wird durch das Bundesamt für Gesundheit<br />
(BAG) über den «Impuls- und Entwicklungsfonds Suchtbereich» 3<br />
von Infodrog mitfi nanziert.<br />
Demographischer Wandel und Substanzkonsum im Alter<br />
ExpertInnen gehen davon aus, dass die Anzahl älterer Menschen<br />
mit problematischem Substanzkonsum überproportional<br />
ansteigen wird. 4 Diese Prognose basiert auf der These, dass der<br />
Substanzkonsum der so genannten Babyboomer (geburtenstarke<br />
Jahrgänge zwischen 1946 und 1964) überdurchschnittlich hoch ist<br />
und die über Jahre vertrauten Konsummuster im Alter fortgeführt<br />
werden. 5<br />
Altersinstitutionen wie Spitex oder Altersheime werden deshalb<br />
zukünftig verstärkt Suchtmittel missbrauchende Menschen<br />
betreuen. Und ihre Versorgungs- und Betreuungskonzepte auch<br />
auf die Lebenssituation von KlientInnen resp. KlientInnen, die<br />
Suchtmittel missbrauchen, abhängig sind oder gar suchtbedingte<br />
Folgeschäden haben, ausrichten müssen. 6<br />
Die Betreuung dieser Zielgruppen bedeutet eine besondere<br />
Herausforderung für Pfl egende und Betreuende. Im Praxisalltag<br />
fehlt es heute noch oftmals an Arbeitsinstrumenten, welche die<br />
Mitarbeitenden im Umgang mit Suchtmittel missbrauchenden<br />
KlientInnen unterstützen und dabei auch das regionale Suchthilfenetz<br />
einbeziehen. Dabei ist die Früherkennung von Suchtproblemen<br />
für die Pfl egenden und Betreuenden nicht einfach:<br />
Symptome des risikoreichen Substanzkonsums werden häufi g<br />
für altersbedingte Störungen gehalten.<br />
Folgen und Risiken des Substanzmissbrauchs<br />
Kritische Lebensereignisse wie die Pensionierung können<br />
eine Suchtentwicklung begünstigen: Mit dem Ausscheiden aus<br />
dem Erwerbsleben geht ein wichtiger Teil des sozialen Umfelds<br />
und auch die berufl iche Identität verloren. Zudem unterliegen<br />
ältere Menschen weniger der sozialen Kontrolle, weshalb ein allfälliger<br />
riskanter Konsum von Alkohol oder Medikamenten oft<br />
unentdeckt bleibt.<br />
Die Suchtgefährdung nimmt mit dem Alter auch zu, weil der<br />
ältere Körper aufgrund des abnehmenden Flüssigkeitsanteils den<br />
Alkohol schlechter verträgt. Die Folgen des gesundheitsschädigenden<br />
Alkohol- oder Medikamentenkonsums auf die Lebensqualität<br />
älterer Menschen zeigen sich nicht unmittelbar, sondern<br />
indirekt: Sozialer Rückzug, Verschuldung, Unfallrisiken sowie<br />
eine schrittweise Verschlechterung der Gedächtnisleistung oder<br />
des körperlichen Zustandes gehören dazu.<br />
SeniorInnen unterschätzen die Risiken ihres Substanzkonsums,<br />
insbesondere auch wenn es um die Wechselwirkung und Nebenwirkungen<br />
von Medikamenten geht: 7 Die Wechselwirkung zwischen<br />
Alkohol und Benzodiazepinen kann zur Potenzierung der<br />
Wirkung der einzelnen Substanzen, der gleichzeitige Konsum von<br />
Alkohol mit Schmerzmitteln zur Steigerung der Blutungsgefahr<br />
und der Konsum von Alkohol mit Antidepressiva zu extremen<br />
Unruhe- und Angstzuständen führen. 8<br />
Zudem hat der Substanzmissbrauch nicht nur die beschriebenen<br />
direkten Folgen, er ist auch ein erheblicher Risikofaktor<br />
für typische Altersrisiken wie z. B. Stürze, Vergesslichkeit oder<br />
<strong>SuchtMagazin</strong> <strong>2|2013</strong> 29
Dossier: sucht im Alter<br />
Mangelernährung sowie für den negativen Verlauf von typischen<br />
Alterskrankheiten wie z. B. Diabetes oder Demenz.<br />
Das «wohlverdiente» Glas Wein<br />
Gerade bei älteren Menschen wird der Substanzmissbrauch<br />
einerseits bagatellisiert und andererseits tabuisiert. Umso wichtiger<br />
ist es, dass Suchtmittel missbrauchende ältere Menschen<br />
frühzeitig – im besten Falle schon vor der Pensionierung – von<br />
Massnahmen der Früherkennung und Frühintervention profi tieren<br />
können.<br />
Dabei spielen bei Menschen, die noch keine professionelle Unterstützung<br />
benötigen, die Angehörigen und Freunde eine wichtige<br />
Rolle, bei den anderen können gerade die betreuenden Personen<br />
(z. B. der Spitex oder im Altersheim) eine wichtige Aufgabe<br />
übernehmen. Die Spitex mit ihrem intensiven und persönlichen<br />
Kontakt zu älteren und häufi g isolierten Menschen hat eine hohe<br />
Bedeutung hinsichtlich der Früherkennung. 9<br />
Auch in Altersheimen entwickelt sich häufi g eine vertrauensvolle<br />
Beziehung zwischen den Mitarbeitenden und den Bewohnenden.<br />
Deshalb sind Pfl egende und Betreuende aus ambulanten Diensten,<br />
Altersheimen oder anderen Institutionen für SeniorInnen<br />
wichtige Schlüsselpersonen in diesem Projekt.<br />
Die ethischen Aspekte von Früherkennung und<br />
Frühintervention<br />
Selbstbestimmung und Autonomie sind insbesondere für ältere<br />
Menschen, welche spüren, dass sie aufgrund ihrer Altersgebrechen<br />
immer mehr Autonomie verlieren, ein sehr hohes Gut.<br />
Deshalb ist es notwendig, neben dem Recht der älteren Menschen<br />
auf sachgerechte Information und ggf. Behandlung, immer<br />
auch ihr Recht auf eine freie Entscheidung in Bezug auf eine Verhaltensänderung<br />
im Auge zu behalten.<br />
Da der Substanzmissbrauch immer noch ein tabuisiertes Thema<br />
ist, geben klare Regelungen bezüglich der Früherkennung und<br />
Frühintervention vor allem im pfl egerischen und betreuenden<br />
Umfeld Handlungssicherheit. Werden bei KlientInnen Auffälligkeiten<br />
bemerkt, sollten Mitarbeitende wissen, wie sie reagieren,<br />
bzw. an wen sie sich wenden können. Der Informationsfl uss<br />
zwischen den einzelnen Bereichen (z. B. Cafeteria und Pfl egeabteilung<br />
im Altersheim oder SpitexmitarbeiterIn und Spitex-<br />
Psychiatrieteam) ermöglicht eine bessere Einschätzung der<br />
Situation und Umsetzung der Handlungsschritte.<br />
Aber auch Angehörige und die älteren Menschen selber, die nicht<br />
betreut werden, sollten die wichtigsten Anzeichen für einen<br />
Substanzmissbrauch kennen, damit sie die Sicherheit haben,<br />
angemessen zu handeln.<br />
30 <strong>SuchtMagazin</strong> <strong>2|2013</strong><br />
Die Rolle der Fachpersonen im Projekt<br />
Der Zugang zu betreuten, älteren Menschen gestaltet sich<br />
im ambulanten Setting anders als in einem Altersheim. Spitexmitarbeitende<br />
kommen als Gast in den Privathaushalt ihrer KlientInnen.<br />
In diesen gelten primär deren Regeln und die Spitexmitarbeitenden<br />
müssen sich normalerweise nach diesen richten,<br />
wenn sie ihre Dienstleistung erbringen. Sie sind meistens mit<br />
den KlientInnen alleine und ihre Beobachtungen können – im<br />
Sinne einer Zweitmeinung – nicht verifi ziert werden. Akute Interventionen<br />
bei Notfällen müssen sie oft selbst auslösen, wobei sie<br />
entscheiden müssen, was ein Notfall ist und was nicht. In diesem<br />
Sinne sind Spitexmitarbeitende «EinzelkämpferInnen» mit einer<br />
hohen Verantwortung.<br />
In Alters- und Pfl egeheimen dagegen existieren Hausordnungen,<br />
die z. B. das Rauchen in der Institution regeln. Mit diesen Regeln<br />
des Hauses erklären sich die Bewohnenden vor dem Eintritt einverstanden.<br />
Die Regeln bilden eine Grundlage für das Zusammenleben<br />
im Heim. Heimbewohnende haben Kontakt zu mehreren<br />
Pfl egenden in der Abteilung. Diese können deshalb ihre Wahrnehmungen<br />
schneller austauschen und allfällige Massnahmen<br />
miteinander diskutieren. Bei einem auffälligen Verhalten von<br />
KlientInnen müssen im Heim auch die Bedürfnisse der anderen<br />
Bewohnenden berücksichtigt und die unterschiedlichen Interessen<br />
gegeneinander abgewogen werden.<br />
Die persönliche Einstellung der Mitarbeitenden zum Substanzkonsum,<br />
aber auch die Haltung der Einrichtung spielen<br />
bereits bei der Wahrnehmung von Suchtproblemen eine entscheidende<br />
Rolle. Nur wenn die Sensibilität für die Thematik<br />
vorhanden ist, werden auch die nötigen Strukturen entwickelt<br />
und bei Bedarf die entsprechenden Hilfeprozesse in Gang gesetzt.<br />
Deshalb ist die Entwicklung einer gemeinsamen Haltung unter<br />
Beteiligung aller Abteilungen und Hierarchien ein notwendiger<br />
Prozess. Dabei ist die Wissensvermittlung (z. B. dass Sucht eine<br />
anerkannte und behandlungsbedürftige Krankheit ist oder dass<br />
Verhaltensweisen wie z. B. Aggression oder das Bagatellisieren<br />
und Leugnen mit zum Krankheitsbild gehören können) die Grundlage<br />
für das Entwickeln einer gemeinsamen Haltung und eines<br />
für die Institution allgemeingültigen Verhaltenskodexes.<br />
Wie können Zielgruppen im Projekt erreicht werden?<br />
Mit dem Sensor-Projekt soll sichergestellt werden, dass der<br />
Missbrauch von Substanzen auch bei älteren Menschen frühzeitig<br />
erkannt wird und die Betroffenen ohne Stigmatisierung oder<br />
Dramatisierung motiviert werden, eine Verhaltensänderung zu<br />
bedenken. Dabei wird vom eigenverantwortlichen Menschen<br />
ausgegangen, der jedoch die Chance erhalten sollte, sein Verhalten<br />
zu prüfen und dann bewusst eine Entscheidung zu treffen. 10<br />
So ergibt sich eine erste Zielgruppe, die direkt angesprochen<br />
und eine zweite Zielgruppe, die über MultiplikatorInnen (z. B.<br />
Mitarbeitende der Spitex oder eines Altersheimes) erreicht werden.<br />
Die erste Zielgruppe kann aufgrund der unterschiedlichen<br />
Lebensfragen und der verschiedenen Zugangsmöglichkeiten<br />
noch unterteilt werden: in Menschen, die vor der Pensionierung<br />
stehen und solche, die schon pensioniert sind.<br />
Strukturelle Einbettung des Projektes<br />
Informationen<br />
Substanzmissbrauch bei älteren Menschen wurde bisher in<br />
Informationsveranstaltungen für SeniorInnen kaum thematisiert.<br />
Die Aktivitäten im Bereich der Prävention und Gesundheitsförderung<br />
konzentrieren sich auf Ernährung, Sturzprophylaxe,<br />
psychische Gesundheit und Diabetes.<br />
Der Kanton Luzern hat die Bedeutung des Substanzmissbrauchs<br />
für die Gesundheit von älteren Menschen erkannt und deshalb in<br />
seinem Programm «Gesundheit im Alter» das Thema «Sucht im<br />
Alter» als Schwerpunkt defi niert.<br />
Suchtprävention und Gesundheitsförderung können bei der<br />
körperlichen, psychischen und der sozialen Gesundheit ansetzen.<br />
Bei der körperlichen Gesundheit ist vor allem die Hausärztin oder<br />
der Hausarzt Ansprechperson. Bei der psychischen und sozialen<br />
Gesundheit können unterschiedliche AkteurInnen unterstützend<br />
wirken.<br />
In Kooperation u. a. mit den Gemeinden im Kanton Luzern, der<br />
Pro Senectute, den regionalen Alterszentren, den Sozialberatungsstellen,<br />
der Diakonie und den HausärztInnen werden im<br />
laufenden Jahr regionale Informationsveranstaltungen für ältere<br />
Menschen und ihre Angehörigen angeboten. Ihnen werden Informationen<br />
und Hilfsangebote, die sie stärken und zur Förderung<br />
ihrer Gesundheit beitragen sollen, zugänglich gemacht. Neben<br />
der Förderung der psychischen Gesundheit sind natürlich auch<br />
Informationen zu einem gesunden Lebensstil im Alter sinnvoll.<br />
Eine thematische Verbindung zu anderen altersbezogenen Themen<br />
z. B. Sturzprävention und Medikamentenwirkung soll einen<br />
leichteren Zugang zum Suchtthema ermöglichen.<br />
Bei der Vermittlung von suchtspezifi schen Themen stehen nicht
die Abstinenz oder Abschreckung im Vordergrund, sondern der<br />
massvolle, risikoarme Umgang mit der jeweiligen Substanz und<br />
die Aktivierung von Schutzfaktoren.<br />
Welches Vorgehen soll zum Projekterfolg führen?<br />
Vernetzung und Sensibilisierung der MultiplikatorInnen<br />
Die Vernetzung und partizipative Einbindung der Luzerner<br />
Institutionen aus den Arbeitsbereichen «Sucht» und «Alter» in<br />
einem Beirat stellt eine wichtige Grundlage für den Erfolg des<br />
Projektes dar. Die Beiratsmitglieder sind Schlüsselpersonen (siehe<br />
Endnote 1), die aufgrund ihrer Rolle oder auch Persönlichkeit<br />
in den genannten Arbeitsbereichen eine zentrale Stellung einnehmen<br />
und selbst Kontakt zu den MultiplikatorInnen haben. 11<br />
Mit diesem Beirat wird die Zusammenarbeit mit bestehenden<br />
Angeboten und den relevanten Anbietern vereinfacht. Die<br />
Beteiligung des Forums Suchtmedizin Innerschweiz (FOSUMIS)<br />
und der Luzerner Psychiatrie unterstützt den Wissenstransfer<br />
zu schwer erreichbaren Fachpersonen, wie z. B. den Haus- und<br />
FachärztInnen. Da die Schlüsselpersonen die Arbeitsmittel entwickeln,<br />
wird die Akzeptanz und spätere Nutzung der Produkte<br />
des Projektes erhöht.<br />
Zu Beginn des Projekts wurden persönliche Interviews bezüglich<br />
des Bedarfs und der Bedürfnisse mit ausgewählten Leitungspersonen<br />
aus Spitex und Alterszentren im Kanton Luzern geführt.<br />
Dabei wurde deutlich, dass die Zusammenarbeit mit den<br />
gemeindenahen Sozial- und Suchtberatungsstellen noch nicht<br />
ausreichend etabliert ist. Problemsituationen werden auf den<br />
Einzelfall bezogen und individuell gelöst. Arbeitsinstrumente in<br />
Form von Handlungsleitfäden stehen nur in seltenen Fällen zur<br />
Verfügung. Die für den Umgang mit suchtgefährdeten Menschen<br />
erforderliche Entwicklung oder Überprüfung der institutionellen<br />
Haltung hat in vielen Institutionen noch nicht stattgefunden.<br />
Mit der Kick-off-Veranstaltung «Sucht im Alter – erkennen<br />
und handeln» im August 2012 konnten nicht nur Schlüsselpersonen<br />
auf die Suchtproblematik älterer Menschen aufmerksam<br />
gemacht werden. Es wurde auch eine Diskussion in der breiten<br />
Öffentlichkeit in Gang gesetzt. Die regionale und überregionale<br />
Presse hat das Thema breit aufgegriffen.<br />
Support für MultiplikatorInnen<br />
Im Januar 2013 wurden die ersten Weiterbildungen «Sucht im<br />
Alter – erkennen und handeln» für Leitende und Mitarbeitende<br />
aus Spitex, Alters- und anderen Institutionen angeboten. Die<br />
Rückmeldungen der Teilnehmenden wurden über die beteiligten<br />
Institutionen in den Beirat rückgekoppelt und werden bei der Erstellung<br />
der Arbeitsinstrumente berücksichtigt.<br />
Ein wichtiges Thema der Weiterbildung war das Spannungsfeld,<br />
in dem sich die Betreuenden bewegen, zwischen dem Respekt für<br />
die Autonomie und Selbstbestimmung der betroffenen Person<br />
einerseits und dem fachlichen Wissen um die Notwendigkeit<br />
einer Intervention andererseits. Dieses Spannungsfeld führt<br />
zu einer Unsicherheit im Umgang mit Betroffenen und ihren<br />
Angehörigen. Es erschwert das Ansprechen des Verdachts eines<br />
Substanzmissbrauchs. Deshalb sind weitere Schulungen zum<br />
richtigen Ansprechen von beobachteten Auffälligkeiten sehr<br />
wichtig.<br />
Zurzeit entwickelt der Beirat die verschiedenen Arbeitsinstrumente,<br />
die voraussichtlich im April der Öffentlichkeit vorgestellt<br />
werden können. Die einzelnen Dokumente wie Checklisten, Prozessvorlagen<br />
oder ein Verzeichnis mit den relevanten Hilfsangeboten<br />
im Kanton Luzern bilden zusammen einen eigenständigen<br />
Handlungsleitfaden für Früherkennung und Frühintervention bei<br />
Substanzmissbrauch im Alter.<br />
Bewusst hat sich der Beirat dafür entschieden, die erwähnten<br />
Unterlagen selbst zu erarbeiten: Ein gemeinsam erarbeitetes,<br />
auf die Bedürfnisse der Luzerner Altersinstitutionen abgestimmtes<br />
Instrument wird eher Akzeptanz bei den AnwenderInnen<br />
haben. Zudem werden die Beiratsmitglieder zu einem späteren<br />
Zeitpunkt die Ergebnisse in ihre Fachkreise hineintragen und dort<br />
verankern.<br />
Dieser Handlungsleitfaden soll ein operatives Instrument sein,<br />
das die MultiplikatorInnen im Umgang mit alkohol-, medikamenten-<br />
und tabakauffälligen KlientInnen unterstützt.<br />
Ausblick<br />
Nachdem der Handlungsleitfaden erstellt worden ist, wird er<br />
im ambulanten und stationären Setting erprobt und ggf. angepasst.<br />
Dieser Prozess sollte in den Einrichtungen auch von regelmässiger<br />
Supervision begleitet werden.<br />
Da es in den Institutionen mit pfl egerischen Aufgaben häufi g<br />
zu personellen Wechseln kommt, ist es wichtig, dass die initiierten<br />
Schulungen auch nach Projektende weitergeführt und in<br />
Kooperation mit den Partnerorganisationen im Kanton Luzern<br />
angeboten werden (Nachhaltigkeit). Das Projekt wird zurzeit evaluiert<br />
und zum Projektende im April 2014 ein detaillierter Bericht<br />
erstellt, der bei Akzent Prävention und Suchttherapie angefordert<br />
werden kann.<br />
Es ist vorgesehen, die Erfahrungen aus diesem Projekt auch anderen<br />
Kantonen zur Verfügung zu stellen. Ein erster Schritt dazu ist<br />
durch das Mandat des Kantons Zug an Akzent – Prävention und<br />
Suchttherapie zur Umsetzung dieses Konzepts im Kanton Zug im<br />
Rahmen des Kantonalen Alkohol-Aktionsplans erfolgt..<br />
Literatur<br />
Dellenbach, M./Angst, S. (2012): Förderung der psychischen Gesundheit<br />
im Alter. Teilprojekt im Rahmen des Projekts «Best Practice<br />
Gesundheitsförderung im Alter». Universität Zürich: Zentrum für<br />
Gerontologie. www.tinyurl.com/cwzt8wo, Zugriff 27.02.2013.<br />
Hafen, M. (2012): Mediatoren, Multiplikatorinnen, Mentoren, Drehpunktund<br />
Schlüsselpersonen in Prävention und Gesundheitsförderung.<br />
Prävention 03/2012, Theorien und Konzepte.<br />
www.fen.ch/texte/mh_mediatoren.pdf, Zugriff 27.02.2013.<br />
Kessler, D./Salis Gross, C./Koller, S./Haug, S. (2012): Exploration<br />
erfolgsversprechender Massnahmen zur Reduktion des<br />
problematischen Alkoholkonsums bei älteren Menschen in der<br />
Schweiz. Schlussbericht. Forschungsbericht aus dem Institut für<br />
Sucht- und Gesundheitsforschung: Zürich.<br />
Mann, K./Laucht, M./Weyerer, S. (2009): Suchterkrankungen in der<br />
Lebensspanne. Nervenarzt 80: 1293-1301.<br />
Palkert-Schmid, I. (2010): Suchterkrankungen im höheren Lebensalter.<br />
Besonderheiten der Behandlung, S. 18-20 in: Kliniken des Bezirks<br />
Oberbayern - Kommunalunternehmen (Hrsg.), Gerontopsychiatrie-<br />
Geriatrie in den Kliniken des Bezirks Oberbayern.<br />
www.tinyurl.com/c58bk96, Zugriff 18.03.2013.<br />
Zok, K. (2012): Einstellungen älterer Menschen zur Arzneimitteltherapie.<br />
Ergebnisse einer Umfrage unter 1‘000 GKV-Versicherten ab 65 Jahren.<br />
Wido monitor Wissenschaftliches Institut der AOK (Hrsg.), Ausgabe<br />
9(1): 1-8. www.tinyurl.com/bp726cs, Zugriff 27.02.2013.<br />
Endnoten<br />
1 Das sind: Dienstelle Gesundheit und Gesundheitsförderung Kanton<br />
Luzern, Pro Senectute Kanton Luzern, Spitex Kanton Luzern,<br />
Sozial-Beratungs-Zentren (SoBZ) des Kantons Luzern, Luzerner<br />
AltersheimleiterInnen Konferenz LAK Curaviva Luzern, Luzerner<br />
Psychiatrie/Alterspsychiatrisches Ambulatorium, Memory Clinic<br />
Sursee und Forum Suchtmedizin Innerschweiz (FOSUMIS).<br />
2 Vgl. Dellenbach/Angst 2012: 9.<br />
3 www.infodrog.ch/index.php/impulsfonds.html, Zugriff 11.03.2013.<br />
4 Vgl. Mann/Laucht/Weyerer 2009.<br />
5 Vgl. Palkert-Schmid 2010.<br />
6 Vgl. Artikel von Zimmermann in dieser Ausgabe.<br />
7 Vgl. Zok 2012.<br />
8 Vgl. Beitrag auf medizin-aspekte.de: www.tinyurl.com/d6aoxms,<br />
Zugriff 18.03.2013.<br />
9 Vgl. Kessler et al. 2012.<br />
10 Menschen, die eine vollumfängliche Pfl ege benötigen,<br />
sind nicht Zielgruppen des Projekts; hier bedarf es anderer<br />
Unterstützungskonzepte.<br />
11 Vgl. Hafen 2012.<br />
<strong>SuchtMagazin</strong> <strong>2|2013</strong> 31
Dossier: sucht im Alter<br />
Suchtprävention im<br />
Alterszentrum und in der<br />
Spitex<br />
Es werden zwei Projektumsetzungen zum Thema Suchtprävention im Alter<br />
beschrieben, die von einer Suchtpräventionsstelle mit zwei sehr unterschiedlichen<br />
Institutionen durchgeführt werden. In dieser Kooperation werden Konzepte<br />
und Handlungsrichtlinien für die Früherkennung und Frühintervention<br />
sowie Begleitung von Menschen mit einer Suchtgefährdung entwickelt und<br />
erprobt. Der Schwerpunkt liegt im Bereich der Pflege und Betreuung.<br />
Heidi Zimmermann Heinrich<br />
MPH, RN, Dipl. Pfl egeexpertin FH, Gestalt- Soziotherapeutin FPI,<br />
Ressortverantwortliche Suchtprävention im Alter, Suchtpräventionsstelle<br />
Zürcher Unterland, CH-8180 Bülach, Tel. +41 (0)44 872 77 33,<br />
zimmermann@praevention-zu.ch, www.suchtpraevention-zu.ch<br />
Schlagwörter:<br />
Alter | Suchtprävention | Gesundheitsförderung Altersheim | Spitex |<br />
Einleitung<br />
Im folgenden Artikel werden die Erfahrungen aus zwei Projekten<br />
zur Suchtprävention im Alter vorgestellt. Beide Projekte,<br />
das eine im Alterszentrum Gibeleich, Opfi kon mit 55 Mitarbeitenden<br />
und 90 BewohnerInnen, das andere in der Spitex Region<br />
Bülach mit 60 Mitarbeitenden aus dem Zürcher Unterland,<br />
sind noch nicht abgeschlossen. In beiden Institutionen werden<br />
konkrete Arbeitsmaterialien und -instrumente erarbeitet,<br />
die durch geschulte Fachpersonen in ihrer Betreuungs- und<br />
Pfl egepraxis erprobt, evaluiert, erneut angepasst und wieder<br />
eingesetzt werden. Die erprobten Arbeitsinstrumente sollen<br />
zukünftig auch anderen Institutionen zur Verfügung gestellt<br />
werden.<br />
Als alternde Menschen gehören die BewohnerInnen in den<br />
Alterseinrichtungen und die in der Spitex betreuten Personen<br />
im Verständnis der Suchtprävention zu einer Risikogruppe.<br />
Im Alter steigt aufgrund der chronischen Beschwerden und<br />
der Multimorbidität die Mehrfachmedikation stark an, 1 was in<br />
Zusammenhang mit Alkoholkonsum sehr problematisch ist.<br />
Oft ergibt sich der Eintritt in eine Alterseinrichtung oder der<br />
Bedarf einer Unterstützung durch die Spitex nach einschneidenden<br />
Erlebnissen, wie z. B. einem Spitalaufenthalt, einem<br />
Sturz zuhause, dem Tod des Lebenspartners oder der Lebenspartnerin<br />
und der infolgedessen fehlenden alltäglichen Stütze,<br />
dem Wegzug oder Rückzug von Angehörigen oder den wegbrechenden<br />
sozialen Kontakten.<br />
Vorgespräche und Einstieg in die gemeinsame<br />
Zusammenarbeit<br />
In beiden Projekten zeigte sich sehr schnell, dass für die Betreuungspersonen<br />
nicht nur die Prävention im engeren Sinne<br />
das wesentliche Thema ist, sondern auch die Belastung und<br />
die Unsicherheit in Bezug auf den Umgang mit älteren Menschen,<br />
bei denen eine verdeckte oder bekannte Abhängigkeit<br />
von Alkohol und/oder Medikamenten vorliegt, die sich aggressiv<br />
verhalten oder grössere Auffälligkeiten im sozialen Umgang<br />
mit dem Personal oder den MitbewohnerInnen zeigen.<br />
Das erstaunt kaum, da fundierte und erprobte Konzepte und<br />
Handlungsanweisungen zur Umsetzung von Suchtprävention<br />
im Alter fehlen.<br />
Bestandesaufnahme<br />
Gemeinsam mit den Führungsverantwortlichen wurde untersucht,<br />
ob und wie die Alltagspraxis durch ein Pfl egemodell<br />
und dessen Umsetzung im Pfl egeprozess organisiert und gesteuert<br />
werden kann. Ein Pfl egemodell stellt einen Bezugsrahmen<br />
für die Pfl egepraxis bereit, der u. a. die professionelle<br />
Haltung, die Aufgaben und Tätigkeiten defi niert sowie die<br />
Zusammenarbeit mit anderen Diensten und Fachdisziplinen<br />
klärt und unterstützt. Ebenfalls erhoben wurde, ob spezifi<br />
sche Assessments zur Früherkennung (sogenannte Fokus-<br />
Assessments), wie z. B. zur Erhebung von Mangelernährung,<br />
des Sturzrisikos usw. eingesetzt werden und ob Standards und<br />
Handlungsanweisungen zur Medikamentenabgabe vorhanden<br />
sind und wie diese umgesetzt werden.<br />
Verknüpfung des Projektes mit internen Prozessen der<br />
Organisation<br />
Im Alterszentrum konnte das Projekt der Suchtprävention<br />
in einen grösseren innerbetrieblichen Prozess zur Stärkung der<br />
Autonomie und Selbstständigkeit der BewohnerInnen eingebettet<br />
werden. In der Spitex-Organisation konnte das Projekt<br />
eine fachliche und organisatorische Weiterentwicklung, speziell<br />
auch im Qualitätsmanagement, unterstützen.<br />
Akzeptanz und Nachhaltigkeit innerhalb der Organisation<br />
Damit eine nachhaltige Einbettung von suchtpräventiven<br />
Ansätzen in den Pfl egealltag erreicht wird, ist ein partizipativer<br />
Entwicklungsprozess mit allen involvierten Fachpersonen<br />
mit ihren jeweiligen berufsspezifi schen Kompetenzen<br />
und Verantwortlichkeiten nötig.<br />
32 <strong>SuchtMagazin</strong> <strong>2|2013</strong>
Pflegeprozess: Theoretischer Hintergrund der<br />
Arbeitspraxis Pflege<br />
Um Projekte im Bereich der Betreuung und Pfl ege alter<br />
Menschen initiieren und umsetzen zu können, ist ein aktuelles,<br />
zeitgemässes Verständnis der Vorgehens- und Arbeitsweise<br />
von Pfl ege auch für die Verantwortlichen der Suchtpräventionsstellen<br />
unabdingbar.<br />
Der Pfl egeprozess ist ein wissenschaftliches und standardisiertes<br />
Modell für die Arbeit von Pfl egefachpersonen im Rahmen<br />
ihrer Interaktion mit KlientInnen und/oder Familien, respektive<br />
Gruppen. Die Dokumentation des Pfl egeprozesses ist<br />
eine rechtliche Verpfl ichtung. 2 Sie dient der Nachvollziehbarkeit<br />
der geleisteten Arbeit und ist damit Grundlage für die Abrechnung<br />
von Pfl egeleistungen. Der Pfl egeprozess dient darüber<br />
hinaus der Qualitätssicherung und der Pfl egeforschung.<br />
Im Arbeitsalltag ist der Pfl egeprozess ein systematisches<br />
Problemlösungsverfahren, mit dem der Gesundheitszustand<br />
erhoben wird und das darauf abzielt, das Wohlbefi nden der<br />
Pfl egeempfängerInnen zu verbessern, zu erhalten oder wiederzuerlangen.<br />
Das Vorgehen wird mit der betroffenen Person<br />
und eventuell deren Angehörigen besprochen.<br />
Die allgemein akzeptierten Schritte des Pfl egeprozesses sind: 3<br />
1) Assessment: Informationssammlung, Einschätzung<br />
2) Pfl egediagnose: Benennen von Problemen, Risiken und<br />
Ressourcen<br />
3) Zielsetzung: Festlegen angestrebter Ergebnisse,<br />
Auswahl der Interventionen<br />
4) Planung der Interventionen<br />
5) Durchführung der Interventionen<br />
6) Evaluation: Überprüfung der Zielerreichung, der<br />
Wirksamkeit der Interventionen, der Outcomes<br />
Früherkennung und Frühintervention<br />
Der Prozess der Früherkennung setzt im ersten Schritt des<br />
Pfl egeprozesses ein. Im zweiten Schritt werden die Merkmale<br />
und Symptome wie unsicherer Gang, Zittern, Vernachlässigung<br />
des Äusseren, sozialer Rückzug gebündelt und sollen in<br />
eine Pfl egediagnose gefasst werden. Gemeinsam mit dem/<br />
der Pfl egeempfängerIn werden Ziele festgelegt und passende<br />
Interventionen vereinbart und geplant. Diese werden regelmässig<br />
in Bezug auf die Zielsetzungen refl ektiert und eventuell<br />
neu angepasst. 4<br />
Entwicklung von passenden Arbeitsinstrumenten<br />
Für den Erwachsenen- und Altersbereich werden einerseits<br />
Arbeitsinstrumente benötigt, welche es ermöglichen, präventive<br />
Aspekte, wie Ressourcen, Wohlbefi nden, aber auch Risiken,<br />
im Gespräch mit den Betroffenen zu erfassen. Es werden<br />
anderseits aber auch Arbeitsinstrumente benötigt zur Früherkennung,<br />
zur Erhebung von Veränderungen des körperlichen<br />
Befi ndens, des sozialen und geistigen Verhaltens. Die Instrumente<br />
zur Früherkennung und Intervention sollten von Fachpersonen<br />
in Alterszentren und Spitex in eigener Kompetenz<br />
eingesetzt und in ihre bestehenden Arbeitsprozesse eingebunden<br />
werden können.<br />
Vorliegende standardisierte Assessments wie der Michigan<br />
Alcoholism Screening Test Geriatric Version (Mast-G) oder<br />
der AUDIT (Diagnose von Trinkgewohnheiten und Abhängigkeit)<br />
werden vorwiegend in der ärztlichen oder psychotherapeutischen<br />
Tätigkeit oder in Kliniken bei bereits stark gefährdeten<br />
Personen mit Suchtmittelmissbrauch eingesetzt. 5 Diese<br />
Erhebungsinstrumente fokussieren stark auf die Defi zite und<br />
beziehen kaum oder nur am Rande die Lebenssituation oder<br />
das Wohlbefi nden der Betroffenen mit ein und sind für pfl egerisch-betreuende<br />
Berufe nur bedingt geeignet. Obschon in diesen<br />
Berufen die Prävention und die Gesundheitsförderung zum<br />
professionellen Auftrag gehören, werden in der Praxis suchtpräventive<br />
und gesundheitsunterstützende Massnahmen nur<br />
relativ unsystematisch eingesetzt.<br />
Vermeiden von Stigmatisierung<br />
Ältere Menschen könnten irritiert reagieren, wenn sie gefragt<br />
werden, ob sie ein Gespräch mit einer Fachperson der<br />
Arbeitsgrupppe «Suchtprävention im Alter» möchten. Um ei-<br />
Prävention<br />
und Gesundheitsförderung<br />
Prävention<br />
Therapie / Schadensminderung<br />
bekannte Suchtmittel-<br />
Erkrankung<br />
Abb. 1: Grobkonzept der Suchtprävention<br />
im Alter. Die<br />
verschiedenen Figuren der<br />
Graphik zeigen sowohl fachliche<br />
Inhalte, wie auch notwendige<br />
Arbeitsschritte auf. In den<br />
folgenden Ausführungen werden<br />
die Projektumsetzungen anhand<br />
dieser Graphik erläutert.<br />
Betreuungs- und<br />
Pfl egemodell/konzept<br />
Haltung und<br />
Beeinfl ussung von<br />
Bewältigungsstrategien<br />
Erfassung des Gesundheitszustandes,<br />
und Pfl ege- und<br />
Betreuungsbedarfs<br />
Frühintervention<br />
Gefährdungseinschätzung<br />
Risikogruppe<br />
Früherkennung<br />
Klare Rahmenbedingungen<br />
Zusammenarbeit mit<br />
ärztlichem Dienst und<br />
anderen Fachstellen<br />
universelle und selektive Prävention<br />
indizierte Prävention<br />
Suchtspezifisches Fachwissen, Fachwissen zu gerontologischen und psychosozialen Themen<br />
<strong>SuchtMagazin</strong> <strong>2|2013</strong> 33
Dossier: Sucht im Alter<br />
ner Stigmatisierung durch eine solche Bezeichnung entgegenzuwirken,<br />
wurden bei beiden Projektumsetzungen die Begriffe<br />
Prävention und Gesundheitsförderung in den Vordergrund gestellt.<br />
Bei der Benennung der Fachgruppen wurde dies berücksichtigt.<br />
Der Fokus dieser Begriffe liegt in der Erschliessung<br />
von Ressourcen (Empowerment), der Förderung der Handlungs-<br />
und Lebenskompetenz, welche die Selbstwirksamkeit<br />
und die Selbstbestimmung von Menschen stärken.<br />
Das Projekt im Alterszentrum<br />
Bildungsveranstaltungen<br />
Als erster Umsetzungsschritt fanden im Alterszentrum interdisziplinäre<br />
Veranstaltungen für alle Mitarbeitenden des<br />
Pfl egedienstes, der Betreuung und der Restauration zu den<br />
Themen Suchtentwicklung, Erkennen von Ressourcen und Risiken<br />
bei älteren Menschen, Früherkennungsmerkmale bei<br />
problematischem Suchtmittelkonsum und Abgrenzung von<br />
Symptomen anderer medizinischer Diagnosen sowie Begleitung<br />
von älteren Menschen mit einem Suchtmittelmissbrauch<br />
statt. In diesen Bildungsveranstaltungen konnten auch die<br />
Fragen und Bedürfnisse der Mitarbeitenden für die weitere<br />
Projektumsetzung gezielt erhoben werden.<br />
Bedarfserhebung für die Umsetzung des Projektes<br />
Der Bedarf an Handlungsrichtlinien, z. B. für den Ausschank<br />
von Alkoholika für BewohnerInnen mit riskantem Alkoholkonsum,<br />
und nach Klärung von Verantwortlichkeiten<br />
für Gespräche mit Betroffenen, deren Angehörigen und dem<br />
ärztlichen Dienst, wurde geäussert. Die Problematiken der<br />
Mehrfachmedikation und der kombinierten Einnahme von Medikamenten<br />
und Alkohol lösten weitere Fragen zu ethischen<br />
und moralischen Themen aus, wie der Selbstbestimmung<br />
und Eigenverantwortung von BewohnerInnen aber auch der<br />
Fürsorgepfl icht ihnen gegenüber. In einem Workshop im Führungsgremium<br />
wurde ein Handlungsbedarf in Bezug auf strukturelle<br />
Anpassungen innerhalb der Organisation akzeptiert.<br />
Eine Arbeitsgruppe bestehend aus Fachpersonen des Pfl egedienstes<br />
und unter dem Vorsitz des Pfl egedienstleiters wurde<br />
zusammengestellt.<br />
Grobkonzept der Suchtprävention<br />
Darstellung Suchtprävention im Alter: Oval<br />
Zur Entwicklung einer gemeinsamen Haltung im Pfl egedienst<br />
wurde das Pfl egemodell nach Krohwinkel 6 als Grundlage<br />
genommen. Dieses bildet unter anderem wesentliche<br />
suchtpräventive Aspekte ab und gibt auch psychosozialen<br />
Themen in der Betreuung und Pfl ege grosses Gewicht. Existenzfördernde<br />
(Ressourcen) und existenzgefährdende Erfahrungen<br />
(Risiken), welche sich im Lebenslauf einstellen können,<br />
werden beschrieben. In gerontologischen Institutionen wird<br />
dieses Modell sehr oft ins Leitbild integriert.<br />
Zur Erfassung des Betreuungs- und Pfl egebedarfes wird<br />
national in jeder stationären Einrichtung bei Eintritt und periodisch<br />
wiederholt ein standardisiertes Assessment, das<br />
Bewohner-Einstufungs- und Abrechnungssystem (BESA),<br />
durchgeführt. 7 Dieses Basis-Assessment wird von speziell geschultem<br />
Pfl egepersonal erhoben. Fragen zum Alkohol- und<br />
Tabakkonsum sind darin formuliert (Fragen nach Medikamenteneinnahme,<br />
bzw. -abhängigkeiten allerdings nicht). Aus<br />
suchtpräventiver Sicht werden in diesem Gespräch bereits<br />
auch Früherkennungsmerkmale von riskantem Suchtmittelgebrauch,<br />
wie z. B. Gewichtsveränderungen, Interesselosigkeit,<br />
zitternde Hände u. a. erhoben.<br />
Biographische Erfassung von Informationen<br />
Im BESA-Assessment nur ansatzweise erfasst werden die<br />
Ressourcen und Gewohnheiten der Befragten, ihr subjektives<br />
Befi nden und ihr Lebenskontext.<br />
In der Arbeitsgruppe wurden deshalb zusätzlich zu dieser<br />
Gesamterhebung Fragen zur Erfassung des Gesundheitszustandes,<br />
des subjektiven Befi ndens, der persönlichen<br />
Gewohnheiten, Wünsche und Bedürfnisse formuliert. In einem<br />
weiteren Schritt wurden ein Leitfaden zur Erhebung von biographischen<br />
Informationen der BewohnerInnen und die notwendige<br />
Dokumentation erstellt. Dadurch können Ressourcen<br />
und Risikofaktoren, sowie Bewältigungsstrategien für Belastungen<br />
im Gespräch besser erfasst und in die Betreuung im<br />
Alterszentrum einbezogen werden. Damit ein Vertrauensverhältnis<br />
aufgebaut werden kann und die älteren Personen sich<br />
langsam an die neue Umgebung gewöhnen können, wurde in<br />
der Umsetzung darauf geachtet, dass diese Fragen auf mehrere<br />
Gesprächssequenzen aufgeteilt wurden. Mit den Bewohner-<br />
Innen konnten die durchgeführten Gespräche refl ektiert und<br />
danach in der Arbeitsgruppe ausgewertet werden.<br />
Darstellung Suchtprävention im Alter: Dreieck<br />
Die Gruppenmitglieder erarbeiteten und refl ektierten die<br />
Früherkennungsmerkmale eines riskanten Suchtmittelkonsums,<br />
welche sie in ihrer Alltagspraxis beobachtet hatten:<br />
Zittern, Interesselosigkeit, Ängstlichkeit, Gewichtsveränderungen,<br />
Gehunsicherheit, Schläfrigkeit, Schwindel, Schmerzen,<br />
Vernachlässigung des Äusseren. 8 In diesem induktiven<br />
Vorgehen konnte ein Beobachtungsbogen erstellt werden. Neben<br />
gerontologischem Fachwissen ist aber auch medizinisches<br />
Wissen erforderlich, um die beobachteten Merkmale einordnen<br />
zu können und die Symptome eines Suchtmittelmissbrauch<br />
von einer Depression, 9 einer Entgleisung von Diabetes, einer<br />
dementiellen Entwicklung oder anderen psycho-geriatrischen<br />
Krankheitsbildern abzugrenzen.<br />
Eine andere interne Arbeitsgruppe erstellte ein spezielles<br />
Fokus-Assessment zur Früherkennung von Sturzgefahr, das<br />
auch suchtpräventive Aspekte berücksichtigt. Parallel zum<br />
Projekt wurden in der Institution von einem Apotheker Fortbildungen<br />
zu Wirkungen und Nebenwirkungen von Medikamenten<br />
durchgeführt.<br />
Darstellung Suchtprävention im Alter – Rechteck<br />
Die Mitglieder der Arbeitsgruppe setzten sich mit Beratungs-<br />
und Begleitungskonzepten für BewohnerInnen mit<br />
einem riskanten Konsum oder bekanntem Suchtmittelmissbrauch<br />
auseinander. 10 Interne Verantwortlichkeiten für Gespräche<br />
und Informationsaustausch sowie die Zusammenarbeit<br />
mit anderen AkteurInnen wie Angehörige, Suchtberatung,<br />
HausärztInnen, Psychiatrische Konsilien wurden festgelegt<br />
und Handlungsabläufe erarbeitet.<br />
Geplante Projektschritte im Jahr 2013<br />
– Einbindung ins Qualitätsmanagement in Form zweier<br />
Standards: «Begleitung in der Früherkennung und<br />
Frühintervention bei riskantem Suchtmittelkonsum»<br />
und «Umgang mit Menschen mit einer<br />
Suchterkrankung»<br />
– Bildungsveranstaltungen zur motivierenden<br />
Gesprächsführung<br />
– Fallbesprechungen und Refl exion<br />
– Evaluation des Projektes<br />
– Publikation und Bekanntmachung des Projektes<br />
34 <strong>SuchtMagazin</strong> <strong>2|2013</strong>
Projekt in der Spitex<br />
Tätigkeiten in der Spitex<br />
Im Unterschied zum Alterszentrum suchen die Spitex-<br />
Mitarbeitenden die KlientInnen in deren privater Lebenswelt<br />
auf und erbringen haushaltsorientierte sowie pfl egerischtherapeutische<br />
Dienstleistungen. Die Spitex-Mitarbeitenden<br />
sind wichtige AkteurInnen in der Regelversorgung und stehen<br />
in Kooperation mit unterschiedlichen Institutionen, wie<br />
Spitälern, Hausarztpraxen, Alters- und Pfl egeheimen. Die aufsuchende<br />
Tätigkeit, mit Einblick in die häusliche, familiäre<br />
Privatsphäre der KlientInnen ermöglicht es den Spitex-Fachpersonen,<br />
Hinweise auf eine sich entwickelnde oder schon<br />
bestehende Suchtproblematik wahrzunehmen und anzusprechen.<br />
Das Ansprechen eines Suchtmittelkonsums kann sich<br />
aber als heikel erweisen und die KlientInnen können u. a. mit<br />
einer abwehrenden Haltung reagieren. Dies erfordert von den<br />
Fachpersonen neben aktuellem, suchtspezifi schem Fachwissen<br />
auch eine Vertiefung in der Gesprächsführung.<br />
Aufgrund der Tatsache, dass die Spitex-Fachpersonen eine<br />
heterogene, altersdurchmischte pfl egebedürftige Bevölkerungsschicht<br />
betreuen, können sie bereits bei jüngeren KlientInnen<br />
suchtpräventiv intervenieren und deren Selbstkompetenz<br />
in der Gesundheitsförderung 11 unterstützen.<br />
Projektumsetzung<br />
Das Projekt in der Spitex orientiert sich ebenfalls an der Abbildung<br />
1: Suchtprävention im Alter. In der Projektumsetzung<br />
gab es ähnliche Arbeitsschritte wie im Projekt im Alterszentrum.<br />
Im Folgenden werden nur noch die spezifi schen Aspekte,<br />
welche für Spitex-Organisationen passend sind, vorgestellt.<br />
Eine Umfrage bei den Mitarbeitenden der Spitex zeigte,<br />
dass für die Früherkennung und Frühintervention von Suchtmittelmissbrauch<br />
neben spezifi schem Fachwissen Handlungsrichtlinien<br />
notwendig sind. Daraufhin wurde eine Fachgruppe<br />
mit vier Personen mit unterschiedlichen Kompetenzen gebildet<br />
und ein Projektvorschlag entwickelt, der allen Spitexmitarbeitenden<br />
(60 Personen) vorgestellt wurde.<br />
Darstellung Suchtprävention im Alter – Oval<br />
In der Fachgruppe setzten sich die Mitglieder mit allgemeinen<br />
psychosozialen Fragestellungen wie Krise, Verlust, Abhängigkeit,<br />
Selbstpfl egedefi zit, Hoffnungslosigkeit, mit spezifi<br />
schem Wissen zur Selbstkompetenz der Gesundheit und<br />
mit gerontologischen Themen auseinander. Diese Konzepte<br />
wurden jeweils von den einzelnen Fachgruppenmitgliedern zusammengefasst<br />
und in der Gruppe vorgestellt. Der Bezug zur<br />
Alltagspraxis wurde gemeinsam hergestellt. In einem nächsten<br />
Schritt wurden die Gruppenmitglieder zu spezifi schen<br />
Themen, wie Suchtentwicklung, Suchtverhalten, Prävention,<br />
Wirkung und Risiken von Suchtmitteln u. a. m. weitergebildet.<br />
Weitere Entwicklungen parallel zum Projekt<br />
Angeregt durch das Projekt nahmen die Mitglieder der<br />
Fachgruppe an externen Fachtagungen teil zu den Themen<br />
«Depressionen» und «Aromatherapie in der Pfl ege». Die diplomierten<br />
Pfl egefachpersonen besuchten Weiterbildungsmodule<br />
zur Vertiefung der «Pfl egediagnostik».<br />
Parallel dazu führte die Spitex ein Projekt zu den Themen<br />
Medikamentenmanagement und -sicherheit durch. In Abstimmung<br />
mit diesem Projekt wurde von der Autorin vor allem der<br />
Umgang mit und der riskante Gebrauch von Medikamenten<br />
thematisiert. 12 Durch diese inhaltliche Fokussierung konnte<br />
sowohl personelles als auch fachliches Wissen innerhalb der<br />
Spitex ausgetauscht werden.<br />
Darstellung Suchtprävention im Alter – Dreieck<br />
Damit es nicht nur bei der Erfassung von Merkmalen der<br />
Früherkennung blieb, erarbeiteten Mitglieder der Fachgruppe<br />
auch gezielt pfl egerische Interventionen für den Alltag. So entwickelte<br />
eine Mitarbeitende eine Broschüre mit Tipps zum Umgang<br />
mit Schlafstörungen für die KlientInnen, eine zweite Mitarbeitende<br />
bildete sich in Phytotherapie (Aromapfl ege) weiter<br />
und erstellte eine Liste mit verschiedenen Tees. Eine dritte<br />
Fachperson organisierte für die KlientInnen mit Migrationshintergrund<br />
unterschiedliche Broschüren zu Suchtprävention<br />
und mit Gesundheitsinformationen, welche nun gezielt durch<br />
alle Mitarbeitenden in die Spitex-Einsätze einbezogen werden.<br />
Beratende Früherkennung zur Unterstützung der<br />
Gesundheitskompetenz<br />
In der Fachgruppe wurden die diplomierten Pfl egepersonen<br />
geschult, anhand eines bewährten Fragebogens 13 mit den KlientInnen<br />
ein präventives Beratungsgespräch zur Unterstützung<br />
der Selbstkompetenz in Gesundheitsfragen zu führen.<br />
Dabei werden u. a. suchtpräventive Aspekte aufgegriffen und<br />
gezielt Broschüren zum Umgang mit Risiken des Suchtmittelkonsums<br />
in die Beratungssequenzen einbezogen. Die Nebenwirkungen<br />
der kombinierten Einnahme von Medikamenten<br />
und Alkohol werden von den Betroffenen oft unterschätzt und<br />
führen u. a. zu Appetitlosigkeit, Schlafstörungen, Antriebslosigkeit<br />
und einer deutlich erhöhten Sturzgefahr. Im Gespräch<br />
werden die Klienten einerseits aufgeklärt und sie können sich<br />
andererseits mit dem eigenen Gesundheitsbefi nden auseinandersetzen.<br />
Ferner dient das Gespräch dazu, sich anhand<br />
des Fragebogens auf den anstehenden Hausarztbesuch vorzu-<br />
Auswirkungen der Projekte<br />
Institution<br />
Aktuelles Fachwissen<br />
im Betrieb<br />
Steigerung von<br />
Kompetenzen der<br />
Mitarbeitenden<br />
Richtlinien und<br />
Handlungsanweisungen,<br />
welche zur<br />
Qualitätssicherung<br />
beitragen<br />
Unterstützung von<br />
Organisationsentwicklungsprozessen<br />
Beteiligung an der<br />
Umsetzung von<br />
nationalen Präventionsprojekten<br />
Attraktiver Arbeitgeber<br />
sein können<br />
Vernetzung mit<br />
anderen Fachstellen<br />
Fachpersonen<br />
Vertiefung des<br />
aktuellen Fachwissens<br />
Erweiterung von<br />
psychosozialem<br />
Fachwissen und<br />
Beratungskompetenz<br />
Erweiterung der<br />
Handlungskompetenz<br />
Entwicklung und<br />
Übernahme neuer<br />
Verantwortung und<br />
Rolle innerhalb des<br />
Betriebes<br />
Sicherheit und Klarheit<br />
in der Begleitung<br />
erhalten<br />
Gezielte Tätigkeiten<br />
in der Prävention und<br />
Gesundheitsförderung<br />
übernehmen<br />
BewohnerInnen und<br />
KlientInnen<br />
Stärkung der<br />
Selbstbestimmung<br />
Erhöhung der<br />
Selbstkompetenz in<br />
Gesundheitsfragen<br />
Gemäss aktuellem<br />
Fachwissen Betreuung,<br />
Pfl ege und<br />
Behandlung erhalten<br />
Informationszuwachs<br />
durch Aufklärung<br />
und Beratung über<br />
Gesundheitsverhalten<br />
Frühzeitig auf<br />
verändertes Verhalten<br />
angesprochen werden<br />
Angebote für aktuelle<br />
Behandlung<br />
erhalten<br />
Abb. 2: Auswirkung der Projekte – Suchtprävention im Alter.<br />
<strong>SuchtMagazin</strong> <strong>2|2013</strong> 35
Dossier: Sucht im Alter<br />
bereiten. In der Region wurden über 70 Hausarztpraxen über<br />
das Projekt informiert (die Reaktion darauf war minimal). Der<br />
Einsatz dieses Arbeitsinstrumentes ist noch in der Pilotphase.<br />
Alle Gespräche werden schriftlich erfasst, im Juli 2013 soll eine<br />
Zwischenevaluation stattfi nden.<br />
Darstellung Suchtprävention im Alter – Rechteck<br />
Anhand von Fallbeispielen aus der Spitex-Praxis konnten<br />
passende Interventionen für die Betreuung besprochen und<br />
Kontakte mit weiteren AkteurInnen in der Regelversorgung<br />
(wie z. B. Suchtberatung) vermittelt werden.<br />
Entwicklung einer gemeinsamen Haltung<br />
Darstellung Suchtprävention im Alter – Oval, Dreieck,<br />
Rechteck<br />
Als Schritt zur Entwicklung einer gemeinsamen Haltung<br />
setzten sich die Mitglieder der Fachgruppe und die Spitex-<br />
Leitung mit den Themen Prävention, Gesundheitsförderung,<br />
Suchtentwicklung und Begleitung von KlientInnen mit einem<br />
riskanten Suchtmittelkonsum oder bestehender Suchterkrankung<br />
auseinander. Die Begriffsklärungen wurden schriftlich<br />
formuliert und sollen im Jahr 2013 dem gesamten Spitex-Team<br />
vorgestellt und weiter diskutiert werden. Das Ergebnis soll<br />
letzten Endes in Form von schriftlichen Richtlinien und Handlungsanweisungen<br />
ins Qualitätsmanagement überführt werden,<br />
damit es nachhaltig umgesetzt werden kann. Zusätzlich<br />
werden die Fachpersonen in motivierender Gesprächsführung<br />
geschult..<br />
Literatur<br />
BAG – Bundesamt für Gesundheit (Hrsg.) (2013): Gesundheit 2020. Die<br />
gesundheitspolitischen Prioritäten des Bundesrates. Bern.<br />
www.tinyurl.com/amra2kw, Zugriff 01.03.2013.<br />
Crotti, C.(2012): Grundlagen zur Prävention des<br />
Medikamentenmissbrauchs im Kanton Zürich. ZüFAM, Zürcher<br />
Fachstelle zur Prävention des Alkohol- und Medikamenten-<br />
Missbrauchs. DHS - Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen<br />
(2011): Substanzbezogene Störungen im Alter. Information und<br />
Praxishilfen. Hamm.<br />
Doenges, M.E./Moorhouse, M.F./Geissler-Murr, A.C. (2002):<br />
Pfl egediagnosen und Massnahmen. 3. Aufl age. Bern: Hans Huber.<br />
BMBF - Bundesministerium für Bildung und Forschung (Hrsg.) (2012):<br />
Medikamente im Alter: Welche Wirkstoffe sind ungeeignet? Berlin:<br />
BMBF. www.gesundheitsforschung-bmbf.de/de/4664.php, Zugriff<br />
21.03.2013. Kantonales Gesundheitsgesetz des Kanton Zürich<br />
(GesG)(2007): Patientinnen und Patientenrecht.<br />
www.tinyurl.com/c4oerrr, Zugriff 10.2.2013.<br />
Kutschke, A. (2012): Sucht – Alter – Pfl ege. Bern: Hans Huber.<br />
Löser, A. P. (2003): Pfl egekonzepte nach Monika Krohwinkel.<br />
Pfl egekonzepte in der stationären Altenpfl ege erstellen. Hannover:<br />
Schlütersche.<br />
Müller Staub, M./Alfaro-LeFevre, R. (2012): Pfl egeprozess und kritisches<br />
Denken: Praxishandbuch zum kritischen Denken. Bern: Hans Huber.<br />
SSR - Schweizerischer Seniorenrat (2010): Arzt und Patient – ein Team für<br />
alle Fälle. Bern. www.tinyurl.com/d7r3tox, Zugriff 10.02.2013.<br />
Townsend, M. C. (2008): Pfl egediagnosen und Massnahmen für die<br />
psychiatrische Pfl ege: Handbuch zur Pfl egeplanerstellung. Bern:<br />
Hans Huber.<br />
Endnoten<br />
1 Vgl. Crotti 2012.<br />
2 Vgl. Kantonales Gesundheitsgesetz des Kanton Zürich 2007.<br />
3 Vgl. Müller Staub et al. 2012.<br />
4 Vgl. Doenges et al. 2002.<br />
5 Vgl. Kutschke 2012.<br />
6 Vgl. Löser 2003.<br />
7 www.besacare.ch/<br />
8 Vgl. Townsend 2008.<br />
9 Vgl. Doenges et al. 2002.<br />
10 Vgl. DHS 2012.<br />
11 Vgl. BAG 2013.<br />
12 Vgl. BMBF 2012.<br />
13 Vgl. SSR 2010.<br />
36 <strong>SuchtMagazin</strong> <strong>2|2013</strong>
Dossier: sucht im Alter<br />
Alkoholabhängigkeit im<br />
Alter – Herausforderung für<br />
Diagnostik und Beratung<br />
Grenzwerte für riskanten Alkoholkonsum sind an das hohe Alter nicht<br />
angepasst. Nach schwieriger Diagnostik erfolgt zu selten eine Fachberatung<br />
für ältere Menschen mit Abhängigkeitsproblemen, obwohl die Prognose<br />
der Behandlung abhängiger Menschen im Alter gut ist. Der Einbezug des<br />
Familiensystems ist zentral.<br />
Bernadette Ruhwinkel<br />
Dr. med., Leitende Ärztin, Alterspsychiatrie der Integrierten Psychiatrie<br />
Winterthur (ipw), Wieshofstrasse 102, CH-8408 Winterthur +41 (0)52 224 35 00,<br />
bernadette.ruhwinkel@ipw.zh.ch, www.ipw.ch<br />
Schlagwörter:<br />
Alkohol | Alter | Diagnostik | Beratung | Vernetzung | Angehörige |<br />
Diagnostik und Screening bei chronisch riskantem<br />
Alkoholkonsum<br />
Nicht riskanter Konsum von Alkohol bedeutet: Männer 24g<br />
Alkohol pro Tag (= 0,5 - 0,6 l Bier/0,25-0,3 l Wein) und Frauen 12<br />
g Alkohol pro Tag sowie 2 alkoholfreie Tage pro Woche. 1<br />
Herr O. ist 81 Jahre alt und lebt alleine. Bisher hatte er keine<br />
grösseren gesundheitlichen Einschränkungen, nimmt aber<br />
zwei Antihypertensiva und ein Schmerzmittel (Nichtsteroidales<br />
Antirheumatikum) wegen seiner Kniearthrose. Seit<br />
seine Frau vor fünf Jahren verstarb, gehört es zu seinen abendlichen<br />
Ritualen, dass er «...ein Vierteli Rotwein zum Znacht<br />
trinkt.» Hin und wieder beim Fernsehen auch etwas mehr. In<br />
Gesellschaft trinkt er höchstens ein Glas, denn im Vergleich<br />
zu früher verträgt er weniger. Nach einem Sturz wird Herr O.<br />
mit einer Schenkelhalsfraktur ins Kantonsspital eingeliefert.<br />
Dort teilt er den Ärzten auf die Frage, ob er Alkohol trinkt und<br />
wie viel, mit, dass er gelegentlich in Gesellschaft trinke. Sein<br />
abendliches Ritual hat er entweder vergessen oder aus Scham<br />
vor dem Verdacht, er habe möglicherweise durch den Alkohol<br />
seinen Sturz mit provoziert, verdrängt.<br />
Laut dem Bundesamt für Gesundheit (BAG) haben 6% der<br />
Frauen und 8,1 % der Männer zwischen 65 und 74 Jahren, sowie<br />
5,3 % der Frauen und nur noch 3,8 % der Männer über 75 Jahren<br />
einen chronisch problematischen Alkoholkonsum. 2 Bei niedrigeren<br />
Grenzwerten wird der riskante Konsum bei ca. 25 % der<br />
Männer und 8 % der Frauen ab 60 Jahren gesehen. 3<br />
Angenommen, Herrn O's behandelnde Ärzte sind mit einem<br />
Screeninginstrument zur Erkennung von Alkoholproblemen im<br />
Alter vertraut, die sie bei unklaren Stürzen und/oder leicht<br />
erhöhten Leberwerten routinemässig nutzen. Z. B. den international<br />
verwendeten und sehr praktikablen AUDIT-C. 4 Beim<br />
AUDIT-C gelten mehr als 6 Punkte bei Männern und mehr<br />
als 4 Punkte bei Frauen als Hinweis auf einen Alkoholmissbrauch.<br />
5 Dabei kommt Herr O. eingedenk seines Rituals auf<br />
maximal 4 Punkte. Dennoch ist dieser Mann aufgrund seines<br />
Alters, mit dem reduzierten Wasserhaushalt, der reduzierten<br />
Leberdurchblutung, der verlangsamten Enzymaktivität und<br />
der Wechselwirkung der anderen Medikamente mit dem sehr<br />
regelmässigen Alkoholkonsum ein Hochrisikopatient für<br />
neuropsychologische Komplikationen wie Krampfanfälle und<br />
Delirien. 6<br />
Hürden der Beratung<br />
Herr O. würde postoperativ Entzugserscheinungen wie hypertensive<br />
Krisen, Schwitzen, Unruhezustände und ein Entzugsdelir<br />
entwickeln, wenn der Arzt den Entzug nicht aus<br />
seiner Erfahrung heraus medikamentös behandelt hätte. Er<br />
wusste, dass das ältere Gehirn deutlich rascher als ein unter<br />
60-jähriges mit einem Delir reagieren kann.<br />
Herr O. wurde sorgfältig vor dieser schweren Komplikation<br />
geschützt, aber wie ging die Behandlung weiter?<br />
Herr O. wurde postoperativ rasch in eine Reha-Klinik verlegt,<br />
wo seine Muskeln wieder trainiert wurden, sodass er wieder<br />
sicher laufen kann. Die Diagnose der Abhängigkeit ging dabei<br />
unter und Herr O. konnte sein Ritual wieder aufnehmen. Trotz<br />
Früherkennung des Problems erfolgt oft keine Beratung der<br />
abhängigen älteren Menschen. 7 Dies hat zum einen mit negativen<br />
Altersbildern von BehandlerInnen zu tun («Lassen wir<br />
dem Mann doch seinen Rotwein, er hat ja sonst nichts mehr<br />
vom Leben»), die die Folgen dieser resignativen Haltung nicht<br />
beachten und dem älteren Menschen ungefragt die Entscheidung,<br />
was geschehen soll, abnehmen. Ausserdem fehlt es<br />
an klaren strukturellen Vorgaben, wie Ärzte und Ärztinnen in<br />
diesem Fall eine Behandlung fortsetzen müssten.<br />
Kognitive Defizite und Alkohol im Alter<br />
Herr A. ist 74 Jahre alt. Er wird gegen seinen Willen auf die<br />
Akutaufnahmestation für demenzkranke Menschen der Integrierten<br />
Psychiatrie Winterthur (IPW) eingewiesen, nachdem<br />
er im Pfl egeheim Tag und Nacht nur geschrien hatte, dass er<br />
dort nicht bleiben wolle. Was war geschehen? Seit Jahren lebte<br />
er mit seiner Frau in einem kleinen Vorort. Er hatte Jahrzehnte<br />
auf dem Bau gearbeitet und seine Frau und er haben zwei<br />
<strong>SuchtMagazin</strong> <strong>2|2013</strong> 37
Dossier: Sucht im Alter<br />
Kinder. Sein Hobby war immer das Turnen. Er war stolz darauf<br />
gewesen, im Handstand die Treppe heruntergehen zu können.<br />
Aufgrund von Durchblutungsstörungen (Rauchen, Alterszucker)<br />
wurden ihm aber vor sechs Jahren beide Beine amputiert.<br />
Anschliessend hat er seine Zeit vor allem zu Hause verbracht<br />
und viel Alkohol getrunken (ca 4 - 6 Flaschen Bier pro Tag). Mit<br />
seinen Prothesen war er aber mobil.<br />
Dennoch kam die Ehefrau mit seiner Pfl ege, vor allem wenn er<br />
getrunken hatte, zunehmend an ihre Grenzen. Er lehnte alle<br />
externen Hilfsangebote ab und wollte auch kein Spitalbett.<br />
Frau A. hatte mit ihren 70 Jahren ein chronisches Rückenleiden.<br />
Die Finanzen reichten nicht. Die Frau wurde immer unruhiger<br />
und verzweifelter und ging mit ihrem Mann mehrfach in die<br />
Notaufnahme im Kantonsspital, da sie sich keinen Rat mehr<br />
wusste. Dort fi elen seine zunehmenden kognitiven Defi zite auf<br />
und die Verdachtsdiagnose Demenz war allzu rasch gestellt.<br />
Wegen Überforderung der Frau wurden die ÄrztInnen im<br />
Kantonsspital nach wiederholter Notfallaufnahme tätig und<br />
schickten Herrn A. gegen seinen Willen ins Pfl egeheim. Das<br />
Thema Alkohol wurde nicht als Problem gesehen. Entzugserscheinungen<br />
des Mannes und seine laute Rebellion gegen<br />
dieses Vorgehen machten eine Betreuung im Heim unmöglich.<br />
Herr A. wurde nach 24 Stunden gegen seinen Willen zu uns<br />
überwiesen.<br />
Einbezug von Angehörigen<br />
Bei uns auf der Station konnten wir Herrn A. rasch beruhigen<br />
indem wir ihm den fehlenden Alkohol durch Medikamente<br />
substituierten. Frau A. war aber weiter sehr aufgebracht und<br />
musste von unserem Sozialdienst und einer Psychologin intensiv<br />
betreut werden, denn sie sass mit all ihren fi nanziellen<br />
Fragen ganz alleine da und hatte Schuldgefühle, den Partner<br />
so abgeschoben zu haben. Die Kinder zeigten wenig Verständnis<br />
für die Lage der beiden Eltern und lehnten in einem Familiengespräch<br />
jegliche Unterstützung ab. Herr A. wollte nach<br />
Hause gehen, Frau A. wollte und konnte ihn aber so nicht<br />
mehr betreuen. In Einzelgesprächen wurde Herr A. über den<br />
Zusammenhang von Alkohol und seinen kognitiven Defi ziten<br />
und Alltagsschwierigkeiten aufgeklärt und er zeigte sich bereit,<br />
einen schrittweisen sanften Entzug zu machen und mit<br />
Rücksicht auf seine Frau noch etwas bei uns auf der offenen<br />
Psychotherapiestation für ältere Menschen zu bleiben. Die Kognitionen<br />
besserten sich von Tag zu Tag und seine Frau meinte<br />
neidisch: «Der ist wohl bei Euch in den Ferien». Nachdem sich<br />
auch Frau A. etwas erholt und Vertrauen zu uns gefasst hatte,<br />
konnten wir in wenigen Paargesprächen klären, dass der Alkohol<br />
die leichten kognitiven Defi zite von Herrn A., die bis zuletzt<br />
feststellbar blieben, massiv verstärkt hatte und die Pfl ege von<br />
ihm zu Hause verunmöglichte. Gemeinsam mit Frau A. arbeiteten<br />
wir Kriterien heraus, die erfüllt sein müssten, damit Herr<br />
A. wieder in sein Zuhause gehen könnte. Im Alltag trainierten<br />
wir mit ihm an seiner Selbstständigkeit und die Ehefrau war<br />
mehrfach bei der Morgenpfl ege dabei und konnte von unseren<br />
Pfl egefachkräften lernen, wie sie ihn in seiner Selbstständigkeit<br />
unterstützen konnte, ohne ihm, wie in der Vergangenheit,<br />
zu viel abzunehmen.<br />
Herr A. hat sein Ziel erreicht, er ist seit vielen Monaten wieder<br />
daheim. Zwar musste er sich mit Spitex und Spitalbett einverstanden<br />
erklären, aber dazu war er, nach all den Erfahrungen,<br />
gerne bereit. Zum Abschluss schloss das Paar bei uns einen<br />
Vertrag: Herr A. versprach darin, dass er keinen Alkohol mehr<br />
trinken will («...auf keinen Fall, denn ich will möglichst nicht<br />
in so ein Heim») und seine Frau nicht mehr darum bittet, ihm<br />
Alkohol zu kaufen, Frau A. versprach, dass sie ihm auch dann<br />
keinen Alkohol mehr bringt, wenn er darum bitten sollte.<br />
Probleme der Früherkennung:<br />
An diesen Fallbeispielen zeigt sich die Problematik der<br />
Früherkennung der Alkoholabhängigkeit im Alter:<br />
1. Es fehlt an für das Alter adaptierten Grenzwerten<br />
riskanten Alkoholkonsums bei Menschen über 60 Jahren<br />
insbesondere dann, wenn sie auch noch Medikamente<br />
nehmen müssen.<br />
2. Die Diagnostik ist äusserst schwierig und bedarf bei<br />
diesem schambesetzten Thema in dieser Generation viel<br />
Feingefühl. Bilder vom weisen Alten und der Anspruch,<br />
endlich seine Probleme selber im Griff zu haben, stehen<br />
einer ehrlichen Auskunft über den aktuellen Alkoholkonsum<br />
ebenso im Weg wie die Unwissenheit, dass Bagatellisierungen<br />
in dieser Frage gerade für ältere Menschen,<br />
wenn sie ins Krankenhaus kommen lebensbedrohliche<br />
Komplikationen (Delirien) nach sich ziehen können.<br />
3. Screeninginstrumente, die auch den regelmässigen<br />
Umgang mit Alkohol in niedriger Dosierung und in<br />
Kombination mit Medikamenten erfragen und den<br />
körperlichen Zustand des Menschen mit einberechnen,<br />
fehlen bisher.<br />
4. Das konsequente Beachten von unspezifi schen Frühwarnzeichen<br />
einer Abhängigkeit im Alter, wie Sturz<br />
und Schwindel, schlecht einstellbarer Blutdruck oder<br />
Überforderung bei der Pfl ege durch Angehörige kann in<br />
der Somatik auch heute noch nicht überall vorausgesetzt<br />
werden.<br />
38 <strong>SuchtMagazin</strong> <strong>2|2013</strong>
5. Ein strukturiertes Vorgehen nach der Diagnose der<br />
Abhängigkeit durch den Arzt/die Ärztin ist oft nicht vorhanden.<br />
Das heisst, dass eine Aufklärung des Patienten/<br />
der Patientin und der Angehörigen nur dann stattfi ndet,<br />
wenn der Arzt/die Ärztin sich mit der Problematik<br />
auseinandergesetzt und eine positive Vorstellung vom<br />
Alter hat.<br />
Beratung ist wichtig<br />
Die Vernetzung der somatischen ÄrztInnen mit Suchtfachstellen<br />
muss optimiert werden. Die konsiliarische Beratung<br />
durch einen Alterspsychiater oder einen Fachberater für Fragen<br />
zu Sucht im Alter im Krankenhaus oder in der Reha-Klinik<br />
könnte genutzt werden, um Herrn O. über die Risiken seines<br />
Verhaltens aufzuklären und über die veränderte Wirkung dieser<br />
vergleichsweise kleinen Alkoholmenge in seinem Körper<br />
zu informieren. In diesem Beratungsgespräch könnte Herr O.<br />
erfahren, dass er eine grosse Chance hat, seine Abhängigkeit<br />
zu behandeln, ja, dass die Prognose in seinem Alter sogar besser<br />
ist als in jüngeren Jahren 8 und dass, bei Fortsetzung des<br />
Rituals in dieser Form, sein Risiko für weitere Stürze, andere<br />
Komplikationen bis hin zu einer vorzeitigen Heimplatzierug<br />
statistisch gesehen steigt. Wichtig wäre in dieser Beratung,<br />
Herrn O. neben der Informationsvermittlung auch Möglichkeiten<br />
der Behandlung in seiner Nähe aufzeigen zu können und<br />
ihm dabei immer die Freiheit zu lassen, selbst zu entscheiden,<br />
ob er sich in seinem Alter dieser Problematik stellen will oder<br />
lieber nicht. Herr A. und seiner Frau war der Zusammenhang<br />
zwischen dem Alkohol und seinen Schwierigkeiten überhaupt<br />
nicht klar. Durch wenige Gespräche, in denen er wiederholt auf<br />
den Zusammenhang von Alkohol und seinen kognitiven Defi -<br />
ziten und der erhöhten Hilfsbedürftigkeit hingewiesen wurde,<br />
konnte seine Motivation zum Entzug und zur Abstinenz erreicht<br />
werden. Seine Frau war erleichtert, als sie mit ihren Bedürfnissen<br />
auch wahrgenommen wurde, und zeigte sich sehr<br />
motiviert, an seiner Rückkehr nach Hause mitzuarbeiten, da<br />
sie eigentlich auch nicht gern alleine leben wollte.<br />
Fazit<br />
Werden ältere Menschen über die Risiken und Möglichkeiten<br />
betreffend ihrer Abhängigkeit, auch im Zusammenhang<br />
mit der Einnahme von Medikamenten, 9 aufgeklärt und treffen<br />
sie auf ein Helfernetz, das ihnen eine Reduktion ihres Suchtmittels<br />
oder sogar die Abstinenz zutraut, dann zeigt sich aus<br />
unserer Erfahrung in der IPW deutlich, dass auch Menschen<br />
von über 60 Jahren mit professioneller Begleitung einen guten<br />
Weg aus der Abhängigkeit fi nden können. Wo dies gelingt,<br />
ergibt sich zumeist eine drastische Verbesserung der kognitiven<br />
Fähigkeiten, der Lebensqualität und eine Zunahme der<br />
Autonomie im Alltag bis hin zum Abwenden einer ungewollten<br />
Platzierung.<br />
Jeder ältere Mensch sollte so sorgfältig wie möglich über seine<br />
Abhängigkeit aufgeklärt sein, auch wenn das für ihn unangenehme<br />
Themen beinhaltet. 10 Eine sorgfältige Erhebung des<br />
Konsumverhaltens ohne zu pathologisieren oder zu werten<br />
(ob mit Audit-C und oder dem unumgänglichen sorgfältigen<br />
Gespräch zum Vertrauensaufbau) ist die Voraussetzung dafür,<br />
die Problematik nicht zu verfehlen. Mit dem Hinweis, dass<br />
die KlientInnen sich das von uns als ihren TherapeutInnen<br />
wenigstens einmal anhören müssen, damit sie selbst für sich
Dossier: Sucht im Alter<br />
eine gute Entscheidung fällen können, gelingt im Anschluss an<br />
die Problemerfassung und Diagnostik meistens ein konstruktives<br />
Beratungsgespräch, sowohl im ambulanten wie auch im<br />
stationären Setting.<br />
Derartige Kurzinterventionen, die auch im Rahmen einer<br />
Hausarztkonsultation erfolgen könnten, haben sich bei älteren<br />
Menschen als durchaus effektiv erwiesen. 11 Die meisten älteren<br />
Menschen sind anschliessend motiviert, kleine Ziele der<br />
Reduktion des Suchtmittels konsequent zu verfolgen. Wenn<br />
dann auch Angehörige und das HelferInnennetz motiviert<br />
werden, die Reduktion oder Abstinenz zu unterstützen, kann<br />
eine nachhaltige Arbeit zur Eindämmung der Abhängigkeit<br />
und ihrer Folgen gelingen. Der gesundheitsfördernde Aspekt<br />
mässigen Alkoholkonsums wird im Alter propagiert (ein Glas<br />
Rotwein pro Tag sei gesund), aber die epidemiologischen<br />
Daten, auf die sich diese Behauptung stützt, könnten auch<br />
so interpretiert werden, dass Alkoholkonsum ein Indikator<br />
für besonders robuste Gesundheit im Alter ist. Menschen die<br />
im Alter krank werden, stellen den Alkoholkonsum zumeist<br />
ein, die, die weiter trinken können, das sind die besonders<br />
gesunden. 12 .<br />
Literatur<br />
Kessler, D./Salis Gross, C./Koller, S./Haug, S. (2012): Exploration<br />
erfolgversprechender Massnahmen zur Reduktion des<br />
problematischen Alkoholkonsums bei älteren Menschen in der<br />
Schweiz. Zürich: Institut für Sucht und Gesundheitsforschung.<br />
Mann, K./Laucht, M./Weyerer, S. (2009): Suchterkrankungen in der<br />
Lebensspanne. Nervenarzt 80: 1293-1301.<br />
Schnoz, D./Salis Gross, C./Grubenmann, D./Uchtenhagen, A.<br />
(2006): Alter und Sucht. Recherche und Dokumentation zu<br />
evaluierten Interventionen. Zürich: Institut für Sucht- und<br />
Gesundheitsforschung.<br />
van Etten, D. (2010): Beurteilung des Alkoholkonsums mit dem Kurztest<br />
AUDIT-C. <strong>SuchtMagazin</strong> 36(3): 38-40.<br />
Wolter, D.K. (2011): Sucht im Alter – Altern und Sucht. Stuttgart:<br />
Kohlhammer.<br />
Wolter, D.K. (2012): Sucht im Alter. Zentrale Themen, Kontroversen und<br />
künftige Entwicklungen. Psychotherapie im Alter 2(9): 161-180.<br />
Endnoten<br />
1 Vgl. Wolter 2011.<br />
2 Vgl. die Präsentation von Bonassi anlässlich der KAP-plus-Tagung<br />
vom 21.09.2011 (siehe Endnote 9); vgl. auch Artikel von Notari/<br />
Delgrande Jordan/Gmel in dieser Ausgabe.<br />
3 Vgl. Wolter 2012.<br />
4 Vgl. van Etten 2010.<br />
5 Wolter 2011: 251-252. AUDIT: Alcohol USE Disorders Identifi cation<br />
Test- Screeningfragebogen für riskanten Alkoholkonsum;<br />
modifi ziert für den Gebrauch in deutschsprachigen Ländern mit<br />
zehn Fragen, von denen die ersten drei als gutes Screening für<br />
Hinweise auf Alkoholmissbrauch auch bei älteren Menschen<br />
Gültigkeit haben und als Audit C bezeichnet wird. Die Cut-off-Werte<br />
scheinen aber nicht überall gleich zu sein; bei<br />
www.praxis-suchtmedizin.ch ist ein Cut-off von 5 bei Männern und<br />
4 bei Frauen angegeben.<br />
6 Wolter 2011: 102–105.<br />
7 Kessler et al. 2012: 69.<br />
8 Vgl. Schnoz 2006.<br />
9 Vgl. die Präsentation von Delgrande anlässlich der KAP-plus-<br />
Tagung vom 21.09.2011 zum Thema «Alkohol im Alter»:<br />
www.tinyurl.com/an42wum, Zugriff 19.02.2013.<br />
10 Dies ist eine zentrale Forderung des Strukturpapiers<br />
«Abhängigkeit», welches von verschiedenen Fachleuten der<br />
Alterspsychiatrie aus den Bereichen Pfl ege, Psychologie,<br />
Medizin (Psychiatrie/Geriatrie) und dem Suchtexperten der<br />
Erwachsenenpsychiatrie in der Integrierten Psychiatrie<br />
Winterthur erstellt worden ist. Es befasst sich mit den wichtigsten<br />
Unterschieden zwischen Abhängigkeit im Alter und Abhängigkeit<br />
in anderen Lebensabschnitten. Das Dokument kann bei der Autorin<br />
bestellt werden.<br />
11 Vgl. Mann 2009: 1300.<br />
12 Vgl. Wolter 2012: 171.<br />
Bücher zum Thema<br />
Alter, Sucht und Case Management.<br />
Case Management als sinnvolles<br />
Unterstützungskonzept bei<br />
Suchtproblematik im Alter<br />
Barbara Bojack/Elke Brecht/Christina Derr<br />
2010, EHV, 125 S.<br />
Bei dem Stichwort «Sucht» denkt man häufi g als<br />
Erstes an Drogensucht, insbesondere an die<br />
Abhängigkeit von verbotenen Betäubungsmitteln.<br />
Dabei passiert es leicht, dass die Abhängigkeit von<br />
legalen Suchtmitteln, insbesondere von Alkohol und<br />
Medikamenten, übersehen wird. Eine besondere<br />
Herausforderung stellt dabei insbesondere die<br />
Sucht im Alter dar. Als Lösungsansatz stellen die<br />
Autorinnen eine Variation des Case Managements<br />
vor, das nach einer eingehenden Vertiefung in die<br />
Ausgangsproblematik hinsichtlich seiner<br />
Funktionen und Aufgaben betrachtet wird. Wie sich<br />
eine derartige Konzeption praktisch umsetzen lässt,<br />
wird abschliessend anhand eines Fallbeispiels<br />
vorgestellt. Darüber hinaus wird ein Weg<br />
entwickelt, wie Abhängige in Kooperation mit ihrem<br />
sozialen Umfeld agieren können.<br />
Alt und schwer erreichbar.<br />
«Best Practice Gesundheitsförderung im Alter»<br />
bei benachteiligten Gruppen<br />
Eva Soom Ammann/Corina Salis Gross<br />
2011, AVM, 140 S.<br />
Gesundheitsförderung ist zu einer zentralen<br />
Public-Health-Strategie für die Stärkung des<br />
selbstbestimmten Alterns und der Lebensqualität<br />
auch bei bereits bestehenden gesundheitlichen<br />
Einschränkungen avanciert. Benachteiligungen wie<br />
tiefe Renten oder langjährige schwere körperliche<br />
Arbeit und soziale Isolation können jedoch<br />
problematische Gesundheitsverläufe nach sich<br />
ziehen. Tiefer sozioökonomischer Status, Geschlecht<br />
und Migrationshintergrund sind dabei<br />
wichtige Faktoren. Angebote sprechen jedoch eher<br />
Menschen aus der Mittelschicht mit genügend<br />
ökonomischen Ressourcen und gutem Bildungsund<br />
Sozialkapital an. Die Gesundheitsförderung<br />
kommt also nicht dort an, wo sie besonders<br />
benötigt wird. Müssen die Angebote folglich<br />
angepasst und zu ihnen gebracht werden? Doch wie<br />
sind sie zu erreichen? Wissenschaftliche Literatur<br />
und bewährte Praxis sind die Grundlagen zur<br />
Beantwortung solcher Fragen in diesem Buch.<br />
40 <strong>SuchtMagazin</strong> <strong>2|2013</strong>
Fotoserie: Alltag im Alter<br />
Oliver Susami<br />
(Jg. 1978), Fotograf und Soziologe,<br />
lebt in Köln.<br />
www.oliversusami.de<br />
Für Aufmerksamkeit sorgt normalerweise das Extreme, auch beim<br />
Thema Alter: Unwürdige Zustände in Altenheimen, Pfl egenotstand, Menschen,<br />
die in ihren Wohnungen sterben und wochenlang nicht gefunden<br />
werden. Und auf der anderen Seite: Die aktiven, leistungsfähigen, bewundernswerten<br />
Alten, die mit achtzig noch Berge erklimmen, Marathon laufen,<br />
Fremdsprachen erlernen oder ein Studium beginnen.<br />
Diese Fotoserie interessiert sich weniger für die Extreme als für die<br />
gewöhnliche Lebenswelt älterer Menschen. Sie zeigt Dinge unserer Welt,<br />
die gerade im Alter an Bedeutung oder gar Bedrohlichkeit gewinnen: die<br />
Treppe, die zum Hindernis wird, den Medikamentenschrank, auf den man<br />
zunehmend angewiesen ist. Und sie zeigt ältere Menschen in Situationen,<br />
auf die man hoffen kann oder vor denen man sich fürchtet: die aktive<br />
Gestaltung des Ruhestandes – ob nun als Boxtrainer oder mit dem Besteigen<br />
von Bergen – ebenso wie das Angewiesensein auf Hilfe.<br />
Das Thema Sucht ist für diese Fotoserie nicht zentral, schwingt aber in<br />
einigen Bildern mit. Suchtverhalten kann eine Reaktion auf bestimmte<br />
Umstände des Alters sein, etwa auf Einsamkeit und Langeweile, Verlusterfahrungen<br />
oder auch auf das Leben mit körperlichen Einschränkungen oder<br />
gar Schmerzen. Beschäftigt man sich mit Sucht im Alter, so lohnt es sich,<br />
die Lebensumstände älterer Leute genauer zu betrachten. Die Fotoserie<br />
will dazu Ansatzpunkte liefern.<br />
S. 6/7<br />
Das Bild zeigt einen Rollstuhlfahrer und seinen Begleiter auf der Suche<br />
nach einem Weg zum Kölner Dom. Ich beobachtete die beiden einige<br />
Minuten, an den Treppen gab es für sie kein Weiterkommen. Schliesslich<br />
fanden sie eine Gruppe anderer Rollstuhlfahrer, die ihnen den besten Weg<br />
erklärten.<br />
Zu den Erfahrungen des Alters gehört auch, dass Wege, die für andere kein<br />
Problem darstellen, zu Hindernissen werden. Und dazu muss man nicht<br />
einmal Rollstuhlfahrer sein. Es reicht schon, dass die Ausdauer nachlässt.<br />
S. 8<br />
Wie man alt wird, das unterscheidet sich von Fall zu Fall. Gesund und<br />
aktiv oder – im Gegensatz dazu – gebrechlich und auf Hilfe angewiesen.<br />
Letzteres ist für viele die Horrorvision schlechthin.<br />
Das Bild zeigt eine ältere Dame bei der täglichen Wäsche durch eine<br />
Pfl egerin. Nach mehreren Schlaganfällen sitzt die Frau im Rollstuhl. Als<br />
Schwerstbehinderte wird sie ganztägig betreut.<br />
S. 11<br />
Das Bild zeigt den Medikamentenschrank eines älteren Ehepaares.<br />
Darin enthalten sind z. B. verschiedene Schmerzmittel und Stimmungsaufheller.<br />
Die zunehmende Abhängigkeit von den Erzeugnissen der Pharmaindustrie<br />
bzw. die tägliche Einnahme diverser Medikamente gehört für viele zu den<br />
Erfahrungen des Alters. Und gerade Schmerzmittel und Psychopharmaka<br />
bergen in unterschiedlichem Masse Suchtpotential.<br />
Weiterdenken? Weiterbilden!<br />
Inspiration aus unserem aktuellen Weiterbildungsprogramm:<br />
MASTER OF ADVANCED STUDIES (MAS)<br />
MAS in Sozialinformatik<br />
Der MAS besteht aus drei Zertifikatslehrgängen<br />
(CAS), die auch einzeln besucht werden können.<br />
Die Modularisierung der CAS in Seminare bietet<br />
zusätzliche Wahlmöglichkeiten.<br />
CAS Informatik-Projektleitung, August 2013<br />
CAS Online Services, Frühling 2015<br />
WEITERE LEHRGÄNGE (CAS)<br />
CAS Kreativ beraten, Juni 2013<br />
CAS Leiten von Teams, August 2013<br />
CAS Coaching, September 2013<br />
CAS Sozialpädagogische Familienbegleitung,<br />
September 2013<br />
CAS Case Management, Oktober 2013<br />
CAS Brennpunkt Kindesschutz, Oktober 2013<br />
MAS in Management of Social Services<br />
Der MAS besteht aus drei Zertifikatslehrgängen<br />
(CAS), die auch einzeln besucht werden können:<br />
CAS Sozialmanagement, April 2013<br />
CAS Führung im Kontext des psychosozialen<br />
Bereichs, Oktober 2013<br />
CAS Sozialpolitik, April 2014<br />
WEITERE SEMINARE<br />
Die friedliche Macht der Sprache, Mai 2013<br />
Social Media, Mai 2013<br />
Case Management, Juni 2013<br />
Selbstsorge im beruflichen Alltag, Juni 2013<br />
Querdenken, Oktober 2013<br />
Elternaktivierung, November 2013<br />
Weitere Angaben zu unseren MAS, CAS und Seminaren finden Sie unter www.fhsg.ch/weiterbildung.<br />
FHS St.Gallen, Weiterbildungszentrum WBZ-FHS, Rosenbergstrasse 59, 9001 St.Gallen,<br />
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FHO Fachhochschule Ostschweiz www.fhsg.ch<br />
<strong>SuchtMagazin</strong> <strong>2|2013</strong> 41
Dossier: Sucht im Alter<br />
S. 16<br />
Aktiv sein, gesund sein, wandern, schöne Orte besuchen, endlich tun,<br />
was man will ... für die meisten das Idealbild des Alters. Doch nicht jeder<br />
wird zum rüstigen Rentner, der zusammen mit dem Partner den Ruhestand<br />
geniessen kann. Einsamkeit, körperliche und geistige Einschränkungen<br />
sowie das Angewiesensein auf andere gehören ebenso zu den Erfahrungen<br />
des Alters. Den Gegensatz zu den beiden Wanderern zeigt das Bild auf Seite<br />
16.<br />
S. 18/19<br />
Das Bild entstand im Kölner Stadtteil Deutz und zeigt eine typische<br />
Kiez-Gegend. Auf relativ engem Raum drängen sich Supermärkte, Kneipen,<br />
Apotheken, Poststellen, Banken und Bäckereien. Gerade für ältere<br />
Leute, die sich auch aufgrund eingeschränkter Mobilität vorwiegend im<br />
eigenen Stadtteil bewegen, sind solche Gegenden wertvoll. Hier ist alles<br />
gut erreichbar, hier entstehen und überdauern Bekanntschaften. Und erfahrungsgemäss<br />
wissen gerade ältere Leute sehr gut um das Stadtteilgeschehen.<br />
Der Stadtteil Deutz ist noch wenig gentrifi ziert, die Mieten sind<br />
bezahlbar, Altmieter stehen nicht zu sehr unter Druck. Die alten Kneipen<br />
und Bäckereien wurden noch nicht von teuren Bioläden und Latte-macchiato-Bars<br />
abgelöst.<br />
S. 24<br />
Die leere Bettseite steht für die Situation vieler älterer Leute – und insbesondere<br />
älterer Frauen – , die mit dem Fehlen des langjährigen Partners<br />
leben müssen.<br />
Das Bild entstand in der Wohnung einer Dame Mitte siebzig, deren Mann<br />
unerwartet an einem Herzinfarkt starb. In jedem Zimmer hängen seine<br />
Bilder, überall hat sie ihn um sich. Zwar spreche sie oft mit ihm, sie glaube<br />
aber nicht, dass er sie höre. Gerne wäre sie religiös, dann könnten sie auf<br />
ein Wiedersehen hoffen. Aber für so einen «naiven Glauben» sei sie einfach<br />
nicht der Typ, dafür habe sie ein zu «naturwissenschaftliches Weltbild».<br />
S. 26/27<br />
Diese kleine Fotoserie soll verdeutlichen, dass wir – Junge wie Alte – in<br />
einer Kultur leben, die das Ideal des jungen, schönen und gesunden Körpers<br />
nicht nur pfl egt, sondern aggressiv propagiert. Das Leben im Alter ist<br />
auch ein Leben mit der Erfahrung, dass man selbst diesem Ideal nicht mehr<br />
oder nur noch ungenügend entspricht. Eine 78-Jährige sagte mir: «Das<br />
Schlimme am Alter ist für mich, dass einen niemand mehr anschaut, man<br />
ist einfach nicht mehr attraktiv. Die Leute auf der Strasse interessieren<br />
sich höchstens für einen, wenn man mal Hilfe braucht».<br />
S. 36<br />
Das Foto zeigt eine Frau Ende Achtzig an ihrem Fernsehplatz. Sie ist<br />
schlecht zu Fuß und hat sich auf ihrem Wohnzimmertisch alles bereitgelegt,<br />
was sie so braucht. Seit dem Tod ihres Mann lebt sie alleine und das<br />
Fernsehprogramm hilft gegen die Langeweile. Auch das «Likörchen» hilft,<br />
sie betont aber, dass es sich im Rahmen halte. Überhaupt vertrage sie nicht<br />
mehr so viel.<br />
S. 38/<strong>39</strong> und Cover<br />
Die Bilder zeigen Hans Mertens, Rentner und ehemaliger Profi boxer.<br />
Seit seiner Frühverrentung trainiert der 67-Jährige für einen Sportverein<br />
Boxer aller Altersklassen. Zwar verdiene er nichts dabei, bekomme lediglich<br />
eine kleine Aufwandsentschädigung, froh sei er aber trotzdem, diesen Job<br />
zu haben: «Ist doch besser, als in der Kneipe rumzuhängen, so wie andere<br />
in meinem Alter … oder?» Schnell und schlagstark ist der 67-Jährige immer<br />
noch. Mühelos zeigt er den Jüngeren und Grösseren die Schwächen ihrer<br />
Deckung auf.<br />
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42 <strong>SuchtMagazin</strong> <strong>2|2013</strong>
Rezension: Qualitätsentwicklung in Projekten der<br />
Gesundheitsförderung und Prävention<br />
Rezension zum Buch «Gesundheitsförderung mit System. quint-essenz<br />
– Qualitätsentwicklung in Projekten der Gesundheitsförderung und<br />
Prävention», Petra Kolip, Günther Ackermann, Brigitte Ruckstuhl, Hubert<br />
Studer, 2012, Hans Huber, Zürich. 260 Seiten.<br />
Martin Hafen<br />
Prof. Dr., Sozialarbeiter und Soziologie. Er hat zu einer systemtheoretisch<br />
begründeten Theorie präventiver Massnahmen promoviert und arbeitet als<br />
Dozent und Projektleiter an der Hochschule Luzern - Soziale Arbeit am Institut<br />
für Sozialmanagement, Sozialpolitik und Prävention. martin.hafen@hslu.ch<br />
«Wir brauchen keine neuen Gesetze und Verbote.»<br />
– In der politischen Diskussion rund um<br />
das (erfolglos) angestrebte Präventionsgesetz<br />
wurde (wieder einmal) deutlich, wie wenig man<br />
ausserhalb der Fachwelt über Prävention und<br />
Gesundheitsförderung weiss. In der Regel werden<br />
die Interventionsmöglichkeiten der beiden<br />
Disziplinen auf Verbote oder eine bevormundende<br />
Sensibilisierung reduziert, mit der dem Individuum vorgeschrieben<br />
wird, was es alles zu tun und zu lassen hat. Dieser<br />
unterkomplexen Sicht der Dinge steht die Realität der professionalisierten<br />
Prävention und Gesundheitsförderung gegenüber.<br />
Wenn man körperliche und psychische Krankheiten, aber<br />
auch soziale Phänomene wie Jugendgewalt in ihrer ganzen<br />
Komplexität erfasst, wird schnell deutlich, dass es zu ihrer Verhinderung<br />
keine einfachen Wege gibt. Sobald Prävention und<br />
Gesundheitsförderung nicht nur am mangelnden Wissen oder<br />
Risikobewusstsein der Zielpersonen ansetzen, vervielfältigt<br />
sich die Zahl der Interventionsmöglichkeiten. Wir haben es<br />
mit bio-psycho-öko-sozialen Phänomenen zu tun. Das bedeutet,<br />
dass es auf der Ebene des Körpers, der Psyche, des Sozialen<br />
und der biologisch-physikalisch-materiellen Umwelt eine Vielzahl<br />
von Risiko- und Schutzfaktoren gibt, die einen Einfl uss<br />
auf die Problementstehung haben und an denen Prävention<br />
und Gesundheitsförderung mit ihren Massnahmen ansetzen.<br />
Die zu bewältigende Komplexität wird zusätzlich dadurch<br />
gesteigert, dass diese Einfl ussfaktoren ihre Wirkung nicht<br />
isoliert entfalten, sondern in einem dynamischen Zusammenspiel<br />
wechselseitiger Beeinfl ussung, die mit dem Begriff<br />
«systemisch» gut umschrieben ist. Dieses Zusammenspiel<br />
ist mikrodivers im eigentlichen Sinn. Das bedeutet, dass die<br />
Einfl ussfaktorenkonstellationen und die Rahmenbedingungen<br />
von präventiven und gesundheitsförderlichen Interventionen<br />
nie die gleichen sind und sich Prävention und Gesundheitsförderung<br />
immer auf neue Verhältnisse und Zielgruppenbedürfnisse<br />
einstellen müssen.<br />
Es ist klar, dass es unter diesen Bedingungen keine einfachen<br />
Rezepte für die Verhinderung von Krankheiten oder<br />
sozialen Problemen gibt. Erfolgversprechende Massnahmen<br />
sollten mehrdimensional, zielgruppengerecht, theoretisch<br />
fundiert und ethisch refl ektiert ausgestaltet sein. Das bedingt<br />
ein Projektdesign, das den Prinzipien des Projektmanage-<br />
ments (Situationsanalyse, Planung, Umsetzung, Evaluation)<br />
folgt und über ausreichende Elemente der Qualitätsentwicklung<br />
verfügt. In den letzten beiden Jahrzehnten ist eine zunehmende<br />
Zahl von Instrumenten entwickelt worden, welche<br />
die Fachleute in Prävention und Gesundheitsförderung dabei<br />
unterstützen, qualitativ ansprechende Projekte zu realisieren.<br />
quint-essenz ist ein solches Instrument. Initiiert in den<br />
90er-Jahren, bietet es den Fachleuten ein online-basiertes<br />
Instrumentarium zur Qualitätsentwicklung von Projekten in<br />
Prävention und Gesundheitsförderung, das in Hinblick auf die<br />
wissenschaftliche Fundierung, seine Praxisnähe und die bedienungsbezogene<br />
Anwendungsfreundlichkeit seinesgleichen<br />
sucht. quint-essenz erlaubt den NutzerInnen, in jeder Phase<br />
ihres Projekts die richtigen Fragen zu stellen, ohne die Antworten<br />
gleich selbst vorzugeben. Das Instrument bietet damit<br />
einen Orientierungsrahmen, welcher optimal auf die Komplexität<br />
und die Dynamik der unterschiedlichen Themenfelder von<br />
Prävention und Gesundheitsförderung zugeschnitten ist.<br />
Mit dem Buch «Gesundheitsförderung mit System» steht<br />
nun eine umfassende Buchpublikation zu diesem wegweisenden<br />
Qualitätsentwicklungssystem zur Verfügung. Ausgehend<br />
von vier Grundlagenkapiteln zum Thema Qualitätsentwicklung<br />
in Prävention und Gesundheitsförderung beschreiben<br />
die AutorInnen im Hauptteil der Arbeit (Kap. 5-12) die Entstehungsgeschichte,<br />
die theoretische Begründung und die zentralen<br />
Aspekte von quint-essenz. Abgerundet wird das Buch<br />
mit einem Kapitel zur Einbindung von quint-essenz-gestützten<br />
Projekten in Organisationen und einem abschliessenden<br />
Fazit zur Bedeutung der Qualitätsentwicklung in Prävention<br />
und Gesundheitsförderung. Das Buch ist in einer klaren, gut<br />
verständlichen Sprache geschrieben und mit zahlreichen Abbildungen<br />
illustriert, mit denen komplexe Zusammenhänge visualisiert<br />
werden. Sehr ansprechend sind auch die eingefügten<br />
Interviews mit Fachleuten aus Prävention und Gesundheitsförderung<br />
zu ihren konkreten Erfahrungen mit quint-essenz in<br />
unterschiedlichen Themenbereichen.<br />
«Gesundheitsförderung mit System» bietet erfahrenen<br />
NutzerInnen von quint-essenz einen zusätzlichen Argumentationshintergrund.<br />
Fachleuten von Prävention und Gesundheitsförderung,<br />
die in ihren Projekten bislang noch keine systematische<br />
Qualitätsentwicklung betrieben haben, liefert das<br />
Buch eine ideale Plattform für den Einstieg in dieses ebenso<br />
fundierte wie praxisnahe Instrument, das über das Internet<br />
sowohl mehrsprachig als auch kostenfrei zur Verfügung steht.<br />
Das Buch leistet damit wie quint-essenz selbst einen massgeblichen<br />
Beitrag zur Professionalisierung des gesellschaftsweit<br />
immer noch massiv unterschätzten Handlungsfeldes von Prävention<br />
und Gesundheitsförderung..<br />
<strong>SuchtMagazin</strong> <strong>2|2013</strong> 43
Bücher zum Thema<br />
Sucht im Alter: Möglichkeiten der Intervention<br />
aus sozialarbeiterischer Perspektive<br />
Sebastian Niekrens<br />
2012, Centaurus, 98 S.<br />
Themen des Buches sind Sucht im Alter und die<br />
Möglichkeiten der Intervention aus der Perspektive<br />
der Sozialen Arbeit. Neben der Erläuterung und<br />
Analyse der Struktur des Alter(n)s in der heutigen<br />
Gesellschaft und der sich aus ihr ergebenden<br />
Lebenslagen älterer Menschen werden mögliche<br />
Ressourcen und Risikofaktoren hinsichtlich einer<br />
Suchterkrankung resümiert. Adäquate<br />
Interventionen und Besonderheiten in der Arbeit<br />
mit alten und suchtkranken Menschen werden<br />
erläutert. Das Buch will ein umfassendes<br />
Verständnis für die individuellen Lebenssituationen<br />
älterer Menschen schaffen. Für die praktische<br />
Sozialarbeit mit den Betroffenen werden<br />
Interventionsmöglichkeiten und altersgerechte<br />
Strukturierungsmöglichkeiten der Suchthilfe<br />
erläutert, welche sich aus einer ganzheitlichen<br />
Betrachtung und Analyse ergeben.<br />
Beratung älterer Menschen. Methoden –<br />
Konzepte – Erfahrungen<br />
Harald Blonski (Hrsg.)<br />
2013, Mabuse, 294 S.<br />
Angesichts des demografi schen Wandels und<br />
komplexer werdender Versorgungsstrukturen wird<br />
die kompetente Beratung älterer Menschen immer<br />
wichtiger. Wie diese Beratung aussehen soll und wie<br />
sie ihre Zielgruppe am besten erreicht – dazu lässt<br />
sich kaum Fachliteratur fi nden. Dieses Buch schafft<br />
Abhilfe. Die AutorInnen erläutern, wann und warum<br />
die Beratung älterer Menschen notwendig ist. Sie<br />
demonstrieren die Vielfalt der Möglichkeiten, eine<br />
solche Beratung anzubieten. Ausserdem teilen sie<br />
ihre Erfahrungen und stellen sowohl Ansätze und<br />
Methoden vor, die sich in ihrer praktischen Arbeit<br />
bewährt haben, als auch solche, die sie in Zukunft<br />
für zielführend halten.<br />
Erfahrungen sexualisierter Gewalt in der<br />
Lebensgeschichte alter Frauen. Ansätze für eine<br />
frauenorientierte Altenarbeit<br />
Martina Böhmer<br />
2011, Mabuse, 134 S.<br />
Sexuelle Gewalt gegen Frauen ist in den letzten<br />
Jahren immer mehr zum öffentlichen Thema<br />
geworden. Die heute 80- bis 100jährigen Frauen<br />
sprechen nur selten über solche Erfahrungen. Viele<br />
Verhaltensweisen, Reaktionen und Botschaften von<br />
Frauen in der Altenarbeit lassen jedoch erahnen,<br />
was ihnen geschehen sein mag. Traumatisierende<br />
Erfahrungen wie Vergewaltigungen in der Ehe,<br />
Zwangsprostitution, frauenspezifi sche<br />
Kriegserlebnisse und auch «alltägliche»<br />
sexualisierte Gewalt wurden möglicherweise nie<br />
thematisiert oder aufgearbeitet. Aufgrund ihrer<br />
praktischen Erfahrungen in der Altenarbeit und<br />
einer differenzierten Pfl egediagnose fordert die<br />
Autorin ein anderes Verständnis für und ein anderes<br />
Umgehen mit alten Frauen – insbesondere in<br />
Pfl egesituationen.<br />
Alter(n) bewegt. Perspektiven der Sozialen Arbeit<br />
auf Lebenslagen und Lebenswelten<br />
Gabriele Kleiner (Hrsg.)<br />
2012, Springer VS, 282 S.<br />
«Lebenslage» und «Lebenswelt» nehmen in der<br />
Diskussion zu theoretischen Verortungen Sozialer<br />
Arbeit seit Jahren eine herausragende Position ein.<br />
In dem Buch wird auf der Folie dieser theoretischen<br />
Konzepte das Alter(n) in den Blick genommen. Dabei<br />
geht es – am Beispiel unterschiedlicher Lebenslageund<br />
Lebensweltdimensionen – um die Betrachtung<br />
von Partizipations- und Teilhabechancen einerseits<br />
und Gefahrenpotentiale sozialer Ausschliessung<br />
andererseits. Im Zentrum stehen die Themen<br />
Wohnen im Alter, Alter(n) und Geschlecht, Alter(n)<br />
und Interkulturalität, Alter(n) und Demenz.<br />
Master of Advanced Studies<br />
MAS Gesundheitsförderung und Prävention<br />
www.mas-gesundheitsfoerderung.ch<br />
CAS Gesundheitsförderung und Prävention: Grundlagen und Best Practice<br />
Ressourcen und gesundheitliche Potenziale von Personen und Lebenswelten erhalten und ausbauen.<br />
Leitkonzepte sind Salutogenese, Empowerment und gesundheitliche Chancengleichheit. Grundkurs.<br />
Beginn und Dauer<br />
19. August 2013 bis 27. Mai 2014, 24 Kurstage, 15 ECTS<br />
CAS Gesundheitsförderung und Prävention: Projekte leiten<br />
Projekte sind zentrale Gestaltungsmittel in der praktischen Umsetzung von Gesundheitsförderung und<br />
Prävention. Realisierung eines eigenen Projekts: Bedarf, Konzept, Prozesssteuerung und Evaluation. Aufbaukurs.<br />
Beginn und Dauer<br />
30. Juni 2014 bis 31. März 2015, 20 Kurstage, 15 ECTS<br />
Leitung<br />
Prof. Felix Wettstein<br />
Information und Anmeldung<br />
Fachhochschule Nordwestschweiz<br />
Hochschule für Soziale Arbeit<br />
Riggenbachstrasse 16, 4600 Olten<br />
+41 62 957 20 <strong>39</strong>, christina.corso@fhnw.ch<br />
www.fhnw.ch/sozialearbeit/weiterbildung<br />
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44 <strong>SuchtMagazin</strong> <strong>2|2013</strong>
Veranstaltungen<br />
Schweiz<br />
Familien im Fokus der Prävention:<br />
Potenziale und Herausforderungen<br />
– ein Blick über die<br />
Landesgrenzen<br />
25. April 2013, Biel<br />
Nationaler Kongress von Sucht<br />
Schweiz.<br />
Infos: Sucht Schweiz,<br />
Av. Louis-Ruchonnet 14,<br />
CH-1003 Lausanne, Jennifer Dieter,<br />
Sekretariat Prävention,<br />
Tel. +41 (0)21 321 29 76,<br />
jdieter@suchtschweiz.ch,<br />
www.tinyurl.com/axfonar<br />
Abstinenz und reduzierter<br />
Konsum: Welche Ziele braucht<br />
Suchtbehandlung?<br />
25. April 2013, Cazis<br />
Psychiatrische Dienste Graubünden,<br />
Suchtsymposium 2013<br />
Infos: Psychiatrische Dienste<br />
Graubünden, Birgit Reimann Meisser,<br />
Tel. +41 (0)58 225 30 55, birgit.<br />
reimann@pdgr.ch,<br />
www.pdgr.ch/index.php?id=1565<br />
16th EASAR Conference<br />
9. - 12. Mai 2013, Aeschi<br />
Internationale Tagung des Netzwerkes<br />
European Association of<br />
Substance Abuse Research.<br />
Infos:<br />
www.easar.com<br />
8. Basler Frühjahrestagung 2013<br />
24. Mai 2013, Basel<br />
Alkohol...Missbrauch und<br />
Abhängigkeit.<br />
Infos: Universitäre Psychiatrische<br />
Kliniken Basel, Silvia Bischoff,<br />
Assistentin Zentrumsleitung,<br />
Tel. +41 (0)61 325 51 32,<br />
silvia.bischoff@upkbs.ch<br />
Ankündigung:<br />
www.tinyurl.com/a25zx35<br />
Dialogwoche Alkohol<br />
18. - 26. Mai 2013, ganze Schweiz<br />
www.tinyurl.com/9xyl7wv<br />
5. Fachtagung Klinische<br />
Sozialarbeit<br />
13. & 14. Juni 2013, Olten<br />
Workshop-Tagung: «Mit Zielen<br />
arbeiten trotz widriger Umstände.»<br />
Infos: Fachhochschule Nordwestschweiz<br />
FHNW, Hochschule für<br />
Soziale Arbeit, Prof. Dr. Günther<br />
Wüsten, Riggenbachstrasse 16,<br />
CH-4600 Olten, Tel. +41 (0)62 957 21 58,<br />
guenther.wuesten@fhnw.ch,<br />
www.klinischesozialarbeit.ch<br />
6. Kongress für Kinder- und<br />
Jugendförderung<br />
8. - 11. Juli 2013, Engelberg<br />
Sommerakademie von infoklick.ch<br />
Infos: www.tinyurl.com/as4v5zb<br />
Swiss Public Health<br />
Conference 2013<br />
15. & 16. August 2013, Zürich<br />
Vorsorgen und Versorgen bei<br />
chronischen Krankheiten: Wer macht<br />
was mit wem?<br />
Infos: Public Health Schweiz,<br />
Effi ngerstrasse 54, CH-3001 Bern,<br />
Tel.+41 (0)31 389 92 86,<br />
info@public-health.ch<br />
www.sph13.organizers-congress.ch<br />
Zukunft der Suchtforschung<br />
9. - 10. September 2013, Zürich<br />
Internationale Konferenz zum<br />
20-Jahre Jubiläum des Instituts für<br />
Sucht- und Gesundheitsforschung<br />
ISGF.<br />
Infos: ISGF, Konradstrasse 32,<br />
CH-8031 Zürich, Tel. +41 (0)44 448 11 60,<br />
isgfkongress@isgf.uzh.ch<br />
www.isgf.ch<br />
Kinder, Jugendliche und Konsum<br />
12. & 13. September 2013, Biel<br />
Tagung der Eidgenössischen<br />
Kommission für Kinder- und<br />
Jugendfragen.<br />
Das Programm der Tagung steht im<br />
Juni 2013 zur Verfügung.<br />
Ankündigung:<br />
www.tinyurl.com/axqabpp<br />
Europa<br />
Corporate Health Convention 2013<br />
23. & 24. April 13, Stuttgart<br />
3. Europäische Fachmesse für<br />
betriebliche Gesundheitsförderung<br />
und Demografi e.<br />
www.corporate-health-convention.de<br />
36. BundesDrogenKongress<br />
6. & 7. Mai 2013,<br />
Aschheim-Dornach bei München<br />
Sucht und Gewalt. Fakten, Zusammenhänge<br />
und Best Practice<br />
Infos: Fachverband Drogen- und<br />
Suchthilfe e.V., Odeonstrasse 14,<br />
D-30159 Hannover,<br />
Tel. +49 (0)511 1 83 33,<br />
mail@fdr-online.info,<br />
www.tinyurl.com/b3frnux<br />
18. Suchttherapietage in Hamburg<br />
21. - 24. Mai 2013, Hamburg<br />
Aktuelle Herausforderungen für<br />
Suchtbehandlung und -prävention.<br />
Infos: Kongressbüro der Suchttherapietage,<br />
Zentrum für Interdisziplinäre<br />
Suchtforschung der Universität<br />
Hamburg ZIS, Martinistr. 52, D-20246<br />
Hamburg, Tel. +49 (0)40 7410 54203,<br />
kontakt@suchttherapietage.de,<br />
www.tinyurl.com/bvxu56z<br />
Deutschland: Aktionswoche<br />
Alkohol 2013<br />
25. Mai - 2. Juni 2013, ganz<br />
Deutschland<br />
www.aktionswoche-alkohol.de<br />
Transkulturelle Suchthilfe: Sucht<br />
eine Krankheit der Gewohnheiten<br />
7. - 8. Juni 2013, Oerlingshausen<br />
Die Tagung stellt neue Erkenntnisse,<br />
kulturelle Hintergründe, fachliche,<br />
versorgungspolitische Herausforderungen<br />
und zielgruppenspezifi sche<br />
Hintergründe der Arbeit mit<br />
Migranten in der transkulturellen<br />
Psychiatrie und Psychologie vor.<br />
Infos: Dachverband der transkulturellen<br />
Psychiatrie, Psychotherapie<br />
und Psychosomatik im deutschsprachigen<br />
Raum e.V. (DTPPP), Postfach<br />
2622, D-59016 Hamm,<br />
info@dtppp.ch,<br />
www.tinyurl.com/c8lcz4s<br />
Harm Reduction International:<br />
The Values Of Harm Reduction<br />
9. - 12. Juni 2013, Vilnius (Litauen)<br />
Die Konferenz wird von der Harm<br />
Reduction International in<br />
Zusammenarbeit mit dem Eurasian<br />
Harm Reduction Network (EHRN)<br />
organisiert.<br />
Infos: Harm Reduction International,<br />
Unit 2D12 Southbank Technopark, 90<br />
London Road, London, SE1 6LN,<br />
conference@ihra.net, www.ihra.net<br />
26. Kongress des Fachverbandes<br />
Sucht e.V<br />
10. - 12. Juni 2013, Heidelberg<br />
Der Mensch im Mittelpunkt – Was<br />
bedeutet dies für die Suchtbehandlung?<br />
Infos: Fachverband Sucht e.V.<br />
Walramstrasse 3, 53175 Bonn,<br />
Tel. +49 (0)228 261555,<br />
sucht@sucht.de,<br />
www.tinyurl.com/brdwmsw<br />
4. Bayerischer Fachkongress<br />
Glücksspiel 2013<br />
(Vorankündigung)<br />
12. Juni 2013, München<br />
www.tinyurl.com/afqo8ae<br />
14. Interdisziplinärer Kongress für<br />
Suchtmedizin (Vorankündigung)<br />
4. - 6. Juli 2013, München<br />
Fachintegrierendes Forum für<br />
Suchttherapie, Suchtfolgekrankheiten<br />
und Akutversorgung<br />
Suchtkranker.<br />
www.tinyurl.com/ce2p5sf<br />
Complexity: Researching alcohol<br />
and other drugs in a multiple<br />
world<br />
21. - 23. August 2013, Aarhus<br />
Dänemark<br />
Interdisziplinäre Konferenz für<br />
internationale Forschung<br />
Infos: Aarhus University, Centre for<br />
Alcohol and Drug Research,<br />
Bartholins Allé 10, DK-8000 Aarhus C,<br />
Denmark, Tel: +45 (0)8716 5313,<br />
crf@au.dk, www.tinyurl.com/arvdwag<br />
Laut ISGF-Schlussbericht «Exploration<br />
erfolgversprechender Massnahmen zur Reduktion des<br />
problematischen Alkoholkonsums bei älteren Menschen»<br />
2012 (im Auftrag des BAG) ist<br />
Definiertes Trinken DT ®<br />
✔ Good Practice<br />
✔ für ältere Personen besonders leicht zugänglich<br />
✔ ein besonders wichtiges Angebot zur Veränderung<br />
ihres Verhaltens<br />
✔ ein prominentes Beispiel dafür, wie Betroffenen die<br />
Beteiligung bei der Zieldefi nition ermöglicht wird.<br />
www.definiertestrinken.ch<br />
• Datenbank mit über 600 Suchthilfeangeboten der<br />
Schweiz (Beratung, Therapie, Entzug, niederschwellige<br />
Angebote, betreutes Wohnen, Selbsthilfe, Prävenon)<br />
• Für Fachleute, Betroffene und Angehörige<br />
• Suche nach Kanton, Suchorm, spezifischen Angeboten<br />
für Jugendliche, ältere Menschen, Frauen, Männer,<br />
MigrantInnen<br />
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46 <strong>SuchtMagazin</strong> <strong>2|2013</strong>
Newsflash<br />
Präsentiert von<br />
Das Schweizer Suchtportal<br />
www.infoset.ch<br />
Wegen Alkoholvergiftung im Spital:<br />
Nicht nur Junge sind betroffen<br />
Im Jahr 2010 wurden rund 27'000 Personen wegen einer<br />
Alkoholabhängigkeit oder einer Alkoholvergiftung in einem<br />
Schweizer Spital behandelt. Ungefähr 90% der rund 12‘000<br />
Personen, die im Jahr 2010 wegen Alkoholvergiftung hospitalisiert<br />
wurden, sind älter als 23 Jahre. Bei den Jugendlichen fällt auf, dass<br />
die Spitaleinweisungen wegen Alkoholvergiftung bei den 14- und<br />
15-Jährigen am häufi gsten sind, obwohl das Rauschtrinken bis zum<br />
jungen Erwachsenenalter zunimmt. Das zeigt, dass sie im Umgang<br />
mit Alkohol unerfahren sind und eher riskieren, über die Massen zu<br />
trinken. In der Altersgruppe der 10- bis 23-Jährigen die im Jahr 2010<br />
wegen einer Alkoholvergiftung in ein Spital eingewiesen wurden,<br />
liegt die Anzahl um 73% über dem Niveau von 2003. 2009 und 2010<br />
gingen die Werte leicht zurück und erreichten das Niveau von<br />
2007. Sie bleiben gemäss Fachleuten besorgniserregend hoch. Die<br />
Studie wurde von Sucht Schweiz im Auftrag des Bundesamtes für<br />
Gesundheit durchgeführt.<br />
Studie von Sucht Schweiz: www.tinyurl.com/cfq8ou4<br />
Bericht Städteverband: Nachtleben aktiv mitgestalten<br />
Eine lebendige, attraktive Stadt soll heute viele<br />
Begegnungsmöglichkeiten und ein breites, pulsierendes<br />
Kulturangebot bieten und gleichzeitig eine qualitativ<br />
hochwertige Wohnstadt sein. Dies stellt Städte und städtische<br />
Gemeinden immer wieder vor neue Herausforderungen. Seit dem<br />
vergangenen Sommer beschäftigte sich eine Arbeitsgruppe des<br />
Schweizerischen Städteverbandes mit den Herausforderungen des<br />
städtischen Nachtlebens. Der Bericht «Städtisches Nachtleben.<br />
Situationsanalyse und mögliche Vorgehensweisen» zeigt auf,<br />
welche Grundsatzfragen sich stellen: Ausgangslage, Zielsetzungen,<br />
Strukturen und Faktor Zeit. Diese sollen den politischen<br />
EntscheidungsträgerInnen als Basis für eine ganzheitliche,<br />
strategische Betrachtung des Themas Nachtleben dienen.<br />
Weiter listet der Bericht im Sinne eines Ideenpools Beispiele von<br />
Massnahmen auf, wie sie verschiedene Städte anwenden. Die<br />
Thematik «Alkohol» wird in einem eigenen Unterkapitel behandelt.<br />
Bericht des Städteverbandes: www.tinyurl.com/cpv25gs<br />
Strafverfolgung und HIV: Petition der LEAHN<br />
Die Internationale Polizei-Beratungsgruppe (International Police<br />
Advisory Group, IPAG) des Netzwerks Strafverfolgung und HIV (Law<br />
Enforcement and HIV Network, LEAHN, www.leahn.org) lanciert<br />
in Polizeikreisen eine Unterschriftensammlung zur Unterstützung<br />
von Schadenminderungsansätzen zur HIV-Prävention und um<br />
Diskriminierungen vorzubeugen.<br />
Deutsche Version der Petition: www.tinyurl.com/bmoj4gn<br />
laut & leise: Sucht im Alter<br />
Die aktuelle Ausgabe (1/2013) des Magazins «laut & leise» der<br />
Stellen für Suchtprävention im Kanton Zürich ist dem Thema Sucht<br />
im Alter gewidmet. Es enthält u. a. Neues zum gesellschaftlichen<br />
Wandel des Alters und dessen Relevanz für Suchtfragen, Hinweise<br />
auf Informationsquellen, Forschung und Zusammenarbeit im<br />
Kanton (z. B. Expertenforum für Altersalkoholismus), sowie<br />
einen Bericht aus der Spitexregion rechtes Limmattal über die<br />
Umsetzung des Projektes «Suchtprävention, Früherkennung und<br />
Frühintervention».<br />
www.tinyurl.com/brtqwpy<br />
Infoset finden Sie auch auf Facebook<br />
www.facebook.com/infosetde<br />
JAMES-Studie: Medienverhalten von Jugendlichen<br />
Alle zwei Jahre werden über 1'000 Jugendliche im Alter von 12 bis<br />
19 Jahren in den drei grossen Sprachregionen der Schweiz zu ihrem<br />
Medienverhalten befragt. Die aktuellen Ergebnisse zeigen, dass<br />
das immer grösser werdende Angebot an neuen Medien und die<br />
immer vielfältigeren Zugangsmöglichkeiten kaum einen Effekt auf<br />
die Freizeitgestaltung der befragten Jugendlichen haben. Immer<br />
noch geben 79% (2010: 80%) an, dass sie sich regelmässig mit<br />
Freunden treffen, Musik machen (32%, seit 2010 unverändert) oder<br />
etwas mit der Familie unternehmen (20%, 2010: 16%). Jugendliche<br />
nutzen oft mehrere Medien zeitgleich. Sie hören Musik, während<br />
sie Nachrichten verschicken, ein YouTube-Video ansehen oder sich<br />
auf Facebook bewegen. Zudem kann der mancherorts vermutete<br />
Mitgliederschwund von Facebook bei den Schweizer Jugendlichen<br />
nicht festgestellt werden. Die negativen Erfahrungen im Netz<br />
haben gemäss dieser Studie nicht zugenommen. 17 Prozent der<br />
Jugendlichen gaben an, im Internet einmal fertig gemacht worden<br />
zu sein, gleichviele wie 2010.<br />
JAMES-Studie der ZHAW: www.tinyurl.com/d3sv945<br />
Berg- und Talfahrt des Selbstwertgefühls im Jugendalter<br />
Die Pubertät bringt zahlreiche Herausforderungen mit sich.<br />
Körperliche Veränderungen, ein Gefühlswirrwarr und Selbstzweifel<br />
gehören dazu. Das Selbstwertgefühl schwankt. Die neue Website<br />
von Sucht Schweiz lädt 13- bis 18-Jährige ein, sich mit ihrem<br />
Selbstwertgefühl zu beschäftigen. Erfahrungsberichte von<br />
Gleichaltrigen, Tipps sowie Spiele und Tests, um sich selbst besser<br />
kennenzulernen, sollen dazu beitragen, das Selbstwertgefühl zu<br />
stärken. Die Meinung von Gleichaltrigen, das Aussehen und viele<br />
weitere Fragen sind für Jugendliche von Interesse. Auch solche rund<br />
um den Alkoholkonsum, das Rauchen und Kiffen oder Fragen zur<br />
Zugehörigkeit zu einer Clique, zum Umgang mit Stress oder zum<br />
Ausgang. In der Rubrik «Thermometer» fi nden Jugendliche eine<br />
Skala, um ihr jeweiliges Selbstwertgefühl einzuschätzen. Im Sinne<br />
eines Denkanstosses erhalten sie Rückmeldungen zu ihrer aktuellen<br />
Einstufung.<br />
www.meinselbstwertgefuehl.ch<br />
PerSpektiven – Forum für Eltern, Angehörige und Betroffene<br />
von Suchtkranken<br />
Die Angehörigenvereinigung Drogenabhängiger Zürich<br />
ada-zh gibt die Zeitschrift FORUM vierteljährlich heraus.<br />
Gleichzeitig ist das Magazin das offi zielle Publikumsorgan vom<br />
VEVDAJ, dem schweizerischen Dachverband der Eltern- und<br />
Angehörigenvereinigungen Drogenabhängiger. Die Zeitschrift<br />
ist das Sprachrohr für die Angehörigen von Suchtkranken und<br />
beleuchtet die Suchtthematik aus der Sicht der Eltern und<br />
Betroffenen. Nachdem das Magazin 21 Jahre unter dem Namen<br />
Forum erschienen ist, ändert es nun seinen Titel in PerSpektiven.<br />
Gleichzeitig wurde die Homepage der ada-zh inhaltlich und grafi sch<br />
überarbeitet.<br />
www.ada-zh.ch<br />
Onlinerisiken aus Kindersicht<br />
Was halten Kinder für beunruhigende Online-Risiken und wie<br />
beschreiben sie diese? Umfasst dies auch Risiken, die bisher von<br />
der Politik vernachlässigt wurden? Lassen sich Unterschiede in<br />
Bezug auf Alter, Geschlecht, Herkunft und Erfahrungen festmachen?<br />
Diesen Fragen geht der aktuelle Bericht «In their own words: What<br />
really bothers children online?» nach. Für den Bericht wurden die<br />
Antworten von 9‘636 Kindern ausgewertet. Die Antworten stammen<br />
aus einer Studie, die 2010 in 25 europäischen Ländern durchgeführt<br />
wurde.<br />
Bericht des EU Kids Online-Forschungsnetzwerks: www.tinyurl.com/<br />
b8ncxh4<br />
<strong>SuchtMagazin</strong> <strong>2|2013</strong> 47
<strong>SuchtMagazin</strong> im Abonnement<br />
Kontakt: abo@suchtmagazin.ch oder +41(0)31 376 04 01<br />
Jahresabonnement<br />
Schweiz CHF 90.–, Ausland Euro 75.–<br />
Unterstützungsabonnement<br />
Schweiz CHF 120.–, Ausland Euro 80.–<br />
Kollektivabonnement ab 5 Exemplaren<br />
Schweiz CHF 70.–, Ausland Euro 48.–<br />
Schnupperabonnement (3 Ausgaben)<br />
Schweiz CHF 30.–, Ausland Euro 25.–<br />
Das <strong>SuchtMagazin</strong> jetzt auch auf<br />
Ausblick auf die kommenden Schwerpunkte<br />
<strong>Nr</strong>. 3|2013: Stimulanzien<br />
Inserateschluss: 25. Mai 2013<br />
Erscheinungsdatum: ca. 15. Juni 2013<br />
<strong>Nr</strong>. 4|2013: Selbsthilfe/Selbstheilung<br />
Inserateschluss: 25. Juli 2013<br />
Erscheinungsdatum: ca. 25. August 2013<br />
<strong>Nr</strong>. 5|2013: Diverse Themen<br />
Inserateschluss: 25. September 2013<br />
Erscheinungsdatum: ca. 15. Oktober 2013<br />
<strong>Nr</strong>. 6|2013: Suchtforschung<br />
Inserateschluss: 25. November 2013<br />
Erscheinungsdatum: ca. 15. Dezember 2013<br />
<strong>Nr</strong>. 1|2014: Komorbidität<br />
Inserateschluss: 25. Januar 2014<br />
Erscheinungsdatum: ca. 15. Februar 2014<br />
Facebook: facebook.com/suchtmagazin<br />
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Lieferbare Nummern des <strong>SuchtMagazin</strong><br />
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2013 1 Substitutionsgestützte Behandlung<br />
2 Sucht im Alter<br />
2012 1 Angehörige<br />
2 Suchtpolitik<br />
3&4 Tabak<br />
5 Adoleszenz<br />
6 Sozialraum<br />
2011 1 Alkoholpolitik<br />
2 Sucht am Arbeitsplatz<br />
3 Verhaltenssüchte<br />
4 Kinder stärken<br />
5 Früherkennung und Frühintervention<br />
6 Social Networks (Web 2.0)<br />
2010 1 Evidenzbasierte Suchtprävention<br />
2 Neuro-Enhancer<br />
3 Sucht im Alter<br />
4 Frühe Förderung<br />
5 Club Health<br />
6 Drogenmärkte und Drogenhandel<br />
2009 1 Suchtarbeit und Prävention in der Bodenseeregion<br />
2 Qualität in der Suchtarbeit<br />
3 Sucht im Alter – stationäre Kontexte und Wohnen<br />
4 Migration und Sucht<br />
5 Jugendgewalt und Sucht<br />
6 Medikamente – Heil- und Suchtmittel<br />
2008 1 Schadensminderung<br />
2 Jugend heute<br />
3 Kontrollierter Konsum<br />
4 Gender Mainstreaming<br />
5 Cannabispolitik<br />
6 Alkohol und Jugendschutz<br />
2007 1 Mobbing – Gefahren und Chancen<br />
2 Früherkennung und Frühintervention<br />
3 Schule – Good Practice<br />
4 Suchtprävention, Jugend und Alkohol<br />
5 Fussball – Fankultur und Fanarbeit<br />
6 «Die Kette» – Drogenmagazin – Suchtmagazin<br />
2006 1 Substitution: Methadon, Heroin, Nikotin<br />
2 Frau, Sucht, Gender<br />
3 Gesundheitsförderung in Stadtteil- und Jugend arbeit;<br />
Heroinabhängige Frauen, Femmestische<br />
4 Gesundheitsförderung im Betrieb<br />
5 Hungern – Schneiden – Essen<br />
6 Rasen, Rausch und Risiko<br />
2005 1 Schnittstelle Schule – Beruf<br />
2 Gesundheit und Prävention in Haft<br />
3 Ritalinbehandlung – Pro und Contra<br />
4 QuaTheDA, Psychoaktiv.ch, Gender Mainstream, HIV-Therapie<br />
5 Prävention mit Peer Groups<br />
6 Gesundheitsförderung in der Gemeinde und im Quartier<br />
2004 1 Surfen, Chatten, Spielen, Wetten<br />
2 Interkulturelle Vermittlung in Suchtprävention und Beratung<br />
3 Akzeptierende Suchtarbeit<br />
4 Stationäre Suchttherapie – Neue Ansprüche und<br />
Herausforderungen<br />
5 Gender berücksichtigen in Schule, Freizeit und Erwerbsleben<br />
2003 1 Gemeinden Handeln, KlientInnenzufriedenheit,<br />
Präventionstheorie, Substitutionpolitik<br />
2 Schule und Soziale Arbeit, Stationäre Alkoholismustherapie<br />
3 Partykultur und Pillentesting<br />
4 Sucht im Alter<br />
5 Suizid<br />
6 Stationäre Drogentherapie