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SuchtMagazin Nr. 2|2013 (Vol. 39)

Erreichtes und offene Fragen | Aktives Altern | Substanzkonsum der älteren Bevölkerung | Nationale Projekte | Alkohol im Alter: Erfahrungen und Good Practices | Projekt Via: Erreichbarkeit in der Gesundheitsförderung | Projekt Sensor: Frühintervention | Prävention im Alterszentrum und in der Spitex | Diagnostik und Beratung

Erreichtes und offene Fragen | Aktives Altern | Substanzkonsum der älteren Bevölkerung | Nationale Projekte | Alkohol im Alter: Erfahrungen und Good Practices | Projekt Via: Erreichbarkeit in der Gesundheitsförderung | Projekt Sensor: Frühintervention | Prävention im Alterszentrum und in der Spitex | Diagnostik und Beratung

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Sucht im Alter<br />

Erreichtes und offene Fragen | Aktives Altern | Substanzkonsum der älteren Bevölkerung | Nationale Projekte |<br />

Alkohol im Alter: Erfahrungen und Good Practices | Projekt Via: Erreichbarkeit in der Gesundheitsförderung |<br />

Projekt Sensor: Frühintervention | Prävention im Alterszentrum und in der Spitex | Diagnostik und Beratung |<br />

<strong>2|2013</strong>


Inhaltsverzeichnis<br />

Dossier: sucht im alter<br />

4 Sucht im Alter: Erreichtes und offene Fragen<br />

Ambros Uchtenhagen<br />

9 Aktives Altern: Die Produktion des<br />

zuverlässigen und flexiblen Menschen<br />

Klaus R. Schroeter<br />

13 Substanzkonsum der älteren<br />

Bevölkerung der Schweiz<br />

Luca Notari, Marina Delgrande Jordan, Gerhard Gmel<br />

17 Sucht im Alter: Projekte auf nationaler Ebene<br />

Regula Hälg<br />

22 Alkohol im Alter: Erfahrungen und Good Practices<br />

Corina Salis Gross, Severin Haug<br />

25 Gesundheitsförderung im Alter:<br />

Wie erreichen wir alle?<br />

Eva Soom Ammann, Renate Gurtner, Corina Salis Gross<br />

29 Projekt Sensor – Frühintervention bei<br />

Suchtgefährdung im Alter<br />

Christina Meyer<br />

32 Suchtprävention im Alterszentrum<br />

und in der Spitex<br />

Heidi Zimmermann Heinrich<br />

37 Alkoholabhängigkeit im Alter –<br />

Herausforderung für Diagnostik und Beratung<br />

Bernadette Ruhwinkel<br />

28,40,44 Bücher zum Thema<br />

41 Fotoserie: Alltag im Alter Oliver Susami<br />

43 Rezension: Qualitätsentwicklung in Projekten<br />

der Gesundheitsförderung und Prävention<br />

Martin Hafen<br />

44 Bücher zum Thema<br />

46 Veranstaltungen<br />

47 Newsfl ash<br />

Bilder dieser Ausgabe<br />

Oliver Susami<br />

(Jg. 1978), Fotograf und Soziologe, lebt in Köln. www.oliversusami.de<br />

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Editorial<br />

Liebe Leserin, lieber Leser<br />

Impressum<br />

Erscheinungsweise:<br />

6 Ausgaben pro Jahr<br />

<strong>39</strong>. Jahrgang<br />

Druckauflage: 1’400 Exemplare<br />

Kontakt: <strong>SuchtMagazin</strong>,<br />

Redaktion, Konstanzerstrasse 13,<br />

CH-8280 Kreuzlingen,<br />

Telefon +41 (0)71 535 36 14,<br />

info@suchtmagazin.ch,<br />

www.suchtmagazin.ch<br />

Herausgeber: Infodrog, Eigerplatz 5,<br />

Postfach 460, CH-3000 Bern 14<br />

Abonnemente:<br />

Infodrog, Telefon +41 (0)31 376 04 01,<br />

abo@suchtmagazin.ch<br />

Inserate: www.suchtmagazin.ch/<br />

mediadaten.pdf<br />

Inserateschluss Ausgabe 3|2013:<br />

25. Mai 2013<br />

Redaktionsleitung: Marcel Krebs<br />

Redaktionskomitee:<br />

Toni Berthel, Corinne Caspar, Simon<br />

Frey, Marianne König, Corina Salis<br />

Gross, Sandra Wüthrich<br />

Gestaltung dieser Nummer:<br />

Marcel Krebs<br />

Lektorat: Marianne König,<br />

Gabriele Wolf<br />

Layout: Roberto da Pozzo<br />

Druck: SDV GmbH,<br />

D-66793 Saarwellingen<br />

Vertrieb: Stiftung Wendepunkt,<br />

CH-4665 Oftringen<br />

Jahresabonnement:<br />

Schweiz CHF 90.–, Europa € 75.–,<br />

Kollektivabonnement ab 5 Stück<br />

CHF 70.–, Schnupperabonnement<br />

(3 Ausgaben) CHF 30.–, Europa € 25.–<br />

Einzelnummer:<br />

Schweiz CHF 18.–, Europa € 13.–<br />

Kündigungsfrist:<br />

1 Monat, Kündigung jeweils auf Ende<br />

Kalenderjahr<br />

Bankverbindung: Gesundheitsstiftung<br />

Radix, Infodrog, CH-8006<br />

Zürich, Swiss Post, PostFinance,<br />

Nordring 8, CH-3030 Bern<br />

Kto-<strong>Nr</strong>. 85-364231-6<br />

IBAN CH9309000000853642316<br />

BIC POFICHBEXXX<br />

Clearing: 09000<br />

ISSN: 1422-2221<br />

«Sucht im Alter» ist im <strong>SuchtMagazin</strong> bereits seit einigen Jahren ein thematischer<br />

Schwerpunkt. Die Ausgabe 3/2009 legte den Fokus auf stationäre Kontexte und betreutes<br />

Wohnen, während das Heft 3/2010 inhaltlich breiter angelegt war. Es ging u. a. um ethische<br />

Fragen beim Umgang mit Suchtverhalten im Alter und Lebensqualität als zentraler Faktor. Wie<br />

süchtiges Verhalten sich auch ohne professionelle Hilfe verändern kann und wie Prävention<br />

sowie Früherkennung eine Chance haben, waren weitere wichtige Themen.<br />

Bei beiden Ausgaben wurde deutlich, dass nicht nur ein Informationsmangel bei den<br />

AkteurInnen in Betreuung und Gesundheitspolitik besteht, sondern ebenso sehr ein Mangel an<br />

wissenschaftlichen Grundlagen, welche sachdienliche Information generieren. Damit war die<br />

Perspektive naheliegend, die zum vorliegenden dritten Heft über Sucht im Alter führte: einen<br />

Einblick in neue Forschungsprojekte und -erfahrungen zu geben, die bei der Praxisgestaltung<br />

von Bedeutung sind. Themen sind eine verbesserte Erkennung von Suchtproblemen im Alter,<br />

das verbesserte Erreichen benachteiligter Zielgruppen und gut vernetzte altersgerechte<br />

Früherkennung und Frühintervention.<br />

Dabei ist es uns ein Anliegen, die Thematik nicht nur auf den Suchtbereich zu beschränken. Es<br />

gilt, weiteren Fachbereichen wie z. B. der Altershilfe im Allgemeinen oder spezialisierten<br />

Bereichen wie der Geriatrie die Wichtigkeit dieser Thematik bewusst zu machen, damit ältere<br />

Menschen mit Suchtproblemen oder einer Suchtgefährdung geeignete Unterstützung<br />

erhalten. Die Frage nach dem Umgang unserer Gesellschaft mit dem Konsum von<br />

psychoaktiven Substanzen wird sich voraussichtlich noch akzentuieren. Zum einen wird davon<br />

ausgegangen, dass die Gruppe der älteren Menschen mit Suchtmittelproblemen zahlenmässig<br />

zunehmen wird. Zum anderen kann die Haltung gegenüber dem Suchtmittelkonsum nicht<br />

ausschliesslich den Institutionen überlassen werden, von denen ältere Menschen aufgrund<br />

altersbedingter Veränderungen und Einschränkungen in der Mobilität abhängig sein können.<br />

Wir vertreten die Ansicht, dass gerade auch im Alter eine suchtmittelfreie Gesellschaft nicht<br />

realistisch ist. Somit ist weder eine Kultur des Verbietens (durch mitunter paternalistische<br />

Ansätze) noch eine Haltung zielführend, die jeglichem Suchtmittelkonsum nur zusieht (und<br />

demzufolge einem älteren suchtmittelabhängigen Menschen jegliche Veränderungsbereitschaft<br />

abspricht). Ältere Menschen sollen Zugang zu Informationen über den Konsum von<br />

psychoaktiven Substanzen und dessen Auswirkungen im Alter haben. Auch sollen sie bei einer<br />

Suchtgefährdung oder bei Suchtproblemen angesprochen werden. Ältere Menschen sollen<br />

darauf hingewiesen werden, dass eine Behandlung von Suchtproblemen auch im Alter möglich<br />

ist, dass sie erfolgsversprechend ist, insbesondere auch dann, wenn die Problematik erst<br />

später entstanden ist, und dass sie zu einer Verbesserung der Lebensqualität beitragen kann.<br />

Ältere Menschen haben wie alle anderen das Recht zu entscheiden, ob sie ihre<br />

Konsumgewohnheiten verändern wollen oder nicht, und ihre Entscheidung ist grundsätzlich<br />

zu akzeptieren – soweit dies aufgrund der institutionellen Rahmenbedingungen und unter<br />

Berücksichtigung der individuellen Verhältnisse möglich ist.<br />

Für den Einstieg in diese Nummer empfehlen wir die Lektüre des Beitrags von Ambros<br />

Uchtenhagen. Er gibt einerseits einen Überblick über die Anstrengungen, die zu dieser<br />

Thematik in den letzten Jahren unternommen wurden. Andererseits fi nden sich auch ein<br />

Kommentar zu den Beiträgen in diesem Heft und ein Ausblick auf künftige Herausforderungen.<br />

Wir wünschen eine anregende Lektüre<br />

Regula Hälg, Marcel Krebs und Corina Salis Gross<br />

Redaktionskomitee <strong>SuchtMagazin</strong><br />

Per Ende 2012 sind Carlo Fabian, Ruth Hagen und Charlotte Kläusler-Senn aus dem Redaktionskomitee<br />

zurückgetreten. Wir danken ihnen an dieser Stelle für ihre aktive Mitarbeit<br />

ganz herzlich. Seit diesem Jahr sind neu Corinne Caspar (RADIX) und Simon Frey (Sucht<br />

Schweiz) dazugekommen. Wir freuen uns auf die künftige Zusammenarbeit.<br />

<strong>SuchtMagazin</strong> <strong>2|2013</strong> 3


Dossier: sucht im Alter<br />

Sucht im Alter: Erreichtes<br />

und offene Fragen<br />

In den letzten Jahren ist das Thema «Sucht im Alter» besser wahrgenommen<br />

und angegangen worden, was sich an vielen Beispielen zeigen lässt. Trotzdem<br />

gilt das keineswegs generell; viele relevante Akteure im Alters- und im Suchtbereich<br />

haben andere Schwerpunkte. Das vorliegende Heft legt im Unterschied<br />

zu den früheren Themenheften den Fokus auf Projekte, die auf Grund neuer<br />

Zielsetzungen neue Konzepte und neue Erfahrungen generieren. Sie betreffen<br />

eine verbesserte Erkennung von Suchtproblemen im Alter, eine verbesserte<br />

Erreichung marginaler Zielgruppen und gut vernetzte altersgerechte Früherkennung<br />

und Frühintervention. Nächste Schritte sollten eine Wirkungsanalyse<br />

solcher Projekte, eine Evaluation der Umsetzung neuer Arbeitsinstrumente<br />

und Weiterbildung, sowie die Klärung ethischer Konfliktsituationen und<br />

rechtlicher Fragen im Kontext des neuen Erwachsenenschutzrechtes sein.<br />

Ambros Uchtenhagen<br />

Prof. Dr. med. et phil. I, Stiftungsratsversitzender Schweizer Institut für Suchtund<br />

Gesundheitsforschung ISGF, Konradstrasse 32, Postfach, CH-8031 Zürich,<br />

uchtenhagen@isgf.uzh.ch, www.isgf.ch<br />

Schlagwörter:<br />

Substitution | Alter | Situationsanalyse | Schweiz |<br />

Forschung | Projekte | Herausforderungen |<br />

Einleitung: wo stehen wir?<br />

Noch vor wenigen Jahren war vielenorts zu vernehmen, das<br />

Thema Suchtverhalten im Alter sei vernachlässigt. Teilweise<br />

scheint die Botschaft angekommen zu sein. Dafür zeugen die<br />

Beiträge zu diesem Heft, aber nicht nur. Ein paar Beispiele<br />

seien erwähnt (ohne Anspruch auf <strong>Vol</strong>lständigkeit):<br />

– Zwei Expertenberichte zum Stand der Dinge wurden<br />

vom BAG in Auftrag gegeben. 1 Der Bericht von Sucht<br />

Schweiz beinhaltet auf Grundlage der Schweizerischen<br />

Gesundheitsbefragung (SGB) 2007 eine Sekundäranalyse<br />

des Alkoholkonsums der über 60-Jährigen. Der Bericht<br />

des ISGF ist eine Exploration erfolgversprechender<br />

Massnahmen zur Reduktion des problematischen<br />

Alkoholkonsums bei älteren Menschen in der Schweiz.<br />

– Eine Übersicht über gezielte Aktivitäten ist auf<br />

www.infoset.ch zugänglich. 2<br />

– Infodrog hat in Zusammenarbeit mit Sucht Schweiz, der<br />

Forel Klinik und der Zürcher Fachstelle zur Prävention<br />

des Alkohol- und Medikamentenmissbrauchs ZüFAM<br />

eine internetbasierte Wissensplattform «Alter und<br />

Sucht» (www.alterundsucht.ch und www.alkoholim-alter.ch)<br />

mit Informationen zu Alkohol im Alter<br />

erarbeitet. 3<br />

– Die ZüFAM hat einen Online-Leitfaden entwickelt,<br />

der sich an Institutionen, und insbesondere an<br />

Mitarbeitende auf Führungsebene richtet. Der Leitfaden<br />

verfolgt ein ganzheitliches Vorgehen für Interventionen<br />

im Betrieb, von der frühzeitigen Erfassung bis zu den<br />

konkreten Abläufen. Der Online-Leitfäden lässt sich über<br />

die von der ZüFAM betriebenen Website<br />

www.suchtimalter.ch fi nden. 4<br />

– Das Institut Alter der Berner Fachhochschule führte<br />

Ende 2012 zum Thema Sexualität und Sucht eine<br />

Weiterbildungsveranstaltung durch. 5<br />

– Die Schweizerische Gesellschaft für Suchtmedizin<br />

SSAM führte vergangenes Jahr eine Tagung durch zum<br />

Thema Langzeitabhängigkeit und Altern (Schicksale und<br />

Probleme Drogenabhängiger, die in die Jahre kommen). 6<br />

– Das Magazin «laut & leise» der Stellen für<br />

Suchtprävention im Kanton Zürich hat ihre aktuelle<br />

Ausgabe (1/2013) dem Thema Sucht im Alter gewidmet.<br />

Es enthält u. a. Neues zum gesellschaftlichen Wandel<br />

des Alters und dessen Relevanz für das Suchtthema,<br />

Hinweise auf Informationsquellen, Forschung und<br />

Zusammenarbeit im Kanton (z. B. Expertenforum für<br />

Altersalkoholismus), sowie einen Bericht aus der<br />

Spitexregion rechtes Limmattal über die Umsetzung<br />

des Projektes «Suchtprävention, Früherkennung<br />

und Frühintervention». 7 Auch haben die Stellen für<br />

Suchtprävention eine Reihe hilfreicher Broschüren zum<br />

Thema publiziert, die einfach zu erhalten sind. 8<br />

– Pro Senectute des Kantons Zürich hat<br />

nicht nur verschiedene einschlägige<br />

Weiterbildungsveranstaltungen durchgeführt,<br />

sondern auch 2012 in Zusammenarbeit mit Radix eine<br />

Gesundheitsbefragung für Gemeinden erarbeitet. Zum<br />

Angebot Gesundheitsförderung «aktiv altern» gehört<br />

auch ein Modul «Suchtprävention – Umgang mit<br />

Suchtmitteln»; diese Gesundheitsbefragung kommt in<br />

verschiedenen Gemeinden zum Einsatz. 9<br />

Im deutschsprachigen Umfeld hat das Thema ebenfalls an<br />

Bedeutung gewonnen. Sucht im Alter war Thema des Schwerpunktjahres<br />

2006 der Deutschen Hauptstelle für Suchtfragen;<br />

4 <strong>SuchtMagazin</strong> <strong>2|2013</strong>


diese hat eine Internetseite mit Informationen und Materialien<br />

zum Thema eingerichtet. 10 Das Bundesministerium für<br />

Gesundheit fi nanzierte 2010-12 acht Modellprojekte zur Sensibilisierung<br />

und Qualifi zierung von Fachkräften in der Altenund<br />

Suchthilfe mit 1,2 Mio. und beschloss eine Fortsetzung<br />

für 2013. Ziel dieser zweiten Förderphase sind die dauerhafte<br />

Implementierung der bisher erprobten Ansätze und die Bündelung<br />

der Ergebnisse. 11<br />

Allerdings scheint die Thematik weitherum keine Priorität<br />

zu haben, sehr im Gegensatz zum Ausbau geriatrischer<br />

Versorgung und Forschung allgemein. Eine vom Zentrum für<br />

Gerontologie an der Universität Zürich durchgeführte umfangreiche<br />

Befragung in Altersheimen erwähnt die Problematik des<br />

Suchtmittelgebrauchs mit keinem Wort. 12 Die umfangreiche<br />

Liste von Publikationen und Vorträgen auf der Homepage des<br />

Zentrums für Gerontologie erwähnt in vereinzelten Beiträgen<br />

Rauchen und Alkoholkonsum als gesundheitliche Risikofaktoren,<br />

aber ich habe keinen einzigen Beitrag aus den letzten<br />

fünf Jahren entdecken können, der sich mit dieser Problematik<br />

näher befasst. Dasselbe gilt für die Liste der Publikationen<br />

des Instituts Alter an der Berner Fachhochschule; die einzige<br />

Ausnahme ist die erwähnte Weiterbildungsveranstaltung zum<br />

Thema Sexualität und Sucht. 13 Im Programm von «Gesundheitsförderung<br />

Schweiz» gibt es kein für unser Thema relevantes<br />

Projekt. Das Departement Gesundheit der Zürcher<br />

Hochschule für angewandte Wissenschaften (ZHAW) erwähnt<br />

weder in der Pfl egeausbildung und Weiterbildung noch in der<br />

Liste der Forschungsprojekte unser Thema. 14 Das Kompetenzzentrum<br />

«Generationen» der Fachhochschule St. Gallen hat<br />

diverse Projekte zum Thema «innovative Wohnformen im<br />

Alter» durchgeführt. Allerdings hat keines der Projekte den<br />

Schwerpunkt auf unser Thema gelegt. 15 Das Institut für Soziale<br />

Arbeit und Gesundheit (ISAGE) der Fachhochschule Nordwestschweiz<br />

(FHNW) enthält zwar einen Schwerpunkt «Sucht, Psychische<br />

Gesundheit, Ethische Entscheidungsfi ndung», aber<br />

nicht speziell im Alter, 16 und die Hochschule für Soziale Arbeit<br />

weist in einer umfangreichen Liste von Forschungsprojekten<br />

einige zu Suchtproblemen bei Jugendlichen, aber keines zur<br />

entsprechenden Problematik im Alter auf. 17 Auch im Bereich<br />

der speziellen Suchtforschung bildet unser Thema keine Priorität.<br />

Vielmehr stehen Fragestellungen im Vordergrund, welche<br />

das Jugendalter und das Erwachsenenalter betreffen, aus<br />

naheliegendem präventivem Interesse und weil Suchtfolgen<br />

im sogenannt aktiven Alter wesentlich mehr als gesundheitliche<br />

Folgen haben (z. B. Stellenverlust, Entfremdung in Familie<br />

und Freundeskreis).<br />

Was spiegelt die nach wie vor festzustellende Abwesenheit<br />

der Suchtmittelproblematik im Rahmen einer intensivierten<br />

und erstaunlich vielfältigen Beschäftigung mit Gesundheitsproblemen<br />

im fortgeschrittenen Alter? Zum einen sicher die<br />

bekannte Ambivalenz im Ansprechen dieser Thematik, die<br />

wohl mitverantwortlich ist dafür, dass die wissenschaftlich<br />

nachgewiesenermassen erfolgreichen Frühinterventionen<br />

bei schädlichem Alkoholkonsum in Ärzteschaft und Spitälern<br />

Mühe haben, Fuss zu fassen. Zum andern aber kann es auch<br />

verstanden werden als eine bemerkenswerte Konsequenz aus<br />

der Erkenntnis, dass es zu einem grossen Teil psychosoziale,<br />

materielle, strukturelle Faktoren sind, welche ein Suchtverhalten<br />

fördern, und dass deshalb die Beschäftigung mit diesen<br />

Faktoren der Lebensqualität noch wichtiger ist als mit dem<br />

Suchtverhalten selber, gerade im Hinblick auf Prävention und<br />

Gesundheitsförderung.<br />

Entwicklung der Schwerpunkte<br />

Das <strong>SuchtMagazin</strong> hat sich schon früher um das Thema<br />

verdient gemacht. Das Schwerpunktheft 3/2009 widmete sich<br />

insbesondere den veränderten Phänomenen des Alterns, der<br />

Besonderheit und Zweckmässigkeit von Behandlungsansätzen<br />

im fortgeschrittenen Alter, aber auch den Formen und<br />

Problemen einer Betreuung zuhause sowie einer stationären<br />

Unterbringung von Betagten mit Suchtproblemen in Heimen.<br />

Damit erhielt die Bedeutung von Wohnform und Lebensräumen<br />

einen angemessenen Stellenwert. Das Heft wurde ergänzt<br />

durch eine Fotoreportage einschliesslich Interviews mit<br />

Betroffenen.<br />

Schon ein Jahr später erschien ein weiteres Schwerpunktheft<br />

(3/2010). Grundsätzliches wurde konkret angesprochen: ethische<br />

Fragen beim Umgang mit Suchtverhalten im Alter und<br />

Lebensqualität als zentraler Faktor. Wie süchtiges Verhalten<br />

sich auch ohne professionelle Hilfe verändern kann und wie<br />

Prävention sowie Früherkennung eine Chance haben. Aber<br />

auch neue Herausforderungen kamen zur Sprache, wie der<br />

zunehmende Konsum von Kokain und Opiaten im Alter und in<br />

Zusammenhang mit dem Älterwerden von Drogenabhängigen.<br />

Ein Hinweis auf die Pionierrolle der Zürcher Fachstelle zur Prävention<br />

des Alkohol- und Medikamentenmissbrauchs ZüFAM<br />

und ihre Internetplattform www.suchtimalter.ch unterstrich<br />

die Absicht der Redaktion, die Informationslage für Professionelle<br />

zu verbessern.<br />

Gleichzeitig wurde deutlich, dass nicht nur ein Informationsmangel<br />

bei den AkteurInnen in Betreuung und Gesundheitspolitik<br />

besteht, sondern ebenso sehr ein Mangel an wissenschaftlichen<br />

Projekten, welche sachdienliche Information<br />

generieren. Damit war die Perspektive naheliegend, die zum<br />

vorliegenden dritten Heft über Sucht im Alter führte: einen Einblick<br />

in neue Forschungsprojekte und -erfahrungen zu geben,<br />

die bei der Praxisgestaltung von Bedeutung sind.<br />

Beiträge 2013<br />

Epidemiologie<br />

Der Beitrag von Notari, Del Grande Jordan und Gmel basiert<br />

auf den Daten des Suchtmonitoring Schweiz aus dem<br />

Jahr 2011. Diese wurden ergänzt durch detaillierte Analysen<br />

nach Alter und Geschlecht. Die epidemiologischen Befunde<br />

bestätigen weitgehend frühere Ergebnisse. Ihre Repräsentativität<br />

ist dadurch eingeschränkt, dass es sich um telefonische<br />

Erhebungen handelte und deshalb institutionalisierte und behinderte<br />

Personen nicht erfasst wurden. Ein für die Prävention<br />

relevanter Befund ist das Ausmass des vermehrten chronisch<br />

risikoreichen Alkoholkonsums nach dem Pensionierungsalter.<br />

Rauschtrinken und Rauchen hingegen nehmen bei beiden Geschlechtern<br />

deutlich ab. Ebenfalls bestätigt hat sich der kontinuierlich<br />

zunehmende (fast) tägliche Konsum von starken<br />

Schmerz-, Schlaf- und Beruhigungsmitteln, bei rund einem<br />

Siebtel der Befragten kombiniert mit täglichem Alkoholkonsum.<br />

Die zum Teil erheblichen Geschlechtsunterschiede legen<br />

für die Prävention eine gendersensitive Interventionsstrategie<br />

nahe.<br />

Der Suchtmonitor erhebt keine Angaben zur subjektiven Beurteilung<br />

des Suchtmittelkonsums, d. h. wir wissen nicht, wie<br />

viele und welche Personen ihre gesundheitliche Situation mit<br />

ihrem Konsum in Zusammenhang sehen und diesen allenfalls<br />

auch verändern möchten. Auch der Stellenwert des Konsums<br />

für die eigene Lebensqualität wird nicht erfragt, noch wissen<br />

wir über allfällige Risikofaktoren Bescheid. Das könnte für die<br />

<strong>SuchtMagazin</strong> <strong>2|2013</strong> 5


Dossier: Sucht im Alter<br />

Prävention weitere Anhaltspunkte liefern.<br />

Der Suchtmonitor trennt Alterseffekte und Kohorteneffekte<br />

nicht voneinander. Die Generation der sog. Baby Boomers hatte<br />

in der Jugend andere Konsumgewohnheiten als die Generationen<br />

zuvor, woraus sich Konsequenzen für das Konsumverhalten<br />

und Konsumfolgen im Alter ergeben. 18<br />

Dazu kommt, dass die Grenzwerte für riskanten Alkoholkonsum<br />

bei Erwachsenen ab dem 60. Altersjahr nicht mehr gelten,<br />

insbesondere in Verbindung mit gleichzeitigem Medikamentenkonsum.<br />

19<br />

Erkennen und Erreichen der Zielgruppe<br />

Ruhwinkel weist in ihrem Beitrag nachdrücklich darauf<br />

hin, dass angemessene Screening-Instrumente für die Betagten,<br />

welche «auch den regelmässigen Umgang mit Alkohol<br />

in niedriger Dosierung und in Kombination mit Medikamenten<br />

erfragen und den körperlichen Zustand des Menschen<br />

mit einberechnen», bisher nicht vorliegen. Die Diagnostik des<br />

problematischen Alkoholkonsums in dieser Altersgruppe ist<br />

dadurch erschwert. Auch wird dessen Beurteilung sogar bei<br />

Fachleuten durch subjektive Altersbilder beeinfl usst, oft mit<br />

der Konsequenz, nichts zu unternehmen, ja das Problem nicht<br />

einmal anzusprechen. Den Nachweis, dass es im Gegensatz<br />

zu dieser «nihilistischen» Haltung sinnvolle und erfolgreiche<br />

Vorgehensweisen gibt, liefert ein eindrückliches Fallbeispiel.<br />

Das Problem der Erreichbarkeit benachteiligter Populationen<br />

spricht der Beitrag von Soom Ammann, Gurtner und Salis<br />

Gross an. Im interkantonalen Projekt «Via – Best Practice<br />

Gesundheitsförderung im Alter», dem derzeit zehn Kantone<br />

angeschlossen sind, wurden Wege für einen erleichterten Zugang<br />

zu benachteiligten Gruppierungen erarbeitet. Eine umfangreiche<br />

Liste von Empfehlungen liegt vor und Beispiele konkreter<br />

Umsetzung in Pilotgemeinden werden dargestellt um<br />

eine breitere Verwendung zu erleichtern. Dabei stehen im Kanton<br />

Zug Kleingruppenaktivitäten im Vordergrund, während im<br />

Kanton Bern Gruppenkurse, individuelle Kontakte und fl exible<br />

Veranstaltungen in Partnerschaft mit etablierten sozialen Organisationen<br />

gewählt wurden. Immer aber wird von den Bedürfnissen<br />

der Betroffenen ausgegangen und die Massnahmen<br />

werden partizipativ entwickelt.<br />

Alle diese Bestrebungen zeichnen sich aus durch eine Verbindung<br />

von konzeptionellen Überlegungen, Forschungsbefunden<br />

und praktischen Handlungsanweisungen. Das ist für die<br />

vielenorts noch zu leistende Überzeugungsarbeit besonders<br />

hilfreich. Eine systematische Auswertung der Erfahrungen mit<br />

diesen Vorgehensweisen wird die Anwendbarkeit noch weiter<br />

fördern können.<br />

nicht in der Lage sind. Das Risiko einer neuen Diskriminierung<br />

ist nicht zu verkennen. Sie gipfelt in der Forderung, «selbstverschuldete<br />

Behinderung» – nicht zuletzt durch Suchtmittelkonsum<br />

– bei sozialen Leistungen zu benachteiligen. Umso<br />

wichtiger werden die nachstehend erwähnten Beiträge zur Unterstützung<br />

all jener, die dem gesellschaftlichen Ideal nicht zu<br />

entsprechen vermögen.<br />

Der Schwerpunkt der Interventionen liegt auf Früherkennung<br />

und Frühintervention. Die Erarbeitung von entsprechenden<br />

Konzepten in den Institutionen des Altersbereichs<br />

(Alterszentren, Pfl egeheime, Spitex-Organisationen etc.) steht<br />

beim erwähnten Projekt Via im Vordergrund. Aber auch therapeutische<br />

Ansätze und niederschwellige Angebote für Menschen<br />

mit einer chronischen Suchtmittelabhängigkeit sind<br />

gefragt. Hilfestellungen für das Personal sind entscheidend,<br />

damit Probleme erkannt und zweckmässig angegangen werden<br />

können. Eine bessere Übersicht und Koordination bestehender<br />

Projekte und Leistungen zu ermöglichen, ist u. a. eine<br />

Zielsetzung der nationalen Koordinations- und Fachstelle Infodrog;<br />

der Beitrag Hälg beschreibt Aufbau und Funktion der von<br />

Infodrog und Kooperationspartnern aufgeschalteten Wissensplattform<br />

«Sucht im Alter» für ältere Menschen und für verschiedene<br />

betroffene AkteurInnen. In der Datenbank Suchtindex.ch<br />

ist es ausserdem möglich, gezielt nach Angeboten für<br />

ältere Menschen mit Suchtproblemen zu suchen. Im Weiteren<br />

ist Infodrog beteiligt an Projekten mit nationaler Reichwei-<br />

Institutionen und Interventionen<br />

Was sich in der Beschäftigung mit dem Alter generell gewandelt<br />

hat, trifft auch für den Umgang mit unserem Thema<br />

zu: ein eigentlicher Paradigmenwechsel von einer vorwiegend<br />

medizinischen zu einer sozialen Perspektive. Dieser Wechsel<br />

wird im Beitrag von Schroeter geschildert, mit dem Entstehen<br />

eines «aktivierenden Sozialstaats», der das bisherige Bild des<br />

Wohlfahrtsstaats ablöst. Schlüsselbegriffe sind «Empowerment»<br />

und «Kompetenzaktivierung», aber auch Selbstverantwortung.<br />

Diese Entwicklung hat Wurzeln in der europäischen<br />

Aufklärung und im zunehmenden Gewicht von Partizipation<br />

und Mitbestimmung, wurde aber intensiviert durch die demographische<br />

Umschichtung und die damit verbundenen Sorgen<br />

um die Finanzierbarkeit des Sozialstaats.<br />

Das Ziel, bis ins hohe Alter aktiv, gesund, fi t und produktiv<br />

zu bleiben, schafft allerdings neue Probleme für alle, die dazu<br />

6 <strong>SuchtMagazin</strong> <strong>2|2013</strong>


te: «Praxis Suchtmedizin Schweiz» der regionalen Netzwerke<br />

Suchtmedizin mit weiteren PartnerInnen, «Weiterbildungsangebote<br />

Regelversorgung» des BAG sowie «Kurzintervention<br />

Ärzteschaft» des Kollegiums Hausarztmedizin, der FMH und<br />

den regionalen Netzwerken der Suchtmedizin.<br />

Auch das Projekt «Sensor» (vgl. Beitrag Meyer) ist der Frühintervention<br />

gewidmet. 20 In der Region Luzern angesiedelt,<br />

vernetzt es die relevanten AkteurInnen, namentlich die medizinischen<br />

und sozialen Dienste. Die interdisziplinäre Entwicklung<br />

von Arbeitsinstrumenten und gemeinsame Weiterbildung<br />

von MultiplikatorInnen sollen die Bereitschaft fördern,<br />

sich in den ambulanten und stationären Institutionen mit dem<br />

Thema Sucht im Alter auseinanderzusetzen. Wo Menschen<br />

noch nicht institutionell betreut werden, ist die Information<br />

und Unterstützung von Angehörigen und Nahestehenden ein<br />

Ziel. Das Recht auf freie Entscheidung der Betroffenen soll<br />

dabei gewahrt bleiben. Organisation und Vorgehensweise des<br />

Projekts werden ausführlich geschildert, um beispielhaft wirken<br />

zu können. Zudem ist eine Evaluation unterwegs, und im<br />

Kanton Zug gibt es bereits Interesse am Konzept.<br />

Weitere zwei Projekte in den Bereichen Spitex und Altersheim<br />

werden im Beitrag Zimmermann vorgestellt. Auch hier<br />

liegt der Schwerpunkt auf Prävention und Frühintervention.<br />

In beiden Institutionen werden konkrete Arbeitsmaterialien<br />

und -instrumente erarbeitet. Diese zum Teil institutionell unterschiedlich<br />

entwickelten Arbeitsinstrumente werden durch<br />

geschulte Fachpersonen in ihrer Betreuungs- und Pfl egepraxis<br />

erprobt, evaluiert, erneut angepasst und wieder eingesetzt.<br />

Diese Erfahrungen und Arbeitsinstrumente sollen auch anderen<br />

Institutionen im Altersbereich zur Verfügung gestellt<br />

werden. Theoretischer Hintergrund und Vorgehen werden<br />

eingehend geschildert, und die Darstellung wird durch eine<br />

Zwischenevaluation und Schilderung weiterer Projektschritte<br />

ergänzt.<br />

Diese Projekte verstehen sich nicht nur als konkrete Schritte<br />

zu einer verbesserten Lebenssituation Betroffener und<br />

einem professionelleren Handeln der Verantwortlichen, sondern<br />

auch als Lehrstücke, deren Erfahrungen beim Aufbau weiterer<br />

Projekte dienlich sein sollen.<br />

Übersicht zum Status quo<br />

Der Beitrag von Salis Gross und Serverin Haug beruht auf<br />

dem 2012 im Auftrag des BAG erstellten Bericht über erfolgversprechende<br />

Massnahmen zur Reduktion des problematischen<br />

Alkoholkonsums bei älteren Menschen in der Schweiz. Der Bericht<br />

21 bietet neben einer Literaturanalyse neue Daten aus<br />

Erhebungen und Befragungen von ExpertInnen, Angehörigen<br />

und Fachpersonen. Good practices in Prävention, Früherkennung,<br />

Beratung und Behandlung werden dargestellt. Diese explorative<br />

Studie stellt Defi zite in der Sensibilisierung für das<br />

Thema fest, identifi ziert Spannungsfelder, diskutiert fehlende<br />

Ressourcen für aufsuchende Arbeit, die vermehrt indiziert ist,


Dossier: Sucht im Alter<br />

und fordert verbesserte Koordination und Kooperation generell<br />

und auf lokaler(regionaler) Ebene. Daraus leiten sich eine<br />

Liste von Empfehlungen an Gesundheitsbehörden, Gesundheitsinstitutionen<br />

und spezialisierte Einrichtungen ab.<br />

Wie weiter?<br />

Die erfreuliche Zunahme konkreter Projekte zum Verständnis<br />

von und zum Umgang mit Suchtverhalten im Alter legt<br />

es nahe, dass als ein nächster Schritt eine Evaluation der<br />

beabsichtigten und nicht beabsichtigten Auswirkungen ansteht,<br />

einschliesslich einer Befragung der Betroffenen, ihrer<br />

Angehörigen und der Betreuungspersonen. Daraus sollten sich<br />

auch Erkenntnisse zur Generalisierbarkeit der angewandten<br />

Konzepte und Arbeitsinstrumente ergeben. Zwischen Strategien<br />

und Massnahmen zur präventiven Kompetenzförderung<br />

einerseits, aufsuchenden und unterstützenden Strategien und<br />

Massnahmen für suchtmittelabhängige Personen andererseits<br />

ist zu unterscheiden – beides ist von grösstem Interesse.<br />

Bei der Evaluation sollte auch die Kosten-Nutzen-Relation<br />

nicht ausser Acht gelassen werden, wozu es wohl auch noch<br />

methodischer Überlegungen bedarf.<br />

Ein zweiter Schwerpunkt müsste die weitere Klärung<br />

ethischer und rechtlicher Aspekte betreffen. Im Umgang mit<br />

Suchtproblemen generell haben die Ziele Lebensqualität und<br />

Umweltverträglichkeit an Bedeutung gewonnen gegenüber<br />

Verhaltenskontrolle und Suchtfreiheit. Man müsste sich darüber<br />

verständigen, was das für den Umgang mit Sucht im<br />

Alter heisst. Ebenso dringlich ist eine Beschäftigung mit ethischen<br />

Konfl iktsituationen und Strategien des Konfl iktmanagements,<br />

da sehr unterschiedliche Interessen und Bedürfnisse<br />

aufeinandertreffen können. Rechtsfragen sind bislang wenig<br />

berücksichtigt worden; insbesondere sind die Bestimmungen<br />

des neuen Erwachsenenschutzrechts in ihrer Bedeutung für<br />

unser Thema zu diskutieren.<br />

Und schliesslich müsste es von Interesse sein, die angelaufenen<br />

Weiterbildungskonzepte und –instrumente sowie die<br />

entsprechenden Kurse und weiteren Veranstaltungen systematisch<br />

zu evaluieren, insbesondere im Hinblick auf ihre<br />

Umsetzbarkeit und ihre Auswirkungen auf die Praxis. Daraus<br />

könnten sich verbindliche Richtlinien und Standards ergeben.<br />

Was die Gewinnung epidemiologischer Daten und die Diagnostik<br />

angeht, wären Kriterien und Fragestellungen auf die besondere<br />

Situation Betagter abzustimmen, um eine angemessene<br />

Datenlage zu generieren..<br />

Literatur<br />

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erfolgversprechender Massnahmen zur Reduktion des<br />

problematischen Alkoholkonsums bei älteren Menschen in der<br />

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Alter. laut & leise Ausgabe 1/2013. www.tinyurl.com/brtqwpy,<br />

Zugriff 27.03.2013<br />

Endnoten<br />

1 Eine Darstellung der beiden Studien fi ndet sich auf der Seite<br />

des Bundesamtes für Gesundheit: tinyurl.com/cbvwdjh, Zugriff<br />

26.03.2013. Der Bericht des ISGF wird im Artikel Salis Gross et al.<br />

vorgestellt, der von Sucht Schweiz im Beitrag von Notari et al.<br />

2 www.infoset.ch/de/Dossiers/alter, Zugriff 25.03.2013.<br />

3 Weitere Infos zum Projekt auf den Seiten von Infodrog:<br />

www.tinyurl.com/cccc34w, Zugriff 27.03.2013.<br />

4 www.suchtimalter.ch/de/angebote/soforthilfe, Zugriff 27.03.2013.<br />

5 Institut Alter der BFH: www.alter.bfh.ch<br />

6 Die Präsentationen von Robert Hämmig und Andreas Bachmann<br />

stehen zum Download bereit: www.sucht-wb.ch/node/15, Zugriff<br />

27.03.2013.<br />

7 Vgl. Stellen für Suchtprävention im Kanton Zürich 2013.<br />

8 www.suchtprävention-zh.ch, www.suchtimalter.ch<br />

9 Auskunft Franjo Ambroz vom 23.03.2013.<br />

10 www.unabhaengig-im-alter.de<br />

11 Vorstellung des Modellprojekts: www.tinyurl.com/dyslcjp, Zugriff<br />

25.03.2013.<br />

12 Eine Präsentation zur Umfrage steht zum Download bereit:<br />

www.tinyurl.com/cdhb96j, Zugriff 26.03.2013.<br />

13 Institut Alter: www.alter.bfh.ch, Zugriff 26.03.2013.<br />

14 Departement Gesundheit: www. gesundheit.zhaw.ch, Zugriff<br />

25.03.2013.<br />

15 Kompetenzzentrum Generationen: www.fhsg.ch/generationen,<br />

Zugriff 26.03.2013.<br />

16 ISAGE: www.fhnw.ch/sozialearbeit/isage, Zugriff 25.03.2013.<br />

17 Forschungsprojekte an der Hochschule für Soziale Arbeit der FHNW:<br />

www.tinyurl.com/ck6haqs, Zugriff 25.03.2013. Seit dem 1. April 2013<br />

gibt es an der FHNW eine Professur für Alter (Klaus Schroeter).<br />

Diese ist im Institut für Integration und Partizipation angesiedelt,<br />

www.fhnw.ch/sozialearbeit/iip<br />

18 Vgl. Lofwall et al 2008; Reardon 2012.<br />

19 Vgl. Dowling et al 2008; siehe auch Ruhwinkel in diesem Heft.<br />

20 Der Kanton Zug übernimmt dieses Projekt. Eine Kick-Off-<br />

Veranstaltung fand am 21. März 2013 statt. Medienmitteilung<br />

des Kantons vom 21.03.2013, www.tinyurl.com/bu2l8mp, Zugriff<br />

26.03.2013.<br />

21 Vgl. Kessler et al.<br />

8 <strong>SuchtMagazin</strong> <strong>2|2013</strong>


Dossier: Sucht im Alter<br />

Aktives Altern: Die Produktion<br />

des zuverlässigen<br />

und fl exiblen Menschen<br />

Das Bild vom Alter und von älteren Menschen dreht sich nicht mehr nur<br />

einseitig um die Problemlagen und Verluste im Alter, um Vereinsamung,<br />

Verarmung, Krankheit und Pflegebedürftigkeit. Zunehmend ist auch<br />

von den Ressourcen und Gewinnen im Alter, von Kompetenzen und<br />

Erfahrungen, Aktivitäten und Engagements älterer Menschen die Rede.<br />

Diese veränderte Sicht auf das Alter ist kein Zufall. Sie ist gleichermassen<br />

Ausdruck wissenschaftlicher Erkenntnis und politischen Willens, die sich<br />

durchaus wechselseitig be- und durchdringen – und manchmal sogar einander<br />

entsprechen. 1<br />

Klaus R. Schroeter<br />

Prof. Dr. phil. habil., Institut Integration und Partizipation, Hochschule<br />

für Soziale Arbeit FHNW, Riggenbachstrasse 27, CH-4600 Olten,<br />

kschroet@soziologie.uni-kiel.de<br />

Schlagwörter:<br />

Alter | Sozialstaat | Aktivierung | Sozialdisziplinierung |<br />

Die sozialpolitische Idee eines<br />

aktivierenden Sozialstaats<br />

Nachdem die Alternswissenschaft zu Beginn des 20. Jahrhunderts<br />

noch ganz im Zeichen der Medizin stand, wurde das<br />

Alter Mitte des Jahrhunderts zunehmend als «soziales Problem»<br />

wahrgenommen. Es war die Zeit der sich etablierenden<br />

Wohlfahrtsstaaten, als erste Diskussionen über die drohende<br />

«Überalterung» entfl ammten. Fortan wurden immer wieder<br />

in unterschiedlichem Ausmasse demographische Krisenszenarien<br />

entworfen, die vor allem unter dem Aspekt der Belastbarkeit<br />

der sozialen Sicherungssysteme und im Rahmen der<br />

Kontroverse um Generationengerechtigkeit geführt wurden.<br />

Unter den zuweilen emotional hoch aufgeladenen Stichworten<br />

der «demographischen Revolution», «Altersexplosion» oder<br />

der «ergrauten Gesellschaft» wurden vor allem in den Medien<br />

schillernde (Schreckens-) Visionen einer künftigen «alternden»<br />

Gesellschaft gezeichnet 2 und das Märchen vom «Generationenbetrug»<br />

3 verbreitet.<br />

Zeitlich parallel zur Debatte um die Herausforderungen des<br />

demographischen Wandels richtete sich der Blick dann zunehmend<br />

auf die Ressourcen und Potentiale älterer Menschen in<br />

Wirtschaft und Gesellschaft. Diese Diskussionen waren begleitet<br />

von den Auseinandersetzungen mit der Krise des Wohlfahrtsstaates<br />

und den Möglichkeiten einer grundsätzlichen<br />

Neuordnung der wohlfahrtsstaatlichen Systeme jenseits von<br />

Markt und Staat. Als eine mögliche Antwort auf die Krise von<br />

Arbeitsgesellschaft und Wohlfahrtsstaat erschien der auf Freiwilligkeit<br />

und bürgerschaftliches Engagement ausgerichtete<br />

Dritte Sektor. 4 Die ideologische Vorlage dazu lieferte bereits in<br />

den 60er Jahren Amitai Etzionis Vorstellung von einer aktiven<br />

Gesellschaft. 5 Sie fand ihren Niederschlag in den sozialpolitischen<br />

Ideen eines aktivierenden Sozialstaates, der im<br />

Anschluss an den in den USA entwickelten marktorientierten<br />

Ansatz des «ermunternden» bzw. «befähigenden Staates» 6<br />

auf eine Verantwortungsteilung von Staat und Gesellschaft<br />

zielt. 7 Ihm liegt das Leitbild der aktiven BürgerInnen zugrunde,<br />

die in die Lage versetzt (aktiviert) werden sollen, ihre sozialen<br />

und gesellschaftlichen Aufgaben eigenverantwortlich zu<br />

erbringen, um damit als Koproduzent öffentlicher Leistungen<br />

in Erscheinung zu treten. Die diesem Ansatz innewohnende<br />

Strategie des Förderns und Forderns zielt also darauf, gleichsam<br />

die befähigenden Politiken wie auch die soziale Kontrolle<br />

auszuweiten und miteinander zu verbinden. 8 Wenn man<br />

unterstellt, dass es sich bei diesem Konzept nicht nur um eine<br />

neu entdeckte Vergesellschaftungsform handelt, mit der die<br />

fi nanziellen Löcher der öffentlichen Haushalte kompensiert<br />

werden sollen, dann lassen sich diese Ideen durchaus mit den<br />

Vorstellungen der BürgerInnen- oder Verantwortungsgesellschaft<br />

9 in Einklang bringen, sofern man eine gleichberechtigte<br />

Wechselbeziehung des aktivierenden Staates und der aktiven<br />

BürgerInnen und eine freiwillige Selbstverpfl ichtung der<br />

BürgerInnen für ihr Engagement voraussetzt.<br />

Die Illusio(n) der Altersaktivierung<br />

Die Soziale Arbeit ist ein soziales Feld, das zunehmend<br />

auch vom Leitbild der Altersaktivierung getragen wird. Dieses<br />

Feld hat seine eigene Logik und einen eigenen Spielraum mit<br />

eigenen spezifi schen Regeln. Es erschliesst sich über den habituell<br />

gesteuerten praktischen Sinn der AkteurInnen, 10 sodass<br />

ein derartiger «praktischer Glaube» gewissermassen das Eintrittsgeld<br />

in das Feld ist, ohne dessen Anerkennung das Feld<br />

gar nicht existiert. Eine solche hintergründige Übereinkunft<br />

wird von Bourdieu mit dem Begriff der illusio (von lat. ludere,<br />

spielen, abgeleitet) belegt und drückt den Umstand aus,<br />

vom Spiel des Feldes erfasst und gefangen und vom Spieleinsatz<br />

überzeugt zu sein. 11 Während die Doxa (Glaube, Meinung)<br />

eines Feldes im Verborgenen wirkt und «die Gesamtheit des-<br />

<strong>SuchtMagazin</strong> <strong>2|2013</strong> 9


Dossier: Sucht im Alter<br />

sen» umfasst, «was als Selbstverständliches hingenommen<br />

wird», 12 erscheint die illusio als eine besondere Form der Doxa,<br />

die den «grundlegenden Glauben an den Sinn des Spiels und<br />

den Wert dessen, was auf dem Spiel steht,» 13 beinhaltet. «Was<br />

in der illusio als Selbstverständlichkeit erlebt wird, erscheint<br />

demjenigen, der diese Selbstverständlichkeit nicht teilt, weil<br />

er am Spiel nicht beteiligt ist, als Illusion.» 14<br />

Das sozialarbeitswissenschaftliche Credo: Empowerment<br />

und Kompetenzaktivierung<br />

Die Logik des sozialen Feldes der Sozialen Arbeit folgt der<br />

Massgabe der Hilfe und Unterstützung in sozialen Problemlagen.<br />

Die «richtige Haltung» setzt «affektive Neutraliät» voraus<br />

und zielt auf «Hilfe zur Selbsthilfe», aber die zugrunde<br />

liegende Logik bleibt die Hilfe und Unterstützung. Diese freilich<br />

wurde umdefi niert und erweitert, sodass längst auch Beratung<br />

und Prävention ins Feld der Sozialen Arbeit fallen. Dabei ist der<br />

Gedanke der Aktivierung keineswegs neu, denn schon seit der<br />

Aufklärung ist es das Ziel (sozial)pädagogischer Intervention,<br />

die Einzelnen durch ein gewisses Mass an Fremdführung zur<br />

Selbstführung anzuleiten. 15 Und so stehen die konkreten Zielsetzungen<br />

– etwa die Erhaltung, Förderung und das Wiedererlangen<br />

von sozialer Kompetenz, von Autonomie, individueller<br />

und gesellschaftlicher Lebenspraxis oder die Neuorientierung<br />

und grösst mögliche Steigerung der Selbstständigkeit in problematischen<br />

Lebenslagen – für das als richtig vorausgesetzte<br />

Denken, für die Doxa im Feld der Sozialen Arbeit. Und diese<br />

Doxa speist sich aus dem Credo an all die an der Förderung<br />

der Selbstakzentuierung und Eigenständigkeit orientierten<br />

Programmatiken, wie z. B. der auf Kompetenzaktivierung ausgerichteten<br />

Empowermentstrategien.<br />

Der «aktive Alte» in der Altenarbeit<br />

Dieser Glaube hat längst auch Einzug in die Soziale Altenarbeit<br />

gefunden. Während in den 1960er- und 1970er Jahren<br />

noch das Leitbild des betreuten Alters mit seiner hintergründig<br />

wirkenden Vorstellung von einem defi zitären Alter dominierte<br />

und die Soziale Altenarbeit vor allem mit dem Ziel der organisierten<br />

Geselligkeit verbunden war, gewann in den 1980er Jahren<br />

auf dem Hintergrund der sog. Aktivitätsthese 16 das Bild der<br />

aktiven Älteren an Kontur. In den 1990er Jahren rückte dann<br />

im Zuge der Individualisierungsdebatte und auf dem Hintergrund<br />

des Ressourcen- und Kompetenzansatzes das Leitbild<br />

des erfolgreichen und produktiven Alters immer mehr in den<br />

Vordergrund. Damit wurde das Alter zu einer gestaltbaren<br />

Aufgabe unter der tätigen Mithilfe der Sozialen Altenarbeit,<br />

die nunmehr auf die Förderung und Ermöglichung subjektiv<br />

befriedigender Lebensentwürfe älterer Menschen zielt. Als<br />

Kernelemente oder Grundorientierungen bilden Autonomie,<br />

Kompetenz, Lebenswelt, Biographie und Produktivität 17 die<br />

Illusio(nen) der modernen sozialen Altenarbeit. Autonomieorientierung<br />

und Kompetenzaktivierung heisst nicht einfach<br />

nur «Gewährenlassen», sondern aktive Intervention, z. B. auf<br />

der Grundlage von Empowerment und Resilienzförderung. Dabei<br />

geht es weniger um die Kompensation von Defi ziten, als<br />

vielmehr um die Förderung von Kompetenzen.<br />

Der hier kurz gezeichnete Wandel der Sozialen Altenarbeit mit<br />

seinem Paradigmenwechsel von der versorgenden zur aktiven<br />

und partizipativen Altenarbeit ist nicht zuletzt auch durch<br />

politische Modellprogramme entsprechend gefördert worden,<br />

die das Leitbild des aktiven, erfolgreichen und produktiven<br />

Alters 18 vorbereiteten.<br />

Altersaktivierung im Zeichen der Bio-Politik<br />

In einem seinerzeit viel beachteten Aufsatz hat Ekerdt 19<br />

gezeigt, dass sich mit der Geschäftigkeitsethik (busy ethic) im<br />

Ruhestand eine moralische Maxime des aktiven Lebens entwickelt<br />

hat, die die «freie» Zeit des Ruhestands legitimiert und<br />

den älteren Menschen soziale Anerkennung verschafft. Diese<br />

Ethik schöpft ihre moralische Kraft durch ihre enge Kopplung<br />

an die Arbeitsethik sowie an das gesellschaftliche Ideal der<br />

individuellen Gesundheitsbewahrung. Wenn die Altersaktivitäten<br />

gesellschaftlich positiv bewertet werden, dann kommt<br />

es weniger auf die jeweilige Beschäftigung an, sondern vielmehr<br />

darauf, dass man beschäftigt bzw. aktiv ist. 20<br />

Unter dem ideologischen Credo, dass es im Alter besser sei,<br />

aktiv als inaktiv zu sein, 21 hat die Aktivitätsthese ein bis heute<br />

wirkungsmächtiges Erbe hinterlassen, das sich unter der Formel<br />

des «aktiven, produktiven und erfolgreichen Alterns» den<br />

Dispositiven 22 der Macht zuordnen lässt, die darauf zielen, sich<br />

bis ins hohe Alter fl exibel und mobil zu verhalten und aktiv und<br />

produktiv auf die Herausforderungen des modernen Lebens zu<br />

reagieren. Aktivitäten – von der Alltags- und Freizeitgestaltung<br />

über das Bildungs- und Gesundheitsverhalten bis hin zu<br />

ehrenamtlichem und bürgerschaftlichem Engagement – sind<br />

somit in gesellschaftlich wertgeschätzte Stellung gebracht.<br />

Sie sind Teil einer «positiven Ökonomie», die im Kontext der<br />

Sozialen Gerontologie alternde Menschen gleichsam als zu<br />

befähigende und aufzurichtende wie auch als prognostizierbare<br />

und kontrollierbare Subjekte formt. In diesem Sinne ist<br />

das Aufrichten zugleich auch immer ein Zurichten 23 und der<br />

Lobgesang auf das aktive Alter «a diciplinary strategy of the<br />

greatest value» 24 , eine Disziplinierungsstrategie von höchstem<br />

Wert.<br />

Der Aktivierungsdiskurs fügt sich in die Strategien der Bio-<br />

Politik, 25 die darauf zielt, «das Leben zu sichern» und «das<br />

Lebende in einen Bereich von Wert und Nutzen zu organisieren».<br />

26 Mit ihren zwei Polen der Disziplinierung des Körpers und<br />

der Kontrolle der Bevölkerung 27 hebt sie an, das individuelle<br />

Handeln im Sinne des allgemeinen Interesses zu koordinieren<br />

und zu regulieren. Sie kreist um die Regulierung biologischer<br />

Prozesse und verwandelt die menschlichen Körper in Objekte<br />

politischen Wissens. Ihre Instrumente sind nicht blosse Disziplinierung<br />

und Dressur, sondern Regulierung und Kontrolle.<br />

Über fachspezifi sche Diskurse werden nicht nur Legitimationen<br />

dafür geschaffen, die Menschen nach modernen<br />

wissenschaftlichen Standards zu fördern und zu versorgen,<br />

sondern auch dafür, die Subjekte an gesellschaftlichen Normen<br />

auszurichten. Die Bio-Politik vollzieht sich nicht nur<br />

über äusseren sozialen Druck, sondern auch durch die in das<br />

Persönlichkeitssystem verlagerten Selbstzwänge. Insofern<br />

sind die klassischen Methoden der Sozialdisziplinierung (z. B.<br />

Bestrafung, Entzug, Ausschliessung) im modernen Wohlfahrtsstaat<br />

durch die Techniken der Selbststeuerung und<br />

Selbstpfl ege ergänzt oder ersetzt worden. Durch sie nimmt der<br />

Einzelne Einsicht in sein Selbst und damit zugleich auch die<br />

Rolle des Selbst-Kontrolleurs und des Selbst-Prüfers ein. Die<br />

Technologien des Selbst 28 wirken als Techniken der Selbstermächtigung,<br />

die zugleich auch immer auf den Körper gerichtet<br />

sind. Wenn der Körper in der modernen Gesellschaft zu einem<br />

Phänomen von Optionen und Entscheidungen geworden ist,<br />

dann ist damit zugleich auch eine Pfl icht verbunden, den Körper<br />

nach den gesellschaftlich präferierten Normvorstellungen<br />

zu modellieren. Und so wird in vielerlei Hinsicht – z. B. durch<br />

Training, Ernährung, Kosmetik, Pfl ege usw. – Arbeit in ihn inve-<br />

10 <strong>SuchtMagazin</strong> <strong>2|2013</strong>


stiert. Am Ende wird das korporale Kapital 29 dann durch seine<br />

symbolisch wahrgenommene Gestalt (z. B. als schöne, kräftige,<br />

makellose, gepfl egte, gesunde, funktionstüchtige oder<br />

vice versa als unansehnliche, schwache, kranke, behinderte<br />

oder gebrechliche Körper) sozial bewertet. Und so wird auch<br />

im Alter – über Aktivitäts-, Gesundheits-, Fitness- und Anti-<br />

Aging-Programme gesteuert – kräftig in den Körper investiert,<br />

um Fitnessfantasien, Schlankheitsidealen und Gesundheitsvorstellungen<br />

gerecht zu werden, das individuelle korporale<br />

Kapital zu erhalten oder gar zu steigern und um den Wert des<br />

Körpers auf dem «freien Markt» auszuhandeln. 30<br />

Fazit<br />

Der aktivierende Staat trägt dem «mündigen Bürger» oder<br />

der «mündigen Bürgerin» mehr Verantwortung zu. Er setzt<br />

auf «Empowerment» und Kompetenzaktivierung, auf Parolen,<br />

die Ausdruck eines veränderten und modernisierten Selbstverständnisses<br />

der Humanwissenschaften sind, deren Leitgedanken<br />

sich nahtlos in die regulierenden Strategien der Bio-Politik<br />

einfügen, wenn sie auf die Kontrollierung und Normalisierung<br />

des Menschen, bzw. auf die «Maximalisierung des Lebens»<br />

und auf die «Verantwortung für das Leben» 31 zielen. Das sich<br />

hier kristallisierende Menschenbild gleicht dem eines «Unternehmers».<br />

Der moderne Mensch, ob jung oder alt, krank oder<br />

gesund, arm oder reich, wird zum Entrepreneur seines eigenen<br />

Lebens, zum «Unternehmer seiner selbst», 32 der in sein eigenes<br />

Lebensprojekt investiert, indem er Kompetenzen langsam<br />

und stetig entwickelt. Mit unternehmerischem Kalkül wird<br />

dem «Risiko» Krankheit oder Alter vorzubeugen versucht. Das<br />

manageriale Denken greift tief in den Willen der einzelnen AkteurInnen.<br />

Überall nistet der Machbarkeitsgedanke. Der oder<br />

die Einzelne wird in die persönliche Verpfl ichtung und Verantwortung<br />

genommen – auch im Alter.<br />

Die modernen Leitbilder und Programme der Sozialen Gerontologie<br />

(«aktives», «erfolgreiches«, «produktives», «optimales<br />

Altern») sind ebenso wie die Leitbilder der Gesundheitswissenschaften<br />

(«Gesundheitsförderung», «Prävention»,<br />

«Salutogenese») und der Sozialen Arbeit («Empowerment»,<br />

«Hilfe zur Selbsthilfe») auf die Kontrollierung, Regulierung<br />

und Normalisierung des Menschen ausgerichtet. Es geht ihnen<br />

nicht um die Unterdrückung und Einschliessung störender und<br />

widerspenstiger Subjekte, sondern um die Produktion des<br />

zuverlässigen und fl exiblen Menschen.<br />

Aktivität wird zum regulativen Ideal, zur modernisierten Formel<br />

des «survival of the fi ttest». Der Aktivitätsdiskurs wird zu<br />

einer «Waffe der Macht, der Kontrolle, der Unterwerfung, der<br />

Qualifi zierung und Disqualifi zierung». 33 Auch wenn sich die<br />

Grammatik des Aktivierungsdiskurses derzeit als allgemein<br />

und alternativlos darstellt, wird sie bereits mit Blick auf das<br />

sogenannte vierte oder fünfte Alter unterlaufen. Die Vorstellung<br />

von einem nicht aktiven, nicht erfolgreichen oder nicht<br />

produktiven Alter bzw. ein potentiell denkbares «gescheitertes<br />

Alter(n)» steht im Widerspruch zur allgemeinen Doxa<br />

und unterminiert die bestehenden diskursiven Verknüpfungen<br />

der Aktivierungsformel. Die Kehrseite von Aktivität und Eigenverantwortlichkeit<br />

heisst dann, «dass Misserfolge jenen zuge-<br />

<strong>SuchtMagazin</strong> <strong>2|2013</strong> 11


Dossier: Sucht im Alter<br />

rechnet werden, denen es nicht gelingt, erfolgreich im Sinne<br />

des Aktivierungsimperativs zu handeln.» 34 Und wer dem «utopian<br />

dream» der Aktivität im Alter nicht gerecht werden kann,<br />

dem droht nicht nur der Ausschluss vom Aktivitätsdiskurs,<br />

sondern gleichsam der Einschluss in den durch professionelle<br />

Überwachung begrenzten nicht-partizipativen bzw. in den<br />

Diskurs des «monitoring». 35 .<br />

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Schroeter, K.R. (2009): Korporales Kapital und korporale Performanzen<br />

in der Lebensphase Alter. S. 163-181 in: H. Willems (Hrsg.), Theatralisierung<br />

der Gesellschaft Bd. 1. Wiesbaden: VS Verlag für<br />

Sozialwissenschaften.<br />

Schroeter, K.R. (2012): Altersbilder als Körperbilder: Doing Age by Bodyfi<br />

cation. S. 153-229 in: F. Berner/J. Rossow/K.-P. Schwitzer (Hrsg.),<br />

Individuelle und kulturelle Altersbilder. Expertisen zum Sechsten<br />

Altenbericht der Bundesregierung. Band 1. Wiesbaden: VS Verlag<br />

für Sozialwissenschaften.<br />

Schroeter, K.R. (2013): Zur Kritik der sozialpolitischen Formel der Altersaktivierung.<br />

S.246-269 in: Jahrbuch sozialer Protestantismus<br />

6. Alternde Gesellschaft. Soziale Herausforderungen des längeren<br />

Lebens. Gütersloh: Gütersloher Verlagshaus.<br />

Tremmel, J. (1996): Der Generationsbetrug. Plädoyer für das Recht der<br />

Jugend auf Zukunft. Frankfurt a.M.: Einborn.<br />

Wistow, G./Knapp, M./Hardy, B./Allan, C. (1993): Social Care in a Mixed<br />

Economy. Buckingham: Open University Press.<br />

Zeman, P./Schmidt, R. (2001): Soziale Altenarbeit – Strukturen und Entwicklungslinien.<br />

S. 235-282 in: Deutsches Zentrum für Altersfragen<br />

(Hrsg.), Expertisen zum Dritten Altenbericht der Bundesregierung,<br />

Bd. 3: Lebenslagen, soziale Ressourcen und gesellschaftliche Integration<br />

im Alter. Opladen: Leske + Budrich.<br />

Endnoten<br />

1 Der hier abgedruckte Beitrag ist eine gekürzte und modifi zierte<br />

Form von Schroeter 2013.<br />

2 Eine kleine Auswahl journalistischer Leitartikel: «Krieg den Alten»<br />

(Wiener 3/1989), «Kriegszustände zwischen den Generationen»<br />

(DER SPIEGEL 31/1989), «Die graue Revolution» (DIE ZEIT 13/1993),<br />

«Diktatur der Alten?» (DIE ZEIT 11/1995), «Ausbeutung der Jungen»<br />

(DER SPIEGEL 16/1995), «Die graue Welle» (Wochenpost), «Kampf<br />

der Generationen. Krieg der Alten» (DIE WOCHE 43/1995), «Der<br />

neue Krieg ums Geld. Jung gegen Alt» (FOCUS 23/1996), «Der neue<br />

Renten-Krieg» (DIE WOCHE 29/1996), «Wie die alten die Jungen<br />

ausplündern» (DER SPIEGEL 6/1997).<br />

3 Mit «Generationenbetrug» bezeichnet Tremmel (1996) den aus<br />

seiner Sicht zu beklagenden Umstand, dass der Generationenvertrag<br />

vor allem die Älteren und weniger die Jüngeren im Fokus habe.<br />

Er kritisiert, dass die Jüngeren eine deutlich niedrigere Rendite in<br />

der staatlichen Rentenversicherung haben als die Älteren. Zudem<br />

bemängelt er, dass sich die Jüngeren in unsicheren und prekären<br />

Arbeitsverhältnissen bewegen müssen, während ältere Arbeitnehmer<br />

auf vor Jahrzehnten zugesagten Arbeitsrechten bestehen<br />

können.<br />

4 Der «Dritte Sektor» bezeichnet einen Bereich jenseits von Staat<br />

(öffentlicher Sektor) und Markt (erwerbswirtschaftlicher Sektor),<br />

der in der Fachdiskussion mitunter auch als Non-Profi t-Sektor oder<br />

als intermediärer Bereich gekennzeichnet wird.<br />

5 Vgl. Etzioni 1968, 2009.<br />

6 Vgl. Gilbert/Gilbert 1989.<br />

7 Vgl. Lamping/Schridde 2004.<br />

8 Dingeldey 2006: 9.<br />

9 Vgl. Etzinoni 1968, 2009, 1999.<br />

10 Der Habitus bezeichnet ein System dauerhafter Anlagen (Dispositionen),<br />

das sich in Form einer vom Menschen erworbenen Haltung<br />

oder eines erworbenen Gehabes ausdrückt und den Menschen zu<br />

praktischem Handeln veranlasst. Dieses System beinhaltet Denk-,<br />

Wahrnehmungs-, Beurteilungs- und Handlungsschemata, die zur<br />

«zweiten Natur» der AkteurInnen werden und damit das Fundament<br />

des «praktischen Sinns» bilden (Vgl. Bourdieu 1979).<br />

11 Bourdieu 1998: 141.<br />

12 Bourdieu 1993: 80.<br />

13 Bourdieu 2001: 19, f.<br />

14 Bourdieu 1998: 143.<br />

15 Kessl 2006: 221, ff.<br />

16 Vgl. Havighurst et al. 1968.<br />

17 Zeman/Schmidt 2001: 261, ff.<br />

18 Vgl. Schroeter 2004.<br />

19 Vgl. Ekerdt 1986.<br />

20 Ekerdt 1986: 241, f.<br />

21 Havighurst et al. 1968: 161.<br />

22 Zum Dispositivbegriff Vgl. Foucault 2003: <strong>39</strong>1, ff.<br />

23 Bröckling 2007: 214.<br />

24 Katz 2000: 148.<br />

25 Vgl. Foucault 2004.<br />

26 Foucault 1983: 167, 171.<br />

27 Foucault 1999: 276, ff.<br />

28 Foucault 2005: 966, ff.<br />

29 Vgl. Schroeter 2009.<br />

30 Vgl. Schroeter 2012.<br />

31 Foucault 1983: 148, 170.<br />

32 Foucault 2004: 314.<br />

33 Foucault 2003: 165.<br />

34 Kocyba 2004: 20.<br />

35 Biggs, Powell 2001: 110.<br />

12 <strong>SuchtMagazin</strong> <strong>2|2013</strong>


Dossier: sucht im Alter<br />

Substanzkonsum<br />

der älteren Bevölkerung<br />

der Schweiz<br />

Das Suchtmonitoring Schweiz weist für das Jahr 2011 Unterschiede beim<br />

starken Alkoholkonsum, beim Tabakkonsum und bei der Medikamenteneinnahme<br />

zwischen den 45- bis 64-Jährigen und den über 64-Jährigen auf.<br />

Während der Anteil an Rauschtrinkenden und täglich Rauchenden zurückgeht,<br />

steigen die Anteile der Personen, die chronisch stark trinken und die täglich<br />

psychoaktive Medikamente einnehmen. Der gleichzeitige Gebrauch von<br />

Medikamenten und Alkohol am selben Tag ist keine Seltenheit.<br />

Luca Notari<br />

Lic. sc. po., Sucht Schweiz, Forschung, Postfach 870, CH-1001 Lausanne,<br />

Tel. +41 (0)21 321 29 55, lnotari@addictionsuisse.ch<br />

Marina Delgrande Jordan<br />

MAS, Sucht Schweiz, Forschung, Tel. +41 (0)21 321 29 96,<br />

mdelgrande@addictionsuisse.ch<br />

Gerhard Gmel<br />

Prof. PHD, Sucht Schweiz, Forschung, Tel. +41 (0)21 321 29 59,<br />

ggmel@suchtschweiz.ch<br />

Schlagwörter:<br />

Alter | Alkohol | Tabak | Medikamente | Risikokonsum |<br />

Einführung<br />

Herausforderungen durch die zunehmende<br />

Lebenserwartung<br />

Der Anstieg der Lebenserwartung stellt eine Reihe neuer<br />

Anforderungen an die westlichen Industrienationen. Die demographische<br />

Alterung und damit einhergehend die Zunahme<br />

des Anteils älterer Personen, die von chronischen Krankheiten<br />

oder funktionellen Einschränkungen betroffen sind, stellt Anforderungen<br />

an die therapeutische Versorgung und psychosoziale<br />

Betreuung. Es müssen Strategien entwickelt werden, die<br />

ein Älterwerden in guter Gesundheit sicherstellen. Dazu gehört<br />

u. a. die Prävention bestimmter Verhaltensweisen wie des<br />

Substanzgebrauchs, die an der Entwicklung oder Zuspitzung<br />

chronischer Krankheiten beteiligt sein können. Es ist bekannt,<br />

dass der Konsum von Alkohol und Tabak oder die Einnahme<br />

von Medikamenten negative Auswirkungen auf die Gesundheit<br />

haben können, 1 wobei sich ein Grossteil davon erst nach<br />

längerem Konsum einstellen.<br />

Stärkere Effekte des Substanzkonsums im Alter<br />

Die Studie von Anderson und Scafato 2 deutet darauf hin,<br />

dass SeniorInnen aufgrund altersbedingter biologischer Veränderungen<br />

empfi ndlicher gegenüber den Effekten des Alkoholkonsums<br />

sind als jüngere Erwachsene. SeniorInnen scheinen<br />

auch eine gesteigerte Sensibilität gegenüber der Wirkung<br />

von Medikamenten zu haben, insbesondere wegen der verringerten<br />

Fähigkeit, pharmakologische Substanzen im Körper abzubauen.<br />

3 Die Einnahme von Schlaf- und Beruhigungsmitteln<br />

kann zu Stürzen und anderen Unfällen führen. 4 Ausserdem<br />

kann die gleichzeitige Einnahme von Medikamenten und Alkohol<br />

eine Reihe negativer Folgen haben: Z. B. können bestimmte<br />

Medikamente die Wirkung von Alkohol verstärken, wobei dieser<br />

wiederum die Wirksamkeit von Medikamenten reduzieren<br />

kann. 5<br />

Das Suchtmonitoring Schweiz<br />

Der übermässige Konsum psychoaktiver Substanzen, ob<br />

erst kürzlich begonnen oder schon länger dauernd, kann einen<br />

schädlichen Einfl uss auf die Gesundheit und die Selbständigkeit<br />

von SeniorInnen haben. Das vom Bundesamt für Gesundheit<br />

fi nanzierte Suchtmonitoring Schweiz 6 befasst sich<br />

in einem Teil mit Fragen des Substanzgebrauchs bei älteren<br />

Personen und liefert wesentliche Anhaltspunkte für die Prävention<br />

dieser vermeidbaren Ursache von Morbidität und Mortalität.<br />

Teil des Suchtmonitorings ist eine repräsentative Telefonbefragung<br />

von etwa 11‘000 Personen der ständigen Schweizer<br />

Wohnbevölkerung ab 15 Jahren. Ziel dieser Repräsentativbefragung<br />

ist die Beobachtung der Entwicklung des Konsums<br />

psychoaktiver Substanzen wie Alkohol, Tabak, Cannabis oder<br />

von Medikamenten.<br />

Methode und Grenzen der Aussagekraft<br />

Die Ergebnisse der vorliegenden Studie sind im Wesentlichen<br />

dem Jahresbericht 2011 des Suchtmonitorings Schweiz<br />

entnommen 7 und wurden ergänzt durch detaillierte Analysen<br />

nach Alter und Geschlecht.<br />

Betrachtet wird der Konsum legaler Substanzen, also Alkohol,<br />

Tabak und Medikamente. Besonderer Bezug wird auf den<br />

risikoreichen Gebrauch bei den SeniorInnen (65- bis 74-Jährige<br />

und über 74-Jährige) gelegt. Zum Vergleich werden die<br />

Ergebnisse bei jüngeren Altersgruppen (45- bis 54-Jährige und<br />

55- bis 64-Jährige) herangezogen. Illegale Substanzen wie Cannabis<br />

werden nicht betrachtet, da deren Prävalenzraten in der<br />

Altersgruppe der über 64-Jährigen gegen Null tendieren.<br />

Bei der Interpretation der Ergebnisse sollte folgenden zwei<br />

Punkten Rechnung getragen werden: 8 Erstens werden über die<br />

Repräsentativbefragung des Suchtmonitorings per Telefon nur<br />

Personen in Privathaushalten befragt. Personen, die sich zur<br />

<strong>SuchtMagazin</strong> <strong>2|2013</strong> 13


Dossier: sucht im Alter<br />

Zeit der Befragung in Einrichtungen (Spitäler, medizinisch-soziale<br />

Einrichtungen, etc.) befi nden, werden also nicht berücksichtigt.<br />

Ebenso werden Personen mit kognitiven Einschränkungen<br />

oder Hörschwächen ausgeschlossen, da diese kaum in<br />

der Lage sind, telefonisch Auskunft zu geben. Dies bedeutet,<br />

dass ein nicht vernachlässigbarer Teil von SeniorInnen (insbesondere<br />

bei jenen über 74 Jahre) nicht Teil der Stichprobe sind,<br />

was die Repräsentativität für eine Gesamtpopulation von SeniorInnen<br />

einschränkt. Zweitens erlauben die Querschnittsdaten<br />

nicht, zwischen Alters-, Kohorten- und Periodeneffekten<br />

zu unterscheiden. Alterseffekte spiegeln die Tatsache wider,<br />

dass Individuen ihr Konsumverhalten mit zunehmendem Alter<br />

ändern. Kohorteneffekte dagegen betreffen Effekte, die dadurch<br />

entstehen, dass z. B. die heute 65- bis 74-Jährigen unter<br />

anderen Lebensbedingungen und Umständen gelebt – und<br />

somit andere Konsummuster entwickelt haben – als jüngere<br />

Kohorten wie jene der 45- bis 54-Jährigen. Periodeneffekte bedeuten,<br />

dass das Verhalten von einzelnen Personen unabhängig<br />

von ihrem Alter oder ihrer Kohortenzugehörigkeit durch<br />

bedeutende, die Allgemeinheit zu einem gegebenen Zeitpunkt<br />

betreffende Ereignisse beeinfl usst wird.<br />

Alkohol<br />

Alkoholkonsum ist bei über 64-Jährigen weit verbreitet. Obwohl<br />

die Prävalenz abstinent Lebender bei den 65- bis 74-Jährigen<br />

(12.2%) und den über 74-Jährigen (17.2%) im Vergleich<br />

zu den 45- bis 54-Jährigen (10,2%) und den 55-bis 64-Jährigen<br />

(10,1%) leicht erhöht ist, so steigt indes auch die Prävalenz<br />

täglich Alkoholkonsumierender von 7.7% bei den 45- bis 54-Jährigen<br />

auf 28.8% bei den über 74-Jährigen an. Letztere Tendenz<br />

ist bei beiden Geschlechtern zu fi nden, der Anteil täglich Konsumierender<br />

liegt bei den Frauen aber deutlich niedriger als<br />

bei Männern.<br />

Ein Anstieg der Prävalenzen ist auch beim chronisch exzessiven<br />

Konsum zu beobachten (Abbildung 1). Darunter wird der<br />

Konsum von durchschnittlich täglich mehr als 40 Gramm Reinalkohol<br />

bei Männern und 20 Gramm bei Frauen verstanden.<br />

Eine solche durchschnittliche Konsummenge ist auf längere<br />

Sicht mit einem mittleren bis hohen Risiko für die Entwicklung<br />

chronischer Erkrankungen verbunden. Der Anteil der Personen<br />

mit einem chronisch exzessiven Konsum steigt von 3,7% bei<br />

den 45- bis 54-Jährigen auf 7,6% bei den 65-bis 74-Jährigen an<br />

und geht dann auf 6,2% bei den über 74-Jährigen zurück. Diese<br />

Tendenz lässt sich sowohl bei Männern als auch bei Frauen<br />

feststellen, wobei die Unterschiede zwischen den Geschlechtern<br />

über alle Altersgruppen hinweg geringfügig sind.<br />

Gänzlich anders als beim chronisch exzessiven Konsum<br />

stellt sich das Bild beim Rauschtrinken dar (Abb. 1). Unter<br />

Rauschtrinken wird hier der zumindest einmal monatliche<br />

Konsum von 5 Standardgetränken oder mehr bei Männern bzw.<br />

4 Standardgetränken oder mehr bei Frauen bei einer Gelegenheit<br />

verstanden. Die Prävalenz des Rauschtrinkens beträgt<br />

16.8% bei den 45- bis 54-Jährigen und 16.9% bei den 55- bis<br />

64-Jährigen. Sie geht auf 10.5% bei den 65- bis 74-Jährigen zurück<br />

und beträgt bei den über 74-Jährigen noch 5.7%. Dieser<br />

Rückgang ist bei beiden Geschlechtern zu beobachten (Frauen:<br />

von 11,3% bei den 45-bis 54-Jährigen auf 2,0% bei den 75-Jährigen;<br />

Männer: von 22.8% auf 10,2%).<br />

Zusammengenommen weist fast jede 7. Person (13,6%)<br />

im Alter zwischen 65 und 74 Jahren und etwa jede 10. (9,7%)<br />

ab einem Alter von 75 Jahren zumindest eine der beiden risikoreichen<br />

Alkoholkonsumformen auf (chronisch exzessiver<br />

Konsum oder Rauschtrinken). Wegen des erhöhten Rauschtrinkens<br />

sind die entsprechenden Anteile bei den 45- bis 54-Jährigen<br />

(17,8%) und den 55- bis 64-Jährigen (17,2%) höher.<br />

Tabak<br />

Der Anteil täglich Rauchender ist bei den über 74-Jährigen<br />

am niedrigsten (Abb. 2): Etwa 21% der 45- bis 64-Jährigen und<br />

12,0% der 65- bis 74-Jährigen sowie 7,6% der über 74-Jährigen<br />

rauchen täglich. Dieser Rückgang an täglich Rauchenden zwischen<br />

45- bis 64-Jährigen und über 75-Jährigen beträgt bei beiden<br />

Geschlechtern etwa 13 Prozentpunkte (von 23,1% auf 9,8%<br />

bei den Männern und von 19,3% auf 5,7% bei den Frauen).<br />

Medikamente<br />

Die Einnahme von Medikamenten mit Abhängigkeitspotenzial<br />

ist insbesondere bei über 74-Jährigen verbreitet (Abbildung<br />

3). Darunter werden hier rezeptpfl ichtige oder nicht rezeptpfl<br />

ichtige starke Schmerzmittel (also kein Paracetamol, Aspirin,<br />

etc.), Schlaf- und Beruhigungsmittel sowie Psychostimulanzien<br />

gezählt.<br />

Die Prävalenzraten jener, die starke Schmerzmittel täglich<br />

oder fast täglich einnehmen (d. h. 20-mal oder häufi ger in<br />

den letzten 30 Tagen) steigen in der Regel kontinuierlich mit<br />

dem Alter an. Bei den 45- bis 54-Jährigen nehmen 2,6% täglich<br />

oder fast täglich starke Schmerzmittel ein. Bei den 55- bis<br />

64-Jährigen und 65- bis 74-Jährigen sind es 3.8% respektive 3.5%<br />

25%<br />

20%<br />

22.8%<br />

23.3%<br />

16.8%<br />

15.9%<br />

25%<br />

20%<br />

22.4%<br />

23.1%<br />

20.7%<br />

19.3%<br />

21.5%<br />

21.0%<br />

15%<br />

10%<br />

5%<br />

3.1%<br />

4.4%<br />

7.4%<br />

6.9%<br />

4.3%<br />

6.6%<br />

7.9%<br />

5.5%<br />

3.5%<br />

5.6%<br />

7.6%<br />

6.2%<br />

14.5%<br />

10.2%<br />

11.3%<br />

10.0%<br />

6.0%<br />

2.0%<br />

10.5%<br />

5.7%<br />

15%<br />

10%<br />

5%<br />

13.0%<br />

9.8%<br />

10.9%<br />

5.7%<br />

12.0%<br />

7.6%<br />

0<br />

Männer Frauen Total<br />

Männer Frauen<br />

chronisch risikoreicher Konsum<br />

Rauschtrinken<br />

45-54 55-64 65-74 75 +<br />

Abb. 2: Anteil täglich Rauchender in der Schweizer Bevölkerung ab 45<br />

Abb. 1: Anteile an Personen mit risikoreichem Alkoholkonsum<br />

Bevölkerung ab 45 Jahren, nach Alter und Geschlecht. 9<br />

(chronisch exzessiver Konsum bzw. Rauschtrinken) in der Schweizer Jahren, nach Alter und Geschlecht. 10<br />

14 <strong>SuchtMagazin</strong> <strong>2|2013</strong><br />

Total<br />

0%<br />

Männer Frauen Total<br />

45-54 55-64 65-74 75 +


und bei den über 74-Jährigen 6,9%. Bei beiden Geschlechtern<br />

ist die (fast) tägliche Einnahme bei den über 74-Jährigen am<br />

weitesten verbreitet, wobei der Anteil bei den Frauen etwa<br />

doppelt so hoch ist wie bei den Männern (9,2% versus 4,3%).<br />

Auch die (fast) tägliche Einnahme von Schlaf- und Beruhigungsmitteln<br />

steigt kontinuierlich mit dem Alter an (Abbildung<br />

3). Bei den 45-bis 54-Jährigen sind es 3.5% mit fast<br />

täglicher Einnahme, 5,1% bei den 55- bis 64-Jährigen und 6,4%<br />

bei den 65- bis 74-Jährigen. Bei den über 74-Jährigen verdoppelt<br />

sich dann der Anteil fast täglich Einnehmender nahezu auf<br />

11,5%. Der Anstieg der Prävalenzraten mit dem Alter ist bei den<br />

Frauen steiler als bei den Männern. Bei den über 74-Jährigen z.<br />

B. liegen etwa 5 Prozentpunkte zwischen den Frauen (13,8%)<br />

und den Männern (8.8%).<br />

Bei den Psychostimulanzien ist der (fast) tägliche Gebrauch<br />

sehr selten und liegt sowohl bei Frauen als auch bei Männern<br />

nahe bei 0%.<br />

Multipler Substanzgebrauch<br />

Kombination von Alkoholkonsum und<br />

Medikamentengebrauch<br />

Bei den über 64-Jährigen, die chronisch exzessiv Alkohol<br />

trinken und/oder rauschtrinken, haben 14.4% (Männer: 8,6%;<br />

Frauen: 24,2%) in den letzten 30 Tagen vor der Befragung (fast)<br />

täglich mindestens ein psychotropes Medikament (starke<br />

Schmerzmittel, Schlaf- und Beruhigungsmittel, Psychostimulanzien)<br />

eingenommen. Das ist prävalenter als bei Alkoholkonsumierenden,<br />

die keine der beiden risikoreichen Alkoholkonsumformen<br />

aufweisen.<br />

Kombination von Tabak- und Alkoholkonsum<br />

Bei täglich Rauchenden über 64 Jahre weisen 28,7% (Männer:<br />

36,2%; Frauen: 8,1%) zumindest eine der beiden risikoreichen<br />

Alkoholkonsumformen auf. Bei gelegentlich oder nicht<br />

Rauchenden ist der Anteil deutlich geringer.<br />

Gleichzeitige Einnahme von Alkohol und Medikamenten<br />

Die Befragung im Rahmen des Suchtmonitorings beinhaltete<br />

2011 ein Modul, welches sich speziell an 60-Jährige und<br />

Ältere richtete. Dieses Modul erhob die gleichzeitige (am selben<br />

Tag) Einnahme von Medikamenten und Alkohol. Bei den<br />

über 59-Jährigen berichteten 15,7% an allen oder fast allen<br />

Tagen, an denen sie irgendwelche Medikamente einnehmen,<br />

auch Alkohol zu konsumieren. Das Risiko für eine Interaktion<br />

25%<br />

20%<br />

15%<br />

10%<br />

5%<br />

0%<br />

1.9%<br />

1.9%<br />

3.1%<br />

4.3%<br />

3.2%<br />

5.4%<br />

4.0%<br />

9.2%<br />

2.6%<br />

3.8%<br />

3.5%<br />

6.9%<br />

3.9%<br />

3.1%<br />

4.3%<br />

Männer Frauen Total<br />

Männer Frauen Total<br />

starke Schmerzmittel<br />

Schlaf- und Beruhigungsmittel<br />

45-54 55-64 65-74 75 +<br />

Abb. 3: Anteile an Personen mit (fast) täglicher Einnahme starker<br />

Schmerzmittel bzw. Schlaf- und Beruhigungsmittel in der Schweizer<br />

Bevölkerung ab 45 Jahren, nach Alter und Geschlecht. 11<br />

8.8%<br />

3.2%<br />

6.7%<br />

8.9%<br />

13.8%<br />

3.5%<br />

5.1%<br />

6.4%<br />

11.5%<br />

von Alkohol mit Medikamenten ist bei jenen über 59-Jährigen<br />

erhöht, welche häufi g Alkohol trinken.<br />

Zusammenfassung und Schlussfolgerung<br />

Das Suchtmonitoring Schweiz zeigt, dass der Konsum psychotroper<br />

Substanzen bei SeniorInnen (65 Jahre und älter),<br />

die in einem Privathaushalt leben, keine Seltenheit ist. Dieses<br />

Ergebnis bestätigt dasjenige der Schweizerischen Gesundheitsbefragung<br />

2007. 12 Diese zeigte ausserdem, dass sich die<br />

meisten in Privathaushalten lebenden SeniorInnen im allgemeinen<br />

bei guter Gesundheit fühlen und nicht sozial isoliert<br />

sind.<br />

Die hier vorgestellten Ergebnisse weisen für die Senior-<br />

Innen auf einige Besonderheiten im Vergleich mit jüngeren<br />

Altersgruppen hin. Bei den über 64-Jährigen gibt es anteilsmässig<br />

mehr Personen mit einem chronisch exzessiven Alkoholkonsum<br />

als bei den 45- bis 64-Jährigen. Ebenso ist die (fast)<br />

tägliche Einnahme von starken Schmerzmitteln sowie von<br />

Schlaf- und Beruhigungsmitteln deutlich häufi ger. Dagegen<br />

sind die über 64-Jährigen proportional seltener Rauschtrinkende<br />

und täglich Rauchende als 45- bis 64-Jährige.<br />

Selbst bei den SeniorInnen gibt es Altersunterschiede. So sind<br />

bei den 65- bis 74-Jährigen häufi ger Personen anzutreffen die<br />

täglich rauchen und risikoreich Alkohol konsumieren (chronisch<br />

exzessiver Konsum und/oder Rauschtrinken) als bei den<br />

über 74-Jährigen. Die (fast) tägliche Medikamenteneinnahme<br />

(starke Schmerzmittel und/oder Schlaf- und Beruhigungsmittel)<br />

ist dagegen häufi ger bei den über 74-Jährigen als bei den<br />

65- bis 74-Jährigen anzutreffen.<br />

Diese Ergebnisse erlauben keine Aussagen darüber, inwieweit<br />

die Unterschiede zwischen verschiedenen Altersgruppen<br />

auf Alters- oder Kohorteneffekte zurückzuführen sind (vgl. Kapitel<br />

Methode und Grenzen der Aussagekraft). Bspw. könnten<br />

die niedrigeren Anteile täglich Rauchender bei den über 64-Jährigen<br />

im Vergleich zu den 45- bis 64-Jährigen unterschiedliche<br />

Erklärungen haben, die sich nicht unbedingt gegenseitig ausschliessen:<br />

– Die über 65-Jährigen entstammen einer Generation,<br />

die allgemein weniger geraucht hat als jene der 45- bis<br />

64-Jährigen.<br />

– Aufgrund des Alters (bspw. wegen des Auftretens<br />

chronischer Erkrankungen) haben ehemals Rauchende<br />

mit dem Rauchen aufgehört, d. h. es befi ndet sich in der<br />

Altersgruppe der über 64-Jährigen im Vergleich zu den<br />

Jüngeren ein höherer Anteil Ex-Rauchender.<br />

Der starke Alkoholkonsum und das Rauchen sind natürlich<br />

auch generell schädlich für die Gesundheit und somit für eine<br />

vorzeitige Sterblichkeit verantwortlich. Um bei unserem Beispiel<br />

des geringen Anteils täglich Rauchender bei den über<br />

64-Jährigen zu bleiben, bedeutet dies, dass insbesondere jene<br />

dieses Alter erreichen, die nie oder nur sehr wenig geraucht<br />

haben.<br />

Die Studie zeigt in der Altersgruppe der über 64-Jährigen auch<br />

deutliche Geschlechtsunterschiede. Männer sind proportional<br />

häufi ger als Frauen Rauschtrinkende. Bei den Frauen dagegen<br />

ist die (fast) tägliche Einnahme von starken Schmerzmitteln<br />

sowie von Schlaf- und Beruhigungsmitteln deutlich weiter<br />

verbreitet als bei Männern. Dagegen ähneln sich Männer und<br />

Frauen, was den chronisch exzessiven Alkoholkonsum anbelangt,<br />

und die täglich Rauchenden sind bei 65- bis 74-jährigen<br />

Männern und Frauen ähnlich stark vertreten. Dies gilt jedoch<br />

nicht für die über 74-Jährigen, bei denen Männer häufi ger als<br />

Frauen täglich rauchen.<br />

Zu betonen ist auch, dass bei den (älteren) SeniorInnen die<br />

<strong>SuchtMagazin</strong> <strong>2|2013</strong> 15


Dossier: sucht im Alter<br />

Einnahme von Medikamenten mit Abhängigkeitspotenzial<br />

häufi g ist, was mit dem Auftreten verschiedener chronischer<br />

Erkrankungen sowie Symptomen wie Schlafl osigkeit erklärt<br />

werden kann. 13<br />

Allerdings gibt ein nicht-vernachlässigbarer Teil der über<br />

59-Jährigen (15,7%) an, an Tagen, an denen sie Medikamente<br />

einnehmen, immer oder fast immer auch Alkohol zu konsumieren,<br />

und setzt sich so Nebenwirkungen von Medikamenten<br />

oder einer Wirkungsverstärkung der Alkoholeffekte aus. 14<br />

Die Ergebnisse der vorliegenden Studie zeigen Ansatzpunkte<br />

für Interventionen im Bereich psychotroper Substanzen bei<br />

SeniorInnen auf. Dabei legen Alters- und Geschlechtsunterschiede<br />

nahe, dass diese spezifi sch auf die unterschiedlichen<br />

Gruppenprofi le ausgerichtet werden sollten, um wirksam zu<br />

sein..<br />

Literatur<br />

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K./Grube, J.W./Hill, L./Holder, H.D./Homel, R./Livingston, M./<br />

Österberg, E./Rehm, J./Room, R./Rossow, I. (2010): Alcohol: No<br />

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Gmel, G./Kuendig, H./Maffl i, E./Notari, L./Wicki, M./Georges, A./Grisel-<br />

Staub, E./Müller, M./Dubois-Arber, F./Gervasoni, J.-P./Lucia, S./<br />

Jeannin, A./Uchtenhagen, A./Schaub, M. (2012): Suchtmonitoring<br />

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Suisse.<br />

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Medicine 169(21): 1952-1960.<br />

Endnoten<br />

1 Vgl. Babor et al. 2010; Fagerström 2002; Buclin/Biollaz 2000.<br />

2 Vgl. Anderson/Scafato 2010.<br />

3 Vgl. Buclin/Biollaz 2000.<br />

4 Vgl. Woolcott et al. 2009.<br />

5 Vgl. Moore et al. 2007.<br />

6 www.suchtmonitoring.ch<br />

7 Vgl. Gmel et al. 2012.<br />

8 Vgl. auch Notari/Delgrande 2012.<br />

9 Quellen: Suchtmonitoring Schweiz 2011; Gmel et al. 2012; eigene<br />

Berechnungen.<br />

10 Vgl. ebd.<br />

11 Vgl. ebd.<br />

12 Vgl. Notari/Delgrande 2012.<br />

13 Vgl. Offerhaus 1997.<br />

14 Vgl. Moore et al. 2009.


Dossier: sucht im Alter<br />

Sucht im Alter: Projekte auf<br />

nationaler Ebene<br />

Problematische Konsummuster können auch bei älteren Menschen die<br />

Lebensqualität beeinträchtigen. Verschiedene Projekte auf nationaler Ebene<br />

erleichtern einerseits älteren Menschen den Zugang zu Informationen<br />

darüber, was beim Konsum im Alter zu beachten ist. Andererseits erhalten<br />

Fachpersonen, z. B. durch Weiterbildung, Unterstützung in der Betreuung von<br />

älteren Menschen mit einer Suchtgefährdung oder Suchtproblematik.<br />

Regula Hälg<br />

Lic. phil., wissenschaftliche Mitarbeiterin Infodrog, Eigerplatz 5,<br />

Postfach 460, CH-3000 Bern 14, r.haelg@infodrog.ch, www.infodrog.ch<br />

Schlagwörter:<br />

Alter | Alkoholkonsum | Früherkennung | Frühintervention | Hausarzt |<br />

Sucht im Alter<br />

Problematische Konsumgewohnheiten sind bei älteren –<br />

wie bei jüngeren – Menschen eine Realität. Der Konsum von<br />

Alkohol ist weit verbreitet und gesellschaftlich akzeptiert. Personen<br />

in substitutionsgestützter Behandlung werden zunehmend<br />

älter. 1 Die Einnahme von Medikamenten zur Linderung<br />

von Beschwerden ist insbesondere bei älteren Menschen häufi<br />

g. 2 Die Übergänge, die von einem risikoarmen zu einem problematischen<br />

Konsum oder gar zu einer Abhängigkeit führen,<br />

sind jedoch oft fl iessend.<br />

Aufgrund der demographischen Entwicklung 3 wird von einer<br />

Zunahme von älteren Menschen mit einer Suchtgefährdung<br />

oder einer Suchtproblematik ausgegangen. 4 Dies stellt<br />

nicht nur die Prävention und die Suchthilfe vor neue Herausforderungen,<br />

sondern auch Fachpersonen in den Bereichen Alter,<br />

Betreuung und Pfl ege. Entsprechend ist «Sucht im Alter» insbesondere<br />

in den letzten beiden Jahren sowohl in den Medien<br />

als auch in den betroffenen Bereichen zu einem aktuellen Thema<br />

geworden. 5<br />

Suchtprobleme bei älteren Personen sollen nicht tabuisiert<br />

oder banalisiert werden. Sie haben ein Anrecht auf Informationen<br />

und Unterstützung ohne Vorurteile und ohne Vorwürfe.<br />

Vielfältige Herausforderungen<br />

Trotz verschiedenen Ansätzen zur Theoretisierung von «Alter»<br />

soll betont werden, dass Alter keine fi xe Kategorie ist. 6<br />

Aufgrund der Heterogenität der Gruppe der älteren Menschen<br />

sind auch die Herausforderungen für den Fachbereich in Bezug<br />

auf Sucht im Alter vielfältig. So braucht es auf ältere Menschen<br />

zugeschnittene Ansätze für die Prävention von Suchtmittelproblemen.<br />

Hierzu leistet u. a. das Projekt Via – Best Practice<br />

Gesundheitsförderung im Alter 7 einen Beitrag.<br />

In den Institutionen des Altersbereichs (Alterszentren,<br />

Pfl egeheime, Spitex-Organisationen etc.) wird zunehmend die<br />

Wichtigkeit zur Erarbeitung von Konzepten der Früherkennung<br />

und Frühintervention erkannt. Dies ermöglicht einer Institution<br />

das Entwickeln einer gemeinsamen Haltung bezüglich des<br />

Konsums von Alkohol und weiteren psychoaktiven Substan-<br />

zen, das frühzeitige Erkennen von Suchtgefährdungen und<br />

-problemen und bietet den Leitenden wie auch den Mitarbeitenden<br />

Handlungssicherheit. Verschiedene Suchtfachstellen<br />

sowie die Zürcher Fachstelle zur Prävention des Alkohol- und<br />

Medikamentenmissbrauchs ZüFAM bieten dazu eine Begleitung<br />

und Beratung bei der Konzepterarbeitung an.<br />

Bei einer manifest gewordenen Suchtproblematik scheint<br />

es aufgrund der unterschiedlichen Ursachen und Auswirkungen<br />

für die Behandlung und Betreuung sinnvoll, zwischen<br />

einem frühen (early-onset) und einem späten Beginn (lateonset)<br />

der Abhängigkeit, resp. der Problemmanifestation zu<br />

unterscheiden. 8 Konzepte und entsprechende Angebote sind<br />

daher auch für älter werdende suchtmittelabhängige Personen<br />

notwendig, wie z. B. niederschwellige Angebote für alkoholabhängige<br />

Menschen oder geeignete Wohnangebote für in der<br />

Mobilität eingeschränkte Personen in substitutionsgestützter<br />

Behandlung. 9<br />

Schliesslich stellt auch die Diversität der älteren Menschen<br />

(wie auch generell der KlientInnen und PatientInnen)<br />

die Suchtfachleute wie auch die ÄrztInnen vor (zunehmend)<br />

komplexe Herausforderungen. Aspekte der Diversität sind z. B.<br />

Lebensalter, Geschlecht/Gender, Migrationshintergrund, psychische,<br />

somatische und soziale Komorbidität, Behinderung,<br />

sozioökonomischer Status, Religion, Persönlichkeit. Für die<br />

Handhabung dieser Vielfalt ist es wichtig, zum einen Institutionen<br />

im Altersbereich für die einzelnen Diversitätsaspekte<br />

sowie die entsprechenden spezifi schen Interventionsansätze<br />

zu sensibilisieren, zum andern eine ganzheitliche Sicht- und<br />

Arbeitsweise zu fördern, in denen die verschiedenen Aspekte<br />

integral berücksichtigt werden. 10<br />

Projekte auf nationaler Ebene<br />

Die verschiedenen bereits aufgebauten und entstehenden<br />

Projekte auf lokaler, regionaler und kantonaler Ebene im Bereich<br />

Sucht im Alter sind bis anhin wenig koordiniert. Vereinzelte<br />

Aktivitäten auf nationaler Ebene sind im Rahmen des<br />

Nationalen Programms Alkohol NPA entstanden, wie z. B. zwei<br />

Studien, 11 die im Auftrag des BAG erarbeitet wurden, sowie<br />

die Website Sucht und Alter (siehe unten). Zudem sind im<br />

Rahmen des Suchtmonitorings Bestrebungen im Gange, eine<br />

verbesserte Datengrundlage zu schaffen. 12 Unter dem Thema<br />

Diversität, wozu auch der Aspekt «Lebensalter» zu zählen ist,<br />

sollen zukünftig im Bereich Sucht im Alter vermehrt koordinierende<br />

Aktivitäten auf nationaler Ebene angestrebt werden. Sie<br />

<strong>SuchtMagazin</strong> <strong>2|2013</strong> 17


Dossier: Sucht im Alter<br />

sollen dazu beitragen, dass bereits erarbeitetes Know-how im<br />

Rahmen von Projekten und Angeboten ausgetauscht und für<br />

Synergien nutzbar gemacht werden kann.<br />

Verschiedene Projekte auf nationaler Ebene leisten bereits<br />

heute einen Beitrag zur Erarbeitung von Grundlagen, die eine<br />

bessere Unterstützung von älteren Menschen mit einer Suchtgefährdung<br />

oder mit einer Suchtproblematik ermöglichen sollen.<br />

Website Sucht und Alter<br />

Im Rahmen des Nationalen Programms Alkohol 13 wird die<br />

Website «Sucht und Alter» in Kooperation von Sucht Schweiz,<br />

der Forel Klinik, der ZüFAM und Infodrog (Projektleitung) erarbeitet.<br />

Die Aufschaltung unter www.suchtundalter.ch sowie unter<br />

www.alkohol-im-alter.ch erfolgt im April 2013. Diese internetbasierte<br />

Wissensplattform mit Informationen zu Alkohol<br />

im Alter in den Sprachen deutsch, französisch und italienisch<br />

richtet sich an vier Zielgruppen:<br />

Ältere Menschen<br />

Um der Heterogenität der Zielgruppe der älteren Menschen<br />

gerecht zu werden, wird sie mit 55plus angesprochen. Ältere<br />

Menschen können sich auf der Webseite über den Konsum von<br />

Alkohol und seine Auswirkungen auf den älter werdenden Körper<br />

informieren. Es wird erläutert, was ein risikoarmer Konsum<br />

ist, was beim gleichzeitigen Konsum von Alkohol und Medikamenten<br />

zu beachten ist und wie Alkoholproblemen vorgebeugt<br />

werden kann. Darüber hinaus fi nden sich Informationen zur<br />

Alkoholabhängigkeit sowie Hinweise zur Unterstützung bei<br />

Problemen. Diese Webinhalte sind durch Sucht Schweiz erarbeitet<br />

worden.<br />

Nahestehende<br />

In diesem Teil der Website fi nden Angehörige, Freunde und<br />

weitere Personen im sozialen Umfeld von älteren Menschen<br />

generelle Informationen zu Alkohol im Alter. Für Nahestehende,<br />

die sich über ein Alkoholproblem einer Person aus dem Umfeld<br />

sorgen, bietet die Seite konkrete Hinweise und Vorschläge,<br />

z. B. wie das Problem angesprochen werden kann und wo sie<br />

Unterstützung für die Betroffenen, aber bei Bedarf auch für<br />

sich selbst fi nden können. Für die Erarbeitung dieser Texte war<br />

ebenfalls Sucht Schweiz zuständig.<br />

Fachpersonen<br />

Fachpersonen aus Pfl ege, Spitex, Sozialarbeit und Beratung,<br />

insbesondere auch Leitende von Organisationen der Alters-<br />

und Suchthilfe sind in der Betreuung von älteren Menschen<br />

immer öfter mit konkreten Fragen im Umgang mit dem<br />

Konsum von Alkohol und and eren psychoaktiven Substanzen<br />

konfrontiert. Für sie stellt die Webseite Informationen zur Bedeutung<br />

der Früherkennung von Alkoholproblemen und zum<br />

Nutzen von Frühintervention, zur Unterstützung bei der Erarbeitung<br />

eines Frühinterventionskonzeptes sowie Hinweise für<br />

Interventionen im Alltag zur Verfügung. Diese Webinhalte sind<br />

von ZüFAM erstellt worden.<br />

ÄrztInnen<br />

Mit den Informationen, welche für die Haus-, Spital- und<br />

HeimärztInnen sowie für die Geriatrie und Alterspsychiatrie<br />

durch die Forel Klinik aufbereitet worden sind, soll ein Beitrag<br />

zur Verbesserung der professionellen Kompetenz in der<br />

Betreuung von älteren Menschen mit Alkoholproblemen und<br />

deren Angehörigen geleistet werden. Unter den Stichworten


«Veränderungen im Alter», «Risikofaktoren», «Trinkmengen»<br />

etc. fi nden ÄrztInnen Grundlagen, um ältere Menschen über<br />

den Alkoholkonsum im Alter und mögliche Auswirkungen informieren<br />

zu können. Angestrebt wird zudem im Sinne einer<br />

verbesserten Früherkennung und Frühintervention, dass ältere<br />

Menschen mit Alkoholproblemen, die den Arzt oft aus<br />

anderen Gründen aufsuchen, gezielt auf ihren Alkoholkonsum<br />

angesprochen werden. Mit Hilfe von Screening und Diagnostik,<br />

wozu ebenfalls Informationen verfügbar sind, wird betroffenen<br />

Personen eine frühzeitige Behandlung und Beratung<br />

ermöglicht.<br />

Für die Erarbeitung dieser Webinhalte stützte sich die Forel<br />

Klinik auf eine vorgängig durchgeführte Literaturrecherche,<br />

und konnte damit neueste wissenschaftliche Kenntnisse und<br />

Studienergebnisse einfl iessen lassen.<br />

Die Erarbeitung der Website wird im Rahmen des zwei Jahre<br />

dauernden Projektes (1.9.2011-31.8.2013) durch das NPA fi nanziert.<br />

14 Ein ExpertenInnengremium 15 hat den Prozess begleitet<br />

und die Experten haben Rückmeldungen zu den erarbeiteten<br />

Texten gegeben (Reviewing der Webinhalte). Die Lancierung<br />

wird durch verschiedene Promotionsaktivitäten begleitet. Die<br />

Website wird vorerst mit Informationen zu Alkohol aufgeschaltet.<br />

Die Website ist jedoch so konzipiert, dass sie – im Sinne<br />

einer kohärenten Suchtpolitik – auf weitere Substanzen und<br />

Themen ausgeweitet werden kann. In der restlichen Projektphase<br />

gilt es, den längerfristigen Unterhalt sicherzustellen.<br />

Suchtindex.ch<br />

Parallel zur Erarbeitung der Webinhalte hat Infodrog<br />

ebenfalls im Rahmen dieses Projektes Anpassungen an der<br />

im Auftrag des Bundesamtes für Gesundheit geführten Datenbank<br />

der Suchthilfeangebote vorgenommen. Die Datenbank<br />

umfasst die ambulanten, stationären, teilstationären<br />

und niederschwelligen Angebote sowie jene der Selbsthilfe<br />

in den Bereichen Alkohol, illegale Drogen, Medikamente und<br />

substanzungebundene Süchte in der Schweiz und im Fürstentum<br />

Liechtenstein. 16 Der Zugriff wurde vereinfacht, und unter<br />

www.suchtindex.ch ist es im angepassten Suchfi lter nun bspw.<br />

auch möglich, gezielt nach Angeboten im Bereich «Sucht im<br />

Alter» respektive nach spezifi schen Angeboten für ältere Personen<br />

mit Suchtproblemen zu suchen.<br />

Praxis Suchtmedizin Schweiz<br />

Die nationale Website www.praxis-suchtmedizin.ch 17 wird<br />

von der Interessensgemeinschaft «IG Netzwerk Praxis Suchtmedizin»<br />

getragen. In der IG sind die in der Schweiz bestehenden<br />

regionalen Netzwerke der Suchtmedizin COROMA,<br />

FOSUMOS, FOSUMIS und ticino addiction 18 vertreten. Weitere<br />

Mitglieder der IG sind Fachpersonen von BAG, Schweizerische<br />

Gesellschaft für Suchtmedizin SSAM, Vereinigung der KantonsärztInnen<br />

VKS, Infodrog sowie kantonale Beauftragte für<br />

Suchtfragen. Diese Website wurde spezifi sch als Unterstützung<br />

für HausärztInnen sowie für NotfallärztInnen, ApothekerInnen,<br />

Gesundheitsdienste des Straf- und Massnahmevollzuges<br />

und für Fachleute aus der Psy chiatrie konzipiert.<br />

Das internetbasierte Handbuch bietet praktische Hilfsmittel,<br />

Checklisten, Behandlungsalgorithmen, E-Learning Module<br />

und Online-Beratung zur Erkennung und Behandlung von<br />

Suchtmittelabhängigkeit in den Bereichen Heroin, Alkohol,<br />

Tabak, Cannabis, Medikamente, Kokain und Partydrogen. Die<br />

Webinhalte beruhen auf in der Praxis bewährten Verfahren<br />

und aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnissen. Des Weite-


Dossier: Sucht im Alter<br />

ren sollen die ÄrztInnen auch zur Zusammenarbeit mit anderen<br />

im Suchtbereich tätigen Berufsgruppen angeregt und darin<br />

unterstützt werden. Obwohl diese Website nicht spezifi sch<br />

auf die Suchtgefährdung und Suchtmittelabhängigkeit von<br />

älteren Personen ausgerichtet ist, sind die bereitgestellten<br />

Informationen auch für sie nützlich und brauchbar. Zudem<br />

werden mit der Überarbeitung 19 der einzelnen Webinhalte vermehrt<br />

Aspekte der Diversität 20 berücksichtigt, worunter auch<br />

«Lebensalter» fällt, sowie die Früherkennung und Frühintervention<br />

gestärkt.<br />

So unterstützen bspw. wissenschaftlich abgestützte Informationen<br />

und entsprechende Screeninginstrumente die<br />

ÄrztInnen bei der Unterscheidung eines problematischen<br />

Alkoholkonsums von einer Abhängigkeit. Dies und weitere<br />

Hinweise (z. B. zu motivierender Gesprächsführung) sollen es<br />

ÄrztInnen ermöglichen, einen problematischen Konsum zu<br />

erkennen, anzusprechen und bei Bedarf Unterstützung bei<br />

einer Konsumreduktion anzubieten<br />

Projekt Weiterbildungsangebote Regelversorgung<br />

Ebenfalls im Rahmen des NPA hat Infodrog eine Bestandsaufnahme<br />

zum Thema «Qualifi zierung für Kurzintervention»<br />

(Befragung von ExpertInnen; Bedarfsabklärung; Literaturrecherche)<br />

durchgeführt. 21 Das Ziel der Qualifi zierung von Fachpersonen<br />

zu Kurzinterventionen wird in zwei Projekten weiterverfolgt:<br />

«Weiterbildungsangebote Regelversorgung» und<br />

«Kurzintervention Ärzteschaft».<br />

Mit dem Projekt «Weiterbildungsangebote Regelversorgung»<br />

des Bundesamtes für Gesundheit BAG, der ExpertInnenkommission<br />

Weiterbildung Sucht EWS und von Infodrog sollen<br />

Weiterbildungsangebote und Sensibilisierungsaktivitäten zu<br />

Sucht sowie Früherkennung und Frühintervention für Fachpersonen<br />

der Regelversorgung im Gesundheits-, Sozial-, Bildungsund<br />

Repressionsbereich gefördert werden. Diese Fachpersonen<br />

sind in ihrer täglichen Arbeit punktuell mit suchtspezifi schen<br />

Belangen konfrontiert, insbesondere auch im Altersbereich.<br />

Der adäquate Umgang mit Suchtgefährdung und Suchtproblemen<br />

ist also nicht nur Sache von Suchtfachleuten. Mit den<br />

Projektaktivitäten wird angestrebt, dass Fachpersonen in ihrem<br />

berufl ichen Umfeld und im Rahmen ihrer Funktion in der<br />

Lage sind, mögliche Suchtgefährdungen zu erkennen, geeignete<br />

Massnahmen zu ergreifen (z. B. für mögliche Gefahren<br />

sensibilisieren, zur Verhaltensänderung motivieren, Triage an<br />

spezialisierte Beratungsstellen, Zusammenarbeit unter involvierten<br />

Institutionen) sowie einen adäquaten Umgang mit<br />

Menschen mit einer Suchterkrankung zu pfl egen (Begleitung<br />

und Unterstützung, soweit dies im berufl ichen Alltag möglich<br />

und sinnvoll ist, Kontakt zu behandelnden/betreuenden Institutionen<br />

initiieren und aufrecht erhalten). Unter Einbezug von<br />

Fachverband Sucht, GREA und Suchtfachstellen wurde diskutiert,<br />

über welche Basiskompetenzen Fachpersonen der Regelversorgung<br />

für diese Aufgabe aus Sicht der Suchtfachleute<br />

verfügen sollen. Zusammenfassend wurden vier Basiskompetenzen<br />

identifi ziert:<br />

1) Anzeichen einer (Sucht-)Gefährdung wahrnehmen;<br />

erforderliches Vorgehen kennen;<br />

2) (Erst-)Gespräch/Intervention durchführen;<br />

3) Unterstützung/Begleitung bei einer Suchtgefährdung<br />

resp. einer bestehenden Suchtproblematik;<br />

4) Refl ektieren der Rahmenbedingungen der eigenen<br />

Institution; (nach Möglichkeit) sensibilisieren der<br />

eigenen Institution (institutionelle Ebene).<br />

Wichtige Links<br />

Nationale Wissensplattform Sucht und Alter<br />

Die nationale Website (d/f/i) richtet sich mit Informationen<br />

zu Alkohol im Alter an ältere Menschen, Angehörige und<br />

Berufsgruppen, die in ihrem Arbeitsalltag ältere Menschen<br />

betreuen, begleiten oder beraten<br />

www.suchtundalter.ch,<br />

www.alkohol-im-alter.ch<br />

ZüFAM – Sucht im Alter<br />

Die von der ZüFAM betriebene Website listet unter anderem<br />

Angebote im Bereich Sucht im Alter des Kantons Zürich auf<br />

www.suchtimalter.ch<br />

Praxis Suchtmedizin Schweiz<br />

Die suchtmedizinische Informationsplattform (d/f/i) für HausärztInnen<br />

in der Schweiz bietet zu den gängigsten Suchtmitteln<br />

praxisbezogene Informationen.<br />

www.praxis-suchtmedizin.ch<br />

Infoset: Das Schweizer Suchtportal<br />

Das Dossier «Sucht im Alter» enthält Hinweise zu Broschüren,<br />

Publikationen, Tagungen und Referaten, zu Bildung und<br />

Forschung und listet Organisationen des Altersbereichs auf.<br />

www.infoset.ch/de/dossiers/alter<br />

In einem nächsten Schritt werden nun in Zusammenarbeit<br />

mit Berufsverbänden und weiteren relevanten AkteurInnen<br />

berufs- resp. funktionsspezifi sche Weiterbildungsangebote<br />

erarbeitet. Dabei muss je nach Berufsgruppe und je nach<br />

berufl ichem Kontext diskutiert werden, welches der konkrete<br />

Bedarf an Weiterbildung zur Suchtthematik ist, welche Basiskompetenzen<br />

von Relevanz sind, was diese Basiskompetenzen<br />

im Detail beinhalten und in welcher Tiefe hierzu Wissen und<br />

Fähigkeiten notwendig sind.<br />

Projekt Kurzintervention Ärzteschaft<br />

In der praktischen Anwendung wird unter «Kurzintervention»<br />

meist die Kombination von Gesprächen kurzer Dauer und<br />

beschränkter Anzahl, von Motivierender Gesprächsführung 22<br />

und die Orientierung am transtheoretischen Modell 23 verstanden.<br />

Das Projekt «Kurzintervention Ärzteschaft» richtet sich<br />

an HausärztInnen und wird durch Infodrog in Zusammenarbeit<br />

mit dem Kollegium Hausarztmedizin (KHM), der FMH und<br />

den regionalen Netzwerken der Suchtmedizin (FOSUMOS, CO-<br />

ROMA) geplant und umgesetzt. Dabei wird die Nutzung von<br />

Synergien mit dem Projekt «Gesundheitscoaching» des KHM 24<br />

angestrebt. Durch Fortbildungsangebote zu Kurzintervention<br />

und Motivierender Gesprächsführung sollen ÄrztInnen ihre<br />

Kompetenzen verbessern, zum einen, um problematische Alkoholkonsummuster<br />

möglichst früh zu erkennen, zum anderen<br />

aber auch, um eine Vielzahl weiterer Themen (Rauchen, Diabetes,<br />

Stress etc.) anzusprechen und eine adäquate Behandlung<br />

und Begleitung anzubieten. Der Nutzen von Kurzinterventionen,<br />

auch bei älteren Menschen, ist vielfach belegt. 25 .<br />

Literatur<br />

Babor, T./Caetano, R./Casswell, S./Edwards, G./Giesbrecht, N./Graham,<br />

K./Grube, J./Gruenewald, P./Hill, L./Holder, H./Homel, R./Österberg,<br />

E./Rehm, J./Room, R./Rossow, I. (2005): Alkohol – kein gewöhnliches<br />

Konsumgut: Forschung und Alkoholpolitik; Hrsg. der deutschen<br />

Ausgabe mit Beiträgen zur Alkoholpolitik in Deutschland,<br />

Österreich und der Schweiz: Ludwig Kraus et al. Göttingen:<br />

Hogrefe.<br />

20 <strong>SuchtMagazin</strong> <strong>2|2013</strong>


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wir leben? Über pfl egebedürftige Drogenkonsumierende in<br />

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Diploms. Berner Fachhochschule Fachbereich Soziale Arbeit.<br />

Gmel, G./Kuendig, H./Maffl i, E./Notari, L./Wicki, M./Georges, A./<br />

Grisel-Staub, E., Müller, M./Dubois-Arber, F./Gervasoni, J.-P./<br />

Lucia, S./Jeannin, A./Uchtenhagen, A./Schaub, M. (Hg.)(2012):<br />

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Grassegger, H. (2012): Wie süchtig sind unsere Grossmütter? Die<br />

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www.tinyurl.com/cyyortv, Zugriff 13.12.2012.<br />

WHO - World Health Organisation (2010): Brief Intervention. The ASSISTlinked<br />

brief intervention for hazardous and harmful substance use.<br />

Manual for use in primary care. Geneva: WHO.<br />

Endnoten<br />

1 Vgl. Hälg/Dürsteler-MacFarland 2013. Mit dem Alter nehmen bei den<br />

substituierten Personen auch komorbide Störungen und soziale<br />

Defi zite zu. Man spricht auch von einer Voralterung bei dieser<br />

Personengruppe.<br />

2 Vgl. Kutschke 2012: 129ff, Gmel et al. 2012 sowie z. B. den kürzlich<br />

erschienen Artikel von Grassegger 2012.<br />

3 Per Ende 2011 waren 12,4% der in der Schweiz lebenden Bevölkerung<br />

zwischen 65-79 Jahre alt, 4,8% waren 80 Jahre und älter<br />

(n=7‘954‘700). Dass die Menschen in der Schweiz zunehmend älter<br />

werden, zeigt sich in einem stetig steigenden Altersquotienten,<br />

vgl. Bundesamt für Statistik, www.tinyurl.com/cymbbex, Zugriff<br />

26.02.2013.<br />

4 Gemäss den Daten des Suchtmonitorings konsumieren bspw. 25.7%<br />

der befragten 65-74 Jährigen (N=1128) mind. einmal täglich Alkohol<br />

und bei den ab 75 Jährigen (N=703) sind es 28.8%, vgl. Gmel et al<br />

2012, www.suchtmonitoring.ch sowie den Beitrag von Notari et al.<br />

in dieser Ausgabe.<br />

5 Institutionen sowie kantonale (Fach-)Stellen haben das Thema<br />

aufgegriffen, führen Veranstaltungen zur Sensibilisierung zum<br />

Thema durch oder haben eigene Projekte lanciert, vgl. auch den<br />

Beitrag von Meyer in dieser Ausgabe. Auch in den Medien ist das<br />

Thema zunehmend präsent, vgl. z. B. Grassegger 2012, sowie den<br />

Beitrag in 10vor10 zu Sucht im Alter, www.tinyurl.com/dyh84j9,<br />

Zugriff am 02.03.2013.<br />

6 Zur Kategorie «Alter» vgl. z. B. Höpfl inger 2009 und 2011, sowie<br />

www.hoepfl inger.com. Zum Begriff «des aktiven Alterns» vgl. auch<br />

den Beitrag von Schroeter in dieser Ausgabe oder das an der Pro<br />

Senectute-Fachtagung 2012 «Auf dem Weg zum guten Altern»<br />

gehaltene Referat von Silke van Dyk: «Müssen die Alten aktiviert<br />

werden? Von der Schwierigkeit, heute gut altern zu können»,<br />

www.tinyurl.com/cs3kkkx, Zugriff 21.03.2013.<br />

7 Vgl. auch den Beitrag von Soom et al. in dieser Ausgabe.<br />

8 Die Begriffe «early-onset» und «late-onset» werden nicht<br />

einheitlich verwendet, vgl. z. B. Kutschke 2012: 68-71.<br />

9 Vgl. Hälg/Dürsteler-MacFarland 2013 und SSAM 2012. Bei Personen<br />

in substitutionsgestützter Behandlung, die – z. T. bereits ab 40<br />

Jahren – durch psychiatrische und somatische Komorbiditäten<br />

oder eingeschränkte Mobilität pfl egebedürftig werden, stellt<br />

sich zunehmend die Frage, ob sie in bestehende Einrichtungen<br />

«integriert» werden (Integration), oder ob spezielle Strukturen<br />

geschaffen werden müssen (Separation). In der Schweiz fi nden sich<br />

beide Ansätze, wobei bei einer Integration die stetige Schulung des<br />

(Fach-)Personals von zentraler Bedeutung ist, vgl. Pfi ster/Knecht<br />

2012, Chalupny 2010.<br />

10 Infodrog erarbeitet (im Auftrag des BAG) Grundlagen zur<br />

Handhabung der Diversität in der Suchthilfe und unterstützt die<br />

Institutionen bei der Berücksichtigung von Diversitätsaspekten<br />

beim Erbringen ihrer Dienstleistungen, www.tinyurl.com/cf37w4u,<br />

Zugriff 02.03.2013.<br />

11 Kessler et al. 2012; Notari et al. 2012, vgl. auch die Artikel von<br />

Soom et al. und Notari et al. in dieser Ausgabe. Die beiden Studien<br />

können auf der BAG-Webseite unter dem Thema «Alkohol im Alter»<br />

heruntergeladen werden: www.tinyurl.com/cbvwdjh, Zugriff<br />

04.03.2013.<br />

12 Mit dem Suchtmonitoring Schweiz werden repräsentative Daten<br />

der Schweizer Wohnbevölkerung zum Thema Sucht und Konsum<br />

psychoaktiver Substanzen zusammengetragen. Hierzu werden<br />

seit 2011 jährlich 11‘000 in der Schweiz wohnhafte Personen (ab 15<br />

Jahren) befragt, vgl. Gmel et al 2012 sowie www.suchtmonitoring.ch<br />

13 Vgl. Nationales Programm Alkohol NPA www.tinyurl.com/5s6nxug;<br />

einmal jährlich können Beiträge für die Finanzierung von<br />

Projekten und Forschungsvorhaben, die sich der Bekämpfung des<br />

problematischen Alkoholkonsums widmen, beantragt werden, vgl.<br />

www.tinyurl.com/cxldku7, Zugriff 26.02.2013.<br />

14 Vgl. Endnote 13.<br />

15 Das Expertengremium setzt sich zusammen aus Fachpersonen<br />

aus den Bereichen Suchthilfe und Suchtmedizin, Geriatrie, Spitex,<br />

Alters-/Pfl egeheim, sowie aus den verschiedenen Regionen der<br />

Schweiz.<br />

16 Der Eintrag des Angebots ist für die Institutionen sowie<br />

Selbsthilfeangebote freiwillig und erfolgt wie die Aktualisierung<br />

durch sie selbst. Der Eintrag respektive die Aktualisierung werden<br />

nach einer Kontrolle durch Infodrog freigeschaltet.<br />

17 Die Webseite ist in deutscher, französischer (www.praticienaddiction.ch)<br />

und italienischer Sprache (www.medico-edipendenze.ch)<br />

verfügbar.<br />

18 Collège romand de médecine de l‘addiction COROMA, www.<br />

romandieaddiction.ch; Forum Suchtmedizin Ostschweiz FOSUMOS,<br />

www.fosumos.ch; Forum Suchtmedizin Innerschweiz FOSUMIS,<br />

www.fosumis.ch; ticino addiction, www.ticinoaddiction.ch.<br />

Ein weiteres suchtmedizinisches Netzwerk befi ndet sich in der<br />

Nordwestschweiz im Aufbau.<br />

19 Die einzelnen nach Substanzen gegliederten Kapitel wurden in den<br />

Jahren 2005 bis 2009 durch FOSUMOS erarbeitet. Ab 2011 werden die<br />

Kapitel überarbeitet, in die französische und italienische Sprache<br />

übersetzt und auf der Website www.praxis-suchtmedizin.ch<br />

zugänglich gemacht. Die Webinhalte werden von FachexpertInnen<br />

überarbeitet und anschliessend durch weitere FachexpertInnen<br />

reviewt.<br />

20 Vgl. Endnote 10.<br />

21 Infodrog wurde im Rahmen des Nationalen Programms NPA 2008-<br />

2012 (vgl. BAG 2008) mit der Umsetzung der NPA-Massnahme<br />

«Qualifi zierung für Kurzintervention» betraut. Für die wesentlichen<br />

Ergebnisse der Bestandesaufnahme, vgl. Hälg 2012.<br />

22 Vgl. Miller/Rollnick 2001 und 2002.<br />

23 Vgl. Prochaska/DiClemente 1983 und Prochaska et al. 1992.<br />

24 Weitere Informationen vgl. www.gesundheitscoaching-khm.ch,<br />

Zugriff 02.03.2013.<br />

25 Vgl. Babor et al. 2005 und 2007; WHO 2010; Schonfeld et al. 2010.<br />

<strong>SuchtMagazin</strong> <strong>2|2013</strong> 21


Dossier: sucht im Alter<br />

Alkohol im Alter:<br />

Erfahrungen und Good<br />

Practices<br />

In einer vom Bundesamt für Gesundheit finanzierten Studie zeigt sich, dass<br />

in der Schweiz die Sensibilisierung zum problematischen Alkoholkonsum im<br />

Alter aus der Perspektive von Fachpersonen und Angehörigen noch deutlich<br />

voranzutreiben ist. Wichtige Elemente einer Good Practice sind bereits<br />

vorhanden, es fehlt jedoch noch an der Integration dieser Elemente und an der<br />

regionalen Koordination von Sucht- und Altershilfe.<br />

Corina Salis Gross<br />

Dr. phil., Forschungsleiterin am Schweizer Institut für Sucht- und Gesundheitsforschung<br />

ISGF Zürich, Konradstrasse 32, CH-8031 Zürich, Tel. +41 (0)44 448 11 84,<br />

corina.salisgross@isgf.uzh.ch, www.isgf.uzh.ch<br />

Severin Haug<br />

Dr. phil., Forschungsleiter am Schweizer Institut für Sucht- und Gesundheitsforschung<br />

ISGF Zürich, Konradstrasse 32, CH-8031 Zürich, Tel. +41 (0)44 448 11 74,<br />

severin.haug@isgf.uzh.ch, www.isgf.uzh.ch<br />

Schlagwörter:<br />

Alter | Alkoholkonsum | Problemlast | Good Practice | Erfahrungswissen |<br />

Ausgangslage<br />

Problematischer Alkoholkonsum ist auch im Alter verbreitet.<br />

1 Individuell wie gesellschaftlich entstehen daraus gesundheitliche<br />

und ökonomische Schäden.<br />

Das BAG schenkte dem Thema im Rahmen des Nationalen<br />

Programms Alkohol 2008-2012 Beachtung und formulierte als<br />

eines der Wirkungsziele die Verminderung des chronischen<br />

Alkoholkonsums im Alter. 2 In diesem Kontext wurde die vorliegende<br />

Studie fi nanziert, die ExpertInnenwissen und Erfahrungen<br />

von Fachpersonen und Angehörigen erfassen sollte.<br />

Partizipativ wurden geeignete Massnahmen zur Reduktion<br />

problematischen Alkoholkonsums identifi ziert und Empfehlungen<br />

formuliert.<br />

Methoden<br />

Eine Literaturrecherche sichtete die rezente Literatur zum<br />

Thema «Alkohol im Alter», deren Auswertung es erlaubte, einen<br />

groben Überblick über den Wissenskorpus in der Schweiz<br />

und einen international formulierten State of the Art 3 zu bestimmen<br />

sowie Fragen (wahrgenommene Problemlast, Einstellungen<br />

und Verhalten, Angebote) an Fachpersonen und an<br />

Angehörige von Personen mit problematischem Alkoholkonsum<br />

zu formulieren. Deren Befragung erfolgte telefonisch oder<br />

schriftlich mittels eines Fragerasters. Für die statistische Auswertung<br />

genutzt wurden die Antworten von 37 Fachpersonen<br />

(hauptsächlich aus psychiatrischen Einrichtungen, Alters- und<br />

Pfl egeheimen, aus ambulanten Pfl egediensten und Suchtberatungsstellen)<br />

und von acht Angehörigen. Mit verschiedenen<br />

AkteurInnen wurden ausserdem informelle Gespräche geführt<br />

und eine ExpertInnengruppe beriet die Studie zu deren Beginn<br />

und kommentierte vorläufi ge Ergebnisse und Empfehlungen.<br />

Problemlast<br />

Als wichtigste Gründe problematischen Alkoholkonsums<br />

identifi zieren die befragten Personen einschneidende Ereignisse<br />

(critical life events), und dabei in erster Linie Verlusterlebnisse<br />

(Arbeit, Partner und Angehörige). 4 Die Motivation,<br />

problematischen Alkoholkonsum zu reduzieren, wird als gering<br />

eingeschätzt. Seine Konsequenzen sind bspw. die – verglichen<br />

mit älteren Personen ohne entsprechenden Konsum<br />

– schlechtere psychische und physische Gesundheit. Die Befragten<br />

bemerken, dass Frauen häufi ger allein, heimlich und in<br />

Stresssituationen trinken als Männer, und zwar Bier und Wein,<br />

während Männer eher Bier und Schnaps trinken. Ein Zusammenhang<br />

zwischen sozio-ökonomischer Benachteiligung und<br />

problematischem Alkoholkonsum kann vermutet werden. Weniger<br />

deutlich ist aufgrund des befragten Samples der Zusammenhang<br />

zwischen problematischem Alkoholkonsum im Alter<br />

und Migrationshintergrund. Sehr deutlich sind dagegen die<br />

Kombination des Konsums von Alkohol und anderen Substanzen<br />

(v. a. Tabak, Schlaf-, Beruhigungs- und Schmerzmittel) und<br />

– immer aufgrund des befragten Samples – die Tatsache, dass<br />

viele Personen mit problematischem Alkoholkonsum auch eine<br />

psychiatrische Diagnose aufweisen. Beobachtet werden bei<br />

den Personen mit problematischem Alkoholkonsum auch Anzeichen<br />

von Alkoholabhängigkeit – die Grenze zwischen den<br />

beiden Konsumformen ist fl iessend.<br />

Good Practices<br />

Die Ergebnisse der Studie sind in Form von «Good Practices»<br />

kondensiert, um so die erfolgversprechenden Massnahmen<br />

sowie die vorhandenen Stolpersteine und Lücken aus der<br />

Sicht von Fachpersonen und Angehörigen zielgerichtet ersichtlich<br />

zu machen.<br />

Transversale Good Practices<br />

Massnahmen zur Reduktion problematischen Alkoholkonsums<br />

sollen gemäss den Befragten sowohl das Verhalten als<br />

22 <strong>SuchtMagazin</strong> <strong>2|2013</strong>


auch die Verhältnisse betreffen, sie sollen die Zielgruppe der<br />

älteren Menschen weit fassen und sie dabei bezüglich Alter,<br />

Geschlecht, sozioökonomischem Status, Migrationshintergrund<br />

oder geteilter Lebenswelten differenziert angehen. Zu<br />

den Voraussetzungen für den Erfolg von Massnahmen zur Reduktion<br />

problematischen Alkoholkonsums gehören ausserdem<br />

die weitere Sensibilisierung der Öffentlichkeit und des Gesundheitspersonals<br />

für das Thema sowie die gute Zusammenarbeit<br />

verschiedener AkteurInnen (inklusive Altershilfe). Diese Massnahmen<br />

nutzen zudem die Erfahrungen der Arbeit mit anderen<br />

Zielgruppen und die Erkenntnisse der Gerontologie, sie nutzen<br />

die Möglichkeit, auch den problematischen Konsum anderer<br />

Substanzen zu thematisieren, und sie erfolgen innerhalb einzelner<br />

Organisationen auf der Grundlage von klaren Konzepten<br />

und verbindlichen Richtlinien.<br />

Prävention<br />

Die Kommunikationsaufgabe «Prävention» geschieht koordiniert,<br />

zielgruppengerecht und über Kanäle, welche die<br />

verschiedenen Teile der Zielgruppe «ältere Menschen» am<br />

besten erreichen. Die Zielgruppen selbst lassen sich in die<br />

Planung und in die Realisierung von Präventionsmassnahmen<br />

einbeziehen und immer zeigen die Präventionsbotschaften<br />

Handlungsmöglichkeiten auf. Besondere Beachtung wird der<br />

Verhältnisprävention in den Institutionen und Haushalten geschenkt,<br />

welche die individuellen Anstrengungen zur Reduktion<br />

problematischen Alkoholkonsums unterstützen – bspw. die<br />

Einrichtung alkoholfreier Haushalte, die kontrollierte Abgabe<br />

von Alkohol, niederschwelliges begleitetes Wohnen und ebensolche<br />

Tagesstrukturen.<br />

Früherkennung<br />

Das Erkennen problematischen Alkoholkonsums ist gemeinsame<br />

Aufgabe verschiedener Gruppen von AkteurInnen,<br />

einschliesslich des sozialen Umfelds von Betroffenen. Besonders<br />

gute Möglichkeiten zur Früherkennung bieten aufsuchende<br />

Dienstleistungen, wobei es günstig ist, problematischen<br />

Alkoholkonsum mittels geeigneter Screening-Instrumente zu<br />

erkennen. Solche Instrumente sind weiterzuentwickeln resp.<br />

neu zu schaffen, sie passen in die Abläufe von Prävention und<br />

Beratung sowie Behandlung. Die Abläufe nach der Erkennung<br />

problematischen Alkoholkonsums ihrerseits sind den Mitarbeitenden<br />

einer Organisation klar: sie wissen, was nach der<br />

entsprechenden Diagnose zu tun ist.<br />

Beratung und Behandlung<br />

Der Zugang zu unterschiedlichen, altersspezifi schen, auf<br />

verschiedene Bedürfnisse ausgerichteten Beratungs- und Behandlungsangeboten<br />

ist möglichst niederschwellig zu gestalten<br />

– durch zielgruppengerechte und koordinierte Information<br />

und durch die Nutzung der Möglichkeiten aufsuchender Arbeit.<br />

Die Ziele von Beratungen und Behandlungen werden in Zusammenarbeit<br />

mit den Betroffenen defi niert und aufgrund eingehender<br />

Abklärungen durchgeführt. Für die einzelnen Massnahmen<br />

steht genügend Zeit zur Verfügung und sie beziehen<br />

möglichst das soziale Umfeld der Betroffenen mit ein. Sie ermöglichen<br />

soziale Kontakte, nutzen Tagesstrukturen und sie<br />

werden von gut ausgebildetem Personal realisiert. Beratungen<br />

und Behandlungen erfolgen aufgrund klarer organisatorischer<br />

Konzepte, die auch das Dilemma zwischen Selbstbestimmung<br />

der betroffenen Personen und der vom Gesundheitspersonal<br />

wahrgenommenen Notwendigkeit von Interventionen thematisieren.<br />

Empfehlungen<br />

Die folgenden Empfehlungen richten sich an die AkteurInnen<br />

verschiedener Ebenen einer integrierten Policy zum<br />

problematischen Alkoholkonsum im Alter. Sie wurden auf<br />

Grundlage der erhobenen Daten sowie mittels einer Fokusgruppe<br />

mit dem an der Studie beteiligten Beirat formuliert.<br />

Gesundheitsbehörden<br />

integrieren idealerweise das Thema «problematischer Alkoholkonsum<br />

älterer Menschen» in Gesundheitspolitiken, sie<br />

unterstützen Massnahmen zur Sensibilisierung für das Thema,<br />

sie fördern die Zugänglichkeit von Angeboten (auch für<br />

Angehörige), die Rolle der aufsuchenden Arbeit und die Koordination<br />

und den Austausch zwischen Angeboten sowie die partizipative<br />

Einbindung der Zielgruppen und deren Angehöriger.<br />

Für Schulungen zum Thema entwickeln Gesundheitsbehörden<br />

Standards um die Qualität der Wissensvermittlung zu garantieren.<br />

Gesundheitseinrichtungen<br />

sichern die Qualität von Massnahmen zur Reduktion von<br />

problematischem Alkoholkonsum im Alter durch die Entwicklung<br />

der Organisation, bspw. durch das Erstellen von Konzepten,<br />

die Defi nition von Handlungsabläufen oder die Schulung<br />

von Personal.<br />

Spezialisierte Einrichtungen<br />

sichern ebenfalls die Qualität von Massnahmen durch Prozesse<br />

zur Organisationsentwicklung. Ausserdem entwickeln<br />

sie spezifi sche Angebote weiter, sie sichern den zielgruppenspezifi<br />

schen Zugang zu Angeboten und sie koordinieren sich<br />

mit anderen Anbietern im Bereich und arbeiten mit diesen<br />

zusammen.<br />

Fazit<br />

Die folgenden Aspekte stehen im Vordergrund zur weiteren<br />

Reduktion problematischen Alkoholkonsums (Prävention,<br />

Früherkennung, Beratung und Behandlung, Nachsorge):<br />

Erreichbarkeit<br />

Die zielgruppengerechte Planung und Durchführung von<br />

Massnahmen muss ein Daueranliegen sein. Zu den schwerund<br />

schwersterreichbaren Personen gehören jene, die allein<br />

wohnen und wenig soziale Kontakte haben und die aufgrund<br />

von sprachlichen und anderen Voraussetzungen (z. B. tiefer<br />

sozioökonomischer Status, strukturelle Barrieren, Migrationshintergrund)<br />

nicht in den Kontakt mit Angeboten kommen.<br />

Koordination und Kooperation<br />

Die Zusammenarbeit aller AkteurInnen (in einer Region) ist<br />

Voraussetzung für die Wirksamkeit von Massnahmen und den<br />

effi zienten Einsatz von Mitteln. Die Schnittstellen zwischen<br />

Anbietern sind zu optimieren, um eine gute Zusammenarbeit<br />

zu ermöglichen. Dazu gehört auch die Zusammenarbeit zwischen<br />

Institutionen der Altershilfe und jenen der Suchthilfe.<br />

Partizipative Ansätze<br />

Interventionen zur Reduktion problematischen Alkoholkonsums<br />

sind mit den verschiedenen AkteurInnenn zu planen<br />

und durchzuführen, einschliesslich der VertreterInnen der heterogenen<br />

Zielgruppen.<br />

<strong>SuchtMagazin</strong> <strong>2|2013</strong> 23


Organisationsentwicklung<br />

Durch Personalschulungen, Defi nition von handlungsleitenden<br />

Richtlinien und Konzepten und durch Anpassung von<br />

Abläufen können Organisationen zur Qualität ihrer Massnahmen<br />

und zu deren verbesserten Wirkung beitragen. Gleichzeitig<br />

entlasten sie damit die einzelnen Mitarbeitenden, indem<br />

sie diesen in ambivalenten Situationen adäquate Entscheidungsgrundlagen<br />

zur Verfügung stellen..<br />

Literatur<br />

Bundesamt für Gesundheit BAG (2008): Nationales Programm Alkohol<br />

2008-12. Bern: Bundesamt für Gesundheit BAG.<br />

Bundesamt für Gesundheit (2011): Alkoholkonsum in der<br />

Schweiz. Faktenblatt. Basierend auf der Schweizerischen<br />

Gesundheitsbefragung & der Auswertung von Sucht Info Schweiz.<br />

Salis Gross, C./Haug, S./Kessler, D./Koller, S.(in Vorbereitung): Alkohol<br />

im Alter. Exploration erfolgversprechender Massnahmen<br />

zur Reduktion des problematischen Alkoholkonsums bei<br />

älteren Menschen in der Schweiz. München: Akademische<br />

Verlagsgemeinschaft. Download des entsprechenden<br />

Schlussberichtes an das BAG: www.tinyurl.com/czaxjza, Zugriff<br />

27.03.2013.<br />

World Health Organization (WHO) (2000): International guide for<br />

monitoring alcohol consumption and related harm. Geneva:<br />

Department of Mental Health and Substance Dependence,<br />

Noncommunicable Diseases and Mental Health Cluster.<br />

Endnoten<br />

1 Problematischer Alkoholkonsum umfasst das Rauschtrinken<br />

(episodischer Risikokonsum), den chronischen Risikokonsum<br />

und das situationsunangepasste Trinken. Die Grenzwerte liegen<br />

gemäss WHO bei 20g reinen Alkohols pro Tag für Frauen bzw. 40g<br />

pro Tag für Männer (zwei bis vier Standardgläser) (WHO 2000;<br />

vgl. auch BAG 2011). Im Alter reagiert der Körper aufgrund des<br />

reduzierten Wasseranteils empfi ndlicher auf Alkohol, der daher<br />

eine stärkere Wirkung entfaltet. Deshalb sind sich Fachpersonen<br />

einig, dass die Grenzwerte für ältere Menschen entsprechend zu<br />

relativieren sind.<br />

2 Vgl. Bundesamt für Gesundheit 2008.<br />

3 Vgl. Salis Gross et al. in Vorbereitung: Kap. 1 und 2.1.<br />

4 Bei early onset drinkers waren dies 1. der Verlust der Arbeitsstelle<br />

und 2. die Trennung von Partner oder Angehörigen. Bei late<br />

onset drinkers wurden 1. die Pensionierung und der Verlust an<br />

Lebenssinn genannt und 2. der Verlust von Tagesstrukturen.<br />

24 <strong>SuchtMagazin</strong> <strong>2|2013</strong>


Dossier: sucht im Alter<br />

Gesundheitsförderung im<br />

Alter: Wie erreichen wir alle?<br />

Die aktuelle Gesundheitsförderung im Alter spricht eher die Mittelschicht<br />

mit gutem Bildungs- und Sozialkapital an. Deshalb werden nun im Rahmen<br />

des interkantonalen Projektes «via – Best Practice Gesundheitsförderung im<br />

Alter» in Pilotgemeinden spezielle Massnahmen zur besseren Erreichbarkeit<br />

von benachteiligten und schwer erreichbaren älteren Menschen ausprobiert<br />

und umgesetzt.<br />

Eva Soom Ammann<br />

Dr. phil., Projektleiterin, Public Health Services GmbH, Sulgeneckstrasse 35,<br />

CH-3007 Bern, soom@public-health-services.ch, www.public-health-services.ch<br />

Renate Gurtner<br />

Projektleiterin, Public Health Services GmbH, Sulgeneckstrasse 35, CH-3007<br />

Bern, gurtner@public-health-services.ch, www.public-health-services.ch<br />

Corina Salis Gross<br />

Dr. phil., Bereichsleiterin «Diversität und Chancengleichheit» bei Public<br />

Health Services GmbH und Forschungsleiterin am Institut für Sucht- und<br />

Gesundheitsforschung ISGF der Universität Zürich, Sulgeneckstrasse 35,<br />

CH-3007 Bern, Tel. +41 (0)31 331 21 22, salisgross@public-health-services.ch,<br />

www.public-health-services.ch<br />

Schlagwörter:<br />

Gesundheitsförderung | Alter | Erreichbarkeit | Benachteiligte Gruppen |<br />

Schwere Erreichbarkeit und Benachteiligung<br />

Schwere Erreichbarkeit und Benachteiligung im Alter haben<br />

komplexe Ursachen, die weit in die Biografi e zurückreichen. 1<br />

Insbesondere der sozioökonomische Status (Bildungsstand, Einkommen,<br />

berufl iche Stellung, Vermögen) 2 hat grossen Einfl uss<br />

auf die Gesundheit im Alter, und dieser ist u. a. auch geschlechtlich<br />

segregiert. 3 MigrantInnen sind – aufgrund von Migrationserfahrungen<br />

und/oder von tieferen Positionen im Arbeitsmarkt<br />

– oft besonders hohen Benachteiligungsrisiken ausgesetzt, die<br />

sich wiederum in potenziell belasteter Gesundheit äussern können.<br />

4<br />

Gesellschaftliche Bedingungen und individuelle biographische<br />

Verläufe führen also zu spezifi schen Lebenslagen im Alter, die in<br />

verschiedener Hinsicht von Benachteiligung geprägt sein können.<br />

Nebst sozioökonomischem Status, Geschlecht und Migration<br />

sind soziale oder räumliche Isolation, eingeschränkte Mobilität,<br />

psychogeriatrische Beeinträchtigungen, starke zeitliche Auslastung<br />

(z. B. Pfl ege von Angehörigen) oder bewusst gewählte<br />

Unerreichbarkeit beeinfl ussende Faktoren. 5 Die Ursachen sozialer<br />

Benachteiligung sind also überaus vielschichtig und oft<br />

nicht eindeutig zu defi nieren. 6 Es empfi ehlt sich deshalb in erster<br />

Linie, in der Defi nition von sogenannt «schwer erreichbaren»<br />

Zielgruppen nicht zu pauschalisieren und zu problematisieren,<br />

sondern Benachteiligung grundsätzlich diversitätssensibel und<br />

ressourcenorientiert anzugehen. 7<br />

Handlungsressourcen<br />

Bildung, insbesondere in Form von interaktiv verarbeitetem<br />

Gesundheitswissen, gilt als zentrale Ressource, um sich auch<br />

unter schwierigen Bedingungen gesundheitsförderlich verhalten<br />

zu können. Dabei ist nicht nur theoretisches, sondern auch alltagspraktisches<br />

Wissen nötig. Dieses beruht stark auf persönlichen<br />

und sozial geteilten Erfahrungen. 8 Gesundheits-kompetenz<br />

macht es also möglich, Fachwissen zu verstehen und in die<br />

eigene Lebenslage zu integrieren. 9<br />

Auch soziale Netzwerke sind eine wichtige Ressource für die<br />

Gesundheit. Informelle Netzwerkbeziehungen sind nicht nur<br />

für die Informationsvermittlung zentral, sondern auch für die<br />

Beeinfl ussung des individuellen Verhaltens. Dies gilt vor allem<br />

für starke Beziehungen wie z. B. familiäre oder freundschaftliche,<br />

welche von Vertrauen und gegenseitiger Verpfl ichtung geprägt<br />

sind. 10 Von vergleichbarer Bedeutung sind auch Beziehungen zu<br />

Vertrauenspersonen wie z. B. FunktionsträgerInnen in professionellen<br />

oder zivilgesellschaftlichen Organisationen: HausärztInnen,<br />

PriesterInnen, Sozialarbeitende oder VereinsvertreterInnen.<br />

11 Gerade im Migrationskontext konnte die Wichtigkeit<br />

informeller Beziehungen nachgewiesen und in Interventionen<br />

wirksam eingesetzt werden. 12 Informelle Beziehungen wirken<br />

Via – Best Practice Gesundheitsförderung im Alter<br />

Via ist ein vom Kanton Bern und der Stadt Zürich 2009 initiiertes<br />

interkantonales Projekt mit zurzeit zehn angeschlossenen<br />

Kantonen (AR, BE, GR, NW, SG, SH, TG, UR, VD, ZG)<br />

sowie Gesundheitsförderung Schweiz als rechtlichem Träger<br />

und der bfu-Beratungsstelle für Unfallverhütung. Das Projekt<br />

nutzt das Potenzial von Gesundheitsförderung und Prävention<br />

im Alter zur Bewältigung des demografi schen Wandels.<br />

Via leistet einen Beitrag zur Stärkung der Autonomie,<br />

Gesundheit und Lebensqualität älterer Menschen. Damit<br />

sollen die Pfl egebedürftigkeit verringert, Heimeinweisungen<br />

verzögert und Kosten gesenkt werden.<br />

Via basiert auf der wissenschaftlichen Aufarbeitung wirkungsvoller<br />

und kosteneffi zienter Praxisbeispiele. 2010 wurden<br />

Empfehlungen in Form von Best-Practice-Studien in fünf<br />

prioritären Themenbereichen erarbeitet:<br />

– Bewegungsförderung<br />

– Sturzprävention<br />

– Beratung, Veranstaltungen und Kurse<br />

– Schwer erreichbare und benachteiligte Zielgruppen<br />

– Partizipation der Hausärztinnen und Hausärzte<br />

2011 kam der Schwerpunkt Psychische Gesundheit dazu.<br />

Die Erkenntnisse unterstützen die Kantone, Gemeinden<br />

und NGOs bei der Planung, Umsetzung und Evaluation ihrer<br />

bestehenden oder neuen Programme und Projekte.<br />

<strong>SuchtMagazin</strong> <strong>2|2013</strong> 25


durch das damit einhergehende Vertrauen gesundheitsfördernd,<br />

sie stärken die soziale Unterstützung und Kontrolle. 13<br />

Best Practice<br />

Um ältere, benachteiligte Menschen anzusprechen, braucht<br />

es Anstrengungen, die spezifi sch auf deren Lebenswelt ausgerichtet<br />

sind. 14 Dies setzt voraus, dass die Bedürfnisse der Zielgruppe<br />

bekannt sind und verstanden werden, und dass die anzusprechenden<br />

Menschen von Anfang an in die Planung mit einbezogen<br />

werden. 15 In unserer Studie «Alt und schwer erreichbar»<br />

erarbeiteten wir mittels einer Literaturrecherche und Interviews<br />

mit ExpertInnen aus der ganzen Schweiz Empfehlungen, die<br />

sich an ProtagonistInnen verschiedener Ebenen richten. 16 Denn<br />

Massnahmen zur Verbesserung der Erreichbarkeit in der Gesundheitsförderung<br />

im Alter müssen sowohl auf EntscheidungsträgerInnen<br />

wie auch auf AnbieterInnen ab-zielen und die Angebote<br />

im Hinblick auf soziale Kollektive und individuelle Anliegen zielgruppenspezifi<br />

sch angelegt werden. In unseren Erhebungen hat<br />

sich als Best Practice auf lokaler Ebene (z. B. Gemeinde, Region)<br />

ein Mix von drei strategischen Ansätzen herauskristallisiert:<br />

1) Aufsuchende Beratungsangebote, insbesondere<br />

individuelle Beratungen zu Hause,<br />

2) Gruppenangebote, die sowohl auf soziale Integration als<br />

auch auf Wissensvermittlung setzen (in bestehenden oder<br />

neuen Gruppen), und<br />

3) Gemeinwesenarbeit, die über die unmittelbaren<br />

persönlichen Netzwerke hinausreicht und das<br />

zivilgesellschaftliche Engagement in der Gemeinde oder<br />

im Quartier stärkt.<br />

Für Anbietende ist konkret auf Folgendes zu achten:<br />

Via-Empfehlungen 17<br />

– Für die anzusprechenden Zielgruppen werden<br />

ausreichende Bedarfsanalysen durchgeführt<br />

(soziodemografi sche und sozialräumliche Daten,<br />

ExpertInnenbefragung etc.).<br />

– Mit einem partizipativen Vorgehen wird geklärt,<br />

welche Massnahmen einem Bedürfnis der Zielgruppen<br />

entsprechen (Gespräche mit Vertretenden der Zielgruppe<br />

und Schlüsselpersonen). Diese Leistungen werden<br />

angemessen entschädigt.<br />

– Grundsätzlich wird versucht, die Perspektive der<br />

Zielgruppe einzunehmen (in der Konzeption und der<br />

Umsetzung).<br />

– Die Zielgruppe wird so defi niert, dass keine<br />

Stigmatisierungen und zusätzlichen Benachteiligungen<br />

entstehen (Gruppe wird nicht zu eng eingegrenzt).<br />

– Für die Angebote werden Räumlichkeiten gewählt, zu<br />

denen die Zielgruppe einen Bezug hat (am besten in ihrer<br />

Lebenswelt: Quartier, Dorf, Vereinslokal etc.).<br />

– Das Angebot ist für die Zielgruppe fi nanziell erschwinglich.<br />

– Es werden Vermittlungswege und Instanzen gesucht, die<br />

möglichst persönlichen Kontakt zu sozial und räumlich<br />

isolierten Zielgruppen herstellen (Hausärztinnen/-ärzte,<br />

ambulante Pfl ege-Mitarbeitende, Sozialschaffende etc.)<br />

– Es wird geklärt, welche Vermittlungspersonen zur<br />

persönlichen Kontaktierung der Zielgruppe eingesetzt<br />

werden können (Mediatorinnen/Mediatoren mit<br />

gleicher Sprache, gleichem Geschlecht oder ähnlichem<br />

Erfahrungshintergrund). Wichtig ist die Akzeptanz bei den<br />

Zielgruppen, damit ein Vertrauensverhältnis aufgebaut<br />

werden kann.<br />

– Es wird geklärt, welche Form des Angebotes für die<br />

Zielgruppe am besten passt (aufsuchend oder mit Komm-<br />

Struktur).<br />

– Die eingesetzten Hilfsmittel (Broschüren, Flyer,<br />

Fragebogen) werden beziehungsgeleitet, d. h. von einer<br />

Vertrauensperson übergeben und besprochen.<br />

– Es wird geklärt, welche Medien (alte und neue) von der<br />

jeweiligen Zielgruppe verstanden, akzeptiert und genutzt<br />

werden.<br />

Umsetzung<br />

Die Via-Empfehlungen werden gegenwärtig in den Kantonen<br />

Bern und Zug pilotmässig umgesetzt. Beide Kantone kennen Programme<br />

zur Gesundheitsförderung im Alter, welche von der Pro<br />

Senectute getragen werden. In Zug nennt sich das Programm<br />

«Gesund altern im Kanton Zug» (GAZ), 18 in Bern heisst es «ZWÄG<br />

INS ALTER» (ZIA). 19 Diese Programme werden nun auf der Grund-<br />

26 <strong>SuchtMagazin</strong> <strong>2|2013</strong>


lage der erarbeiteten Best-Practice-Empfehlungen u. a. auch im<br />

Hinblick auf eine bessere Einbindung von schwer erreichbaren<br />

Zielgruppen angepasst.<br />

Via im Kanton Zug setzt auf Kleingruppen und aktive<br />

Vernetzung<br />

Das Programm GAZ bietet bereits Gruppenberatungskurse<br />

zum Thema Gesundheit im Alter und eine Vielzahl von Bewegungskursen<br />

– beispielsweise Dalcroze Rhythmik, Fit Gym, Aquafi<br />

t und Walking – an und hat seit jeher auf die Nutzung zielgruppennaher<br />

Settings und kostenfreier Angebote gesetzt. Für eine<br />

bessere Einbindung von bisher nicht erreichten Zielgruppen will<br />

sich Zug jetzt darauf konzentrieren, diejenigen abzuholen, welche<br />

an sozialen Kontakten und gesundheitlichen Inhalten interessiert<br />

sind, aber den Schritt zur Teilnahme am Programm bisher<br />

nicht gemacht haben. Beabsichtigt ist ein Paradigmenwechsel:<br />

weg vom Angebot für alle und hin zu Kleingruppen für Benachteiligte<br />

(gemeindeorientiert). Themenspezifi sch und zumindest<br />

in der Anfangsphase begleitet durch Fachpersonen, sollen kleine<br />

Gruppen gebildet werden, die sich regelmässig treffen. Gute<br />

Beispiele sind die «Tavolata»-Gruppen, die gemeinsam kochen.<br />

Wünschenswert sind auch Gruppen, deren Mitglieder durch MentorInnen<br />

für Spaziergänge abgeholt werden. Schwer Erreichbare<br />

sollen so über ein Thema Zugang zu einer Gruppe fi nden und über<br />

diese Einbindung in ihrer Partizipation gefördert werden. Danach<br />

sollen auch gesundheitsrelevante Verhaltensänderungen im<br />

Gruppenkontext initiiert und nachhaltig im Alltag eingebaut werden.<br />

Zu diesem Zweck wurden kleinere Instrumente entwickelt<br />

und erprobt: Ein Trainingsprogramm zur Sturzprävention für<br />

zu Hause sowie ein Ausbau des Bewegungsanteils in Gruppenkursen,<br />

d. h. beim Jassen oder im Computerkurs wird auch kurz<br />

geturnt. Im Herbst 2012 wurde zudem die Koordinationsplattform<br />

«bewegen & begegnen bis 100» initiiert. 20 Dies mit dem Ziel,<br />

die kantonalen und kommunalen AkteurInnen, Zuweisenden und<br />

Multiplizierenden zu vernetzen, die sich für Personen 50+ im Bereich<br />

der körperlichen und geistigen Gesundheit engagieren.<br />

Via im Kanton Bern steht auf drei Beinen<br />

Erstens sind dies Kurse und zweitens sind es individuelle<br />

präventive Hausbesuche, welche auch für schwer Erreichbare adäquate<br />

Beratung bieten können. Mit dem Ziel, Benachteiligte<br />

effektiver zu erreichen, hat nun das dritte Standbein des Programms,<br />

die Veranstaltungen, ein deutlich grösseres Gewicht<br />

erhalten. Diese werden auf Wunsch konzipiert und vorwiegend in<br />

(bereits bestehenden oder auch neu angeregten) Gruppen durchgeführt<br />

– oft in Partnerschaft mit Kirche, Gewerkschaften, dem<br />

Schweizerischen Roten Kreuz (SRK) oder der Caritas. Die Veranstaltungen<br />

sind kostenlos und sowohl inhaltlich wie auch formal<br />

fl exibel: Zeit, Ort, Häufi gkeit (einmalig, wiederholend) und Art<br />

der Veranstaltungen (Informationsvermittlung, Frage/Antwort-<br />

Veranstaltungen, moderierte Gesprächsgruppen etc.) variieren.<br />

Tandem-Leitungen, bestehend aus einer Vertrauensperson und<br />

einer ZWÄG-INS-ALTER-Fachperson, welche Impulse aus der<br />

Gruppe aufnehmen können, bewähren sich besonders gut.<br />

Das Programm ZIA verfolgt damit einen Ansatz, der schwer<br />

Erreichbare nicht nur in der individuellen Beratung sensibel dort<br />

abholt, wo sie gerade stehen, sondern vermehrt auch bedürfnisgerechte<br />

Gruppenarbeit leistet.<br />

Fazit<br />

Beide Pilotkantone nutzen die verstärkte Fokussierung auf<br />

Kleingruppen als Weg zur besseren Erreichbarkeit von Benachteiligten.<br />

Sowohl in Bern wie in Zug wird die soziale Integration<br />

einzelner Menschen in Gruppen stärker gewichtet, und auch<br />

der Ansatz der bedürfnisorientierten und durch eine Vertrauensperson<br />

geleiteten, qualitativ fundierten Bildungsarbeit wird<br />

gefördert. Hier zeigen die Erfahrungen, dass Niederschwelligkeit<br />

bei Bildungsangeboten u. a. heisst, die Methodik und Sprache<br />

anzupassen. Bewährt hat sich weiter, einen kostenlosen Imbiss<br />

anzubieten, sowie das emotionale Abholen mit Bildern und lustbetonten<br />

Elementen. Es gilt, das «richtige» Thema zu wählen,<br />

etwas, das die Zielgruppe beschäftigt. Nicht nur, was gelernt<br />

werden kann, sondern vor allem, was gratis erlebt werden kann,<br />

zählt bei eher bildungsfernen Personen. Und was geschätzt wird,<br />

spricht sich auch herum.<br />

Im Sinne eines ersten Fazits sei hier aber auch erwähnt, dass<br />

sich die Einbindung von Multiplikatorinnen und Multiplikatoren<br />

nicht immer einfach gestaltet – und dass die Erfahrungen des<br />

einen Kantons nicht unangepasst auf den anderen Kanton übertragen<br />

werden können. So zeichnet sich im Kanton Zug die Sensibilisierung<br />

bei den AnbieterInnen für die Zielgruppe der schwer<br />

Erreichbaren als ungleich schwieriger ab als beispielsweise im<br />

<strong>SuchtMagazin</strong> <strong>2|2013</strong> 27


Dossier: sucht im Alter<br />

Kanton Bern. Und die notwendigen strukturellen Änderungen<br />

für eine Stärkung von Gemeinwesenarbeit und zivilgesellschaftlichem<br />

Engagement tangieren politische Felder, die mittel- und<br />

langfristig angelegt sind. Inwiefern auch politische Rahmenbedingungen<br />

eine Rolle spielen, ist deshalb Teil der gegenwärtig<br />

laufenden Via-Evaluation..<br />

Literatur<br />

Babitsch, B. (2009): Die Kategorie Geschlecht: Theoretische und<br />

empirische Implikationen für den Zusammenhang zwischen sozialer<br />

Ungleichheit und Gesundheit. S. 284-299 in: Matthias Richter/Klaus<br />

Hurrelmann (Hrsg.): Gesundheitliche Ungleichheit. Grundlagen,<br />

Probleme, Perspektiven. Wiesbaden: VS Verlag.<br />

BZgA – Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (2010): Kriterien<br />

guter Praxis in der Gesundheitsförderung bei sozial Benachteiligten.<br />

Ansatz – Beispiele – Weiterführende Informationen. 4. erweiterte und<br />

überarbeitete Aufl age, Köln.<br />

Christakis, N.A./Fowler, J.H. (2010): Connected! Die Macht sozialer<br />

Netzwerke und warum Glück ansteckend ist. Frankfurt a.M.: S.<br />

Fischer.<br />

HealthProElderly (2010): Evidenzbasierte Leitlinien für die<br />

Gesundheitsförderung älterer Menschen. Wien: Österreichisches<br />

Rotes Kreuz. www.tinyurl.com/cxswu4h, Zugriff 21.03.2013.<br />

Homfeldt, H.G. (2005): Gesund Altern – Aufgaben Sozialer Arbeit. S. 87-108<br />

in: Cornelia Schweppe (Hrsg): Alter und soziale Arbeit. Theoretische<br />

Zusammenhänge, Aufgaben- und Arbeitsfelder. Grundlagen der<br />

Sozialen Arbeit Band 11. Hohengehren, Baltmannsweiler: Schneider.<br />

Môret, J./Dahinden, J. (2009): Wege zu einer besseren Kommunikation.<br />

Kooperation mit Netzwerken von Zugewanderten. Bern-Wabern:<br />

Eidg. Kommission für Migrationsfragen EKM, Materialien zur<br />

Migrationspolitik.<br />

Nutbeam, D. (2000): Health literacy as public goal: a challenge for<br />

contemporary health education and communication strategies into<br />

the 21st century. Health Promotion International 15(3): 259-267.<br />

Salis Gross, C./Schnoz, D./Cangatin, S. (2009): «(Nicht-)Rauchen wie ein<br />

Türke?». Suchtmagazin 35(4): 30-33.<br />

Salis Gross, C. (2010): Nachhaltigkeit bei Suchtausstieg und Prävention<br />

durch starke Beziehungen. Suchtmagazin 36(1): 18-21.<br />

Salis Gross, C./Soom Ammann, E./El Fehri, V. (2012): Die Rolle sozialer<br />

Netzwerke beim Rauchstopp. In: Suchtmagazin 38(3+4): 26-29.<br />

Soom Ammann, E./Salis Gross, C. (2011): Alt und schwer erreichbar.<br />

«Best Practice Gesundheitsförderung im Alter» bei benachteiligten<br />

Gruppen. München: Akademische Verlagsgemeinschaft München.<br />

Sommerhalder, K. (2009): Gesundheitskompetenz in der Schweiz:<br />

Forschungsergebnisse und Interventionsmöglichkeiten. S. 55-79<br />

in: Schweizerisches Rotes Kreuz (Hrsg.): Gesundheitskompetenz<br />

zwischen Anspruch und Umsetzung. Zürich: Seismo.<br />

Stamm, H./Lamprecht, M. (2009): Ungleichheit und Gesundheit.<br />

Grundlagendokument zum Zusammenhang von sozialer Ungleichheit<br />

und Gesundheit. Im Auftrag von Gesundheitsförderung Schweiz.<br />

Zürich: Lamprecht und Stamm Sozialforschung und Beratung.<br />

Streich, W. (2009): Vulnerable Gruppen: «Verwundbarkeit» als<br />

politiksensibilisierende Metapher in der Beschreibung<br />

gesundheitlicher Ungleichheit. S. 301-307 in: Matthias Richter/Klaus<br />

Hurrelmann (Hrsg.): Gesundheitliche Ungleichheit. Grundlagen,<br />

Probleme, Perspektiven. Wiesbaden: VS Verlag.<br />

Via – Best Practice Gesundheitsförderung im Alter (2012): Checkliste<br />

«Schwer erreichbare und benachteiligte Zielgruppen». Bern:<br />

Schwerpunkte 2011-2013<br />

Transfer der Best-Practice-Erkenntnisse in die Praxis.<br />

In Modellkantonen werden Umsetzungskonzepte,<br />

Leitfäden und Instrumente erarbeitet.<br />

Kontinuierliche Vernetzung der AkteurInnen und<br />

gegenseitiges «voneinander lernen».<br />

Beratung der Kantone und Organisationen bei Aufbau,<br />

Umsetzung und Evaluation von Projekten und Programmen.<br />

Im Fokus des Projektes stehen ältere Menschen, die<br />

selbstständig oder mit ambulanter Unterstützung zu Hause<br />

wohnen. Die direkte Zielgruppe des Projektes sind jedoch<br />

Fachpersonen in den umsetzenden Partnerorganisationen.<br />

Das Projekt läuft vorläufi g bis Ende 2013.<br />

Information und Downloads<br />

www.gesundheitsfoerderung.ch/via<br />

Kontakt:<br />

Gesundheitsförderung Schweiz, Ralph M. Steinmann,<br />

Gesamtleitung, Ralph.steinmann@promotionsante.ch<br />

Koordinationsstelle Via: Andy Biedermann, operative<br />

Projektleitung: via@promotionsante.ch<br />

Gesundheitsförderung Schweiz. www.tinyurl.com/csbosn9, Zugriff<br />

21.03.2013.<br />

Endnoten<br />

1 Homfeldt 2005: 93.<br />

2 Stamm/Lamprecht 2009: 11.<br />

3 Vgl. Babitsch 2009.<br />

4 Soom Ammann/Salis Gross 2011: 4ff.<br />

5 Soom Ammann/Salis Gross 2011: 45.<br />

6 Vgl. Stamm/Lamprecht 2009; Streich 2009.<br />

7 Soom Ammann/Salis Gross 2011: 111ff.<br />

8 Nutbeam 2000.<br />

9 Sommerhalder 2009: 58.<br />

10 Vgl. Christakis/Fowler 2010; Salis Gross et al. 2012.<br />

11 Vgl. Salis Gross 2010; Môret/Dahinden 2009.<br />

12 Vgl. Môret/Dahinden 2009; Salis Gross et al. 2009.<br />

13 Vgl. Christakis/Fowler 2010; Salis Gross 2010.<br />

14 Vgl. BZgA 2010; Soom Ammann/Salis Gross 2011: 114.<br />

15 Vgl. HealthProElderly 2010; Soom Ammann/Salis Gross 2011: 114.<br />

16 Soom Amman/Salis Gross 2011: 112ff.<br />

17 Für eine erweiterte Fassung von Empfehlungen für<br />

EntscheidungsträgerInnen und Anbietende vgl. Soom Amman/Salis<br />

Gross 2011: 112-121 und die entsprechende Checkliste des Projektes Via<br />

(Via 2012).<br />

18 Gesund altern im Kanton Zug GAZ: www.tinyurl.com/coyzc7h, Zugriff<br />

21.03.2013<br />

19 www.zwaeg-ins-alter.ch<br />

20 Eine entsprechende Website ist in Erarbeitung.<br />

Bücher zum Thema<br />

28 <strong>SuchtMagazin</strong> <strong>2|2013</strong><br />

Sucht im Alter - Altern und Sucht.<br />

Grundlagen, Klinik, Verlauf und Therapie<br />

Dirk K. Wolter<br />

2010, Kohlhammer, 302 S.<br />

Suchterkrankungen im Alter gehören zu den<br />

Gesundheitsproblemen, die von der Medizin lange<br />

Zeit vernachlässigt wurden. Obwohl hier eine<br />

Veränderung eingesetzt hat, bestehen nach wie vor<br />

grosse Wissenslücken, vielfältige Vorurteile und<br />

unzureichende Versorgungsangebote. Neben dem<br />

«klassischen» Substanzmissbrauch von Alkohol und<br />

Tranquilizern behandelt das Werk auch Nikotin,<br />

Schmerzmittel und illegale Drogen. Grundlagen,<br />

Diagnostik, Klinik und Therapie werden praxisnah<br />

dargestellt. Ein eigenes Kapitel beschäftigt sich mit<br />

den Zusammenhängen von Suchtmittelkonsum und<br />

kognitiven Beeinträchtigungen bzw. Demenz.<br />

Sucht – Alter – Pflege. Praxishandbuch für die<br />

Pflege suchtkranker alter Menschen<br />

Andreas Kutschke<br />

2012, Huber, 238 S.<br />

Trotz der weiten Verbreitung von Alkohol-, Nikotin-,<br />

Opiat- und Tablettenabhängigkeit im Alter wissen<br />

Pfl egende wenig über diese Suchtproblematik, und<br />

es fehlt eine einheitliche Strategie im Umgang mit<br />

suchmittelabhängigen alten Menschen. In diesem<br />

praxisorientierten Buch werden Erklärungsansätze<br />

zur Abhängigkeit im Alter vorgestellt und Leitlinien<br />

sowie ein umfassendes Konzept für pfl egerische<br />

Interventionsmöglichkeiten gegeben. Die<br />

Auswirkungen des Substanzkonsums auf den<br />

alternden Körper und die gesundheitlichen und<br />

sozialen Folgen der Sucht werden beschrieben und<br />

Strategien zur interprofessionellen<br />

Zusammenarbeit und Prävention vorgestellt.


Dossier: sucht im Alter<br />

Projekt Sensor –<br />

Frühintervention bei<br />

Suchtgefährdung im Alter<br />

Die verbindliche und dokumentierte Zusammenarbeit der AkteurInnen<br />

in der Sucht- und Altersarbeit ist das Fundament für eine umfassende<br />

Früherkennung und -intervention im Alter. Die interdisziplinäre<br />

Entwicklung von Arbeitsinstrumenten und gemeinsame Weiterbildung der<br />

MultiplikatorInnen fördern die Bereitschaft, sich in den Institutionen mit dem<br />

Thema Sucht im Alter auseinanderzusetzen.<br />

Christina Meyer<br />

MPH, Projektleitung Sensor Frühintervention bei Suchtgefährdung im Alter,<br />

Akzent Prävention und Suchttherapie, Seidenhofstrasse 10, CH-6003 Luzern,<br />

Tel. +41 (0)41 420 11 15, christina.meyer@akzent-luzern.ch<br />

Schlagwörter:<br />

Alkohol | Medikamente | Früherkennung | Alter | Prävention |<br />

Ausgangslage – Warum das Projekt?<br />

Um frühzeitig adäquate Hilfen für ältere Menschen mit einer<br />

Suchtgefährdung sicherzustellen, hat Akzent Prävention und<br />

Suchttherapie, Luzern, das Projekt «Sensor – Frühintervention bei<br />

Suchtgefährdung im Alter» konzipiert und in partnerschaftlicher<br />

Zusammenarbeit mit den relevanten Luzerner Institutionen im<br />

April 2012 gestartet. 1<br />

Ziele dieses Projekts sind die Vernetzung der relevanten<br />

AkteurInnen und die Unterstützung der MultiplikatorInnen,<br />

welche ältere Menschen beraten, begleiten oder betreuen. Zudem<br />

werden SeniorInnen durch den besseren Zugang zu Informationen<br />

und Hilfsangeboten in ihrer psychischen und physischen<br />

Gesundheit gestärkt. 2 Partizipativ werden in einem Projektbeirat<br />

Arbeitsinstrumente für die MultiplikatorInnen entwickelt. Sie<br />

sollen in Schulungen befähigt werden, mit den entwickelten<br />

Arbeitsinstrumenten bei risikoreichem Substanzkonsum älterer<br />

Menschen wirksame Kurzinterventionen durchzuführen und<br />

weitergehende Hilfen anzuregen.<br />

Das zweijährige Projekt stärkt die Ressourcen aller Beteiligten und<br />

ist Teil des umfassenden kantonalen Programms «Gesundheit im<br />

Alter». Das Projekt wird durch das Bundesamt für Gesundheit<br />

(BAG) über den «Impuls- und Entwicklungsfonds Suchtbereich» 3<br />

von Infodrog mitfi nanziert.<br />

Demographischer Wandel und Substanzkonsum im Alter<br />

ExpertInnen gehen davon aus, dass die Anzahl älterer Menschen<br />

mit problematischem Substanzkonsum überproportional<br />

ansteigen wird. 4 Diese Prognose basiert auf der These, dass der<br />

Substanzkonsum der so genannten Babyboomer (geburtenstarke<br />

Jahrgänge zwischen 1946 und 1964) überdurchschnittlich hoch ist<br />

und die über Jahre vertrauten Konsummuster im Alter fortgeführt<br />

werden. 5<br />

Altersinstitutionen wie Spitex oder Altersheime werden deshalb<br />

zukünftig verstärkt Suchtmittel missbrauchende Menschen<br />

betreuen. Und ihre Versorgungs- und Betreuungskonzepte auch<br />

auf die Lebenssituation von KlientInnen resp. KlientInnen, die<br />

Suchtmittel missbrauchen, abhängig sind oder gar suchtbedingte<br />

Folgeschäden haben, ausrichten müssen. 6<br />

Die Betreuung dieser Zielgruppen bedeutet eine besondere<br />

Herausforderung für Pfl egende und Betreuende. Im Praxisalltag<br />

fehlt es heute noch oftmals an Arbeitsinstrumenten, welche die<br />

Mitarbeitenden im Umgang mit Suchtmittel missbrauchenden<br />

KlientInnen unterstützen und dabei auch das regionale Suchthilfenetz<br />

einbeziehen. Dabei ist die Früherkennung von Suchtproblemen<br />

für die Pfl egenden und Betreuenden nicht einfach:<br />

Symptome des risikoreichen Substanzkonsums werden häufi g<br />

für altersbedingte Störungen gehalten.<br />

Folgen und Risiken des Substanzmissbrauchs<br />

Kritische Lebensereignisse wie die Pensionierung können<br />

eine Suchtentwicklung begünstigen: Mit dem Ausscheiden aus<br />

dem Erwerbsleben geht ein wichtiger Teil des sozialen Umfelds<br />

und auch die berufl iche Identität verloren. Zudem unterliegen<br />

ältere Menschen weniger der sozialen Kontrolle, weshalb ein allfälliger<br />

riskanter Konsum von Alkohol oder Medikamenten oft<br />

unentdeckt bleibt.<br />

Die Suchtgefährdung nimmt mit dem Alter auch zu, weil der<br />

ältere Körper aufgrund des abnehmenden Flüssigkeitsanteils den<br />

Alkohol schlechter verträgt. Die Folgen des gesundheitsschädigenden<br />

Alkohol- oder Medikamentenkonsums auf die Lebensqualität<br />

älterer Menschen zeigen sich nicht unmittelbar, sondern<br />

indirekt: Sozialer Rückzug, Verschuldung, Unfallrisiken sowie<br />

eine schrittweise Verschlechterung der Gedächtnisleistung oder<br />

des körperlichen Zustandes gehören dazu.<br />

SeniorInnen unterschätzen die Risiken ihres Substanzkonsums,<br />

insbesondere auch wenn es um die Wechselwirkung und Nebenwirkungen<br />

von Medikamenten geht: 7 Die Wechselwirkung zwischen<br />

Alkohol und Benzodiazepinen kann zur Potenzierung der<br />

Wirkung der einzelnen Substanzen, der gleichzeitige Konsum von<br />

Alkohol mit Schmerzmitteln zur Steigerung der Blutungsgefahr<br />

und der Konsum von Alkohol mit Antidepressiva zu extremen<br />

Unruhe- und Angstzuständen führen. 8<br />

Zudem hat der Substanzmissbrauch nicht nur die beschriebenen<br />

direkten Folgen, er ist auch ein erheblicher Risikofaktor<br />

für typische Altersrisiken wie z. B. Stürze, Vergesslichkeit oder<br />

<strong>SuchtMagazin</strong> <strong>2|2013</strong> 29


Dossier: sucht im Alter<br />

Mangelernährung sowie für den negativen Verlauf von typischen<br />

Alterskrankheiten wie z. B. Diabetes oder Demenz.<br />

Das «wohlverdiente» Glas Wein<br />

Gerade bei älteren Menschen wird der Substanzmissbrauch<br />

einerseits bagatellisiert und andererseits tabuisiert. Umso wichtiger<br />

ist es, dass Suchtmittel missbrauchende ältere Menschen<br />

frühzeitig – im besten Falle schon vor der Pensionierung – von<br />

Massnahmen der Früherkennung und Frühintervention profi tieren<br />

können.<br />

Dabei spielen bei Menschen, die noch keine professionelle Unterstützung<br />

benötigen, die Angehörigen und Freunde eine wichtige<br />

Rolle, bei den anderen können gerade die betreuenden Personen<br />

(z. B. der Spitex oder im Altersheim) eine wichtige Aufgabe<br />

übernehmen. Die Spitex mit ihrem intensiven und persönlichen<br />

Kontakt zu älteren und häufi g isolierten Menschen hat eine hohe<br />

Bedeutung hinsichtlich der Früherkennung. 9<br />

Auch in Altersheimen entwickelt sich häufi g eine vertrauensvolle<br />

Beziehung zwischen den Mitarbeitenden und den Bewohnenden.<br />

Deshalb sind Pfl egende und Betreuende aus ambulanten Diensten,<br />

Altersheimen oder anderen Institutionen für SeniorInnen<br />

wichtige Schlüsselpersonen in diesem Projekt.<br />

Die ethischen Aspekte von Früherkennung und<br />

Frühintervention<br />

Selbstbestimmung und Autonomie sind insbesondere für ältere<br />

Menschen, welche spüren, dass sie aufgrund ihrer Altersgebrechen<br />

immer mehr Autonomie verlieren, ein sehr hohes Gut.<br />

Deshalb ist es notwendig, neben dem Recht der älteren Menschen<br />

auf sachgerechte Information und ggf. Behandlung, immer<br />

auch ihr Recht auf eine freie Entscheidung in Bezug auf eine Verhaltensänderung<br />

im Auge zu behalten.<br />

Da der Substanzmissbrauch immer noch ein tabuisiertes Thema<br />

ist, geben klare Regelungen bezüglich der Früherkennung und<br />

Frühintervention vor allem im pfl egerischen und betreuenden<br />

Umfeld Handlungssicherheit. Werden bei KlientInnen Auffälligkeiten<br />

bemerkt, sollten Mitarbeitende wissen, wie sie reagieren,<br />

bzw. an wen sie sich wenden können. Der Informationsfl uss<br />

zwischen den einzelnen Bereichen (z. B. Cafeteria und Pfl egeabteilung<br />

im Altersheim oder SpitexmitarbeiterIn und Spitex-<br />

Psychiatrieteam) ermöglicht eine bessere Einschätzung der<br />

Situation und Umsetzung der Handlungsschritte.<br />

Aber auch Angehörige und die älteren Menschen selber, die nicht<br />

betreut werden, sollten die wichtigsten Anzeichen für einen<br />

Substanzmissbrauch kennen, damit sie die Sicherheit haben,<br />

angemessen zu handeln.<br />

30 <strong>SuchtMagazin</strong> <strong>2|2013</strong><br />

Die Rolle der Fachpersonen im Projekt<br />

Der Zugang zu betreuten, älteren Menschen gestaltet sich<br />

im ambulanten Setting anders als in einem Altersheim. Spitexmitarbeitende<br />

kommen als Gast in den Privathaushalt ihrer KlientInnen.<br />

In diesen gelten primär deren Regeln und die Spitexmitarbeitenden<br />

müssen sich normalerweise nach diesen richten,<br />

wenn sie ihre Dienstleistung erbringen. Sie sind meistens mit<br />

den KlientInnen alleine und ihre Beobachtungen können – im<br />

Sinne einer Zweitmeinung – nicht verifi ziert werden. Akute Interventionen<br />

bei Notfällen müssen sie oft selbst auslösen, wobei sie<br />

entscheiden müssen, was ein Notfall ist und was nicht. In diesem<br />

Sinne sind Spitexmitarbeitende «EinzelkämpferInnen» mit einer<br />

hohen Verantwortung.<br />

In Alters- und Pfl egeheimen dagegen existieren Hausordnungen,<br />

die z. B. das Rauchen in der Institution regeln. Mit diesen Regeln<br />

des Hauses erklären sich die Bewohnenden vor dem Eintritt einverstanden.<br />

Die Regeln bilden eine Grundlage für das Zusammenleben<br />

im Heim. Heimbewohnende haben Kontakt zu mehreren<br />

Pfl egenden in der Abteilung. Diese können deshalb ihre Wahrnehmungen<br />

schneller austauschen und allfällige Massnahmen<br />

miteinander diskutieren. Bei einem auffälligen Verhalten von<br />

KlientInnen müssen im Heim auch die Bedürfnisse der anderen<br />

Bewohnenden berücksichtigt und die unterschiedlichen Interessen<br />

gegeneinander abgewogen werden.<br />

Die persönliche Einstellung der Mitarbeitenden zum Substanzkonsum,<br />

aber auch die Haltung der Einrichtung spielen<br />

bereits bei der Wahrnehmung von Suchtproblemen eine entscheidende<br />

Rolle. Nur wenn die Sensibilität für die Thematik<br />

vorhanden ist, werden auch die nötigen Strukturen entwickelt<br />

und bei Bedarf die entsprechenden Hilfeprozesse in Gang gesetzt.<br />

Deshalb ist die Entwicklung einer gemeinsamen Haltung unter<br />

Beteiligung aller Abteilungen und Hierarchien ein notwendiger<br />

Prozess. Dabei ist die Wissensvermittlung (z. B. dass Sucht eine<br />

anerkannte und behandlungsbedürftige Krankheit ist oder dass<br />

Verhaltensweisen wie z. B. Aggression oder das Bagatellisieren<br />

und Leugnen mit zum Krankheitsbild gehören können) die Grundlage<br />

für das Entwickeln einer gemeinsamen Haltung und eines<br />

für die Institution allgemeingültigen Verhaltenskodexes.<br />

Wie können Zielgruppen im Projekt erreicht werden?<br />

Mit dem Sensor-Projekt soll sichergestellt werden, dass der<br />

Missbrauch von Substanzen auch bei älteren Menschen frühzeitig<br />

erkannt wird und die Betroffenen ohne Stigmatisierung oder<br />

Dramatisierung motiviert werden, eine Verhaltensänderung zu<br />

bedenken. Dabei wird vom eigenverantwortlichen Menschen<br />

ausgegangen, der jedoch die Chance erhalten sollte, sein Verhalten<br />

zu prüfen und dann bewusst eine Entscheidung zu treffen. 10<br />

So ergibt sich eine erste Zielgruppe, die direkt angesprochen<br />

und eine zweite Zielgruppe, die über MultiplikatorInnen (z. B.<br />

Mitarbeitende der Spitex oder eines Altersheimes) erreicht werden.<br />

Die erste Zielgruppe kann aufgrund der unterschiedlichen<br />

Lebensfragen und der verschiedenen Zugangsmöglichkeiten<br />

noch unterteilt werden: in Menschen, die vor der Pensionierung<br />

stehen und solche, die schon pensioniert sind.<br />

Strukturelle Einbettung des Projektes<br />

Informationen<br />

Substanzmissbrauch bei älteren Menschen wurde bisher in<br />

Informationsveranstaltungen für SeniorInnen kaum thematisiert.<br />

Die Aktivitäten im Bereich der Prävention und Gesundheitsförderung<br />

konzentrieren sich auf Ernährung, Sturzprophylaxe,<br />

psychische Gesundheit und Diabetes.<br />

Der Kanton Luzern hat die Bedeutung des Substanzmissbrauchs<br />

für die Gesundheit von älteren Menschen erkannt und deshalb in<br />

seinem Programm «Gesundheit im Alter» das Thema «Sucht im<br />

Alter» als Schwerpunkt defi niert.<br />

Suchtprävention und Gesundheitsförderung können bei der<br />

körperlichen, psychischen und der sozialen Gesundheit ansetzen.<br />

Bei der körperlichen Gesundheit ist vor allem die Hausärztin oder<br />

der Hausarzt Ansprechperson. Bei der psychischen und sozialen<br />

Gesundheit können unterschiedliche AkteurInnen unterstützend<br />

wirken.<br />

In Kooperation u. a. mit den Gemeinden im Kanton Luzern, der<br />

Pro Senectute, den regionalen Alterszentren, den Sozialberatungsstellen,<br />

der Diakonie und den HausärztInnen werden im<br />

laufenden Jahr regionale Informationsveranstaltungen für ältere<br />

Menschen und ihre Angehörigen angeboten. Ihnen werden Informationen<br />

und Hilfsangebote, die sie stärken und zur Förderung<br />

ihrer Gesundheit beitragen sollen, zugänglich gemacht. Neben<br />

der Förderung der psychischen Gesundheit sind natürlich auch<br />

Informationen zu einem gesunden Lebensstil im Alter sinnvoll.<br />

Eine thematische Verbindung zu anderen altersbezogenen Themen<br />

z. B. Sturzprävention und Medikamentenwirkung soll einen<br />

leichteren Zugang zum Suchtthema ermöglichen.<br />

Bei der Vermittlung von suchtspezifi schen Themen stehen nicht


die Abstinenz oder Abschreckung im Vordergrund, sondern der<br />

massvolle, risikoarme Umgang mit der jeweiligen Substanz und<br />

die Aktivierung von Schutzfaktoren.<br />

Welches Vorgehen soll zum Projekterfolg führen?<br />

Vernetzung und Sensibilisierung der MultiplikatorInnen<br />

Die Vernetzung und partizipative Einbindung der Luzerner<br />

Institutionen aus den Arbeitsbereichen «Sucht» und «Alter» in<br />

einem Beirat stellt eine wichtige Grundlage für den Erfolg des<br />

Projektes dar. Die Beiratsmitglieder sind Schlüsselpersonen (siehe<br />

Endnote 1), die aufgrund ihrer Rolle oder auch Persönlichkeit<br />

in den genannten Arbeitsbereichen eine zentrale Stellung einnehmen<br />

und selbst Kontakt zu den MultiplikatorInnen haben. 11<br />

Mit diesem Beirat wird die Zusammenarbeit mit bestehenden<br />

Angeboten und den relevanten Anbietern vereinfacht. Die<br />

Beteiligung des Forums Suchtmedizin Innerschweiz (FOSUMIS)<br />

und der Luzerner Psychiatrie unterstützt den Wissenstransfer<br />

zu schwer erreichbaren Fachpersonen, wie z. B. den Haus- und<br />

FachärztInnen. Da die Schlüsselpersonen die Arbeitsmittel entwickeln,<br />

wird die Akzeptanz und spätere Nutzung der Produkte<br />

des Projektes erhöht.<br />

Zu Beginn des Projekts wurden persönliche Interviews bezüglich<br />

des Bedarfs und der Bedürfnisse mit ausgewählten Leitungspersonen<br />

aus Spitex und Alterszentren im Kanton Luzern geführt.<br />

Dabei wurde deutlich, dass die Zusammenarbeit mit den<br />

gemeindenahen Sozial- und Suchtberatungsstellen noch nicht<br />

ausreichend etabliert ist. Problemsituationen werden auf den<br />

Einzelfall bezogen und individuell gelöst. Arbeitsinstrumente in<br />

Form von Handlungsleitfäden stehen nur in seltenen Fällen zur<br />

Verfügung. Die für den Umgang mit suchtgefährdeten Menschen<br />

erforderliche Entwicklung oder Überprüfung der institutionellen<br />

Haltung hat in vielen Institutionen noch nicht stattgefunden.<br />

Mit der Kick-off-Veranstaltung «Sucht im Alter – erkennen<br />

und handeln» im August 2012 konnten nicht nur Schlüsselpersonen<br />

auf die Suchtproblematik älterer Menschen aufmerksam<br />

gemacht werden. Es wurde auch eine Diskussion in der breiten<br />

Öffentlichkeit in Gang gesetzt. Die regionale und überregionale<br />

Presse hat das Thema breit aufgegriffen.<br />

Support für MultiplikatorInnen<br />

Im Januar 2013 wurden die ersten Weiterbildungen «Sucht im<br />

Alter – erkennen und handeln» für Leitende und Mitarbeitende<br />

aus Spitex, Alters- und anderen Institutionen angeboten. Die<br />

Rückmeldungen der Teilnehmenden wurden über die beteiligten<br />

Institutionen in den Beirat rückgekoppelt und werden bei der Erstellung<br />

der Arbeitsinstrumente berücksichtigt.<br />

Ein wichtiges Thema der Weiterbildung war das Spannungsfeld,<br />

in dem sich die Betreuenden bewegen, zwischen dem Respekt für<br />

die Autonomie und Selbstbestimmung der betroffenen Person<br />

einerseits und dem fachlichen Wissen um die Notwendigkeit<br />

einer Intervention andererseits. Dieses Spannungsfeld führt<br />

zu einer Unsicherheit im Umgang mit Betroffenen und ihren<br />

Angehörigen. Es erschwert das Ansprechen des Verdachts eines<br />

Substanzmissbrauchs. Deshalb sind weitere Schulungen zum<br />

richtigen Ansprechen von beobachteten Auffälligkeiten sehr<br />

wichtig.<br />

Zurzeit entwickelt der Beirat die verschiedenen Arbeitsinstrumente,<br />

die voraussichtlich im April der Öffentlichkeit vorgestellt<br />

werden können. Die einzelnen Dokumente wie Checklisten, Prozessvorlagen<br />

oder ein Verzeichnis mit den relevanten Hilfsangeboten<br />

im Kanton Luzern bilden zusammen einen eigenständigen<br />

Handlungsleitfaden für Früherkennung und Frühintervention bei<br />

Substanzmissbrauch im Alter.<br />

Bewusst hat sich der Beirat dafür entschieden, die erwähnten<br />

Unterlagen selbst zu erarbeiten: Ein gemeinsam erarbeitetes,<br />

auf die Bedürfnisse der Luzerner Altersinstitutionen abgestimmtes<br />

Instrument wird eher Akzeptanz bei den AnwenderInnen<br />

haben. Zudem werden die Beiratsmitglieder zu einem späteren<br />

Zeitpunkt die Ergebnisse in ihre Fachkreise hineintragen und dort<br />

verankern.<br />

Dieser Handlungsleitfaden soll ein operatives Instrument sein,<br />

das die MultiplikatorInnen im Umgang mit alkohol-, medikamenten-<br />

und tabakauffälligen KlientInnen unterstützt.<br />

Ausblick<br />

Nachdem der Handlungsleitfaden erstellt worden ist, wird er<br />

im ambulanten und stationären Setting erprobt und ggf. angepasst.<br />

Dieser Prozess sollte in den Einrichtungen auch von regelmässiger<br />

Supervision begleitet werden.<br />

Da es in den Institutionen mit pfl egerischen Aufgaben häufi g<br />

zu personellen Wechseln kommt, ist es wichtig, dass die initiierten<br />

Schulungen auch nach Projektende weitergeführt und in<br />

Kooperation mit den Partnerorganisationen im Kanton Luzern<br />

angeboten werden (Nachhaltigkeit). Das Projekt wird zurzeit evaluiert<br />

und zum Projektende im April 2014 ein detaillierter Bericht<br />

erstellt, der bei Akzent Prävention und Suchttherapie angefordert<br />

werden kann.<br />

Es ist vorgesehen, die Erfahrungen aus diesem Projekt auch anderen<br />

Kantonen zur Verfügung zu stellen. Ein erster Schritt dazu ist<br />

durch das Mandat des Kantons Zug an Akzent – Prävention und<br />

Suchttherapie zur Umsetzung dieses Konzepts im Kanton Zug im<br />

Rahmen des Kantonalen Alkohol-Aktionsplans erfolgt..<br />

Literatur<br />

Dellenbach, M./Angst, S. (2012): Förderung der psychischen Gesundheit<br />

im Alter. Teilprojekt im Rahmen des Projekts «Best Practice<br />

Gesundheitsförderung im Alter». Universität Zürich: Zentrum für<br />

Gerontologie. www.tinyurl.com/cwzt8wo, Zugriff 27.02.2013.<br />

Hafen, M. (2012): Mediatoren, Multiplikatorinnen, Mentoren, Drehpunktund<br />

Schlüsselpersonen in Prävention und Gesundheitsförderung.<br />

Prävention 03/2012, Theorien und Konzepte.<br />

www.fen.ch/texte/mh_mediatoren.pdf, Zugriff 27.02.2013.<br />

Kessler, D./Salis Gross, C./Koller, S./Haug, S. (2012): Exploration<br />

erfolgsversprechender Massnahmen zur Reduktion des<br />

problematischen Alkoholkonsums bei älteren Menschen in der<br />

Schweiz. Schlussbericht. Forschungsbericht aus dem Institut für<br />

Sucht- und Gesundheitsforschung: Zürich.<br />

Mann, K./Laucht, M./Weyerer, S. (2009): Suchterkrankungen in der<br />

Lebensspanne. Nervenarzt 80: 1293-1301.<br />

Palkert-Schmid, I. (2010): Suchterkrankungen im höheren Lebensalter.<br />

Besonderheiten der Behandlung, S. 18-20 in: Kliniken des Bezirks<br />

Oberbayern - Kommunalunternehmen (Hrsg.), Gerontopsychiatrie-<br />

Geriatrie in den Kliniken des Bezirks Oberbayern.<br />

www.tinyurl.com/c58bk96, Zugriff 18.03.2013.<br />

Zok, K. (2012): Einstellungen älterer Menschen zur Arzneimitteltherapie.<br />

Ergebnisse einer Umfrage unter 1‘000 GKV-Versicherten ab 65 Jahren.<br />

Wido monitor Wissenschaftliches Institut der AOK (Hrsg.), Ausgabe<br />

9(1): 1-8. www.tinyurl.com/bp726cs, Zugriff 27.02.2013.<br />

Endnoten<br />

1 Das sind: Dienstelle Gesundheit und Gesundheitsförderung Kanton<br />

Luzern, Pro Senectute Kanton Luzern, Spitex Kanton Luzern,<br />

Sozial-Beratungs-Zentren (SoBZ) des Kantons Luzern, Luzerner<br />

AltersheimleiterInnen Konferenz LAK Curaviva Luzern, Luzerner<br />

Psychiatrie/Alterspsychiatrisches Ambulatorium, Memory Clinic<br />

Sursee und Forum Suchtmedizin Innerschweiz (FOSUMIS).<br />

2 Vgl. Dellenbach/Angst 2012: 9.<br />

3 www.infodrog.ch/index.php/impulsfonds.html, Zugriff 11.03.2013.<br />

4 Vgl. Mann/Laucht/Weyerer 2009.<br />

5 Vgl. Palkert-Schmid 2010.<br />

6 Vgl. Artikel von Zimmermann in dieser Ausgabe.<br />

7 Vgl. Zok 2012.<br />

8 Vgl. Beitrag auf medizin-aspekte.de: www.tinyurl.com/d6aoxms,<br />

Zugriff 18.03.2013.<br />

9 Vgl. Kessler et al. 2012.<br />

10 Menschen, die eine vollumfängliche Pfl ege benötigen,<br />

sind nicht Zielgruppen des Projekts; hier bedarf es anderer<br />

Unterstützungskonzepte.<br />

11 Vgl. Hafen 2012.<br />

<strong>SuchtMagazin</strong> <strong>2|2013</strong> 31


Dossier: sucht im Alter<br />

Suchtprävention im<br />

Alterszentrum und in der<br />

Spitex<br />

Es werden zwei Projektumsetzungen zum Thema Suchtprävention im Alter<br />

beschrieben, die von einer Suchtpräventionsstelle mit zwei sehr unterschiedlichen<br />

Institutionen durchgeführt werden. In dieser Kooperation werden Konzepte<br />

und Handlungsrichtlinien für die Früherkennung und Frühintervention<br />

sowie Begleitung von Menschen mit einer Suchtgefährdung entwickelt und<br />

erprobt. Der Schwerpunkt liegt im Bereich der Pflege und Betreuung.<br />

Heidi Zimmermann Heinrich<br />

MPH, RN, Dipl. Pfl egeexpertin FH, Gestalt- Soziotherapeutin FPI,<br />

Ressortverantwortliche Suchtprävention im Alter, Suchtpräventionsstelle<br />

Zürcher Unterland, CH-8180 Bülach, Tel. +41 (0)44 872 77 33,<br />

zimmermann@praevention-zu.ch, www.suchtpraevention-zu.ch<br />

Schlagwörter:<br />

Alter | Suchtprävention | Gesundheitsförderung Altersheim | Spitex |<br />

Einleitung<br />

Im folgenden Artikel werden die Erfahrungen aus zwei Projekten<br />

zur Suchtprävention im Alter vorgestellt. Beide Projekte,<br />

das eine im Alterszentrum Gibeleich, Opfi kon mit 55 Mitarbeitenden<br />

und 90 BewohnerInnen, das andere in der Spitex Region<br />

Bülach mit 60 Mitarbeitenden aus dem Zürcher Unterland,<br />

sind noch nicht abgeschlossen. In beiden Institutionen werden<br />

konkrete Arbeitsmaterialien und -instrumente erarbeitet,<br />

die durch geschulte Fachpersonen in ihrer Betreuungs- und<br />

Pfl egepraxis erprobt, evaluiert, erneut angepasst und wieder<br />

eingesetzt werden. Die erprobten Arbeitsinstrumente sollen<br />

zukünftig auch anderen Institutionen zur Verfügung gestellt<br />

werden.<br />

Als alternde Menschen gehören die BewohnerInnen in den<br />

Alterseinrichtungen und die in der Spitex betreuten Personen<br />

im Verständnis der Suchtprävention zu einer Risikogruppe.<br />

Im Alter steigt aufgrund der chronischen Beschwerden und<br />

der Multimorbidität die Mehrfachmedikation stark an, 1 was in<br />

Zusammenhang mit Alkoholkonsum sehr problematisch ist.<br />

Oft ergibt sich der Eintritt in eine Alterseinrichtung oder der<br />

Bedarf einer Unterstützung durch die Spitex nach einschneidenden<br />

Erlebnissen, wie z. B. einem Spitalaufenthalt, einem<br />

Sturz zuhause, dem Tod des Lebenspartners oder der Lebenspartnerin<br />

und der infolgedessen fehlenden alltäglichen Stütze,<br />

dem Wegzug oder Rückzug von Angehörigen oder den wegbrechenden<br />

sozialen Kontakten.<br />

Vorgespräche und Einstieg in die gemeinsame<br />

Zusammenarbeit<br />

In beiden Projekten zeigte sich sehr schnell, dass für die Betreuungspersonen<br />

nicht nur die Prävention im engeren Sinne<br />

das wesentliche Thema ist, sondern auch die Belastung und<br />

die Unsicherheit in Bezug auf den Umgang mit älteren Menschen,<br />

bei denen eine verdeckte oder bekannte Abhängigkeit<br />

von Alkohol und/oder Medikamenten vorliegt, die sich aggressiv<br />

verhalten oder grössere Auffälligkeiten im sozialen Umgang<br />

mit dem Personal oder den MitbewohnerInnen zeigen.<br />

Das erstaunt kaum, da fundierte und erprobte Konzepte und<br />

Handlungsanweisungen zur Umsetzung von Suchtprävention<br />

im Alter fehlen.<br />

Bestandesaufnahme<br />

Gemeinsam mit den Führungsverantwortlichen wurde untersucht,<br />

ob und wie die Alltagspraxis durch ein Pfl egemodell<br />

und dessen Umsetzung im Pfl egeprozess organisiert und gesteuert<br />

werden kann. Ein Pfl egemodell stellt einen Bezugsrahmen<br />

für die Pfl egepraxis bereit, der u. a. die professionelle<br />

Haltung, die Aufgaben und Tätigkeiten defi niert sowie die<br />

Zusammenarbeit mit anderen Diensten und Fachdisziplinen<br />

klärt und unterstützt. Ebenfalls erhoben wurde, ob spezifi<br />

sche Assessments zur Früherkennung (sogenannte Fokus-<br />

Assessments), wie z. B. zur Erhebung von Mangelernährung,<br />

des Sturzrisikos usw. eingesetzt werden und ob Standards und<br />

Handlungsanweisungen zur Medikamentenabgabe vorhanden<br />

sind und wie diese umgesetzt werden.<br />

Verknüpfung des Projektes mit internen Prozessen der<br />

Organisation<br />

Im Alterszentrum konnte das Projekt der Suchtprävention<br />

in einen grösseren innerbetrieblichen Prozess zur Stärkung der<br />

Autonomie und Selbstständigkeit der BewohnerInnen eingebettet<br />

werden. In der Spitex-Organisation konnte das Projekt<br />

eine fachliche und organisatorische Weiterentwicklung, speziell<br />

auch im Qualitätsmanagement, unterstützen.<br />

Akzeptanz und Nachhaltigkeit innerhalb der Organisation<br />

Damit eine nachhaltige Einbettung von suchtpräventiven<br />

Ansätzen in den Pfl egealltag erreicht wird, ist ein partizipativer<br />

Entwicklungsprozess mit allen involvierten Fachpersonen<br />

mit ihren jeweiligen berufsspezifi schen Kompetenzen<br />

und Verantwortlichkeiten nötig.<br />

32 <strong>SuchtMagazin</strong> <strong>2|2013</strong>


Pflegeprozess: Theoretischer Hintergrund der<br />

Arbeitspraxis Pflege<br />

Um Projekte im Bereich der Betreuung und Pfl ege alter<br />

Menschen initiieren und umsetzen zu können, ist ein aktuelles,<br />

zeitgemässes Verständnis der Vorgehens- und Arbeitsweise<br />

von Pfl ege auch für die Verantwortlichen der Suchtpräventionsstellen<br />

unabdingbar.<br />

Der Pfl egeprozess ist ein wissenschaftliches und standardisiertes<br />

Modell für die Arbeit von Pfl egefachpersonen im Rahmen<br />

ihrer Interaktion mit KlientInnen und/oder Familien, respektive<br />

Gruppen. Die Dokumentation des Pfl egeprozesses ist<br />

eine rechtliche Verpfl ichtung. 2 Sie dient der Nachvollziehbarkeit<br />

der geleisteten Arbeit und ist damit Grundlage für die Abrechnung<br />

von Pfl egeleistungen. Der Pfl egeprozess dient darüber<br />

hinaus der Qualitätssicherung und der Pfl egeforschung.<br />

Im Arbeitsalltag ist der Pfl egeprozess ein systematisches<br />

Problemlösungsverfahren, mit dem der Gesundheitszustand<br />

erhoben wird und das darauf abzielt, das Wohlbefi nden der<br />

Pfl egeempfängerInnen zu verbessern, zu erhalten oder wiederzuerlangen.<br />

Das Vorgehen wird mit der betroffenen Person<br />

und eventuell deren Angehörigen besprochen.<br />

Die allgemein akzeptierten Schritte des Pfl egeprozesses sind: 3<br />

1) Assessment: Informationssammlung, Einschätzung<br />

2) Pfl egediagnose: Benennen von Problemen, Risiken und<br />

Ressourcen<br />

3) Zielsetzung: Festlegen angestrebter Ergebnisse,<br />

Auswahl der Interventionen<br />

4) Planung der Interventionen<br />

5) Durchführung der Interventionen<br />

6) Evaluation: Überprüfung der Zielerreichung, der<br />

Wirksamkeit der Interventionen, der Outcomes<br />

Früherkennung und Frühintervention<br />

Der Prozess der Früherkennung setzt im ersten Schritt des<br />

Pfl egeprozesses ein. Im zweiten Schritt werden die Merkmale<br />

und Symptome wie unsicherer Gang, Zittern, Vernachlässigung<br />

des Äusseren, sozialer Rückzug gebündelt und sollen in<br />

eine Pfl egediagnose gefasst werden. Gemeinsam mit dem/<br />

der Pfl egeempfängerIn werden Ziele festgelegt und passende<br />

Interventionen vereinbart und geplant. Diese werden regelmässig<br />

in Bezug auf die Zielsetzungen refl ektiert und eventuell<br />

neu angepasst. 4<br />

Entwicklung von passenden Arbeitsinstrumenten<br />

Für den Erwachsenen- und Altersbereich werden einerseits<br />

Arbeitsinstrumente benötigt, welche es ermöglichen, präventive<br />

Aspekte, wie Ressourcen, Wohlbefi nden, aber auch Risiken,<br />

im Gespräch mit den Betroffenen zu erfassen. Es werden<br />

anderseits aber auch Arbeitsinstrumente benötigt zur Früherkennung,<br />

zur Erhebung von Veränderungen des körperlichen<br />

Befi ndens, des sozialen und geistigen Verhaltens. Die Instrumente<br />

zur Früherkennung und Intervention sollten von Fachpersonen<br />

in Alterszentren und Spitex in eigener Kompetenz<br />

eingesetzt und in ihre bestehenden Arbeitsprozesse eingebunden<br />

werden können.<br />

Vorliegende standardisierte Assessments wie der Michigan<br />

Alcoholism Screening Test Geriatric Version (Mast-G) oder<br />

der AUDIT (Diagnose von Trinkgewohnheiten und Abhängigkeit)<br />

werden vorwiegend in der ärztlichen oder psychotherapeutischen<br />

Tätigkeit oder in Kliniken bei bereits stark gefährdeten<br />

Personen mit Suchtmittelmissbrauch eingesetzt. 5 Diese<br />

Erhebungsinstrumente fokussieren stark auf die Defi zite und<br />

beziehen kaum oder nur am Rande die Lebenssituation oder<br />

das Wohlbefi nden der Betroffenen mit ein und sind für pfl egerisch-betreuende<br />

Berufe nur bedingt geeignet. Obschon in diesen<br />

Berufen die Prävention und die Gesundheitsförderung zum<br />

professionellen Auftrag gehören, werden in der Praxis suchtpräventive<br />

und gesundheitsunterstützende Massnahmen nur<br />

relativ unsystematisch eingesetzt.<br />

Vermeiden von Stigmatisierung<br />

Ältere Menschen könnten irritiert reagieren, wenn sie gefragt<br />

werden, ob sie ein Gespräch mit einer Fachperson der<br />

Arbeitsgrupppe «Suchtprävention im Alter» möchten. Um ei-<br />

Prävention<br />

und Gesundheitsförderung<br />

Prävention<br />

Therapie / Schadensminderung<br />

bekannte Suchtmittel-<br />

Erkrankung<br />

Abb. 1: Grobkonzept der Suchtprävention<br />

im Alter. Die<br />

verschiedenen Figuren der<br />

Graphik zeigen sowohl fachliche<br />

Inhalte, wie auch notwendige<br />

Arbeitsschritte auf. In den<br />

folgenden Ausführungen werden<br />

die Projektumsetzungen anhand<br />

dieser Graphik erläutert.<br />

Betreuungs- und<br />

Pfl egemodell/konzept<br />

Haltung und<br />

Beeinfl ussung von<br />

Bewältigungsstrategien<br />

Erfassung des Gesundheitszustandes,<br />

und Pfl ege- und<br />

Betreuungsbedarfs<br />

Frühintervention<br />

Gefährdungseinschätzung<br />

Risikogruppe<br />

Früherkennung<br />

Klare Rahmenbedingungen<br />

Zusammenarbeit mit<br />

ärztlichem Dienst und<br />

anderen Fachstellen<br />

universelle und selektive Prävention<br />

indizierte Prävention<br />

Suchtspezifisches Fachwissen, Fachwissen zu gerontologischen und psychosozialen Themen<br />

<strong>SuchtMagazin</strong> <strong>2|2013</strong> 33


Dossier: Sucht im Alter<br />

ner Stigmatisierung durch eine solche Bezeichnung entgegenzuwirken,<br />

wurden bei beiden Projektumsetzungen die Begriffe<br />

Prävention und Gesundheitsförderung in den Vordergrund gestellt.<br />

Bei der Benennung der Fachgruppen wurde dies berücksichtigt.<br />

Der Fokus dieser Begriffe liegt in der Erschliessung<br />

von Ressourcen (Empowerment), der Förderung der Handlungs-<br />

und Lebenskompetenz, welche die Selbstwirksamkeit<br />

und die Selbstbestimmung von Menschen stärken.<br />

Das Projekt im Alterszentrum<br />

Bildungsveranstaltungen<br />

Als erster Umsetzungsschritt fanden im Alterszentrum interdisziplinäre<br />

Veranstaltungen für alle Mitarbeitenden des<br />

Pfl egedienstes, der Betreuung und der Restauration zu den<br />

Themen Suchtentwicklung, Erkennen von Ressourcen und Risiken<br />

bei älteren Menschen, Früherkennungsmerkmale bei<br />

problematischem Suchtmittelkonsum und Abgrenzung von<br />

Symptomen anderer medizinischer Diagnosen sowie Begleitung<br />

von älteren Menschen mit einem Suchtmittelmissbrauch<br />

statt. In diesen Bildungsveranstaltungen konnten auch die<br />

Fragen und Bedürfnisse der Mitarbeitenden für die weitere<br />

Projektumsetzung gezielt erhoben werden.<br />

Bedarfserhebung für die Umsetzung des Projektes<br />

Der Bedarf an Handlungsrichtlinien, z. B. für den Ausschank<br />

von Alkoholika für BewohnerInnen mit riskantem Alkoholkonsum,<br />

und nach Klärung von Verantwortlichkeiten<br />

für Gespräche mit Betroffenen, deren Angehörigen und dem<br />

ärztlichen Dienst, wurde geäussert. Die Problematiken der<br />

Mehrfachmedikation und der kombinierten Einnahme von Medikamenten<br />

und Alkohol lösten weitere Fragen zu ethischen<br />

und moralischen Themen aus, wie der Selbstbestimmung<br />

und Eigenverantwortung von BewohnerInnen aber auch der<br />

Fürsorgepfl icht ihnen gegenüber. In einem Workshop im Führungsgremium<br />

wurde ein Handlungsbedarf in Bezug auf strukturelle<br />

Anpassungen innerhalb der Organisation akzeptiert.<br />

Eine Arbeitsgruppe bestehend aus Fachpersonen des Pfl egedienstes<br />

und unter dem Vorsitz des Pfl egedienstleiters wurde<br />

zusammengestellt.<br />

Grobkonzept der Suchtprävention<br />

Darstellung Suchtprävention im Alter: Oval<br />

Zur Entwicklung einer gemeinsamen Haltung im Pfl egedienst<br />

wurde das Pfl egemodell nach Krohwinkel 6 als Grundlage<br />

genommen. Dieses bildet unter anderem wesentliche<br />

suchtpräventive Aspekte ab und gibt auch psychosozialen<br />

Themen in der Betreuung und Pfl ege grosses Gewicht. Existenzfördernde<br />

(Ressourcen) und existenzgefährdende Erfahrungen<br />

(Risiken), welche sich im Lebenslauf einstellen können,<br />

werden beschrieben. In gerontologischen Institutionen wird<br />

dieses Modell sehr oft ins Leitbild integriert.<br />

Zur Erfassung des Betreuungs- und Pfl egebedarfes wird<br />

national in jeder stationären Einrichtung bei Eintritt und periodisch<br />

wiederholt ein standardisiertes Assessment, das<br />

Bewohner-Einstufungs- und Abrechnungssystem (BESA),<br />

durchgeführt. 7 Dieses Basis-Assessment wird von speziell geschultem<br />

Pfl egepersonal erhoben. Fragen zum Alkohol- und<br />

Tabakkonsum sind darin formuliert (Fragen nach Medikamenteneinnahme,<br />

bzw. -abhängigkeiten allerdings nicht). Aus<br />

suchtpräventiver Sicht werden in diesem Gespräch bereits<br />

auch Früherkennungsmerkmale von riskantem Suchtmittelgebrauch,<br />

wie z. B. Gewichtsveränderungen, Interesselosigkeit,<br />

zitternde Hände u. a. erhoben.<br />

Biographische Erfassung von Informationen<br />

Im BESA-Assessment nur ansatzweise erfasst werden die<br />

Ressourcen und Gewohnheiten der Befragten, ihr subjektives<br />

Befi nden und ihr Lebenskontext.<br />

In der Arbeitsgruppe wurden deshalb zusätzlich zu dieser<br />

Gesamterhebung Fragen zur Erfassung des Gesundheitszustandes,<br />

des subjektiven Befi ndens, der persönlichen<br />

Gewohnheiten, Wünsche und Bedürfnisse formuliert. In einem<br />

weiteren Schritt wurden ein Leitfaden zur Erhebung von biographischen<br />

Informationen der BewohnerInnen und die notwendige<br />

Dokumentation erstellt. Dadurch können Ressourcen<br />

und Risikofaktoren, sowie Bewältigungsstrategien für Belastungen<br />

im Gespräch besser erfasst und in die Betreuung im<br />

Alterszentrum einbezogen werden. Damit ein Vertrauensverhältnis<br />

aufgebaut werden kann und die älteren Personen sich<br />

langsam an die neue Umgebung gewöhnen können, wurde in<br />

der Umsetzung darauf geachtet, dass diese Fragen auf mehrere<br />

Gesprächssequenzen aufgeteilt wurden. Mit den Bewohner-<br />

Innen konnten die durchgeführten Gespräche refl ektiert und<br />

danach in der Arbeitsgruppe ausgewertet werden.<br />

Darstellung Suchtprävention im Alter: Dreieck<br />

Die Gruppenmitglieder erarbeiteten und refl ektierten die<br />

Früherkennungsmerkmale eines riskanten Suchtmittelkonsums,<br />

welche sie in ihrer Alltagspraxis beobachtet hatten:<br />

Zittern, Interesselosigkeit, Ängstlichkeit, Gewichtsveränderungen,<br />

Gehunsicherheit, Schläfrigkeit, Schwindel, Schmerzen,<br />

Vernachlässigung des Äusseren. 8 In diesem induktiven<br />

Vorgehen konnte ein Beobachtungsbogen erstellt werden. Neben<br />

gerontologischem Fachwissen ist aber auch medizinisches<br />

Wissen erforderlich, um die beobachteten Merkmale einordnen<br />

zu können und die Symptome eines Suchtmittelmissbrauch<br />

von einer Depression, 9 einer Entgleisung von Diabetes, einer<br />

dementiellen Entwicklung oder anderen psycho-geriatrischen<br />

Krankheitsbildern abzugrenzen.<br />

Eine andere interne Arbeitsgruppe erstellte ein spezielles<br />

Fokus-Assessment zur Früherkennung von Sturzgefahr, das<br />

auch suchtpräventive Aspekte berücksichtigt. Parallel zum<br />

Projekt wurden in der Institution von einem Apotheker Fortbildungen<br />

zu Wirkungen und Nebenwirkungen von Medikamenten<br />

durchgeführt.<br />

Darstellung Suchtprävention im Alter – Rechteck<br />

Die Mitglieder der Arbeitsgruppe setzten sich mit Beratungs-<br />

und Begleitungskonzepten für BewohnerInnen mit<br />

einem riskanten Konsum oder bekanntem Suchtmittelmissbrauch<br />

auseinander. 10 Interne Verantwortlichkeiten für Gespräche<br />

und Informationsaustausch sowie die Zusammenarbeit<br />

mit anderen AkteurInnen wie Angehörige, Suchtberatung,<br />

HausärztInnen, Psychiatrische Konsilien wurden festgelegt<br />

und Handlungsabläufe erarbeitet.<br />

Geplante Projektschritte im Jahr 2013<br />

– Einbindung ins Qualitätsmanagement in Form zweier<br />

Standards: «Begleitung in der Früherkennung und<br />

Frühintervention bei riskantem Suchtmittelkonsum»<br />

und «Umgang mit Menschen mit einer<br />

Suchterkrankung»<br />

– Bildungsveranstaltungen zur motivierenden<br />

Gesprächsführung<br />

– Fallbesprechungen und Refl exion<br />

– Evaluation des Projektes<br />

– Publikation und Bekanntmachung des Projektes<br />

34 <strong>SuchtMagazin</strong> <strong>2|2013</strong>


Projekt in der Spitex<br />

Tätigkeiten in der Spitex<br />

Im Unterschied zum Alterszentrum suchen die Spitex-<br />

Mitarbeitenden die KlientInnen in deren privater Lebenswelt<br />

auf und erbringen haushaltsorientierte sowie pfl egerischtherapeutische<br />

Dienstleistungen. Die Spitex-Mitarbeitenden<br />

sind wichtige AkteurInnen in der Regelversorgung und stehen<br />

in Kooperation mit unterschiedlichen Institutionen, wie<br />

Spitälern, Hausarztpraxen, Alters- und Pfl egeheimen. Die aufsuchende<br />

Tätigkeit, mit Einblick in die häusliche, familiäre<br />

Privatsphäre der KlientInnen ermöglicht es den Spitex-Fachpersonen,<br />

Hinweise auf eine sich entwickelnde oder schon<br />

bestehende Suchtproblematik wahrzunehmen und anzusprechen.<br />

Das Ansprechen eines Suchtmittelkonsums kann sich<br />

aber als heikel erweisen und die KlientInnen können u. a. mit<br />

einer abwehrenden Haltung reagieren. Dies erfordert von den<br />

Fachpersonen neben aktuellem, suchtspezifi schem Fachwissen<br />

auch eine Vertiefung in der Gesprächsführung.<br />

Aufgrund der Tatsache, dass die Spitex-Fachpersonen eine<br />

heterogene, altersdurchmischte pfl egebedürftige Bevölkerungsschicht<br />

betreuen, können sie bereits bei jüngeren KlientInnen<br />

suchtpräventiv intervenieren und deren Selbstkompetenz<br />

in der Gesundheitsförderung 11 unterstützen.<br />

Projektumsetzung<br />

Das Projekt in der Spitex orientiert sich ebenfalls an der Abbildung<br />

1: Suchtprävention im Alter. In der Projektumsetzung<br />

gab es ähnliche Arbeitsschritte wie im Projekt im Alterszentrum.<br />

Im Folgenden werden nur noch die spezifi schen Aspekte,<br />

welche für Spitex-Organisationen passend sind, vorgestellt.<br />

Eine Umfrage bei den Mitarbeitenden der Spitex zeigte,<br />

dass für die Früherkennung und Frühintervention von Suchtmittelmissbrauch<br />

neben spezifi schem Fachwissen Handlungsrichtlinien<br />

notwendig sind. Daraufhin wurde eine Fachgruppe<br />

mit vier Personen mit unterschiedlichen Kompetenzen gebildet<br />

und ein Projektvorschlag entwickelt, der allen Spitexmitarbeitenden<br />

(60 Personen) vorgestellt wurde.<br />

Darstellung Suchtprävention im Alter – Oval<br />

In der Fachgruppe setzten sich die Mitglieder mit allgemeinen<br />

psychosozialen Fragestellungen wie Krise, Verlust, Abhängigkeit,<br />

Selbstpfl egedefi zit, Hoffnungslosigkeit, mit spezifi<br />

schem Wissen zur Selbstkompetenz der Gesundheit und<br />

mit gerontologischen Themen auseinander. Diese Konzepte<br />

wurden jeweils von den einzelnen Fachgruppenmitgliedern zusammengefasst<br />

und in der Gruppe vorgestellt. Der Bezug zur<br />

Alltagspraxis wurde gemeinsam hergestellt. In einem nächsten<br />

Schritt wurden die Gruppenmitglieder zu spezifi schen<br />

Themen, wie Suchtentwicklung, Suchtverhalten, Prävention,<br />

Wirkung und Risiken von Suchtmitteln u. a. m. weitergebildet.<br />

Weitere Entwicklungen parallel zum Projekt<br />

Angeregt durch das Projekt nahmen die Mitglieder der<br />

Fachgruppe an externen Fachtagungen teil zu den Themen<br />

«Depressionen» und «Aromatherapie in der Pfl ege». Die diplomierten<br />

Pfl egefachpersonen besuchten Weiterbildungsmodule<br />

zur Vertiefung der «Pfl egediagnostik».<br />

Parallel dazu führte die Spitex ein Projekt zu den Themen<br />

Medikamentenmanagement und -sicherheit durch. In Abstimmung<br />

mit diesem Projekt wurde von der Autorin vor allem der<br />

Umgang mit und der riskante Gebrauch von Medikamenten<br />

thematisiert. 12 Durch diese inhaltliche Fokussierung konnte<br />

sowohl personelles als auch fachliches Wissen innerhalb der<br />

Spitex ausgetauscht werden.<br />

Darstellung Suchtprävention im Alter – Dreieck<br />

Damit es nicht nur bei der Erfassung von Merkmalen der<br />

Früherkennung blieb, erarbeiteten Mitglieder der Fachgruppe<br />

auch gezielt pfl egerische Interventionen für den Alltag. So entwickelte<br />

eine Mitarbeitende eine Broschüre mit Tipps zum Umgang<br />

mit Schlafstörungen für die KlientInnen, eine zweite Mitarbeitende<br />

bildete sich in Phytotherapie (Aromapfl ege) weiter<br />

und erstellte eine Liste mit verschiedenen Tees. Eine dritte<br />

Fachperson organisierte für die KlientInnen mit Migrationshintergrund<br />

unterschiedliche Broschüren zu Suchtprävention<br />

und mit Gesundheitsinformationen, welche nun gezielt durch<br />

alle Mitarbeitenden in die Spitex-Einsätze einbezogen werden.<br />

Beratende Früherkennung zur Unterstützung der<br />

Gesundheitskompetenz<br />

In der Fachgruppe wurden die diplomierten Pfl egepersonen<br />

geschult, anhand eines bewährten Fragebogens 13 mit den KlientInnen<br />

ein präventives Beratungsgespräch zur Unterstützung<br />

der Selbstkompetenz in Gesundheitsfragen zu führen.<br />

Dabei werden u. a. suchtpräventive Aspekte aufgegriffen und<br />

gezielt Broschüren zum Umgang mit Risiken des Suchtmittelkonsums<br />

in die Beratungssequenzen einbezogen. Die Nebenwirkungen<br />

der kombinierten Einnahme von Medikamenten<br />

und Alkohol werden von den Betroffenen oft unterschätzt und<br />

führen u. a. zu Appetitlosigkeit, Schlafstörungen, Antriebslosigkeit<br />

und einer deutlich erhöhten Sturzgefahr. Im Gespräch<br />

werden die Klienten einerseits aufgeklärt und sie können sich<br />

andererseits mit dem eigenen Gesundheitsbefi nden auseinandersetzen.<br />

Ferner dient das Gespräch dazu, sich anhand<br />

des Fragebogens auf den anstehenden Hausarztbesuch vorzu-<br />

Auswirkungen der Projekte<br />

Institution<br />

Aktuelles Fachwissen<br />

im Betrieb<br />

Steigerung von<br />

Kompetenzen der<br />

Mitarbeitenden<br />

Richtlinien und<br />

Handlungsanweisungen,<br />

welche zur<br />

Qualitätssicherung<br />

beitragen<br />

Unterstützung von<br />

Organisationsentwicklungsprozessen<br />

Beteiligung an der<br />

Umsetzung von<br />

nationalen Präventionsprojekten<br />

Attraktiver Arbeitgeber<br />

sein können<br />

Vernetzung mit<br />

anderen Fachstellen<br />

Fachpersonen<br />

Vertiefung des<br />

aktuellen Fachwissens<br />

Erweiterung von<br />

psychosozialem<br />

Fachwissen und<br />

Beratungskompetenz<br />

Erweiterung der<br />

Handlungskompetenz<br />

Entwicklung und<br />

Übernahme neuer<br />

Verantwortung und<br />

Rolle innerhalb des<br />

Betriebes<br />

Sicherheit und Klarheit<br />

in der Begleitung<br />

erhalten<br />

Gezielte Tätigkeiten<br />

in der Prävention und<br />

Gesundheitsförderung<br />

übernehmen<br />

BewohnerInnen und<br />

KlientInnen<br />

Stärkung der<br />

Selbstbestimmung<br />

Erhöhung der<br />

Selbstkompetenz in<br />

Gesundheitsfragen<br />

Gemäss aktuellem<br />

Fachwissen Betreuung,<br />

Pfl ege und<br />

Behandlung erhalten<br />

Informationszuwachs<br />

durch Aufklärung<br />

und Beratung über<br />

Gesundheitsverhalten<br />

Frühzeitig auf<br />

verändertes Verhalten<br />

angesprochen werden<br />

Angebote für aktuelle<br />

Behandlung<br />

erhalten<br />

Abb. 2: Auswirkung der Projekte – Suchtprävention im Alter.<br />

<strong>SuchtMagazin</strong> <strong>2|2013</strong> 35


Dossier: Sucht im Alter<br />

bereiten. In der Region wurden über 70 Hausarztpraxen über<br />

das Projekt informiert (die Reaktion darauf war minimal). Der<br />

Einsatz dieses Arbeitsinstrumentes ist noch in der Pilotphase.<br />

Alle Gespräche werden schriftlich erfasst, im Juli 2013 soll eine<br />

Zwischenevaluation stattfi nden.<br />

Darstellung Suchtprävention im Alter – Rechteck<br />

Anhand von Fallbeispielen aus der Spitex-Praxis konnten<br />

passende Interventionen für die Betreuung besprochen und<br />

Kontakte mit weiteren AkteurInnen in der Regelversorgung<br />

(wie z. B. Suchtberatung) vermittelt werden.<br />

Entwicklung einer gemeinsamen Haltung<br />

Darstellung Suchtprävention im Alter – Oval, Dreieck,<br />

Rechteck<br />

Als Schritt zur Entwicklung einer gemeinsamen Haltung<br />

setzten sich die Mitglieder der Fachgruppe und die Spitex-<br />

Leitung mit den Themen Prävention, Gesundheitsförderung,<br />

Suchtentwicklung und Begleitung von KlientInnen mit einem<br />

riskanten Suchtmittelkonsum oder bestehender Suchterkrankung<br />

auseinander. Die Begriffsklärungen wurden schriftlich<br />

formuliert und sollen im Jahr 2013 dem gesamten Spitex-Team<br />

vorgestellt und weiter diskutiert werden. Das Ergebnis soll<br />

letzten Endes in Form von schriftlichen Richtlinien und Handlungsanweisungen<br />

ins Qualitätsmanagement überführt werden,<br />

damit es nachhaltig umgesetzt werden kann. Zusätzlich<br />

werden die Fachpersonen in motivierender Gesprächsführung<br />

geschult..<br />

Literatur<br />

BAG – Bundesamt für Gesundheit (Hrsg.) (2013): Gesundheit 2020. Die<br />

gesundheitspolitischen Prioritäten des Bundesrates. Bern.<br />

www.tinyurl.com/amra2kw, Zugriff 01.03.2013.<br />

Crotti, C.(2012): Grundlagen zur Prävention des<br />

Medikamentenmissbrauchs im Kanton Zürich. ZüFAM, Zürcher<br />

Fachstelle zur Prävention des Alkohol- und Medikamenten-<br />

Missbrauchs. DHS - Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen<br />

(2011): Substanzbezogene Störungen im Alter. Information und<br />

Praxishilfen. Hamm.<br />

Doenges, M.E./Moorhouse, M.F./Geissler-Murr, A.C. (2002):<br />

Pfl egediagnosen und Massnahmen. 3. Aufl age. Bern: Hans Huber.<br />

BMBF - Bundesministerium für Bildung und Forschung (Hrsg.) (2012):<br />

Medikamente im Alter: Welche Wirkstoffe sind ungeeignet? Berlin:<br />

BMBF. www.gesundheitsforschung-bmbf.de/de/4664.php, Zugriff<br />

21.03.2013. Kantonales Gesundheitsgesetz des Kanton Zürich<br />

(GesG)(2007): Patientinnen und Patientenrecht.<br />

www.tinyurl.com/c4oerrr, Zugriff 10.2.2013.<br />

Kutschke, A. (2012): Sucht – Alter – Pfl ege. Bern: Hans Huber.<br />

Löser, A. P. (2003): Pfl egekonzepte nach Monika Krohwinkel.<br />

Pfl egekonzepte in der stationären Altenpfl ege erstellen. Hannover:<br />

Schlütersche.<br />

Müller Staub, M./Alfaro-LeFevre, R. (2012): Pfl egeprozess und kritisches<br />

Denken: Praxishandbuch zum kritischen Denken. Bern: Hans Huber.<br />

SSR - Schweizerischer Seniorenrat (2010): Arzt und Patient – ein Team für<br />

alle Fälle. Bern. www.tinyurl.com/d7r3tox, Zugriff 10.02.2013.<br />

Townsend, M. C. (2008): Pfl egediagnosen und Massnahmen für die<br />

psychiatrische Pfl ege: Handbuch zur Pfl egeplanerstellung. Bern:<br />

Hans Huber.<br />

Endnoten<br />

1 Vgl. Crotti 2012.<br />

2 Vgl. Kantonales Gesundheitsgesetz des Kanton Zürich 2007.<br />

3 Vgl. Müller Staub et al. 2012.<br />

4 Vgl. Doenges et al. 2002.<br />

5 Vgl. Kutschke 2012.<br />

6 Vgl. Löser 2003.<br />

7 www.besacare.ch/<br />

8 Vgl. Townsend 2008.<br />

9 Vgl. Doenges et al. 2002.<br />

10 Vgl. DHS 2012.<br />

11 Vgl. BAG 2013.<br />

12 Vgl. BMBF 2012.<br />

13 Vgl. SSR 2010.<br />

36 <strong>SuchtMagazin</strong> <strong>2|2013</strong>


Dossier: sucht im Alter<br />

Alkoholabhängigkeit im<br />

Alter – Herausforderung für<br />

Diagnostik und Beratung<br />

Grenzwerte für riskanten Alkoholkonsum sind an das hohe Alter nicht<br />

angepasst. Nach schwieriger Diagnostik erfolgt zu selten eine Fachberatung<br />

für ältere Menschen mit Abhängigkeitsproblemen, obwohl die Prognose<br />

der Behandlung abhängiger Menschen im Alter gut ist. Der Einbezug des<br />

Familiensystems ist zentral.<br />

Bernadette Ruhwinkel<br />

Dr. med., Leitende Ärztin, Alterspsychiatrie der Integrierten Psychiatrie<br />

Winterthur (ipw), Wieshofstrasse 102, CH-8408 Winterthur +41 (0)52 224 35 00,<br />

bernadette.ruhwinkel@ipw.zh.ch, www.ipw.ch<br />

Schlagwörter:<br />

Alkohol | Alter | Diagnostik | Beratung | Vernetzung | Angehörige |<br />

Diagnostik und Screening bei chronisch riskantem<br />

Alkoholkonsum<br />

Nicht riskanter Konsum von Alkohol bedeutet: Männer 24g<br />

Alkohol pro Tag (= 0,5 - 0,6 l Bier/0,25-0,3 l Wein) und Frauen 12<br />

g Alkohol pro Tag sowie 2 alkoholfreie Tage pro Woche. 1<br />

Herr O. ist 81 Jahre alt und lebt alleine. Bisher hatte er keine<br />

grösseren gesundheitlichen Einschränkungen, nimmt aber<br />

zwei Antihypertensiva und ein Schmerzmittel (Nichtsteroidales<br />

Antirheumatikum) wegen seiner Kniearthrose. Seit<br />

seine Frau vor fünf Jahren verstarb, gehört es zu seinen abendlichen<br />

Ritualen, dass er «...ein Vierteli Rotwein zum Znacht<br />

trinkt.» Hin und wieder beim Fernsehen auch etwas mehr. In<br />

Gesellschaft trinkt er höchstens ein Glas, denn im Vergleich<br />

zu früher verträgt er weniger. Nach einem Sturz wird Herr O.<br />

mit einer Schenkelhalsfraktur ins Kantonsspital eingeliefert.<br />

Dort teilt er den Ärzten auf die Frage, ob er Alkohol trinkt und<br />

wie viel, mit, dass er gelegentlich in Gesellschaft trinke. Sein<br />

abendliches Ritual hat er entweder vergessen oder aus Scham<br />

vor dem Verdacht, er habe möglicherweise durch den Alkohol<br />

seinen Sturz mit provoziert, verdrängt.<br />

Laut dem Bundesamt für Gesundheit (BAG) haben 6% der<br />

Frauen und 8,1 % der Männer zwischen 65 und 74 Jahren, sowie<br />

5,3 % der Frauen und nur noch 3,8 % der Männer über 75 Jahren<br />

einen chronisch problematischen Alkoholkonsum. 2 Bei niedrigeren<br />

Grenzwerten wird der riskante Konsum bei ca. 25 % der<br />

Männer und 8 % der Frauen ab 60 Jahren gesehen. 3<br />

Angenommen, Herrn O's behandelnde Ärzte sind mit einem<br />

Screeninginstrument zur Erkennung von Alkoholproblemen im<br />

Alter vertraut, die sie bei unklaren Stürzen und/oder leicht<br />

erhöhten Leberwerten routinemässig nutzen. Z. B. den international<br />

verwendeten und sehr praktikablen AUDIT-C. 4 Beim<br />

AUDIT-C gelten mehr als 6 Punkte bei Männern und mehr<br />

als 4 Punkte bei Frauen als Hinweis auf einen Alkoholmissbrauch.<br />

5 Dabei kommt Herr O. eingedenk seines Rituals auf<br />

maximal 4 Punkte. Dennoch ist dieser Mann aufgrund seines<br />

Alters, mit dem reduzierten Wasserhaushalt, der reduzierten<br />

Leberdurchblutung, der verlangsamten Enzymaktivität und<br />

der Wechselwirkung der anderen Medikamente mit dem sehr<br />

regelmässigen Alkoholkonsum ein Hochrisikopatient für<br />

neuropsychologische Komplikationen wie Krampfanfälle und<br />

Delirien. 6<br />

Hürden der Beratung<br />

Herr O. würde postoperativ Entzugserscheinungen wie hypertensive<br />

Krisen, Schwitzen, Unruhezustände und ein Entzugsdelir<br />

entwickeln, wenn der Arzt den Entzug nicht aus<br />

seiner Erfahrung heraus medikamentös behandelt hätte. Er<br />

wusste, dass das ältere Gehirn deutlich rascher als ein unter<br />

60-jähriges mit einem Delir reagieren kann.<br />

Herr O. wurde sorgfältig vor dieser schweren Komplikation<br />

geschützt, aber wie ging die Behandlung weiter?<br />

Herr O. wurde postoperativ rasch in eine Reha-Klinik verlegt,<br />

wo seine Muskeln wieder trainiert wurden, sodass er wieder<br />

sicher laufen kann. Die Diagnose der Abhängigkeit ging dabei<br />

unter und Herr O. konnte sein Ritual wieder aufnehmen. Trotz<br />

Früherkennung des Problems erfolgt oft keine Beratung der<br />

abhängigen älteren Menschen. 7 Dies hat zum einen mit negativen<br />

Altersbildern von BehandlerInnen zu tun («Lassen wir<br />

dem Mann doch seinen Rotwein, er hat ja sonst nichts mehr<br />

vom Leben»), die die Folgen dieser resignativen Haltung nicht<br />

beachten und dem älteren Menschen ungefragt die Entscheidung,<br />

was geschehen soll, abnehmen. Ausserdem fehlt es<br />

an klaren strukturellen Vorgaben, wie Ärzte und Ärztinnen in<br />

diesem Fall eine Behandlung fortsetzen müssten.<br />

Kognitive Defizite und Alkohol im Alter<br />

Herr A. ist 74 Jahre alt. Er wird gegen seinen Willen auf die<br />

Akutaufnahmestation für demenzkranke Menschen der Integrierten<br />

Psychiatrie Winterthur (IPW) eingewiesen, nachdem<br />

er im Pfl egeheim Tag und Nacht nur geschrien hatte, dass er<br />

dort nicht bleiben wolle. Was war geschehen? Seit Jahren lebte<br />

er mit seiner Frau in einem kleinen Vorort. Er hatte Jahrzehnte<br />

auf dem Bau gearbeitet und seine Frau und er haben zwei<br />

<strong>SuchtMagazin</strong> <strong>2|2013</strong> 37


Dossier: Sucht im Alter<br />

Kinder. Sein Hobby war immer das Turnen. Er war stolz darauf<br />

gewesen, im Handstand die Treppe heruntergehen zu können.<br />

Aufgrund von Durchblutungsstörungen (Rauchen, Alterszucker)<br />

wurden ihm aber vor sechs Jahren beide Beine amputiert.<br />

Anschliessend hat er seine Zeit vor allem zu Hause verbracht<br />

und viel Alkohol getrunken (ca 4 - 6 Flaschen Bier pro Tag). Mit<br />

seinen Prothesen war er aber mobil.<br />

Dennoch kam die Ehefrau mit seiner Pfl ege, vor allem wenn er<br />

getrunken hatte, zunehmend an ihre Grenzen. Er lehnte alle<br />

externen Hilfsangebote ab und wollte auch kein Spitalbett.<br />

Frau A. hatte mit ihren 70 Jahren ein chronisches Rückenleiden.<br />

Die Finanzen reichten nicht. Die Frau wurde immer unruhiger<br />

und verzweifelter und ging mit ihrem Mann mehrfach in die<br />

Notaufnahme im Kantonsspital, da sie sich keinen Rat mehr<br />

wusste. Dort fi elen seine zunehmenden kognitiven Defi zite auf<br />

und die Verdachtsdiagnose Demenz war allzu rasch gestellt.<br />

Wegen Überforderung der Frau wurden die ÄrztInnen im<br />

Kantonsspital nach wiederholter Notfallaufnahme tätig und<br />

schickten Herrn A. gegen seinen Willen ins Pfl egeheim. Das<br />

Thema Alkohol wurde nicht als Problem gesehen. Entzugserscheinungen<br />

des Mannes und seine laute Rebellion gegen<br />

dieses Vorgehen machten eine Betreuung im Heim unmöglich.<br />

Herr A. wurde nach 24 Stunden gegen seinen Willen zu uns<br />

überwiesen.<br />

Einbezug von Angehörigen<br />

Bei uns auf der Station konnten wir Herrn A. rasch beruhigen<br />

indem wir ihm den fehlenden Alkohol durch Medikamente<br />

substituierten. Frau A. war aber weiter sehr aufgebracht und<br />

musste von unserem Sozialdienst und einer Psychologin intensiv<br />

betreut werden, denn sie sass mit all ihren fi nanziellen<br />

Fragen ganz alleine da und hatte Schuldgefühle, den Partner<br />

so abgeschoben zu haben. Die Kinder zeigten wenig Verständnis<br />

für die Lage der beiden Eltern und lehnten in einem Familiengespräch<br />

jegliche Unterstützung ab. Herr A. wollte nach<br />

Hause gehen, Frau A. wollte und konnte ihn aber so nicht<br />

mehr betreuen. In Einzelgesprächen wurde Herr A. über den<br />

Zusammenhang von Alkohol und seinen kognitiven Defi ziten<br />

und Alltagsschwierigkeiten aufgeklärt und er zeigte sich bereit,<br />

einen schrittweisen sanften Entzug zu machen und mit<br />

Rücksicht auf seine Frau noch etwas bei uns auf der offenen<br />

Psychotherapiestation für ältere Menschen zu bleiben. Die Kognitionen<br />

besserten sich von Tag zu Tag und seine Frau meinte<br />

neidisch: «Der ist wohl bei Euch in den Ferien». Nachdem sich<br />

auch Frau A. etwas erholt und Vertrauen zu uns gefasst hatte,<br />

konnten wir in wenigen Paargesprächen klären, dass der Alkohol<br />

die leichten kognitiven Defi zite von Herrn A., die bis zuletzt<br />

feststellbar blieben, massiv verstärkt hatte und die Pfl ege von<br />

ihm zu Hause verunmöglichte. Gemeinsam mit Frau A. arbeiteten<br />

wir Kriterien heraus, die erfüllt sein müssten, damit Herr<br />

A. wieder in sein Zuhause gehen könnte. Im Alltag trainierten<br />

wir mit ihm an seiner Selbstständigkeit und die Ehefrau war<br />

mehrfach bei der Morgenpfl ege dabei und konnte von unseren<br />

Pfl egefachkräften lernen, wie sie ihn in seiner Selbstständigkeit<br />

unterstützen konnte, ohne ihm, wie in der Vergangenheit,<br />

zu viel abzunehmen.<br />

Herr A. hat sein Ziel erreicht, er ist seit vielen Monaten wieder<br />

daheim. Zwar musste er sich mit Spitex und Spitalbett einverstanden<br />

erklären, aber dazu war er, nach all den Erfahrungen,<br />

gerne bereit. Zum Abschluss schloss das Paar bei uns einen<br />

Vertrag: Herr A. versprach darin, dass er keinen Alkohol mehr<br />

trinken will («...auf keinen Fall, denn ich will möglichst nicht<br />

in so ein Heim») und seine Frau nicht mehr darum bittet, ihm<br />

Alkohol zu kaufen, Frau A. versprach, dass sie ihm auch dann<br />

keinen Alkohol mehr bringt, wenn er darum bitten sollte.<br />

Probleme der Früherkennung:<br />

An diesen Fallbeispielen zeigt sich die Problematik der<br />

Früherkennung der Alkoholabhängigkeit im Alter:<br />

1. Es fehlt an für das Alter adaptierten Grenzwerten<br />

riskanten Alkoholkonsums bei Menschen über 60 Jahren<br />

insbesondere dann, wenn sie auch noch Medikamente<br />

nehmen müssen.<br />

2. Die Diagnostik ist äusserst schwierig und bedarf bei<br />

diesem schambesetzten Thema in dieser Generation viel<br />

Feingefühl. Bilder vom weisen Alten und der Anspruch,<br />

endlich seine Probleme selber im Griff zu haben, stehen<br />

einer ehrlichen Auskunft über den aktuellen Alkoholkonsum<br />

ebenso im Weg wie die Unwissenheit, dass Bagatellisierungen<br />

in dieser Frage gerade für ältere Menschen,<br />

wenn sie ins Krankenhaus kommen lebensbedrohliche<br />

Komplikationen (Delirien) nach sich ziehen können.<br />

3. Screeninginstrumente, die auch den regelmässigen<br />

Umgang mit Alkohol in niedriger Dosierung und in<br />

Kombination mit Medikamenten erfragen und den<br />

körperlichen Zustand des Menschen mit einberechnen,<br />

fehlen bisher.<br />

4. Das konsequente Beachten von unspezifi schen Frühwarnzeichen<br />

einer Abhängigkeit im Alter, wie Sturz<br />

und Schwindel, schlecht einstellbarer Blutdruck oder<br />

Überforderung bei der Pfl ege durch Angehörige kann in<br />

der Somatik auch heute noch nicht überall vorausgesetzt<br />

werden.<br />

38 <strong>SuchtMagazin</strong> <strong>2|2013</strong>


5. Ein strukturiertes Vorgehen nach der Diagnose der<br />

Abhängigkeit durch den Arzt/die Ärztin ist oft nicht vorhanden.<br />

Das heisst, dass eine Aufklärung des Patienten/<br />

der Patientin und der Angehörigen nur dann stattfi ndet,<br />

wenn der Arzt/die Ärztin sich mit der Problematik<br />

auseinandergesetzt und eine positive Vorstellung vom<br />

Alter hat.<br />

Beratung ist wichtig<br />

Die Vernetzung der somatischen ÄrztInnen mit Suchtfachstellen<br />

muss optimiert werden. Die konsiliarische Beratung<br />

durch einen Alterspsychiater oder einen Fachberater für Fragen<br />

zu Sucht im Alter im Krankenhaus oder in der Reha-Klinik<br />

könnte genutzt werden, um Herrn O. über die Risiken seines<br />

Verhaltens aufzuklären und über die veränderte Wirkung dieser<br />

vergleichsweise kleinen Alkoholmenge in seinem Körper<br />

zu informieren. In diesem Beratungsgespräch könnte Herr O.<br />

erfahren, dass er eine grosse Chance hat, seine Abhängigkeit<br />

zu behandeln, ja, dass die Prognose in seinem Alter sogar besser<br />

ist als in jüngeren Jahren 8 und dass, bei Fortsetzung des<br />

Rituals in dieser Form, sein Risiko für weitere Stürze, andere<br />

Komplikationen bis hin zu einer vorzeitigen Heimplatzierug<br />

statistisch gesehen steigt. Wichtig wäre in dieser Beratung,<br />

Herrn O. neben der Informationsvermittlung auch Möglichkeiten<br />

der Behandlung in seiner Nähe aufzeigen zu können und<br />

ihm dabei immer die Freiheit zu lassen, selbst zu entscheiden,<br />

ob er sich in seinem Alter dieser Problematik stellen will oder<br />

lieber nicht. Herr A. und seiner Frau war der Zusammenhang<br />

zwischen dem Alkohol und seinen Schwierigkeiten überhaupt<br />

nicht klar. Durch wenige Gespräche, in denen er wiederholt auf<br />

den Zusammenhang von Alkohol und seinen kognitiven Defi -<br />

ziten und der erhöhten Hilfsbedürftigkeit hingewiesen wurde,<br />

konnte seine Motivation zum Entzug und zur Abstinenz erreicht<br />

werden. Seine Frau war erleichtert, als sie mit ihren Bedürfnissen<br />

auch wahrgenommen wurde, und zeigte sich sehr<br />

motiviert, an seiner Rückkehr nach Hause mitzuarbeiten, da<br />

sie eigentlich auch nicht gern alleine leben wollte.<br />

Fazit<br />

Werden ältere Menschen über die Risiken und Möglichkeiten<br />

betreffend ihrer Abhängigkeit, auch im Zusammenhang<br />

mit der Einnahme von Medikamenten, 9 aufgeklärt und treffen<br />

sie auf ein Helfernetz, das ihnen eine Reduktion ihres Suchtmittels<br />

oder sogar die Abstinenz zutraut, dann zeigt sich aus<br />

unserer Erfahrung in der IPW deutlich, dass auch Menschen<br />

von über 60 Jahren mit professioneller Begleitung einen guten<br />

Weg aus der Abhängigkeit fi nden können. Wo dies gelingt,<br />

ergibt sich zumeist eine drastische Verbesserung der kognitiven<br />

Fähigkeiten, der Lebensqualität und eine Zunahme der<br />

Autonomie im Alltag bis hin zum Abwenden einer ungewollten<br />

Platzierung.<br />

Jeder ältere Mensch sollte so sorgfältig wie möglich über seine<br />

Abhängigkeit aufgeklärt sein, auch wenn das für ihn unangenehme<br />

Themen beinhaltet. 10 Eine sorgfältige Erhebung des<br />

Konsumverhaltens ohne zu pathologisieren oder zu werten<br />

(ob mit Audit-C und oder dem unumgänglichen sorgfältigen<br />

Gespräch zum Vertrauensaufbau) ist die Voraussetzung dafür,<br />

die Problematik nicht zu verfehlen. Mit dem Hinweis, dass<br />

die KlientInnen sich das von uns als ihren TherapeutInnen<br />

wenigstens einmal anhören müssen, damit sie selbst für sich


Dossier: Sucht im Alter<br />

eine gute Entscheidung fällen können, gelingt im Anschluss an<br />

die Problemerfassung und Diagnostik meistens ein konstruktives<br />

Beratungsgespräch, sowohl im ambulanten wie auch im<br />

stationären Setting.<br />

Derartige Kurzinterventionen, die auch im Rahmen einer<br />

Hausarztkonsultation erfolgen könnten, haben sich bei älteren<br />

Menschen als durchaus effektiv erwiesen. 11 Die meisten älteren<br />

Menschen sind anschliessend motiviert, kleine Ziele der<br />

Reduktion des Suchtmittels konsequent zu verfolgen. Wenn<br />

dann auch Angehörige und das HelferInnennetz motiviert<br />

werden, die Reduktion oder Abstinenz zu unterstützen, kann<br />

eine nachhaltige Arbeit zur Eindämmung der Abhängigkeit<br />

und ihrer Folgen gelingen. Der gesundheitsfördernde Aspekt<br />

mässigen Alkoholkonsums wird im Alter propagiert (ein Glas<br />

Rotwein pro Tag sei gesund), aber die epidemiologischen<br />

Daten, auf die sich diese Behauptung stützt, könnten auch<br />

so interpretiert werden, dass Alkoholkonsum ein Indikator<br />

für besonders robuste Gesundheit im Alter ist. Menschen die<br />

im Alter krank werden, stellen den Alkoholkonsum zumeist<br />

ein, die, die weiter trinken können, das sind die besonders<br />

gesunden. 12 .<br />

Literatur<br />

Kessler, D./Salis Gross, C./Koller, S./Haug, S. (2012): Exploration<br />

erfolgversprechender Massnahmen zur Reduktion des<br />

problematischen Alkoholkonsums bei älteren Menschen in der<br />

Schweiz. Zürich: Institut für Sucht und Gesundheitsforschung.<br />

Mann, K./Laucht, M./Weyerer, S. (2009): Suchterkrankungen in der<br />

Lebensspanne. Nervenarzt 80: 1293-1301.<br />

Schnoz, D./Salis Gross, C./Grubenmann, D./Uchtenhagen, A.<br />

(2006): Alter und Sucht. Recherche und Dokumentation zu<br />

evaluierten Interventionen. Zürich: Institut für Sucht- und<br />

Gesundheitsforschung.<br />

van Etten, D. (2010): Beurteilung des Alkoholkonsums mit dem Kurztest<br />

AUDIT-C. <strong>SuchtMagazin</strong> 36(3): 38-40.<br />

Wolter, D.K. (2011): Sucht im Alter – Altern und Sucht. Stuttgart:<br />

Kohlhammer.<br />

Wolter, D.K. (2012): Sucht im Alter. Zentrale Themen, Kontroversen und<br />

künftige Entwicklungen. Psychotherapie im Alter 2(9): 161-180.<br />

Endnoten<br />

1 Vgl. Wolter 2011.<br />

2 Vgl. die Präsentation von Bonassi anlässlich der KAP-plus-Tagung<br />

vom 21.09.2011 (siehe Endnote 9); vgl. auch Artikel von Notari/<br />

Delgrande Jordan/Gmel in dieser Ausgabe.<br />

3 Vgl. Wolter 2012.<br />

4 Vgl. van Etten 2010.<br />

5 Wolter 2011: 251-252. AUDIT: Alcohol USE Disorders Identifi cation<br />

Test- Screeningfragebogen für riskanten Alkoholkonsum;<br />

modifi ziert für den Gebrauch in deutschsprachigen Ländern mit<br />

zehn Fragen, von denen die ersten drei als gutes Screening für<br />

Hinweise auf Alkoholmissbrauch auch bei älteren Menschen<br />

Gültigkeit haben und als Audit C bezeichnet wird. Die Cut-off-Werte<br />

scheinen aber nicht überall gleich zu sein; bei<br />

www.praxis-suchtmedizin.ch ist ein Cut-off von 5 bei Männern und<br />

4 bei Frauen angegeben.<br />

6 Wolter 2011: 102–105.<br />

7 Kessler et al. 2012: 69.<br />

8 Vgl. Schnoz 2006.<br />

9 Vgl. die Präsentation von Delgrande anlässlich der KAP-plus-<br />

Tagung vom 21.09.2011 zum Thema «Alkohol im Alter»:<br />

www.tinyurl.com/an42wum, Zugriff 19.02.2013.<br />

10 Dies ist eine zentrale Forderung des Strukturpapiers<br />

«Abhängigkeit», welches von verschiedenen Fachleuten der<br />

Alterspsychiatrie aus den Bereichen Pfl ege, Psychologie,<br />

Medizin (Psychiatrie/Geriatrie) und dem Suchtexperten der<br />

Erwachsenenpsychiatrie in der Integrierten Psychiatrie<br />

Winterthur erstellt worden ist. Es befasst sich mit den wichtigsten<br />

Unterschieden zwischen Abhängigkeit im Alter und Abhängigkeit<br />

in anderen Lebensabschnitten. Das Dokument kann bei der Autorin<br />

bestellt werden.<br />

11 Vgl. Mann 2009: 1300.<br />

12 Vgl. Wolter 2012: 171.<br />

Bücher zum Thema<br />

Alter, Sucht und Case Management.<br />

Case Management als sinnvolles<br />

Unterstützungskonzept bei<br />

Suchtproblematik im Alter<br />

Barbara Bojack/Elke Brecht/Christina Derr<br />

2010, EHV, 125 S.<br />

Bei dem Stichwort «Sucht» denkt man häufi g als<br />

Erstes an Drogensucht, insbesondere an die<br />

Abhängigkeit von verbotenen Betäubungsmitteln.<br />

Dabei passiert es leicht, dass die Abhängigkeit von<br />

legalen Suchtmitteln, insbesondere von Alkohol und<br />

Medikamenten, übersehen wird. Eine besondere<br />

Herausforderung stellt dabei insbesondere die<br />

Sucht im Alter dar. Als Lösungsansatz stellen die<br />

Autorinnen eine Variation des Case Managements<br />

vor, das nach einer eingehenden Vertiefung in die<br />

Ausgangsproblematik hinsichtlich seiner<br />

Funktionen und Aufgaben betrachtet wird. Wie sich<br />

eine derartige Konzeption praktisch umsetzen lässt,<br />

wird abschliessend anhand eines Fallbeispiels<br />

vorgestellt. Darüber hinaus wird ein Weg<br />

entwickelt, wie Abhängige in Kooperation mit ihrem<br />

sozialen Umfeld agieren können.<br />

Alt und schwer erreichbar.<br />

«Best Practice Gesundheitsförderung im Alter»<br />

bei benachteiligten Gruppen<br />

Eva Soom Ammann/Corina Salis Gross<br />

2011, AVM, 140 S.<br />

Gesundheitsförderung ist zu einer zentralen<br />

Public-Health-Strategie für die Stärkung des<br />

selbstbestimmten Alterns und der Lebensqualität<br />

auch bei bereits bestehenden gesundheitlichen<br />

Einschränkungen avanciert. Benachteiligungen wie<br />

tiefe Renten oder langjährige schwere körperliche<br />

Arbeit und soziale Isolation können jedoch<br />

problematische Gesundheitsverläufe nach sich<br />

ziehen. Tiefer sozioökonomischer Status, Geschlecht<br />

und Migrationshintergrund sind dabei<br />

wichtige Faktoren. Angebote sprechen jedoch eher<br />

Menschen aus der Mittelschicht mit genügend<br />

ökonomischen Ressourcen und gutem Bildungsund<br />

Sozialkapital an. Die Gesundheitsförderung<br />

kommt also nicht dort an, wo sie besonders<br />

benötigt wird. Müssen die Angebote folglich<br />

angepasst und zu ihnen gebracht werden? Doch wie<br />

sind sie zu erreichen? Wissenschaftliche Literatur<br />

und bewährte Praxis sind die Grundlagen zur<br />

Beantwortung solcher Fragen in diesem Buch.<br />

40 <strong>SuchtMagazin</strong> <strong>2|2013</strong>


Fotoserie: Alltag im Alter<br />

Oliver Susami<br />

(Jg. 1978), Fotograf und Soziologe,<br />

lebt in Köln.<br />

www.oliversusami.de<br />

Für Aufmerksamkeit sorgt normalerweise das Extreme, auch beim<br />

Thema Alter: Unwürdige Zustände in Altenheimen, Pfl egenotstand, Menschen,<br />

die in ihren Wohnungen sterben und wochenlang nicht gefunden<br />

werden. Und auf der anderen Seite: Die aktiven, leistungsfähigen, bewundernswerten<br />

Alten, die mit achtzig noch Berge erklimmen, Marathon laufen,<br />

Fremdsprachen erlernen oder ein Studium beginnen.<br />

Diese Fotoserie interessiert sich weniger für die Extreme als für die<br />

gewöhnliche Lebenswelt älterer Menschen. Sie zeigt Dinge unserer Welt,<br />

die gerade im Alter an Bedeutung oder gar Bedrohlichkeit gewinnen: die<br />

Treppe, die zum Hindernis wird, den Medikamentenschrank, auf den man<br />

zunehmend angewiesen ist. Und sie zeigt ältere Menschen in Situationen,<br />

auf die man hoffen kann oder vor denen man sich fürchtet: die aktive<br />

Gestaltung des Ruhestandes – ob nun als Boxtrainer oder mit dem Besteigen<br />

von Bergen – ebenso wie das Angewiesensein auf Hilfe.<br />

Das Thema Sucht ist für diese Fotoserie nicht zentral, schwingt aber in<br />

einigen Bildern mit. Suchtverhalten kann eine Reaktion auf bestimmte<br />

Umstände des Alters sein, etwa auf Einsamkeit und Langeweile, Verlusterfahrungen<br />

oder auch auf das Leben mit körperlichen Einschränkungen oder<br />

gar Schmerzen. Beschäftigt man sich mit Sucht im Alter, so lohnt es sich,<br />

die Lebensumstände älterer Leute genauer zu betrachten. Die Fotoserie<br />

will dazu Ansatzpunkte liefern.<br />

S. 6/7<br />

Das Bild zeigt einen Rollstuhlfahrer und seinen Begleiter auf der Suche<br />

nach einem Weg zum Kölner Dom. Ich beobachtete die beiden einige<br />

Minuten, an den Treppen gab es für sie kein Weiterkommen. Schliesslich<br />

fanden sie eine Gruppe anderer Rollstuhlfahrer, die ihnen den besten Weg<br />

erklärten.<br />

Zu den Erfahrungen des Alters gehört auch, dass Wege, die für andere kein<br />

Problem darstellen, zu Hindernissen werden. Und dazu muss man nicht<br />

einmal Rollstuhlfahrer sein. Es reicht schon, dass die Ausdauer nachlässt.<br />

S. 8<br />

Wie man alt wird, das unterscheidet sich von Fall zu Fall. Gesund und<br />

aktiv oder – im Gegensatz dazu – gebrechlich und auf Hilfe angewiesen.<br />

Letzteres ist für viele die Horrorvision schlechthin.<br />

Das Bild zeigt eine ältere Dame bei der täglichen Wäsche durch eine<br />

Pfl egerin. Nach mehreren Schlaganfällen sitzt die Frau im Rollstuhl. Als<br />

Schwerstbehinderte wird sie ganztägig betreut.<br />

S. 11<br />

Das Bild zeigt den Medikamentenschrank eines älteren Ehepaares.<br />

Darin enthalten sind z. B. verschiedene Schmerzmittel und Stimmungsaufheller.<br />

Die zunehmende Abhängigkeit von den Erzeugnissen der Pharmaindustrie<br />

bzw. die tägliche Einnahme diverser Medikamente gehört für viele zu den<br />

Erfahrungen des Alters. Und gerade Schmerzmittel und Psychopharmaka<br />

bergen in unterschiedlichem Masse Suchtpotential.<br />

Weiterdenken? Weiterbilden!<br />

Inspiration aus unserem aktuellen Weiterbildungsprogramm:<br />

MASTER OF ADVANCED STUDIES (MAS)<br />

MAS in Sozialinformatik<br />

Der MAS besteht aus drei Zertifikatslehrgängen<br />

(CAS), die auch einzeln besucht werden können.<br />

Die Modularisierung der CAS in Seminare bietet<br />

zusätzliche Wahlmöglichkeiten.<br />

CAS Informatik-Projektleitung, August 2013<br />

CAS Online Services, Frühling 2015<br />

WEITERE LEHRGÄNGE (CAS)<br />

CAS Kreativ beraten, Juni 2013<br />

CAS Leiten von Teams, August 2013<br />

CAS Coaching, September 2013<br />

CAS Sozialpädagogische Familienbegleitung,<br />

September 2013<br />

CAS Case Management, Oktober 2013<br />

CAS Brennpunkt Kindesschutz, Oktober 2013<br />

MAS in Management of Social Services<br />

Der MAS besteht aus drei Zertifikatslehrgängen<br />

(CAS), die auch einzeln besucht werden können:<br />

CAS Sozialmanagement, April 2013<br />

CAS Führung im Kontext des psychosozialen<br />

Bereichs, Oktober 2013<br />

CAS Sozialpolitik, April 2014<br />

WEITERE SEMINARE<br />

Die friedliche Macht der Sprache, Mai 2013<br />

Social Media, Mai 2013<br />

Case Management, Juni 2013<br />

Selbstsorge im beruflichen Alltag, Juni 2013<br />

Querdenken, Oktober 2013<br />

Elternaktivierung, November 2013<br />

Weitere Angaben zu unseren MAS, CAS und Seminaren finden Sie unter www.fhsg.ch/weiterbildung.<br />

FHS St.Gallen, Weiterbildungszentrum WBZ-FHS, Rosenbergstrasse 59, 9001 St.Gallen,<br />

Telefon +41 71 226 12 50, weiterbildung@fhsg.ch<br />

Anzeige<br />

FHO Fachhochschule Ostschweiz www.fhsg.ch<br />

<strong>SuchtMagazin</strong> <strong>2|2013</strong> 41


Dossier: Sucht im Alter<br />

S. 16<br />

Aktiv sein, gesund sein, wandern, schöne Orte besuchen, endlich tun,<br />

was man will ... für die meisten das Idealbild des Alters. Doch nicht jeder<br />

wird zum rüstigen Rentner, der zusammen mit dem Partner den Ruhestand<br />

geniessen kann. Einsamkeit, körperliche und geistige Einschränkungen<br />

sowie das Angewiesensein auf andere gehören ebenso zu den Erfahrungen<br />

des Alters. Den Gegensatz zu den beiden Wanderern zeigt das Bild auf Seite<br />

16.<br />

S. 18/19<br />

Das Bild entstand im Kölner Stadtteil Deutz und zeigt eine typische<br />

Kiez-Gegend. Auf relativ engem Raum drängen sich Supermärkte, Kneipen,<br />

Apotheken, Poststellen, Banken und Bäckereien. Gerade für ältere<br />

Leute, die sich auch aufgrund eingeschränkter Mobilität vorwiegend im<br />

eigenen Stadtteil bewegen, sind solche Gegenden wertvoll. Hier ist alles<br />

gut erreichbar, hier entstehen und überdauern Bekanntschaften. Und erfahrungsgemäss<br />

wissen gerade ältere Leute sehr gut um das Stadtteilgeschehen.<br />

Der Stadtteil Deutz ist noch wenig gentrifi ziert, die Mieten sind<br />

bezahlbar, Altmieter stehen nicht zu sehr unter Druck. Die alten Kneipen<br />

und Bäckereien wurden noch nicht von teuren Bioläden und Latte-macchiato-Bars<br />

abgelöst.<br />

S. 24<br />

Die leere Bettseite steht für die Situation vieler älterer Leute – und insbesondere<br />

älterer Frauen – , die mit dem Fehlen des langjährigen Partners<br />

leben müssen.<br />

Das Bild entstand in der Wohnung einer Dame Mitte siebzig, deren Mann<br />

unerwartet an einem Herzinfarkt starb. In jedem Zimmer hängen seine<br />

Bilder, überall hat sie ihn um sich. Zwar spreche sie oft mit ihm, sie glaube<br />

aber nicht, dass er sie höre. Gerne wäre sie religiös, dann könnten sie auf<br />

ein Wiedersehen hoffen. Aber für so einen «naiven Glauben» sei sie einfach<br />

nicht der Typ, dafür habe sie ein zu «naturwissenschaftliches Weltbild».<br />

S. 26/27<br />

Diese kleine Fotoserie soll verdeutlichen, dass wir – Junge wie Alte – in<br />

einer Kultur leben, die das Ideal des jungen, schönen und gesunden Körpers<br />

nicht nur pfl egt, sondern aggressiv propagiert. Das Leben im Alter ist<br />

auch ein Leben mit der Erfahrung, dass man selbst diesem Ideal nicht mehr<br />

oder nur noch ungenügend entspricht. Eine 78-Jährige sagte mir: «Das<br />

Schlimme am Alter ist für mich, dass einen niemand mehr anschaut, man<br />

ist einfach nicht mehr attraktiv. Die Leute auf der Strasse interessieren<br />

sich höchstens für einen, wenn man mal Hilfe braucht».<br />

S. 36<br />

Das Foto zeigt eine Frau Ende Achtzig an ihrem Fernsehplatz. Sie ist<br />

schlecht zu Fuß und hat sich auf ihrem Wohnzimmertisch alles bereitgelegt,<br />

was sie so braucht. Seit dem Tod ihres Mann lebt sie alleine und das<br />

Fernsehprogramm hilft gegen die Langeweile. Auch das «Likörchen» hilft,<br />

sie betont aber, dass es sich im Rahmen halte. Überhaupt vertrage sie nicht<br />

mehr so viel.<br />

S. 38/<strong>39</strong> und Cover<br />

Die Bilder zeigen Hans Mertens, Rentner und ehemaliger Profi boxer.<br />

Seit seiner Frühverrentung trainiert der 67-Jährige für einen Sportverein<br />

Boxer aller Altersklassen. Zwar verdiene er nichts dabei, bekomme lediglich<br />

eine kleine Aufwandsentschädigung, froh sei er aber trotzdem, diesen Job<br />

zu haben: «Ist doch besser, als in der Kneipe rumzuhängen, so wie andere<br />

in meinem Alter … oder?» Schnell und schlagstark ist der 67-Jährige immer<br />

noch. Mühelos zeigt er den Jüngeren und Grösseren die Schwächen ihrer<br />

Deckung auf.<br />

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42 <strong>SuchtMagazin</strong> <strong>2|2013</strong>


Rezension: Qualitätsentwicklung in Projekten der<br />

Gesundheitsförderung und Prävention<br />

Rezension zum Buch «Gesundheitsförderung mit System. quint-essenz<br />

– Qualitätsentwicklung in Projekten der Gesundheitsförderung und<br />

Prävention», Petra Kolip, Günther Ackermann, Brigitte Ruckstuhl, Hubert<br />

Studer, 2012, Hans Huber, Zürich. 260 Seiten.<br />

Martin Hafen<br />

Prof. Dr., Sozialarbeiter und Soziologie. Er hat zu einer systemtheoretisch<br />

begründeten Theorie präventiver Massnahmen promoviert und arbeitet als<br />

Dozent und Projektleiter an der Hochschule Luzern - Soziale Arbeit am Institut<br />

für Sozialmanagement, Sozialpolitik und Prävention. martin.hafen@hslu.ch<br />

«Wir brauchen keine neuen Gesetze und Verbote.»<br />

– In der politischen Diskussion rund um<br />

das (erfolglos) angestrebte Präventionsgesetz<br />

wurde (wieder einmal) deutlich, wie wenig man<br />

ausserhalb der Fachwelt über Prävention und<br />

Gesundheitsförderung weiss. In der Regel werden<br />

die Interventionsmöglichkeiten der beiden<br />

Disziplinen auf Verbote oder eine bevormundende<br />

Sensibilisierung reduziert, mit der dem Individuum vorgeschrieben<br />

wird, was es alles zu tun und zu lassen hat. Dieser<br />

unterkomplexen Sicht der Dinge steht die Realität der professionalisierten<br />

Prävention und Gesundheitsförderung gegenüber.<br />

Wenn man körperliche und psychische Krankheiten, aber<br />

auch soziale Phänomene wie Jugendgewalt in ihrer ganzen<br />

Komplexität erfasst, wird schnell deutlich, dass es zu ihrer Verhinderung<br />

keine einfachen Wege gibt. Sobald Prävention und<br />

Gesundheitsförderung nicht nur am mangelnden Wissen oder<br />

Risikobewusstsein der Zielpersonen ansetzen, vervielfältigt<br />

sich die Zahl der Interventionsmöglichkeiten. Wir haben es<br />

mit bio-psycho-öko-sozialen Phänomenen zu tun. Das bedeutet,<br />

dass es auf der Ebene des Körpers, der Psyche, des Sozialen<br />

und der biologisch-physikalisch-materiellen Umwelt eine Vielzahl<br />

von Risiko- und Schutzfaktoren gibt, die einen Einfl uss<br />

auf die Problementstehung haben und an denen Prävention<br />

und Gesundheitsförderung mit ihren Massnahmen ansetzen.<br />

Die zu bewältigende Komplexität wird zusätzlich dadurch<br />

gesteigert, dass diese Einfl ussfaktoren ihre Wirkung nicht<br />

isoliert entfalten, sondern in einem dynamischen Zusammenspiel<br />

wechselseitiger Beeinfl ussung, die mit dem Begriff<br />

«systemisch» gut umschrieben ist. Dieses Zusammenspiel<br />

ist mikrodivers im eigentlichen Sinn. Das bedeutet, dass die<br />

Einfl ussfaktorenkonstellationen und die Rahmenbedingungen<br />

von präventiven und gesundheitsförderlichen Interventionen<br />

nie die gleichen sind und sich Prävention und Gesundheitsförderung<br />

immer auf neue Verhältnisse und Zielgruppenbedürfnisse<br />

einstellen müssen.<br />

Es ist klar, dass es unter diesen Bedingungen keine einfachen<br />

Rezepte für die Verhinderung von Krankheiten oder<br />

sozialen Problemen gibt. Erfolgversprechende Massnahmen<br />

sollten mehrdimensional, zielgruppengerecht, theoretisch<br />

fundiert und ethisch refl ektiert ausgestaltet sein. Das bedingt<br />

ein Projektdesign, das den Prinzipien des Projektmanage-<br />

ments (Situationsanalyse, Planung, Umsetzung, Evaluation)<br />

folgt und über ausreichende Elemente der Qualitätsentwicklung<br />

verfügt. In den letzten beiden Jahrzehnten ist eine zunehmende<br />

Zahl von Instrumenten entwickelt worden, welche<br />

die Fachleute in Prävention und Gesundheitsförderung dabei<br />

unterstützen, qualitativ ansprechende Projekte zu realisieren.<br />

quint-essenz ist ein solches Instrument. Initiiert in den<br />

90er-Jahren, bietet es den Fachleuten ein online-basiertes<br />

Instrumentarium zur Qualitätsentwicklung von Projekten in<br />

Prävention und Gesundheitsförderung, das in Hinblick auf die<br />

wissenschaftliche Fundierung, seine Praxisnähe und die bedienungsbezogene<br />

Anwendungsfreundlichkeit seinesgleichen<br />

sucht. quint-essenz erlaubt den NutzerInnen, in jeder Phase<br />

ihres Projekts die richtigen Fragen zu stellen, ohne die Antworten<br />

gleich selbst vorzugeben. Das Instrument bietet damit<br />

einen Orientierungsrahmen, welcher optimal auf die Komplexität<br />

und die Dynamik der unterschiedlichen Themenfelder von<br />

Prävention und Gesundheitsförderung zugeschnitten ist.<br />

Mit dem Buch «Gesundheitsförderung mit System» steht<br />

nun eine umfassende Buchpublikation zu diesem wegweisenden<br />

Qualitätsentwicklungssystem zur Verfügung. Ausgehend<br />

von vier Grundlagenkapiteln zum Thema Qualitätsentwicklung<br />

in Prävention und Gesundheitsförderung beschreiben<br />

die AutorInnen im Hauptteil der Arbeit (Kap. 5-12) die Entstehungsgeschichte,<br />

die theoretische Begründung und die zentralen<br />

Aspekte von quint-essenz. Abgerundet wird das Buch<br />

mit einem Kapitel zur Einbindung von quint-essenz-gestützten<br />

Projekten in Organisationen und einem abschliessenden<br />

Fazit zur Bedeutung der Qualitätsentwicklung in Prävention<br />

und Gesundheitsförderung. Das Buch ist in einer klaren, gut<br />

verständlichen Sprache geschrieben und mit zahlreichen Abbildungen<br />

illustriert, mit denen komplexe Zusammenhänge visualisiert<br />

werden. Sehr ansprechend sind auch die eingefügten<br />

Interviews mit Fachleuten aus Prävention und Gesundheitsförderung<br />

zu ihren konkreten Erfahrungen mit quint-essenz in<br />

unterschiedlichen Themenbereichen.<br />

«Gesundheitsförderung mit System» bietet erfahrenen<br />

NutzerInnen von quint-essenz einen zusätzlichen Argumentationshintergrund.<br />

Fachleuten von Prävention und Gesundheitsförderung,<br />

die in ihren Projekten bislang noch keine systematische<br />

Qualitätsentwicklung betrieben haben, liefert das<br />

Buch eine ideale Plattform für den Einstieg in dieses ebenso<br />

fundierte wie praxisnahe Instrument, das über das Internet<br />

sowohl mehrsprachig als auch kostenfrei zur Verfügung steht.<br />

Das Buch leistet damit wie quint-essenz selbst einen massgeblichen<br />

Beitrag zur Professionalisierung des gesellschaftsweit<br />

immer noch massiv unterschätzten Handlungsfeldes von Prävention<br />

und Gesundheitsförderung..<br />

<strong>SuchtMagazin</strong> <strong>2|2013</strong> 43


Bücher zum Thema<br />

Sucht im Alter: Möglichkeiten der Intervention<br />

aus sozialarbeiterischer Perspektive<br />

Sebastian Niekrens<br />

2012, Centaurus, 98 S.<br />

Themen des Buches sind Sucht im Alter und die<br />

Möglichkeiten der Intervention aus der Perspektive<br />

der Sozialen Arbeit. Neben der Erläuterung und<br />

Analyse der Struktur des Alter(n)s in der heutigen<br />

Gesellschaft und der sich aus ihr ergebenden<br />

Lebenslagen älterer Menschen werden mögliche<br />

Ressourcen und Risikofaktoren hinsichtlich einer<br />

Suchterkrankung resümiert. Adäquate<br />

Interventionen und Besonderheiten in der Arbeit<br />

mit alten und suchtkranken Menschen werden<br />

erläutert. Das Buch will ein umfassendes<br />

Verständnis für die individuellen Lebenssituationen<br />

älterer Menschen schaffen. Für die praktische<br />

Sozialarbeit mit den Betroffenen werden<br />

Interventionsmöglichkeiten und altersgerechte<br />

Strukturierungsmöglichkeiten der Suchthilfe<br />

erläutert, welche sich aus einer ganzheitlichen<br />

Betrachtung und Analyse ergeben.<br />

Beratung älterer Menschen. Methoden –<br />

Konzepte – Erfahrungen<br />

Harald Blonski (Hrsg.)<br />

2013, Mabuse, 294 S.<br />

Angesichts des demografi schen Wandels und<br />

komplexer werdender Versorgungsstrukturen wird<br />

die kompetente Beratung älterer Menschen immer<br />

wichtiger. Wie diese Beratung aussehen soll und wie<br />

sie ihre Zielgruppe am besten erreicht – dazu lässt<br />

sich kaum Fachliteratur fi nden. Dieses Buch schafft<br />

Abhilfe. Die AutorInnen erläutern, wann und warum<br />

die Beratung älterer Menschen notwendig ist. Sie<br />

demonstrieren die Vielfalt der Möglichkeiten, eine<br />

solche Beratung anzubieten. Ausserdem teilen sie<br />

ihre Erfahrungen und stellen sowohl Ansätze und<br />

Methoden vor, die sich in ihrer praktischen Arbeit<br />

bewährt haben, als auch solche, die sie in Zukunft<br />

für zielführend halten.<br />

Erfahrungen sexualisierter Gewalt in der<br />

Lebensgeschichte alter Frauen. Ansätze für eine<br />

frauenorientierte Altenarbeit<br />

Martina Böhmer<br />

2011, Mabuse, 134 S.<br />

Sexuelle Gewalt gegen Frauen ist in den letzten<br />

Jahren immer mehr zum öffentlichen Thema<br />

geworden. Die heute 80- bis 100jährigen Frauen<br />

sprechen nur selten über solche Erfahrungen. Viele<br />

Verhaltensweisen, Reaktionen und Botschaften von<br />

Frauen in der Altenarbeit lassen jedoch erahnen,<br />

was ihnen geschehen sein mag. Traumatisierende<br />

Erfahrungen wie Vergewaltigungen in der Ehe,<br />

Zwangsprostitution, frauenspezifi sche<br />

Kriegserlebnisse und auch «alltägliche»<br />

sexualisierte Gewalt wurden möglicherweise nie<br />

thematisiert oder aufgearbeitet. Aufgrund ihrer<br />

praktischen Erfahrungen in der Altenarbeit und<br />

einer differenzierten Pfl egediagnose fordert die<br />

Autorin ein anderes Verständnis für und ein anderes<br />

Umgehen mit alten Frauen – insbesondere in<br />

Pfl egesituationen.<br />

Alter(n) bewegt. Perspektiven der Sozialen Arbeit<br />

auf Lebenslagen und Lebenswelten<br />

Gabriele Kleiner (Hrsg.)<br />

2012, Springer VS, 282 S.<br />

«Lebenslage» und «Lebenswelt» nehmen in der<br />

Diskussion zu theoretischen Verortungen Sozialer<br />

Arbeit seit Jahren eine herausragende Position ein.<br />

In dem Buch wird auf der Folie dieser theoretischen<br />

Konzepte das Alter(n) in den Blick genommen. Dabei<br />

geht es – am Beispiel unterschiedlicher Lebenslageund<br />

Lebensweltdimensionen – um die Betrachtung<br />

von Partizipations- und Teilhabechancen einerseits<br />

und Gefahrenpotentiale sozialer Ausschliessung<br />

andererseits. Im Zentrum stehen die Themen<br />

Wohnen im Alter, Alter(n) und Geschlecht, Alter(n)<br />

und Interkulturalität, Alter(n) und Demenz.<br />

Master of Advanced Studies<br />

MAS Gesundheitsförderung und Prävention<br />

www.mas-gesundheitsfoerderung.ch<br />

CAS Gesundheitsförderung und Prävention: Grundlagen und Best Practice<br />

Ressourcen und gesundheitliche Potenziale von Personen und Lebenswelten erhalten und ausbauen.<br />

Leitkonzepte sind Salutogenese, Empowerment und gesundheitliche Chancengleichheit. Grundkurs.<br />

Beginn und Dauer<br />

19. August 2013 bis 27. Mai 2014, 24 Kurstage, 15 ECTS<br />

CAS Gesundheitsförderung und Prävention: Projekte leiten<br />

Projekte sind zentrale Gestaltungsmittel in der praktischen Umsetzung von Gesundheitsförderung und<br />

Prävention. Realisierung eines eigenen Projekts: Bedarf, Konzept, Prozesssteuerung und Evaluation. Aufbaukurs.<br />

Beginn und Dauer<br />

30. Juni 2014 bis 31. März 2015, 20 Kurstage, 15 ECTS<br />

Leitung<br />

Prof. Felix Wettstein<br />

Information und Anmeldung<br />

Fachhochschule Nordwestschweiz<br />

Hochschule für Soziale Arbeit<br />

Riggenbachstrasse 16, 4600 Olten<br />

+41 62 957 20 <strong>39</strong>, christina.corso@fhnw.ch<br />

www.fhnw.ch/sozialearbeit/weiterbildung<br />

Anzeige<br />

44 <strong>SuchtMagazin</strong> <strong>2|2013</strong>


Veranstaltungen<br />

Schweiz<br />

Familien im Fokus der Prävention:<br />

Potenziale und Herausforderungen<br />

– ein Blick über die<br />

Landesgrenzen<br />

25. April 2013, Biel<br />

Nationaler Kongress von Sucht<br />

Schweiz.<br />

Infos: Sucht Schweiz,<br />

Av. Louis-Ruchonnet 14,<br />

CH-1003 Lausanne, Jennifer Dieter,<br />

Sekretariat Prävention,<br />

Tel. +41 (0)21 321 29 76,<br />

jdieter@suchtschweiz.ch,<br />

www.tinyurl.com/axfonar<br />

Abstinenz und reduzierter<br />

Konsum: Welche Ziele braucht<br />

Suchtbehandlung?<br />

25. April 2013, Cazis<br />

Psychiatrische Dienste Graubünden,<br />

Suchtsymposium 2013<br />

Infos: Psychiatrische Dienste<br />

Graubünden, Birgit Reimann Meisser,<br />

Tel. +41 (0)58 225 30 55, birgit.<br />

reimann@pdgr.ch,<br />

www.pdgr.ch/index.php?id=1565<br />

16th EASAR Conference<br />

9. - 12. Mai 2013, Aeschi<br />

Internationale Tagung des Netzwerkes<br />

European Association of<br />

Substance Abuse Research.<br />

Infos:<br />

www.easar.com<br />

8. Basler Frühjahrestagung 2013<br />

24. Mai 2013, Basel<br />

Alkohol...Missbrauch und<br />

Abhängigkeit.<br />

Infos: Universitäre Psychiatrische<br />

Kliniken Basel, Silvia Bischoff,<br />

Assistentin Zentrumsleitung,<br />

Tel. +41 (0)61 325 51 32,<br />

silvia.bischoff@upkbs.ch<br />

Ankündigung:<br />

www.tinyurl.com/a25zx35<br />

Dialogwoche Alkohol<br />

18. - 26. Mai 2013, ganze Schweiz<br />

www.tinyurl.com/9xyl7wv<br />

5. Fachtagung Klinische<br />

Sozialarbeit<br />

13. & 14. Juni 2013, Olten<br />

Workshop-Tagung: «Mit Zielen<br />

arbeiten trotz widriger Umstände.»<br />

Infos: Fachhochschule Nordwestschweiz<br />

FHNW, Hochschule für<br />

Soziale Arbeit, Prof. Dr. Günther<br />

Wüsten, Riggenbachstrasse 16,<br />

CH-4600 Olten, Tel. +41 (0)62 957 21 58,<br />

guenther.wuesten@fhnw.ch,<br />

www.klinischesozialarbeit.ch<br />

6. Kongress für Kinder- und<br />

Jugendförderung<br />

8. - 11. Juli 2013, Engelberg<br />

Sommerakademie von infoklick.ch<br />

Infos: www.tinyurl.com/as4v5zb<br />

Swiss Public Health<br />

Conference 2013<br />

15. & 16. August 2013, Zürich<br />

Vorsorgen und Versorgen bei<br />

chronischen Krankheiten: Wer macht<br />

was mit wem?<br />

Infos: Public Health Schweiz,<br />

Effi ngerstrasse 54, CH-3001 Bern,<br />

Tel.+41 (0)31 389 92 86,<br />

info@public-health.ch<br />

www.sph13.organizers-congress.ch<br />

Zukunft der Suchtforschung<br />

9. - 10. September 2013, Zürich<br />

Internationale Konferenz zum<br />

20-Jahre Jubiläum des Instituts für<br />

Sucht- und Gesundheitsforschung<br />

ISGF.<br />

Infos: ISGF, Konradstrasse 32,<br />

CH-8031 Zürich, Tel. +41 (0)44 448 11 60,<br />

isgfkongress@isgf.uzh.ch<br />

www.isgf.ch<br />

Kinder, Jugendliche und Konsum<br />

12. & 13. September 2013, Biel<br />

Tagung der Eidgenössischen<br />

Kommission für Kinder- und<br />

Jugendfragen.<br />

Das Programm der Tagung steht im<br />

Juni 2013 zur Verfügung.<br />

Ankündigung:<br />

www.tinyurl.com/axqabpp<br />

Europa<br />

Corporate Health Convention 2013<br />

23. & 24. April 13, Stuttgart<br />

3. Europäische Fachmesse für<br />

betriebliche Gesundheitsförderung<br />

und Demografi e.<br />

www.corporate-health-convention.de<br />

36. BundesDrogenKongress<br />

6. & 7. Mai 2013,<br />

Aschheim-Dornach bei München<br />

Sucht und Gewalt. Fakten, Zusammenhänge<br />

und Best Practice<br />

Infos: Fachverband Drogen- und<br />

Suchthilfe e.V., Odeonstrasse 14,<br />

D-30159 Hannover,<br />

Tel. +49 (0)511 1 83 33,<br />

mail@fdr-online.info,<br />

www.tinyurl.com/b3frnux<br />

18. Suchttherapietage in Hamburg<br />

21. - 24. Mai 2013, Hamburg<br />

Aktuelle Herausforderungen für<br />

Suchtbehandlung und -prävention.<br />

Infos: Kongressbüro der Suchttherapietage,<br />

Zentrum für Interdisziplinäre<br />

Suchtforschung der Universität<br />

Hamburg ZIS, Martinistr. 52, D-20246<br />

Hamburg, Tel. +49 (0)40 7410 54203,<br />

kontakt@suchttherapietage.de,<br />

www.tinyurl.com/bvxu56z<br />

Deutschland: Aktionswoche<br />

Alkohol 2013<br />

25. Mai - 2. Juni 2013, ganz<br />

Deutschland<br />

www.aktionswoche-alkohol.de<br />

Transkulturelle Suchthilfe: Sucht<br />

eine Krankheit der Gewohnheiten<br />

7. - 8. Juni 2013, Oerlingshausen<br />

Die Tagung stellt neue Erkenntnisse,<br />

kulturelle Hintergründe, fachliche,<br />

versorgungspolitische Herausforderungen<br />

und zielgruppenspezifi sche<br />

Hintergründe der Arbeit mit<br />

Migranten in der transkulturellen<br />

Psychiatrie und Psychologie vor.<br />

Infos: Dachverband der transkulturellen<br />

Psychiatrie, Psychotherapie<br />

und Psychosomatik im deutschsprachigen<br />

Raum e.V. (DTPPP), Postfach<br />

2622, D-59016 Hamm,<br />

info@dtppp.ch,<br />

www.tinyurl.com/c8lcz4s<br />

Harm Reduction International:<br />

The Values Of Harm Reduction<br />

9. - 12. Juni 2013, Vilnius (Litauen)<br />

Die Konferenz wird von der Harm<br />

Reduction International in<br />

Zusammenarbeit mit dem Eurasian<br />

Harm Reduction Network (EHRN)<br />

organisiert.<br />

Infos: Harm Reduction International,<br />

Unit 2D12 Southbank Technopark, 90<br />

London Road, London, SE1 6LN,<br />

conference@ihra.net, www.ihra.net<br />

26. Kongress des Fachverbandes<br />

Sucht e.V<br />

10. - 12. Juni 2013, Heidelberg<br />

Der Mensch im Mittelpunkt – Was<br />

bedeutet dies für die Suchtbehandlung?<br />

Infos: Fachverband Sucht e.V.<br />

Walramstrasse 3, 53175 Bonn,<br />

Tel. +49 (0)228 261555,<br />

sucht@sucht.de,<br />

www.tinyurl.com/brdwmsw<br />

4. Bayerischer Fachkongress<br />

Glücksspiel 2013<br />

(Vorankündigung)<br />

12. Juni 2013, München<br />

www.tinyurl.com/afqo8ae<br />

14. Interdisziplinärer Kongress für<br />

Suchtmedizin (Vorankündigung)<br />

4. - 6. Juli 2013, München<br />

Fachintegrierendes Forum für<br />

Suchttherapie, Suchtfolgekrankheiten<br />

und Akutversorgung<br />

Suchtkranker.<br />

www.tinyurl.com/ce2p5sf<br />

Complexity: Researching alcohol<br />

and other drugs in a multiple<br />

world<br />

21. - 23. August 2013, Aarhus<br />

Dänemark<br />

Interdisziplinäre Konferenz für<br />

internationale Forschung<br />

Infos: Aarhus University, Centre for<br />

Alcohol and Drug Research,<br />

Bartholins Allé 10, DK-8000 Aarhus C,<br />

Denmark, Tel: +45 (0)8716 5313,<br />

crf@au.dk, www.tinyurl.com/arvdwag<br />

Laut ISGF-Schlussbericht «Exploration<br />

erfolgversprechender Massnahmen zur Reduktion des<br />

problematischen Alkoholkonsums bei älteren Menschen»<br />

2012 (im Auftrag des BAG) ist<br />

Definiertes Trinken DT ®<br />

✔ Good Practice<br />

✔ für ältere Personen besonders leicht zugänglich<br />

✔ ein besonders wichtiges Angebot zur Veränderung<br />

ihres Verhaltens<br />

✔ ein prominentes Beispiel dafür, wie Betroffenen die<br />

Beteiligung bei der Zieldefi nition ermöglicht wird.<br />

www.definiertestrinken.ch<br />

• Datenbank mit über 600 Suchthilfeangeboten der<br />

Schweiz (Beratung, Therapie, Entzug, niederschwellige<br />

Angebote, betreutes Wohnen, Selbsthilfe, Prävenon)<br />

• Für Fachleute, Betroffene und Angehörige<br />

• Suche nach Kanton, Suchorm, spezifischen Angeboten<br />

für Jugendliche, ältere Menschen, Frauen, Männer,<br />

MigrantInnen<br />

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46 <strong>SuchtMagazin</strong> <strong>2|2013</strong>


Newsflash<br />

Präsentiert von<br />

Das Schweizer Suchtportal<br />

www.infoset.ch<br />

Wegen Alkoholvergiftung im Spital:<br />

Nicht nur Junge sind betroffen<br />

Im Jahr 2010 wurden rund 27'000 Personen wegen einer<br />

Alkoholabhängigkeit oder einer Alkoholvergiftung in einem<br />

Schweizer Spital behandelt. Ungefähr 90% der rund 12‘000<br />

Personen, die im Jahr 2010 wegen Alkoholvergiftung hospitalisiert<br />

wurden, sind älter als 23 Jahre. Bei den Jugendlichen fällt auf, dass<br />

die Spitaleinweisungen wegen Alkoholvergiftung bei den 14- und<br />

15-Jährigen am häufi gsten sind, obwohl das Rauschtrinken bis zum<br />

jungen Erwachsenenalter zunimmt. Das zeigt, dass sie im Umgang<br />

mit Alkohol unerfahren sind und eher riskieren, über die Massen zu<br />

trinken. In der Altersgruppe der 10- bis 23-Jährigen die im Jahr 2010<br />

wegen einer Alkoholvergiftung in ein Spital eingewiesen wurden,<br />

liegt die Anzahl um 73% über dem Niveau von 2003. 2009 und 2010<br />

gingen die Werte leicht zurück und erreichten das Niveau von<br />

2007. Sie bleiben gemäss Fachleuten besorgniserregend hoch. Die<br />

Studie wurde von Sucht Schweiz im Auftrag des Bundesamtes für<br />

Gesundheit durchgeführt.<br />

Studie von Sucht Schweiz: www.tinyurl.com/cfq8ou4<br />

Bericht Städteverband: Nachtleben aktiv mitgestalten<br />

Eine lebendige, attraktive Stadt soll heute viele<br />

Begegnungsmöglichkeiten und ein breites, pulsierendes<br />

Kulturangebot bieten und gleichzeitig eine qualitativ<br />

hochwertige Wohnstadt sein. Dies stellt Städte und städtische<br />

Gemeinden immer wieder vor neue Herausforderungen. Seit dem<br />

vergangenen Sommer beschäftigte sich eine Arbeitsgruppe des<br />

Schweizerischen Städteverbandes mit den Herausforderungen des<br />

städtischen Nachtlebens. Der Bericht «Städtisches Nachtleben.<br />

Situationsanalyse und mögliche Vorgehensweisen» zeigt auf,<br />

welche Grundsatzfragen sich stellen: Ausgangslage, Zielsetzungen,<br />

Strukturen und Faktor Zeit. Diese sollen den politischen<br />

EntscheidungsträgerInnen als Basis für eine ganzheitliche,<br />

strategische Betrachtung des Themas Nachtleben dienen.<br />

Weiter listet der Bericht im Sinne eines Ideenpools Beispiele von<br />

Massnahmen auf, wie sie verschiedene Städte anwenden. Die<br />

Thematik «Alkohol» wird in einem eigenen Unterkapitel behandelt.<br />

Bericht des Städteverbandes: www.tinyurl.com/cpv25gs<br />

Strafverfolgung und HIV: Petition der LEAHN<br />

Die Internationale Polizei-Beratungsgruppe (International Police<br />

Advisory Group, IPAG) des Netzwerks Strafverfolgung und HIV (Law<br />

Enforcement and HIV Network, LEAHN, www.leahn.org) lanciert<br />

in Polizeikreisen eine Unterschriftensammlung zur Unterstützung<br />

von Schadenminderungsansätzen zur HIV-Prävention und um<br />

Diskriminierungen vorzubeugen.<br />

Deutsche Version der Petition: www.tinyurl.com/bmoj4gn<br />

laut & leise: Sucht im Alter<br />

Die aktuelle Ausgabe (1/2013) des Magazins «laut & leise» der<br />

Stellen für Suchtprävention im Kanton Zürich ist dem Thema Sucht<br />

im Alter gewidmet. Es enthält u. a. Neues zum gesellschaftlichen<br />

Wandel des Alters und dessen Relevanz für Suchtfragen, Hinweise<br />

auf Informationsquellen, Forschung und Zusammenarbeit im<br />

Kanton (z. B. Expertenforum für Altersalkoholismus), sowie<br />

einen Bericht aus der Spitexregion rechtes Limmattal über die<br />

Umsetzung des Projektes «Suchtprävention, Früherkennung und<br />

Frühintervention».<br />

www.tinyurl.com/brtqwpy<br />

Infoset finden Sie auch auf Facebook<br />

www.facebook.com/infosetde<br />

JAMES-Studie: Medienverhalten von Jugendlichen<br />

Alle zwei Jahre werden über 1'000 Jugendliche im Alter von 12 bis<br />

19 Jahren in den drei grossen Sprachregionen der Schweiz zu ihrem<br />

Medienverhalten befragt. Die aktuellen Ergebnisse zeigen, dass<br />

das immer grösser werdende Angebot an neuen Medien und die<br />

immer vielfältigeren Zugangsmöglichkeiten kaum einen Effekt auf<br />

die Freizeitgestaltung der befragten Jugendlichen haben. Immer<br />

noch geben 79% (2010: 80%) an, dass sie sich regelmässig mit<br />

Freunden treffen, Musik machen (32%, seit 2010 unverändert) oder<br />

etwas mit der Familie unternehmen (20%, 2010: 16%). Jugendliche<br />

nutzen oft mehrere Medien zeitgleich. Sie hören Musik, während<br />

sie Nachrichten verschicken, ein YouTube-Video ansehen oder sich<br />

auf Facebook bewegen. Zudem kann der mancherorts vermutete<br />

Mitgliederschwund von Facebook bei den Schweizer Jugendlichen<br />

nicht festgestellt werden. Die negativen Erfahrungen im Netz<br />

haben gemäss dieser Studie nicht zugenommen. 17 Prozent der<br />

Jugendlichen gaben an, im Internet einmal fertig gemacht worden<br />

zu sein, gleichviele wie 2010.<br />

JAMES-Studie der ZHAW: www.tinyurl.com/d3sv945<br />

Berg- und Talfahrt des Selbstwertgefühls im Jugendalter<br />

Die Pubertät bringt zahlreiche Herausforderungen mit sich.<br />

Körperliche Veränderungen, ein Gefühlswirrwarr und Selbstzweifel<br />

gehören dazu. Das Selbstwertgefühl schwankt. Die neue Website<br />

von Sucht Schweiz lädt 13- bis 18-Jährige ein, sich mit ihrem<br />

Selbstwertgefühl zu beschäftigen. Erfahrungsberichte von<br />

Gleichaltrigen, Tipps sowie Spiele und Tests, um sich selbst besser<br />

kennenzulernen, sollen dazu beitragen, das Selbstwertgefühl zu<br />

stärken. Die Meinung von Gleichaltrigen, das Aussehen und viele<br />

weitere Fragen sind für Jugendliche von Interesse. Auch solche rund<br />

um den Alkoholkonsum, das Rauchen und Kiffen oder Fragen zur<br />

Zugehörigkeit zu einer Clique, zum Umgang mit Stress oder zum<br />

Ausgang. In der Rubrik «Thermometer» fi nden Jugendliche eine<br />

Skala, um ihr jeweiliges Selbstwertgefühl einzuschätzen. Im Sinne<br />

eines Denkanstosses erhalten sie Rückmeldungen zu ihrer aktuellen<br />

Einstufung.<br />

www.meinselbstwertgefuehl.ch<br />

PerSpektiven – Forum für Eltern, Angehörige und Betroffene<br />

von Suchtkranken<br />

Die Angehörigenvereinigung Drogenabhängiger Zürich<br />

ada-zh gibt die Zeitschrift FORUM vierteljährlich heraus.<br />

Gleichzeitig ist das Magazin das offi zielle Publikumsorgan vom<br />

VEVDAJ, dem schweizerischen Dachverband der Eltern- und<br />

Angehörigenvereinigungen Drogenabhängiger. Die Zeitschrift<br />

ist das Sprachrohr für die Angehörigen von Suchtkranken und<br />

beleuchtet die Suchtthematik aus der Sicht der Eltern und<br />

Betroffenen. Nachdem das Magazin 21 Jahre unter dem Namen<br />

Forum erschienen ist, ändert es nun seinen Titel in PerSpektiven.<br />

Gleichzeitig wurde die Homepage der ada-zh inhaltlich und grafi sch<br />

überarbeitet.<br />

www.ada-zh.ch<br />

Onlinerisiken aus Kindersicht<br />

Was halten Kinder für beunruhigende Online-Risiken und wie<br />

beschreiben sie diese? Umfasst dies auch Risiken, die bisher von<br />

der Politik vernachlässigt wurden? Lassen sich Unterschiede in<br />

Bezug auf Alter, Geschlecht, Herkunft und Erfahrungen festmachen?<br />

Diesen Fragen geht der aktuelle Bericht «In their own words: What<br />

really bothers children online?» nach. Für den Bericht wurden die<br />

Antworten von 9‘636 Kindern ausgewertet. Die Antworten stammen<br />

aus einer Studie, die 2010 in 25 europäischen Ländern durchgeführt<br />

wurde.<br />

Bericht des EU Kids Online-Forschungsnetzwerks: www.tinyurl.com/<br />

b8ncxh4<br />

<strong>SuchtMagazin</strong> <strong>2|2013</strong> 47


<strong>SuchtMagazin</strong> im Abonnement<br />

Kontakt: abo@suchtmagazin.ch oder +41(0)31 376 04 01<br />

Jahresabonnement<br />

Schweiz CHF 90.–, Ausland Euro 75.–<br />

Unterstützungsabonnement<br />

Schweiz CHF 120.–, Ausland Euro 80.–<br />

Kollektivabonnement ab 5 Exemplaren<br />

Schweiz CHF 70.–, Ausland Euro 48.–<br />

Schnupperabonnement (3 Ausgaben)<br />

Schweiz CHF 30.–, Ausland Euro 25.–<br />

Das <strong>SuchtMagazin</strong> jetzt auch auf<br />

Ausblick auf die kommenden Schwerpunkte<br />

<strong>Nr</strong>. 3|2013: Stimulanzien<br />

Inserateschluss: 25. Mai 2013<br />

Erscheinungsdatum: ca. 15. Juni 2013<br />

<strong>Nr</strong>. 4|2013: Selbsthilfe/Selbstheilung<br />

Inserateschluss: 25. Juli 2013<br />

Erscheinungsdatum: ca. 25. August 2013<br />

<strong>Nr</strong>. 5|2013: Diverse Themen<br />

Inserateschluss: 25. September 2013<br />

Erscheinungsdatum: ca. 15. Oktober 2013<br />

<strong>Nr</strong>. 6|2013: Suchtforschung<br />

Inserateschluss: 25. November 2013<br />

Erscheinungsdatum: ca. 15. Dezember 2013<br />

<strong>Nr</strong>. 1|2014: Komorbidität<br />

Inserateschluss: 25. Januar 2014<br />

Erscheinungsdatum: ca. 15. Februar 2014<br />

Facebook: facebook.com/suchtmagazin<br />

Twitter: twitter.com/suchtmagazin<br />

Lieferbare Nummern des <strong>SuchtMagazin</strong><br />

Bestellungen direkt an abo@suchtmagazin.ch | Preis pro Einzelheft CHF 18.– | Euro 13.– (exkl. Porto)<br />

2013 1 Substitutionsgestützte Behandlung<br />

2 Sucht im Alter<br />

2012 1 Angehörige<br />

2 Suchtpolitik<br />

3&4 Tabak<br />

5 Adoleszenz<br />

6 Sozialraum<br />

2011 1 Alkoholpolitik<br />

2 Sucht am Arbeitsplatz<br />

3 Verhaltenssüchte<br />

4 Kinder stärken<br />

5 Früherkennung und Frühintervention<br />

6 Social Networks (Web 2.0)<br />

2010 1 Evidenzbasierte Suchtprävention<br />

2 Neuro-Enhancer<br />

3 Sucht im Alter<br />

4 Frühe Förderung<br />

5 Club Health<br />

6 Drogenmärkte und Drogenhandel<br />

2009 1 Suchtarbeit und Prävention in der Bodenseeregion<br />

2 Qualität in der Suchtarbeit<br />

3 Sucht im Alter – stationäre Kontexte und Wohnen<br />

4 Migration und Sucht<br />

5 Jugendgewalt und Sucht<br />

6 Medikamente – Heil- und Suchtmittel<br />

2008 1 Schadensminderung<br />

2 Jugend heute<br />

3 Kontrollierter Konsum<br />

4 Gender Mainstreaming<br />

5 Cannabispolitik<br />

6 Alkohol und Jugendschutz<br />

2007 1 Mobbing – Gefahren und Chancen<br />

2 Früherkennung und Frühintervention<br />

3 Schule – Good Practice<br />

4 Suchtprävention, Jugend und Alkohol<br />

5 Fussball – Fankultur und Fanarbeit<br />

6 «Die Kette» – Drogenmagazin – Suchtmagazin<br />

2006 1 Substitution: Methadon, Heroin, Nikotin<br />

2 Frau, Sucht, Gender<br />

3 Gesundheitsförderung in Stadtteil- und Jugend arbeit;<br />

Heroinabhängige Frauen, Femmestische<br />

4 Gesundheitsförderung im Betrieb<br />

5 Hungern – Schneiden – Essen<br />

6 Rasen, Rausch und Risiko<br />

2005 1 Schnittstelle Schule – Beruf<br />

2 Gesundheit und Prävention in Haft<br />

3 Ritalinbehandlung – Pro und Contra<br />

4 QuaTheDA, Psychoaktiv.ch, Gender Mainstream, HIV-Therapie<br />

5 Prävention mit Peer Groups<br />

6 Gesundheitsförderung in der Gemeinde und im Quartier<br />

2004 1 Surfen, Chatten, Spielen, Wetten<br />

2 Interkulturelle Vermittlung in Suchtprävention und Beratung<br />

3 Akzeptierende Suchtarbeit<br />

4 Stationäre Suchttherapie – Neue Ansprüche und<br />

Herausforderungen<br />

5 Gender berücksichtigen in Schule, Freizeit und Erwerbsleben<br />

2003 1 Gemeinden Handeln, KlientInnenzufriedenheit,<br />

Präventionstheorie, Substitutionpolitik<br />

2 Schule und Soziale Arbeit, Stationäre Alkoholismustherapie<br />

3 Partykultur und Pillentesting<br />

4 Sucht im Alter<br />

5 Suizid<br />

6 Stationäre Drogentherapie

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