Neue Szene Augsburg 2019-02
Stadtmagazin für Augsburg
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kannst immer sagen, was die Grünen wahrscheinlich als nächstes tun.<br />
Freund: Das unterstellt jetzt, dass wir unser Handeln danach ausrichten,<br />
was andere machen, so als wäre das alles ein großes Schachspiel. Aber<br />
wir richten unser Handeln danach aus, was unserer Haltung entspricht. Wie<br />
sich jetzt die Grünen dazu positionieren, wenn wir einen Radstreifen oder<br />
keinen wollen, das spielt allenfalls an dritter Stelle eine Rolle.<br />
Aber wenn ihr bei der SPD zusammensitzt und die kommende Wahl<br />
besprecht, habt ihr doch sicher im Blick, welche Partei euer Konkurrent<br />
ist oder von wem ihr die meisten Wähler gewinnen könnt.<br />
Freund: Nein, wir schauen, in welchen Straßenzügen wir früher mehr<br />
Stimmen geholt haben und warum wir das zuletzt nicht mehr geschafft<br />
haben und die Leute daheim geblieben sind, statt uns zu wählen. Das geht<br />
durch alle Milieus. Uns geht es darum, dass wir diese Menschen wieder dazu<br />
bringen, die SPD zu wählen.<br />
Christian, was kann die SPD von den Grünen lernen?<br />
Moravcik: Imagebildung und Selbstdarstellung.<br />
Freund: Dass wir im Moment natürlich schauen, was die Grünen marketingmäßig<br />
richtig machen, das ist doch klar. Was die Kommunikation<br />
angeht, ist das schon beachtlich.<br />
Fehlen der SPD vielleicht die markanten Köpfe?<br />
Freund: Schwer zu sagen, es gibt überall charismatischere oder weniger<br />
charismatische Köpfe. Aber das finden wir in der SPD schon auch noch.<br />
Dass wir mit Andrea Nahles keine Parteivorsitzende haben, deren Strahlkraft<br />
uns Milieus erschließt, die uns nicht sowieso schon gut finden, das<br />
können wir auch nicht ändern. Wir können nur versuchen, es in <strong>Augsburg</strong><br />
besser zu machen.<br />
Welchen charismatischen Kopf wird die SPD in <strong>Augsburg</strong> denn als<br />
OB-Kandidat aufstellen?<br />
Freund: Da spielen wir gerade ganz verschiedene Szenarien durch und<br />
am Ende des Tages macht es der, der am meisten Aussicht auf Erfolg hat.<br />
Ich überlasse es deinem journalistischen Sachverstand, zu überlegen, wer<br />
das sein könnte.<br />
Vielleicht ein gemeinsamer Kandidat von Grünen und SPD, zum Beispiel<br />
Cemal Bozoglu.<br />
Freund: Die SPD wird natürlich einen eigenen Kandidaten aufstellen,<br />
wenn die Grünen den unterstützen wollen, sind sie herzlich eingeladen.<br />
Moravcik: Wenn die Grünen auf einen eigenen Kandidaten verzichten<br />
und die SPD unterstützen, sind die grünen Themen mit abgedeckt.<br />
Umgekehrt wäre es für die SPD so, dass bei einem gemeinsamen grünen<br />
Kandidaten eine Reihe von Themen wegfallen würden, die bei den Grünen<br />
nicht vertreten wären. Ich glaube, wir von der SPD werden einen starken<br />
Kandidaten finden.<br />
Freund: Solange die Grünen keinen OB-Kandidaten aufstellen, der<br />
übers Wasser gehen kann, ist mir der eine Kandidat so Recht wie der andere.<br />
Aber so einen Kandidaten sehe ich bei den Grünen momentan eher nicht.<br />
Den sehe ich bei der SPD momentan aber eher auch nicht.<br />
Freund: Dann schau mal genau hin.<br />
Du selbst, Ordnungsreferent Dirk Wurm…<br />
Freund: Christian Moravcik wurde auch schon als möglicher Kandidat<br />
genannt…<br />
Moravcik: Den würden zumindest die Grünen unterstützen.<br />
Freund: Wir haben auch renommierte Politiker, die anderswo in Bayern<br />
wohnen.<br />
Habt ihr eigentlich noch Lust auf die CSU?<br />
Freund: Wenn ich Lust auf die CSU hätte, wäre ich da Mitglied. Deswegen<br />
mag ich diese Beziehungsvergleiche auch nicht. Wenn ich jemanden<br />
heirate, dann habe ich Schmetterlinge im Bauch, dann ist ein Kribbeln da…<br />
Moravcik: Du bist ja ein richtiger Romantiker…<br />
Freund: Es ist jedenfalls nicht die Art des Kribbelns, die ich beim Austausch<br />
mit der CSU habe. Es geht jedenfalls um mehr als die persönliche<br />
Chemie. Da geht es auch um Weltanschauungen, wir hatten zum Beispiel<br />
jahrzehntelange Diskussionen um den Kita-Ausbau. Schau dir mal die<br />
Wahlperiode 2008 bis 2014 an, als die CSU mit Pro <strong>Augsburg</strong> koaliert hat,<br />
schau einfach mal, wer da in welcher Position war und was da passiert ist.<br />
Und dann schau dir an, was seit der letzten Wahl und der Regierung aus<br />
CSU, SPD und Grüne passiert ist. Und sag mir dann, was für die Stadt besser<br />
war. Die SPD ist nicht nur ein Wurmfortsatz der Gribl-Regierung. Aber<br />
natürlich spielen wir auch bei der nächsten Wahl auf Sieg.<br />
Welche Themen werden für <strong>Augsburg</strong> in den kommenden Jahren am<br />
wichtigsten sein?<br />
Moravcik: Verkehr, Wohnen und Bildung.<br />
Freund: Und auch Industriepolitik. Bei der werden jetzt manche sagen,<br />
dass die Kommune da überhaupt keinen Einfluss drauf hat, aber ich würde<br />
sagen: Na ja, die letzte industriepolitische Entscheidung, die wir haben<br />
wollten, war das BMW-Werk, das dann nach Leipzig gegangen ist. Seitdem<br />
kann ich mich nicht erinnern, dass wir über eine größere Ansiedlung diskutiert<br />
haben. Aber wenn wir in <strong>Augsburg</strong> ein Industriestandort bleiben<br />
wollen, dann müssen wir uns dessen annehmen. Was wir leider gerade erleben,<br />
ist, dass gut bezahlte, tarifgebundene Arbeitsplätze verloren gehen und<br />
durch weniger gut bezahlte Stellen im Logistikbereich ersetzt werden. Das<br />
wird ein zentrales Thema sein. Auch Verkehr ist immer ein Thema. Wenn<br />
man beispielsweise Wohnungen hat, nimmt auch der Verkehr zu, die AVV-<br />
Tarifreform wird deswegen auch ein Thema sein. Der Nahverkehr muss<br />
attraktiver werden.<br />
Moravcik: Beim bezahlbaren Wohnraum wird auch eine Frage sein,<br />
wie wir Nachverdichtung hinbekommen, ohne dass wir Betonwüsten<br />
bekommen. Wir werden auch demnächst…darf ich das schon verraten?<br />
Freund: Hau es raus.<br />
Moravcik: Wir werden uns überlegen, wie sich die Stadt viel stärker bei<br />
der Entwicklung von stadteigenen Wohnkomplexen engagieren kann. Und<br />
was Bildung angeht: Da haben wir zwar ein Investitionspaket geschnürt,<br />
aber es reicht nicht aus und wir müssen uns überlegen, wie wir die Schulen<br />
sanieren können, die im Paket bisher noch nicht zum Zuge kommen.<br />
Wieso wird die Politik der SPD bislang vom Wähler nicht honoriert?<br />
Sind die Leute zu blöd, zu merken, wie gut die SPD ist?<br />
Freund: Die SPD wird offensiver sein und mehr Kante zeigen. Wenn<br />
ich zum Beispiel lese, dass Kurt Gribl sagt, dass steigende Mieten ein Kompliment<br />
für die Stadt seien, weil die wirtschaftliche Entwicklung so gut ist,<br />
dann sehe ich das anders und wir kämpfen natürlich dafür, dass wir 30 Prozent<br />
geförderten günstigen Wohnungsbau in jedem Bebauungsplan haben,<br />
weil wir wollen, dass alle Menschen in <strong>Augsburg</strong> wohnen können und<br />
nicht nur solche, die sich Wohnungen mit 7.000 Euro pro Quadratmeter<br />
leisten können oder eine Kaltmiete von 15 bis18 Euro. Das treibt uns an. Es<br />
geht zum Beispiel auch darum, dass wir uns um die alltäglichen Sorgen der<br />
Menschen in den Stadtteilen kümmern. Ob es darum geht, dass eine Buslinie<br />
anders fahren soll, oder dass der Schnee nicht geräumt wird, dann müssen<br />
wir rausgehen und den Menschen konkrete Lösungsansätze anbieten<br />
oder einfach nur zuhören. Das machen wir auch schon und dann höre ich<br />
oft: Wenn nur alle Politiker so wären! Aber de facto sind fast alle Politiker<br />
so, der Kontakt ist nur relativ selten geworden, aber genau das müssen wir<br />
hinbekommen, dass die Leute uns ohne Scheu ansprechen und sagen, was<br />
ihr Anliegen ist und wir ihnen dann ganz konkret helfen. Das macht ja auch<br />
Spaß. Wenn man in die Politik geht, muss man Spaß daran haben, Leute zu<br />
treffen, einen Ausgleich zu suchen und sich für andere einzusetzen. Wer<br />
nicht gerne Hände schüttelt und von den Menschen nicht gerne erkannt<br />
und angesprochen wird, der ist falsch in der Politik.