Berliner Kurier 30.01.2019
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8 BERLIN BERLINER KURIER, Mittwoch, 30. Januar 2019 *<br />
NACHRICHTEN<br />
Kitas bestreikt<br />
Oma Liesel: Tortur<br />
Berlin –Erzieher haben<br />
gestern für eine bessere Bezahlung<br />
zeitweise die Arbeit<br />
niedergelegt –bestimmte<br />
Kitas blieben deshalb<br />
geschlossen. Zu einer<br />
Kundgebung der Gewerkschaft<br />
GEW nahe dem S-<br />
Bahnhof Friedrichstraße<br />
kamen viele Hunderte Teilnehmer.<br />
An dem halbtägigen<br />
Warnstreik beteiligten<br />
sich laut GEW mehr als<br />
2000 Erzieher.<br />
Länder-Kooperation<br />
Berlin –Die Länder Berlin<br />
und Brandenburg stellen<br />
gemeinsame Planungen in<br />
der Verkehrs- oder Wohnungspolitik<br />
auf eine neue<br />
Grundlage. Sie beschlossen<br />
bei einer gemeinsamen Kabinettssitzung<br />
einen „Landesentwicklungsplan<br />
Hauptstadtregion“ (LEP).<br />
Streit mit Steinen<br />
Moabit –Nach einem<br />
Wortgefecht im Hauptbahnhof<br />
haben drei Männer<br />
(28 -32) zwei andere verfolgt<br />
und Steine nach ihnen<br />
geworfen. Die Attackierten<br />
blieben laut Bundespolizei<br />
unverletzt. Die Angreifer<br />
wurden festgenommen.<br />
Radler müssen warten<br />
Berlin –Radler müssen auf<br />
den Bau von Schnellstrecken<br />
noch einige Jahre<br />
warten. Der Baustart für die<br />
erste von zehn Routen soll<br />
voraussichtlich 2022 sein<br />
und am Teltowkanal entlang<br />
führen, so Verkehrssenatorin<br />
Regine Günther<br />
(parteilos/für Grüne).<br />
ARCHE NOAH<br />
Toma und Tiana ... kamen<br />
über einen Gerichtsvollzug<br />
ins Heim. Sie haben eine<br />
Feder- und Schnabelerkrankung<br />
und können deshalb<br />
nur mit ebenfalls daran<br />
erkrankten Wellensittichen<br />
zusammenleben.<br />
Verm.-Nr.18/4640&4641<br />
Tierheim Berlin,<br />
Hausvaterweg 39, 13057 Berlin,<br />
Telefon: 030/768880,<br />
www.tierschutz-berlin.de<br />
Die Tiervermittlung ist geöffnet:<br />
Mittwoch–Sonntag 13–16 Uhr<br />
Foto: dpa<br />
Foto: Tierheim Berlin<br />
im Pflegeheim<br />
Die 79-Jährige stürzt und bricht sich den<br />
Oberschenkel. Doch ein Krankenwagen<br />
kommt erst nach über zwei Stunden<br />
Von<br />
CHRISTIAN GEHRKE<br />
Gropiusstadt – Der Enkel von<br />
Lieselotte Schulz (79) ist immer<br />
noch wütend. Seine Oma<br />
stürzt vor ein paar Tagen in<br />
ihrem Zimmer im Pflegeheim<br />
und bricht sich dabei den<br />
Oberschenkel. Und die Pfleger?<br />
Reagieren träge. Sie<br />
wählen nicht den Notruf,<br />
sondern bestellen erst nach<br />
einer Stunde einen Krankentransport,<br />
der zwei Stunden<br />
nach dem Vorfall eintrifft. In<br />
der Klinik muss die 79-Jährige<br />
notoperiert werden. Enkel<br />
Michael Schulz (41) erhebt<br />
jetzt schwere Vorwürfe.<br />
Seit etwa einem Jahr lebt Lieselotte<br />
Schulz in dem Heim in der<br />
Wutzkyallee (Gropiusstadt).<br />
„Mir geht’s ja ganz gut“, sagt<br />
sie. Doch das Essen habe ihr<br />
heute nicht geschmeckt „und<br />
wenn ich klingele, kommt lange<br />
keiner“. Jedes Klingeln wird<br />
übrigens in einem Protokoll erfasst<br />
(liegt dem KURIER vor).<br />
Und dort steht, dass die 79-Jährige<br />
sehr oft mehrfach klingeln<br />
muss, bis Hilfe kommt.<br />
Am Sonnabend, den 12. Januar,<br />
fällt die Dame hin. Laut<br />
Sturzprotokoll passiert das um<br />
19.40 Uhr. „Es vergehen über<br />
zwei Stunden, bis sie ins<br />
Krankenhaus gefahren<br />
wird. Wie kann das<br />
sein?“, fragt der Enkel.<br />
Laut Protokoll klagte<br />
seine Oma über starke<br />
Schmerzen in der linken<br />
Hüfte. Doch die Pflegekraft<br />
bestellt nur einen<br />
Krankentransport, der<br />
lange braucht.<br />
Ein Mitarbeiter des<br />
Krankentransports bestätigt<br />
dem KURIER:<br />
„Wir wurden um 21.19<br />
Uhr angerufen, um 22<br />
Uhr waren wir vor Ort<br />
im Heim.“ Etwa eine<br />
halbe Stunde später ist<br />
der Wagen in der Klinik.<br />
Lieselotte Schulz<br />
kommt gleich in den OP.<br />
Im Haus in der Wutzkyallee<br />
wohnen 150 Menschen. Das<br />
Heim beschäftigt fest angestellte<br />
Pflegekräfte, aber auch Leasingkräfte<br />
von Fremdfirmen.<br />
Gute Fachkräfte sind in der<br />
Pflegebranche Mangelware.<br />
Hier passierte der<br />
Sturz. DasAlloheim<br />
„Kurt-Exner-Haus“ in<br />
der Wutzkyallee in<br />
Gropiusstadt.<br />
Fotos: Thomas Uhlemann<br />
Lieselotte Schulz (79)<br />
musssich noch schonen.<br />
Enkel Michael Schulz<br />
(41)besucht sie so oft,<br />
wie er kann.<br />
Intern wird diskutiert, dass<br />
man für Lieselotte Schulz vielleicht<br />
doch den Notarzt gebraucht<br />
hätte. Der Heimleiter<br />
ist vom Träger „Alloheim Senioren-Residenzen<br />
SE“ aufgefordert<br />
worden, sich nicht zu<br />
äußern. Ein Sprecher des Trägers<br />
drückt sein Mitgefühl aus<br />
und sagt zum Fall: „Von der dafür<br />
qualifizierten Pflegefachkraft<br />
wurden umgehend Erste-<br />
Hilfe-Maßnahmen eingeleitet,<br />
Vitalwerte gemessen und eine<br />
sorgsame Überprüfung auf<br />
mögliche Verletzungen durchgeführt.<br />
Bei der Bewohnerin lagen<br />
jedoch keine sichtbaren<br />
Verletzungen vor. Dennoch<br />
wollte die Pflegekraft die Bewohnerin<br />
umgehend vorsorglich<br />
zur Überprüfung durch<br />
Fachärzte ins Krankenhaus<br />
bringen lassen. Dies lehnte die<br />
Bewohnerin mehrfach explizit<br />
ab, trotz wiederholter Aufforderung<br />
durch die Pflegefachkraft.“<br />
Die Entscheidung sei<br />
fachlich vertretbar gewesen.<br />
Der Enkel aber sagt, dass seine<br />
Oma in die Klinik wollte.<br />
Und die Verzögerung von<br />
über zwei Stunden? Die habe<br />
die Pflegekraft nicht allein verursacht,<br />
so der Sprecher. „Wir<br />
bedauern die dadurch entstandene<br />
Verzögerung, insbesondere<br />
vor dem Hintergrund der<br />
letztlichen Diagnose.“